Post on 27-Aug-2019
Fachhochschule Stralsund
University of applied sciences
Fachbereich Wirtschaft
Studiengang Betriebswirtschaftslehre
Zur Schwedenschanze 15 18435 Stralsund
Nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation als Impuls für eine Änderung der Konsummuster
in den Handlungsfeldern Ernährung und Mobilität
am empirischen Beispiel des Potentials bei Studenten in Deutschland
Diplomarbeit
Zur Erlangung des akademischen Grades
Diplom-Betriebswirt (FH)
Eingereicht von:
Christian Röse
Wühlischstraße 44
10245 Berlin
E-Mail: chrisroese@web.de
Matrikel-Nr.: 9257
Erstgutachter:
Prof. Dr. rer. pol. Harald Wilde
Zweitgutachter:
Prof. Dr. Matthias Langguth
Berlin, 27.02.2012
Für meine Eltern und Großeltern, die mir mein Studium ermöglichten,
Karina und Sven für die ursprüngliche Inspiration
und für Anna.
II
Geleitwort
„Das Unternehmen Premium ist Nachhaltigkeit in Reinform.“, wird mir gelegentlich
rückgemeldet, wenn ich die Grundgedanken und deren konkrete Ausprägung im Detail
erklärt habe. Das bedeutet, unsere Kommunikation vorher war nicht ausreichend.
Effektive Nachhaltigkeitskommunikation ist auch bei uns eine Riesen-Baustelle.
Dabei gilt: „Es gibt keine Alternative zu einer nachhaltigen Entwicklung“, so pflegt der
geschätzte Prof. Dr. Stefan Schaltegger vom Centre for Sustainability Management der
Leuphana Universität Lüneburg lächelnd zu sagen. Da hat er Recht und es setzt sich
die Erkenntnis durch, dass die Menschheit insgesamt nicht einfach so weitermachen
kann wie bisher. Wir haben eben keine zweite Erde im Kofferraum. Nur warum ist der
Wandel dann so schwierig? Warum gibt es noch konventionelle Produkte im Super-
marktregal, warum kaufen Konsumenten immer mehr Plastik-Einwegflaschen, warum
entspricht ihr Kaufverhalten so selten ihren Überzeugungen?
„Nachhaltigkeit“ ist ein mittlerweile fast inflationär gebrauchter Begriff, so sehr, dass
Premium ihn kaum verwendet; und das Thema ist auf mehreren Ebenen komplex, d.h.
entsprechend schwierig zu kommunizieren. Dazu nur ein Beispiel: „Laut (...) Universität
von Connecticut ist die Öko-Bilanz des Toyota Prius sogar schlechter als die der „Su-
per-Umweltsau-SUV“ Hummer: Durch die Verwendung von Leichtmetall und die großen
Batterien braucht der Prius bei der Herstellung doppelt so viel Energie wie der Hum-
mer. Die Lebenserwartung eines Hummer ist ebenfalls höher: Der Prius hat eine
Laufleistung von rund 160.000 Kilometern, der Hummer eine von 480.000 Kilometern.“
(vgl. Hartmann 2009). Die Kommunikation von Toyota suggeriert das Gegenteil. Also
ein klarer Fall von Greenwashing, oder ist die Entwicklung der Elektromobilität insge-
samt betrachtet so sinnvoll, dass der Prius „grün“ beworben werden darf? (vgl. Toyota
Motor Sales 2011). Wäre eine ehrliche Einordnung besser? Keine einfachen Fragen.
Es bringt auch wenig, wenn die Verantwortung für nachhaltigen Konsum von den
Konsumenten an Unternehmen abgeschoben wird („wir können ja nur kaufen, was
angeboten wird“), und umgekehrt gilt das gleiche („wir bieten ja nur an, was gekauft
wird“). Es findet aber glücklicherweise ein Machtwechsel von Unternehmen zu Konsu-
menten statt; letztere können sich immer besser informieren, weshalb sie nicht länger
nur Rezipienten von Werbebotschaften sind. Und: Über Social Media entstehen mächti-
ge Rückkanäle – Marken und damit Unternehmen sind längst nicht mehr nur in der
III
Hand ihrer Verantwortlichen. Sie werden vielmehr die Summe der Gespräche über sie.
Diesen Machtwechsel gilt es im Sinne der Nachhaltigkeit zu nutzen, damit Unterneh-
men aller Branchen gezwungen werden, einen Teil ihres Geschäfts als Dienstleister für
eine nachhaltigere Entwicklung zu verstehen.
Das funktioniert natürlich nur, wenn sich parallel das Verhalten der Konsumenten mit
ändert. Nur wie geht das? Was kann und muss Kommunikation leisten, um diese
Entwicklung zu befördern? Wie kann verbesserte Nachhaltigkeitskommunikation zur
Verhaltensänderung von Konsumenten beitragen?
Die vorliegende Arbeit liefert Antworten auf diese Fragen. Damit wird sie nicht nur für
Fachkreise wichtige Erkenntnisgewinne liefern – auch werden sie als Grundlage für
verbesserte Nachhaltigkeitskommunikation nutzen. Danke!
Uwe Lübbermann
Gründer und zentraler Organisator Premium Cola
IV
Abstract
Currently the world is facing severe ecological and social problems. It becomes more
and more important to raise awareness for these issues to society in order to facilitate
change in attitude and behaviour patterns. The aim of this thesis is to evaluate how
companies should and can design their sustainability-oriented consumer communica-
tion to influence patterns of thoughts and consumer behaviour in a sustainable direc-
tion. Different strategies, content and media instruments are investigated which can be
used to improve customer perception, credibility and reaction to the addressed envi-
ronmental and social issues. In this context, the evaluation of consumer behaviour is
an important approach to gain insight into and understanding of the target group to be
able to design appropriate communication strategies. Another focus of this work is to
identify constraints and critical factors of success of this intention. This was accom-
plished by two approaches: For one, extensive literature work pooling the current state
of the art in this field, and second, a quantitative and empirical survey. The first was
carried out by analysing specialist literature about the concept of sustainable develop-
ment, consumer-psychology and sociology as well as communication, especially sus-
tainability-communication. Second, to test the hypotheses derived from the theoretical
work, an online survey was conducted including a mixture of open and closed ques-
tions concerning sustainable consumption behaviour and its communication. The
conclusions drawn from those investigations are that companies need to highly im-
prove transparency and reliability to gain the trust of the customers. If not, they are at
risk to get a “shitstorm” and lose their reputation and consumer trust. The survey
showed that most customers will only act sustainable if corporations do so first. In
order to be able to comply with these requirements, corporations need to have a
certain expertise to evaluate the conditions of sustainability. When it comes to an
actual design of a campaign, corporations need to identify characteristics of the people
they want to address. Thus, they are able to focus their strategy, content, and media
towards specific groups of consumers and thereby achieve relevance for them.
Hinweis im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzie-
rung der Sprache (wie z. B. Teilnehmer/Innen) verzichtet. Mit der männlichen Form
sind im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich auch weibliche Personen gemeint.
V
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. VII
Einführung in das Themenkonstrukt ............................................................ 1
1. Ausgangssituation und Problemstellung .................................................... 1
2. Zielsetzung und Fragestellung ................................................................. 4
3. Aufbau und Methodik ............................................................................. 4
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger
Entwicklung ............................................................................... 7
1. Der Nachhaltigkeitsdiskurs ...................................................................... 7
a) Geschichtliche Entstehung und Entwicklung.................................... 7
b) Nachhaltige Entwicklung und Generationengerechtigkeit .................. 8
c) Die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung ............................ 10
2. Nachhaltiger Konsum – die Triebfeder nachhaltiger Entwicklung ............... 12
a) Nachhaltiger Konsum und der Konsummusterbegriff ..................... 12
b) Strategien zur Umsetzung nachhaltigen Konsums ......................... 16
c) Handlungsfelder nachhaltigen Konsums ....................................... 18
d) Strukturelle Hürden für nachhaltigen Konsum ............................... 29
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze ...............32
1. Grundlagen der sozialpsychologischen Konsumentenkenntnis ................... 32
a) Zentrale Begriffe des Konsumentenverhaltens .............................. 32
b) Kaufentscheidungen .................................................................. 37
2. Nachhaltigkeitsrelevante Konsumsoziologie ............................................. 39
a) Lebensstile und deren Nachhaltigkeitsrelevanz .............................. 39
b) Nachhaltigkeitsrelevante Konsumstile .......................................... 42
c) Kritik am Lebensstil/Konsumstil-Ansatz ........................................ 45
3. Die Herausforderung des Konsummuster-Änderungsprozesses .................. 45
a) Sozialpsychologische Hindernisse ................................................ 46
b) Veränderung von Einstellung und Verhalten ................................. 51
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster .........................................................................53
1. Grundannahmen über konsummusterverändernde,
nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation .............................. 53
a) Herleitung des Begriffskonstruktes .............................................. 53
b) Notwendigkeit und Ziele der Kommunikation im Nachhaltigkeitsdiskurs ................................................................ 57
c) Bedingungen und strategische Ausrichtung für
nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation ................... 60
VI
2. Zwei Ansätze der Umsetzung des „Elaboration Likelihood Models” ............. 66
a) Zentrale und periphere Route ..................................................... 66
b) Zentrale Route: sachlich-argumentativer Ansatz............................ 68
c) Periphere Route: emotionaler Ansatz ........................................... 74
d) Konklusion ................................................................................ 80
3. Instrumentelle Umsetzung .................................................................... 81
4. Herausforderungen für eine nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation ................................................................... 86
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung ........................................................93
1. Zielsetzung der Studie .......................................................................... 93
2. Methodische Vorgehensweise ................................................................ 94
3. Ergebnisdarstellung und -auswertung..................................................... 97
a) Charakterisierung der Zielgruppe (Stichprobe) .............................. 98
b) Einstellungen der Zielgruppe gegenüber nachhaltigen Konsummustern .......................................................................100
c) Verhaltensweisen der Zielgruppe gegenüber nachhaltigen
Konsummustern .......................................................................104
d) Aussagen über Verbraucherkommunikation .................................108
e) Überprüfung von H1: Nachhaltigkeit, Kommunikation und
Glaubwürdigkeit .......................................................................118
f) Überprüfung von H2: die Routen des ELM und die Zielgruppe ........123
4. Zusammenfassung und Resümee der Studie ..........................................129
Implikationen: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse .................................... 134
Schlussbetrachtung und Ausblick ........................................................... 140
1. Zusammenfassung der Arbeit ...............................................................140
2. Wissenschaftliche Konsequenzen und Forschungsbedarf .........................142
3. Konsequenzen für die unternehmerische Praxis ......................................145
Anhangsverzeichnis .................................................................................... IV
Anhang A: Darstellung der Umfrage .............................................................. V
Anhang B: Weitere Daten der Umfrage .........................................................XII
Abbildungsverzeichnis ............................................................................. XXV
Tabellenverzeichnis ............................................................................ XXVIII
Literaturverzeichnis ............................................................................... XXIX
Eidesstattliche Versicherung .................................................................... XLI
VII
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V.
App engl. application = Anwendungsprogramm für Mobiltelefone
BMU Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
bspw. beispielsweise
bzw. Beziehungsweise
CSR engl. Corporate Social Responsibility
= Unternehmerische Sozialverantwortung
DL Dienstleistung
ebd. Lat. ibidem = wie vorgenannt
ELM Elaboration Likelihood Model
et al. lat. et alia = und andere
etc. lat. et cetera = und so weiter
EU European Union
IAA Internationale Automobil-Ausstellung
kg Kilogramm
km Kilometer
Mrd. Milliarden
NGO Nichtregierungsorganisation
ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr
Pkw Personenkraftwagen
PoS Point of Sale
PR Public Relations
SPSS Statistical Package for the Social Sciences (Statistik-Software-Firma)
UAP Uniqe Advertising Proposition
UBA Umweltbundesamt
UNEP United Nations Environmental Programme
USP Unique Selling Proposition
usw. Und so weiter
VIII
vgl. vergleiche
u.v.m. Und vieles mehr
WCED World Commission on Environment and Development
z.B. zum Beispiel
„Die Welt, die wir geschaffen haben, ist das Resultat einer überholten
Denkweise. Die Probleme, die sich daraus ergeben, können nicht mit der
gleichen Denkweise gelöst werden.“
Albert Einstein
Einführung in das Themenkonstrukt
1
Einführung in das Themenkonstrukt
1. Ausgangssituation und Problemstellung
Sowohl global, als auch lokal betrachtet stehen Menschen und Gesellschaften vor
schier grenzenlosen Herausforderungen. Die Schaffung von inter- sowie intragenerati-
oneller Chancengleichheit und die Erhaltung unseres Planeten mit einer lebenswerten
Umwelt stehen dabei im Vordergrund. Durch Umweltverschmutzung, Regenwaldabhol-
zung, Überfischung der Meere, hoher Treibhausgas-Emissionen und sozialer Ungerech-
tigkeit ist ein Punkt erreicht, an dem es kaum einen anderen Ausweg mehr gibt, als
einen globalen Paradigmenwechsel. Zwar gab es immer schon Umweltkatastrophen
und gesellschaftliche Probleme. Doch erst seit dem immens gestiegenen Konsum im
letzten Jahrhundert mit der unermesslichen Ausnutzung von Menschen und Natur sieht
sich die Menschheit mit den massiven, daraus resultierenden Problemen konfrontiert.
Der rasante Bevölkerungszuwachs und das rasche Voranschreiten der Globalisierung
verschärfen diese Situation weiterhin, sodass neue Strategien gefunden werden
müssen, um dieser Lage Herr zu werden.
Einführung in das Themenkonstrukt
2
Mithilfe der Strategien des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung können sowohl
globale, als auch lokale Problemlagen angegangen werden. Dieses Leitbild sieht vor,
nicht mehr von der Umwelt und den Menschen zu verlangen, als sie zu leisten im
Stande sind und so eine gewisse Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Gesundheit zu
fördern.
In vielen Teilen der Erde kommt es seit einiger Zeit zu Unruhen und Auflehnung gegen
das vorherrschende gesellschaftliche und wirtschaftliche System, welches unter ande-
rem für die eben beschriebenen Problemlagen verantwortlich gemacht werden kann.
Die Occupy-Bewegung, unzählige Demonstrationen gegen die Lebensmittelindustrie
und Energiekonzerne und nicht zuletzt die zahlreichen Revolutionen des arabischen
Frühlings zeugen von einem großen Aufruhr dieser, unserer Generation. Die Mitglieder
der studentischen Konferenz der Humboldt Universität zu Berlin nennen sie – die
„Generation Nachhaltigkeit“.
Es müssen Strategien entwickelt werden, die unsere Konsumweise einer Veränderung
unterziehen. Dieser Meinung sind nicht nur ausgewiesene Nachhaltigkeitsexperten
sondern auch Kommissionen und Gremien in Politik und Wirtschaft. Wir dürfen nicht
länger auf Kosten unserer Umwelt und unserer Mitmenschen leben. Der Konsum von
Waren und Dienstleistungen hat weitreichende Folgen. So werden durch Kauf, Nutzung
und Entsorgung bereits direkte Konsequenzen des Handelns sichtbar, wie Müllbelas-
tung oder Ressourcenverbrauch. Durch die Kaufentscheidung eines Gutes werden
allerdings auch indirekt unzählige Dinge beeinflusst. Wie viel mehr oder weniger Geld
beispielsweise den Lebensmittelproduzenten in Entwicklungsländern zur Verfügung
steht, beeinflusst deren Entwicklung wie kaum etwas anderes.
Die Nachhaltigkeitsdiskussion darf nicht länger nur Sache von Experten bleiben. Wenn
die Ziele des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung erreicht werden sollen, gilt es
gewiss, das Handeln der Menschen in Alltag und Konsum zu verändern. Die Bevölke-
rung muss in den Diskurs und den Prozess mit einbezogen werden, um weitreichende
Folgen spürbar werden zu lassen. So argumentieren die Vereinten Nationen:
“Fundamental changes in the way societies produce and consume are indispen-
sable for achieving global sustainable development.“ (United Nations 2002, S.
7)
Einführung in das Themenkonstrukt
3
Bio-Lebensmittel, Ökostrom, ethisches Investment, fairer Handel, und viele weitere
nachhaltige Produkte und Dienstleistungen sind im Aufwind. Doch die globale und
weitreichende Änderung von Konsummustern bleibt eine große Herausforderung.
Unternehmen müssen sowohl aus ihrer ethischen Verantwortung heraus, wie auch als
Ressourcennutzer, und damit selbst von der drohenden Ressourcenknappheit Betroffe-
ne, eine nachhaltige Lebensweise der Konsumenten fördern. So ist eine Motivation der
Konsumenten nicht nur dem Wohlwollen des Unternehmens geschuldet, sondern
vielmehr eine elementare Grundvoraussetzung für ihr eigenes Wirtschaften.
Strategisch könnten sie mithilfe ihrer Marktmacht, ihren angebotenen Gütern und mit
dem Instrument der Kommunikation als Multiplikator für den angestrebten Paradig-
menwechsel dienen. Durch Informationen könnten Motivationen geschaffen werden,
sorgsamer zu konsumieren. Die Umsetzung wird jedoch deutlich geschwächt durch
einen Mangel an Geld, Zeit und letztlich an Wille der Konsumenten, ihre Konsumge-
wohnheiten aufzugeben. Dabei herrscht eine Vielzahl an alternativen Konsumangebo-
ten jedweder Art, in jedem Konsumfeld. Doch das Feld ist unübersichtlich und kom-
plex. So wird unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation (vgl. Abbildung 1) eine
wichtige und schwierige Herausforderung zuteil (Bilharz 2009, S. 26 ff.).
Abbildung 1: Konzeptionelle Grundlage: Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation
Eigene Darstellung in Anlehnung an Bilharz (2009, S. 42)
Einführung in das Themenkonstrukt
4
2. Zielsetzung und Fragestellung
Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, Schwierigkeiten und Erfolgsfaktoren heraus-
zufinden, die Unternehmen beachten und umsetzen müssen, um beim Verbraucher
eine Änderung seiner Konsummuster zu bewirken.
Das Ziel ist es also nicht, zu ergründen, welche Vorteile und Chancen Unternehmen
durch diese Art der Kommunikation haben könnten. Weiterhin wird die Frage nach der
Zuständigkeit bestimmter Institutionen für Konsummusterveränderungen unbeachtet
bleiben. Das Konzept der CSR (Corporate Social Responsibility) wird lediglich am Rande
erwähnt.
Vielmehr soll es um die Ergründung von Richtlinien gehen, die Unternehmen erreichen
müssen, um sich bei der Zielgruppe Gehör zu verschaffen und diese von der Thematik
zu überzeugen. Das individuelle Beschaffungs-, Nutzungs-, und Entsorgungsverhalten
im Kontext relevanter Alltagsstrukturen, Einstellungen und Werthaltungen zu analysie-
ren ist Teil des Forschungsansatzes. Dem folgend sollen Herausforderungen, Voraus-
setzungen sowie Strategien und Inhalte identifiziert werden, um dies umzusetzen.
Der Stand der Forschung dieser Thematik steckt, im Gegensatz zu anderen betriebs-
wirtschaftlichen Themen, noch in den Anfängen. Es wurden zwar bereits viele Studien
und Arbeiten über Chancen und Risiken von nachhaltiger Ausrichtung des Unterneh-
mens, Kommunikation von Nachhaltigkeitsaspekten veröffentlicht. Doch nicht, ob und
wie nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation den Konsumenten in seinen
Konsummustern, ergo seinen Verhaltensweisen und Werten positiv beeinflussen kann.
Insbesondere der Reiz dieses „unbeackerten Feldes“ war der Impuls für diese Arbeit.
3. Aufbau und Methodik
Die vorliegende Arbeit ist sowohl eine empirische Studie, als auch eine theoretische
Auseinandersetzung mit der Thematik. So soll ein ausführlicher Theorieteil zunächst
dafür sorgen, Expertenwissen, bezogen auf die unterschiedlichen Themenbereiche,
hinzuzuziehen, um einen Überblick über die Thematik zu ermöglichen. Dem folgend soll
eine quantitativ-empirische Studie zum einen die in der Theorie ergründeten Informati-
onen bestätigen und zum anderen aktuelle Tendenzen und Ansichten einer jungen,
zukunftsweisenden Zielgruppe aufzeigen.
Einführung in das Themenkonstrukt
5
Um dem Leser eine Einführung in die Thematik zu ermöglichen, werden zunächst die
Grundlagen nachhaltiger Entwicklung und eines nachhaltigen Konsums erläutert. Hier
schien es notwendig, die Zusammenhänge zwischen Problemlagen, Strategien zur
Bearbeitung dieser Problemlagen und den gewählten Handlungsfeldern Ernährung und
Mobilität zu erläutern.
Im nächsten Schritt wird ein Überblick über aktivierende Prozesse der Konsumenten-
kenntnis für einen Einblick sorgen, wie und warum Menschen auf verschiedene Reize
reagieren, bevor konsumsoziologische Aspekte Einblicke in die verschiedenen Zielgrup-
pen in unserer Gesellschaft bieten.
Daran anschließend wird das Mittel für einen Paradigmenwechsel im Konsum vorge-
stellt – nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation. Hierzu wird genannter
Terminus erläutert, der Stellenwert der Kommunikation im Kontext erörtert und da-
raufhin Inhalte, Strategien und Medien bestimmt, mit denen nachhaltigkeitsorientierte
Kommunikation den Verbraucher zu nachhaltigem Konsumverhalten motivieren kann.
Bei der darauf folgenden empirischen Studie handelt es sich um eine quantitative
Meinungsforschung, in der Studenten, die an deutschen Hochschulen studieren, zu
ihrem Konsumverhalten, Beweggründen, Hemmnissen und Einstellungen befragt
werden. Durch die Einstreuung offener Fragen und Antwortmöglichkeiten wird eben-
falls ein gewisser qualitativer Aspekt der Forschung bedacht, um tiefgehende Intentio-
nen und Einstellungen herauszufinden. Mittels einer Hypothesendiskussion werden die
aus der Theorie abgeleiteten Thesen auf Konsistenz überprüft. Die folgende Abbildung
2 soll das Handlungsschema der Arbeit verbildlichen.
Abbildung 2: Aufbau der Arbeit
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
7
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
1. Der Nachhaltigkeitsdiskurs
a) Geschichtliche Entstehung und Entwicklung
Sozial und ökologisch nachhaltige Gedanken gab es bereits in der Bibel (Günther 2008,
S. 40 ff.). Doch erst im 18. Jahrhundert wurde der Nachhaltigkeitsbegriff erstmals in
der deutschen Forstwirtschaft genannt, mit der Zielsetzung, der Natur immer nur so
viel Holz zu entnehmen, wie in der gleichen Zeit wieder nachwachsen kann (Brockhaus
Enzyklopädie 2006, S. 232 f.). Andere Wirtschaftszweige übernahmen diese Denkweise
schließlich und fügten zusätzliche Aspekte hinzu (vgl. Nutzinger und Radke 1995).
Allerdings kam es durch starkes Wirtschaftswachstum in den okzidentalen Volkswirt-
schaften bis zu den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zu einer Erlah-
mung der Thematik (Grunwald 2006, S. 14–16) und schließlich erwuchs Kritik über die
vorherrschenden gesellschaftlichen Produktions- und Lebensstile, das Wirtschafts-
wachstum und Ressourcen (Meadows 1972, S. 17). In diesem Zuge begann die vom
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
8
United Nations Environmental Programme initiierte World Commission on Environment
and Development mit Untersuchungen und Berichterstattung über sozial-ökologische
Problemlagen. Außerdem erarbeiteten sie Handlungsempfehlungen und brachten den
Begriff der nachhaltigen Entwicklung erstmals einer breiten Öffentlichkeit als Leitbild
nahe (vgl. Hauff 1987, S. 1 ff.), welches seitdem in unterschiedlichen Interessenszu-
sammenhängen eine gewichtige Rolle spielt.
b) Nachhaltige Entwicklung und Generationengerechtigkeit
Der Begriff und das Verständnis von nachhaltiger Entwicklung sind durch Ungenauig-
keit, Mehrdeutigkeiten und zum Teil Widersprüche geprägt (Michelsen 2007b, S. 26).
So impliziert „nachhaltige Entwicklung“ das Ziel „nachhalten“ im Sinne von „andauern"
oder „für Notfälle zurückhalten", andererseits jedoch auch eine Entwicklung als Gegen-
satz zu Stillstand (Fischer 2001, S. 7). Der Fokus muss laut Schrader und Hansen
(2001, S. 342) ohnehin konkret auf einen bestimmten Bereich gelenkt werden, da die
Theorie, alle auf gesamtpolitischer Ebene formulierten Ziele und Indikatoren zu über-
nehmen, nicht umsetzbar ist. Leitschuh-Fecht (2007, S. 605) hält das Konzept für
einen „gesellschaftlichen Such- und Lernprozess“ und Gerold (2006, S. 15) ergänzt,
dass dieser sowohl gegenwarts- als auch zukunftsorientiert ist.
Kaum ein Begriff wird so untrennbar mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung
verbunden wie Generationengerechtigkeit, der auch in der bekanntesten und meist
verwandten (Günther 2008, S. 45) Definition „Nachhaltiger Entwicklung“ von der
Brundtland-Kommission Beachtung findet:
"Sustainable Development is development that meets the needs of the present
without compromising the ability of future generations to meet their own needs."
(WCED 1987, S. 43)
Essentiell für die angesprochene intergenerationelle Gerechtigkeit ist es jedoch auch,
gleichzeitig eine gerechte Verteilung der Chancen zur Bedürfnisbefriedigung der heute
Lebenden zu erreichen (intragenerationelle Gerechtigkeit). In diesem Zusammenhang
steht nicht der generelle Wohlstandsunterschied der beiden Weltregionen Industrielän-
der und Entwicklungsländer – oft als Nord/Süd-Konflikt bezeichnet – im Mittelpunkt der
Diskussion, sondern vielmehr die Befriedigung der Grundbedürfnisse wie Zugang zu
sauberem Trinkwasser, angemessenem Wohnraum oder Zugang zu entsprechender
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
9
Gesundheitsversorgung. Besondere Relevanz erhält dieses Ziel bei dem Vergleich der
globalen Verteilung und Nutzung von Ressourcen. Menschen in nicht-industrialisierten
Ländern verbrauchen lediglich ein Fünftel der gesamten Ressourcen, obwohl Sie rund
vier Fünftel der Weltbevölkerung stellen (Bilharz 2009, S. 76). In Abbildung 3 wird die
Dramatik dieser Thematik besonders deutlich.
Abbildung 3: Globale ökologische Fußabdrücke
Quelle: Global Footprint Network (2008)
Unser okzidentales Wirtschaftsmodell gilt zwar einerseits als größter Verschwender von
Ressourcen, andererseits aber auch als Vorbild für ärmere Bevölkerungen (Bilharz
2009, S. 85). Gerechtigkeit muss sowohl als Ziel, aber vor allem auch als Vorausset-
zung gesehen werden, denn eine ungerechte Verteilung des Zugangs zu knappen
Ressourcen wie Boden, Trinkwasser etc. ist auch die Ursache nicht nachhaltiger Ent-
wicklungen wie kriegerischen Konflikten sowie der übertriebene Ausnutzung der
Ressourcen und des gesamten Ökosystems. Darüber hinaus sind meist die unprivile-
gierteren Menschen die Leidtragenden von durch Klimawandel oder anderen durch
westliche Konsummuster verursachte Naturkatastrophen. So ergibt sich letztlich eine
doppelte Ungerechtigkeit im Sinne des Nord/Süd-Konflikts.
Zur intragenerationellen Gerechtigkeit gehören auch Konflikte, die sich innerhalb von
Gesellschaften auftun. Dies kann beispielsweise zwischen den Geschlechtern oder den
Generationen (Großeltern – Eltern – Kinder) der Fall sein (Grunwald 2006, S. 29–34).
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
10
Nachhaltige Entwicklung gilt als untrennbar mit einer Partizipation der Bevölkerung
verknüpft. So postuliert die Bundesregierung: „Wenn nachhaltige Entwicklung Realität
werden soll, brauchen wir viele Menschen, die dieses Anliegen zu ihrer eigenen Sache
machen.“ Ausgehend von ihrem Lebensumfeld oder den Themen, die sie berühren und
beschäftigen, muss die Denkweise in den Alltag gelangen (vgl. Kuckartz 2006, S. 167
ff.). Zusammenfassend lässt sich das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung mit den
Begriffen Gerechtigkeit, ein genügsames Leben, Freiheit und Selbstbestimmung, das
Wohl aller Menschen und Zukunftsverantwortung zusammenfassen (Michelsen 2007a,
S. 26). Vorsorge gilt im Gegensatz zur Nachsorge als ein Kern der Leitidee (Grunwald
2006, S. 27–29).
c) Die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung
Abbildung 4: Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
Eigene Darstellung in Anlehnung an Barbier (1987)
Im engen Zusammenhang mit einer nachhaltigen Entwicklung, die sich als Umsetzung
der Belange der Nachhaltigkeit definiert, lässt sich eine Kategorisierung vornehmen –
das Drei-Dimensionen-Modell der nachhaltigen Entwicklung (Grunwald 2006, S. 46).
(vgl. Abbildung 4) In ihm vereinen sich die Dimensionen Ökonomie, Ökologie und
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
11
Soziales einerseits als ein Konfliktmodell (Belz 2007, S. 25), andererseits als ein Ziel-
dreieck miteinander (v. Alvensleben 1998, S. 1). Es gilt, eine möglichst große gemein-
same Schnittmenge in der Realisierung der drei Dimensionen zu erreichen (Belz 2007,
S. 24 f.).
Ökologie
Als Ökologie wird die „Wissenschaft von den Wechselbeziehungen zwischen Lebewesen
und natürlicher Umwelt bzw. von den Ökosystemen“ verstanden (Gabler Wirtschaftsle-
xikon). Ohne unsere Umwelt gäbe es keine der anderen Dimensionen. Ergo gilt es,
unsere Lebensgrundlage zu schützen, um sie nicht zuletzt auch nachhaltig nutzen zu
können (Bittencourt et al. 2003, S. 23). Die Verknappung fossiler Brennstoffe, deren
Nutzung, der damit zusammenhängende Klimawandel und die bereits angesprochene
nachhaltig genutzte Forstwirtschafts können als Beispiele dienen (Schaltegger et al.
2003, S. 22). Weiterhin sind die menschengemachte, zunehmende Reduzierung der
Artenvielfalt unseres Planeten von ökologischem Belang (Michelsen 2007b, S. 28). Die
Unmengen an Hausmüll und Gefahrenstoffen, die täglich nicht nur in Deponien, son-
dern auch in unseren Gewässern und Böden entsorgt werden (Stahlmann 2000, S. 42),
tragen ebenso zur ökologischen Problematik bei wie die potentielle Gefährdung durch
Risiken in technischen Verfahren wie beispielsweise das Betreiben von Atomkraftwer-
ken (Stahlmann 2000, S. 15).
Soziales
Die wohl unschärfste Dimension des Modells ist die Soziale (Fiedler und Institut für
Sozialwissenschaften 2007, S. 22 f.). Diese soll dazu dienen, ein gleichberechtigtes und
gerechtes Leben aller Menschen zu gewährleisten (Bittencourt et al. 2003, S. 23). Zu
den Grundgütern, die gerecht verteilt, weiterentwickelt und intergenerativ weitergege-
ben werden müssen, gehört das Leben selbst, die Gesundheit, die Grundversorgung
mit Lebensmitteln, Kleidung, eine Behausung sowie elementare Rechte. Diese sorgen
dafür, dass der Mensch ein sicheres, würdiges und selbstbestimmtes Leben führen
kann. Hierzu gehören auch soziale Ressourcen wie Solidarität, Toleranz, Integration,
Gerechtigkeit und das Gemeinwohl. Bei der Realisierung des Ziels des sozialen Friedens
gibt es allerdings viele Konflikte und Unklarheiten (Grunwald 2006, S. 49).
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
12
Ökonomie
Eine weitere Dimension der Nachhaltigkeit ist die Ökonomie, die als das vorherrschen-
de Wirtschaftssystem verstanden werden kann. Ohne dieses wären große Veränderun-
gen nicht denkbar. Es bedient sich natürlicher Ressourcen und muss darauf achten,
diese nicht zu übernutzen und sich somit ihrer eigenen Existenzgrundlage zu entziehen
(Bittencourt et al. 2003, S. 23). Der Zweck der Wirtschaft ist in erster Linie das Produ-
zieren und der Vertrieb von Waren und Dienstleistungen. Durch deren Konsum und
dem erzielten Einkommen ergeben sich zum einen Bedürfnisbefriedigung der Verbrau-
cher und zum anderen die Existenzsicherung der Unternehmen. Die Wirtschaftsge-
meinschaft (Unternehmen, Konsumenten und der Staat) produziert jedoch auch einen
erheblichen Teil der Emissionen und Abfälle (Grunwald 2006, S. 47). Wachstum ist aus
nachhaltiger Unternehmersicht ein zweischneidiges Schwert, da es sowohl negative
Auswirkungen wie die Folgen der Globalisierung, als auch positive wie eine höhere
Beschäftigung haben kann (Stahlmann 2000, S. 15). Im volkswirtschaftlichen Fokus
einer nachhaltigen Entwicklung steht ein ganzheitlicher Strukturwandel, bei dem nicht
die Befriedigung des Einzelnen im Vordergrund steht, sondern individuelles Erfolgsstre-
ben zugunsten des Gemeinwohls reguliert wird (Fiedler und Institut für Sozialwissen-
schaften 2007, S. 19). Ziele der Dimension sind Förderung einer umweltfreundlichen
Produktion und einer verantwortungsbewussten Unternehmerschaft (Gerold 2006, S.
18 f.).
2. Nachhaltiger Konsum
– die Triebfeder nachhaltiger Entwicklung
a) Nachhaltiger Konsum und der Konsummusterbegriff
Konsum von Waren und Dienstleistungen bestimmt nicht nur in Industrieländern
(Schneider 2000, S. 10) in hohem Maße den Alltag der Menschen (Empacher und Stieß
2007, S. 474). Diese nutzen den Konsum zur Befriedigung existenzieller Grundbedürf-
nisse, Unterhaltung, Bildung oder sozialen Kommunikation, um sich von anderen
abzugrenzen oder ihr eigenes Lebensgefühl auszudrücken (Brand 2008, S. 51). (Vgl.
Kapitel 2.2) Konsumentscheidungen werden durch Faktoren wie das individuelle
Umfeld, Werte, kulturelle Gepflogenheiten, die Medien, Moden und das Rechtssystem
beeinflusst (Grunwald 2006, S. 115 f.).
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
13
Der private Verbrauch macht 56 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes in
Deutschland aus (Renn 2002, S. 33). Im Jahr 2010 betrugen die privaten Konsumaus-
gaben in Deutschland rund 1.37 Mrd. Euro und machten 61,7 Prozent des verfügbaren
Einkommens der privaten Haushalte aus. Güter wie Nahrungsmittel, Bekleidung und
Einrichtungsgegenstände verlieren an Relevanz. Im Gegenzug fließen immer größere
Teile dem Bereich Wohnung/Wasser/Strom/Gas-/Brennstoffe zu. Ebenfalls sehr deut-
lich hat sich der Ausgabenanteil für Gesundheits- und Körperpflege, persönliche Ge-
brauchsgegenstände und Dienstleistungen erhöht (Kaya 2011).
Probleme von Konsum
Betrachtet man die Verteilung der Konsumausgaben weltweit, so fällt auf, dass das
ärmste Fünftel gerade einmal im Stande ist, ein bis zwei Prozent des Weltkonsums zu
verzehren. Das reichste Fünftel in den Industriestaaten allerdings ist für circa 80
Prozent der globalen Konsumausgaben verantwortlich (Grunwald 2006, S. 115 f.).
Der Konsum als Nachfrage sichert Wachstum und somit Beschäftigung (Brand 2008, S.
51), verursacht jedoch auch zahlreiche Nebenfolgen und beeinflusst damit sowohl
individuelle als auch kollektive Aspekte (Belz 2005, S. 1).
Nachhaltige Konsummuster
Konsumenten sind sowohl Opfer als auch Täter der globalen sozialen, ökonomischen
und ökologischen Verhältnisse. Doch obwohl sie sich in vielen Fällen nicht gegen die
Strukturen erwehren können, ist es ihnen möglich, als Mitgestaltende und Akteure der
Marktwirtschaft Handlungsmöglichkeiten umzusetzen und als Problemlöser verantwor-
tungsvoll zu fungieren (Hansen und Schrader 2001, S. 20 f.). Durch den Einsatz inno-
vativer Technologien und Materialien im Produktions- sowie im alternativen Dienstleis-
tungs- und Nutzenkonzept liegt ein hohes Potential zur Umsetzung der Strategien einer
nachhaltigen Entwicklung. Diese Einsparungsmöglichkeiten lassen sich jedoch oft
lediglich durch die Art des Nutzens realisieren, da oft bis zu 80 Prozent der gesamten
Belastung durch die Nutzung der Güter verursacht wird (Reisch und Kreeb 2007, S.
465). Diese zählt gemeinsam mit dem Akt des Kaufes und des letztlichen Entsorgens
zu dem Oberbegriff der Konsummuster, bei denen der Verbraucher die Rollen des
Käufers, Nutzers und Entsorgers einnimmt (Schneider 2000, S. 10). Konsummuster
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
14
und Produktionsprozesse stellen die zentralen Themen in den Nachhaltigkeitsdebatten
dar (Grunwald 2006, S. 115 f.).
Der Begriff Nachhaltiger Konsum selbst ist die Zusammenführung der Begriffe Ökologi-
scher Konsum und qualitativer Konsum (Grunwald 2006, S. 115 f.), wird ferner aller-
dings auch strategischer oder ethischer Konsum genannt (UNEP 2008, S. 1). Er kann
laut Eberle et al. (2004, S. 9) „nur durch ein Verhalten realisiert werden, das dem
Leitbild nachhaltiger Entwicklung“ (vgl. Kapitel 1.1) folgt und dementsprechend, im
Sinne des Schnittmengenmodells durch Konsumhandlungen, die ökologisch, sozial und
ökonomisch vernünftig sind (Belz und Bilharz 2005a, S. 8 f.).
Die United Nations Commission for Sustainable Development charakterisiert einen
nachhaltigen Konsum wie folgt:
“Sustainable consumption is the use of goods and services that respond to
basic needs and bring a better quality of life, while minimizing environmental
and social impacts over the life cycle, so as not to jeopardize the needs of fu-
ture generations” (UNCSD, 1998)
Entscheidungsbereiche nachhaltigen Konsums
Die verschiedenen Perspektiven und Entscheidungsbereiche, aus denen die unter-
schiedlichen Akteure heraus agieren, entwickelten so abweichende strategische (Teil)-
Ansätze (Eberle et al. 2004, S. 7). Im nachfrageseitigen Handlungsbereich liegt es an
den Konsumenten die Entscheidungen über Produkte/Dienstleistungen und die Art der
Nutzung sowie der Entsorgung zu treffen (ebd. S. 8). Vakant ist in dieser Hinsicht der
Aspekt der Suffizienz (vgl. Kapitel 1.2b) im Sinne einer flexibleren Ausformung der
Bedarfe mit dem Ziel einer Substitution in der Nachfrage (Paech 2005, S. 325) bezie-
hungsweise die Motivation der Verbraucher zu dieser Änderung ihres Konsumverhal-
tens. Die betreffenden Produkte müssen jedoch sowohl eine hinreichende Attraktivität
als auch Zweckmäßigkeit erfüllen (Belz und Peattie 2009, S. 72). Letztlich sind das
Ausmaß als auch die Summe der Konsumaktivitäten der Betrachtungsgegenstand, in
dessen Folge das Suffizienz-Prinzip erneut Bedeutung erlangt. Unter der Prämisse, dass
das bestehende Nutzungssystem zur Disposition steht, gilt es zudem für die Verbrau-
cher zwischen einem mit Produkteigentum zusammenhängenden und einem Eigentum
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
15
ersetzenden Konsum in Form einer Dienstleistung zu entscheiden (Paech 2005, S.
331).
Im informellen Handlungsbereich agieren die Privatverbraucher durch ihr eigenes nicht
marktorientiertes Handeln, welches so auf der Nachfrageseite nicht sichtbar wird
(Eberle et al. 2004, S. 8). Paech (2005, S. 331) nennt dies das „Prinzip der Entkomer-
zialisierung“. In dem Handlungsfeld (vgl. Kapitel 1.2c) Ernährung wäre dies beispiels-
weise Gemüseanbau im eigenen Garten oder eigene Nahrungszubereitung anstatt
einer Dienstleistung im Restaurant. Im Feld Mobilität würde Fahrrad fahren oder
Laufen anstatt der Autonutzung darunter fallen.
Abbildung 5: Handlungsfeld nachhaltiger Konsum
Quelle: Eberle et al. (2004, S. 8)
Der angebotsseitige sowie strukturelle Handlungsbereich umfasst neben Unternehmen
auch den Staat. Er schafft ein nachhaltiges Konsumangebot (Produkte, Dienstleistun-
gen, Informationen, Marketing, etc.) und wird in Kapitel 3 mit der Betrachtung von
kommunikativen Maßnahmen eingehende Beachtung finden. Der gesellschaftspolitische
Handlungsbereich, in dem der Staat, Verbände und Interessensgruppen die Rahmen-
bedingungen für nachhaltigen Konsum leisten sollen (Eberle et al. 2004, S. 8), wird in
dieser Arbeit nicht thematisiert.1
1 Zum Nachlesen: „EcoTopTen – Innovationen für einen nachhaltigen Konsum“
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
16
Güterarten
Gemeinschaftsgüter sind freie Güter, die für jeden Nachfrager frei zugänglich sind.
Diese sowie immaterielle Güter wie beispielsweise Dienstleistungen oder Rechte stehen
in Konkurrenz mit den privaten, materiellen Gütern. Materielle Güter besitzen einen
Grenznutzen, nach dem keine anhaltende Erhöhung des Glücks bei steigendem Besitz
oder Erwerb materieller Güter erreicht wird. Daher kann bei zunehmendem materiellen
Konsum und fehlendem immateriellen Genuss auf Dauer ein Sinken der Lebensqualität
entstehen. Immaterielles ist dagegen gerade bei höherem Einkommensniveau essenti-
ell. Aktive Selbstverwirklichung, Reichtum an menschlichen Beziehungen, Freihalten
von inneren Zwängen und Genuss tragen zu einem glücklichen Leben bei (Scherhorn
2000, S. 286 ff.).
b) Strategien zur Umsetzung nachhaltigen Konsums
An strategischen Ansätzen, nachhaltigen Konsum umzusetzen, mangelt es nicht. Eine
solche Strategie ist beispielsweise die Bilanzperspektive. Im Mittelpunkt steht die
Betrachtung der Summe aller Maßnahmen um die Maßnahmen miteinander vergleich-
bar zu machen. „Die Bilanz muss stimmen, nicht das Verhalten im Einzelfall.“ (Bilharz
2009, S. 152–156). Bei der Kollektivgutperspektive ist das Ziel, nicht nur die eigenen
Verhaltensweisen zu ändern, sondern auch aktiv das Handeln anderer zu beeinflussen,
um zum Wohle aller dafür zu sorgen, die kollektive Nachhaltigkeitsbilanz zu verbessern
(Bilharz 2009, S. 156). Informelle (Handlungsnormen) und formelle (Gesetze, Steuern,
Verfügbarkeiten im Angebot) Strukturen stehen nachhaltigem Konsum oft im Wege. So
stellt sich die Frage, welche Strukturen für nachhaltigen Konsum geändert werden
müssen beziehungsweise welche Strukturen überhaupt geändert werden können
(Bilharz 2009, S. 160–165). Zunächst steht eine Bedarfsreflexion an, der nachdem
Informationen eingeholt wurden, eine Bedarfsentscheidung folgt. In der Kauf- und
Konsumphase ist auf Mengenveränderungen und Strukturveränderungen zu achten.
Was die Nachkaufphase angeht, so ist die Vermeidung von Abfällen, Recycling oder
auch eine Rückführung auf Sekundarmärkte möglich. Mengenveränderungen beziehen
sich in diesem Zusammenhang auf Konsumverzicht (vgl. Suffizienzprinzip). Struktur-
veränderungen beziehen sich auf die Substitution von nicht-nachhaltigen hin zu sozial-
und umweltverträglichen Alternativen (vgl. Konsistenzprinzip) (Neuner 2001, S. 170
ff.). Um notwendige Veränderungen in der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt zu
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
17
realisieren, führt Belz (2007, S. 33) weiterhin die Effizienz-Strategie an. Insofern
ergeben sich drei Strategien, die sich mit einem Konsum im Sinne einer nachhaltigen
Entwicklung beschäftigen. (vgl. Abbildung 6)
Abbildung 6: Strategien zur Förderung nachhaltiger Entwicklung
Eigene Darstellung in Anlehnung an Bilharz (2009, S. 57)
Effizienz
Die Effizienz-Strategie steht für die Reduktion sowohl des Material- als auch des Ener-
gieeinsatzes pro Produktionseinheit bei gleichem Nutzen (Belz 2007, S. 33 f.). Die
dadurch entstehende Erhöhung der Ressourcenproduktivität ermöglicht gemäß von
Weizsäcker (1995) ein langfristiges Wirtschaftswachstum mit weniger Folgeproblemen.
Da durch ein wachsendes Konsumniveau allerdings erreichte Effizienzgewinne wieder
zunichte gemacht werden (Reisch 2004, S. 7), sind für ein gesundes Wirtschaftswachs-
tum ein technischer Fortschritt bei der Produktherstellung und -nutzung die Vorausset-
zungen. Als Beispiele können Konzepte der Mehrfachnutzung (Car Sharing, Öffentliche
Verkehrsmittel, etc.) und die Langlebigkeit von Produkten (Qualität statt Quantität)
genannt werden.
Konsistenz
Bei der Konsistenz-Strategie stehen qualitative Aspekte des Umweltverbrauchs im
Vordergrund. Durch Substitution der angewandten Stoffe kommt es zu einer Anpas-
sung der von Menschenhand im Wirtschaftsprozess erzeugten Wertschöpfungsströme
an die natürlichen Kreislaufprozesse (Grunwald 2006, S. 76 f.). Abfallstoffe können so
den Ausgangspunkt für neue Produkte darstellen (Renner 2004, S. 217).
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
18
Suffizienz
Die Suffizienz verfolgt die zentrale Fragestellung, welche Mengen für ein erfülltes
Leben ausreichend sind (Durning 1992, S. 19). Sie entspricht dem Prinzip der Genüg-
samkeit und der Selbstbegrenzung. Linz (2002, S. 54 f.) prägte in diesem Zusammen-
hang den Begriff. „Neue Wohlstandsmodelle hin zum postmateriellen Lebensstil“. Man
solle besser leben statt mehr zu haben. Diese Strategie gilt als der umstrittenste der
drei Ansätze, da sie einen großen Spielraum für Interpretationen lässt. Die Verände-
rungen von Werten und Bedürfnissen können subjektiv interpretiert werden. Überdies
impliziert sie Einschnitte, was sowohl bei Produzenten als auch bei Konsumenten
Skepsis hervorruft (Belz 2007, S. 34 ff.).
Grunwald (2006, S. 71 f.) bewertet alle drei Strategien kritisch, da sie nur mit Einsatz
von Technik lösbar und lediglich auf ökologische Aspekte fokussiert seien. Auf Proble-
me wie Arbeitslosigkeit, Armut, Bildungsdefizite, mangende Chancengleichheit und
andere seien sie dagegen nicht übertragbar (ebd., S. 78). Darüber hinaus stehen die
drei Strategien nicht selten im Widerspruch zu dem ökonomischen Kernziel der Volks-
wirtschaft – nach Gewinnmaximierung strebenden Produzenten und nach Nutzenma-
ximierung strebende Konsumenten. Die Gründe der Notwendigkeit von wirtschaftli-
chem Wachstum sind eine Vielzahl von Argumenten unterschiedlicher Gattung. Sie soll
Steigerung von Wohlstand und Lebensstandard, Ausbau sozialer Sicherungssysteme
oder Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen dienen und gilt als Lösung vieler
gesellschaftlicher Probleme (vgl. Mankiw 2004, S. 580 ff.).
In der Folge werden die Konsummuster (Kauf, Nutzung und Entsorgung) in den ver-
schiedenen Handlungsfeldern zur Anwendung gebracht.
c) Handlungsfelder nachhaltigen Konsums
Unter einem Bedürfnisfeld, ferner auch Handlungsfeld oder Handlungsbereich genannt,
verstehen Reisch und Kreeb (2007, S. 465) „ein System von Handlungen und den
damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen, bzw. Güterver-
sorgungssystemen, welche auf der Befriedigung von Grundbedürfnissen abzielt.“
Über die Kategorisierung der einzelnen Handlungsfelder herrscht zwischen den Autoren
aufgrund verschwimmender Grenzen oft Uneinigkeit. Nach Betrachtung der verschie-
denen Klassifizierungen lassen sich jedoch sechs schematisch unterscheiden: Ernäh-
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
19
rung und Wasser, Bauen und Wohnen, Energie, Mobilität und Reisen, Lifestyle sowie
Geld und Investment. Als prioritär gelten in Deutschland die Bereiche Bauen und
Wohnen, Mobilität und Ernährung, da die elf Maßnahmen, die den größten Einfluss auf
die Nachhaltigkeitsbilanz von Verbrauchern haben, in diesen drei Handlungsbereichen
liegen (Bilharz 2009, S. 181). Aufgrund der geringen Relevanz des Handlungsbereichs
Bauen und Wohnen für die Zielgruppe der späteren empirischen Studie (vgl. Kapitel 4),
steht die Betrachtung der beiden übrigen Handlungsfelder Ernährung und Mobilität und
Reisen im Fokus.
Beim Kauf können die Verbraucher zwischen verschiedenen Alternativen wählen, die
unter unterschiedlichen sozialen und ökologischen Bedingungen produziert, transpor-
tiert und gehandelt wurden. Sie nehmen so mit ihrem Kaufverhalten einerseits Einfluss
auf globale Ressourcenströme und bestimmen andererseits ihr eigenes Nutzungs- und
Entsorgungsverhalten (Hansen und Schrader 2001, S. 27 f.).
Handlungsfeld Ernährung und Wasser
Mit 16 Prozent der Ausgaben des Konsumenten liegt die Ernährung auf Platz zwei im
deutschen Konsumranking (Hansen und Schrader 2001, S. 30 ff.). Ernährung ist ein
zentrales Grundbedürfnis des Menschen und ist unter anderem für Gesundheit, Leis-
tungsfähigkeit und Wohlbefinden entscheidend. Gerade die Ernährung macht die
Abhängigkeit zwischen Mensch und Umwelt offensichtlich. Darüber hinaus ist sie ein
grundlegender Teil unserer jeweiligen Kultur und ein wichtiger Bestandteil sozialen
Beisammenseins.
Die Globalisierung hat die Ernährungsgewohnheiten weltweit verändert. Zwar sind die
Preise im Durchschnitt, vor allem für Fleisch, gefallen, doch dies nicht selten auf
Kosten von Qualität (Grunwald 2006, S. 89 f.). Für das Erreichen einer gesundheitsbe-
wussten und gleichzeitig nachhaltigen Ernährung der breiten Bevölkerung sind jedoch
angemessene Preise entscheidend (Coenen 2003, S. 185).
Biologische Landwirtschaft
Die Folgewirkungen der global vorherrschenden landwirtschaftlichen Produktionswei-
sen von Nahrungsmitteln sind der zentrale Faktor des Handlungsbereichs Ernährung.
Auch weil die globale Landwirtschaft der weltweit größte Flächennutzer und Wasser-
verbraucher ist (Hansen und Schrader 2001, S. 30 ff.). Der hohe Fleischkonsum und
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
20
die dafür erforderliche Massentierhaltung stellen eine erhebliche Ursache für vielfältigs-
te Umweltprobleme dar. Exemplarisch können hohe Methan-Emissionen und Rückstän-
de von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser genannt werden (Grunwald 2006, S. 93
f.). Ein weiteres wesentliches Merkmal von fehlender Nachhaltigkeit ist das Artenster-
ben, wobei insbesondere die Überfischung der Meere genannt werden soll (Hansen
und Schrader 2001, S. 30 ff.). Ein Viertel der Fischarten sind bereits verloren (Schlum-
berger 2006, S. 117 ff.)2.
Abbildung 7: Die gängigsten Lables für die ökologische Landwirtschaft
Quelle: VERBRAUCHER INITIATIVE e.V.
Ein möglicher Lösungsansatz stellt die biologische Landwirtschaft dar. In dieser ist das
Denken in Kreisläufen das oberste Prinzip. Ackerbau sorgt für Futter, die Tiere stellen
natürlichen Dünger für die Pflanzen her und es kann weitgehend auf chemisch-
synthetische Düngemittel verzichtet werden. Für die Tiere gehören Auslauf, artgerech-
te Haltung und Futter, natürliches Licht, ein Mix aus Ruhe und Bewegung sowie fri-
scher Luft zur biologischen Landwirtschaft. Dieses konträre Konzept der Kreislaufwirt-
schaft steigert jedoch nicht nur die Umweltverträglichkeit (Rösch et al. 2002, S. 210
ff.). Bio-Milchprodukte beispielsweise sind auch gesünder als ihre konventionellen
Konkurrenten. Das beweisen zahlreiche Studien (vgl. Lietsch 2011, S. 35).
Vertrauenswürdige Labels stellen in diesem Zusammenhang Naturland, Bioland, Deme-
ter, Gäa, ANOG, Neuland das EU-Ökolable und die Handelsmarken dar3 (ebd. S. 26 f.).
Auch auswärts essen ist in der heutigen Zeit biologisch möglich. Zahlreiche Bio-
Restaurants bieten sogar Take-away-Services an (ebd., S. 8 f.). Studien haben erwie-
sen, dass es Haushalten mit einer hohen Orientierung an Bio-Lebensmitteln gelingen
kann, unter anderem durch eine andere Produktwahl (weniger Fleisch, Süßigkeiten,
u.v.m.), kumuliert im Schnitt keine höheren Ausgaben für Lebensmittel zu haben als
2 Mehr zum Thema nachhaltiger Fisch-Konsum und die Industrie dahinter im Buch "Nachhaltiger
Konsum und Verbraucherpolitik im 21. Jahrhundert" von Frank-Martin Belz 3 Unter www.label-online.de finden sich Erklärungen zu allen Labels
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
21
ein Haushalt, der einen konventionellen Lebensmittel-Warenkorb bevorzugt. Bei einem
Einkauf von 50 Prozent Lebensmitteln aus biologischer Erzeugung kann laut Bilharz
(2009, S. 181ff.) bereits von einer biologischen Ernährung gesprochen werden. Wei-
terhin wird empfohlen, seinen Fleischkonsum auf zwei Mal pro Woche zu reduzieren,
dafür jedoch qualitativ hochwertiges Fleisch zu genießen (Schlumberger 2006, S. 117
ff.).
Bei dem Verzehr von Fisch kann vor allem auf bestimmte Labels
geachtet werden. Das Siegel vom Marine Stewardship Council
(MSC) sorgt für nachhaltige Fangmethoden mit möglichst wenig
Beifang und achtet vor allem auf die Erholung der Bestände. Bei
Zuchtfisch kann, bezüglich nachhaltiger Aspekte beim Kauf, erneut auf die Labels von
Naturland oder Bioland geachtet werden. Mithilfe von followfish der Firma fish & more
kann mittels eines Online-Tracking-Systems sogar genau nachvollziehen, wo der Fisch,
der auf dem Teller liegt, gefangen wurde. Der Verbraucher kann sich nach Firmenan-
gaben selbst versichern, dass er eine nachhaltige Kaufentscheidung getroffen hat
(WWF Deutschland 2012).
Fairer Handel
Gerade in Entwicklungsländern sorgen menschenunwürdige, teilweise kriminelle
Arbeitsbedingungen, für katastrophale soziale Probleme wie schwere Krankheiten
durch Gifte4, extreme Ausnutzung, fehlende Hygiene und viele andere erschreckende
Zustände. Obwohl gerade diese Bevölkerungen oft an Hunger leiden, produzieren sie
unter diesen Bedingungen meist für den westlichen Markt. Dabei ist die langfristige
Gewährleistung von Ernährungssicherheit eine der zentralen Bedingungen für eine
nachhaltige Entwicklung. Betrachtet man die sukzessiv steigende Weltbevölkerung,
stellt sich vorrangig die Frage der korrekten Verteilung (vgl. Food and Agriculture
Organization of the United Nations 1996). Die Zahlen der Opfer von Unterernährung
sind noch immer groß. Zirka 24.000 Menschen sterben täglich daran, dass sie nicht
genügend essen können, um zu überleben. Zu wenig Nahrung wirkt sich zudem erheb-
lich auf das Leben der Menschen aus. Behinderungen, Leistungseinschränkungen und
Krankheiten sind die Folgen. Dies führt häufig zu sozialer wie politscher Instabilität wie
4 Auf die Arbeiter von herkömmlichen Bananen-Plantagen gehen pro Saison 45 Kg Pestizide nieder (Schlumberger 2006, S. 132).
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
22
kriegerische Auseinandersetzungen sowie wirtschaftlichen Folgen (vgl. Paarlberg
2002). Andrerseits herrscht in den Industrieländern ein Überschuss an Nahrungsmit-
teln, woraus sich ebenfalls Krankheiten ergeben, bedingt durch falsche Ernährung und
Übergewicht sowie erheblicher Umweltschäden (Bundesregierung 2005, S. 63 ff.).
Eine Möglichkeit der Lösungsansätze für Produkte, die nicht in heimi-
schen Gefilden hergestellt werden können, wie Tee, Kaffee oder
exotische Früchte, stellt der faire Handel dar. Von „Trans Fair – Verein
zur Förderung des Fairen Handels mit der ‚Dritten Welt‘ e.V.“ zertifi-
zierte Produkte tragen das FAIRTRADE Gütezeichen. Die Organisation
sorgt für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung und garantiert eine
gerechte Verteilung der Erlöse zu Gunsten der Produzenten zu garantieren. Dies führt
schließlich zu einem stabilen wirtschaftlichen und sozialen Netz in den Produktionslän-
dern. Darüber hinaus werden bei fairem Handel langfristige Lieferbeziehungen ge-
pflegt, der Pestizideinsatz reduziert und vieles mehr (Lietsch 2011, S. 24 f.). Für kleine
Unternehmer in Entwicklungsländern bedeutet es, Entwicklungschancen wahrnehmen
zu können, was für diese Länder im Endeffekt die Kaufkraft erhöht und Wirtschafts-
wachstum bedeutet (Wenzel et al. 2008, S. 60 ff.). TRANSFAIR ist außerdem zuneh-
mend dafür zuständig, dass der ökologische Landbau vermehrt Einzug in Entwicklungs-
ländern hält (Hansen und Schrader 2001, S. 30 ff.).
Regionale, saisonale Produkte
Nicht nur der reine Produktkern kann nachhaltig sein. So führt der Anspruch, alles zu
jeder Jahreszeit verfügbar zu haben, zusätzlich zu einem immensen Transportaufwand.
Daraus entstehen Schäden für Umwelt und Klima. Außerdem sorgt der Transport dafür,
dass Niedriglohn-Sektoren ins Ausland verlagert werden und bedroht so Arbeitsplätze
(Schlumberger 2006, S. 117 ff.). Zudem besteht der globale Handel zu 50 Prozent aus
Import und Export gleichartiger Güter. So stehen regionale sowie saisonale Produkte
wie kaum ein anderes Kriterium für nachhaltigen Konsum. Zum einen stärkt es die
regionale Wirtschaft, andererseits lassen sich zum Teil unnötige Transporte von Waren
vermeiden, die auch regional hergestellt werden.5 Durch den Kontakt mit den Erzeu-
gern bekommt der Konsument eine intensive Beziehung zu dem, was er isst und der
5 Ein Erdbeerjogurt legt beispielsweise zum Teil über 8.000 Kilomater zurück (Schlumberger 2006, S. 117 ff.).
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
23
Kauf unterstützt die regionale Natur und Landwirtschaft. Durch einen überlegten
Einkauf kann der Verbraucher beispielsweise den landwirtschaftlichen Pestizid-Einsatz
eingrenzen oder artgerechte Tierhaltung fördern. Gerade lokale Einkaufsgewohnheiten
stärken die hiesige Wirtschaft, erhalten traditionelle Produkte und sparen CO2-
Kilometer (Hansen und Schrader 2001, S. 30 ff.).
Wasser
Wasser gilt im Volksmund gemeinhin als Lebenselixier (vgl. Zehnder 2002). Von der
Verfügbarkeit und Qualität des Wassers, hängt nicht nur die Gesundheit des Menschen
sondern auch die Existenz der gesamten Biosphäre ab. Nicht zu vergessen, dass auch
die Produktion von vielen Stoffen ohne Wasser unmöglich wäre (Klaphake 2003, S.
151). Neben dem Wachstum von Pflanzen und Bäumen spielt Wasser für uns Men-
schen nicht nur als Getränk, sondern auch zur Befriedigung unserer Grundbedürfnisse
wie Waschen und Herstellen von Lebensmitteln eine zentrale Rolle (Lehn et al. 1996, S.
9). Der Wasserverbrauch ist gerade in Deutschland mit zwölf Litern pro Person enorm
hoch. Doch nur zwei Prozent davon werden auch tatsächlich in Trinkwasserqualität
benötigt (Lietsch 2011, S. 226). Verschmutztes und erwärmtes Abwasser sorgt für
erheblichen Aufwand zur Reinigung und/oder für enorme Schäden (Grunwald 2006, S.
87). Bereits kleine Dosen von Schadstoffen können große Teile Grundwasser ver-
schmutzen. So ist die Erhaltung der globalen Wasserqualität ein grundlegendes Ziel der
Nachhaltigkeit (Lehn et al. 1996, S. 10).
Sauberes Trinkwasser ist als Ressource weltweit sehr ungleich verteilt (Steiner und
Lehn 1999, S. 278). Etwa 1,2 Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen Zugang
zu sauberem Trinkwasser und 2,4 Milliarden leben ohne den für uns Industriestaaten
als selbstverständlich erachteten hauseigenen Anschluss. Schmutziges Wasser ist der
Auslöser für viele Krankheiten und kann zu Seuchen führen (Hiessl 2005, S. 141).
Bruno Riesen, Leiter Campaigning Amnesty International (Schweizer Sektion) ist sich
sicher, vieles deute darauf hin, dass die meisten Konflikte und Kriege dieses Jahrhun-
derts um die schwindenden Rohstoffvorräte und damit letztlich auch um die schwin-
denden Wasservorräte geführt würden (Riesen 2009, S. 3).
In den Bereichen Wassernutzung sowie Behandlung von Abwasser bilden hinreichende
Technologien die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung in der Wasserwirtschaft.
Private Haushalte und Industrie müssen mit Wasser sparendem Verhalten zu einem
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
24
geringeren Verbrauch beitragen. Zusätzlich ist jedoch die Schadstoffzufuhr in Wasser-
kreisläufe (im privaten Bereich vor allem durch unnötige chemische Reinigungsmittel)
vorsorglich zu verringern oder sogar zu vermeiden (Hiessl 2005, S. 145).
Gerade in Deutschland ist Leitungswasser ein Qualitätsprodukt. Das beweist aktuell
wieder eine Studie vom Forum Trinkwasser e.V. über Trinkwasser-Qualitäten. Nicht
nur, dass das Wasser aus der Leitung qualitativ oft besser abgeschnitten hat als manch
abgefülltes Produkt, es ist sogar um einiges günstiger. Überdies kommt es aus der
Region, benötigt weder Verpackung, noch Transport und ist so aus vielfältigster Sicht
empfehlenswert (Wierick und Zimmermann 2011, S. 1 f.). Der Kauf von Getränken
geschieht in Deutschland zum Großteil durch Einweg-Kunststoff-Flaschen (46,3%).
Mehrweg-Glasflaschen dagegen kommen nunmehr lediglich auf einen Marktanteil von
34,2 Prozent, schlagen jedoch noch immer Mehrweg-Kunststoff-Flaschen mit 15
Prozent (Umweltbundesamt 2011).
Müll und Abfall
Kunststoff, der lediglich hergestellt wird, um wieder verbrannt zu werden, ist Teil eines
übergreifenden, jedoch speziell für den Handlungsbereich Ernährung gewichtigen
Problems. Kunststoffmüll macht etwa 70 Prozent des Abfalls aus und ist so besonders
bedeutend, denn die Abbauzeit beträgt bis zu 450 Jahre (Umweltbundesamt 2010, S.
2). Aufgrund steigender Konsumzahlen von Convenience-Produkten und Fast-Food
kommt es zu kaum bewältigenden Massen an anorganischem Müll, der oft auf Depo-
nien gelagert oder verbrannt wird. Ziel von einem nachhaltigen Konsum, gerade im
Handlungsfeld Ernährung, kann es sein, Müll weitestgehend zu vermeiden. Als Beispie-
le können der Verzicht einer Plastiktüte beim Einkauf oder das bereits angesprochene
Leitungswasser genannt werden.
Handlungsfeld Mobilität und Reisen
Mobilität ist ein gesellschaftliches Bedürfnis, welches durch motorisierte und unmotori-
sierte Fortbewegungsmittel befriedigt werden kann. Die Gründe für den Drang zur
Mobilität sind vielfältig. Diese können existenzieller Art sein, wie das Erreichen des
Arbeitsplatzes. Aber auch zum Einkaufen, in Freizeit und für den Urlaub, zur Wahrneh-
mung sozialer Kontakte bis hin zu vielen anderen Gründen ist eine gewisse Mobilität oft
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
25
unausweichlich. Sie ist zwar sowohl eine Folge, jedoch ebenfalls eine zentrale Voraus-
setzung für wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung (Grunwald 2006, S. 99).
Doch nicht nur die Vorteile der Mobilität sind vielfältig. Auch die Probleme, die sich vor
allem mit dem globalisierten Personen- und Güterverkehr ergeben, sind facettenreich.
Flugzeuge, Bus, Bahn und Pkw verursachen erhebliche Treibhausgase, umwelt- und
gesundheitsschädigende Emissionen, Lärmbelastungen, hohen Ressourcenverbrauch,
Flächenversiegelung und nicht zuletzt Unfälle, bei denen Mensch und Natur Schaden
nehmen. Insbesondere in ländlichen Gegenden ist eine Teilnahme am gesellschaftli-
chen Leben jedoch ohne einen Pkw entsprechend eingeschränkt. Das Ausmaß der
Probleme hängt jedoch weitgehend vom Umfang des Verkehrs und des Verkehrsmittels
selber ab. Betrachtet man die globalen Entwicklungen der Bevölkerung, der Wirtschaft
und der Lebensstile, ist zukünftig eine weitere Zunahme der Mobilitätsbedürfnisse und
dementsprechend auch eine Zuspitzung der Problemlage zu erwarten (Grunwald 2006,
S. 99 f.).
Nachhaltige Mobilität wird schließlich als flexible Fortbewegung für möglichst alle
Menschen und die damit zusammenhängende Befriedigung der Bedürfnisse mit mög-
lichst geringen Nebenwirkungen für Mensch und Natur definiert. Diese kennzeichnen
sich durch Ressourcen- und Umweltschonung, Lärmminderung, Sicherheit und soziale
Gerechtigkeit. Ziel ist es, „Mobilität für alle [zu] sichern, aber mit möglichst wenig
Umweltbelastungen.“ (BMU 2003, S. 4; Keimel und Ortmann 2003, S. 108 ff.) Um dies
umzusetzen, veröffentlichte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit im Jahre 2003 bestimmte Leitlinien für nachhaltige Mobilität, die vor
allem in vier grundlegenden Ansätzen zu charakterisieren sind. Zunächst soll eine
Vermeidung von Verkehr, ergo eine absolute Reduzierung des Verkehrs, das generelle
Aufkommen mindern. Dieses Aufkommen soll sich zunehmend auf umweltfreundliche
Verkehrsmittel verlagern. Technische Optimierungen und Weiterentwicklungen von
Fahrzeugen und Verkehrsabläufen sowie eine angemessene Strukturen der Infrastruk-
turen sollen die Basis zum Wandel legen (BMU 2003, S. 4 ff.).
Alternativen zum Pkw: Fahrrad, ÖPNV und Car-Sharing
Der Bestand an Pkw erhöht sich in Deutschland jedes Jahr um drei bis vier Prozent
(Neuner 2001, S. 75 ff.). Im Autofahrerland Deutschland werden rund vier Fünftel der
Wege mit dem privaten Pkw zurückgelegt. Selbst wenn alternative Antriebe für das
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
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private Automobil durchgesetzt würden, beständen in diesem Zusammenhang immer
noch einige andere Problembereiche. In Deutschland sind beispielsweise allein fünf
Prozent der Landfläche für Parkplätze versiegelt. In den Städten belegen – hauptsäch-
lich stehende – Autos 60 Prozent der Fläche (Schlumberger 2006, S. 93 ff.). Zudem
benutzt der durchschnittliche Autofahrer sein Auto nur für einen Bruchteil des Besitz-
zeitraumes (Hansen und Schrader 2001, S. 33 ff.). So fallen Kosten an, wenn das
Fahrzeug gar nicht bewegt wird. Das deutsche Umweltbundesamt hat errechnet, dass
ein durchschnittlicher Pkw zwischen 306 und 459 Euro monatlich kostet – pro Kilome-
ter wären das 26-46 Cent. Die Bahn dagegen kostet pro Kilometer im Fernverkehr rund
14 Cent. Dies bestätigte selbst der ADAC. Die Bahn würde sogar gemeinsam mit dem
Taxi als Zubringer besser abschneiden als der private Pkw, wenn die Faktoren Kosten,
Zeit und Umweltbelastungen gemeinsam untersucht würden.
Ein Viertel der Wege mit dem Auto sind zudem kürzer als fünf Kilometer (Schlumberger
2006, S. 96 f.). Kurzstrecken könnten bequem und häufig auch schneller mit dem
Fahrrad zurückgelegt werden (Lietsch 2011, S. 262). Da lediglich 28 Prozent der
laufenden Pkw-Kosten auf Treibstoff (Benzin oder Diesel) zurückzuführen sind, ist Car-
Sharing eine echte Alternative. Der Nutzer zahlt lediglich, wenn er auch fährt, einen
Zeit- und einen Kilometertarif (Schlumberger 2006, S. 105 ff.). Mittlerweile gibt es 110
Car Sharing-Organisationen in über 285 Städten und Gemeinden in Deutschland.
Nutzer des Systems konnten 2009 auf über 4.600 Fahrzeuge an 2.200 Car Sharing-
Stationen zurückgreifen (Bundesverband CarSharing 2009). Die durchschnittliche
Auslastung eines Autos beträgt fünf Prozent seiner Lebenszeit und die Zahl der Insas-
sen beträgt durchschnittlich nur 1,39 Personen. Ein Car-Sharing-Mobil ersetzt sechs bis
zehn private Pkw. Benötigt man ein Auto nicht täglich, lohnt sich erst ab einer Strecke
von 10.000 Kilometern die Anschaffung eines eigenen Pkw´s (Schlumberger 2006, S.
106). Mittlerweile ist das Konzept zudem sehr flexibel geworden. In den meisten
Städten arbeiten Car-Sharing- mit den ÖPNV-Firmen zusammen (ebd., S. 105 ff.). Pkw
stehen an vielen Knotenpunkten des ÖPNV und sorgen so für eine nahtlose Verbin-
dung. Die Fahrzeuge lassen sich per App auf dem Handy ausfindig machen und bu-
chen.
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
27
„Fahrgemeinschaften 2.0“
Fahrgemeinschaften sind nichts Neues. Besonders Berufspendler greifen bereits seit
Anbeginn des Automobils auf diese gemeinschaftliche Nutzung ihrer Fahrzeuge zurück.
Doch seit im Internet über Portale à la Mitfahrgelegenheit.de die Interaktion und das
Angebot sowie die Nachfrage für alle einsichtig ist, können problemlos, sogar spontan,
Fernstrecken gemeinsam günstig und umweltfreundlich zurückgelegt werden (ebd., S.
106). Neben der Bahn, die deutlich sparsamer mit Fläche, Ressourcen und Belastungen
umgeht (ebd., S. 95) sind Fahrgemeinschaften, ob als Pendler oder im Fernverkehr,
eine sinnvolle Alternative.
Verringerung des Treibstoff-Verbrauchs
Wer um den privaten Pkw nicht herum kommt, kann den Benzin-
verbrauch reduzieren. Das Abstellen des Motors an Ampeln oder
das Auskuppeln am Berg hilft bereits weniger Treibstoff zu verbrau-
chen. Niedertouriges Fahren, frühes Schalten, vorausschauendes
Fahren, weniges Bremsen und die Vermeidung von Kurzstrecken6
tragen ebenso zur Reduktion des Kraftstoffverbrauchs bei wie gute Leichtlauföle,
Flüsterreifen geprüft vom Blauen Engel oder der Verzicht auf eine Klimaanlage, die bis
zu 20 Prozent des Verbrauchs ausmachen kann (Schlumberger 2006, S. 99). Spezielle
technische Innovationen können sich nach Aussage von Lietsch ebenfalls positiv auf
Tank, Brieftasche und Umwelt auswirken (Lietsch 2011, S. 250).
Flugverkehr
Als weitere große Variable in der Schädigung der Umwelt zählt neben dem Pkw der
zunehmende Flugverkehr. Eine einzige Flugreise in die Karibik ist genauso klimaschäd-
lich wie eine Autonutzung von zehn Jahren. Das Problem liegt insbesondere in der
hohen Wachstumsrate des Sektors (Hansen und Schrader 2001, S. 33 ff.). Mit jährlich
fünf Prozent wächst der Flugverkehr stärker als jeder andere Verkehrsbereich und ist
für zehn Prozent des Treibhauseffektes zuständig. Hinzu kommt, dass der Bereich, in
dem Flugzeuge sich bewegen, für Abgase dieser Art besonders empfindlich ist. Ein
Problem ist die starke Subventionierung des Flugzeugbenzins, was das Fliegen für
jeden erschwinglich, oft sogar günstiger als andere Transportmittel macht. Die Hälfte
6 Nach dem Start verbraucht der Motor manchmal 30-40 l/100 km, erst nach vier Kilometern der Durchschnittsverbrauch
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
28
der Flüge dient dem Tourismus und vor allem Kurzurlaube sind problematisch. Ledig-
lich 6,5 Prozent der Weltbevölkerung nimmt an diesem fliegenden Verkehr teil.
Vergleicht man den Stickstoffausstoß auf 1.000 Kilometer, schneidet die Bahn als
Fernverkehrsmittel mit 62 Gramm am besten und das Flugzeug mit 820 Gramm am
schlechtesten ab (Schlumberger 2006, S. 111 f.). Pro Zeiteinheit stößt der Flieger sechs
Mal so viel Stickstoff aus wie ein mit drei Personen besetzter Pkw und über zehn Mal so
viel wie bei einer Bahnreise7 (ebd., S. 97). Erst ab 700 Kilometern sollte demnach ein
Flugzeug benutzt werden. Das günstigste Verhältnis zwischen Flugleistung und Um-
weltbelastung liegt demnach bei 5.000-10.000 Kilometern (ebd. 2006, S. 111 f.).8
Reisen
Was das Reisen angeht, können auch Freizeit und Tourismus im In- oder Umland eine
Alternative darstellen (BMU 2003, S. 6). Regionale Urlaube verkleinern den ökologi-
schen Fußabdruck. Mit der Bahn zu fahren ist günstiger und umweltschonender.
Touristenhochburgen sollten gemieden werden, da ein gewisser Neokolonialismus
entstehen kann. Besonders in ärmeren Ländern arbeiten Einheimische in diesen großen
Komplexen für einen Hungerlohn und die großen Gewinne sind meist ausländischen
Investoren vorbehalten. Durch die Wahl eines Hotels oder einer Pension von Einheimi-
schen kann der Tourist die hiesige Wirtschaft vor Ort stärken. Angekommen im Traum-
urlaub kann auf einen Mietwagen verzichtet werden und die Gegend zu Fuß oder per
Rad erkundet werden. Dies hat den Vorteil, dass man mehr zu sehen bekommt und der
Eindruck der Gegend geschärft wird (Lietsch
2011, S. 267). Umwelt- und sozialfreundliche
Tourismusangebote sind unter anderem durch
die Labels CSR-TOURISM-certified und The
Green Key zertifiziert.
Auch um nachhaltige Mobilität durchzusetzen, besteht die Notwendigkeit, dass die
entsprechenden Alternativen für den Konsumenten zugänglich sind (Hansen und
Schrader 2001, S. 33 ff.). Die Politik muss gerade in diesem Bereich entsprechende
7 Die Bahn bietet auf ihrer Homepage einen Mobilitätsvergleich an. Hier können für die individu-elle Fernverkehrsstrecke ein Vergleich zwischen Bahn, Pkw und Flugzeug in Bezug auf verschie-dene Punkte angestellt werden. 8 Unter atmosfair.com kann man seine geflogenen Kilometer durch Zahlungen an eine Umwelt-schutz-Gesellschaft oder durch Taten ausgleichen.
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
29
Konzepte und Rahmenbedingungen schaffen, um den Konsumenten die Wahl eines
umweltverträglichen Verkehrsmittels zu erleichtern, wie zum Beispiel durch einen
Ausbau der Radwege (BMU 2003, S. 6).
d) Strukturelle Hürden für nachhaltigen Konsum
Der Verbraucher als Mitspieler in der Marktwirtschaft
Konsumalltag in Deutschland bedeutet Wohlstand und Konsum für breite Bevölke-
rungsgruppen in standardisierter Form, zu erschwinglichen Preisen. Dabei wird der
Entscheidungshorizont des Einzelnen nicht selten auf Kosten von Umwelt und anderen
Parametern eingeengt. Dies führt dazu, dass die infrastrukturellen Gegebenheiten oft
nicht durch individuelle, moralische oder gesinnungstechnisch rigorose Konsumweise
entkräftet werden können. Die voranschreitende Arbeitsteilung und die darauf folgende
Marktabhängigkeit der Verbraucher tut ihr Übriges dazu. Doch diese Abhängigkeit der
Privathaushalte wird gleichermaßen auch als Freizeits- und Optionsgewinn wahrge-
nommen (Kramer 2002, S. 57 f.).
Interdependenzen und Wiedersprüche
Mangelnde Nachhaltigkeit in den Konsumentscheidungen ist jedoch auch häufig auf die
Konkurrenz zwischen den „Anbietern mit gleichen Leistungsbündeln“ zurückzuführen.
Durch das Unterlassen der Einbeziehung öko-sozialer Verbesserungen auch im Produk-
tionsprozess entstehen aus dieser Konkurrenz niedrige Preise. Es entsteht ein Para-
doxon, da die Politik einerseits nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen fordert,
jedoch durch die Gestaltung der Marktbedingungen wie beispielsweise Subventionen
und anderen Einwirkungen das Gegenteil fördert (Reisch 2004, S. 8). Einerseits wird
aus sozialer und ökonomischer Sicht oft zur Ankurbelung der Wirtschaft eine Steige-
rung des Konsums und der Produktion gefordert, andererseits soll aber aus ökologi-
scher Sicht mithilfe eines geringeren Konsums die Umwelt geschont werden. Doch
nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der drei Dimensionen finden sich Wider-
sprüche. Im Sozialen etwa stehen sich Individualität und Kollektivität gegenüber (Belz
und Bilharz 2005a, S. 28 f.). Ein großes Problem besteht darin, dass der Verbraucher
die Relevanz aus verschiedenen Handlungsoptionen miteinander vergleichen muss.
Ungeeignet sind jedoch Vergleiche wie Wasser- im Vergleich zu Energieverbrauch,
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
30
Umweltverbrauch im Vergleich mit sozialer Gerechtigkeit, Emissionen gegen Flächen-
verbrauch und so weiter (Bilharz 2009, S. 136).
Zwangsoptimisten vs. übertriebener Pessimismus
Darüber hinaus herrschen in der Diskussion zwei extreme Positionen. Die einen sind
übertriebene Pessimisten, „die den Weltuntergang aufgrund unseres Lebensstils
prophezeien“, die anderen sind diejenigen, die die Debatte um nachhaltigen Konsum
lediglich als eine Modeerscheinung und Problemlösungen als Aufgabe der zukünftigen
Generationen ansehen. Beide Extrempositionen fußen nicht auf der Realität. Zum einen
lähmt es den Verbraucher, wenn ihm Weltuntergangsszenarien vorgehalten werden,
die eintreten, wenn er sich nicht sofort einem nachhaltigen Lebensstil widmet. Zum
anderen verharmlosen Zwangsoptimisten bedrohliche Lagen, in der sich der Großteil
der Menschen der Welt befindet sowie die zusehends bedrohlicher werdende Natur-
ausnutzung und -verschmutzung, für die schlicht und ergreifend Lösungen gefunden
werden müssen. Es ist die richtige Mischung aus Optimismus (Hoffnung) auf der einen
und Pessimismus (Dringlichkeit) auf der anderen Seite zu finden (Renn 2002, S. 33 ff.).
Makrotrends
Gesellschaftliche Makrotrends wie die Globalisierung, Informationsgesellschaft oder
Individualisierung schaffen höhere Komplexität für Konsumenten (Grunwald 2002, S.
441). Die ungenaue Übersetzung der Begriffe nachhaltig und Nachhaltigkeit ist ebenso
anzuprangern wie der inflationäre und undifferenzierte Gebrauch der Begriffe, die
mittlerweile von jedem Unternehmen als Synonym für „gut“ benutzt werden ohne auch
nur an das Leitbild zu denken (Glathe 2010, S. 25 f.).
Vorteile konventioneller Produkte
Als erwähnenswerte Hürde zur Umsetzung wird von Konsumentenseite der Preis
empfunden, da beispielsweise biologische und fair gehandelte Lebensmittel im Durch-
schnitt teurer sind (Hansen und Schrader 2001, S. 30 ff.). Doch auch ein auf eigene
Vorteile bedachtes Verhalten der Anbieter behindert die angestrebten Verhaltenswei-
sen immens (Reisch und Kreeb 2007, S. 467 f.). So dürfen nachhaltige Produkte nicht
schlechter abschneiden als konventionelle. Der kollektive Nutzen muss in einen indivi-
duellen überführt werden (Bilharz 2009, S. 122). Als weiteres besonderes Hemmnis
wird von Verbrauchern die räumliche Verfügbarkeit angegeben. So kann räumliche
Kapitel 1 – Nachhaltige Konsummuster als Ausprägung nachhaltiger Entwicklung
31
Nähe zwischen Angeboten und den Verbrauchern diese Hemmnisse verringern und
somit nachhaltige Konsummuster steigern (Buchholz et al. 2002, S. 231).
Schädigung der Glaubwürdigkeit
Wo neue Märkte entstehen oder sich massiv vergrößern, versuchen auch Unternehmen
mit weniger Aufwand ein wenig von diesem Hype zu profitieren. Diese als Greenwasher
bekannten Unternehmen sorgen vermehrt für Glaubwürdigkeitsprobleme (Wenzel et al.
2008, S. 33). Ein nachhaltiger Konsum aus Verbrauchersicht kann erst greifen, wenn
andere Akteure wie der Staat oder Unternehmen ihn bereits vorgelebt haben (Reisch
und Kreeb 2007, S. 466).
Hinsichtlich Problemen der Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung als
auch zum Schutz des Weltklimas müssen bald anwendbare Antworten gefunden
werden. Die Umsetzung von nachhaltigen Konsummodellen, sogar auf globaler Ebene,
ist keine Utopie. Es mangelt nicht an Vorschlägen, Konzepten, Ideen oder der grund-
sätzlichen Bereitschaft, die Welt nicht kaputt zu machen oder unsozial zu sein. Trotz-
dem geht in den Industrieländern nachhaltiger Konsum oft nicht über einen gewissen
Hobby-Charakter der oberen Mittelklasse hinaus. Es muss jedoch vielmehr das Ziel der
Mehrheit werden, den Grundkonsum auf eine nachhaltige Weise zu erledigen. Leider
scheitert die Bereitschaft oft an gewissen Hindernissen wie unklarem ordnungsrechtli-
chem Rahmen, einem globalen Umwelt- und Sozialstandard, die längst nicht alle
Hersteller einhalten. Letztlich wird eine öko-soziale Leitkultur benötigt, die dem Men-
schen Fragen der Ethik stellt (Billen 2001, S. 433 ff.).
Schrader und Hansen (2001, S. 20 f.) vertreten die Ansicht, dass die Umsetzung
nachhaltiger Konsummuster einerseits von den Lebensgewohnheiten und Einstellungen
(vgl. Kapitel 2) und andererseits vom Waren- und Informationsangebot abhängt (vgl.
Kapitel 3).
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
32
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
1. Grundlagen der sozialpsychologischen Konsumentenkenntnis
a) Zentrale Begriffe des Konsumentenverhaltens
Der Begriff Konsumentenkenntnis besteht aus beobachtbarem Verhalten und psychi-
schen, verhaltensaktivierenden Vorgängen wie Emotionen, Motiven, Werten und
Einstellungen sowie überindividuellen Faktoren wie der Kultur (Föll 2007, S. 85 f.). Da
aktivierende Prozesse menschliches Verhalten antreiben (Kroeber-Riel und Weinberg
2003, S. 49 ff.), werden sie im Folgenden kurz portraitiert.
Emotionen
Emotionen sind innere Erregungen, die als angenehm oder unangenehm empfunden
und mehr oder weniger bewusst erlebt werden. Sie entstehen im Zusammenhang mit
einem bestimmten Ereignis oder Objekt und sind somit objektbezogene, kurzweilige
und intensive Veränderungen im Gemütszustand. Dies grenzt sie ab von Gefühlen, dem
subjektiven Erfahren einer Emotion und Stimmung, einem langanhaltenden Zustand
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
33
ohne definierten Ursprung (Janssen et al. 2011). Die jeweilige Kultur des Menschen ist
der wichtigste Faktor für das Wahrnehmen und Äußern von Emotionen.
Der Mensch sucht, insbesondere in der heutigen, erlebnisorientierten Gesellschaft,
fortwährend nach stimulierenden neuen Reizen. Emotionen befriedigen dieses Bedürf-
nis mithin am besten. Der Mensch möchte sich emotional verwirklichen und das mög-
lichst individuell in allen Lebensphasen. Unternehmen nutzen die Macht der Emotionen
seit langem. Wer Marlboro raucht, genießt seine eigenen Abenteuer, wer Mercedes
fährt, erlebt Prestige. Emotionale Zusatzerlebnisse werden mit dem Konsum verbunden
und nicht selten zur eigentlichen Handlungsgrundlage (Kroeber-Riel und Weinberg
2003, S. 100 ff.). Dabei beeinflussen Emotionen Entscheidungen und Verhalten weitaus
stärker als kognitive Prozesse. Die unbewusste Vorstellung darüber, von welcher
Alternative sich die Person zukünftige positive Gefühle verspricht, ist meist ausschlag-
gebend bei einer Entscheidung. Solche erwarteten positiven Emotionen können in der
Werbung beispielsweise dazu führen, dass Risiko und Nutzen inkorrekt wahrgenommen
werden (Föll 2007, S. 61 ff.).
Als besonders effektive Emotion in der Verbraucherkommunikation gilt der Humor9. Er
steigert sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Sympathie und verstärkt bereits
bestehende positive Einstellungen. Weiterhin hat Wärme10, dargestellt durch zwi-
schenmenschliche Interaktionen wie Partnerschaft, Freundschaft oder Familie, einen
positiven Einfluss auf Einstellung und Sympathie (Föll 2007, S. 185 ff.).
Motivationen
Motivationen sind Antriebe des Verhaltens und die Antworten auf die Fragen „Warum
handelt jemand?“, „Warum nicht?“. Sie erwachsen aus der Interaktion zwischen Emoti-
onen, triebhaften Vorgängen und kognitiven Prozessen (Kroeber-Riel und Weinberg
2003, S. 141 ff.). Unter triebhaften Vorgängen versteht man die physiologischen
Grundbedürfnisse wie Nahrung etc. und das Bedürfnis nach Sicherheit. Das Zusam-
menwirken der verschiedenen motivierenden Vorgänge wurde vom Begründer der
humanistischen Psychologie Abraham Maslow in der Bedürfnispyramide dargestellt.
(vgl. Abbildung 8)
9 „fröhlich“, „freudig“ und „begeistert“ 10 „sentimental", „liebevoll“, „dankbar“, „zärtlich“
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
34
Danach bilden die physiologischen Grundbedürfnisse die Basis jeder Motivation. Erst
wenn diese erfolgreich befriedigt sind, lässt sich der Mensch durch übergeordnete Ziele
wie dem Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit und Geltung oder der individuellen
Selbstverwirklichung motivieren.
Abbildung 8: Die Maslow'sche Bedürfnispyramide
Eigene Darstellung in Anlehnung an Goble (1971, S. 51)
Die physiologischen und sozialen Bedürfnisse sorgen für die Aktivierung unsere Motiva-
tion. Bezogen auf das Konsumverhalten geht es „darum, wie man die Antriebskräfte
von Konsumenten auf ein bestimmtes Produkt lenken und dadurch eine Kaufmotivation
erzeugen kann.“ Schwache Motive, wie etwa geringe Motivation zu nachhaltigem
Konsum, benötigen, um ein Verhalten, wie beispielsweise nachhaltige Konsummuster,
auszulösen, einen starken Anreiz (Föll 2007, S. 71 ff.).
Einstellungen
Einstellungen regeln die Bereitschaft eines Menschen, einem Objekt zu- oder abgeneigt
gegenüberzutreten (Felser 2007, S. 317 ff.). Sie bestehen aus Motivation, ergo aus
Trieben und Emotionen sowie kognitiver Gegenstandsbeurteilung (Kroeber-Riel und
Weinberg 2003, S. 168 ff.).
Die Konsumentensozialisation, die Übernahme bestimmter Konsum- und Verhaltens-
muster beginnt wie die Einstellungsbildung bereits in der Kindheit. Jeder Mensch trägt
seine über Jahrzehnte geprägten Vorstellungen, Einstellungen und Werte in sich. Die
Konstanten in unserer Einstellungsbildung sind unsere Gene, die frühkindlichen Erfah-
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
35
rungen, die Erfahrungen mit der Peer-Group (Freunden und Bekannten, vor allem in
der Jugend), die Erziehung der Eltern sowie die Lebenserfahrungen nach der Pubertät
(Ehrhardt 2008, S. 102; Wiswede 2000, S. 33 f.).
Einstellungen werden in einem Einstellungssystem verknüpft. So hängt die Einstellung
kein Fleisch zu essen möglicherweise mit der Einstellung kein Auto zu besitzen zusam-
men. Ist dies nicht der Fall, ergibt sich daraus möglicherweise ein Konflikt (Kroeber-
Riel und Weinberg 2003, S. 168 ff.).
Neben persönlichen Erfahrungen können Einstellungen auch durch Kommunikation
entstehen. Dies erfolgt meist durch einen Appell an ein Bedürfnis, gepaart mit der
Versicherung, dass ein bestimmtes Produkt dieses befriedigt (Föll 2007, S. 80 ff.). Sind
die Einstellungen gegenüber einem Gegenstand positiv, findet er Platz im Consideration
(evoked oder relevant) Set11 und die Folge ist eine Bindung (Föll 2007, S. 180 ff.).
Werte stellen besondere Einstellungen dar. Föll (2007, S. 77 ff.) nennt Werte „Super-
Einstellungen“, da sie für ein ganzes Potpourri von Einstellungen stehen. Sie werden
über kulturelle und soziale Systeme vermittelt und geben den Rahmen für die Beurtei-
lung von Situationen und Gütern vor. Die Kenntnis über Werte ist somit von eminenter
Bedeutung bei der Findung von Consumer Insights12. Zusätzlich können Wertorientie-
rungen auch zum Aufschluss über Verhaltensmuster dienen. Als gegenwärtige Wer-
tetrends gelten Naturverbundenheit, Gesundheits- und Umweltbewusstsein, Streben
nach Sicherheit, Beständigkeit, Verlässlichkeit und Vereinfachung des Lebens sowie
klassische Werte wie Familie, Harmonie, Geborgenheit, Solidarität und Suche nach dem
Sinn des Lebens. In der westlichen Welt, die bereits hoch in der Maslow-Pyramide
steht, herrscht darüber hinaus der Wunsch nach Selbstverwirklichung und Erlebnisori-
entierung.
11 „Auswahl von Produkten bzw. Marken im Bewusstsein eines Konsumenten. Der mehrstufige Selektionsprozess beginnt mit allen verfügbaren, setzt sich fort mit den bekannten, vertrauten
und akzeptierten und endet mit den präferierten Produkten bzw. Marken.“ (Gabler Wirtschafts-lexikon) 12 Englischer Begriff für Konsumentenverhalten, Konsumentenverständnis, Einblicke in den
Konsumenten, Konsumentenwissen, Konsumentenwünsche, Kundenkenntnis, etc.. Aus Mangel an einer adäquaten Übersetzung auch Verwendung im Deutschen (Föll 2007, S. 14)
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
36
Verhalten
Neben den verhaltensaktivierenden Prozessen wie Emotionen, Motivation und Einstel-
lungen sind die Beobachtung des Verhaltens in Bezug auf Produktverwendung, Ver-
wendungsintensität, Verwendungshäufigkeit und die Verwendungssituationen Aus-
gangspunkte um den Konsumenten zu verstehen. Erst die genaue Analyse des Verhal-
tens kann letztlich Aufschluss über Ursachen und Beweggründe und somit den zugrun-
deliegenden Einstellungen und Motiven dieses Verhaltens liefern (Föll 2007, S. 49).
Es gilt, zwei verschiedene Arten menschlichen Verhaltens voneinander abzugrenzen.
Einerseits gibt es willentlich gelenktes und bewusstes Verhalten, andererseits mehr
oder weniger automatisches Verhalten im Alltag (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S.
90 ff.), welches oft spontan, natürlich und unreflektiert geschieht (Empacher und Stieß
2007, S. 474) (vgl. Kapitel 2.1b). Die tatsächlichen Gründe einer automatischen Hand-
lung sind kaum herauszufinden, da oft selbst die Konsumenten selbst nicht wissen,
warum sie gewisse Entscheidungen getroffen haben (Schäfer 2002, S. 63).
Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten
Zwischen den Einstellungen und dem Verhalten eines Menschen herrscht ein bedingter
Zusammenhang (Föll 2007, S. 80 ff.). Dieser Zusammenhang, der auch AB-Beziehung,
englisch “Attitude-Behaviour Relation” genannt wird, ist in Abbildung 9 verdeutlichend
dargestellt. Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 168 ff.) sprechen in diesem Zusam-
menhang von einer “Two-Way-Street”, bei der nicht nur die Einstellung das Verhalten,
sondern auch das Verhalten die Einstellung beeinflusst.
Abbildung 9: Zusammenhang zwischen Einstellungen und Verhalten
Eigene Darstellung in Anlehnung an Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 168 ff.)
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
37
Am verhaltenswirksamsten sind spezifische, langjährig durch Erfahrung gelernte,
stabile Einstellungen. Dabei sind es oft nur die extremen Einstellungen, sowohl sehr
positiv als auch sehr negativ, die das Verhalten beeinflussen. Folglich kommt es größ-
tenteils nur zum Kauf von bestimmten Produkten oder Dienstleistungen, zu denen die
Person überhaupt eine Einstellung hat; ob negativ oder positiv (Felser 2007, S. 322).
Jedoch wird Verhalten nicht ausschließlich durch Einstellungen bestimmt. Weiterhin
sind situative Einflussgrößen wie zeitliche oder monetäre Bedingungen ebenfalls
maßgebend (ebd., S. 317 ff.). Das Verhalten ist darüber hinaus abhängig davon, wie
involviert eine Person ist. „‘Involvement’ ist die Bereitstellung von Aufmerksamkeit
gegenüber der Informationsquelle.“ Je höher das Involvement ist, desto stärker die
Gedächtniswirkung und der Effekt auf die Einstellung und das Verhalten (ebd., S. 56
ff.).
b) Kaufentscheidungen
Für den Konsumenten sind Kaufentscheidungen Problemlösungen. Bei diesen stellt er
sich jedes Mal aufs Neue die Frage, wie gut die angebotene Lösung des Problems den
eigenen Nutzen fördert. Grundsätzlich können vier verschiedene Kaufentscheidungsar-
ten unterschieden werden. Bei zweien offenbaren die Verbraucher mithilfe kognitiver
Steuerung echtes, willentlich gelenktes Verhalten, wohingegen die anderen beiden
Arten Konsumentscheidungen mit geringerer kognitiver Steuerung darstellen, die das
automatisierte Verhalten in Alltagssituationen wiederspiegeln (ebd., S. 63 ff.).
Kaufentscheidungen mit hoher kognitiver Steuerung
Geschieht ein Kaufakt extensiv, sind die Konsumenten hoch involviert und zeichnen
sich durch eine starke Informationsverarbeitung aus (ebd., S. 63 ff.). Wenn es sich um
eine limitierte Kaufentscheidung handelt, schöpft der Konsument in der Kaufsituation
nicht alle Informationen aus, sondern greift oft auf Erfahrungen und Faustregeln
zurück. Bewährte Entscheidungsregeln und vor allem eindeutige Präferenzen – sein
persönliches Relevant Set – helfen ihm bei seiner Entscheidung. Emotionale Prozesse
spielen eine untergeordnete Rolle und bei der Informationsaufnahme reichen ihm
Schlüsselinformationen bereits aus, um gepaart mit seinen eigenen Informationen ein
ganzheitliches Bild zu entwickeln.
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
38
Kaufentscheidungen mit geringer kognitiver Steuerung
Habitualisierte Kaufentscheidungen geschehen reaktiv und quasi automatisch durch
langfristige, stabile Verhaltensgewohnheiten, Überzeugungen und Selbstbilder (Felser
2007, S. 63 ff.). Dieses emotionslose (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 384 ff.),
routinemäßige Entscheidungsverhalten dient zu bewährten, risikoarmen Einkäufen, die
wenig Zeit zur Durchführung benötigen sollen. Daher handelt es sich oft um Wiederho-
lungskäufe, bei denen schnelle Wahrnehmung, eine hohe Zufriedenheit und eine hohe
Anfälligkeit für situative Variablen wie Preis, Erhältlichkeit und Service eine Rolle
spielen. Die eigenen Gebrauchserfahrungen verstärken eine Habitualisierung ebenso
wie beobachtete Habitualisierungen von Mitmenschen wie Eltern oder Freunden (ebd.,
S. 400 ff.). Handelt es sich um einen impulsiven Kauf, ist er meist von außen bestimmt
und besitzt eine stimmungsregulierende Funktion. Die Kaufentscheidung geschieht
ungeplant und wird gedanklich nicht kontrolliert. Ursache sind häufig starke Reizeinwir-
kungen sowie Emotionen (Felser 2007, S. 63 ff.). In diesen Situationen steigt meist der
Blutdruck und die Fähigkeit zu überlegen sinkt (Ehrhardt 2008, S. 53 ff.). Insgesamt
sind vierzig bis fünfzig Prozent der Kaufhandlungen nicht geplant, sondern eben
impulsiv (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 400 ff.).
Vor allem bei impulsiven und habitualisierten, aber auch zum Teil bei limitierten Kau-
fentscheidungen werden Routineaufgaben völlig unterbewusst erledigt. Das Gehirn
„schiebt sie ab“, da es wichtigere Dinge zu tun hat. Selbst bei Entscheidungen höherer
Tragweite reagieren Menschen nicht immer rational. Konsumenten entscheiden sich
beispielsweise oft nur dann gegen den Kauf eines Objekts, wenn ihnen die Werbung
nicht gefällt oder sie starke moralische Abneigungen empfinden (Felser 2007, S. 63
ff.).
Laut Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 384 ff.) sind die wichtigsten Determinanten
beim Produktkauf die geringe Anzahl an Alternativen und die Vorauswahl durch das
Relevant Set, Präferenzen durch bereits vorherrschende Einstellungen, Umwelteinflüsse
wie Tipps von Experten oder Freunden sowie zeit- und ortsnahe Alternativen. Diese
eingeschränkte Marktkenntnis des Konsumenten erklärt die relativ kleine und stabile
Auswahl an Produkten, die ein Konsument letztlich in Betracht zieht. Gemäß Abbildung
10 müssen Unternehmen dafür sorgen, dass die Konsumenten
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
39
a) die Marke (und die Dinge, die mit ihr zusammenhängen) wahrnehmen,
b) akzeptieren und
c) anderen vorziehen.
Abbildung 10: Der Weg zur präferierten Marke
Eigene Darstellung in Anlehnung an Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 394)
2. Nachhaltigkeitsrelevante Konsumsoziologie
Nachfolgend sollen verschiedene Lebensstile identifiziert werden, die Aufschluss dar-
über geben können, wie sehr eine bestimmte Gruppe bereit ist, am Nachhaltigkeitsdis-
kurs teilzunehmen. Dies dient auch dem zielgruppenspezifischen Erstellen von Kommu-
nikationsstrategien (Kruse 2007, S. 113), welches in Kapitel 3.2 thematisiert wird.
Insbesondere im Kontext einer Arbeit mit Ausrichtung auf Konsummusteränderung ist
diese Orientierung an Konsumstilen evident. Angemerkt sei jedoch, dass der Konsum-
stil lediglich einen Teilbereich der Lebensstilforschung ausmacht (Wiswede 2000, S. 50
ff.).
a) Lebensstile und deren Nachhaltigkeitsrelevanz
Ein Lebensstil ist laut Lüdtke (1989, S. 40) eine „unverwechselbare Struktur und Form
eines subjektiv sinnvollen, erprobten (d.h. zwangsläufig angeeigneten, habitualisierten
oder bewährten) Kontextes der Lebensorganisation (mit den Komponenten: Ziele bzw.
Motivationen, Symbole, Partner, Verhaltensmuster) eines privaten Haushalts (Alleinste-
hende, Wohngruppe, Familie), den dieser mit einem Kollektiv teilt und dessen Mitglie-
der deswegen einander als sozial ähnlich wahrnehmen und bewerten.“ Dabei ist der
Begriff der Lebensstile ein Instrument zur Unterscheidung verschiedener Lebensweisen
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
40
innerhalb einer Gesellschaft, in der individuelle Orientierungen und Verhaltensweisen
durch soziale Unterschiede bestimmt werden. Der enorme Umfang an Wahlmöglichkei-
ten im Konsumbereich (unterschiedliche wirtschaftliche Lage, Bildung, unterschiedliche
Nutzung von Mobilität und anderen Handlungsfeldern entsprechenden Produkten und
Dienstleistungen) (Michelsen 2007a, S. 35) ermöglicht unterschiedliche Stilisierungen,
ergo stabile, abgrenzbare und expressive Muster der gesamten Lebensorganisation
(Schneider 2002, S. 132).
Das Institut SINUS unterscheidet zehn verschiedene Milieus, in denen die Bevölkerung
so in unterschiedliche Gruppen einteilt wird. (vgl. Abbildung 11) In vertikaler Richtung
werden die einzelnen Bevölkerungsgruppen in soziale Schichten unterteilt. Die horizon-
tale Orientierung gibt Auskunft über die mentale Grundorientierung. Je weiter rechts
ein Milieu liegt, desto offener ist es für neue Einflüsse, Veränderungen und gesell-
schaftliche Trends. Die Prozentzahlen und die Größe der Blasen geben an, wie hoch
der zahlenmäßige Anteil des Milieus an der Gesamtbevölkerung ist. Aufgrund der
immensen Komplexität in der Typisierung dieser Gruppen wird darauf verzichtet, diese
einzeln en détail zu erläutern.
Abbildung 11: SINUS-Milieus in Deutschland 2010
Quelle: SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH (2011)
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
41
In der Praxis werden aktuell vor allem Liberal-intellektuelle, Konservativ-etablierte und
Bürgerliche Mitte durch Nachhaltigkeitskommunikation angesprochen. Es besteht
allerdings noch das Potential sowohl in diesen Milieus den Konsum erheblich zu erhö-
hen als auch neue Zielgruppen mit neuen Formen der Ansprache (angepasst an Be-
dürfnisse und Ansprüche der Milieus) zu erschließen. Jedoch ist teilweise noch nicht
vollständig geklärt, inwiefern einige Milieus überhaupt für Nachhaltigkeitskommunikati-
on ansprechbar sind (Ecolog Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung
2006, S. 8). Eine Betrachtung von SINUS-Milieus kann zu interessanten Aufschlüssen
über das Konsumverhalten in den verschiedenen Konsumbereichen, über nachhaltig-
keitsrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen in den Handlungsbereichen und
über das Informationsverhalten, beziehungsweise die kommunikativen Präferenzen
führen.
Der Begriff Lebensstil ist in Hinsicht auf nachhaltigen Konsum oft moralisch appellativ
geprägt. Konsummuster werden häufig kritisiert und einem alternativen, nachhaltigen
Lebensstil gegenübergestellt (Bogun 1997, S. 211 f.). Um einen nachhaltigen Lebens-
stil genau definieren zu können, müssen zunächst die verschiedenen nachhaltigkeitsre-
levanten Handlungsfelder (vgl. Kapitel 1.2c) und Phasen des Konsummusterbegriffs
(Erwerb, Nutzung, Entsorgung) unterschieden werden. Hierbei können sich allerdings
Konflikte in Bezug auf die Abgrenzung ergeben. Beispielsweise würde ein Widerspruch
im Hinblick auf die Verhaltensweisen eines Verbrauchers entstehen, der zwar einen
durchaus konsistenten Lebensstil pflegt, indem er viel Fahrrad fährt und kein Auto
besitzt, jedoch zum Ausgleich häufig fliegt und so zu verheerenden Klimaschäden
beiträgt (Bogun 1997, S. 228).
Eng verbunden mit dem Lebensstilansatz ist die Argumentation über die Resonanzfä-
higkeit. Die vorher genannten Lebensstilansätze dienen der Bestimmung der Zielgrup-
pen und anzusprechenden Themen. Beim Resonanzansatz sind außerdem die motivati-
onalen Ansatzpunkte, Interessen und die Erreichbarkeit über die bestimmten Medien
wichtig. Darüber hinaus steht die Identifizierung von Einstellungen und Werten im
Vordergrund, die für die Kommunikation genutzt werden können (Bilharz 2009, S. 138
ff.). Denn nachhaltiges Konsumverhalten kann aus sehr unterschiedlichen Überzeu-
gungen innerhalb eines Lebensstils erfolgen. Dies müssen nicht immer ideelle Gründe
sein, sondern kann auch dem Selbstzweck dienen (Schneider 2002, S. 133).
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
42
b) Nachhaltigkeitsrelevante Konsumstile
Ein Konsumstil setzt sich aus der sozialen Situation (soziodemographische Merkmale,
zeitliche und finanzielle sowie Bildungsressourcen), Konsumorientierungen (subjektive
Präferenzen für Produktauswahl und Verhaltensweisen) und tatsächlichem Konsumver-
halten (konkretes Kauf- und Nutzungsverhalten) zusammen und orientiert sich stets an
der Alltagspraxis (Empacher 2002, S. 455). Konsumstile verleihen dem Verhalten von
Konsumenten ein spezifisches Profil (Balderjahn 2004, S. 136).
Durch eine Vervielfachung von verschiedenen Konsummöglichkeiten seit Mitte des 20.
Jahrhunderts, dem damit einhergehenden explodierenden Warenangebot und dem
großen Erfolg der langlebigen Gebrauchsgüter wurde der symbolische Wert von Gütern
erhöht. Diese werden passend zu den zielgruppenspezifischen Images produziert,
sodass eine Ausdifferenzierung von Lebensstilen mit unterschiedlichen Konsumbedürf-
nissen und unterschiedlich stilisierten Konsummustern entsteht. Es kommt zu einer
Individualisierung von Lebensläufen und einer Pluralisierung von Lebenswelten,
wodurch sich eine Diversifizierung von subkulturellen Gemeinschaften, Moden und
Trends ergibt, die kaum noch zu überschauen ist (Brand 2008, S. 51 f.). Der Konsum
ist heute sowohl ästhetisiert als auch emotionalisiert (Wiswede 2000, S. 47 f.).
Nicht zuletzt durch verschiedenartige Positionierung der Produkte und Dienstleistungen
kam es zu einer Pluralisierung von nachhaltigkeitsansprechbaren Zielgruppen. Dies
belegen verschiedene empirische Studien des Instituts für sozial-ökologische Forschung
(ISOE). Heutzutage besitzen nicht mehr nur „überzeugte Ökos“ eine große Aufge-
schlossenheit gegenüber Nachhaltigkeitskommunikation. Auch andere Konsumtypen
sind spezifischen Handlungsfeldern und Teilbereichen gegenüber offen eingestellt (vgl.
Empacher und Stieß 2007, S. 477 f.). Es lassen sich so zehn Konsumtypen im Hinblick
auf nachhaltige Konsumstile unterscheiden, die in sich heterogen sind, jedoch auffälli-
ge Gemeinsamkeiten aufweisen (vgl. Tabelle 1) (Empacher 2002, S. 455).
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
43
Die Umwelt-Ansprechbaren
Die durchorgani-
sierte Ökofamilie
Familie mit
Kindern
Finanziell gut
gestellt (beide
Partner berufstätig)
Großer Bedarf an
Abstimmung der
Alltagsabläufe
Stark an Umwelt
und an ethischen
Aspekten
interessiert
Die Alltags-
Kreativen
Jüngere
Menschen
Soziale oder
künstlerische Berufe
mit niedrigem
Einkommen
Kreativität bei der
Gestaltung des Alltags
(stellen gern Dinge
selbst her, basteln,
Flohmärkte, Second-
Hand-Läden)
Stark an Umwelt
und an ethischen
Aspekten
interessiert
Die Privilegierten
Die jungen
Berufsorientier-
ten
Singles oder
Paare ohne
Kinder
Relativ hohes
Einkommen, starke
Berufsorientierung
Wenig Zeit, Conve-
nience-Angebote und
Inanspruchnahme
externer Dienstleistun-
gen, exklusive Kon-
sumgüter, großes Auto,
mehrere Fernreisen pro
Jahr, gesundheitsorien-
tiert, Orientierung an
Qualität und Service
Abgrenzung von
ideologischen
„Ökos“, doch
auch ethische
Orientierungen
vorhanden
Die statusorien-
tierten Privile-
gierten
Familien
Sehr wohlhabend,
Mann berufstätig,
Frau und karitative
Funktionen
Konsumniveau beson-
ders hoch, Status und
Exklusivität besonders
wichtig
Für Nachhaltigkeit
nur schwer
erreichbar
Die schwer erreichbaren Überforderten
Die schlecht
gestellten
Überforderten
Arbeitslose,
Alleinerzie-
hende, ältere
Menschen
Es fehlt an finanziel-
len und zeitlichen
Ressourcen
Alltagskompetenz fehlt,
materielle Güter
besonders wichtig, um
den gesellschaftlichen
Abstieg zu kaschieren,
Orientierung an
Billigangeboten und
kurzlebigen Produkten
Für Umweltthema
bleibt keine Zeit
und kein Raum
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
44
Die Konsum-
Genervten
Singles,
Geschiedene
Extrem ablehnende
Haltung gegenüber der
Alltagsgestaltung, stark
an Convenience
orientiert, externe
Dienstleistungen, hohe
Preisorientierung,
Orientierung an
kurzlebigem Konsum
Umweltthema
wird als Zumu-
tung wahrge-
nommen
Die jungen
Desinteressier-
ten
Jugendliche,
junge
Erwachsene
Geringe finanzielle
Ressourcen
Erlebnisorientiert,
Orientierung stark am
Freundeskreis, starke
Convenience-
Orientierung, hohe
Preisorientierung,
Orientierung an
kurzlebigem Konsum
Starkes Desinte-
resse an gesamt-
gesellschaftlichen
und politischen
Themen,
insbesondere
gegenüber
Umweltthemen
Die ambivalenten Traditionellen
Die Ländlich-
Traditionellen
Ältere
Ehepaare
oder
Familien mit
Kindern im
Eigenheim in
ländlicher
Gegend
Frau kümmert sich
um Haus und
Garten, Mann ist
erwerbstätig
Stark regional und
sozial orientiert,
Orientierung an solider
Qualität und Erhaltung
des Besitzstandes
Die unauffälligen
Familien Familien
Geschlechtsspezifi-
sche Arbeitsauftei-
lung (in Ostdeutsch-
land Frauen
ebenfalls erwerbstä-
tig)
Konsumorientierung
unauffällig am
Mainstream, sparsame,
Lebensführung und
solide Qualität
Tabelle 1: Konsumstile in Bezug auf nachhaltigen Konsum
Eigene Darstellung in Anlehnung an Empacher (2002, S. 455)
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
45
c) Kritik am Lebensstil/Konsumstil-Ansatz
Ein Problem bei der Konzentration der Kommunikationsmaßnahmen auf bestimmte
Lebensstile ist, dass es nicht genügt, lediglich eine dieser Zielgruppen mit einer auf-
wendigen Maßnahme zu erreichen, da die Gruppe, prozentual an der Gesamtbevölke-
rung, zu klein wäre. So rät Schneider (2002, S. 131), langfristig den Massenmarkt
anstelle der einzelnen Lebensstile anzusprechen. Die Unterteilung in Lebensstile ver-
nachlässige zudem lebensstilübergreifende Anknüpfungspunkte, die wiederum bei der
Implementierung eines kollektiven, nachhaltigen Konsums als wichtig erscheinen. Dies
ist beispielsweise beim Katalysator im Auto oder bei der Mülltrennung der Fall. Ohnehin
muss, wenn man Bilharz (2009, S. 142 f.) Ansicht unterstützt, eine Lebensweise nicht
zwingend gänzlich in eine nachhaltige geändert werden.
Wenzel et al. (2008, S. 11 ff.) gehen sogar noch weiter. Das Denken in Milieus habe,
wenn man ihnen Glauben schenkt, mehr oder weniger ausgedient, da sich Lebensstile
stetig änderten. Die multiplen Handlungsoptionen, die das Konsumverhalten der
Verbraucher heutzutage prägten, sorgten vielen Teils für „Patchwork-Lebensstile“ mit
einem fließenden Übergang zueinander. Das Hauptproblem der Lebensstilansätze ist
wohl, dass sich die Quantität der ausdifferenzierten Lebensstile fast beliebig erweitern
lässt. Darüber hinaus besteht ein ständiger Wandel der Ausdifferenzierungen der
verschiedenen Milieus (Bilharz 2009, S. 145 f.). Menschen passten nicht mehr in die
alten Schemata des alterssegmentierten Zielgruppenmarketings. Das Zielgruppenden-
ken müsste sich anpassen. Als Beispiel für das Scheitern von Lebensstil-
Segmentierungen könne der Launch für die Mercedes A-Klasse herhalten. Eigentlich
wurde er für junge “Lifestyler” gebaut, aber tatsächlich von aktiven Älteren wegen des
hohen Einstiegs gekauft (Wenzel et al. 2008, S. 11 ff.). Bilharz (2009, S. 145 f.) wirft
die Frage auf, ob es nicht sinnvoll wäre, die Kommunikation auf klassische Zielgruppen
wie Rentner, Familie, etc. zu richten.
3. Die Herausforderung des Konsummuster-Änderungsprozesses
Der „eine nachhaltige Konsum“ kann nicht definiert werden. Vielmehr gehe es laut
Eberle darum, „Strategien zur Veränderung von Verhaltens- und Kaufroutinen zu
forcieren, die die Bedürfnisse und Motivationen der Konsumenten betreffen.“ (Eberle et
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
46
al. 2004, S. 10) Michelsen (2007a, S. 35) postuliert, dass eine Änderung der Einstel-
lungen und des Verhaltens auch immer eine Änderung des Lebensstils sei.
a) Sozialpsychologische Hindernisse
Fehlende Ursache-Wirkungswahrnehmung
Der Mensch kann mit seinen Sinnen bestimmte Umweltprobleme wie Radioaktivität
oder das Ozonloch nicht wahrnehmen. Aufgrund der schleichenden Entwicklung vieler
Probleme ist der Ursache-Wirkungsprozess nur schwer herzustellen und Probleme
können leicht verharmlost werden. Insbesondere bei globalen Umweltveränderungen
haben wir es oft mit diesen Spät- und Fernwirkungen zu tun. Aufgrund der hohen
Komplexität, Vernetzbarkeit und Dynamik der Prozesse herrscht zudem eine beinahe
unmögliche Prognostizierbarkeit (Kruse 2007, S. 113 f.).
Überforderung des Konsumenten
Die Anforderungen an die individuelle Lebensführung waren nie so hoch wie heutzuta-
ge. So erfordert die Integration von nachhaltigen Faktoren in den Konsumalttag be-
sondere Fähigkeiten des Alltagsmanagements, dessen viele Menschen nicht Herr
werden. Dies sorgt dafür, dass Konsumenten verstärkt den Wunsch nach einer Reduk-
tion der Komplexität des Lebensalltages hegen, was eine Motivation, sich für eine
nachhaltige, ethische Lebensweise zu entscheiden, verringert (Empacher und Stieß
2007, S. 475). Konsumenten werden als Akteure, die fortwährend nachhaltige von
nicht-nachhaltigen Verhaltens- und Konsumweisen unterscheiden sollen, überfordert.
Informationsdefizite über Produktionsmethoden und Rohstoffverbrauch sowie über
korrekte Nutzung und Entsorgung verschärfen dies zusätzlich. Daraus ergibt sich ein
erhöhter Schwierigkeitsgrad für die Verbraucher, da diese die widersprüchlichen Ziele
nicht einzuschätzen können und es ihnen schwer fällt, daraus resultierende Handlungs-
konsequenzen einzuschätzen.
Das private Konsumverhalten wurde, unter anderem durch die Umweltkommunikation
in den neunziger Jahren, moralisch und politisch aufgeladen. Als Folge dessen wurde
dem Konsumenten eine Rolle zugewiesen, die über Kauf- und Nutzungsentscheidungen
von Waren und Dienstleistungen hinausgeht. Allerdings besitzen die meisten Konsu-
menten nicht den Drang zur Gestaltung der Welt, sondern möchten lediglich ihre
eigenen Bedürfnisse durch Konsum realisieren (Grunwald 2002, S. 438 f.).
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
47
Sozio-ökologische Dilemmata und Dissonanzen
Ehrhardt (2008, S. 20 ff.) geht noch weiter, indem er erkennt, dass Menschen gar nicht
in der Lage sind, in Echtzeit alle Unwägbarkeiten von Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft zu reflektieren. Durch die evolutionär fehlende Notwendigkeit sei es dem
Menschen schlicht nicht möglich, ganz kleine oder ganz große Dinge zu verstehen. Die
Menschheit sei vielmehr geprägt von Kriegen, Ignoranz, „Nicht-wahr-haben-wollen",
Neid, Missgunst und Egoismus. In der von Carl Friedrich v. Weizsäcker im Jahre 1978
geschriebenen Abhandlung „Gehen wir einer asketischen Weltkultur entgegen?” wurde
verdeutlicht, dass Askese „immer nur Sache von kleinen Eliten und Minderheiten
gewesen“ sei. „Der einfache Mann und Durchschnittsbürger“ hätte „selten freiwilligen
Verzicht geübt“. Vielmehr seien „bescheidene Lebensweisen zumeist durch die Um-
stände, das heißt durch die Knappheit der Güter erzwungen worden“ (vgl. v. Alvensle-
ben 1998, S. 10). Auch in der Praxis werden immer wieder die Grenzen der Bemühun-
gen nach nachhaltigen Konsummustern deutlich, besonders wenn es um Einbußen in
Preis und Lebensqualität geht (Grunwald 2006, S. 119).
Das eben beschriebene Phänomen des Egoismus der Menschen wird „Sozio-
ökologisches Dilemma“ oder auch „Tragik der Allmende“ genannt (Spash et al. 2008, S.
8 f.). Insbesondere auf Kollektivgüter überträgt sich diese besondere Schwierigkeit.
Diese sind darauf angewiesen, dass sie von der Gemeinschaft geschont und kollektiv
erhalten werden. Einem im Wesen der Kollektivgüter liegender Anreiz der Ausbeutung
erliegen jedoch einige Mitglieder, sodass das System nicht mehr funktioniert und es zu
einer Ausbeutung der Kollektivgüter bis hin zum völligen Verbrauch kommt.
Ebenso wie bei Kollektivgütern spricht man bei nachhaltigem Konsum von einem
Beitragsdilemma, da der sozial-ökologische – zum Teil auch ökonomische – Aufwand
vom Einzelnen getragen werden muss, der Nutzen jedoch dem Kollektiv zugutekommt.
Dementsprechend ist der persönliche Nutzen der sich aus nachhaltiger Verhaltensweise
ergibt sehr klein (e.b.d.) (vgl. Abbildung 12). Bei nicht-nachhaltigem, konventionellem
Konsum kann hingegen von einem Nutzungsdilemma gesprochen werden, da der
Nutzen zwar bei dem einzelnen Konsumenten selbst liegt, der Schaden allerdings von
der gesamten Gesellschaft getragen wird (Bilharz 2009, S. 117 f.). So verhalten sich
Konsumenten oft á la „Der Schaden entsteht nicht mir, nicht jetzt und nicht hier“ (ebd.,
S. 120).
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
48
Diese Dilemmata-Theorien sind eng verbunden mit den beiden folgenden Hypothesen.
So setzt eine Veränderung bei Verbrauchern oft lediglich in so genannten “Low Cost”-
Situationen ein, wo kein Extraaufwand an Zeit, Geld oder Wissen erforderlich ist
(Wiswede 2000, S. 61 f.). Die “Low-Cost”-Hypothese wird des Weiteren von dem
Prinzip der kognitiven Dissonanz gestützt. Dissonanzen entstehen entweder nachdem
eine Wahlentscheidung getroffen wurde, die nicht mit den eigenen moralischen Vor-
stellungen oder dem Selbstbild übereinstimmt, oder nachdem neue, unvereinbare
Informationen aufgenommen wurden. Je höher die Bedeutung einer Entscheidung für
den Konsumenten, desto stärker kann die Dissonanz sein. Konsumenten entgehen dem
unangenehmen Gefühl von Unvereinbarkeit und Inkonsistenz, indem sie die getroffene
Entscheidung im Nachhinein bewusst oder unbewusst rechtfertigen und besser bewer-
ten (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 168 ff.). Ist jedoch der Preis des nachhaltigen
Produktes verglichen mit dem konventionellen besonders hoch und das Leistungsbün-
del nicht signifikant besser, kommt es unweigerlich zu Dissonanzen und dem Verbrau-
cher fällt es dementsprechend schwer, sich seine Entscheidung für das nachhaltige
Produkt schönzureden.
Abbildung 12: Kosten-Nutzen-Verhältnis nachhaltigen Konsums
Eigene Darstellung in Anlehnung an Balderjahn (2004, S. 159)
Fehlendes Verantwortungsbewusstsein
Die „Low-Cost-Hypothese“ wurde durch die so genannte „High-Justice-Hypothese“
ergänzt, welche neben monetären auch die innerlichen, moralischen Motive berücksich-
tigt. Demnach benötigen Konsumenten bestimmte Handlungsbedingungen, um nach-
haltiges Verhalten umzusetzen. Eine Selbstverpflichtung der Konsumenten nachhaltiger
zu konsumieren greift erst, wenn andere Akteure wie Mitmenschen, der Staat oder
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
49
Unternehmen es bereits vorleben (Reisch und Kreeb 2007, S. 466), da Menschen sich
stark an anderen orientieren. Wenn Andere nicht nachhaltig handeln, hat es für den
Einzelnen auch keinen Wert, sich nachhaltig zu verhalten (Bilharz 2009, S. 120 f.).
Wehrspaun (2002, S. 146 ff.) erwähnt, dass es im Alltag an konkreten Vorbildern für
die „richtige" Verhaltensweise in konkreten Situationen mangelt.
Verbraucher sehen sich erst an dritter Stelle, wenn es darum geht, umwelt- und
sozialbewusst zu handeln. In erster Linie werden der Staat und Unternehmen für
Umwelt- und Entwicklungsprobleme verantwortlich gemacht (Reisch und Kreeb 2007,
S. 467). Die Produzenten sind dagegen oft der Ansicht, sie produzierten die Produkte,
die der Konsument nachfragt (Schrader und Hansen 2001, S. 20 f.). Selbstverständlich
müssen dem Verbraucher Veränderungen des Bewusstseins durch externe und struktu-
relle Bedingungen erleichtert werden (vgl. Kapitel 1.2d)
Konsum als Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse
Die in Kapitel 1 empfohlene Handlungsweise „Nutzen statt Besitzen“ erfährt bisher
einen geringen Stellenwert im Gesamtkonsum. Obwohl Konsumenten zwar nicht die
Güter, sondern die Funktionen nachfragen, wäre es eine zu grobe Vereinfachung,
Produkte lediglich nach ihren Funktionen zu unterteilen. Vielmehr befriedigen Produkte
und Dienstleistungen meist mehrere Bedürfnisse – darunter funktionelle und symboli-
sche, wobei insbesondere die Symbolwirkung von Gütern oft das Eigentum an Ihnen
voraussetzt (Schrader 2002, S. 219 ff.). Zudem ist die Lust am Besitz oft reizvoller als
der Gebrauchswert des Gegenstands (Felser 2007, S. 271 ff.).
Reaktanzen
„Wenn eine Person eine Bedrohung oder Einschränkung ihrer Verhaltensfreiheit wahr-
nimmt, entsteht eine Motivation – Reaktanz genannt – welche die Person veranlasst,
sich der erwarteten Einengung zu widersetzen oder nach erfolgter Einengung ihre
Freiheit wieder zurückzugewinnen.“ (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 168 ff.) Die
Infragestellung von bisherigen Lebens- und Konsummustern führt zu diesen starken
Abwehrreaktionen bzw. zum verstärkten Festhalten am bisherigen Lebensstil. Verloren
gegangene Alternativen werden automatisch aufgewertet, die Quelle der Einschrän-
kung abgewertet (Felser 2007, S. 271 ff.). So sorgte die in den Anfängen stark links
geprägte Umweltschutzfraktion mit „Birkenstock-Sandalen und Vollkornmüslis“ zu
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
50
vielfältigen Reaktanzen bei anderen, zum Teil konservativeren Bevölkerungsgruppen
(Bilharz 2009, S. 136 f.). Auch die heutigen „Propheten“ der Umwelt-Thematiken
werden häufig als Miesmacher und Nörgler degradiert (Klenner und Wehrspaun 2001,
S. 2001).
Das Maslow-Dilemma
Eine Verhaltensänderung in Richtung nachhaltiger Konsummuster ist in Anlehnung an
Maslow ohnehin nur möglich, wenn die physiologischen und materiellen Voraussetzun-
gen für ein angenehmes und sicheres Leben – vor allem die Grundbedürfnisse und das
Sicherheitsbedürfnis – gegeben sind. Nur dann ist der Mensch in der Lage, auch
andere Prioritäten wie beispielsweise Gerechtigkeit, Solidarität, Eigeninitiative oder
Verantwortung in Betracht zu ziehen (Kuckartz 2006, S. 137 ff.).
Lernen und das “Behaviour-Gap”
In Anbetracht der Interaktionstheorie von Einstellung und Verhalten sind Veränderun-
gen von Einstellungen am verhaltenswirksamsten. Einstellungen können jedoch ledig-
lich durch Lernvorgänge oder Veränderung der Selbstwahrnehmung geändert werden.
Lernen kann hierbei entweder durch unmittelbare Erfahrungen oder durch das Auf-
nehmen von neuen Informationen geschehen. Diese bis dahin fremden Informationen
werden dann mit den bereits vorhandenen verglichen und nur, falls dieser Vergleich
positiv ausfällt, mit diesen verknüpft (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 168 ff.). Die
meisten Menschen sind lediglich dann bereit, sich auf Einschränkungen einzulassen,
wenn sie selbst an der Entscheidungsfindung mitgewirkt haben und/oder die Effekte in
ihrem sozialen Umfeld erleben und nachempfinden können (Renn 2001, S. 134 ff.). In
diesen Fällen geschieht eine Art Selbstüberredung (Felser 2007, S. 332).
Allerdings zeigen viele Studien, dass zwischen dem, was Menschen wissen und dem,
was sie tun, kein verlässlicher Zusammenhang besteht (Henning und Ladineo 2001, S.
175 f.). Diese „Kluft zwischen Wissen und Handeln“ ist insbesondere bei Nachhaltig-
keitsthemen immens groß (Brand 1997, S. 26). Die Gründe für diese hohe Diskrepanz
sind sehr vielfältig. Eine hohe Zustimmungsrate kann beispielsweise durch ein nachhal-
tiges, involviertes Eigenverständnis bedingt sein. Darüber hinaus kommt es häufig zu
Konflikten von nachhaltigkeitsrelevanten Einstellungen mit einer ganzen Bandbreite
anderer Motive wie Bequemlichkeit, Prestige oder Exklusivität. Probleme in der Verfüg-
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
51
barkeit und andere Rahmenbedingungen können ihr Übriges dazu tun (Ecolog Institut
für sozial-ökologische Forschung und Bildung 2006, S. 5) (vgl. Kapitel 1.2d).
Laut einem Selbsttest gaben Verbraucher an, dass Nachlässigkeit und leicht abstellbare
Verhaltensweisen die Haupthürden für nachhaltigen Konsum seien. Dies impliziert,
dass „...alle einen erheblichen Beitrag zum nachhaltigen Konsum leisten...“ könnten,
„...wenn es bloß gelänge, die Verhaltensweisen zu ändern, die auf Gewohnheiten und
unreflektierten Reaktionen auf Außenreize beruhen...“. Voraussetzung dafür ist jedoch
der Mut zu einer kritischen Bestandsaufnahme der Gewohnheiten. Bei vielen Verände-
rungen handelt es sich nicht um die Veränderung des gesamten Lebensstils, sondern
vielmehr um eine marginale Einstellungsänderung, die das Verhalten beeinflusst (vgl.
Renn 2002, S. 37).
b) Veränderung von Einstellung und Verhalten
Durch biographische Veränderungen
Aufgrund des soeben genannten Zusammenhangs zwischen Alltag und Konsummus-
tern sind routinierte, alltägliche Verhaltensweisen schwer für Veränderungen zugäng-
lich (Empacher und Stieß 2007, S. 474). Ehrhardt (2008, S. 110) vertritt gar die An-
sicht, Verhalten ließe sich weder vom alltäglichen Umgang miteinander, noch mit
Werbedruck oder Trainings dauerhaft und zielgerichtet verändern. Es sei immer ein
Balanceakt zwischen den für immer festgelegten Verhaltensmustern und den Verände-
rungen, die im Zuge unserer Lebenszeit und Erfahrungen geschehen. Jene Verände-
rungen der äußeren Lebensumstände werden von Empacher (2007) „biographische
Veränderungen des Konsumenten“ genannt. Es ist wichtig zu beachten, dass negativ-
traumatische Erfahrungen wie ein fast tödlicher Unfall sowie langfristig-positive Erfah-
rungen wie die Geburt eines Kindes, eine dauerhafte Wirkung nach sich ziehen. Diese
führt dazu, dass das alltägliche Handeln infrage gestellt wird und sich neue Routinen
bilden können. Die Geburt eines Kindes verändert beispielsweise oft die Ernährungs-
gewohnheiten der ganzen Familie. Umzüge oder neue Jobs können das individuelle
Alltagsleben einschließlich des Konsums ebenso beeinflussen wie große Umweltkata-
strophen (Schäfer 2002, S. 65). Auch eine Scheidung oder das Zusammenziehen mit
dem Partner können eine Wendung in den Verhaltensmustern zur Folge haben (Empa-
cher und Stieß 2007, S. 482). Dies bedeute neben komplexen Prozessen des Um- und
Kapitel 2 – Konsumpsychologische und -soziologische Ansätze
52
Neulernens vom nicht-nachhaltigen hin zum nachhaltigen Verhalten auch den Erwerb
von Reflexions- und Gestaltungskompetenz, bei der alle drei Dimensionen der Nachhal-
tigkeit berücksichtigt werden müssen (Kruse 2007, S. 116).
Strafe und Belohnung
Um die Motivation zu nachhaltigem Konsum zu fördern, gelten weiterhin zwei Strate-
gien als relevant – die Strafe sowie die Belohnung. Erstere ist allerdings nur mit Vor-
sicht anzuwenden, da fast jeder Mensch automatisch Rachegefühle hegt, wenn er
Bestrafung erfährt. Belohnung wirkt dagegen deutlich besser. Wichtig dabei ist, dass
die Bedrohung als angemessen wahrgenommen wird und keine Habituation stattfindet,
denn das Ziel ist eine Verhaltensänderung, die irgendwann sogar ohne Belohnung
weiter funktioniert (Ehrhardt 2008, S. 265 ff.). Zudem herrscht eine bestimmte Ge-
setzmäßigkeit psychologischer Art, die mitunter das Verhalten beeinflussen kann – das
so genannte Dankesschuld-Prinzip. Kommt es dazu, dass eine bestimmte Person einer
anderen einen Gefallen erweist, setzt dies die andere Person unter Druck, dem Gönner
ebenfalls einen Gefallen zu erweisen. Dies geschieht, selbst wenn diese Person ihr
weder sympathisch ist noch um den Gefallen gebeten wurde (Felser 2007, S. 239 ff.).
Das Resultat eins solchen Verhaltens ist allerdings keine Einstellungsänderung, da sie
auf der Hoffnung auf Belohnung oder die Furcht vor Bestrafung basiert (ebd., S. 320
ff.), und somit die beeinflusste Person diese Verhaltensweisen nicht den eigenen
Einstellungen oder Werten zuschreibt (ebd., S. 271 ff.).
Bildung
Obwohl man nicht davon ausgehen kann, dass allein das Wissen über bestimmte
Sachverhalte zu konsequenten Handlungsänderungen führt, kommt dem Informations-
grad eines Menschen über Problemlagen und Handlungsempfehlungen dennoch eine
entscheidende Bedeutung zu (Kruse 2007, S. 116 f.). Es ist davon auszugehen, dass
die Güte und Ethik selektiven Kaufverhaltens auch weiterhin von der Bildung der
Konsumenten abhängt. Im Trend werden sich gebildete Verbraucher zunehmend
kritischer verhalten, wobei ungebildete eher bei unkritischen Verhaltensweisen verhar-
ren (Wiswede 2000, S. 45 f.).
Im folgenden Kapitel wird eben diese Veränderungen von Einstellungen und Verhalten
durch das Mittel der Kommunikation thematisiert.
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
53
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
1. Grundannahmen über konsummusterverändernde, nachhaltig-
keitsorientierte Verbraucherkommunikation
a) Herleitung des Begriffskonstruktes
Kommunikation wird von Krallmann und Ziemann (2001, S. 13) als „Tätigkeit des
wechselseitigen Zeichengebrauchs und der wechselseitig adäquaten Zeichendeutung
zum Zwecke der erfolgreichen Verständigung, Handlungsorientierung und Wirklich-
keitsgestaltung“ bezeichnet. Es ist ein Begriff, der in vielen Feldern, unter anderem in
der Betriebswirtschaftslehre, zu finden ist. Obwohl die Instrumente, mit denen Unter-
nehmen zu nachhaltigem Konsum beitragen können, vielfältig sind, gelten vor allem
Kommunikations- und Marketingkonzepte als zentral (UNEP 2008, S. 10).
Der Begriff Nachhaltigkeitskommunikation ist ein sehr junges Feld der Kommunikation
und leitet sich von der einstigen Umweltkommunikation ab (Severin 2007, S. 64). Diese
begann bereits in den siebziger Jahren und hatte damals vor allem ökologische Ziele,
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
54
wie etwa auf weniger Verpackung oder weniger Wasserbrauch hinzuweisen. Diese
Kommunikation war durchaus erfolgreich (Lichtl 1999, S. 12 ff.). Michelsen (2007a, S.
27) definiert Nachhaltigkeitskommunikation als einen „Verständigungsprozess, in dem
es um eine zukunftsgesicherte gesellschaftliche Entwicklung geht, in deren Mittelpunkt
das Leitbild der Nachhaltigkeit steht.“ Inhaltlich stünden Werte, Normen, Ursachenfor-
schung und Problemwahrnehmung sowie konkrete Handlungsmöglichkeiten auf indivi-
dueller und gesellschaftlicher Ebene zur Auswahl. Sie sei von vielen Faktoren abhängig
und besitze unterschiedliche Ebenen und verschiedene Kontexte. Ziemann (2007, S.
126) ergänzt diese Definition und nennt sie einen „weltgesellschaftlichen Prozess, der
aus der rekursiven Anordnung von Beiträgen und Argumenten zum Thema besseren
Lebens in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht besteht.“ Wie bei dem
Kommunikationsbegriff im Allgemeinen geht es auch bei der Nachhaltigkeitskommuni-
kation um den Austausch von Informationen zwischen Sender und Empfänger (Michel-
sen 2007a, S. 32). Schrader (2004, S. 237) merkt weiterhin an, dass die Themen
Marketingkommunikation und Nachhaltigkeit viele Schnittpunkte besitzen, welche sich
in beidseitigem Fokus der Bedürfnisbefriedigung von Menschen manifestierten.
In der Nachhaltigkeitskommunikation herrschen zwei unterschiedliche Herangehens-
weisen, die sich vorerst in kommerzielle Nachhaltigkeitskommunikation und nicht-
kommerzielle Nachhaltigkeitskommunikation unterscheiden lassen.
Schulz (2008, S. 34) nimmt eine ähnliche Kategorisierung im Kontext des Marketings
vor. (vgl. Abbildung 14) Wobei Marketing für Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang
mit nicht-kommerzieller Nachhaltigkeitskommunikation gleichgesetzt werden kann und
Nachhaltigkeitsmarketing der kommerziellen Nachhaltigkeitskommunikation gleich-
kommt. Gemäß der Lasswell’schen Kommunikationsformel „Wer sagt Was über Wel-
chen Kanal zu Wem mit Welcher Wirkung?“ nimmt Schulz eine nachhaltigkeitsaffine
Analyse der Aspekte des Kommunikationsprozesses vor.
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
55
Abbildung 13: Arten der Nachhaltigkeitskommunikation
Eigene Darstellung in Anlehnung an Bilharz (2009, S. 89)
Abbildung 14: Das Lasswell'sche Kommunikationsmodell in Anwendung auf Marketing im
Nachhaltigkeitskontext
Eigene Darstellung in Anlehnung an Schulz (2001, S. 37)
Kommerzielle Nachhaltigkeitskommunikation wird im Sinne von Nachhaltigkeitsmarke-
ting meist von Unternehmen durchgeführt. Als zentrale Ziele gelten das Schaffen von
Vertrauenswürdigkeit, das Erreichen eines positiven Images und letztendlich steigender
Absatz. Dabei wird sie einerseits zur Vermarktung nachhaltiger Produkte und Dienst-
leistungen und andererseits zur Darstellung unternehmerischer Engagements einge-
setzt. Im Mittelpunkt steht der wirtschaftliche Erfolg (Belz und Bilharz 2005b, S. 6 f.).
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
56
Auch nicht-kommerzielle Nachhaltigkeitskommunikation, hier im Sinne von Marketing
für Nachhaltigkeit, kann von Unternehmen eingesetzt werden. Meist wird sie allerdings
von staatlichen Institutionen, Parteien und Verbänden durchgeführt, um komplexere
Ziele zu erreichen. Einerseits dient sie zum Erreichen des Interesses des Senders, doch
anderseits dient sie dem höheren Ziel der Veränderung der Gesellschaft. Sie strebt eine
Sensibilisierung der Bevölkerung für ökologische und soziale Problemfelder sowie die
Vermittlung von Wissen und das Aufzeigen von nachhaltigen Handlungsalternativen an.
Dies soll sich in Veränderungen von expliziten Verhaltensweisen oder sogar in Verände-
rungen von Einstellungen und Werten manifestieren (Bilharz 2009, S. 87 ff.).
In Hinsicht auf die Kommunikationsstrategien (vgl. Kapitel 3.2) sorgt die Überschnei-
dung der produkt- und verhaltensbezogenen Strategien in Abbildung 13 für eine
besonders interessante Konstellation der Bewerbung und Initiierung nachhaltiger
Konsummuster. Diese verknüpften Intentionen sollen schwerpunktmäßig dargestellt
werden. Da Einstellungen und Werte in hohem Maße verhaltenswirksam sind, soll dies
in die genannte Verbindung einfließen. Insofern werden in diesem Kapitel die Schnitt-
punkte von Marketing für Nachhaltigkeit sowie Nachhaltigkeitsmarketing untersucht.
Während es in den Anfängen der Umweltkommunikation schwerpunktmäßig um
ökologische Verbesserung der Produktionsprozesse und die ökologischen Auswirkungen
der Produkte und Dienstleistungen ging, geht es nun Unternehmen vermehrt darum,
ökologisch und sozial relevante Verhaltensweisen beim Konsum und Umgang mit deren
Produkten und Dienstleistungen zu thematisieren. Während in den voran gegangenen
Phasen in erster Linie Ingenieure und Naturwissenschaftler involviert waren, scheinen
künftig vor allem sowohl Kommunikations- und Marketingexperten als auch Sozialwis-
senschaftler die treibenden Kräfte zu sein (Lichtl 1999, S. 14).
Von Rogall und Longo (2004) wird Kommunikation im Hinblick auf das Potential von
Konsummusteränderungen, im Gegensatz zu harten Instrumenten wie beispielsweise
steuerpolitischen Maßnahmen, als weiches Steuerungsinstrument bezeichnet. Sie
besitze lediglich informativen und/oder appellativen Charakter und konkrete Möglich-
keiten für Sanktionen bei Nichtbeachtung sind nicht existent.
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
57
Das Konzept mit den meisten Analogien zur vorliegenden Thematik stellt das Konzept
Ecotainment von Lichtl (1999) dar. Dies „ist eine Form der Umweltkommunikation, die
im Sinne von Sustainability das nachhaltige Konsumverhalten von Menschen in der
Produktnutzungsphase beeinflussen möchte." Ecotainment bedient sich der Instrumen-
te der Werbung und versucht mit einem „radikal emotionalen Kommunikationsstil“ in
erster Linie wenig nachhaltigkeitsinvolvierte Konsumenten anzusprechen (Lichtl 1999,
S. 18 f.). Ecotainment ist eine differenzierende Form von Werbung mit innovativen
Inhalten, weshalb es sich von anderen Werbebotschaften absetzen kann (Lichtl 1999,
S. 24).
Abbildung 15: Definition von "nachhaltigkeitsorientierter Verbraucherkommunikation für eine
Änderung von Konsummustern“
b) Notwendigkeit und Ziele der Kommunikation im Nachhaltig-
keitsdiskurs
Damit Nachhaltigkeitsprobleme gesellschaftlich eine Relevanz entwickeln können, ist
Kommunikation unbedingt notwendig. Des Weiteren ist sie eine Voraussetzung für eine
erfolgreiche Lösung dieser Probleme (Luhmann 1990, S. 63). So erkennt Luhmann:
…„dass die Ölvorräte abnehmen, die Flüsse zu warm werden, die Wälder ab-
sterben, der Himmel sich verdunkelt und die Meere verschmutzen. Das alles
mag der Fall sein oder nicht der Fall sein, erzeugt als nur physikalischer, chemi-
scher oder biologischer Tatbestand jedoch keine gesellschaftliche Resonanz, so-
lange nicht darüber kommuniziert wird. Es mögen Fische sterben oder Men-
schen, das Baden in Seen oder Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein
Öl mehr aus den Pumpen kommen und die Durchschnittstemperaturen mögen
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
58
sinken oder steigen: solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine
gesellschaftlichen Auswirkungen.“ (ebd., S. 62 f.)
Ziemann (2007, S. 127) ergänzt: „Massenmedien machen Unbekannten Unbekanntes
bekannt.“ Über die Problemfelder (vgl. Kapitel 1) muss informiert werden, um eine
gesellschaftliche Relevanz und letztlich Resonanz herzustellen. Es geht darum, das
Interesse der Menschen an der Gesundheit, des Fortbestandes und dem Erhalt der
Natur sowie der Gerechtigkeit auf unserem Planeten zu wecken, um Ziele nachhaltiger
Entwicklung, vor allem im Konsum, zu erreichen (Renn 2002, S. 33 f.).
Für Kunden sind die Auswirkungen von nicht-nachhaltigen Produkten kaum überschau-
bar (Belz 2005, S. 21) Bei nicht erlebbaren, unmittelbaren Erfahrungen treten mittelba-
re an deren Stelle. Einerseits geschieht dies via zwischenmenschliche Kommunikation
und andererseits via Massenmedien. Damit tragen die Medien in hohem Maße zur
Konstruktion und Programmierung unserer Gesellschaft bei (Kruse 2007, S. 113 f.).
Zudem mangelt es Konsumenten häufig an Informationen, weshalb es – so sehen es
Befürworter einer Unternehmensverantwortung – an den Unternehmen liege, Konsu-
menten mit notwendigen Informationen zu versorgen (Ranalli 2009, S. 26). Dies ist
laut Neuner (2001, S. 377 ff.) nur durch Verbraucherkommunikation möglich, die den
Erfolg einer ökologischen und sozialen Konsumentwicklung stärkt. Informations-,
Kommunikations- und Marketingmaßnahmen sind die Schlüssel für die Durchführung
von Interventionsmaßnahmen zu nachhaltigem Konsum (Kruse 2007, S. 119 f.). Das
New Ecological Paradigm von Dunlap und Van Liere zeigt, dass negative biologische
oder soziale Konsequenzen persönliche Werte und Normen aktivieren können, wie
beispielsweise das Pflichtgefühl, pro öko-sozial einschreiten zu müssen. Dieses Pflicht-
gefühl in Bezug auf nachhaltigeres Konsumverhalten zu erwecken sei die Aufgabe (vgl
Spash et al. 2008, S. 4). Auch ökologisch-soziale Dilemmata (vgl. Kapitel 2.3a) lassen
sich durch Kommunikation innerhalb eines Kollektivs lösen (Bilharz 2009, S. 120 f.).
Bereits im Umsetzungskatalog der Agenda 2113, der Konferenz von Rio, stellten die
Vereinten Nationen fest, dass gute Nachhaltigkeitskommunikation eine Unterstützung
der Konsumenten bei umwelt- und sozialverträglichen Entscheidungen sein soll. Es
13 „Mit der in Rio (1992) (vgl. Kapitel 1.1a) verabschiedeten Agenda 21 werden detaillierte Handlungsaufträge gegeben, um einer weiteren Verschlechterung der Situation des Menschen
und der Umwelt entgegenzuwirken und eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sicherzustellen.“ (Lexikon der Nachhaltigkeit 2011)
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
59
sollen „klare Indikatoren zur Information […] umgesetzt werden.“ (United Nations
1992, S. 21) Aufgreifend wird im so genannten “Plan of Implementation” als Resultat
der Konferenz von Johannesburg 2002 in Punkt III. 15. (d) weiterhin formuliert:
“Develop awareness-raising programmes on the importance of sustainable produc-
tion and consumption patterns, particularly among youth and the relevant segments
in all countries, especially in developed countries, through, inter alia, education,
public and consumer information, advertising and other media, taking into account
local, national and regional cultural values” (United Nations 2002, S. 7)
Wie speziell Unternehmen zu nachhaltigem Konsum beitragen können, zeigt Abbildung
16. Die Instrumente sind zwar vielfältig, jedoch stellen Kommunikations- und Marke-
tingkonzepte aufgrund der hohen Aufmerksamkeit der Konsumenten, der Glaubwür-
digkeit und des “Commitments” der Unternehmen ein zentrales Instrument dar (UNEP
2008, S. 10).
Abbildung 16: Instrumente zur Initiierung nachhaltigen Konsums
Quelle: UNEP (2008, S. 10)
Letztlich nutzt die Kommunikation in diesem Kontext nicht nur der nachhaltigen Ent-
wicklung. Die Verbraucher können durch Information beispielsweise vor Produkten
geschützt werden, die ihre Umwelt, Gesundheit sowie die soziale und politische Unsi-
cherheit in der Welt gefährden. So ist Nachhaltigkeitskommunikation auf den zweiten
Blick eine Funktion der Verbraucherpolitik (Bilharz 2009, S. 102 ff.). Wobei in diesem
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
60
Zusammenhang auch die dargestellten Instrumente Labeling, Aufbau nachhaltiger
Communities, Kooperationen, Transparenz der Wertschöpfungskette und interaktive
Webpotale unter den Begriff der Kommunikation fallen.
Für Unternehmen kann eine solche Kommunikation einen erheblich Mehrwert zur Folge
haben. Da diese in hohem Maße auf stabile Märkte angewiesen sind, wird es wichtig
für sie sein, sich künftig um soziale und ökologische Belange zu kümmern, um nachhal-
tig (hier: im Sinne von langfristig) auf diesen Märkten erfolgreich sein zu können (Lichtl
1999, S. 15). So können Unternehmen relevante Beiträge zur Verbesserung der sozial-
ökologischen Probleme liefern und gleichzeitig Kundenmehrwert schaffen (Belz 2005,
S. 19). Es kommt zu einem Doppeleffekt von Motivation der Konsumenten zu nachhal-
tigerem Konsum und gleichzeitig durch eine unternehmerische Ausrichtung in Richtung
Nachhaltigkeit zu einem Reputationsaufbau (Neuner 2001, S. 377 ff.), der nicht selten
zu einer Absatzsteigerung und zu Wettbewerbsvorteilen führt (Lichtl 1999, S. 11 f.). So
verbessert sie neben der Performance auch die Risikoimmunität in Krisenzeiten (Glathe
2010, S. 34 ff.).
c) Bedingungen und strategische Ausrichtung für nachhaltig-
keitsorientierte Verbraucherkommunikation
Häufig herrscht in Sachen Nachhaltigkeitskommunikation Aktionismus statt strategi-
scher Kommunikationsplanung (Ecolog Institut für sozial-ökologische Forschung und
Bildung 2006, S. 15 ff.). Letztere ist allerdings zwingend nötig, um Änderungen in den
Konsummustern durch kommunikative Maßnahmen zu realisieren, denn erst, wenn der
Mensch etwas verstanden hat, kann er sein Verhalten ändern (Ehrhardt 2008, S. 78).
Verstehen der Zielgruppe
Dafür muss zum einen die Zielgruppe verstanden werden, bevor entsprechende Kom-
munikationsmaßnahmen umgesetzt werden können. Um zu bewirken, dass sich der
Verbraucher verstanden fühlt, muss der Kommunikationsinhalt etwas mit dessen
individuellem Nutzen zu tun haben (Muuß und Conrad 2011, S. 3). Diese Vorausset-
zung für erfolgreiche Kommunikation nennt man Relevanz. Sie ist die Voraussetzung
für das Beschäftigen mit einer Botschaft und hat wesentlichen Einfluss auf das Bot-
schaftsinvolvement (Föll 2007, S. 216 ff.). Es ist wichtig, das Verhältnis zwischen
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
61
Kommunikator (Marke/Unternehmen) und Rezipienten (Verbraucher) zu analysieren
(Ehrhardt 2008, S. 28 ff.).
Gemäß Piorkowskys (2001, S. 58 f.) Leitsatz „Holt den Menschen dort ab, wo er ist.“
sollte nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation die konsumpsychologi-
schen und –soziologischen Charakteristika der Zielgruppe berücksichtigen. „Was
herkömmliches kommerzielles Marketing schon seit Jahrzehnten tut, nämlich Menschen
mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Lebensstilen und Kommunikationsge-
wohnheiten verschiedener Bevölkerungsgruppen anzusprechen, muss auch die kom-
merzielle Nachhaltigkeitskommunikation so umsetzen, um vorhandene, bisher unge-
nutzte Potentiale für veränderte, nachhaltige Verhaltensweisen zu nutzen.“ (Ecolog
Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung 2006, S. 2) (vgl. Kapitel 2.2)
Um Informationen über die Risiken unserer Welt zu kommunizieren, ist es unabding-
bar, herauszufinden, welches Bild der Verbraucher von diesen Risiken hat. Jedoch
herrschen große Differenzen in der Risikowahrnehmung, die nach Kultur, Gesellschaft
und Lebensstil differiert. Auf diese Parameter ist der Kommunikationsinhalt individuell
abzustimmen (Michelsen 2007a, S. 34). Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 498 ff.)
merken in dieser Hinsicht an: „Je stärker die Übereinstimmung der dargebotenen
Information mit den vorhandenen Einstellungen der Empfänger ist, desto höher ist die
Übernahmewahrscheinlichkeit für die Nachricht.“
Herausfinden von Consumer Insights zur Herstellung von emotionaler Bindung
Für die Entwicklung relevanter, differenzierter und glaubwürdiger Kommunikations-
kampagnen kann das Wissen über Consumer Insights von eminenter Bedeutung sein.
Das Konzept soll eine emotionale Bindung zwischen Marke und Konsument ermögli-
chen. Föll (2007, S. 15 f.) bezeichnet den Begriff als „erleuchtender Gedanke darüber,
was Menschen in Zusammenhang mit Marken bewegt“.
Ziel der Kommunikationsentwicklung anhand von Consumer Insights sei es, dass der
Konsument einen emotionalen Nutzen in diesem Produkt/dieser Marke empfinde (Föll
2007, S. 85 f.). Eine Orientierung am Consumer Insight kann dabei helfen, eine Marke
zu profilieren und eine Bindung zum Konsumenten zu schaffen, da er ermöglicht,
relevante, differenzierte und somit treffsichere Botschaften zu erstellen. Es geht da-
rum, sich in den Konsumenten hinein zu versetzen und die Maßnahmen auf ihn auszu-
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
62
richten. Dafür ist allerdings eine frühzeitige Orientierung am Konzept im Rahmen der
gesamten Markenführung notwendig. Die Insights sollten beim Briefing für die Agentur
bereits mitgeliefert werden, sodass ein fließender Übergang von Strategieentwicklung
und Kreation vonstattengehen kann (Föll 2007, S. 235).
EXKURS: Consumer Insight-Findung nach Föll:
Insights lassen sich nur schwer finden, da Konsumentenverhalten immer komple-
xer und zum Teil auch widersprüchlicher wird. So ist es wichtig, den Konsumenten
(die Zielgruppe) genau zu kennen und mithilfe von kreativen Prozessen (vier Pha-
sen: Vorbereitung, Inkubation, Illumination, Verifikation) die jeweiligen Insights
herauszufinden.
Infolge einer Befragung der Zielgruppe können Insights am sinnvollsten ermittelt
werden.
In der Vorbereitungsphase dieses Prozesses soll die Informationsbeschaffung dazu
dienen, Probleme, Chancen und Möglichkeiten zu erkennen und zu analysieren. In
der darunter fallenden Zielgruppenbestimmung werden zunächst Lebensstile,
Motive und Einstellungen sowie das Verhalten durchleuchtet. (vgl. Kapitel 2) Da-
rauf erfolgt eine Erweiterung des Wissens, indem die genannte Zielgruppe, der
Markt, die Marke und der Wettbewerb untersucht werden. Nachdem nun eine
Analyse der Marktsituation aus Konsumentensicht vorgenommen wurde, erfolgt die
Identifikation des Forschungsbedarfs.
Die Inkubationsphase soll der „Ausbrütung“ von Ideen dienen. Zunächst werden
aussagekräftige Hypothesen gebildet, indem die vorhandenen Daten aus der Vor-
bereitungsphase mithilfe von kreativen Prozessen interpretiert und in anwendbare
Informationen transformiert werden. Daraufhin sollten diese Hypothesen überprüft
werden.
In der Illuminationsphase sollte die Idee und Richtung für die Kommunikations-
maßnahmen bereits bewusst werden.
Die Verifikationsphase sollte der gedanklichen Überprüfung und Aufbereitung der
Idee in eine kommunizierbare Form dienen. Dies geschieht in der Praxis meist
mithilfe eines Kreativbriefings. (Föll 2007, S. 86 ff.)
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
63
Abbildung 17: Consumer Insight-Findungsprozess
Eigene Darstellung in Anlehnung an Föll (2007, S. 87)
Glaubwürdigkeit herstellen
Wie einleitend in diesem Punkt bereits erwähnt, geht es nicht nur um das Verstehen
der Zielgruppe, sondern auch um das Vertrauen dieser gegenüber dem Kommunikati-
onssender.
Wenn die Verbraucher der Marke abnehmen, dass sie Themen wie ökologische oder
soziale Verantwortung aufnehmen, spricht man von Glaubwürdigkeit (Muuß und
Conrad 2011, S. 3). So erkennen Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 498 ff.): „Mit
zunehmender Glaubwürdigkeit des Kommunikators steigt die Wahrscheinlichkeit, dass
eine Kommunikation wirksam wird.“ Prestige ist hier genauso von Bedeutung wie das
persönliche Auftreten und seine Herkunft in Bezug auf Zugehörigkeit einer Organisati-
on (Kruse 2007, S. 119 f.). Der Einsatz von neuen, glaubwürdigen Kommunikatoren
kann von Vorteil sein (Schrader 2005, S. 62).
Besonders wichtig ist es dabei, eine Beeinflussungsabsicht nicht durchscheinen zu
lassen. Am glaubwürdigsten lässt sich diese Wirkung erzielen, wenn der Kommunikator
Informationen verbreitet, die ihm selbst eigentlich von Nachteil sind, sie gegen die
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
64
eigenen Interessen argumentieren. Am Beispiel nachhaltiger Produkte oder Dienstleis-
tungen könnte argumentiert werden, dass diese zwar gesünder seien, aber zugegebe-
nermaßen auch etwas teurer. So können gezielt vorgebrachte Negativaspekte implizit
ausdrücken, dass dies die einzigen oder zumindest die wichtigsten sind. Zudem können
Nachteile auch zu Vorteilen umgemünzt werden. Idealerweise sind die negativen mit
den positiven Aspekten in Verbindung zu bringen, sodass die Argumentation plausibler
wird (Felser 2007, S. 332).
Auf der kommunikativen Sachebene kann Glaubwürdigkeit die Motive und Claims14
betreffen, die vor allem nicht konstruiert und „werbisch“ wirken, sondern eben glaub-
würdig zur Markenwelt passen. Nachhaltigkeitskommunikation à la: „tue Gutes und
rede darüber“ wird oft von Konsumenten als PR abgetan. Um diese Glaubwürdigkeits-
hürde zu überwinden, müssen Unternehmen nach dem Leitmotiv: „tue Gutes und lasse
darüber reden“ agieren. Voraussetzung für die Wahl der Kommunikatoren ist ebenfalls
eine gewisse Glaubwürdigkeit derer (Schrader 2005, S. 69 ff.).
„Integrität steht dafür, dass sich das Unternehmen hinter der Marke oder dem Produkt
umfassend verantwortungsbewusst verhält. Ist dies nicht der Fall, dann kann einem die
produktorientierte Nachhaltigkeit gegebenenfalls auf die Füße fallen.“ (Muuß und
Conrad 2011, S. 3) Sich als Kommunikator zu verstellen, hilft nur bis zu dem Zeitpunkt,
bis der Rezipient erkennt, dass es sich bei seinem Gegenüber um einen Hochstapler
handelt. Danach ist der Dialog jedoch faktisch bereits beendet. Der Rezipient wird dem
Kommunikator kein Wort mehr glauben, egal wie viel Mühe er sich gibt. Es ergibt sich
nicht nur eine Wirkungslosigkeit, sondern ein meist irreparabler Schaden (Ehrhardt
2008, S. 103 f.). Vor allem gelebte Werte und eine integre Unternehmenspolitik kön-
nen den Kommunikationskampagnen höhere Integrität und somit Glaubwürdigkeit
verleihen. Da jenes die konsequente Ausrichtung eines Unternehmens in den Bereichen
Beschaffung, Produktion, Absatz, Logistik, Finanzen und anderen bedeutet, kann es
laut Belz und Bilharz (2005b, S. 6 f.) als Grundlage für effektive nachhaltige Marketing-
Aktivitäten angesehen werden. Sie betonen, dass ein Unternehmen erst „im eignen
Haus gekehrt“ haben muss, bevor es sich „aus dem Fenster lehnen“ kann. Auch Glathe
(2010, S. 34 ff.) erkennt, dass eine Ausrichtung auf Nachhaltigkeit in der Unterneh-
14 Werbesprache für Slogan: „Als eingängige Werbeaussage, die den Nutzen der Marke hervor-hebt.“ (Wifimaku.com)
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
65
menspolitik als eine langfristige Unternehmensstrategie das Vertrauen der Märkte
immens erhöht.
Transparenz schützt im Endeffekt davor, dass die Integrität jemals infrage gestellt
wird. Kommuniziert ein Unternehmen die Verhältnisse, wie sie sind, auch mit den
möglichen Missständen, wächst das Vertrauen der Verbraucher und gleichzeitig wird
das Unternehmen resistent gegen Anfeindungen aufgrund dieser Missstände. „Unbe-
dingt vermeiden sollten Unternehmen, nur über die Dinge zu reden, die man vorhat zu
tun – Marken sollten lieber über Ergebnisse sprechen“, sagt Christian Conrad von der
CSR-Kommunikationsagentur brands & values (Muuß und Conrad 2011, S. 3).
Wenn Kampagnen und Maßnahmen langfristig und mit ausreichend hohem Budget-
Einsatz geplant und durchgeführt werden, nennt man dies in diesem Kontext Commit-
ment. Sind Unternehmen und Marken ausreichend “committed”, wirken sie glaubwür-
dig und werden entsprechend mit der Thematik in Verbindung gebracht. Dies kann
außerdem dadurch erreicht werden, indem langfristig und kontinuierlich kommuniziert
wird (Lichtl 1999, S. 156 ff.).
Aus der dargelegten Literatur ergibt sich die Annahme, dass in Bezug auf unternehme-
rische Nachhaltigkeitskommunikation bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Diese Annahme soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit überprüft werden, indem
folgende Hypothese aufgestellt wird:
Abbildung 18: Alternativhypothese H1
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
66
2. Zwei Ansätze der Umsetzung des „Elaboration
Likelihood Models”
a) Zentrale und periphere Route
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person über die Kommunikation nachdenkt und sie
verarbeitet, lässt sich an zwei verschiedenen Routen zur Beeinflussung in dem Elabora-
tion Likelihood Model verdeutlichen (vgl. Abbildung 19). Weder die zentrale noch die
periphere Route wird eher zu einer Einstellungsänderung führen, als die andere.
Lediglich die Herangehensweisen sind unterschiedlich. So ist die Beeinflussung über
den zentralen Weg zeitbeständiger, resistenter gegen Beeinflussung und wirkt sich
deutlicher auf das Verhalten aus. Die Beeinflussung über den peripheren Weg ist
jedoch einfacher umzusetzen und wirkt auch häufiger, allein schon, weil Kaufakte mit
niedrigem Involvement deutlich häufiger vorkommen. Außerdem wirkt sich Beeinflus-
sung, die bei geringem Involvement stattgefunden hat, noch lange Zeit danach aus,
selbst wenn das Involvement mittlerweile höher ist.
Abbildung 19: Elaboration Likelihood Model (ELM)
Eigene Darstellung in Anlehnung an Felser (2007, S. 327)
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
67
Beim zentralen Weg sind vor allem die Argumente wichtig. Mit diesem ist es möglich,
vor allem extensive Kaufentscheidungen, die ein hohes Informationsbedürfnis besitzen
herbeizuführen. (vgl. Kapitel 2.1b) Auf der peripheren Route gilt zwar Expertenwissen
als sehr glaubwürdig, allerdings treten die Argumente eher in den Hintergrund, da der
Rezipient wenig nachdenkt und es sich um hoch emotional gesteuerte Prozesse han-
delt. Diese Kommunikationsform reicht in der Regel aus, um Konsumenten zu limitier-
ten oder impulsiven Kaufentscheidungen zu bewegen (Felser 2007, S. 323 ff.).
Lichtl (1999, S. 53) nimmt eine Kategorisierung vor, die dieses Modell auf den gegebe-
nen Zusammenhang überträgt. Je nach der Zielgruppe, die angesprochen werden soll,
kann seiner Ansicht nach zwischen sachlich-argumentativer, emotional-argumentativer
und radikal-emotionaler Kommunikation unterschieden werden. (vgl. Abbildung 20)
Abbildung 20: Gestaltungsformen von Nachhaltigkeitskommunikation
Eigene Darstellung in Anlehnung an Lichtl (1999, S. 53)
Die sachlich-argumentative Gestaltungsform ist sehr textlastig und beinhaltet rationale
Begründungen. Sie erwartet darüber hinaus eine rationale und engagierte Auseinan-
dersetzung. Diese Gestaltungsform gleicht in hohem Maße dem zentralen Weg des
ELM.
Bei der emotional-argumentativen Gestaltungsform stehen emotionale Stilmittel wie
Bilder sowie Sprache oft in Form von Headlines im Vordergrund. Ziel ist es, beim
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
68
Zuschauer Gefühle zu erwecken und den Gemütszustand qualitativ und/oder quantita-
tiv zu verändern (Lichtl 1999, S. 53).
Die radikal emotionale Gestaltungsform (genutzt von Lichtl (1999) in seiner Abhand-
lung Ecotainment) geht deutlich über die emotional-argumentative hinaus. So werden
Inhalte ausschließlich emotional kommuniziert und es genügt, wenn die Kommunikati-
on als solche wahrgenommen würde. Eine gedankliche Auseinandersetzung sei nicht
nötig, so Lichtl (1999, S. 56 f.). Das letztendliche Ziel von Ecotainment sei es, „das
latent vorhandene, aber von den materiellen Motiven überlagerte ökologische (und
soziale) Bewusstsein so intensiv mit positiven Gefühlen zu verbinden, dass ein domi-
nanter psychischer Nutzen entsteht.“ (ebd., S. 134 f.) Aufgrund der geringen Anforde-
rung an Involvement, Motivation und Kompetenz des Verbrauchers und Rezipienten
sowie der sehr oberflächlichen Verarbeitung der Inhalte kann diese emotionale Argu-
mentationsweise mit dem peripheren Weg der kommunikativen Beeinflussung gleich-
gesetzt werden.
Je weniger gebildet und öko-sozial involviert die Zielgruppe ist, desto emotionaler sollte
laut Spash und Reisch die Kommunikation sein. Rationale, faktenbasierte Kommunika-
tion solle ausschließlich bei den gebildeten, interessierten, öko-sozial-involvierten
Konsumenten genutzt werden (Spash et al. 2008, S. 9 f.). In jedem der beiden Fälle
der Beeinflussung von Einstellungen und letztlichem öko-sozialen Verhalten können die
in Kapitel 2.3b angesprochenen Phasen, in denen Alltagsroutinen durchbrochen wer-
den, von den kommunikativen Sendern von nachhaltigkeitsorientierter Verbraucher-
kommunikation zu diesem Zweck genutzt werden (Empacher und Stieß 2007, S. 482).
So könnten Verbraucher beispielsweise bei oder nach Umzügen sofort regionale,
nachhaltige Einkaufsmöglichkeiten genannt werden, bevor sich die Alltagsroutine auf
Edeka und Aldi eingespielt hat. Ähnliches gilt für Angebote der Mobilität wie Car-
Sharing-Angebote, Angebote des ÖPNV, Second Hand Läden und ähnlichem. Die
Ansprache müsse in Umfeldern geschehen, die in solchen Umbruch-Situationen ange-
laufen werden (Schäfer 2002, S. 70).
b) Zentrale Route: sachlich-argumentativer Ansatz
Die Umsetzung einer sachlich-argumentativen Nachhaltigkeitskommunikationsstrategie
kann laut Bilharz (2009, S. 91 f.) mit der Hilfe dreier hauptsächlicher Kommunikations-
strategien (vgl.
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
69
Abbildung 21) erfolgen, die in diesem Falle von Teilstrategien durch verschieden große
Einflüsse dieser drei Hauptstrategien geprägt sind.
Bei Nachhaltigkeitskommunikation, die direkt auf Veränderungen von Verhalten abzie-
len soll, wird in diesem Zusammenhang die interventions- bzw. handlungsorientierte
Strategie angewendet. Die Strategien der bildungs- und partizipationsorientierten
Kommunikation können mit ihren Zielen Kompetenz (Bildung) und Empowerment
(Partizipation) lediglich als Vorstufen zu einem nachhaltigen Handeln bezeichnet
werden. Ihnen wird eine Handlungsferne vorgeworfen, die eine Beurteilung der Zieler-
reichung erschwert. Sie können jedoch letztlich auch zu einer Veränderung der Einstel-
lungen und des Verhaltens führen.
Abbildung 21: Strategien sachlich-argumentativer Nachhaltigkeitskommunikation
Eigene Darstellung in Anlehnung an Bilharz (2009, S. 92)
Herstellung von Kompetenz beim Verbraucher – Bildung
Um dem Verbraucher eine gewisse Kompetenz zu verleihen, scheint es laut Schrader
(2005, S. 66) unausweichlich, ihn auf unterschiedlichen Stufen des Problemlösungspro-
zesses – über die Problemwahrnehmung, Problembearbeitung und Lösungsentwicklung
oder die vorhandene Problemlösung – zu informieren und zu bilden. So sollte diese Art
Kommunikation die Produktion sowie Transporte, Entsorgung und Nutzung gleicher-
maßen zum Thema machen, um eine nachhaltige Konsumkompetenz beim Konsumen-
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
70
ten zu schaffen. Vor allem bei Produkten und Dienstleistungen mit großem Hang zu
Vertrauenseigenschaften (wie z.B. Anbau eines Lebensmittels) spielt zudem die Ver-
mittlung von Sachinformationen eine große Rolle (Belz und Ditze 2005, S. 77 f.). Die
Inhalte dienen der Qualifikation des Empfängers für die Teilhabe an Entscheidungspro-
zessen. Dies ist nur möglich, wenn diese sich an der Nachfrage der Empfänger orien-
tieren (Severin 2007, S. 66). Eine solche Sensibilisierung ist jedoch auch verantwortlich
für die Zahlungsbereitschaft und das Engagement (die Motivation) der Konsumenten,
da ein hohes Umweltbewusstsein beispielsweise ein entscheidender Einflussfaktor auf
die Resonanz und die Akzeptanz für nachhaltige Inhalte ist (Kuckartz 2006, S. 198 ff.).
Diese Bildungs-Kommunikation ist dafür da, im Kontext der Zielerreichung einer nach-
haltigen Gesellschaft Bumerang-Effekten nach reinen Interventionskampagnen vorzu-
beugen (Spash et al. 2008, S. 9 f.).
Im Prozess der Problemwahrnehmung ist es zunächst die Aufgabe, ein Problembe-
wusstsein zu schaffen (Glathe 2010, S. 53 f.) und zur Vermittlung von Kompetenz-
oder einer gewissen Bildung für nachhaltige Entwicklung anzusetzen, sodass beim
Rezipienten die Voraussetzung für nachhaltiges Verhalten und Bewertung bzw. Ein-
schätzung von Problemlagen erreicht wird (Spash et al. 2008, S. 9 f.). Um eine Bear-
beitung der Probleme zu erreichen, könnten dem Konsumenten zunächst Konsequen-
zen nicht-nachhaltigen Verhaltens aufgezeigt werden (Glathe 2010, S. 53 f.). Vor allem
stehen die Erhöhung individueller Verantwortlichkeit und Kontrolle über die Folgen des
eigenen Tuns sowie Moral, Ethik und ein richtiges Naturverständnis im Mittelpunkt
(Warsewa 2002, S. 377). Außerdem geht es um die Herausstellung des persönlichen
Nutzens nachhaltigen Verhaltens (vgl. Hagedorn 2004).
Es ist Verbrauchern nicht (mehr) möglich, jedwede Informationen selbst einzuholen.
Sender von Nachhaltigkeitskommunikation sollten den Verbrauchern den Alltag entlas-
ten (Empacher und Stieß 2007, S. 481) und ihm Gelegenheiten zu nachhaltigem
Verhalten schaffen (Kuckartz 2006, S. 198 ff.). Auch der Konsumforscher Felser (2007,
S. 33 ff.) ist der Ansicht, dass es veritable Strategien sein könnten, entweder die
Prioritäten der vom Konsumenten gesetzten Ziele zu verschieben oder ihm neue Wege
aufzuzeigen, wie er diese Ziele anders verwirklichen kann, um das Konsumentenverhal-
ten zu formen.
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
71
Nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation, die Konsummuster verändern
soll, müsse nach Reisch und Kreeb (2007, S. 467) zwei Phasen durchlaufen: Erstens
müsse Aufklärung über Problemfelder und zweitens die Bewerbung der eigenen Pro-
dukte erfolgen. Diese Phasen ließen sich ihrer Meinung nach am besten durch einen
Kommunikator mit gewissem Vorbildcharakter kommunizieren, da im Alltag konkrete
Vorbilder für die richtige Verhaltensweise in konkreten Situationen fehlen. Eine Identifi-
kation mit diesen Vorbildern führt zu einer höheren Resonanz, Akzeptanz, zu Engage-
ment und kann sogar zur Nachahmung anregen (Hagedorn 2004). Allerdings stellt die
Glaubwürdigkeit dieser Person ein entscheidendes Kriterium dar.
Einbindung des Verbrauchers in die Lösungsentwicklung – Partizipation
Wenn Nachhaltigkeitskommunikation zu einer Lösungsentwicklung beitragen soll,
können partizipationsorientierte Ansätze für eine Aktivierung zur Beteiligung zur Lö-
sungsentwicklung (Empowerment15) beitragen (Bilharz 2009, S. 91 f.). Ohne bürgerli-
ches Engagement oder aktive Mitwirkung der Zivilbevölkerung ist kein Paradigmen-
wechsel in eine nachhaltige Zukunft vorstellbar. Zwar ist Empowerment ein Instrument
der Politik, jedoch kann es ebenso als kommunikatives Instrument von Unternehmen
aufgegriffen werden, um seine Kunden zu befähigen, die Welt mit einer Sichtweise, die
aus dem Image der Marke heraus kommt, zu verändern. Kommunikation über nachhal-
tige Entwicklung sollte in diesem Sinne keine Kommunikation in eine Richtung von
Sender zu Empfänger sein, sondern vielmehr ein Dialog des Handelns, Lernens und der
korrekten Entscheidungsfindung (Seitz 2007, S. 310 ff.). Wenn Konsumenten nicht nur
als Empfänger von Nachhaltigkeitskommunikation sondern ihnen eine Plattform als
Sender gegeben würde, könnten diese als Multiplikator nachhaltige Inhalte verteilen
(Bilharz 2009, S. 114) (vgl. Abbildung 22).
15 Die Strategie um Menschen zu ermächtigen und zu befähigen, sich aktiv an der Gestaltung der weltweiten Lebensverhältnisse einzubringen (Seitz 2007, S. 310 ff.).
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
72
Abbildung 22: Partizipative, nachhaltigkeitsorientierte Kommunikationsstrategie
Eigene Darstellung in Anlehnung an Bilharz (2009, S. 115)
Menschen sind häufig nur bereit, sich auf Einschränkungen einzulassen, wenn sie
selbst an der Entscheidungsfindung mitgewirkt haben und/oder die Effekte in ihrem
sozialen Umfeld erleben und nachempfinden können (Renn 2001, S. 134 ff.). Brand
(2001, S. 26 ff.) fordert eine dialogorientierte Herangehensweise auf partizipativer
Basis, um dieses Ziel zu erreichen. Die Menschen sollten in den Prozess eingebunden
werden und ihre eigenen Vorstellungen mit einbringen können. Nur dann fühlen sich
die Menschen dazu verpflichtet und bringen eine gewisse Bereitschaft mit, sich aktiv zu
beteiligen. Andernfalls würde es lediglich als Zumutung wahrgenommen. Natürlich sei
es utopisch, alle Menschen in diese Prozesse mit einzubinden. Allerdings müssten
Vertreter der verschiedenen Positionen zur Kooperation aktiviert werden, um öffentlich
zu zeigen, dass alle eingeladen sind, teilzunehmen. Auch Felser (2007, S. 332) ist
dieser Überzeugung und erkennt: „Wenn Sie jemanden überzeugen wollen, ist eine der
besten Empfehlungen: Lassen Sie die andere Person die Argumentation selbst entwi-
ckeln, von denen sie überzeugt werden soll.“
Es muss zudem erreicht werden, dass Kunden eine positive Erfahrung mit nachhaltigen
Produkten und Dienstleistungen machen, da zufriedene Konsumenten diese im Durch-
schnitt drei Personen mitteilen. Unzufriedene dagegen teilen ihren Unmut durchschnitt-
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
73
lich elf Personen mit. Mit dieser Dialog-Strategie lassen sich gleichzeitig Umweltvortei-
le, Sozialvorteile und Wettbewerbsvorteile verbinden und umsetzen (Kirchgeorg 2004,
S. 282 ff.).
Ergreifen von aktiven, offensiven Maßnahmen – Intervention
Das endgültige Ziel von derartiger Nachhaltigkeitskommunikation stellt die letztliche
Intervention dar, indem Verbraucher effektiv dazu gebracht werden, nachhaltig zu
konsumieren. Im Folgenden werden verschiedene Interventionsformen erläutert, die in
den vorangegangenen Seiten noch nicht genannt worden sind.
Eine sehr wirkungsvolle Intervention ist eine Rückmeldung über das eigene Handeln.
Dieses Feedback kann zu einer bestimmten Handlungsweise, beispielsweise die Kosten
bei einer Stromrechnung, eine enorme Wirkung auf den Verbraucher haben. Außerdem
kann Motivation durch positive Botschaften (Glathe 2010, S. 53 f.) wie Belohnungen
einen besonderen Anreiz geben. Zu nennen wären Lob, Ehrungen oder monetäre
Preise. Der Nachteil ist, dass die Verhaltensweise nur aufgrund des Anreizes geschieht.
Wenn die Belohnung wegfällt, fällt auch die Motivation aufgrund fehlender intrinsischer
Motivation in den Keller und verfehlt eine langfristige Wirkung.
Öffentliche oder private Selbstverpflichtung sind Zusagen, die Personen oder Organisa-
tionen im Vorfeld machen. Durch sozialen Druck wird diese Zusage verbindlich. Diese
ist die wohl wirkungsvollste. Eine mögliche Strategie stellt die Foot in the door-Technik
dar. Zunächst wird die Person um einen kleinen Gefallen gebeten, der eine günstige
Bedingung für spätere, anspruchsvollere Bitten bietet. Diese Strategie der Selbstver-
pflichtung zielt auf die Ebene der Motive, wie das Streben nach Selbstachtung und
Konsistenz vor sich selbst ab. Die Selbstverpflichtung einer Person kann im Sinne der
Vorbild-Funktion zusätzlich als positive Wirkung für andere dienen.
Appelle besitzen einen besonderen Einfluss auf Einstellungen und Verhalten (Glathe
2010, S. 84 ff.), sind jedoch wie erwähnt auch mit Vorsicht zu behandeln. Überzeu-
gende Argumente gelten dabei als absolutes Mittel zur Veränderung von Verhalten.
Entscheidend ist die Glaubwürdigkeit des Kommunikators. Nachbarn, Familie und
Freunde gelten als die glaubwürdigsten. Am überzeugendsten sind Argumente in
direkten Gesprächen (vgl. Partizipation) (Henning und Ladineo 2001, S. 183 ff.).
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
74
Diese Inhalte dürfen keine unrealistischen Vorstellungen verbreiten, da dies zu hohen
Verlusten der Glaubwürdigkeit führen kann (Felser 2007, S. 267 f.). Es müsse laut
Schäfer (2002, S. 69) vermittelt werden, dass bereits kleine Schritte große Auswirkun-
gen haben können und beispielsweise Familien nicht ihren kompletten Warenkorb
umstellen müssen. Bedeutsam ist zudem, dass Konsumenten wissen, welche Prioritä-
ten sie setzen müssen und welche Alternativen die größten nachhaltigen Effekte
besitzen. Dem Konsumenten könnte zudem kommuniziert werden, dass er qualitative,
gesunde Ware möchte – vor allem im Lebensmittelbereich – und dass diese Ware ihren
Preis kostet (Grefe 2002, S. 293). Das mit Abstand wichtigste Argument und Grund für
Markterfolg eines Produktes oder einer Dienstleitung ist schließlich, weil es/sie eben
gut ist (Ehrhardt 2008, S. 53 ff.).
c) Periphere Route: emotionaler Ansatz
„Man muss Nachhaltigkeit zu ‘nem hippen, neuen Style machen. … und das alte
Bild vom „Öko“ einfach ersetzen durch was Neues, Frisches, Junges.“
Thomas D. (Musiker und engagierter Nachhaltigkeitsaktivist)
Um nachhaltige Produkte einer breiten Masse an Konsumenten schmackhaft zu ma-
chen, müssen Produzenten einen Weg finden, diese aus dem alten „Wollsocken-Image“
herauszulösen und „neue Interpretationsschemata“ zu etablieren. Das Ziel sollte es
sein, modische Inhalte zu realisieren, ohne dass die Glaubwürdigkeit der Produkte und
Marken in Mitleidenschaft gezogen wird (Fischer 2002, S. 127 f.).
Traditionelle Elemente der Umweltkommunikation wie ungefärbte Stoffe, Darstellung
von Problemen und andere sollten gemäß diesem Ansatz vermieden werden. Diese
sind zwar Ausgangspunkt der Kommunikation, aber nicht Teil der Darstellung. Die
Interpretationen der Lösungen zu den Problemen könnten dem Rezipienten überlassen
werden (Lichtl 1999, S. 147 ff.). Schwieger (2005) ist sogar der Ansicht, der Begriff
Nachhaltigkeit müsse aus der Kommunikation verschwinden. Sie könne nur über
Emotionen zum Ausdruck gebracht werden. Den Begriff wolle er am liebsten nie wieder
hören, die Botschaft dahinter aber immer häufiger sehen. Dies habe den Grund, dass
viele Verbraucher Angebote strikt ablehnten, „die nach ‚Öko‘ aussehen oder mit ‚Öko‘
betitelt“ würden. Entweder begegneten sie mit einer abwehrenden Haltung gegenüber
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
75
Nachhaltigkeitsthemen oder es herrsche eine „Ablehnung vor allem auf den alltags-
sprachlichen, unspezifischen Gebrauch des Präfixes“. Noch weniger möchten sie ein
„Öko“ sein oder „Öko-Produkte“ kaufen. Sie möchten nicht Teil einer Ideologie sein, die
als unrealistisch und weltfremd gilt (Empacher 2002, S. 463). Um Reaktanzen zu
vermeiden, ist außerdem Angstkommunikation zu vermeiden (Renn 2002, S. 33 f.).
Stattdessen sollten Unternehmen in ihrer Kommunikation eher an anderen Orientierun-
gen anknüpften (Empacher 2002, S. 463).
Emotionale Kommunikation
Emotionale Kommunikation wird auch „affektive Kommunikation" oder „transformatio-
nelle Kommunikation“ genannt. Sie dient der Vermittlung emotionaler Erlebniswerte
und bedeutet, dass es mit einem Kommunikationsmittel gelingt, langfristige Gefühle
beim Rezipienten auszulösen und einen Wiedererkennungswert zu schaffen. Eine
entscheidende Frage ist es, wie nicht vorhandene Emotionen aktiv herbeigeführt
werden können und letztlich aus dem riesengroßen Repertoire diejenigen Emotionen
angesprochen werden, die zu einer Handlungsweise oder Kaufhandlung führen (Ehr-
hardt 2008, S. 78). Humor könnte ein Zugang sein, der zu einer Abgrenzung der
biederen Umweltkommunikation führen kann (Glathe 2010, S. 106 ff.).
Obwohl Emotionen erwiesenermaßen ein Mittel zur Motivation besitzen, hängt es in
hohem Maß von der Zielgruppe und dessen Interessensgebieten ab, inwiefern emotio-
nale Kommunikation Interesse weckt oder sogar dadurch nachhaltige Konsumalternati-
ven bevorzugt würden (Lass und Reusswig 2001, S. 150 f.). Lichtl (1999, S. 55 f.)
schreibt, man müsse „über das trojanische Pferd des Geltungsnutzens den Sozialnutzen
Umweltschutz verhaltenswirksam verankern“ wie auf der strategisch-instrumentellen
Ebene „die Emotionalisierung des Erbauungsnutzens durch Werbekampagnen für die
Erhaltung der Schönheit der Natur“ nutzen.
Thematisch muss das Gezeigte oder Gesagte mit den Erfahrungswelten der Zielgruppe
verknüpfbar sein, damit die Inhalte für die Rezipienten nachvollziehbar sind. Vor allem,
wenn dem Rezipienten bekannte Details und Wissen sowie Erfahrungen mitgeliefert
werden, kommt es zu einer hohen Erinnerung. Einfachheit und Originalität sorgen für
gutes Verständnis der Botschaft und eine hohe Wahrnehmung. Ein gewisses Maß an
Destabilisierung soll dafür sorgen, dass der Rezipient seine derzeitige Haltung infrage
stellt. Die Welt, in der sich die Kampagne abspielt, sollte sich möglichst nah an der der
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
76
Zielgruppe befinden, um effektiv zu sein. Zudem sollte dem Rezipienten gezeigt wer-
den, dass er mit der Durchführung der Handlungen mit einem guten Gefühl belohnt
wird (Lichtl 1999, S. 147 ff.).
Das Erzeugen von Aufmerksamkeit als Bedingung für Erfolg und die Wirkung von
Kommunikation ist eine der Eigenschaften von emotionaler Kommunikation. Der
Rezipient beschäftigt sich länger mit dem Kommunikationsträger und kann so sowohl
mehr Informationen aufnehmen als auch schneller verarbeiten. Weiterhin erinnert er
sie in der Regel besser. Erinnerung als solche fördert zudem das Interesse, sorgt für
Sorglosigkeit und mindert Irritationen. Emotionale Kommunikation sorgt dafür, dass
Kommunikationsinhalte vom Rezipienten mit früheren Erfahrungen zu semantischen
Netzen verbunden werden, was von ihm einerseits besser wahrgenommen wird und
andererseits auch positiver bewertet wird (Föll 2007, S. 175 ff.).
Der individuelle Nutzen
Individueller Nutzen lässt sich in Bezug auf Nachhaltigkeit in drei Nutzenmaximen
differenzieren. Individueller ökonomischer Nutzen bedeutet, dass das Streben nach
Bedürfnisbefriedigung einbezogen werden muss. Ein individueller ökologischer Nutzen
könnte ein besserer Geschmack, Gesundheit oder Hautverträglichkeit sein. Diese
Eigenschaften sind für alle Konsumenten, unabhängig von der Sozial- oder Umweltakti-
vität, relevant. Der kollektive Nutzen einer geschützten Umwelt ist zwar wichtig, jedoch
nicht der wesentliche Grund von nachhaltigen Konsumhandlungen. Besonders proble-
matisch gestaltet sich individueller sozialer Nutzen, da sich, anders als bei der ökologi-
schen Dimension, kaum positive Wirkungen auf den individuellen Nutzen von Gütern
übertragen lassen. Hier lässt sich auf Qualitätsaspekte bei guter Behandlung der
Arbeitskräfte oder auf die Selbst- bzw. Fremdachtung hinweisen. Umfragen deuten
darauf hin, dass dieser Aspekt bei den Konsumenten immer stärkere Beachtung findet
– Kinderarbeit beispielsweise wird als wichtiger angesehen als manche Umweltfragen.
Da soziale Aspekte der Nachhaltigkeit noch nicht so intensiv kommuniziert wurden wie
ökologische liegt ein Neuigkeitsvorteil vor. Dieser Umstand könnte Nährboden für eine
innovative Positionierung sein (Schrader 2005, S. 64 ff.). „Das befriedigende Gefühl
entsprechend dem individuellen moralischen Verständnis, das Richtige getan zu haben,
ist ein erstrebenswertes Gefühl.“ Das Individuum wird sich für die Alternative entschei-
den, die den größeren emotionalen Nutzen garantiert (Lichtl 1999, S. 109 ff.).
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
77
Da auf gesättigten Märkten der öko- soziale Mehrwert zum entscheidenden Kaufargu-
ment werden kann (Wenzel et al. 2008, S. 60 ff.), ist außerdem bei der Kommunikation
von solchen Gütern das Schaffen von Motivallianzen ein sehr wirkungsvoller Ansatz.
Motivallianzen können als die Zusammensetzung aus dem Grundnutzen eines Gutes
und dem öko-sozialen Zusatznutzen beschrieben werden (Belz 2005, S. 23 ff.). Dabei
wird ein im Alltag leicht anwendbarer, verständlicher Charakter der Kommunikationsin-
formationen angestrebt (Reisch und Kreeb 2007, S. 468 ff.). Motivallianzen sollten
nach der Meinung Schäfers (2002, S. 68) intensiver genutzt werden, da diese das
Verhalten, wenn der unmittelbare Nutzen bereits als gewöhnlich wahrgenommen wird,
stabilisieren. Sie können dazu genutzt werden, um nicht nur durch das Aufzeigen von
Handlungsalternativen in ökologischer oder sozialer Hinsicht den Verstand, sondern
auch die Gefühle anzusprechen. So ließen sich Produkte und Dienstleistungen mit
Attributen wie gesunde Ernährung, Liebe zur Natur oder intelligenter Technik, Ästhetik,
Design, Wirtschaftlichkeit, Fitness, Geschmack, Prestige, Luxus, Erotik, Sex, Freiheit,
Geselligkeit, Familie und Freundschaft emotional aufladen (Piorkowsky 2001, S. 58 f.;
Reisch und Kreeb 2007, S. 468 ff.; Lichtl 1999, S. 147 ff.). Die Allianzen, die dabei
entstehen können, sind beispielsweise Gesundheit und Umweltschutz durch ökologi-
sche Ernährung oder Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz durch nachhaltige Mobilitäts-
konzepte.
Eine spezifischere Strategie könnte es sein, an „lebensweltlichen Bezügen" wie dem
„Geschmack von früher", dem Bedürfnis nach Bewegung und frischer Luft anzusetzen
(Schäfer 2002, S. 68). Für die Kommunikation für nachhaltiges Verhalten im Bereich
Ernährung ließen sich an den aktuellen Wellness-Hype anknüpfen anstelle von Moral
appellierender Kommunikationsmaßnahmen. Vor allem persönliche Erfahrungen kön-
nen eine Entscheidung unterstützen. Zu nennen wäre beispielsweise eine vielfältige
Kulturlandschaft bei Ausflügen in der regionalen oder lokalen Umgebung (Schäfer
2002, S. 68).
Nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation muss jedoch ebenfalls den
Konsumenten bewusst machen, welchen Nutzen sie aus dem Produkt selbst ziehen
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
78
können (USP statt UAP)16, um die Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten (vgl.
Kapitel 2.3a) zu überwinden (Renn 2002, S. 36). Konsumenten dürfen nicht fehl-
informiert werden, ergo dürfen Informationen und Eigenschaften nicht durch einen
zweifelhaften Zusatznutzen verschleiert werden. Die Kommunikation sollte vor allem
nachvollziehbar, authentisch und problembewusstseins-bildend sein. Kommunikations-
form und Kommunikationsinhalt dürfen nicht voneinander abweichen. Exemplarisch ist
in diesem Zusammenhang eine ökologische Kommunikation auf Hochglanzprospekten
(Neuner 2001, S. 377 ff.).
Attraktive Vermittlung
Um den Betrachter emotional zu mobilisieren und ihn zur Kooperation anzuregen,
müssen diese neuen Ideen durch Bilder und Metaphern attraktiv transportiert werden
(Brand 2001, S. 19 ff.). Visuelle Kommunikation ermöglicht eine simultane Informati-
onsaufnahme. Bilder wirken sich umso stärker auf Verhaltensabsichten aus, je klarer
und prägnanter sie sind. Im Textbereich sollten Sätze benutzt werden, die neben
einem sachlichen Inhalt Emotionen anregen und so zu ästhetischen Eindrücken beitra-
gen (Lichtl 1999, S. 153 ff.).
So kann es mit Hilfe von Tönen oder anderen Techniken gelingen, den gesamten
Aktivierungsgrad zu erhöhen (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 90 ff.) und Assozia-
tionen zu bilden. Bekannte Stücke sind effektiver als unbekannte. Geräusche eignen
sich ebenfalls dazu, den Alltagskontext zu symbolisieren (Lichtl 1999, S. 153 ff.). Durch
Sinnlichkeit, Leidenschaft, Genuss und Musikalität soll bei den Konsumenten eine
Faszination für nachhaltigen Konsum im täglichen Leben sowie zur Veränderung deren
Einstellungen verursacht werden (Lichtl 1999, S. 11 f.).
Gerüche können insbesondere Qualität und Natur in einem kaum vergleichbaren Maß
unterstützen.17 Man kann sich ihnen nicht entziehen und sie aktivieren biologische
Reaktionen, die vom Konsumenten kaum steuerbar sind. Jedoch gibt es kaum ein
Massenmedium, welches Gerüche transportieren kann. Beispiele sind höchstens Proben
in Zeitschriften, Gerüche bei Messen oder ähnlichem (Lichtl 1999, S. 153 ff.).
16 Unique Selling Proposition: „Unverwechselbares Nutzenangebot“; Unique Advertising Proposi-tion: „Emotionale Alleinstellung des Angebots in der Vorstellung des Verbrauchers“ (vgl. Kotler et al. 2007, S. 377 f.) 17 Opel hatte bei ihrem Auftritt auf der IAA beispielsweise den Geruch von frischem Moos verteilt, um besonders „grün“ zu wirken
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
79
Um emotionale Inhalte wirkungsvoll im Sinne von aufmerksamkeitsstark, interessant
und sympathisch zu kommunizieren, ist es eine veritable Strategie, die Botschaften von
sympathischen, glaubwürdigen Kommunikatoren zu überbringen. Diese Art der Kom-
munikatoren, die als Vorbildcharaktere dienen sollen, können Experten, Prominente
oder Menschen „wie du und ich“ sein. In der Werbesprache werden sie Testimonials
genannt.
Je ähnlicher sich Personen in Aussehen, Einstellungen, Werthaltungen, Interessen,
Neigungen und sogar Zufälligkeiten wie beispielsweise Geburtstag oder Name sind,
desto sympathischer finden sie sich, da sie dadurch soziale Bestätigung erlangen
(Ehrhardt 2008, S. 32). Ein sicheres Wiedersehen mit einer sympathischen Person
macht sie sogar noch sympathischer. Personen, die nicht nur verlangen, sondern auch
geben, sind sympathischer und attraktiver. Ein Dialog ist in der Kommunikation außer-
dem wirkungsvoller als ein Monolog. Wenn Menschen Personen mit positiven Dingen
assoziieren, steigt die Sympathie. Als Beispiel könnte der Kartenverkäufer im Kino
dienen, der bessere Chancen als ein Polizist hat, bei Personen als positiv wahrgenom-
men zu werden. Attraktive Menschen wirken wärmer, sensibler, freundlicher, entge-
genkommender, interessanter, stärker, ausgeglichener, bescheidener, geselliger,
fähiger, charakterstärker, prestigeträchtiger, vielschichtiger, aufnahmefähiger, umsich-
tiger, zuversichtlicher, selbstsicherer, glücklicher, kooperativer, freimütiger, humorvol-
ler, selbst beherrschter und flexibler. Menschen haben den Eindruck, attraktive Men-
schen würden generell ein besseres Leben führen (Felser 2007, S. 255 ff.).
Da der Mensch sich ständig mit anderen vergleicht, um sich Maßstäbe und Normen zu
schaffen, Urteile zu bilden, Entscheidungen zu fällen und für den Erwerb neuer Verhal-
tensweisen, sind all diese Dinge zu beachten, wenn es um ein wirkungsvolles Vorbild
als Kommunikator geht, der dabei helfen soll, nachhaltige Konsummuster zu etablieren
(Felser 2007, S. 239 ff.).
Wenn eine Kommunikationsmaßnahme zu gefallen weiß, kann dies die Wirkung deut-
lich beeinflussen, da das Gefallen für eine positive Einstellung gegenüber dem Objekt
sorgt und letztlich Markenloyalität unterstützen kann. Wichtig ist dieser Aspekt insbe-
sondere, wenn zum entsprechenden Objekt noch kaum fixe Einstellungen bestehen.
Innere Gegenwirkungen können durch diese Wirkung ausgeschlossen werden, was
kognitiven Dissonanzen entgegenwirken kann (Föll 2007, S. 175 ff.).
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
80
d) Konklusion
Um eine Veränderung von Einstellungen gegenüber einer Marke oder einem Produkt zu
erreichen, müssen sowohl informative als auch emotionale Argumente gefunden
werden. Die Ausnahme gilt bei gesättigten Märkten, wo das Produkt nicht erklärt
werden muss (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 100 ff.) und emotionale Werte den
Ausschlag geben können. Unternehmen befinden sich mit nachhaltigen Gütern zwar
auf gesättigten Märkten, jedoch in einem Sub-Markt, sodass nicht nur mit Emotionali-
tät, sondern auch mit Qualitätsunterschieden geworben werden muss (ebd., S. 168
ff.). Aussagen von Konsumenten bestätigen, dass insbesondere Kommunikation über
nachhaltige Aspekte glaubwürdig und unterhaltsam zugleich sein soll. Dazu soll sie
Sachinformationen über die Vorteilhaftigkeit von nachhaltigem Konsum vermitteln
sowie Emotionen und Lebensstil (Belz und Ditze 2005, S. 75).
Der erste Schritt sollte die Erlangung der Aufmerksamkeit, das Interesse und die
Sympathie der Zuschauer über positive Emotionen und Entertainment darstellen. Die
Aufmerksamkeit der Konsumenten erhält ein Kommunikator über die Aktivierung, da
Konsumenten rationale Informationen allein nicht aufnehmen, wenn sie nicht durch
bestimmte Signale animiert werden. Da nachhaltige Produkte oft mehr kosten als
konventionelle, wird deren Kommunikation ohnehin mit besonderem Argwohn betrach-
tet (Belz und Ditze 2005, S. 77 f.). Die Steigerung dieser Aktiviertheit ist das erste
strategische Ziel der Kommunikationsmaßnahme. Diese sollte bei Emotionen, Motiven
und Einstellungen der Konsumenten ansetzen (vgl. Kapitel 2) (Felser 2007, S. 33 ff.).
Weniger Aktivierungstechniken bedeuten, dass mehr Wiederholungen notwendig sind
(Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 90 ff.). Kreativität kann allerdings für Wahrneh-
mung und Durchschlagskraft sorgen (Föll 2007, S. 21 ff.). Erst als zweiten Schritt sollte
die Übertragung von überzeugenden, kognitiven Botschaften dazu dienen, die Konsu-
menten zu informieren und die zuvor angesprochenen Einstellungen bis hin zu einer
Verhaltensänderung zu bestätigen (Spash et al. 2008, S. 10). Einer der beiden Aspekte
sollte überwiegen, meint Föll und postuliert ebenfalls, dass der größte Effekt damit
erzielt würde, indem das Objekt zunächst emotional darstellt und dann rationale
Informationen als Beweis und Bestätigung folgen würden (Föll 2007, S. 143 ff.).
Belz und Ditze (2005, S. 91 f.) sind hingegen der Ansicht, dass bei einer langfristig
angelegten Kampagne zunächst erklärende Informationen bezüglich Produkteigen-
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
81
schaften unerlässlich für den Aufbau von Glaubwürdigkeit und Vertrauen seien. Erst
danach könnten emotionale Stilelemente und Kosten-Nutzen-Aspekte eingebaut wer-
den. Neuner (2001, S. 377 ff.) unterstützt diese Aussage und erklärt, dass sachliche
Argumente sowie eine Orientierung am Grundnutzen bei den Inhalten im Vordergrund
stehen sollten. Doch emotionale Inhalte könnten dafür sorgen, Zusammenhänge
erfolgreich zu kommunizieren.
Scheinbar ist situativ zu entscheiden, in welcher Reihenfolge die beiden Gestaltungs-
möglichkeiten einzusetzen sind. Diese Entscheidung sollte letztlich abhängig vom zu
kommunizierenden Objekt und der Zielgruppe getroffen werden. Dabei sollte laut
Bilharz (2009, S. 94) auf eine Vielzahl von Einzelstrategien gesetzt werden. Der Inhalt
und die Gestaltung von Kommunikationsmaßnahmen sollten zudem präzise, leicht zu
verstehen, personalisiert und lebendig sein. Auch sollten die Informationen zielgrup-
pengerecht an den Wissensstand der Empfänger anknüpfen, um Aufmerksamkeit zu
wecken (Kruse 2007, S. 119 f.). Erfolgreiche Strategien zur Motivation zu nachhaltiger
Konsumweise müssen an den motivationalen, fördernden Punkten ansetzen sowie
hemmende Faktoren berücksichtigen. Darüber hinaus gilt es, ambivalente Ansatzpunk-
te zu motivationalen zu machen, um diese fruchtbar werden zu lassen (Empacher
2002, S. 459 f.).
Abbildung 23: Alternativhypothese H2
3. Instrumentelle Umsetzung
Die Medienwahl hängt vor allem von der Zielgruppe und vom Zweck der Maßnahmen
ab. Ebenso ist der zeitliche Rahmen zu betrachten. Es gilt vor allem Medien auszuwäh-
len, die zur weiteren Informationssuche anregen und Wissen über die komplexen
Themenbereiche der Nachhaltigkeit fördern (Kruse 2007, S. 119 f.). Bei der Wahl des
Kommunikationsträgers gelten weiterhin dessen Gehalt der Glaubwürdigkeit, Prestige
und Image als ausschlaggebend (Lichtl 1999, S. 156 ff.).
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
82
Man unterscheidet persönliche Kommunikation, so genannte „face-to-face-
Kommunikation“ mit Response-Möglichkeit von Massenkommunikation, die meistens
eine reine Einwegkommunikation über Massenmedien ist. Die Ausprägungen der
Merkmale werden in der folgenden Tabelle dargestellt.
Merkmale Persönliche
Kommunikation
Massen-
Kommunikation
Umfang des Empfängerkreises
Homogenität des Empfängerkreises
Kontaktfrequenz
Kontaktintensität
Distanz: Sender - Empfänger
Feedback: Empfänger - Sender
Tabelle 2: Merkmale von persönlicher Kommunikation und Massenkommunikation
Eigene Darstellung in Anlehnung an Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 502)
Persönliche Kommunikation ist zwar ineffizienter als Massenkommunikation, allerdings
auch wirkungsvoller (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 498 ff.). Massenmediale
Unterhaltungskonzepte können im Besonderen für die Ansprache der desinteressierten
Zielgruppen genutzt werden (Reisch und Kreeb 2007, S. 469). Der Nutzen wird laut
Lichtl (1999, S. 170 ff.) limitiert bleiben, solange sich diese Art der Verbraucherkom-
munikation nicht sehr viel weiter verbreitet. Kampagnen müssen in verschiedenen
Märkten und verschiedenen Medien durchgeführt werden, um flächendeckend zu
wirken. Da Unternehmenskommunikation auch immer einen sehr prägenden, aktuellen
Zeitgeistcharakter besitzt, läge der Optimalfall darin, dass Nachhaltigkeits-Inhalte auch
in Massenmedien weitergeführt würden.
Fernsehen als das Sinnbild der Massenkommunikation besticht aufgrund seiner Audio-
visualität durch eine hohe Aufmerksamkeit, ein Gefühl der Vertrautheit, Aufbau emoti-
onaler Bindungen und Einfluss auf das Verhalten der Zuschauer. Es kann zu Wechsel-
wirkungen bis hin zu Empathie, Identifikation und parasozialer Interaktion kommen.
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
83
Inwiefern sich das Gezeigte auf das Verhalten des Zuschauers auswirkt, ist vom Le-
benskontext, Werten und Erfahrungen abhängig (Glathe 2010, S. 70 ff.).
Allerdings besteht immer weniger Interesse an so genannter Push-Kommunikation wie
TV-Werbung, dafür aber an Pull-Kommunikation, wo Konsumenten und Unternehmen
einen Dialog führen, Meinungen äußern und austauschen können. Dies ist beispielswei-
se mit Kommunikation über die als „neue“ Kommunikationsinstrumente bezeichneten,
digitalen Medien wie Mobile- oder Web 2.0-Kommunikation möglich (Spash et al. 2008,
S. 10), da sie komplexe Zusammenhänge oft besser vermitteln können. Mithilfe einer
neuen Art der Gestaltung von Nachhaltigkeitskommunikation könnten gering involvierte
Konsumenten angesprochen werden (Schrader 2005, S. 62). In Blogs werden bei-
spielsweise Informationen und Tipps sowie Denkanstöße, Aufklärung und Kritik, aber
auch Aufrufe zu Beteiligung an Aktionen gegeben. Die Möglichkeiten sind so vielseitig
wie wohl bei keinem anderen Medium. Die Inhalte bleiben meist lange erhalten und
sind mittlerweile, zumindest in Industrieländern, einer breiten Masse zugänglich.
Zudem herrscht eine unglaubliche Themenvielfalt, an die die verschiedensten Zielgrup-
pen anknüpfen können. Ein immenses Potential birgt auch die Internationalität. Gerade
in Weblogs sind die Kommunikatoren oft mit einer großen Glaubwürdigkeit behaftet
und können so nachhaltige Verhaltensweisen ausbilden und stärken (Glathe 2010, S.
117 ff.). Kanäle in der Nische für nachhaltigen Konsum nehmen immer größere Formen
an.
Utopia beispielsweise ist ein soziales Netzwerk, welches auf nachhaltigen Konsum
spezialisiert ist. Hier können nicht nur Tipps und Informationen zu nachhaltigen Pro-
dukten, Unternehmen und Umweltorganisationen angeschaut werden. Die User können
sich interaktiv über all diese Themen austauschen und so am Kommunikationsprozess
teilhaben. Ein Einkaufshelfer für alle Bedarfsfelder nachhaltigen Konsums sorgt darüber
hinaus für Aufklärung. Auf den großen Portalen wie Facebook oder google+ ließen sich
schnell viele Freunde für nachhaltige Projekte finden, da die Reichweite enorm hoch
ist. Bei Betagreenaction.de können Konsumenten selbst Kampagnen starten. Auf
Wikigreen oder Zukunftswissen.org wird ein enormes Wissen über Nachhaltigkeit und
nachhaltiges Handeln gesammelt, geteilt und vermittelt. Dies ist möglich, da es im Web
2.0 jedem freigestellt ist, eigene Informationen, Videos und Fotos zu veröffentlichen,
an Diskussionen interaktiv im Dialog teilnehmen zu können und zu kommentieren. Die
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
84
ganzheitliche Vernetzung von Institutionen, Personen und der Zusammenschluss von
Interessensgruppen führen zu Kollaborationen, die kollektive Wissenssammlungen zur
Folge haben (Glathe 2010, S. 109 ff.). Insbesondere die überwiegend junge Nutzer-
schaft digitaler Medien bietet immense Chancen für die nachhaltige Entwicklung.
Glathe (2010, S. 73 ff.) ist sich sicher, dass meinungsbildende Kommunikation heute
und in Zukunft immer mehr durch Online-Medien geschehe.
Nichts desto trotz können klassische Medien18 unter anderem dazu verwendet werden,
die Konsumenten via Pull-Kommunikation auf die Internetseite zu bringen und sie so
dazu zu bringen, zu Nutzern, Lesern und handelnden Akteuren zu werden (Spash et al.
2008, S. 10).
Eine sehr wirkungsvolle Methode, Verbraucher zu nachhaltigen Konsummustern zu
animieren, ist Kommunikation direkt am Point of Sale. Da eine Annäherung von Frem-
den immer zaghaft geschieht, muss es den potentiellen Käufern von nachhaltigen
Produkten und Dienstleistungen durch Probe-oder Schnupper-Angebote leicht gemacht
werden, sich anzunähern (Verkaufsförderung) (Ehrhardt 2008, S. 32). Aktivierungswir-
kungen durch Kommunikationsmaßnahmen am PoS haben einen entscheidenden
Einfluss auf das Kaufverhalten (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 90 ff.) und sind
insbesondere bei habitualisierten Kaufentscheidungen (vgl. Kapitel 2.1b) von großer
Bedeutung (ebd., S. 400 ff.). Gratisproben gelten als Gefälligkeiten, wonach ein Ge-
gendienst folgen kann – zum Beispiel ein Kauf, nachdem das Produkt oder Dienstleis-
tung überzeugt hat (Felser 2007, S. 267 f.). Wenn Verbraucher ein Produkt „zum Spaß“
probieren können und somit die Entscheidung nicht für immer tragen müssen, fällt es
diesen zudem leichter, Vorurteile abzubauen und den nachhaltigen Konsum als positiv
wahrzunehmen (Schäfer 2002, S. 69 f.).
Um Verbrauchern überhaupt Orientierungsmöglichkeiten zu geben, könnten Nachhal-
tigkeitslabels wie beispielsweise in Kapitel 1.2c diesen Prozess fördern. Wie angedeutet
sollten jedoch Systemzusammenhänge zwischen sozialen, technischen und ökonomi-
schen Parametern berücksichtigt werden (Brand 2008, S. 53 f.). Unter diese Kategorie
können ebenfalls Prompts gezählt werden. Sie sind Hinweise, die zu bestimmten
18 Unter klassische Medien werden traditionelle Offline-Medien wie Zeitungen, Zeitschriften, Fachzeitschriften und Anzeigenblätter, Außenwerbung wie Plakate oder Verkehrsmittelwerbung,
Fernsehen, Hörfunk und Kino bezeichnet. (Kotler et al. 2007, S. 654 f.)
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
85
umweltgerechten Verhaltensweisen auffordern. Die können sich auf Verpackungen,
Schildern, Aufkleber oder ähnlichen Werbeträgern befinden. Sie sollten auffällig und
nicht allzu befehlend sein (Henning und Ladineo 2001, S. 183 ff.).
Multisensuale Formate könnten dafür eingesetzt werden, zielgruppenorientiert Produk-
ten und Konsumpraktiken entsprechende symbolische Bedeutung beizumessen. Diese
Medienformate trotzen letztlich sogar eher der Nicht-Wahrnehmung in der Informa-
tionsflut der heutigen Medienwelt (Reisch und Kreeb 2007, S. 469).Der Einsatz von
Guerilla-Marketing könnte in Betracht gezogen werden, um als „cool“ wahrgenommen
und mit etwas Überraschendem, Neuem assoziiert zu werden (Ecolog Institut für
sozial-ökologische Forschung und Bildung 2006, S. 15 ff.).
Empfehlungen zur Medienauswahl
Abschließend sollen Empfehlungen von Experten wiedergeben, welchen Medien-Mix
Nachhaltigkeitskommunikation anstreben sollte, um möglichst verhaltenswirksam auf
die Konsummuster zu sein. (vgl. Tabelle 3)
Visuelle Medien wie Kino, Fernsehen, Internet und Subformate dieser sind in der
Kommunikation solch komplexer Botschaften wie nachhaltiger Konsum am sinnvollsten
(Reisch und Kreeb 2007, S. 469). Lichtl (1999, S. 156 ff.) empfiehlt diese als haupt-
sächliche Medien für Kommunikation zur Vermittlung bewegter, emotionaler Bildwel-
ten. Additiv nennt er noch Zeitschriften, Radio und Außenwerbung, die einen unter-
stützenden Charakter haben sollen. Laut Schrader (2005, S. 62) kann Werbung zwar
ein wirkungsvolles Instrument sein, andere Instrumente wie Public Relations, Öko-
sponsoring, Verkaufsförderung sowie interne Kommunikation sind seiner Ansicht nach
jedoch ebenso wichtig. Der Einsatz von PR kann nach Belz‘ (2005, S. 23 ff.) Ansicht
hilfreicher sein als klassische Werbung. Außerdem seien Öko- und Sozial-Labels uner-
setzlich, um dem Konsumenten die Auswahl zu erleichtern und, da sie durch unabhän-
gige Organisationen vergeben werden, ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit verleihen.
Die Güter müssen den Weg in für den Kunden leicht erreichbare Läden finden, um eine
hohe Marktdurchdringung zu erreichen. Michelsen (2007a, S. 37) empfiehlt vor allem
Social Marketing, Online-Maßnahmen, Ausstellungen und Bildungsmaßnahmen einzu-
setzen, um nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation umzusetzen.
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
86
Wobei Schrader (2005, S. 67 f.) postuliert, Offline- und Onlinekommunikation müssten
kombiniert werden, empfehlen Reisch und Kreeb (2007, S. 469) ein medial vielfältiges
Potpourri an Medien zielgruppenspezifisch anzusteuern, um hohe Aufmerksamkeit zu
erlangen. Laut Seitz (2007, S. 310 ff.) haben Strategien der Partizipation im Bereich
der Nachhaltigkeitskommunikation mehr Auswirkungen auf eine positive Gesellschafts-
entwicklung als durch massenmediale Kampagnen das Nachhaltigkeitsbewusstsein
heben zu wollen. Wenngleich diese Instrumente und Strategien komplementär und
unterstützend eingesetzt werden können.
Werbung Verkaufs-
förderung
Public
Relations Persönlicher Verkauf Direktmarketing
–
Öko- und
Sozial-Labels Partizipaton
Ausstellungen und
Messen
TV-Werbung
Ökosponsoring
Kino-Werbung
Internet-Werbung Soziale Online-
Kommunikation Print-Werbung
Radio-Werbung Bildungs-
maßnahmen Außenwerbung
Tabelle 3: Medien-Mix für nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation
4. Herausforderungen für eine nachhaltigkeitsorientierte Verbrau-
cherkommunikation
Die Kommunikation von bestimmten Aussagen zu „optimalem“ Konsum an verschiede-
ne Zielgruppen ist ein schwieriges Unterfangen (Reisch und Kreeb 2007, S. 465). Diese
Annahme manifestiert sich unter anderem im Kommunikationsmodell von Friedmann
Schulz von Thun (1981). Dies besagt, dass jeder Kommunikationsvorgang nicht ledig-
lich der Informationsvermittlung dient, sondern es sagt auch etwas über das Selbstver-
ständnis des Senders und dessen Verhaltenserwartungen an den Empfänger sowie das
Verhältnis der beiden Kommunikationspartner aus. Dieses Modell impliziert, dass die
gleiche Nachricht völlig unterschiedlich dargebracht werden kann. Die Selbstoffenba-
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
87
rung, die Beziehung und der Appell sind in diesem Zusammenhang allerdings eher als
Hintergrund vorauszusetzen, als dass sie ausgesprochen würden (vgl. Lass und Reuss-
wig 2001, S. 160 f.).
Abbildung 24: Das Kommunikationsquadrat nach Schultz von Thun
Eigene Darstellung in Anlehnung an Schulz von Thun-Institut für Kommunikation
Viele Sachverhalte im Sinne nachhaltiger Entwicklung sind für Unternehmen ohnehin
schwer zu kommunizieren. Dazu zählt beispielsweise der Konsumverzicht (vgl. Kapitel
1.2b: Suffizienz). Dieser steht der ökonomischen Aufgabe von Unternehmen entgegen,
die dafür zuständig sind, Konsum zu fördern, um somit ihren Absatz zu erhöhen. Eine
kommunikative Förderung nachhaltiger Konsummuster gestaltet sich schwierig, da in
unserer heutigen „Spaßgesellschaft“ Vernunft und Moral-Appelle oft auf Abwehr tref-
fen. Niemand lässt sich schließlich gern vorhalten, unvernünftig oder verantwortungs-
los und unmoralisch zu sein (Brand 2001, S. 21 ff.). Kommunikationsmaßnahmen für
nachhaltige Handlungs- oder Konsumalternativen wirken kontraproduktiv, wenn sie
implizit andere, bisherige Handlungs- und Konsummuster diskreditieren und limitieren
(Ziemann 2007, S. 129). Diese Reaktanzen werden von Werbern zu minimieren ver-
sucht, um Werbeerfolg zu maximieren und den Konsum an nachhaltigen Gütern zu
steigern. Andererseits versucht die Konsumerziehung mit ihren Aufklärungsversuchen
und Sensibilisierungen genau das Gegenteil – der angesprochene Konsumverzicht.
Hieraus entsteht eine bedeutende Diskrepanz, obwohl beide Strategien dem Leitbild
der nachhaltigen Entwicklung folgen (Bilharz 2009, S. 112).
Es entsteht darüber hinaus eine paradoxe Situation. „Je stärker Nachhaltigkeit themati-
siert und eingefordert wird, desto weniger erzeugt sie Aufmerksamkeit und Verände-
rungsdruck [...] bei Konsumenten...“ (Ziemann 2007, S. 129 f.). Kuckartz (2006, S. 167
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
88
ff.) ist der Ansicht, der Begriff und das komplette Leitkonzept könne so nicht mehr
kommuniziert werden, da bereits so lange lediglich halbwegs und teilweise sogar falsch
darauf hingewiesen wurde, dass Bürger sich nicht komplett damit identifizieren kön-
nen. Wenn ein Thema der Nachhaltigkeit in den Medien kommuniziert wird, treten
bereits nach kurzer Zeit Ermüdungseffekte ein und das Thema wird uninteressant. Eine
alarmistische Haltung in der Nachhaltigkeitskommunikation ist ergo nicht geeignet –
Lichtl (1999) nennt diese Reaktion „environmental overfeed“. Aus diesen Fakten ergibt
sich eine bestimmte Abstraktheit in Bezug auf Nachhaltigkeit, die dazu führt, dass sich
Menschen davon nicht betroffen und somit nicht angesprochen fühlen (Buchholz et al.
2002, S. 238).
Der durchschnittliche Konsument zeigt laut Umfragen ohnehin wenig Interesse an
Hintergrundinformationen (Grunwald 2002, S. 438 f.). Die maßlose Überflutung mit
Informationen für die Verbraucher erschwert die Wahrnehmung von möglicherweise
sogar relevanten Inhalten (Wiswede 2000, S. 46). Angesichts dessen und der damit
einhergehenden Wirkungslosigkeit von Verbraucherkommunikation – 85 Prozent
verpufft wirkungslos, nur zwei Prozent der durch Massenmedien transportierten Infor-
mationen wird auch aufgenommen (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 90 ff.) – sind
Ausgaben für die Bewerbung von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen für
klassische Werbung zu hinterfragen (Felser 2007, S. 4 f.).
"Die Konsumenten sind heute kritischer, aber nicht informierter. Es gibt eine
Flut von Informationen, doch die Menschen sind überfordert und wissen nicht
zu differenzieren. Sie sind scheininformiert." Jürgen Stellpfug von Ökotest
Hinzu kommt, dass intellektuelle Werbung, die unterhaltsam ist, nur eine kleine Bevöl-
kerungsgruppe erreicht. Oft wird sich allerdings nicht an die Marke, sondern an die
Pointe des Spots erinnert. Insofern ist das eigentliche Ziel verfehlt (Ehrhardt 2008, S.
89).
Die Akzeptanz von Verbraucherkommunikation ist zudem schwankend. Einerseits,
wenn Konsumenten der Meinung sind, dass die Kommunikation gut gemacht ist,
besteht eine gewisse Faszination. Auf der anderen Seite geben befragte Konsumenten
an, oft keine glaubhaften Informationen zu erhalten und anstatt dessen dazu animiert
zu werden, Dinge zu kaufen, die sie nicht brauchen. Sie wird von ihnen als lästig,
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
89
aufdringlich wahrgenommen, außerdem verteuere sie die Produkte. Die Akzeptanz ist
in den letzten 25 Jahren deutlich gesunken (Felser 2007, S. 2 ff.).
Manipulativer Werbung wird im Zusammenhang der Nachhaltigkeitskommunikation
vorgeworfen, dem ethischen, nachhaltig handelnden und aufgeklärten Menschenbild zu
widersprechen. Zudem sei der Rezipient der Werbung hilflos ausgeliefert. Der Soziolo-
ge Niklas Luhmann (2004) kritisiert, dass Werbung bewusst und ungeniert mit den
Motiven der Konsumenten umgeht, gerade weil es kein Geheimnis sei, dass Werbung
manipulierend wirken soll. Darüber hinaus postuliert Luhmann, dass der Rezipient
immer weniger mitbekomme, wann er manipuliert werde. Außerdem erkenne er einen
deutlichen Hang zu mehr Bildsprache auf Kosten von informativer Kommunikation.
Jedoch erscheint es aus Sicht von Lichtl (1999, S. 58 f.) legitim, emotionale, manipulie-
rende Werbung und Verbraucherkommunikation im Sinne eines verhaltensändernden
Paradigmenwechsels in sozial-ökologischer Hinsicht einzusetzen.
Unternehmen haben oft Schwierigkeiten mit der Kommunikation der eigenen Maßnah-
men. Das größte Problem dabei besteht im Fehlen einer einzigen anerkannten Definiti-
on von dem ultimativ richtigen nachhaltigen Verhalten. So bedienen sich Unternehmen
unterschiedlicher, für sie in ihrer Situation angepasster und vorteilhafter Interpretation
des Leitbildes und dessen Umsetzung (Mast und Fiedler 2007, S. 569). Es kommt nicht
selten zu so genannten „Greenwashing”-Kampagnen, die dem Unternehmen zwar eine
grüne Farbe verleihen, jedoch oft nicht von großer Substanz im Hintergrund zehren
(Glathe 2010, S. 34 ff.). Dieses „Greenwashing” sorgt dafür, dass die Integrität des
Kommunikations-Senders enorm fällt. Eine Kommunikation von lediglich positiven
Aspekten und Problemlösungen, die Unternehmen oft anstreben, da negative Inhalte
oft gescheut werden, führen selten zu hoher Glaubwürdigkeit. Verbraucher durch-
schauen Oberflächlichkeit oft und dies führt letztlich zu Glaubwürdigkeitsverlusten für
das Unternehmen (Buchholz et al. 2002, S. 238).
Doch für Unternehmen ist eine glaubwürdige, gute Nachhaltigkeitskampagne nicht
einfach umzusetzen. Die Komplexität der Vernetzung zwischen den drei Dimensionen,
die vielschichtige Einzelaspekte beinhalten, stellt eine große Herausforderung dar. Dies
benötigt im Unternehmen und/oder bei dessen Kommunikationsagentur entsprechende
Expertise, da Wechselwirkungen zwischen den Dimensionen entstehen können, die,
wenn sich das Unternehmen lediglich mit der Kommunikation einer Maßnahme be-
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
90
schäftigt, schnell zum Verhängnis werden können. Zum Beispiel, wenn sie in einer
anderen Hinsicht nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind und dies nicht bedacht
haben (Mast und Fiedler 2007, S. 569 f.). Es kann für Laien zudem schnell zu Wider-
sprüchlichkeiten und Verständnisproblemen kommen, weil die Komplexität der Zusam-
menhänge kaum in pointierten Kommunikationsbeispielen vermittelt werden kann
(Mast und Fiedler 2007, S. 170 f.).
Letztlich herrschen Grenzen von Kommunikation in diesem Zusammenhang. Techni-
sche Versorgungssysteme prägen die angesprochenen, routinierten Konsummuster in
unserer heutigen Gesellschaft, sodass die Konsumentensouveränität häufig durch
Rahmenbedingungen wie technische Versorgungs- und Infrastrukturprobleme, Markt-
angebote, Haushaltseinkommen, soziale Standards, Gruppennormen und Alltagsarran-
gements eingeschränkt wird (Brand 2008, S. 53 f.).
Verhaltensänderungen durch kommunizierte Innovationen dagegen können in nachhal-
tig gemeinter Hinsicht auch Schritte in die falsche Richtung beinhalten. So kann es bei
der Bewerbung von Car-Sharing-Konzepten dazu kommen, dass Nicht-Auto-Besitzer
das Angebot wahrnehmen, obwohl sie sonst die Bahn benutzen würden. Die Frage ist,
unter welchen Bedingungen nachhaltige Nutzungsstrategien eine reale Verringerung
der Umweltbelastung erwirken (Buchholz et al. 2002, S. 238).
Der Einsatz eines großen Werbeetats kann in der Lage sein, ein bestimmtes Produkt in
den Markt zu drücken. Doch ist diese Vorgehensweise schwierig für das tief gehende
Leitbild der Nachhaltigkeit (Kuckartz 2006, S. 72 ff.). Dieser Aspekt der beschränkten
finanziellen Mittel bei der Umsetzung von Zielgruppen gerichteten Nachhaltigkeits-
kommunikationsmaßnahmen stellt ein großes Problem dar (Bilharz 2009, S. 145).
Insbesondere bei den klassischen Medien TV-Spot und Print-Anzeige entsteht eine
hinreichende Wirkung erst nach unzähligen Wiederholungen. Diese sorgen zusätzlich
zu immensen Kostenerhöhungen (Föll 2007, S. 161 ff.). Emotionale Kommunikation
ähnelt sich sehr oft und eine Differenzierung vom Wettbewerb ist so nicht immer
möglich, da das Spektrum der positiven Emotionen nicht ausreicht, um alle existieren-
den Marken eine differenzierte Identität zu verleihen (Föll 2007, S. 141).
Das Unternehmen sollte nach Reisch und Kreeb (2007, S. 469) nicht in die Illusion
verfallen, alle Menschen von der sinnvollen Idee der nachhaltigen Entwicklung und des
Kapitel 3 – Verbraucherkommunikation im Kontext nachhaltiger Konsummuster
91
nachhaltigen Konsums überzeugen zu können. Es wird immer Menschen geben, die
schlichtweg kein Interesse daran haben und eine explizite Abwehrhaltung einnehmen.
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
93
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
1. Zielsetzung der Studie
Die Problemstellung der Arbeit aufgreifend (vgl. Einführung in das Themenkonstrukt)
haben sich während des Theorieteils im Zuge eines ausführlichen Literaturstudiums die
folgenden Hypothesen herauskristallisiert:
Abbildung 25: Übersicht über die zu überprüfenden Hypothesen
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
94
Eine Zielsetzung der folgenden Markforschungsstudie war es, diese Hypothesen auf
ihre Konsistenz zu überprüfen. Außerdem sollte herausgefunden werden, welche
Motive und Einstellungen die Zielgruppe gegenüber nachhaltigem Konsum hatte.
Weiter sollten daraufhin Strategien und Inhalte identifiziert werden, die Unternehmen
umsetzen müssen, nachhaltige Konsummuster bei der Zielgruppe etablieren zu kön-
nen.
2. Methodische Vorgehensweise
Untersuchungsdesign
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine demoskopische Primärforschung
(Meinungsforschung), dessen originäre Daten speziell auf das zugrunde liegende
Problem zugeschnitten sind. Informationsquelle war die Befragung. Methodisch sollte
die quantitative Teilerhebung Tendenzen schaffen, die erhobenen Daten und Ergebnis-
se auf größere Gruppen der Zielgruppe transferieren zu können. Einen Anspruch auf
absolute Repräsentativität soll mit dieser Studie jedoch aufgrund der sehr großen
Grundgesamtheit der Zielgruppe19 nicht erhoben werden.
Die Online-Befragung schien unter anderem aufgrund der schnellen Kontaktierung der
Befragten als das passende Instrument. Weiterhin kamen die hohe Zielgruppen-
Affinität für digitale Angebote, die hohe Reichweite sowie die vielfältigen Möglichkeiten,
um die Interaktivität mittels Bilder, Musik und Videos zu erhöhen, als positive Argu-
mente zum Tragen. Darüber hinaus kann die naturgemäße Anonymität am eigenen
Computer eine ehrliche Beantwortung hervorrufen (Bernecker 2009, S. 49 ff.). Als
Anbieterplattform wurde der weltweit führende Anbieter webbasierter Umfragelösun-
gen SurveyMonkey gewählt, da dieser sowohl eine gewisse Professionalität als auch
umfassende Möglichkeiten zu Fragestellungen etc. bietet (SurveyMonkey 2011). Eine
ausführliche Darstellung des “Look and Feel” der Umfrage befindet sich im Anhang. (S.
V)
Aufbau des Bogens
Der Fragebogen bestand aus insgesamt 43 Fragen. Darunter befanden sich 39 ge-
schlossene, nominal-, ordinal- oder intervallskalierte Fragen mit Einfach- oder Mehr-
19 2.217.604 Studenten an deutschen Hochschulen im Wintersemester 2010/2011 (Statistisches Bundesamt 2011, S. 13)
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
95
fachnennung sowie vier offen gestellte Fragen. Sowohl bei den ordinal- als auch bei
den intervallskalierten Fragen wurde absichtlich eine gerade Anzahl an Antwortmög-
lichkeiten gewählt, um Tendenzen für oder gegen eine bestimmte Antwortrichtung zu
erzwingen. Anfangs sollten Erklärungen und die Definition des Begriffs nachhaltig den
Befragten den Zugang zu der Thematik erleichtern.
In dem ersten Befragungsfeld wurden neun geschlossene Fragen gestellt. Diese
stellten eine individuelle Relevanz her und gaben darüber hinaus die Konsumgewohn-
heiten in den Bereichen Ernährung, Mobilität und sonstigen Handlungsweisen frei.
Die darauf folgenden 23 Fragen, bestehend aus 19 geschlossenen und vier offenen
Fragen, hatten ihren Schwerpunkt auf der Bestätigung der getroffenen Hypothesen.
Die Überprüfung der ersten Hypothese wies durch die Vielzahl offener Fragen sowie
einer Reihe von Hybrid-Fragen einen annähernd qualitativen Charakter auf.20 Diese
Vorgehensweise wurde angewendet, da die Befragten so zu Antworten provoziert
werden konnten, die mit rein quantitativen Multiple-Choice-Fragen nicht möglich
gewesen wären. Um H2 zu überprüfen, wurde eine Evaluierung zweier Spots aus dem
Bereich Mobilität vorgenommen, die thematisch einen sehr ähnlichen Inhalt aufwiesen.
Die Unterscheidung lag hauptsächlich im entsprechenden Ansatz des Elaboration
Likelihood Models (vgl. Kapitel 3.2).
Die letzten sechs Fragen dienten der Erfassung demographischer Daten wie Ge-
schlecht, Alter, Fachbereich, Wohnsituation und Kinder. Zum Schluss wurde die sensi-
belste Frage nach der Einschätzung der eigenen finanziellen Situation gestellt. Die
Entscheidung, sensible Fragen und Fragen nach der Demographie an das Ende des
Bogens zu stellen, wurde bewusst gewählt, da solche Fragen weder eine besondere
Spannung aufweisen noch interessant sind. Das Thema Nachhaltigkeit hat ein gewisses
Potential zur Weckung von Interesse, welches verfliegen könnte, ständen solche
Fragen direkt am Anfang der Befragung (Porst 2009, S. 143).
Zielgruppe
Die Wahl der Zielgruppe fiel bewusst auf Studenten, da diese nach dem Auszug aus
der elterlichen Fürsorge gerade im Begriff sind, ihre eigenen Konsummuster zu entwi-
20 Hybridfragen sind eine Kombination von offenen und geschlossenen Antwortalternativen in einer Frage (Schnell et al. 2011, S. 340)
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
96
ckeln (siehe Abbildung 26). Im Wintersemester 2010/2011 studierten insgesamt
2.217.604 Personen an deutschen Hochschulen (Statistisches Bundesamt Deutschland
2011). Diese große Grundgesamtheit der Zielgruppe verstärkt die Relevanz dieser
obendrein (Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung
(BLK) 2004).
Abbildung 26: Lebensphasen und Konsummusterbildung
Untersuchungsdurchführung
Bevor die eigentliche Befragung durchgeführt wurde, wurde der ausgearbeitete Frage-
bogen in einem Pretest mit fünf unterschiedlichen Personen aus der Zielgruppe unab-
hängig voneinander getestet. So wurde der Bogen mit zwei männlichen und drei
weiblichen Studenten bearbeitet und bewertet. Diese sollten jeweils hinterfragen, ob
Fragen redundant sind,
Fragen schwer verständlich sind,
eine sinnvolle Antwort gegeben werden kann,
die Anweisungen verständlich sind,
es sprachliche Überforderungen gibt,
die Skalierungen genügend Differenzierung bieten,
im Aufbau ein roter Faden erkennbar ist,
die Rahmentexte gut lesbar sind,
der Spannungsbogen beim Ausfüllen erhalten bleibt (Pratzner).
Hierbei wurde zur Einführung in die Thematik und zum besseren Verständnis eine
kurze Einleitung angeregt und ergänzt. Zudem wurden einige Fragen herausgenom-
men, umgestellt und/oder deutlicher formuliert.
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
97
Das Generieren der Fallzahlen wurde mittels Verteilen des Umfrage-Links über ver-
schiedenste Plattformen und Distributionswege erreicht. Zunächst wurde versucht,
mithilfe des FH-internen Email-Verteilers möglichst viele Studenten der FH Stralsund zu
erreichen. Weiterhin wurde der Versuch unternommen, in die internen Email-Verteiler
anderer Universitäten und Hochschulen zu gelangen. Dies war allerdings lediglich
Studenten der eigenen Hochschule mit ihren eigenen Umfragen möglich, sodass
andere Wege gefunden werden mussten, zu Umfrageergebnissen zu gelangen. Vor
allem das Verteilen des Links über soziale Netzwerke wie Facebook, Xing und Utopia
sorgte für einen enormen Anstieg der Befragungszahlen. Auf diesen Plattformen gelang
es, den Link in Studentengruppen der 50 größten Universitäten Deutschlands zu
platzieren. Darüber hinaus wurde versucht, Gatekeeper an verschiedenen deutschen
Hochschulen auszumachen und den Link von diesen verteilen zu lassen. Weiterhin
wurde die Konzentration auf studentische Foren gelenkt. Da diese jedoch oft lediglich
ein Unterforum hatten, in welches ausschließlich Umfragen hineingepostet wurden, war
der Erfolg dieser Maßnahme eher begrenzt.
Der Erhebungszeitraum der Umfrage lag zwischen dem 20. Dezember 2011 und dem
10. Januar 2012. Die Anzahl angefangener Umfragen lag bei 631, die beendeter
Befragungen bei 528. Insofern ergab sich eine Quote abgeschlossener Umfragen von
83,7 Prozent. Bedenkt man, dass auf eine Verlosung als Anreiz zur Generierung größe-
rer Fallzahlen verzichtet wurde und der Bogen mit insgesamt 43 Fragen relativ lang
war, lässt diese geringe Abbruchquote ein hohes Interesse an der Thematik vermuten.
3. Ergebnisdarstellung und -auswertung
Nachdem die Ergebnisse in das Statistikprogramm SPSS importiert wurden, kam es zur
Auswertung der Daten. Zunächst wurden deskriptiv die absoluten und relativen Häufig-
keitsverteilungen sowie die Mittelwerte analysiert. Nachdem eine Charakterisierung der
Zielgruppe vorgenommen wurde, kam es anschließend zur Analyse von Einstellungen
und Verhaltensweisen der Zielgruppe gegenüber nachhaltigem Konsum. Danach
wurden Einschätzungen der Zielgruppe gegenüber Kommunikation ausgewertet und
schließlich die Hypothesen auf Konsistenz überprüft. Hier fehlende graphische Darstel-
lungen der Daten befinden sich im Anhang (S. XII)
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
98
a) Charakterisierung der Zielgruppe (Stichprobe)
Bei der vorliegenden Stichprobe der Zielgruppe handelte es sich um 271 weibliche
(51,3%) und 257 (48,7%) männliche Studentinnen und Studenten von deutschen
Hochschulen. Insofern ergab sich eine annähernde geschlechtliche Gleichverteilung.
Die Verteilung der Altersgruppen spiegelt durchaus das Alter von Studenten deutscher
Hochschulen. So lag der bundesweite Durchschnitt im Wintersemester 2010/2011 bei
25,3 Jahren (Statistisches Bundesamt 2011, S. 297).
Altersgruppe Absolute Häufigkeiten Relative Häufigkeiten
<18 1 0,2%
18-21 65 12,3%
22-25 266 50,4%
26-29 145 27,5%
30-33 33 6,3%
>33 17 3,2%
Tabelle 4: Verteilung auf die Altersgruppen
16,7 Prozent der Befragten studierten im Fachbereich der Gesellschafts- und Sozialwis-
senschaften. Dem Fachbereich Sprach-, Kulturwissenschaften und Gestaltung fühlten
sich 4,9 Prozent angehörig. Die Gruppe der Mathematik und Naturwissenschaftler war
10,6 Prozent stark, wobei vom Fachbereich Medizin und Gesundheitswesen lediglich
2,8 Prozent an der Umfrage teilnahmen. Aus dem kleinen Fachbereich Agrar- und
Forstwissenschaften nahmen immerhin 1,3 Prozent teil. Die Majorität der Befragten
kam allerdings aus den beiden großen Fachbereichen Wirtschaftswissenschaften
(Modalwert = 39,2 Prozent) und den Ingenieurswissenschaften (22,2 Prozent). Letzt-
lich nahmen außerdem insgesamt 1,9 Prozent Rechtswissenschafts-Studenten an der
Befragung teil. Somit nahmen Studenten aller Fachbereiche an der Umfrage teil. Die
Gründe der Verteilung der Studiengänge sind vielfältiger Natur. Zum einen kann darauf
verwiesen werden, dass das Themenkonstrukt Nachhaltigkeit/Konsum/Kommunikation
eher mit den Interessensgebieten von Wirtschaftswissenschaftlern, Gesellschafts- und
Sozialwissenschaftlern, Naturwissenschaftlern und Ingenieuren korrelierte, als bei den
übrigen. Zum anderen repräsentierten die besonders stark ausgeprägten Werte der
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
99
beiden Fachbereiche Wirtschaft und Ingenieurswissenschaften nicht nur die deutsch-
landweit am stärksten besetzten21, sondern auch die beiden zahlenmäßig stärksten
Fachbereiche der FH Stralsund, über deren Email-Verteiler der Umfragelink u. a.
verteilt wurde.
21 Prozent der befragten Personen lebten zum Zeitpunkt der Befragung allein. Mit
Abstand die meisten Studenten der Stichprobe lebten allerdings in einer Wohngemein-
schaft, sodass diese Antwort mit der Ausprägung von 43,8 Prozent in relativen Werten
den Modalwert bildete. 23,7 Prozent der Befragten lebten mit ihrem Partner zusam-
men. Bei den Eltern lebten lediglich noch 7,8 Prozent und weitere 3,8 Prozent lebten in
einem Studentenwohnheim. Kumuliert man die Werte der Ausprägungen „WG“, „Part-
ner“, „Eltern“ und „Studentenwohnheim“, ergibt sich ein Wert von 79 Prozent der
Nicht-allein-lebenden. Hierbei sei darauf hingewiesen, dass diese Personen im gemein-
samen Haushalt durchaus die eigenen Konsummuster beeinflussen können. So zum
Beispiel bei den wohnungsinternen Gütern, die für die Gemeinschaft gekauft werden,
wie beispielsweise Putzmittel oder bei der Mülltrennung.
Ein Kind verändert die Konsummuster wie kaum ein anderer Faktor es könnte. Dies
lässt sich bereits dem Theorieteil entnehmen (vgl. Kapitel 2.3b). Der Anteil der befrag-
ten Studierenden mit Kindern war allerdings erwartungsgemäß gering: Eigenen Nach-
wuchs hatten zum Zeitpunkt der Umfrage lediglich 5,1 Prozent der insgesamt 528
Befragten, wobei die restlichen 94,9 Prozent ohne eigene Kinder waren.
Mit durchschnittlich 720 Euro im Monat (vgl. Steuerer 2011) haben Studenten monat-
lich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung als viele andere Bevölkerungsgruppen.
Dennoch empfanden kumuliert mehr als 70 Prozent der Befragten ihre finanzielle
Situation trotz des Studentenstatus als „gut“ oder „sehr gut“. Die weitere Verteilung
der subjektiven Sicht der eigenen finanziellen Situation kann der folgenden Abbildung
entnommen werden.
21 Studiengang „Betriebswirtschaftslehre“ mit 184.846 Studenten auf Platz eins und „Maschi-nenbau“ mit 98.337 Studenten auf Platz zwei (Statistisches Bundesamt 2011, S. 36)
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
100
Abbildung 27: Einschätzung der finanziellen Situation
b) Einstellungen der Zielgruppe gegenüber nachhaltigen Kon-
summustern
Insgesamt 18,8 Prozent der Befragten gaben an, nachhaltige Kriterien würden ihre
Kaufentscheidung uneingeschränkt beeinflussen. 41,3 Prozent gaben an, dieser Um-
stand träfe „eher“ auf sie zu, jedoch nicht uneingeschränkt. Damit ließ sich konstatie-
ren, dass die Mehrheit von kumulierten 60,1 Prozent der Befragten das Thema Nach-
haltigkeit in ihre Konsumentscheidungen mit einbezog. Die detaillierten Daten können
aus Abbildung 28 entnommen werden.
Abbildung 28: Beeinflussung der Kaufentscheidung durch nachhaltige Kriterien
Auf die Frage, wie wichtig Nachhaltigkeit für unsere Umwelt und die Menschen ist,
antworteten die Mehrheit der Befragten, nämlich 65,9 Prozent, mit dem höchsten Wert
„wichtig“. „Eher wichtig“ empfanden diesen Umstand 29,5 Prozent. Lediglich 4,6
18,8%
41,3%
35,2%
4,7%
Beeinflussung der Kaufentscheidung
Trifft zu
Trifft eher zu
Trifft eher nicht zu
Trifft nicht zu
2,7%
26,1%
63,6%
7,6% Finanzielle Situation
Ganz schlecht
Schlecht
Gut
Sehr gut
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
101
Prozent empfanden dies als „eher unwichtig“ oder „unwichtig“. Somit hielt ein kumu-
lierter Prozentsatz von 95,4 Prozent der befragten Personen das Leitbild Nachhaltigkeit
für wichtig oder eher wichtig. Ein noch schärferes Bild ergab sich bei der Frage nach
der Entwicklung dieser Wichtigkeit in Zukunft. Hier antworteten 70,6 Prozent, es träfe
zu, dass Nachhaltigkeit zukünftig noch wichtiger werden würde. Für 25,4 Prozent traf
diese Behauptung „eher zu“. So ergab sich ein kumulierter Wert von 96 Prozent der
Befragten Studenten, die aussagten, Nachhaltigkeit würde zukünftig nicht an Bedeut-
samkeit verlieren. Nur 3,9 Prozent der Befragten war der Ansicht, die Bedeutung von
Nachhaltigkeit würde sich in Zukunft nicht erhöhen.
Die Angaben zu den Gründen für nachhaltigen Konsum bei der geschlossenen Ant-
wortalternative können Tabelle 5 entnommen werden.
Tabelle 5: Gründe für nachhaltigen Konsum
Auf die offene Antwortalternative antworteten insgesamt elf Personen. Die genannten
Gründe ließen sich wie folgt in Kategorien einteilen: Eine sich an den Punkt „Lebens-
qualität“ angliedernde Aussage dreier Teilnehmer war es, mit nachhaltigem Konsum
ihre eigene oder die Gesundheit ihrer Kinder schützen zu wollen. Zu den altruistischen
Gründen zählten sicherlich der Einsatz für faire Löhne und Arbeitsbedingungen, fairer
Umgang mit der Umwelt, Konfliktvermeidung, Schutz der Artenvielfalt und Vermeidung
von Massentierhaltung. Zwei Befragte gaben als Gründe die Qualität von Produkten an.
Grund für nachhaltigen Konsum Relative Häufigkeiten
„Weil ich die Umwelt entlasten möchte“ 86,9%
„Um nachfolgenden Generationen eine „gute“ Welt zu
hinterlassen“ 71,6%
„Um regionale Anbieter zu fördern“ 61,4%
„Um eine gerechtere Welt zu fördern“ 61,0%
„Zur Verbesserung der Lebensqualität“ 57,6%
„Für ein gutes Gewissen/Gefühl“ 55,9%
„Um Gifte zu vermeiden“ 51,7%
„Um ein Zeichen für die Politik zu setzen“ 30,3%
„Um soziale Akzeptanz im Freundeskreis zu erlangen“ 3,2%
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
102
Es ginge darüber hinaus darum, die Unternehmen unter Druck zu setzen. Zwei der
Befragten nannten mit „Verantwortungsbewusstsein (Mit gutem Beispiel voran gehen)“
und „weil ich anderes Verhalten nicht vor mir rechtfertigen könnte“ eher idealistische
Gründe. Die altruistischen Gründe setzten sich damit klar vor die egoistischen. Die
befragten Studenten waren also eher sozial eingestellt. Ihre eigenen Interessen stellten
sie eher hintenan.
Bei den Hindernissen für nachhaltigen Konsum gaben 75,4 Prozent der Befragten an,
dass sie oft nicht sicher wären, dass Produkte oder Dienstleistungen tatsächlich nach-
haltig hergestellt wären. 62,9 Prozent wiesen darauf hin, dass ihnen nachhaltiger
Konsum zu teuer wäre. Weitere Werte können aus der nachstehenden Abbildung
entnommen werden.
Abbildung 29: Hindernisse für nachhaltigen Konsum
Die offene Antwort-Alternative nutzten zwölf Befragte, um Hindernisse in eigenen
Worten zu schildern. Als persönliche Hemmnisse gaben vier Befragte zu, dass Bequem-
lichkeit und der viel zitierte „innere Schweinehund“ in Verbindung mit dem Faktor Zeit
ein Hindernis seien. Außerdem wurde angemerkt, dass Strom und „Dinge wie eine
4,0%
5,9%
9,5%
21,6%
29,5%
62,9%
75,4%
Unwichtig
Schlechtere Qualität
Keine
Unwissenheit, wasnachhaltig/was nicht
Mangelndes Angebot
Zu hohe Preise
Unsicherheit über tatsächlicheHerstellungsbedingungen
0% 20% 40% 60% 80%
Hindernisse für nachhaltigen Konsum
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
103
Waschmaschine“ einfach benötigt würden. Auch
wurde das Angebot kritisiert. Man müsse zu oft
zwischen „Bio in Plastik und konventionell“, „regio-
nal oder vegan“, etc. entscheiden. In herkömmli-
chen Supermärkten sei zudem nicht alles zu
bekommen und entsprechende kleine Läden seien
oft zu weit weg. Auf der Kommunikationsebene
wurde argumentiert, dass es immer noch zu wenig
Informationen über alternative Konsummöglichkeiten gäbe. Darüber hinaus wurde
bemängelt, zu wenig Transparenz und eine Informationsflut führe dazu, dass man,
ohne Experte zu sein, nicht bewerten könne, was richtig und was falsch sei. Zudem
fehle es den Unternehmen erheblich an Glaubwürdigkeit.
Das monatliche Einkommen eines Studenten wurde bereits dargelegt. Insofern war es
wenig verwunderlich, dass der erhöhte Preis nachhaltiger Konsumalternativen von den
befragten Studenten als eines der beiden Haupthindernisse angesehen wurde. Klam-
mert man dies aus, so ergaben sich die Faktoren „Unsicherheit über die Produktions-
weisen“, „mangelndes Angebot nachhaltiger Konsummöglichkeiten“ und „Unsicherheit
darüber, was nachhaltig ist und was nicht“. All dies sind Faktoren, die von den Anbie-
tern selbst unter anderem durch transparente und somit glaubwürdige Verbraucher-
kommunikation egalisiert werden könnten, um den angesprochenen „Schweinehund“
zu überwinden.
Auf die Frage danach, wer die zentralen Impulse für nachhaltige Konsummuster setzen
sollte, gaben 73,5 Prozent die Verantwortung an die Wirtschaftsunternehmen ab. 66,8
Prozent sahen mit der Antwort, jeder einzelne müsse daran teilhaben, sich selbst in der
Pflicht. Die weiteren Daten können der Abbildung 30 entnommen werden.
Äquivalent zu der Theorie dieser Arbeit lag in den Augen der Konsumenten der Hand-
lungsbedarf nachhaltiger Themen zuerst auf der Seite der Unternehmen und Politik.
Diese müsse mit gutem Beispiel vorangehen und die Attraktivität nachhaltigen Kon-
sums steigern.
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
104
Abbildung 30: Institutionen, die die zentralen Impulse für nachhaltigen Konsum setzten sollten
c) Verhaltensweisen der Zielgruppe gegenüber nachhaltigen
Konsummustern
Handlungsbereich Ernährung
Unter den Befragten befanden sich insgesamt 12,7 Prozent, die sich vegetarisch oder
gar vegan ernährten. Immerhin kauften kumulierte 84,9 Prozent „selten“ bis „häufig“
biologisch hergestellte Produkte. Geringer waren die Werte bei den fair gehandelten
Produkten die bei 64,2 Prozent der Befragten „eher selten“ im Warenkorb lagen. Die
Befragten schienen bei nachhaltigen Kriterien in Hinsicht auf Nahrungsmittel vor allem
die Komponente des regionalen Bezugs von Produkten zu nutzen. 96 Prozent gaben
an, mindestens bei gelegentlichen Einkäufen regionale Produkte zu berücksichtigen.
Grund dafür kann die geographisch bedingte gute Distribution dieser Produkte sein.
Auch hier können ausführliche Daten den Abbildungen im Anhang (S.XVI) entnommen
werden.
Handlungsbereich Mobilität
Weniger als die Hälfte der befragten Studenten (40,9%) besaßen einen eigenen Pkw.
Was die Kurzstrecken im Alltag anging, so nutzen lediglich 4,2 Prozent der Befragten
0,8%
31,3%
65,5%
66,7%
69,9%
73,5%
Keiner davon
NGOs
Medien
Jeder einzelne
Politik
Wirtschaft(Unternehmen)
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%
Institutionen, die Impulse setzen sollten
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
105
den eigenen Pkw „immer“, während 21,6 Prozent ihr Auto „oft“, 18,4 Prozent „selten“
und die Mehrheit der Befragten (55,9%) „nie“ einen eigenen Pkw nutzten. Die Nutzung
von Car-Sharing-Anbietern war bei den befragten Personen unterrepräsentiert. Den
negativsten Wert hatte Car-Sharing bei 86,4 Prozent der Befragten, die angaben, dies
„niemals“ zu nutzen. Gerade in Großstädten ist der öffentliche Personennahverkehr
(ÖPNV), auch aufgrund der Semestertickets, ein sehr beliebtes Verkehrsmittel. Zwar
nutzten nur 8,1 Prozent der Befragten den ÖPNV „immer“, die Anzahl der Befragten,
die dies „oft“ (40%) oder dies selten (35,4%) taten, waren dagegen hoch. Das Kli-
schee des Fahrrad fahrenden Studenten wurde zumindest von den befragten Studen-
ten belegt. So gaben 17,8 Prozent der Personen an, auf Kurzstrecken „immer“ das Rad
zu nehmen. Gar 44,7 Prozent sagten aus, „oft“ das eigene Zweirad zu nutzen. Immer-
hin 22,5 Prozent fuhren zumindest „selten“ mit dem Fahrrad. Sehr viele Angaben
kamen bei Kurzstrecken auf das Fortbewegungsmittel, welches nichts kostet – die
eigenen Füße. 10,4 Prozent der Befragten gaben an, Kurzstrecken „immer“ zu laufen.
„Oft“ liefen 63,3 Prozent der Teilnehmer.
Abbildung 31: Transportmittelnutzung für Kurzstrecken
0,20%
8,10%
4,20%
17,80%
10,40%
3,20%
40,00%
21,60%
44,70%
63,30%
10,20%
35,40%
18,40%
22,50%
24,40%
86,40%
16,50%
55,90%
15,00%
1,90%
Car-Sharing
ÖPNV
EigenesAuto
Fahrrad
Laufen
Transportmittel für Kurzstrecken
Immer Oft Selten Nie
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
106
Abbildung 32: Transportmittelnutzung für Fernstrecken
Dass sie auf Fernstrecken „immer“ die Bahn benutzen würden, antworteten 14,8
Prozent der Befragten. „Oft“ fuhren mit 50,6 Prozent mehr als die Hälfte im Fernver-
kehr auf Schienen. Immerhin 26,7 Prozent gaben an, zumindest „selten“ die Bahn zu
nutzen. Das Flugzeug ist heutzutage ein günstiges Verkehrsmittel. 27,3 Prozent der
befragten Probanden konnte oder musste diesem jedoch widerstehen und flog noch
nie. Einmal im Jahr nutzten 41,1 Prozent der Befragten das Flugzeug auf einer Strecke
für Hin- und Rückflug. Zweimal im Jahr nahmen 18 Prozent der Befragten ein Flugzeug
zu Hilfe. Insgesamt 13,7 Prozent flog mehr als zweimal im Jahr.
16,6 Prozent nannten das Auto als das Verkehrsmittel, welches sie „immer“ auf Fern-
strecken nutzten. 25,6 Prozent sagten aus, zumindest „oft“ auf ihren Wagen zur
Überbrückung von langen Strecken zurückzugreifen. Für 12,1 Prozent kam das Privat-
auto nur „selten“ zur Anwendung und mit 48,7 Prozent fast die Hälfte der Befragten
nutzten kein eigenes Auto im Fernverkehr. Lange Routen legen Studenten scheinbar
gern gemeinsam zurück. Dies lässt sich sagen, obwohl lediglich 4,7 Prozent der Befrag-
ten angab, „immer“ dieser Art zu reisen. 28,6 Prozent der Befragten überbrückten
zumindest „oft“ Distanzen mithilfe von Mitfahrgelegenheiten. Immerhin 31,1 Prozent
fuhr „selten“ mit anderen zusammen von A nach B. Eher unbeliebt scheint der Bus als
Fernstrecken-Vehikel zu sein. Für 38,1 Prozent war der Bus eher selten im Repertoire.
Nie den Bus benutzten 47,3 Prozent. Das Konzept des Car-Sharings schien auch im
0,90%
4,70%
14,80%
1,90%
13,60%
4,00%
28,60%
50,60%
12,70%
25,60%
10,20%
31,30%
26,70%
38,10%
12,10%
84,80%
35,60%
8,00%
47,30%
48,70%
Car-Sharing
Mitfahr-gelegenheiten
Bahn
Bus
Eigenes Auto
Transportmittel für Fernstrecken
Immer Oft Selten Nie
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
107
Fernverkehr noch auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Immerhin 10,2 Prozent gaben zu,
dies „selten“ zu nutzen. Dagegen machte der Anteil der Befragten, die dies „nie“
nutzten, 84,8 Prozent der Umfrage-Teilnehmer aus. Weitere Werte zu den Transport-
mitteln befinden sich in Abbildung 31 und Abbildung 32.
Obwohl fast jeder zweite der Befragten ein Auto besaß, wurde es für Kurzstrecken
deutlich seltener genutzt als für Langstrecken. Bei ersteren standen bei den Befragten
durchaus nachhaltige Fortbewegungsmittel bereit. Laufen, Fahrrad fahren und der
ÖPNV waren sehr begehrt – wohl auch aufgrund der Preise. Dahingegen gehörte für
eine große Menge (kumulierte 73,3 Prozent) der Befragten das Flugzeug als Fortbewe-
gungsmittel mindestens einmal im Jahr dazu. Bei den Fernstrecken schien die Bahn
noch immer eine gute Ausgangsposition zu besitzen. Das größte Potential im Bereich
Mobilität liegt sicherlich bei Car-Sharing-Angeboten sowie Mitfahrgelegenheiten.
Handlungsbereich-übergreifend
Bei generellen handlungsfeldübergreifenden Handlungsweisen im nachhaltigen Bereich
war Mülltrennung mit 81,3 Prozent die verbreitetste Verhaltensweise, die umgesetzt
wurde. 80,5 Prozent der Befragten versuchte, Energie einzusparen und 68,4 Prozent
nutzte Energiesparlampen. Für 50,8 Prozent galt die Langlebigkeit von Produkten als
wichtiges Steckenpferd. 46,8 Prozent der Umfrage-Teilnehmer versuchte, aktiv Müll zu
vermeiden und 33,7 Prozent nutzte Recycling-Papier. Öko-Strom gehörte für 25 Pro-
zent zur Selbstverständlichkeit. 19,7 Prozent gaben an, viel second hand zu kaufen.
Lediglich natürliche Reinigungsmittel anstatt chemischer nutzten immerhin 14,4 Pro-
zent. Nur 4,2 Prozent aller Teilnehmer gaben zu, noch keine der genannten Verhal-
tensweisen umzusetzen.
Auf die offene Frage nach sonstigen Verhaltensweisen in nachhaltiger Hinsicht waren
die geäußerten Verhaltensweisen durchaus kreativ. So kam es in Bezug auf Ressour-
censchonung zu Antworten wie „Ich benutze mein ‚Warmwerdwasser‘ für‘s Blumengie-
ßen.“ Das Sparen von Wasser wurde überdies des Öfteren thematisiert. Dies belegt die
Aussage eines Probanden, lediglich mit vollen Waschladungen Wäsche zu waschen.
Einige erwähnten, sie würden „die Heizung herunterdrehen und klug lüften“ und es
wurde deutliche Kritik an der Energiesparlampe aufgrund ihres quecksilberhaltigen
Inhalts geübt. In Sachen Ernährung war der Begriff „Containern“ ein oft genannter
Begriff. So gaben mehrere Personen an, sich fast ausschließlich aus von Supermärkten
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
108
weggeworfenen Lebensmitteln zu ernähren und es wurde harsche Kritik an der Weg-
werfgesellschaft, insbesondere im Lebensmittelbereich, geübt. Überraschend für die
Zielgruppe Studenten war die mehrmalige Angabe von eigenem Gemüseanbau sowie
Kompostierung. Darüber hinaus kam es zur Mehrfachnennung der Reduzierung des
Fleischkonsums. Um Abfall zu vermeiden, benutzten nach eigener Angabe viele eine
eigene Tasche statt Plastiktüten und es würde vermieden, Müll illegal zu entsorgen.
Unterm Strich kann man die Ergebnisse dieser Frage mit den Verhaltensweisen des
Tauschens, Teilens (Stichwort Effizienz), Sparens (Stichwort Suffizienz) und Selberma-
chens (Stichwort Konsistenz) beschrieben werden.
Insbesondere die letzten Punkte rücken, wenn man den Antwortenden der offenen
Frage Glauben schenkt, wieder vermehrt in den Fokus. Gemeinsame (Teilen, Tau-
schen) und Eigenversorgung statt Abhängigkeit vom großen Ganzen scheint eine
Richtung zu sein, die sich hier latent abzeichnete. Die Mülltrennung dagegen schien
mithilfe groß angelegter Kampagnen in den neunziger Jahren weitestgehend in den
Köpfen der Menschen, zumindest in denen der Befragten, angekommen zu sein.
Potential gab es jedoch noch bei der Prävention Müllvermeidung, wobei mit „Leinen-
beutel statt Plastiktüte“ bereits beispielhaft ein guter Ansatz genannt wurde. Die
Tendenz, Ressourcen in Form von Energie und Wasser zu schonen, war ebenfalls
bereits einigermaßen ausgeprägt. Allerdings steckt noch einiges Potential an der
Umstellung der Energie-Versorger von konventionellen auf regenerative Energieträger
(Ökostrom), damit die Energie, die nicht eingespart wurde, wenigstens umweltverträg-
lich hergestellt wurde. Insbesondere in den offenen Antworten sorgte die Empörung
gegenüber der Lebensmittelindustrie für Aufsehen. Dies entspricht dem momentanen
Öffentlichkeitsbild22 und birgt künftiges Veränderungspotential.
d) Aussagen über Verbraucherkommunikation
Auf die Frage, ob die Probanden bereits nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommu-
nikation wahrgenommen hätten, antworteten die Mehrheit (47,6%), sie hätten von
einer solchen Kommunikation „eher selten“ mitbekommen. Die weiteren Zahlen können
aus Abbildung 33 entnommen werden.
22 Beispiel: Großdemo gegen die Lebensmittelindustrie mit 23.000 Menschen „Wir haben es
satt“ (21.01.2012; Berlin) (Kampagne Meine Landwirtschaft 2012)
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
109
Abbildung 33: Wahrnehmung von nachhaltigkeitsorientierter Verbraucherkommunikation, die
Konsummuster verändern möchte
Anscheinend gab es noch immer keine Überpräsenz derartiger Kommunikationsinhalte.
Mehr als kumulierte 56 Prozent waren dieser Ansicht. Daraus ergeben sich die Möglich-
keit und Potential für solche Kommunikation, da die Rezipienten demnach noch nicht
mit dieser Thematik übersättigt scheinen. Für Unternehmen ergäbe sich also gerade im
Moment die Chance, umzudenken, sich neu auszurichten und dementsprechende
Kommunikation an den Tag zu legen.
Kumulierte 88,3 Prozent der Befragten wünschten sich, mehr über das „richtige“
Verhalten zu erfahren und lediglich 1,9 Prozent lehnten dies völlig ab. Von einer Über-
informiertheit oder Information-overflow kann also keine Rede sein. Ausführliche Werte
werden in Abbildung 34 dargestellt.
Abbildung 34: Wunsch nach mehr Aufklärung in Sachen Nachhaltigkeit mit konkreten "richti-gen" Verhaltensweisen
35,8%
52,5%
9,5% 1,9%
Wunsch nach mehr Aufklärung in Sachen Nachhaltigkeit
Trifft völlig zu
Trifft ziemlich zu
Trifft kaum zu
Trifft gar nicht zu
8,0%
35,3%
47,5%
9,1%
Wahrnehmung von Nachhaltigkeitskommunikation
Schon sehr oft
Schon oft
Eher selten
Noch nie
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
110
Die offene Frage nach der Mediennutzung zur Suche nach Informationen über Unter-
nehmen, Produkte oder Dienstleistungen wurde von 70,6 Prozent der Teilnehmer mit
„im Internet“ beantwortet, dies in verschiedenen Formen. Einige schauten erst auf der
Firmenhomepage, die meisten jedoch suchten „unabhängige und dadurch glaubwürdi-
ge“ Portale auf, wenn möglich mit Bewertungen dritter, zum Beispiel anderer Konsu-
menten. Als Quellen wurden wegreen.de; knowmore.org; Utopia; foodwatch.com;
indymedia; Stiftung Warentest; Ökotest und soziale Netzwerke wie Facebook erwähnt.
Auffällig war, dass die zweitmeiste Antwort „Nichtregierungsorganisationen“ oft mit der
Nennung „Internet“ kombiniert abgegeben wurde. Bei NGOs, ob online oder offline,
holten sich 10,6 Prozent der Befragten nachweislich ihre Informationen. Außerdem
schauten zumindest 7,6 Prozent der Befragten gern bei Printmedien nach. Hier wurden
vor allem Fachzeitschriften und Tageszeitungen genannt. Ein wichtiges Medium schien
auch die Verpackung des Produktes selbst zu sein. Dieses nannten immerhin 6,3
Prozent, wobei vier Prozent auch am Point of Sale selbst nach Informationen Ausschau
hielten. Schlussendlich gaben 5,3 Prozent an, ihre Familie, Freunde und/oder Bekannte
zu fragen, wenn Informationen gebraucht würden. Vereinzelte Antworten waren
außerdem TV (Dokus und Nachrichten), Behörden, Radio, persönliche Anfragen beim
Unternehmen per Telefon, Bibliothek, Broschüren und Flyer sowie Plakate. Zusammen-
fassend sei noch erwähnt, dass angegeben wurde, diese Informationsquellen würden
häufig vergleichend genutzt.
Die Zielgruppe befindet sich zweifellos in der Generation der „digital natives“. Informa-
tionen können über‘s Internet viel einfacher verbreitet, geteilt, kommentiert und
begutachtet, also toleriert oder verschmäht werden. Diese Umstände und die Tatsache,
dass der eigene Computer inklusive internetfähigen Telefonen unterwegs das zentrale
Leitmedium unserer Generation ist und sein wird, machen dieses Instrument so mäch-
tig.23 Die Konsumentenmacht ist durch die digitale Vernetzung und die gestiegene
Markttransparenz gestiegen. Kein Unternehmen kann es sich leisten, schlechte Bewer-
tungen von glaubwürdigen Drittmedien zu bekommen. Printmedien und klassisches TV
23 Mittels des Smartphone-app „barcoo“ ist es seit Längerem bereits möglich, die ökologisch-sozialen Verhaltensweisen des Herstellers mittels Scannen des Barcodes am Produkt selbst in
Sekunden herauszufinden (WeGreen UG 2010).
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
111
sind hingegen abnehmende Medien, die immer seltener genutzt werden. Um die
Zielgruppe zu erreichen, sind Online-Medien unabdingbar.
Abbildung 35: Bewertung der Aussage: "Unternehmen investieren mehr Geld in Marketing als
in Nachhaltigkeit"
38,9 Prozent der Teilnehmer waren der Meinung, die Aussage, dass Unternehmen
mehr Geld in Marketing als in Nachhaltigkeit investierten, träfe zu. 53,8 Prozent waren
der Ansicht, dies träfe „eher zu“. Dagegen antworteten 6,4 Prozent, es träfe „eher
nicht zu“ und nur 0,6 Prozent erklärten, dass dies nicht zutreffend wäre.
Diesen genannten Umstand bewerteten die Befragten folgendermaßen:
Abbildung 36: Wertung: "Wenn Unternehmen mehr Geld in Marketing als in Nachhaltigkeit investieren, ..."
38,9%
54,1%
6,5% 0,6%
"Unternehmen investieren mehr Geld in Marketing als in Nachhaltigkeit."
Trifft zu
Trifft eher zu
Trifft eher nicht zu
Trifft nicht zu
12,9%
68,6%
15,3%
2,1%
"Wenn Unternehmen mehr Geld in Marketing als in Nachhaltigkeit investieren, … "
ist das völlig falsch
ist das ziemlich falsch
ist das ziemlich richtig
ist das völlig richtig
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
112
So ergab sich der kumulierte Wert von 92,4 Prozent der Befragten, die der Meinung
waren, dass Unternehmen mehr Geld für Marketing als für Nachhaltigkeit investierten.
Kumulierte 81,5 Prozent waren der Meinung, dieser Umstand sei zumindest „ziemlich
falsch“. Daraus kann abgeleitet werden, dass sich die Befragten durchaus bewusst
darüber waren, wie viel Geld in konventionelle Verbraucherkommunikation (Werbung,
etc.) fließt – und sie missbilligten es zum Großteil. Ebenfalls kann abgeleitet werden,
dass die Befragten den Beitrag zu nachhaltigen Handlungsmustern nicht besonders
hoch einschätzten.
Die Mittelwerte der Wichtigkeiten einzelner Themen
kann aus Abbildung 41 entnommen werden. Zu-
sammenfassend kann allerdings, betrachtet man die
konstant hohen Werte, festgestellt werden, dass den
Befragten im Durchschnitt keiner der Aspekte egal
war. In der offenen Antwortmöglichkeit, die sech-
zehn Befragte wahrnahmen, wurde angemerkt, die
genannten Themen bedingten sich gegenseitig und
würden Wechselwirkungen aufweisen. Alternativ oder in Verbindung spielten nach
Aussagen der Teilnehmer außerdem „ökonomische Sinnhaftigkeit“, „zwischenmenschli-
che Liebe und Liebe zur Natur“, „Zusammenarbeit“, „das Denken an künftige Generati-
onen“ und „Freiheit“ eine Rolle. In ökologischer Hinsicht stand bei den Befragten die
Massentierhaltung sowie der Klima- und Umweltschutz in Vordergrund. Außerdem
wurde im kommunikativen Bereich die Pressefreiheit, erneut Transparenz in der öffent-
lichen Kommunikation und „das Recht auf verständliche Informationen für jegliches
Bildungsniveau“ erwähnt. Weiterhin sollte eine „geistige Offenheit“ sowie alternative
Lebenskonzepte, kooperatives Verhalten und Auseinandersetzung mit den eigenen
Bedürfnissen gefördert werden, um den Paradigmenwechsel hin zur nachhaltigen
Gesellschaft zu unterstützen.
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
113
Abbildung 37: Wichtigkeit verschiedener Faktoren in nachhaltiger Hinsicht
Die Wichtigkeit aller Themenbereiche war in den Augen der Befragten unumstritten. So
kommt es eher darauf an, übergeordnete Themen wie die Zusammenarbeit und
Kooperation in Verbindung mit diesen Themen transparent und verständlich zu kom-
munizieren.
„Was symbolisiert Nachhaltigkeit für dich?“ Auf diese offene Frage antworteten 311
Personen – und das teilweise höchst unterschiedlich. So symbolisierte Nachhaltigkeit
ökonomisch vor allem transparente Abläufe, Innovationen und clevere Produkte. In
ökologischer Hinsicht kam es zur Mehrfachnennung von Klimaschutz, kluger Verpa-
ckung (beispielsweise „weniger Verpackung“ und Mehrwegflaschen“), abbaubaren
Produkten sowie der Forderung, Ressourcen, die aus der Natur entnommen wurden,
auch wieder zurückzugeben. Die artgerechte Tierhaltung wurde ebenso oft benannt.
Im Hinblick sozialer Faktoren wurde eine große Affinität für den fairen Handel erkenn-
bar. Mit diesem einhergehend wurde die Forderung sozialer Strukturen allgemein
genannt. Produkte sollten außerdem langlebig und wiederverwertbar sein.
Was konkrete Verhaltensweisen anging, kam es bei der Ernährung zu einer großen
Anzahl an Nennungen von regionalem und saisonalem Konsum, Vegetarismus und
81,4%
82,9%
84,9%
85,2%
86,2%
86,4%
Tierschutz
Artenvielfalt
Gesundheit derGesellschaft
Klimaschutz
Ressourcenschutz
SozialeGerechtigkeit
78% 79% 80% 81% 82% 83% 84% 85% 86% 87%
Wichtigkeit der Faktoren
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
114
Selbstversorgung. Außerdem kamen gehäuft Nennungen auf Mitfahrgelegenheiten und
Radfahren was die Mobilität angeht. Es war darüber hinaus nicht zu übersehen, dass
eine ausgeprägte Assoziation zwischen Nachhaltigkeit und intelligenter Müllwirtschaft
bestand. So nannten sehr viele die Begriffe „Recycling“, „Mülltrennung“ und „Müllredu-
zierung“. Auch Teilen, Tauschen, „second hand“ und „aus alt mach neu“ waren häufige
Antworten. Im Bereich Energie war das Wort „Effizienz“ das meistgenannte. Insgesamt
gaben extrem viele Befragte zu, Suffizienz gehöre untrennbar dazu („Opfer bringen“,
„verringerter Fleischkonsum“, „Ressourcen sparen“, „Verzicht auf‘s Auto“).
Symboliken rein begrifflicher Natur waren die Nennungen von Begriffen wie „Natürlich-
keit“, „Sozialfreundlichkeit“, „Bildung“, „Fairness“, „Zukunftsorientierung“, „Regenerier-
barkeit“, „Wertschätzung“, „Langfristigkeit“, „Qualität“ und „Kooperationen“. Konkrete
physische Symbole wurden ebenfalls von vielen benannt. So kam es zu einer Häufung
der folgenden Objekte: Fahrrad, Bäume, Windkraftanlagen und Solarzellen, Stoffta-
sche, Wasser und Kreislauf. Für viele symbolisierten zudem die ökologische Landwirt-
schaft und der Wochenmarkt Nachhaltigkeit. Die Farbe „grün“ stand bei vielen eben-
falls für die Werte des Leitbildes wie Labels (Fair-Trade-Siegel, das Bio-Siegel, der
grüne Punkt, der blaue Engel, das WWF-Zeichen, das FSC- und das MSC-Siegel sowie
das cradle-to-cradle-Zeichen). Diese waren für die Identifizierung und Symbolisierung
scheinbar von großer Bedeutung. Weiterhin gab es viele, die mit Greenpeace, WWF,
Peta, Amnesty International, Followfisch, demeter und atmosphair Institutionen mit
dem Leitbild verbanden.
Doch der Begriff Nachhaltigkeit wurde im Sinne der Reaktanz (vgl. Kapitel 2.3a) auch
negativ in Verbindung gesetzt. So nannten einige Probanden etwas flapsig die Symbo-
liken „Frauen ohne BH“, „Utopie“ oder „Hippies in Hanfkleidung“. Letztlich kann konsta-
tiert werden, dass es die vier Begriffe „Fairer Handel“, „regional konsumieren (Dezent-
ralisierung)“, „Recycling“ und „Ressourcen schonen“ auf die mit Abstand meisten
Nennungen brachten.
Um Reaktanzen zu vermeiden, sollten Unternehmen, wie im Theorieteil bereits ange-
merkt, auf verschlissene Symboliken wie Stereotypen verzichten. Eher könnten kluge
Produkte, Prozesse und Verhaltensweisen thematisiert werden. Großes Potential
besitzen auch die genannten idealistischen Symboliken, aus denen sehr positive, auch
emotionale, Botschaften erzeugt werden könnten. Siegel nahmen nach wie vor eine
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
115
besondere Stellung ein, da sie von unabhängigen Stellen vergeben werden. Diese sind
unbedingt zu nutzen. Kooperationen mit Nichtregierungsorganisationen oder anderen
integren Institutionen könnten ein Mittel sein, Glaubwürdigkeit zu erzeugen.
Für die Wahl einer öffentlichen Person, die die Werte
des Leitbildes verkörpert, kam es zu einer gehäuften
Nennung von Politikern, Aktivisten, Musikern und
Schauspielern sowie Autoren von bekannter, nachhal-
tigkeitsrelevanter Literatur. Auf Politikerseite waren
viele Namen von Grünen-Politiker zu sehen. Die meis-
ten Stimmen bekamen Hans-Christian Ströbele vor
Hermann Scheer, der allerdings der SPD angehörte.
Außerdem bekam der ehemalige amerikanische Präsidentschaftskandidat Al Gore eine
große Häufigkeit an Stimmen.
Mehrere Nennungen bekamen auch die Musiker Thomas D., Bono von U2 sowie die
deutsche Rockgruppe Die Ärzte und Schauspieler Leonardo DiCaprio. Darüber hinaus
bekamen die Physikerin und Autorin Dr. Vandana Shiva und der Soziologe und Sach-
buch-Autor Jean Ziegler Mehrfachnennungen.
Neben dem Begrüßen von Testimonials kam es jedoch auch zu Kritik an diesem Ansatz.
Wenn „die Gage stimme, könnten prominente Personen einem alles unterjubeln“. Viele
kämen ihrer Verantwortung als Vorbild nicht nach, es gäbe zu wenige, die authentisch
und überzeugend seien, sagten die einen. Institutionen und Unternehmen müssten
statt Personen herangezogen werden, sagten die anderen. Zudem äußerte ein Pro-
band, eine Person könne Nachhaltigkeit nicht repräsentieren. Nachhaltigkeit müsse in
den Köpfen aller passieren.
Die Sinnhaftigkeit von Testimonials ist auf die entsprechende Situation zu evaluieren.
Nicht immer ist eine passende Repräsentativität gegeben. Weiterhin ist es wichtig,
glaubwürdige und integre Personen für den Posten des Kommunikators zu verwenden.
Außerdem ist auf die Sympathie bei der Zielgruppe zu achten. Bei negativen Schlagzei-
len des Testimonials kann es immer einen Imagetransfer der Person mit dem Unter-
nehmen geben. Politiker als Testimonials zu verwenden, ist schwierig, da sie immer
auch ihre Partei mitrepräsentieren. Dies ist aufgrund verschiedener politischer Meinun-
gen nicht vorteilhaft. Generell kann ein passender kommunikativer Repräsentant
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
116
Aufmerksamkeit und Zielgruppenaffinität generieren. So ist ein Testimonial immer ein
schwieriges, wenn es gelingt, jedoch dienliches Instrument.
Insgesamt haben 228 Befragte die Möglichkeit wahrgenommen, ein vorbildliches
Unternehmen zu nennen. Tabelle 6 zeigt diejenigen Unternehmen, die von den Befrag-
ten bei der Frage nach einem Best-Practice-Unternehmen in nachhaltiger Hinsicht mehr
als einmal genannt worden sind. Eine detaillierte Übersicht über die genannten Unter-
nehmen und ihre Einteilung in die verschiedenen Handlungsfelder befindet sich im
Anhang auf Seite XX.
Unternehmen Σ Unterneh-
men Σ Unternehmen Σ
Unterneh-
men Σ
Alnatura 11 Lichtblick 5 UmweltBank 2 Ritter SPORT 2
Deutsche Bahn 10 Tetra-Pack 5 Memo AG 2 Siebenkorn 2
dm 8 Henkel 5 American
Apparel 2 SOLON SE 2
GEPA 8 IKEA 5 Ben & Jerry's 2 tegut 2
PREMIUM
Cola/Café/Bier 7 REWE 5 Entega 2 VAUDE 2
Volkswagen 7 Patagonia 4 Frosch 2 zotter 2
GLS-Bank 6 The Body Shop 4 hessnatur 2 BMW 2
BOSCH 6 Weleda 4 LIQUI MOLY 2 E.ON 2
demeter 6 Starbucks 4 NORDEX 2
Krombacher 6 Naturstrom 3 RAPUNZEL 2
Greenpeace
Energy 5 Café Libertad 3 Reformhaus 2
Tabelle 6: Übersicht der mehrfach genannten best-practice-Unternehmen
Aufgrund der Auswahl der Beispiele aus dem Fragebogen verfälschten die Nennungen
der beiden Unternehmen Deutsche Bahn und Volkswagen das Bild ein wenig. Die
Sinnhaftigkeit dieser Nennungen soll hiermit relativiert werden. Bedingt durch hohe
Ausgaben für Werbung und PR sind darüber hinaus einige Unternehmen mehrfach
genannt worden, die in diesem Umfeld wohl sonst keine Chance gehabt hätten. Dies
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
117
sind vor allem große, oft börsendotierte Unternehmen wie BMW, E.ON, IKEA, Star-
bucks, Bosch und Krombacher.
Im Endeffekt kam jedoch eine stattliche Auswahl an Unternehmen zusammen, die
durchaus in der Branche einen guten Namen in öko-sozialer Hinsicht besitzen. dm,
aber vor allem Alnatura, GEPA, PREMIUM und die GLS-Bank sind hervorragende
Beispiele unter denen, die mehr als fünf Nennungen innehatten.
Die offene Frage nach positiven Unternehmens-
Beispielen für Nachhaltigkeit hat jedoch auch bei vielen
Befragten Kritik angeregt. So erwähnten einige, es
gäbe einfach zu wenig Transparenz und es fehle
dadurch an Glaubwürdigkeit. Diese Intransparenz
verbanden nicht wenige damit, dass es sich bei den
groß angelegten Marketing-Kampagnen lediglich um
PR, Image-Verbesserung und letztlich Greenwashing
handele. Nach wie vor stehe lediglich der Umsatz im Vordergrund und Unternehmen
handelten bloß aus diesen Gründen oder gesetzlichen Zwängen heraus. Einige argu-
mentierten sogar, in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung seien nachhaltige
Unternehmen ein Paradoxon. Keines würde vollends nachhaltig handeln können.
Manche würden lediglich vorgeben, Vorbilder zu sein, aber nicht nachweislich so
handeln. Von diversen Befragten kam jedoch eine Relativierung. Es gäbe durchaus
Kleinunternehmen, lokale Unternehmen oder Familienunternehmen, die sehr positive
Tendenzen aufwiesen.
Erneut kam es zu der Kritik, es mangele an Glaubwür-
digkeit. So müssen Unternehmen diese schaffen, um
letztlich von der Zielgruppe akzeptiert und toleriert zu
werden. Es kann beispielsweise Benchmarking vorge-
nommen werden, indem sich an den Handlungen und
der Kommunikationsweise der Best-Practice-
Unternehmen orientiert wird. Sehr große Unternehmen
haben zum Großteil nicht den Weg in die Liste der
meistgenannten gefunden.
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
118
Letztlich führt die Frage nach hervorragenden Unternehmensbeispielen direkt zur
Überprüfung der ersten Hypothese, die vor allem von Glaubwürdigkeit handelt.
e) Überprüfung von H1: Nachhaltigkeit, Kommunikation und
Glaubwürdigkeit
Vergleicht man die Angaben der Befragten über die Glaubwürdigkeit der einzelnen
Institutionen in Abbildung 38, so ist zu erkennen, dass die Familie, vor Freunden und
Bekannten, mit einem Mittelwert von 88,7 Prozent am glaubwürdigsten abschnitten.
Direkt dahinter befanden sich die Nichtregierungsorganisationen. Unternehmen kamen
mit einem Mittelwert von 44,8 Prozent schlecht weg. Das Schlusslicht der Glaubwürdig-
keit bildeten allerdings Prominente.
Abbildung 38: Glaubwürdigkeit der verschiedenen Institutionen
Auf die Frage, ob die Probanden ihre Verhaltensweisen möglicherweise nachhaltiger
gestalten würden, wenn Staat und Unternehmen mit gutem Beispiel voran gingen,
antworteten 45,8 Prozent mit ja und 42,6 Prozent waren sich nicht sicher, ob ein
nachhaltiges Engagement von Politik und Wirtschaft für sie Konsequenzen hätte.
38,7%
44,8%
47,5%
68,4%
86,1%
88,7%
Prominente
Unternehmen
Staat undPolitik
NGOs
Freunde
Familie
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Glaubwürdigkeit
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
119
Abbildung 39: Bereitschaft zu nachhaltigen Konsummustern, wenn Staat und Wirtschaft mit gutem Beispiel voran gingen
Als kommunikative Motivatoren für nachhaltigen Konsum war den Befragten Ehrlichkeit
und Glaubwürdigkeit in der Verbraucherkommunikation mit 82 Prozent am wichtigsten,
dicht gefolgt von Transparenz und zugänglichen Informationen (81,3%). Zertifikation
mit unabhängigen Labels war den befragten Verbrauchern mit 58,7 Prozent in etwa
genauso wichtig wie soziales und/oder ökologisches Engagement, welches auf einen
Wert von 56,6 Prozent kam. Die Alternative, frei und in eigenen Worten zu antworten,
nutzten 19 der befragten Personen. Die Antworten verteilten sich erneut stark auf
Transparenz und daraus erfolgender Glaubwürdigkeit. En détail sollten beispielsweise
die Offenlegung von Dienstleistungsketten, die Möglichkeit von direktem Kontakt mit
Produzenten und transparente Darlegung der Preispolitik („Höhe des wirtschaftlichen
Gewinns im Vergleich zu Ausgaben für ökologische und soziale Standards“) die Glaub-
würdigkeit erhöhen. Zudem könnten Informationen
von dritten „ohne wirtschaftliche Interessen“ die
Motivation zu nachhaltigem Konsum steigern. Außer-
dem wurde vorgeschlagen, Kaufvorschläge für be-
stimmte Käufergruppen zu vermitteln. Zugängliche
Informationen wurden als unabdingbar erklärt. Zudem
sollten laut einiger Befragten politische Regelungen
und Richtlinien dafür sorgen, dass nachhaltiger kon-
sumiert wird/werden kann.
45,8%
11,4%
42,6%
Bereitschaft für Konsummusteränderung, wenn Politik und Wirtschaft Vorbild
ja
nein
weiß nicht
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
120
Abbildung 40: Aspekte zur Motivation zu nachhaltigem Konsum
Abbildung 41: Wichtigkeit von Faktoren bei der Suche nach Informationen zu Produk-
ten/Dienstleistungen
In der Konsistenz-Frage nach der Wichtigkeit von Aspekten bei Suche nach Informatio-
nen war Transparenz mit einem Mittelwert von 80,1 Prozent den Befragten mit Ab-
stand am wichtigsten. Informationen und Meinungen von NGOs sowie entsprechende
Zertifizierungen wurden mit einem Mittelwert von 65,7 Prozent am zweitwichtigsten
bewertet. Nützliche Hinweise zu Verwendung und/oder Entsorgung nach der Nutzung
56,6%
58,7%
81,3%
82,0%
soziales/ökologisches Engagement
Zertifikation mitunabhängigen Labels
Transparente,zugängliche Informationen
Ehrliche undglaubwürdige Kommunikation
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%
Motivatoren für nachhaltigen Konsum
52,1%
61,0%
64,8%
65,7%
80,1%
Dialog
Image
Hinweise zur Nutzungund Entsorgung
Einschätzung von NGOs
Transparenz
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%
Wichtigkeit von Faktoren bei der Suche nach Informationen
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
121
waren den Befragten jedoch mit einem Mittelwert von 64,8 Prozent fast ebenso wich-
tig. Die weiteren Werte können Abbildung 41 entnommen werden.
Auf die Frage, wie die Befragten reagieren würden, wenn sie negative Erfahrungen mit
einem Unternehmen machen würden, antworteten, mit 89,2 Prozent die Mehrheit, sie
würden dies ihrem näheren Umfeld mitteilen. 84,5 Prozent der Befragten würde es
dem Unternehmen so „krumm nehmen“, dass sie das Produkt oder die Dienstleistung
nicht mehr kaufen würden. Darüber hinaus war es vielen Befragten ein Anliegen, mit
ihrer Empörung an die Öffentlichkeit zu gehen – ob über Medien, direkt ans Unterneh-
men gerichtet oder im eigenen Blog. Die Zahlen dazu befinden sich in Abbildung 42.
Lediglich 1,3 Prozent würden gar nicht reagieren, da sie der Ansicht sind, ihre Meinung
könne nichts bewirken.
Abbildung 42: Reaktion bei negativen Erfahrungen oder schlechtem Image eines Unterneh-
mens/Produktes/einer Dienstleistung
Bereits bei der Frage nach den Hindernissen für nachhaltigen Konsum wurde durch die
häufigste Antwort klar, dass die Unsicherheit über Herstellungsbedingungen etc. eine
Folge fehlender Transparenz in der Kommunikation darstellte. Diese Annahme wurde in
den späteren Fragen unter Beweis gestellt.
1,3%
2,3%
3,0%
8,0%
14,6%
32,3%
84,5%
89,2%
Keine Reaktion
Mitteilung Verbraucherschutz
Versuch Veröffentlichung Medien
Veröffentlichung im eigenen Blog
Mitteilung an das Unternehmen
Öffentliche Empörung
Nichtkauf
Mitteilung an Familie/Freunde
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Reaktion bei negativen Erfahrungen
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
122
In den offenen Fragen und Antwortalternativen wurden nicht nur erwartungsgemäße
Antworten gegeben, sondern späteren Fragen nach der Transparenz und Glaubwürdig-
keit bereits vorgegriffen. Dieser Umstand unterstrich die Bedeutung dieser Parameter,
die im Theorieteil als Voraussetzungen für diese Art Kommunikation definiert wurden.
So bewerteten die Befragten zwar alle Themen der Nachhaltigkeit als wichtig. Es käme
jedoch nicht darauf an, WAS kommuniziert würde, sondern WIE und mit welchem
Hintergrund. So sollten die Hintergründe zu der kommunizierten Thematik transparent
sein und der Inhalt verständlich erklärt werden.
Prominente befanden sich als Testimonials nicht nur abgeschlagen auf dem letzten
Platz des Glaubwürdigkeitsrankings, sondern wurden auch in der offenen Frage mit viel
Kritik bedacht. Dagegen galten NGOs hinter Familie und Freunde als die glaubwürdigs-
ten Institutionen. Bei Fragen nach der Mediennutzung erklärten die Befragten zudem,
dass sie auf der Suche nach Informationen vor allem nach der Glaubwürdigkeit der
Formate selektierten. Bewertungen von anderen Konsumenten und/oder von NGOs
würden reiner Unternehmenskommunikation vorgezogen. Dies unterstrich die Notwen-
digkeit mit diesen zu kooperieren, um die eigene Glaubwürdigkeit zu erhöhen, anstatt
ein beliebiges, bekanntes Testimonial zu nutzen. Denn die eigene Glaubwürdigkeit von
Unternehmen war vor den Prominenten an zweitletzter Stelle nicht nur schlecht ge-
rankt. Auf die offene Frage zur Nennung von Best Practice-Unternehmen wurde sogar
erneut Kritik laut. So sorgten Unternehmen durch mangelnde Transparenz und daraus
folgender Unglaubwürdigkeit selbst dafür, dass ihnen lediglich Greenwashing und
grüne PR vorgeworfen wurde.
Die Antworten auf die effektiven Fragen nach den wichtigsten Kriterien bei nachhaltig-
keitsorientierter Verbraucherkommunikation waren ebenso eindeutig auf die Parameter
Glaubwürdigkeit/Ehrlichkeit und Transparenz verteilt und unterstrichen so die Konklusi-
on der Hypothese.
Fast 90 Prozent der Befragten gaben an, sie würden sich nachhaltiger verhalten, wenn
Unternehmen mit gutem Beispiel voran gingen. Dagegen würden lediglich 1,3 Prozent
niemandem ihren Unmut über die schlechten Erfahrungen mit einem nicht-
nachhaltigen Unternehmen mitteilen. So sollten diese letztlich, um mit nachhaltigkeits-
orientierter Verbraucherkommunikation Kunden hinzuzugewinnen oder keine Kunden
zu verlieren, diese Voraussetzungen erfüllen. Darüber hinaus könnte mit diesen Vo-
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
123
raussetzungen eine Chance bestehen, den Paradigmenwechsel hin zu einer nachhalti-
geren Gesellschaft durch glaubwürdige Kommunikation und transparentes Handeln zu
forcieren.
So kann auf Grundlage der Analyse sowohl aus den eindeutigen Ergebnissen der rein
geschlossenen Fragen sowie der zahlreichen und qualitativ hochwertigen Antworten
der offenen Fragen die Alternativhypothese H1 als bestätigt erachtet werden. Verbrau-
cher haben insbesondere an Unternehmen den Anspruch der Voraussetzungen Trans-
parenz und Glaubwürdigkeit. Nur wenn diese erfüllt werden, ist es möglich, Konsumen-
ten mit nachhaltigkeitsorientierter Kommunikation zu überzeugen.
f) Überprüfung von H2: die Routen des ELM und die Zielgruppe
Der erste Spot, der während der Befragung gezeigt wurde, wurde von den Befragten
mit einem Mittelwert von 3,83 (1=informativ-erklärend, 10=emotional-berührend) als
eher informativ-erklärend, also rational eingeschätzt. Der zweite Spot erhielt von den
Befragten mit einem Mittelwert von 6,13 die Charakteristik „emotional-berührend“.
Abbildung 43: Eigenschaften der Spots
6,13
3,83
Spot:"Think Blue"
Spot:"Fünf einfacheDinge für denKlimaschutz"
Eigenschaften der Spots
informativ-erklärend emotional-berührend
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
124
Die Mittelwerte der einzelnen Fragen nach der Sympathie der beiden Spots sowie den
Konsequenzen, die aus dem Schauen der Spots resultieren könnten, kann dem Anhang
(S. XXII) entnommen werden.
Wie schon in Kapitel 3.2 auf Seite 68 erwähnt, konnte ein Zusammenhang zwischen
einem bestimmten Nachhaltigkeitsinvolvement und der Wahrscheinlichkeit verschiede-
ner Konsequenzen aus dem Anschauen der Spots vermutet werden. Diese Annahme
sollte mit Hilfe statistischer Tests auf Signifikanz überprüft werden.
Hierzu war es notwendig, das Nachhaltigkeitsinvolvement zu definieren. Diesbezüglich
wurden zunächst die Angaben zu nachhaltigem Konsum ausgewertet und Punkte für
nachhaltiges Verhalten bzw. positive Einstellungen zu nachhaltigem Konsum vergeben.
Die angewandte Evaluationsmethode, lehnt sich an den Ansatz von Bilharz (2009) an,
der „Key Points“ für nachhaltigen Konsum identifiziert und eine Vielzahl anderer Fakto-
ren keine Beachtung finden. Bei dieser Methode stehen vor allem die Angaben aus den
beiden Fokushandlungsfeldern Ernährung und Mobilität im Vordergrund. Um die soziale
Komponente des Konsums mit zu berücksichtigen, wurde bei der vorliegenden Analyse
ebenfalls der Konsum fair gehandelter Produkte hinzugezählt. Außerdem kamen additiv
die erfragten Verhaltensweisen zu dem Punkt „Müllvermeidung“ sowie Ausprägungen
der Einstellung gegenüber nachhaltigem Konsum (Grad der Beeinflussung der Kaufent-
scheidung durch Nachhaltigkeit; Bewertung der Wichtigkeit nachhaltigen Konsums in
der Gegenwart und zukünftig) hinzu. Die genannten Faktoren wurden in der statisti-
schen Auswertung stets nach den passenden Ausprägungen verknüpft, auf Konsistenz
überprüft und mit je einem Punkt je zutreffender Ausprägung gewertet. Dieses Verfah-
ren kann in Tabelle 7 nochmals nachvollzogen werden.
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
125
Kategorie Frage/Variable Ausprägungen
Handlungsbereich
Ernährung
Einkauf von Bio-Lebensmitteln „häufig“ oder „oft“
Einkauf von Fair Trade-Lebensmitteln „häufig“ oder „oft“
Einkauf von regionalen Lebensmitteln „häufig“ oder „oft“
= 3 Punkte
Handlungsbereich
Mobilität
Nutzung des privaten Pkw auf
Kurzstrecken „selten“ oder „nie“
Nutzung des privaten Pkw auf
Fernstrecken „selten“ oder „nie“
Flüge pro Jahr maximal zwei
= 3 Punkte
Handlungsbereich
übergreifend
Bezug von Öko-Strom ja
Umsetzung der Verhaltensweise
„Energiesparen“ ja
Umsetzung der Verhaltensweise
„Müllvermeidung“ ja
= 3 Punkte
Einstellungen gegenüber
nachhaltigem Konsum
Beeinflussung der Kaufentscheidung
durch Nachhaltigkeit
„trifft zu“ oder
„trifft eher zu“
Einschätzung der Wichtigkeit von
Nachhaltigkeit
„wichtig“ oder
„eher wichtig“
Erhöhung der Wichtigkeit von
Nachhaltigkeit in Zukunft
„trifft zu“ oder
„trifft eher zu“
= 3 Punkte
Tabelle 7: Überblick über die Punktevergabe für Nachhaltigkeitsinvolvement
So errechnete sich aus insgesamt zwölf Faktoren ein neues Merkmal, welches als das
Involvement des Einzelnen für nachhaltigen Konsum interpretiert werden kann. Die
Häufigkeitsverteilung dieses Merkmals wird in relativen Werten in Abbildung 44 darg-
stellt.
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
126
Abbildung 44: Relative Häufigkeitsverteilung des Nachhaltigkeitsinvolvements
Die Häufigkeitsverteilung der Variablen (vgl. Abbildung 44) zeigt, dass sich die Proban-
den linksschief auf der Punkteskala von null bis zwölf Punkten verteilen. Erkennbar ist,
dass 95,64 Prozent der Befragten mindestens ein Involvement von vier erreichten. Der
Modalwert mit der stärksten Ausprägung befand sich bei einem Involvement von 7
Punkten, der Median lag ebenfalls bei 7,0 und der Mittelwert bei 7,27, bei einer Stan-
dardabweichung von 2,33.
Es galt nun festzustellen, ob es einen linearen Zusammenhang zwischen dem Nachhal-
tigkeitsinvolvement auf der einen und den Konsequenzen, die aus den Fragestellungen
der beiden unterschiedlichen Spots resultierten, auf der anderen Seite gab. Dies sollte
durch den Korrelationskoeffizienten nach Pearson erreicht werden. Gemäß der Studie
„Sustainable Consumption and Mass Communication“ von Lucia Reisch, Clive L. Spash
und Sabiene Bietz ist ein gleichgerichteter Zusammenhang zu erwarten.
So sollten die Werte für Spot 1 einen positiven Zusammenhang, das heißt steigende
Sympathie, Wahrscheinlichkeit nachhaltigeren Verhaltens und Wahrscheinlichkeit einer
Steigerung der Sympathie des Unternehmens bei steigendem Nachhaltigkeitsinvolve-
ment aufweisen. Bei Spot 2 sollte der Zusammenhang entgegengesetzt sein, sodass
bei steigendem Nachhaltigkeitsinvolvement die Werte für Sympathie, Wahrscheinlich-
keit nachhaltigeren Verhaltens und Wahrscheinlichkeit der Steigerung der Sympathie
des Unternehmens fallen würden.
0,19% 0,38% 1,14%
2,65%
7,77%
11,17%
13,83%
18,56%
12,69% 13,83%
8,33%
5,87%
3,60%
0%
2%
4%
6%
8%
10%
12%
14%
16%
18%
20%
0 Pkt. 1 Pkt. 2 Pkt. 3 Pkt. 4 Pkt. 5 Pkt. 6 Pkt. 7 Pkt. 8 Pkt. 9 Pkt. 10 Pkt. 11 Pkt. 12 Pkt.
Nachhaltigkeitsinvolvement
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
127
Betrachtet man die errechneten Korrelationskoeffizienten und die dazugehörigen
Signifikanzniveaus in Tabelle 8, fällt auf, dass auf einem Signifikanzniveau von 5
Prozent lediglich Kombination (1) und (6) eine statistisch signifikante Korrelation
aufweisen. Bei Kombination (1) besteht ein schwacher Zusammenhang zwischen
steigendem Nachhaltigkeitsinvolvement und steigender Sympathie mit dem rationalen
Spot 1. Auch der mit einem Signifikanzniveau von 0,049<0,05 signifikante, jedoch
ebenfalls nur schwache, doch diesmal entgegengesetzte Zusammenhang der Kombina-
tion (6), unterstützt die Alternativhypothese. Bei steigendem Nachhaltigkeitsinvolve-
ment würde demzufolge nach Rezeption des emotionalen Spots 2 die Wahrscheinlich-
keit einer Steigerung der Sympathie gegenüber dem kommunizierenden Unternehmen,
dessen Produkten oder Dienstleistungen sinken.24
Kombi-
nation Variable
Nachhaltigkeitsinvolvement
Korrelations-
koeffizient
Signifikanz-
niveau
N
(1)
Spot 1:
„Fünf
einfache
Dinge für
den Klima-
schutz“
Sympathie 0,095* 0,030 527
(2) Wahrscheinlichkeit
nachhaltigeres Verhalten 0,060 0,171 527
(3)
Wahrscheinlichkeit Steigerung der
Sympathie des Unternehmens/ des
Produktes/ der Dienstleistung
0,077 0,078 526
(4)
Spot 2:
„Think Blue“
Sympathie -0,007 0,876 527
(5) Wahrscheinlichkeit
nachhaltigeres Verhalten -0,025 0,570 526
(6)
Wahrscheinlichkeit Steigerung der
Sympathie des Unternehmens/ des
Produktes/ der Dienstleistung
-0,086* 0,049 527
* Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant.
Tabelle 8: Übersicht der Korrelationen
24 Die Streudiagramme der Korrelationen befinden sich im Anhang auf S. XXXIX
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
128
Die übrigen Variablen sind dagegen von der Variable „Nachhaltigkeitsinvolvement“
statistisch unabhängig. Diese Tatsache schränkt die Vergleichbarkeit der beiden Spots
ein. Auf Basis der vorherrschenden Umfrageergebnisse ließ sich demnach keine ab-
schließende Aussage über einen Zusammenhang zwischen dem Involvement in Sachen
Nachhaltigkeit und der daraus folgenden Affinität zu einer bestimmten Art von Kom-
munikation treffen. Obwohl mit den beiden signifikanten Zusammenhängen Tendenzen
erkennbar waren, lassen die Ergebnisse keine abschließende Aussage zu, die Alterna-
tivhypothese H2 zu bestätigen und die Nullhypothese der Unabhängigkeit zu widerle-
gen.
Die Tendenz unterstützend sei dennoch erwähnt, dass die Korrelationskoeffizienten des
zweiten Spots allesamt negativ gepolt sind und somit von einer fallenden Kurve, ergo
fallender Werte bei steigendem Nachhaltigkeitsinvolvement, ausgegangen werden
kann. Dagegen waren die Werte des Korrelationskoeffizienten des ersten Spots alle-
samt positiver Natur, was eher steigende Werte bei steigendem Nachhaltigkeitsinvol-
vement bedeuten würde.
Als eine Ursache für die nicht signifikanten Ergebnisse kann unter anderem die Stich-
probe verantwortlich gemacht werden. Aufgrund ihrer geringen Größe in Bezug auf die
Grundgesamtheit war die Repräsentativität dank der unzureichenden Breite sehr
eingeschränkt. So konnte an der Verteilung der Befragten im Nachhaltigkeitsinvolve-
ment (vgl. Abbildung 44) ein hohes Involvement-Niveau identifiziert werden, welches
insbesondere bei dieser Hypothese zu einer Verzerrung und somit zur Nicht-
Bestätigung führte. Darüber hinaus konnte aufgrund zu niedriger Fallzahlen in den
unteren Involvementklassen keine einwandfreie Aussage über deren Einschätzungen
der Kommunikationsbeispiele getroffen werden.
Eine weitere Ursache für die Ergebnisse können die Spots selbst genannt werden.
Diese wurden zwar als eher rational bzw. eher emotional erkannt (vgl. Abbildung 43),
jedoch spielen bei der Rezeption eine Vielzahl weiterer Faktoren eine Rolle. Dazu
gehören unter anderem die Einstellungen zur jeweiligen Marke, das Interesse und die
Stimmungslage des Rezipienten, die situative Aufmerksamkeit und Störungen während
der Rezeption, das Einverständnis mit den Schlussfolgerungen und Inhalten sowie die
Glaubwürdigkeit des Spots (Hofer 2010). All diese Faktoren können sich positiv wie
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
129
negativ auf die Bewertung der Kommunikationsbeispiele auswirken. Für eine repräsen-
tative Einschätzung und klare Ergebnisse sind abermals die Fallzahlen zu gering.
Die Unterschiede in der Signifikanz sind auch auf das sogenannte „Grundrauschen“ der
Stichprobe zurückzuführen. Hierbei handelt es sich um einen Begriff aus der Statistik.
Jeder erhobene Wert enthält interessante Informationen und zufällige, unerwünschte
sowie fehlerhafte Nebeninformationen. Durch Letzteres kommt es zur Herabsetzung
der Genauigkeit der erhobenen Daten. Mögliches Ändern im Antwortverhalten der
Befragten kann zu solch einer Störung des Signals geführt haben. Signale, die frei von
jeglichem Rauschen sind, sind fast unmöglich zu erheben. Nur durch wiederholte
Stichprobennahme und durch Vergleichen dieser Stichproben kann das Verhältnis
zwischen Signal und Rauschen verbessert werden (Anděl 1984, S. 143 ff.).
4. Zusammenfassung und Resümee der Studie
Nachdem die herausgefundenen Daten einer deskriptiven und darüber hinausgehenden
statistischen Auswertung unterzogen wurden, soll in der Folge ein kurzes, teils über-
greifendes Resümee sowie Schlussfolgerungen auf die Thematik gezogen werden.
Charakterisierung der Stichprobe
Bei den befragten Studenten deutscher Hochschulen handelte es sich im Durchschnitt
um junge Menschen Mitte zwanzig. Die Geschlechterverteilung war ungefähr gleich.
Die Studenten kamen aus allen Fachbereichen, mit Überzahl von Wirtschaftswissen-
schaftler und Ingenieuren. Häufig lebten Sie mit anderen Menschen zusammen in
einem Haushalt. Sie waren zumeist kinderlos und schätzten ihre eigene finanzielle Lage
zumeist gut bis mittelmäßig ein.
Einstellungen
Die Mehrheit der Stichprobe bezog nachhaltige Kriterien in ihre Konsumentscheidungen
mit ein. Insgesamt hielten die Befragten das Thema Nachhaltigkeit für wichtig und nur
ein sehr geringer Anteil war der Ansicht, diese Wichtigkeit würde sich in Zukunft nicht
erhöhen. Die Zielgruppe stellte altruistische Motive, nachhaltig zu konsumieren, klar
vor egoistische. Die größten Hindernisse stellten für die Zielgruppe vor allem der Preis,
Unsicherheit über Produktionsweisen, mangelndes Angebot und Unsicherheit über die
effektive Nachhaltigkeit von Konsumentscheidungen dar. Abgesehen vom „inneren
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
130
Schweinehund“, bei dem sich die Konsumenten selbst die Schuld gaben, sahen sie den
Handlungsbedarf vor allem bei den Unternehmen und der Politik, nachhaltigen Konsum
attraktiver zu machen.
Verhalten
Die Befragten ernährten sich relativ nachhaltig. Bio- und regionale Lebensmittel wur-
den oft gekauft, fair gehandelte ab und zu. Über die Lebensmittelindustrie wurde teils
heftig Kritik geübt. Obwohl fast jeder zweite ein Auto besaß, wurde es auf Kurzstre-
cken selten genutzt; auf Langstrecken dagegen oft. Nicht zuletzt aufgrund der Preise
bewegten sich die befragten Studenten oft mit nachhaltigen Verkehrsmitteln wie
Fahrrädern, ÖPNV und der Bahn fort. Allerdings gehörten Flüge für die meisten einfach
dazu. Bevor die befragten Personen einem Car-Sharing-Angebot beitraten, nutzten sie
Mitfahrgelegenheiten von A nach B. Insgesamt schien eine Affinität zum Teilen und
Tauschen zu bestehen. Außerdem trennten viele den Müll und versuchten Energie zu
sparen. Ihr Strom kam jedoch meist nicht aus Öko-Strom-Quellen.
Einstellungen gegenüber nachhaltigkeitsorientierter Verbraucherkommunikation
Die Befragten empfanden keine Überpräsenz von nachhaltigen Kommunikationsinhal-
ten. Im Gegenteil, sie forderten sogar mehr Aufklärung in Sachen Nachhaltigkeit. Diese
könnte am einfachsten über das Leitmedium dieser Generation der „digital natives“,
dem Internet erfolgen. NGOs als Kooperationspartner wurden als sehr glaubwürdig
eingeschätzt. Die hohen Ausgaben für Marketing im Vergleich zu den Ausgaben für
effektive Nachhaltigkeit hielten sie für falsch. Lieber würden sie transparente und
glaubwürdige Kommunikation sehen, die einen Beitrag zu der Entwicklung nachhaltiger
Handlungsmuster der Konsumenten schafft. Das Interesse lag darüber hinaus eher auf
sozialen als auf Umweltaspekten. Traditionelle Nachhaltigkeits-Stereotype standen
nicht hoch im Kurs. Kluge Produkte, Prozesse und Verhaltensweisen waren dagegen
viel reizvoller. Zertifizierungen und Labels gehörten jedoch nach wie vor dazu. Die
Einstellung zu Testimonials ist gespalten. Unternehmen sollten, wollen sie diese Ziel-
gruppe erreichen, unbedingt auf Vermeidung von Greenwashing achten und glaubwür-
dig sein.
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
131
Überprüfung von H1 aufgrund der vorherrschenden Ergebnisse
Der Faktor Glaubwürdigkeit war in Bezug auf nachhaltigen Konsum und Kommunikati-
on über diese Inhalte ein zentrales Anliegen der Befragten. Bereits bei der Frage nach
den Hindernissen für nachhaltgien Konsum wurde klar, dass es den Befragten an
Sicherheit gegenüber Produkten und Dienstleistungen mangelte. In allen offenen
Fragen wurde weiterhin viel Kritik gegenüber „greenwash“-Unternehmen aufgrund
deren fehlender Transparenz und Glaubwürdigkeit geübt. Das Ranking der Glaubwür-
digkeit verschiedener Institutionen zeigte, in dem Wirtschaftsunternehmen am Ende
des Rankings zu finden waren, den dringenden Handlungsbedarf in dieser Hinsicht. Die
Frage der Medienwahl unterstützte diesen zusätzlich, da eine Selektion verschiedener
Medien nach ihrer Glaubwürdigkeit als Implikation angegeben wurde. Insgesamt kann
festgestellt werden, dass diese Aspekte allenthalben genannt wurden. Dies wurde auch
bei der Frage nach Prominenten als Testimonials deutlich, die insgesamt, bezieht man
den letzten Platz des Glaubwürdigkeitsrankings mit ein, eher kritisch gesehen werden.
Dahingegen wurde deutlich gemacht, dass Nichtregierungsorganisationen anstatt
dessen als Kooperationspartner die Glaubwürdigkeit steigern können. Diese These
wurde durch die Einschätzung der NGOs als drittglaubwürdigste Institution untermau-
ert. Die unbedingte Handlungserforderlichkeit wurde außerdem in den Fragen der
Konsequenzen deutlich. So ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Verbraucher ihre
Handlungsmuster ändern, wenn Unternehmen mit gutem Beispiel voran gingen. Damit
dies von den Verbrauchern so verstanden wird, müssen Unternehmen dies jedoch auch
glaubwürdig kommunizieren. Die Konsequenzen, die fast alle Konsumenten ziehen – in
welcher Ausprägung auch immer – wenn sie fehlerhaftes Verhalten von Unterneh-
mensseite mitbekommen, sind eher negativer Natur, sodass absoluter Handlungsbe-
darf besteht, wollen Unternehmen Kunden hinzugewinnen und nicht verlieren.
Überprüfung von H2 aufgrund der vorherrschenden Ergebnisse
Die weniger Nachhaltigkeits-Involvierten waren bei den Befragten in der Unterzahl. So
war es nicht möglich, eine eindeutige, signifikante Berechnung von Zusammenhängen
zwischen dem Involvement und einer bestimmten Affinität für Charakteristika von
Kommunikation für Nachhaltigkeit durchzuführen. Dennoch konnte konstatiert werden,
dass sich durchaus leichte Tendenzen für die These fanden, die Affinität für informativ-
erklärende Kommunikation hänge mit höherem Nachhaltigkeitsinvolvement zusammen.
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
132
Andererseits waren ebenfalls Tendenzen zu erkennen, dass mit niedrigerem Involve-
ment ein größerer Hang zu emotionaler Kommunikation bestand. Rein rechnerisch
ließen sich diese Zusammenhänge jedoch nicht endgültig beweisen. Es konnte lediglich
bewiesen werden, dass bei steigendem Involvement der rationale Spot 1 als sympathi-
scher bewertet wurde und bei sinkendem Involvement die Wahrscheinlichkeit einer
Sympathiesteigerung gegenüber Volkswagen und deren Produkten (mit dem emotiona-
len Spot) stieg.
Insbesondere diese Untersuchung von H2 sollte durch eine weitere, repräsentative
Umfrage in der Gesamtbevölkerung ohne Überhang besonders Gebildeter oder Interes-
sierter vertieft werden. Diese Ergebnisse können hierzu bereits eine Grundlage mit
ersten statistischen Hinweisen liefern.
Weitere Erkenntnisse
Abschnitt-übergreifend konnte festgestellt werden, dass soziale Aspekte der Nachhal-
tigkeit großes Potential besitzen. Die Angabe sozialer Gerechtigkeit als der wichtigste
Faktor, die Angabe altruistischer Motive für nachhaltigen Konsum und die häufige
Symbolisierung des Leitbildes mit fairem Handel und sozialer Fairness weltweit gaben
Anlass zu dieser These. Jedoch gaben die Befragten im Schnitt auch an, eher selten
fair gehandelte Produkte zu kaufen. Dies kann an zwei, ebenfalls genannten Gründen
liegen. Zum einen wurde oft das mangelnde Angebot angeprangert. Zum anderen
stand scheinbar das Behaviour-Gap (vgl. Kapitel 2.3a) vielen Konsumenten im Wege.
Denn laut Angaben der Befragten konsumierten diese fair gehandelte Produkte bisher
eher selten, trotz der sehr positiven Einstellungen ihnen gegenüber und der Philoso-
phie dahinter.
Obwohl viele von der Wichtigkeit einer nachhaltigen Entwicklung überzeugt waren,
waren die Zahlen insgesamt in den Verhaltensweisen lange nicht so hoch wie es die
Einstellungen vermuten ließen. Offensichtlich gaben die Befragten ihr Geld lieber für
andere Dinge aus. Dieses Phänomen kann umgangssprachlich als der angegebene
„innere Schweinehund“ bezeichnet werden und kam ebenfalls in anderen Feldern zum
Tragen. Der Bezug von Ökostrom beispielsweise war ebenso unterrepräsentiert und
birgt ein großes Potential zum Wachstum. Ein weiterer Umstand ist die häufige Über-
brückung von Distanzen mit dem Flugzeug. Auch diese sind, gemessen an den Anga-
ben zu den Einstellungen und dem Wissen über nachhaltige Sachverhalte ein Anlass,
Kapitel 4 – Empirische Untersuchung
133
das Behaviour-gap zu bestätigen. Obwohl sich die Befragten angeblich finanziell in
keiner schlechten Lage wähnten, war der höhere Preis das am zweitmeisten genannte
Hindernis. Immerhin sahen sich die Konsumenten selbst an dritter Stelle, was die
Impulsgeber für eine nachhaltige Entwicklung anging.
Die Befragten besaßen zudem eine große Affinität zu gemeinschaftlichen Verhaltens-
mustern wie Teilen und (Aus-)Tauschen. Die häufigen Nennungen von Mitfahrgelegen-
heiten und Wohngemeinschaften können zwar auch als studentisch bezeichnet werden,
können jedoch trotzdem als Indizien identifiziert werden. Die Gründe, warum gerade
Studenten auf diese Entkommerzialisierungstechniken in Sachen Konsum zurückgrei-
fen, können jedoch auch in deren finanziellen Lage begründet sein. Weiterhin kann die
soziale Vernetzung der „digital natives“ und so auch der Stichprobe der Zielgruppe als
Beweis für einen steigenden Hang zu sozialer Interaktion darstellen. Die Bewertung
von Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen kann insofern auch als Teilen von
Informationen bezeichnet werden. So werden negative Informationen direkt an andere
Mitmenschen weitergegeben – unabhängig, ob an Freunde, Familie oder Dritte. Die
Glaubwürdigkeit dieser Personen wird offensichtlich hoch eingeschätzt.
Außerdem zeichnete sich ein Trend für regionale Produkte und Dienstleistungen ab.
Diese würden angeblich zum einen häufig konsumiert und zum anderen gab es viele,
die Kleinunternehmen und Familienunternehmen als Best-practice-Beispiele nannten
und diese als glaubwürdige Institutionen charakterisierten.
Die Ergebnisse der Untersuchung und deren Analysen sollten allerdings stets im Lichte
des bereits erklärten vermutlich überdurchschnittlichen hohen Involvement der Befrag-
ten in Sachen Nachhaltigkeit evaluiert werden.
Abschließend kann auf sehr interessante Ergebnisse zurückgeblickt werden, die aller-
dings eine weitere Untersuchung in einem größeren Rahmen verdient haben. Die
herausgefundenen Tendenzen können allerdings bereits für Wissenschaft und Praxis
verwendet werden. Im Vergleich mit den im Theorieteil ergründeten Grundlagen
können durchaus gleichartige Ergebnisse identifiziert werden.
Im folgenden, abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse aus Theorie und Praxis
nochmals zusammengefasst und ergründet, welche Bedeutung diese sowohl für die
wissenschaftliche Diskussion als auch für die Praxis haben können.
Implikationen: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse
134
Implikationen: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse
Nachdem die Ergebnisse aus Fachliteratur und empirischer Untersuchung ausgewertet
wurden, konnten zum Teil übereinstimmende, aber auch ergänzende, hemmende
sowie treibende Faktoren für nachhaltigen Konsum und Konsummusteränderungen
resümiert werden. Diese sollen in der Folge zusammenfassend dargestellt werden.
Hemmnisse
Als ein Hemmnis für die Zunahme nachhaltigen Konsums können die preiswerten,
standardisierten, konventionellen Produkte identifiziert werden, da sie dem Konsumen-
ten einen scheinbaren Freizeit- und Optionsgewinn ermöglichen. Diese Argumente sind
insbesondere bei Konsumenten mit geringerem Lebensstandard entscheidend. Bei
hohem Lebensstandard können emotional aufgeladene Gebrauchsgüter zudem eine
Statussymbolwirkung aufweisen, auf die viele Konsumenten aufgrund ihres Bedürfnis-
ses für Anerkennung und Selbstverwirklichung nicht verzichten wollen. Durch den
Konsum dieser Güter kann zudem das von der Politik erwünschte Wirtschaftswachstum
Implikationen: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse
135
erreicht werden. Doch steht eben dieser Hergang einer nachhaltigen Entwicklung im
Konsum entgegen.
Extremdarstellungen von besonderer Verharmlosung der Situation auf der einen und
übertriebener Panikmache auf der anderen Seite erschweren dem Konsumenten einen
rationalen Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse. Im Gegenteil, diese zeigen sich
vielmehr resigniert aufgrund der vorherrschenden Informationen. Nichts desto trotz
gaben die Teilnehmer der Umfrage zu, einen Mangel an Informationen zu besitzen und
gern mehr darüber zu erfahren, was „richtig“ und was „falsch“ ist. Aufgrund fehlender
Wahrnehmbarkeit vieler ökologischer und sozialer Problemlagen sind die Verbraucher
unbedingt auf Informationen von Dritten angewiesen. Jedoch seien diese Informatio-
nen zu oft so verpackt, dass sie nur von Experten richtig verstanden werden können.
Die Überforderung der Verbraucher, die mit dieser Konfrontation einhergeht, führt zu
Reaktanzen, in denen die Verbraucher alles von sich weisen, was mit dem Thema
Nachhaltigkeit zu tun hat. In diesem Zuge kommt es wiederum zur Weitergabe der
Verantwortung an Unternehmen und Politik.
Das Beitragsdilemma gilt weiterhin als ein großes Hindernis. So sind nachhaltige
Aspekte sehr schwer zu kommunizieren, da erneut die angesprochenen Reaktanzen
entstehen, wenn eine Einschränkung der Freiheit wahrgenommen wird. Falls positive
Einstellungen bestehen, das ergaben die Aussagen der Befragten, werden durch das
Behaviour-Gap, ergo Nachlässigkeiten, die auch als der „innere Schweinehund“ be-
zeichnet wurden, viele gute Denkansätze und Vorsätze zunichte gemacht. Dies ist auch
den schnelllebigen Prozessen unserer Gesellschaft geschuldet, in der, wie es in der
Umfrage lautete „eine Waschmaschine, usw. einfach gebraucht [wird]“.
Unternehmerische Verbraucherkommunikation als solche hat einen miserablen Ruf. Der
Vorwurf der Manipulation und die sich einstellenden Ermüdungseffekte aufgrund eines
„overload“ an Informationen, auch im Hinblick auf den inflationären Gebrauch des
Begriffs „Nachhaltigkeit“ und der Präfixe „Öko“ und „Bio“, stärken die Ablehnung
gegenüber unternehmerischer Öffentlichkeitsarbeit. Hinsichtlich Kommunikation über
nachhaltige Inhalte trägt fehlende Expertise der Unternehmen vielen Teils dazu bei,
dass am Ende unbefriedigende Kampagnen herauskommen, denen es an Glaubwürdig-
keit mangelt und die von Verbrauchern oft als reines Greenwashing abgetan werden.
Doch genau diese Sensibilisierung sollten Unternehmen heutzutage besitzen. Die
Implikationen: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse
136
Befragten äußerten, sie hätten eine große Unsicherheit gegenüber Herstellungsbedin-
gungen und es fehle vielerseits an Transparenz, um Wertschöpfungsketten und Pro-
zesse korrekt einschätzen zu können. Aus dieser Intransparenz ergibt sich eine solch
enorme Unglaubwürdigkeit, sodass nunmehr kaum einem großen Unternehmen zuge-
traut wird, nachhaltig zu wirtschaften, bzw. glaubhafte Informationen in dieser Hinsicht
zu publizieren. So war der Begriff „Greenwashing“ der wohl meist genannte Begriff in
den offenen Antwortalternativen der Umfrage. Zudem fiel den Befragten negativ auf,
dass die Ausgaben für Marketing die für Nachhaltigkeit bei weitem übersteigen. Der
Einsatz von prominenten Personen als Testimonials, insbesondere gegen Gage, wurde
ebenfalls als unglaubwürdig bewertet.
Ferner kann allerdings resümiert werden, dass Kommunikation ein weicher Faktor ist,
der allein nicht alle Konsumenten überzeugen kann. Flankierend sind hier harte Fakto-
ren wie Steuern, Subventionen, entsprechende Angebote und viele andere von Belang.
Erfolgsfaktoren (Treiber)
Aufgrund der bewiesenen Affinität der jungen Zielgruppe zum Tauschen und Teilen
kann auf effektive Beispiele zu den Strategien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz
verwiesen werden, um nachhaltigen Konsum zu steigern. Die Tatsache, dass viele
Personen der Zielgruppe gemeinschaftlich wohnen, birgt außerdem eine Chance zur
gegenseitigen Beeinflussung im Konsum. Insgesamt besaß die Stichprobe eher positive
Einstellungen gegenüber nachhaltigen Aspekten. Dieses könnten genutzt werden, um
daraus effektive Verhaltensweisen zu machen.
Im Handlungsbereich Ernährung ist der faire Handel die Sparte mit dem vielleicht
größten Potential. Aufgrund des großen Zuspruchs für Fair-Trade, Solidarität und faire
Arbeitsbedingungen ergibt sich eine Chance, diesen Zuspruch in konkrete Konsum-
handlungen umzumünzen. Da ebenfalls die Zustimmung für regionale Produkte überra-
schend groß war, könnte die Gelegenheit genutzt werden, dieses Feld noch stärker zu
implementieren.
Was den Handlungsbereich Mobilität angeht, so könnte auch hier, bewiesen durch die
hohe Nutzung von Mitfahrgelegenheiten, die Affinität zum Teilen und Tauschen dafür
genutzt werden, ähnliche Portale und Möglichkeiten zu forcieren. Die Ausweitung der
CarSharing-Nutzung beispielsweise birgt in Anbetracht dessen ein enormes Potential.
Implikationen: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse
137
Anzunehmen, dass der Flugverkehr auf Dauer reduziert werden könnte, wäre wohl eine
Utopie. Allerdings ist es dringend notwendig, aufgrund der hohen Belastung an Modelle
zu denken, die die Folgen des Flugverkehrs dezimieren. Eines dieser Systeme wurde
mit atmosfair bereits genannt. Hier ist es Flugreisenden möglich, ihren CO2-Ausstoß
auszugleichen.
In Deutschland scheint der eigene Pkw fast „heilig“. Doch insbesondere bei der jünge-
ren Generation kann mit Hinweisen auf die immensen Kosten des Privatautos (vgl.
Kapitel 1.2c) und den hervorragenden Dienstleistungsangeboten auf dessen Entbehr-
lichkeit hingewiesen werden. Insbesondere ÖPNV-Betriebe, Car-Sharing-Anbieter und
viele weitere könnten auf diese Umstände hinweisen.
In den weiteren Handlungsfeldern fiel bei der Umfrage vor allem die geringe Quote an
Ökostrom-Beziehern auf. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser Umstand unter ande-
rem der undurchsichtigen Wechsel-Prozedur geschuldet ist. Hier könnte dem Verbrau-
cher mit einfacher Erklärung der Vorgehensweise ein Wechsel erleichtert werden.
Weiterhin konnten Faktoren identifiziert werden, die Konsummusterveränderungen
mittels Kommunikation forcieren könnten. Um die Berücksichtigung der Nutzung des
Leitmediums Internet kommen Unternehmen bei der Kommunikation nachhaltiger
Aspekte nicht herum. Dort ist es einfach, Kooperationen zu schließen und der Verbrau-
cher kann die Informationen sofort auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen, was zu
hoher Glaubwürdigkeit des Inhalts führen kann. Aus diesen und anderen Gründen
waren Online-Medien die in der Umfrage meist genannten Kommunikationsträger.
Klassische Medien können jedoch zur Hinleitung dienen. Eine weitere Möglichkeit in
vielen Handlungsfeldern bietet die Kommunikation am Point of Sale, da hier das Pro-
dukt direkt getestet und in Augenschein genommen werden kann. Guerilla-Marketing
kann nicht nur in der jungen Zielgruppe für eine hohe Aufmerksamkeit sorgen. Zudem
ist es preisgünstig und eignet sich für virale Kampagnen.
Situationen, in denen biographische Veränderungen erfolgen, wie ein Umzug, die
Geburt eines Kindes oder ähnliches, könnten genutzt werden, um Angebote zu kom-
munizieren. Zudem könnte die Strategie der Belohnung angewandt werden, um Kun-
den hinzuzugewinnen oder eine Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung herbeizu-
führen. Die Strategie der Partizipation, ergo die Einbindung der Konsumenten in die
Lösungsentwicklung kann zu einer hohen Relevanz für die Zielgruppe führen. Zudem
Implikationen: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse
138
könnte bereits im frühen Alter angefangen werden, Kinder und Jugendliche zu bilden,
um so nachhaltige Konsumenten von morgen zu erreichen.
Unternehmen könnten durch eine konsequente Ausrichtung auf Nachhaltigkeit Vorteile
generieren. Es hat sogar den Anschein, dass es künftig ein Muss für Unternehmen sein
wird, sozial und ökologisch verantwortlich zu handeln. Wie die Ergebnisse dieser
Umfrage gezeigt haben besteht anderenfalls die Gefahr, dass die Konsumenten in der
Form reagieren, dass sie die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens nicht
mehr beziehen und/oder anderen davon berichten. Um sich nachhaltig auszurichten
und letztlich darüber glaubwürdig kommunizieren zu können, kann ein Benchmarking
mit in dieser Hinsicht als vorbildlich geltenden Unternehmen durchgeführt werden.
Best-Practice-Beispiele dazu befinden sich in dieser Arbeit (vgl. Tabelle 9). Kommunika-
tive Beeinflussung von Konsummustern wurde in dieser Form von vielen der Befragten
noch eher selten wahrgenommen. Jedoch besteht ein dringender Wunsch nach mehr
Aufklärung. Im Zuge dessen könnten Einstellungen gegenüber Nachhaltigkeit und
dessen Konsummuster weiter verändert werden, um letztlich das Verhalten beeinflus-
sen zu können. Jedoch ist die vielfach erwähnte Lücke zwischen Wissen und Handeln
zu berücksichtigen.
Um die Zielgruppe zu erreichen, ist es unabdingbar, sich bei der Erstellung der Maß-
nahmen an der Zielgruppe zu orientieren, um für die diese eine Relevanz herzustellen.
Dies kann nur geschehen, indem die Zielgruppe verstanden wird. So könnten Konsu-
mentenkenntnis (Emotionen, Motivationen, Einstellungen und Verhalten), Lebens- und
Konsumstile, Consumer Insights, die Analyse der jeweiligen Kaufentscheidungen oder
das Segmentieren in klassische Zielgruppen für das Verstehen der zu erreichenden
Personen sorgen. Doch diese kommunikativen Äußerungen können verschiedenste
Interpretationen zur Folge haben und so missverstanden werden, wenn diese nicht auf
den Adressaten zugeschnitten sind.
Gemäß dem Elaboration Likelihood-Model gibt es zwei verschiedene Arten der Kommu-
nikation. Diese können gemäß der Fachliteratur dazu dienen, verschieden stark invol-
vierte Verbraucher anzusprechen. Oft herrscht jedoch lediglich die Wahl zwischen
Glaubwürdigkeit auf der einen und emotionaler, sympathischer Aufmachung auf der
anderen Seite.
Implikationen: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse
139
Wie bereits in den Hemmnissen dargelegt, ist die fehlende Glaubwürdigkeit die wohl
größte zu überwindende Hürde für eine konsummusterverändernde Nachhaltigkeits-
kommunikation. Insofern muss diese in jedem Falle hergestellt werden. Dies kann
durch Transparenz, Integrität und Commitment geschehen. Auch das Nutzen glaub-
würdiger Werbeträger und die Kommunikation durch glaubwürdige Testimonials kann
dies hervorrufen. Statt Testimonials als Kommunikatoren können auch Kooperationen
mit NGOs für Glaubwürdigkeit sorgen. Insbesondere deren Zertifizierungen mittels
Labels ist von eminenter Bedeutung. Realismus und Ehrlichkeit sind die Treiber der
Glaubwürdigkeit. Allerdings können emotionale Zusatznutzen gepaart mit dem funktio-
nalen Nutzen und einer attraktiven Vermittlung dieser Nutzenkombination durchaus
erfolgreich sein. Unter anderem können hierbei Reaktanzen vermieden werden und
Assoziationen mit positiven Aspekten forciert werden, denn letztlich kann eine solche
Kommunikation nur über Aufmerksamkeit und letztliche Sympathie geschehen. Für
Unternehmen als Kommunikatoren ist es also unabdingbar den Spagat zwischen
„ehrlicher Authentizität“ und „trendiger Attraktivität“ hinzubekommen, um glaubwürdig
und sympathisch zugleich zu sein.
Schlussbetrachtung und Ausblick
140
Schlussbetrachtung und Ausblick
1. Zusammenfassung der Arbeit
Gegenstand der vorliegenden Arbeit war die Untersuchung, wie es Unternehmen
erreichen können, durch das Mittel der Kommunikation Verbraucher zu einer nachhalti-
gen Konsumweise zu motivieren. Der Fokus lag auf der Identifizierung von Hemmnis-
sen und Erfolgsfaktoren für den Erfolg einer solchen Kommunikation.
Die Arbeit unterteilte sich in einen Theorie- und einen Empirieteil. Im theoretischen Teil
konnte Expertenwissen zu den drei Themenbereichen „Nachhaltigkeit und Konsum“,
„Konsumentenpsychologie/-soziologie“ und „Nachhaltigkeitskommunikation“ jeweils
intensive Einblicke liefern.
Hierzu war es zunächst notwendig zu definieren, was unter einer nachhaltigen Kon-
sumweise zu verstehen ist. Im Zuge dessen wurden nachhaltige Konsummuster im
Kontext des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung definiert, analysiert und sowohl
Strategien und konkrete Handlungsweisen als auch strukturelle Hürden für einen öko-
sozial verträglichen Konsum herausgearbeitet (Kapitel 1). Hier zeigte sich, dass der
Fokus einer Betrachtung des komplexen Konzepts der nachhaltigen Entwicklung stets
Schlussbetrachtung und Ausblick
141
auf einem bestimmten Bereich liegen muss, um die Umsetzbarkeit zu gewährleisten.
Da mithin die größten Probleme und Hindernisse für eine nachhaltige Entwicklung im
Bereich des Konsums liegen, konnte konstatiert werden, dass das Ziel eines nachhalti-
gen Konsums einen bedeutenden Faktor darstellt. Denn neben dem Konsum nachhaltig
hergestellter Waren und Dienstleistungen stehen auch die Nutzung und Entsorgung,
sowie informeller Konsum und Verzicht in diesem Fokus.
Darauf folgend konnten Einblicke in die Konsumentenpsychologie aktivierende Prozesse
identifizieren und verschiedene Kaufentscheidungen erläutern, in denen sich Verbrau-
cher im Alltag wiederfinden. Bezüglich der soziologischen Betrachtung der Thematik
wurden die Konzepte der Lebensstile und Konsumstile auf das Themenkonstrukt
angewandt. Eine erneute Begutachtung von Erfolgsfaktoren und Hemmnissen konnte
Chancen und Risiken aufzeigen, einen nachhaltigen Konsum in einer Zielgruppe zu
implementieren (Kapitel 2). Diese Vorgehensweise konnte Möglichkeiten aufzeigen, die
komplexen sozialpsychologischen, aktivierenden Prozesse der Verbraucher zu verste-
hen. Weiterhin herrschen verschiedene Lebens- und Konsumstile sowie an die Kaufent-
scheidungen, die durch Sozialforschung identifiziert, interpretiert und letztlich genutzt
werden könnten.
Im letzten Teil der theoretischen Betrachtung wurde dem Themenkonstrukt das Mittel
der Kommunikation hinzugefügt und mit den bisherigen Erkenntnissen auf Umsetzbar-
keit geprüft. Der Fokus lag hier auf einer Identifizierung von bestimmten Vorausset-
zungen für unternehmerische Kommunikation über nachhaltige Aspekte sowie der
strategischen, inhaltlichen und instrumentellen Umsetzung. Auch hier wurden letztlich
Hemmnisse eines solchen Vorhabens abgesteckt (Kapitel 3). Kommunikation stellt
demnach eines der wichtigsten Mittel zur Erreichung nachhaltiger Konsummuster dar.
Allerdings gelten bestimmte Bedingungen, um Glaubwürdigkeit und letztlich Akzeptanz
der Kommunikatoren und der Kommunikationsmaßnahme selbst zu erreichen. Es
können weiterhin verschiedene Strategien rationaler und emotionaler Art umgesetzt
werden, um nachhaltige Inhalte zu kommunizieren.
Der empirische Teil konnte unter anderem in Form einer Hypothesendiskussion das
Expertenwissen auf effektive Konsistenz prüfen. Weiterhin konnte er Einblicke in die
Zielgruppe deutscher Studenten bezüglich ihrer Motive und Einstellungen, Wünsche
und Verhaltensweisen hinsichtlich Nachhaltigkeit und Konsum bieten. Hierzu wurde auf
Schlussbetrachtung und Ausblick
142
Basis der quantitativen Daten die Stichprobe/Zielgruppe charakterisiert, Einstellungen
gegenüber nachhaltigem Konsum und nachhaltigkeitsorientierter Kommunikation
bestimmt sowie ein grober Status quo der Konsummuster der Befragten herausgefun-
den.
Die Hypothesen prüften, ob die aus der Theorie stammende Annahme stimme, Nach-
haltigkeitskommunikation müsse eine bestimmte Glaubwürdigkeit besitzen und die
Konsumenten müssten unterschiedlich angesprochen werden, damit die Maßnahme
wirksam sein könne. Die Befragten befanden sich durchschnittlich im Alter von Mitte
Zwanzig und kamen aus den verschiedensten Fachbereichen. Deren Einstellungen
hatten durchaus einen sehr nachhaltigen Charakter und auch das befragte Konsumver-
halten war in vielen Teilen sehr stark nachhaltig geprägt. Insofern konnte ihnen ein
hohes Involvement in Bezug auf Nachhaltigkeit bescheinigt werden. Allerdings zeigten
sie auch einige entscheidende Defizite in der Konsumweise. Zu häufiges Fliegen,
Fleischgenuss und eine geringe Quote von Ökostrom-Nutzern untermauert dies.
Familie, Freunde und Nichtregierungsorganisationen wurde häufig geglaubt, Unter-
nehmen, der Politik sowie Prominenten weniger. Vor allem der Vorwurf des Green-
washings bescheinigte den kommunizierenden Unternehmen eine fehlende Glaubwür-
digkeit, die deren Inkonsequenz und Kurzsichtigkeit geschuldet ist. So gaben die
Befragten an, nachhaltiger zu handeln, wenn Unternehmen diese Defizite abstellen
würden und als gutes Beispiel voran gingen. Obwohl Tendenzen bestanden, konnte auf
Basis statistischer Tests nicht bewiesen werden, dass ein Zusammenhang zwischen
Involvement des Verbrauchers und einer bestimmten Art von Kommunikation besteht.
Insofern konnte eine der beiden Hypothese bestätigt werden. Ein herausragender
Befund waren die gehäuften Nennungen von Hindernissen für einen nachhaltigen
Konsum, eine Konsummusteränderung und der Überzeugung durch Kommunikations-
maßnahmen.
2. Wissenschaftliche Konsequenzen und Forschungsbedarf
Da der Stand der Forschung in dem bearbeiteten Bereich noch nicht besonders fortge-
schritten ist, kann diese Arbeit einen relevanten Beitrag zu diesem Thema leisten. Die
vorliegende Arbeit konnte zwar Zusammenhänge zwischen unternehmerischer Ver-
braucherkommunikation und der Motivation der Verbraucher zu nachhaltigem Konsum
Schlussbetrachtung und Ausblick
143
identifizieren, jedoch bedarf es über diese Zusammenhänge hinaus weiterer vertiefen-
der und komplementärer Studien um den Themenbereich aussagekräftig evaluieren zu
können. Die in diesem Rahmen vorgenommene Abhandlung über Voraussetzungen,
Strategien, Inhalte sowie sonstige Erfolgsfaktoren und Hemmnisse können als Basis für
diese weiterführenden Untersuchungen dienen.
Vorzugsweise könnten diese tiefer gehenden Betrachtungen in interdisziplinären
Projekten durchgeführt werden, um verschiedenartige Positionen und Expertise mit zu
berücksichtigen. Hier könnten beispielsweise durch intensive qualitative Forschung
konkrete Zielgruppen-Cluster identifiziert werden, die sich durch bestimmte Kommuni-
kation ansprechen ließen. Weiterhin könnte herausgefunden werden, welche Eigen-
schaften diese Kommunikation konkret besitzen müsste um für die einzelnen Zielgrup-
pen erfolgreich zu sein. Was während dieser Arbeit mittels Alternativhypothese zwei
(vgl. Abbildung 23, S. 81) lediglich angerissen wurde, könnte also beispielsweise im
Zuge einer Promotion oder gar übergeordneter Forschung ausgeweitet werden. So
könnte die Überprüfung der Hypothese durch eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung
mit breit gefächerter Involviertheit der Befragten über die verschiedenartige Ansprache
der Gruppen erreicht werden.
Qualitative Sozialforschungsansätze wie Gruppendiskussionen oder Interviews könnten
ohnehin einen tieferen Einblick in die motivationalen Ansatzpunkte für nachhaltigen
Konsum oder Ursachen für Hemmnisse sowie tief sitzende Einstellungen und Consumer
Insights geben. In diesem Zusammenhang ist es jedenfalls ratsam, sozialwissenschaft-
liche Expertise mit einzubeziehen.
Weiterhin ist es zwingend erforderlich, die Bedeutung und Inhalte von Nachhaltigkeit,
bzw. nachhaltigem Konsum eindeutig festzulegen, damit keine Unstimmigkeiten mehr
entstehen können, was nachhaltig ist und was nicht. Als Beispiel kann die Energiespar-
lampe dienen, die zwar Energie einspart, aber sowohl durch ihre fehlende Wärmeent-
wicklung (im Vergleich zur Glühbirne) als auch durch ihren quecksilberhaltigen Inhalt
umstritten ist.
Dass die Gesellschaft durch eine zunehmende Motivation der Verbraucher für nachhal-
tige Konsummuster profitieren würde, gilt als vorausgesetzt. Doch es ist weiterhin
zwingend zu eruieren, welches Potential diese spezielle Verbraucherkommunikation für
die kommunizierenden Unternehmen haben kann. Dies stellt einen wichtigen Faktor
Schlussbetrachtung und Ausblick
144
dar, da Unternehmen keine solchen Kommunikationsmaßnahmen durchführen würden,
wenn sie nicht auch einen gewissen Mehrwert durch dieses Vorkehrungen erwarten
können. Es muss sich also mutmaßlich um eine Win-Win-Situation handeln. Bei solch
einem potentiellen Effekt könnte es sich beispielsweise um eine Imageverbesserung
handeln. Diese und weitere mögliche Effekte sind herauszufinden.
Das Konzept des CSR (Corporate Social Responsibility) wird in der vorliegenden Arbeit
nur am Rande erwähnt und könnte noch weitere Ausweitung erfahren, da CSR zur
Glaubwürdigkeit und Integrität der Verbraucherkommunikation beiträgt. Dieser mögli-
che Prozess könnte zu einer flankierenden Strategie werden, da es Unternehmen, wie
die Ergebnisse dieser Abhandlung zeigen, an eben dieser Glaubwürdigkeit mangelt.
Der Eberle’sche gesellschaftliche Handlungsbereich (vgl. Kapitel 1.2a), in dem der Staat
und weitere Institutionen die Rahmenbedingungen schaffen, könnte mithilfe weiterer
Forschung ebenfalls durchleuchtet werden. Hier wäre es interessant zu erforschen,
inwieweit dieser Bereich ebenfalls Maßnahmen und Möglichkeiten entwickeln könnte,
nachhaltige Konsummuster attraktiver zu machen.
Eine der wichtigsten Strategien für eine nachhaltige Entwicklung im Konsum ist wohl
der Konsumverzicht – die Suffizienz. Zwar ist diese schwierig zu kommunizieren, doch
ist sie zwingend notwendig, damit die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung erreicht
werden können. Von eminenter Bedeutung ist es, herauszufinden, ob und wenn ja wie
Konsumverzicht in den Köpfen der Menschen Einzug halten kann. Im Zuge dessen ist
auch eine Umverteilung von materiellen Gütern zu immateriellen eine höchst interes-
sante Thematik. Insgesamt kann dieser Bereich als ein Systemwandel beschrieben
werden, in dem neue Konsumformen in den Alltag der Menschen gelangen. Dieser ist
meiner Ansicht einer der wichtigsten und spannendsten Bereiche.
Außerdem ist die Frage, wie Hemmnissen für nachhaltige Konsummuster entgegenge-
wirkt werden kann ein sehr wichtiges Forschungsgebiet. Insbesondere die Überwin-
dung des Behavior-Gap scheint hier die zentrale Aufgabe. Durch welche Maßnahmen
Konsumenten konsistenter ihren Einstellungen entsprechend handeln würden, müsste
durch angewandte Experimente der Sozialforschung herausgefunden werden.
Letztlich gibt es in Bezug auf die Themenbereiche Nachhaltigkeit, Konsum und Kom-
munikation einen enormen Forschungsbedarf. Insbesondere die nachhaltige Entwick-
Schlussbetrachtung und Ausblick
145
lung wird aufgrund verschiedenster Problemlagen wie Ressourcenknappheit, Klima-
wandel, Müllüberfluss und der rasch zunehmenden Erdbevölkerung in jedem For-
schungsbereich relevant werden. Diese Tatsache manifestiert die Annahme weiterhin,
dass sich Nachhaltigkeitsforschung vermehrt auf interdisziplinärer Ebene abspielen
muss, um alle Faktoren mit einzubeziehen.
Auch das steigende Konsumbedürfnis weltweit, welches im Zuge des Bevölkerungs-
wachstums und der Entwicklung von Schwellen- und Entwicklungsländern weiter
wachsen wird, wird uns vor immer neue Fragen stellen, auf die, auch wissenschaftlich,
Antworten gefunden werden müssen.
3. Konsequenzen für die unternehmerische Praxis
Wie in dieser Arbeit gezeigt, können Unternehmen neben öko-sozialem Engagement
auch kommunikativ in Form von motivationaler Nachhaltigkeitskommunikation zu dem
Paradigmenwechsel hin zu einer Gesellschaft mit nachhaltigerer Lebensweise beitra-
gen. Dies ist, wenn man die Verbraucher selbst befragt, sogar zwingend notwendig, da
sich diese erst danach in der Verantwortung sehen. Hierbei müssen mannigfaltige
Hemmnisse struktureller, aber vor allem sozialpsychologischer und kommunikativer Art
berücksichtigt werden.
Bevor Unternehmen konkrete Maßnahmen umsetzen, sollten sie ihre eigene Glaubwür-
digkeit beachten. Nicht umsonst ist das neudeutsche Wort “Shitstorm” Anglizismus des
Jahres 2011 geworden (stern.de 2012).25 Diese Entrüstung richtet sich vorwiegend
gegen Konzerne, Personen oder andere Institutionen. So kann eine allzu positive
Nachhaltigkeitskampagne diesen schnell zum Verhängnis werden, wenn sie von Ver-
brauchern als unglaubwürdig und falsch entlarvt wird. Der Prozess nimmt eine Eigen-
dynamik an und die Reputation des Unternehmens nimmt so unglaublichen Schaden.
Entsprechende Ehrlichkeit und Transparenz schützt vor solchen Problemen. Kooperati-
onen mit NGOs sowie Zertifizierung durch diese Institutionen können Bausteine für die
Errichtung von Glaubwürdigkeit darstellen.
Um für die zu erreichende Zielgruppe relevant zu sein, sollten kommunizierende
Unternehmen zudem versuchen, diese durch das Herausfinden von Insights oder
25 „Als "Shitstorm" wird die öffentliche Entrüstung im Netz bezeichnet, bei der sich Argumente mit Beleidigungen und Bedrohungen mischen, …“ (stern.de 2012)
Schlussbetrachtung und Ausblick
146
anderen Aspekten der Konsumentenkenntnis zu verstehen. Die Inhalte der Maßnah-
men sind dann dementsprechend an diese Eigenschaften anzupassen. Verbraucher
wollen überwiegend über die „richtige“ Konsumweise aufgeklärt werden. Um dies
hinzubekommen, sollten die Inhalte jedoch verständlich formuliert werden.
Reaktanzen sollten durch Verzicht der Präfixe „Öko“ und „Bio“ sowie der inflationär
verwendeten Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „nachhaltig“ vermieden werden. Ebenso
sollten Kommunikatoren darauf achten, in dieser Hinsicht keine Manipulationsversuche
durchscheinen zu lassen. Dies schürt letztlich gegenläufige Reaktionen, die nicht zu
überblicken sind.
Inhaltlich kann im Handlungsbereich Ernährung auf verstärkte Bewerbung von fair
gehandelten Lebensmitteln und regionalen Produkten zurückgegriffen werden. Im
Bereich Mobilität könnten die Folgen des Flugverkehrs thematisiert und auf den Aus-
gleich dieser Emissionen durch nachhaltige Handlungsweisen hingewiesen werden.
Auch der Nutzen von Privatautos könnte angesprochen werden. Hier sollte allerdings
aus Gründen der Reaktanz auf eine nicht allzu kritische Ausdrucksweise geachtet
werden. Ebenfalls bieten gemeinschaftlich genutzte Verkehrsmittel eine enorme Chan-
ce und könnten zum Thema gemacht werden. Aufgrund der Affinität junger Personen
an Angeboten des Teilens und Tauschens besitzen Car-Sharing und Mitfahr-Angebote
ein weiter ausbaufähiges Potential. Diese Affinitäten könnten weiterhin auch in ande-
ren Handlungsbereichen ausgeschöpft werden. Darüber hinaus ist der Bezug von
Ökostrom zu kommunizieren, da Einstellungen zu dieser Thematik häufig positiv sind,
die Nutzungsrate allerdings eklatant zurückliegt. Bei all diesen Maßnahmen sollten die
Kommunikatoren immer eine gute Mischung aus Attraktivität der Kommunikation und
wahrheitsgemäßen Inhalten beachten, um glaubwürdig und sympathisch zugleich zu
sein.
Aufgrund des ohnehin schon schlechten Rufes von unternehmerischer Verbraucher-
kommunikation sollten nicht nur Inhalte sondern auch Instrumente glaubwürdig sein.
Das Internet bildet mit seinen partizipativen Eigenschaften, der Interaktivität sowie der
Vielfalt der Inhalte und Angebote das Leitmedium dieser Generation. Jedoch können
andere Medien wie Guerilla-Aktionen (insbesondere bei junger Zielgruppe) und klassi-
sche Kommunikationsträger für Aufmerksamkeit sorgen und unterstützend auf Online-
Inhalte verweisen. Kommunikation am PoS könnte darüber hinaus Hemmnisse bei
Schlussbetrachtung und Ausblick
147
Verbrauchern abbauen und sie von der Qualität überzeugen. Insbesondere Partizipati-
on am Lösungsfindungsprozess kann zu einer hohen Wirkung führen. So ist zu prüfen,
inwieweit diese infrage kommen könnten.
Neben Inhalten und Instrumenten können Testimonials als Kommunikatoren für
Zielgruppenrelevanz und Aufmerksamkeit sorgen. Allerdings sollte bei dem Einsatz
solcher Kommunikatoren auf die Glaubwürdigkeit und deren Image geachtet werden,
da es bei diesen häufig zu Imagetransfers kommt.
Fehlende Expertise in Sachen Nachhaltigkeit sollte durch Schulung bestehender Mitar-
beiter in allen Unternehmensbereichen und/oder die Einstellung von Experten auf
diesem Gebiet abgebaut werden.
Eine konsequente Ausrichtung auf Nachhaltigkeit wird, wenn der Trend so weitergeht,
für Unternehmen unabdingbar sein, um von den Konsumenten nicht negativ beäugt
und bewertet zu werden. Noch können geradlinige Unternehmen mithilfe durchdachter
Kommunikationsmaßnahmen in diesem Bereich von der Öffentlichkeit als Pioniere
wahrgenommen werden und sich dadurch einen Vorteil verschaffen. Diese Zeit wird
jedoch bald vorbei sein. Dann sind alle „nachhaltig“ oder versuchen es zumindest zu
sein und es gilt, viel mehr Aufwand zu betreiben, sich gegen Kontrahenten durchzuset-
zen.
Um erfolgreich für sich und die Gesellschaft nachhaltigkeitsorientierte Verbraucher-
kommunikation als Impuls für Konsummusteränderungen zu kreieren, können bereits
erfolgreiche Unternehmen als Benchmarks dienen.
IV
Anhangsverzeichnis
Anhang A: Darstellung der Umfrage („look and feel“ des Fragebogens)
Anhang B: Weitere Daten der Umfrage
IX
Abbildung 45: Storyboard Spot 1: "Fünf einfache Dinge für den Klimaschutz"
Eigene Darstellung nach Deutschen Bahn AG (2011)
XII
Anhang B: Weitere Daten der Umfrage
Charakterisierung der Zielgruppe
Abbildung 47: Geschlechterverteilung
Abbildung 48: Altersverteilung
48,7% 51,3%
Geschlecht
männlich
weiblich
0,2%
12,3%
50,5%
27,5%
6,3%
3,2%
unter 18
18-21
22-25
26-29
29-32
über 33
0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0%
Alter
XIII
Abbildung 49: Fachbereich-Verteilung
Abbildung 50: Wohnsituation der Befragten
16,7%
4,9%
10,6%
2,9% 1,3%
39,4%
22,2%
1,9%
Fachbereich Gesellschafts- und Sozialwissenschaften
Sprach-, Kulturwissenschaften und Gestaltung
Mathematik und Naturwissenschaften
Medizin und Gesundheitswesen
Agrar- und Forstwissenschaften
Wirtschaftswissenschaften
Ingenieurwissenschaften
Rechtswissenschaften
21,0%
43,8%
23,7%
7,8% 3,8%
Wohnsituation
Allein lebend
In einer WG lebend
Mit PartnerIn zusammenlebendBei den Eltern lebend
In einem Studentenwohnheimlebend
XIV
Abbildung 51: Anteil der Studenten mit Kindern
Einstellungen der Zielgruppe gegenüber nachhaltigen Konsummustern
Abbildung 52: Wichtigkeit von Nachhaltigkeit für die Umwelt und die Menschen
5,1%
94,9%
Kinder
ja nein
65,9%
29,5%
3,8% 0,8%
Wichtigkeit von Nachhaltigkeit
Wichtig
Eher wichtig
Eher unwichtig
Unwichtig
n=528
n=528
XV
Abbildung 53: Zunahme der Wichtigkeit von Nachhaltigkeit in Zukunft
Abbildung 54: Gründe für nachhaltigen Konsum
70,6%
25,4%
2,8% 1,1%
Zunahme der Wichtigkeit
Trifft zu
Trifft eher zu
Trifft eher nicht zu
Trifft nicht zu
3,2%
30,3%
51,7%
55,9%
57,6%
61,0%
61,4%
71,6%
86,9%
Soziale Akzeptanz imFreundeskreis
Zeichen für die Politik setzen
Gifte vermeiden
Gutes Gewissen/Gefühl
Lebensqualität erhöhen
Gerechtere Welt fördern
Regionale Anbieter fördern
Nachfolgenden Generationen „gute“ Welt hinterlassen
Umwelt entlasten
0,0% 20,0% 40,0% 60,0% 80,0% 100,0%
Gründe für nachhaltigen Konsum
n=528
n=528
XVI
Verhaltensweisen der Zielgruppe hinsichtlich nachhaltigen Konsums
Abbildung 55: Anteil der Vegetarier/Veganer
Abbildung 56: Einkauf von Bio-Lebensmitteln
12,7%
87,3%
Ernährung vegan/vegetarisch
ja
nein
14,8%
49,8%
24,8%
10,6%
Nie
Selten (beigelegentlichen
Einkäufen)
Oft (bei fastjedem Einkauf)
Häufig (beijedem Einkauf)
0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0%
Einkauf von Bio-Lebensmitteln
n=528
n=528
XVII
Abbildung 57: Einkauf von Fair-Trade-Lebensmitteln
Abbildung 58: Einkauf von regionalen Lebensmitteln
20,6%
64,2%
13,3%
1,9%
Nie
Selten (beigelegentlichen
Einkäufen)
Oft (bei fastjedem Einkauf)
Häufig (beijedem Einkauf)
0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0% 70,0%
Einkauf von Fair Trade-Lebensmitteln
4,0%
44,3%
42,4%
9,3%
Nie
Selten (beigelegentlichen
Einkäufen)
Oft (bei fastjedem Einkauf)
Häufig (beijedem Einkauf)
0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0%
Einkauf von regionalen Lebensmitteln
n=528
n=528
XVIII
Abbildung 59: Besitz eines eigenen Pkw
Abbildung 60: Anzahl der Flüge pro Jahr
40,9%
58,9%
Eigener Pkw
ja
nein
27,3%
41,1%
18,0%
4,2%
4,2%
0,8%
4,5%
Nie
1 mal
2 mal
3 mal
4 mal
5 mal
> 5 mal
0,0% 5,0% 10,0% 15,0% 20,0% 25,0% 30,0% 35,0% 40,0% 45,0%
Flüge pro Jahr
n=527
n=528
XIX
Abbildung 61: Sonstige Konsummuster (Handlungsfeld übergreifend)
Lebensmittel Reisen Textilien
Alnatura Skoda .armedangels.&friends
Bauckhof TUI AG American Apparel
Ben & Jerry's viventura avocado store
BioGourmetBox/Frankfurt Volkswagen Benetton
Bionade WeltWeitWandern Caleb's Hill
Café Libertad Energie
H&M
ChiliQueen/Frankfurt co2online hessnatur
Chiquita e.on Jack Wolfskin
Club Mate Enercon Kuyichi
demeter ENERTRAGAG Lottis
frosta entega nudie Jeans co
Guayaki Yerba Mate Greanpeace Energy Otto
hachez Juwi patagonia
Hipp Lichtblick Plastikist90er.de
J.J.Darboven naturstrom Puma
Krombacher NORDEX Schießer
LandWert SOLON SE Timbaland
Lemonaid Stadtwerke Lemgo Trigema
14,4%
19,7%
25,0%
33,7%
46,8%
50,8%
68,4%
80,5%
81,3%
Verzicht aufchem.…
Second hand
Ökostrom
Recycling-Papier
Müllvermeidung
Achten aufLanglebigkeit
Energiespar-Lampen
Energiesparen
Mülltrennung
0,0% 20,0% 40,0% 60,0% 80,0% 100,0%
Sonstige Konsummuster n=528
XX
Lobetaler Bio-Joghurt Wagner - Solar VAUDE
lyons tea Geld und Investment
zündstoff GlOBAL STREET-
WAEAR
Neumarkter lammsbräu (Bio-Bier) EKK - Evangelische Kreditgenos-senschaft
Kosmetik
PREMIUM Cola/Café/Bier Ethik Bank. alverde
RAPUNZEL GLS-Bank Aveda
Ritter SPORT UmweltBank dm
Siebenkorn die Bäcker Bauen und Wohnen
Frosch
So green (Yogurt) Interface Inc. Henkel
Speewälder Gurken ARIS Regenwassernutzungssys-
teme
Lush
Starbucks IKEA Reinigung
Unilever Abfall
Rossmann
zotter Duales System Deutschland The Body Shop
LEH EPEA Weleda
Aldi Sonstiges Yves Rocher
Bio Company BASF Elektronik
GEPA BAYER BOSCH
LPG DHL Asus
Reformhaus Ecosia Deutsche Telekom AG
REWE F.C.Bayern München AG HP
tegut KWS SAAT AG Panasonic
Mobilität und Reisen LIQUI MOLY Siemens
AIDA Cruises Memo AG
BMW schrot und korn
Chamäleon Reisen Tetra-Pack
Deutsche Bahn Unicos
Lernidee Erlebnisreisen Verband: Unternehmensgrün
Nonprofit
Oxfam
Greanpeace
LiFE SAVERS
Viva con Aqua
Vivaconagua
Tabelle 9: Antworten auf die offene Frage nach best-practice-Unternehmen für Nachhaltigkeit
XXI
Politiker Musiker TV/Film Autoren Unternehmer Sonstige
Al Gore (10) Bono (6) Leo di Caprio
(3)
Jean Ziegler
(3)
Michael Braungart
(4) (Cradle-to-Cradle)
Der Dalai
Lama (4)
Hans-Christian
Ströbele (7)
Thomas D.
(4)
Peter Lustig
(2)
Dr. Vandana
Shiva (3) Dirk Rossmann
Michael
Pritchard
Hermann Scheer (5)
Die Ärzte (2)
Jamie Oliver (2)
Frank Schätzing
Ernst Prost (Chef von Liqui Moly)
Barbara Unmüßig
Klaus Töpfer (4) Shakira Hannes Jännicke (2)
Carl Wolmar Jakob von Uexküll
Franz Fehrenbach, CEO von Bosch
Rüdiger Nehberg
Joschka Fischer (3)
Cosma-Shiva Hagen
Michael Moore Tim Jackson Anita Roddick, ehem. Chefin von The Body Shop
Reinhold Messner
Norbert Röttgen Udo Lindenberg
Bernhard Grzimek
Jonathan Safran Foer
Claus Hipp Phillip Lahm
Horst Köhler Peter
Maffay
Dieter
Hildebrand Franz Alt
Thila Bode,
Geschäftsführerin Food Watch
Mahatma
Ghandi
Cem Özdemir
Timothy
Zachary Mosley
Anke Engelke Angelika
Zahrnt
Casey Sheahan,
CEO von patago-nia
Margot
Käßmann
Ernst-Ulrich von Weizsäcker
Bob Geldof Prof. Dr. Schellnhuber
Heinz Fuchs (Transfair)
David McTag-gart
Sven Giegold Jan Delay David Suzuki
Kurt A. Körber (ehem. Unter-nehmer und
Initiator)
Paul Watson
Jürgen Trittin Helge
Schneider
Wolfgang Gutberlet (Grün-
der tegut)
Genannte
Professoren:
Boris Palmer Paul McCartney
Prof. Dr. Wolfgang
Lucht
Anthony Lake Rise Against
Prof. Dr. Niko Paech
Claudia Roth Prof. Dr. Harald Wilde
Angela Merkel Wubbo Ockels
(Nl)
Renate Künast
Tabelle 10: Antworten auf die offene Frage nach Testimonials für nachhaltigen Konsum
XXII
Überprüfung von H2:
Abbildung 62: Sympathie der Spots
Abbildung 63: Wahrscheinlichkeit einer Konsummusteränderung in nachhaltiger Richtung
nach den Spots
46,1%
62,1%
Spot:"Think Blue"
Spot:"Fünf einfache Dinge für den Klimaschutz"
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
Wahrscheinlichkeit einer Konsummusteränderung nach Schauen des Spots
n=527
n=527
63,6%
81,8%
Spot:"Think Blue"
Spot:"Fünf einfache Dinge für den Klimaschutz"
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%
Sympathie der Spots
XXIII
Abbildung 64: Wahrscheinlichkeit einer Sympathie-Steigerung gegenüber dem Unterneh-men/Produkt/der Dienstleistung
Abbildung 65: Korrelation von Kombination (1)
44,6%
55,0%
Spot:"Think Blue"
Spot:"Fünf einfache Dinge für den Klimaschutz"
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%
Wahrscheinlichkeit einer Steigerung der Sympathie für das Unternehmen/das Produkt/die Dienstleistung
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
0 2 4 6 8 10 12
Sym
pat
hie
Sp
ot
1
Nachhaligkeitsinvolvement
n=527
XXIV
Abbildung 66: Korrelation von Kombination (6)
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
0 2 4 6 8 10 12
Wah
rsch
ein
lich
keit
Ste
iger
un
g d
er
Sym
pat
hie
de
s U
nte
rn./
des
Pro
d./
der
DL
Spo
t 2
Nachhaltigkeitsinvolvement
XXV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Konzeptionelle Grundlage: Unternehmerische
Nachhaltigkeitskommunikation ....................................................... 3
Abbildung 2: Aufbau der Arbeit .......................................................................... 5
Abbildung 3: Globale ökologische Fußabdrücke .................................................... 9
Abbildung 4: Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ........................................ 10
Abbildung 5: Handlungsfeld nachhaltiger Konsum .............................................. 15
Abbildung 6: Strategien zur Förderung nachhaltiger Entwicklung ......................... 17
Abbildung 7: Die gängigsten Lables für die ökologische Landwirtschaft ................ 20
Abbildung 8: Die Maslow'sche Bedürfnispyramide .............................................. 34
Abbildung 9: Zusammenhang zwischen Einstellungen und Verhalten ................... 36
Abbildung 10: Der Weg zur präferierten Marke .................................................. 39
Abbildung 11: SINUS-Milieus in Deutschland 2010 ............................................. 40
Abbildung 12: Kosten-Nutzen-Verhältnis nachhaltigen Konsums .......................... 48
Abbildung 13: Arten der Nachhaltigkeitskommunikation...................................... 55
Abbildung 14: Das Lasswell'sche Kommunikationsmodell in Anwendung auf
Marketing im Nachhaltigkeitskontext ............................................ 55
Abbildung 15: Definition von "nachhaltigkeitsorientierter
Verbraucherkommunikation für eine Änderung von
Konsummustern“ ....................................................................... 57
Abbildung 16: Instrumente zur Initiierung nachhaltigen Konsums ........................ 59
Abbildung 17: Consumer Insight-Findungsprozess ............................................. 63
Abbildung 18: Alternativhypothese H1 ............................................................... 65
Abbildung 19: Elaboration Likelihood Model (ELM) ............................................. 66
Abbildung 20: Gestaltungsformen von Nachhaltigkeitskommunikation .................. 67
Abbildung 21: Strategien sachlich-argumentativer
Nachhaltigkeitskommunikation .................................................... 69
Abbildung 22: Partizipative, nachhaltigkeitsorientierte Kommunikationsstrategie ... 72
Abbildung 23: Alternativhypothese H2 ............................................................... 81
Abbildung 24: Das Kommunikationsquadrat nach Schultz von Thun ..................... 87
Abbildung 25: Übersicht über die zu überprüfenden Hypothesen ......................... 93
Abbildung 26: Lebensphasen und Konsummusterbildung .................................... 96
Abbildung 27: Einschätzung der finanziellen Situation ...................................... 100
XXVI
Abbildung 28: Beeinflussung der Kaufentscheidung durch nachhaltige Kriterien .. 100
Abbildung 29: Hindernisse für nachhaltigen Konsum ........................................ 102
Abbildung 30: Institutionen, die die zentralen Impulse für nachhaltigen Konsum
setzten sollten ......................................................................... 104
Abbildung 31: Transportmittelnutzung für Kurzstrecken.................................... 105
Abbildung 32: Transportmittelnutzung für Fernstrecken.................................... 106
Abbildung 33: Wahrnehmung von nachhaltigkeitsorientierter
Verbraucherkommunikation, die Konsummuster verändern
möchte ................................................................................... 109
Abbildung 34: Wunsch nach mehr Aufklärung in Sachen Nachhaltigkeit mit
konkreten "richtigen" Verhaltensweisen ..................................... 109
Abbildung 35: Bewertung der Aussage: "Unternehmen investieren mehr Geld in
Marketing als in Nachhaltigkeit" ................................................ 111
Abbildung 36: Wertung: "Wenn Unternehmen mehr Geld in Marketing als in
Nachhaltigkeit investieren, ..." .................................................. 111
Abbildung 37: Wichtigkeit verschiedener Faktoren in nachhaltiger Hinsicht ......... 113
Abbildung 38: Glaubwürdigkeit der verschiedenen Institutionen ........................ 118
Abbildung 39: Bereitschaft zu nachhaltigen Konsummustern, wenn Staat und
Wirtschaft mit gutem Beispiel voran gingen ................................ 119
Abbildung 40: Aspekte zur Motivation zu nachhaltigem Konsum ........................ 120
Abbildung 41: Wichtigkeit von Faktoren bei der Suche nach Informationen zu
Produkten/Dienstleistungen ...................................................... 120
Abbildung 42: Reaktion bei negativen Erfahrungen oder schlechtem Image
eines Unternehmens/Produktes/einer Dienstleistung ................... 121
Abbildung 43: Eigenschaften der Spots ........................................................... 123
Abbildung 44: Relative Häufigkeitsverteilung des Nachhaltigkeitsinvolvements .... 126
Abbildung 46: Storyboard Spot 1: "Fünf einfache Dinge für den Klimaschutz" ........ IX
Abbildung 47: Storyboard Spot 2: "Think Blue." ................................................... X
Abbildung 47: Geschlechterverteilung .............................................................. XII
Abbildung 48: Altersverteilung ........................................................................ XII
Abbildung 49: Fachbereich-Verteilung ............................................................. XIII
Abbildung 50: Wohnsituation der Befragten .................................................... XIII
Abbildung 51: Anteil der Studenten mit Kindern................................................ XIV
Abbildung 52: Wichtigkeit von Nachhaltigkeit für die Umwelt und die Menschen .. XIV
XXVII
Abbildung 53: Zunahme der Wichtigkeit von Nachhaltigkeit in Zukunft ................. XV
Abbildung 54: Gründe für nachhaltigen Konsum ................................................ XV
Abbildung 55: Anteil der Vegetarier/Veganer .................................................... XVI
Abbildung 56: Einkauf von Bio-Lebensmitteln ................................................... XVI
Abbildung 57: Einkauf von Fair-Trade-Lebensmitteln ....................................... XVII
Abbildung 58: Einkauf von regionalen Lebensmitteln ....................................... XVII
Abbildung 59: Besitz eines eigenen Pkw........................................................ XVIII
Abbildung 60: Anzahl der Flüge pro Jahr ....................................................... XVIII
Abbildung 61: Sonstige Konsummuster (Handlungsfeld übergreifend) ................. XIX
Abbildung 62: Sympathie der Spots ............................................................... XXII
Abbildung 63: Wahrscheinlichkeit einer Konsummusteränderung in nachhaltiger
Richtung nach den Spots ......................................................... XXII
Abbildung 64: Wahrscheinlichkeit einer Sympathie-Steigerung gegenüber dem
Unternehmen/Produkt/der Dienstleistung ................................. XXIII
Abbildung 65: Korrelation von Kombination (1).............................................. XXIII
Abbildung 66: Korrelation von Kombination (6)............................................... XXIV
XXVIII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Konsumstile in Bezug auf nachhaltigen Konsum ................................. 44
Tabelle 2: Merkmale von persönlicher Kommunikation und
Massenkommunikation..................................................................... 82
Tabelle 3: Medien-Mix für nachhaltigkeitsorientierte Verbraucherkommunikation... 86
Tabelle 4: Verteilung auf die Altersgruppen ....................................................... 98
Tabelle 5: Gründe für nachhaltigen Konsum .................................................... 101
Tabelle 6: Übersicht der mehrfach genannten best-practice-Unternehmen ......... 116
Tabelle 7: Überblick über die Punktevergabe für Nachhaltigkeitsinvolvement ...... 125
Tabelle 8: Übersicht der Korrelationen ............................................................ 127
Tabelle 9: Antworten auf die offene Frage nach best-practice-Unternehmen für
Nachhaltigkeit ................................................................................. XX
Tabelle 10: Antworten auf die offene Frage nach Testimonials für nachhaltigen
Konsum ....................................................................................... XXI
XXIX
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Eidesstattliche Versicherung
Ich versichere, die von mir vorgelegte Arbeit selbstständig verfasst zu haben. Alle
Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder nicht veröffentlichten
Arbeiten anderer entnommen sind, habe ich als entnommen kenntlich gemacht.
Sämtliche Quellen und Hilfsmittel sind angegeben. Die Arbeit hat mit gleichem bzw. in
wesentlichen Teilen gleichem Inhalt noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen.
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