Post on 17-Sep-2018
OSKAR KOLLERDer Graphiker
München · Berlin · London · New York
OSKAR KOLLERDer Graphiker
Das späte Werk 1996–2003
Prestel
INHALT
HERBERT KOLLER
7 DER BLUMEN INNERE GESTALTLithographien von Oskar Koller 1996–2003
11 1996–2003 DRUCKGRAPHIK
56 MIT DEM OSKAR ZU ARBEITEN, WAR SCHÖN…Axel Voss im Gespräch mit Oskar Dörr, dem Steindrucker Oskar Kollers
62 DAS SCHWIERIGE WAREN SEINE SPEZIELLEN FARBENAxel Voss im Gespräch mit Hans Lennert, dem Offsetdrucker Oskar Kollers
LISA PU Y PLAT
72 DER SICHTBAREN WELT VERBUNDENEin Nachwort
77 ANHANG
DER BLUMEN INNERE GESTALTLithographien von Oskar Koller 1996–2003
Es ist Anfang Winter, windig und ohne Schnee, schwarz und grau die Gestalten der Bäume.
Das Grau des Nebels schluckt das spärliche Winterlicht. Die späten Bilder meines Vaters, des
Nürnberger Malers Oskar Koller, waren oft auch nur schwarze Spritzer und dunkle Flächen, die
das Weiß des Büttenpapiers durchtränkten. In diesen mächtigen, oft expressiven dunklen Bild-
nissen der Stämme von Bäumen in Aquarell und Gouache, unterstrichen durch schwarze Krei-
destriche, zeigt sich deutlich der Einfluss seiner druckgraphischen Arbeit. Als ob die zähe
schwarze Druckfarbe in die leichte und leuchtende Aquarellmalerei, die sonst eher seine Welt
war, hineinfließen würde.
Die Winterzeit war für meinen Vater und meine Mutter oft die Zeit von Reisevorberei-
tungen.Weihnachten ging vorbei, auch Silvester, dann packte meinen Vater die Sehnsucht nach
Farben, das Fernweh, die Reiselust. Im Januar, im Februar fuhren meine Eltern oft in die Ferne.
Nach Bali, nach China, nach Mexiko und immer wieder nach Indien zu den bunten Farben, zu
den prachtvollen Festen und den unvertrauten Landschaften. Während hier daheim der
schwarz-weiße Winter die Farben äußerst wertvoll machte. In der Form von Amaryllis oder
Alpenveilchen erblühten sie eine Zeit lang im Wohnzimmer.
Amaryllis,Alpenveilchen,Schwertlilie,Tagetes,Stiefmütterchen,Geranien,Astern,um nur
einiges aus der Blütenfülle zu nennen,die für Oskar Koller zugleich Erlebnis und Motiv von Bil-
dern war, inspirierten ihn in Aquarell, in Acryl und nicht zuletzt in der Druckgraphik immer aufs
Neue. So ›porträtierte‹ er auch in seinem späteren lithographischen Werk die Blüten – dabei
wurde das Schwarz dünn und zärtlich, mit feinen Linien umfloss es die Konturen der Blüten.
Und wie ein vorgezogener Frühling, wie die erahnten, die erinnerten Sommerfarben, waren die
abschließenden Farbtupfer der Aquarellfarben, mit denen Oskar Koller die Lithographien voll-
endete. In diesen Lithographien vereinten sich die Mittel des Aquarells und die der Zeichnung.
In meinen Kinder- und Jugendtagen begleitete ich meinen Vater oft beim Drucken.
Manchmal – zugegebenermaßen, gar nicht so gerne, da ich stattdessen lieber beim Fußball-
spielen mit meinen Freunden meinem Bewegungsdrang nachgekommen wäre – half ich ihm
beim Nadeln und beim Wischen. Und ganz nebenbei habe ich viel gesehen und viel gelernt.
Dieses Wissen war mir später bei der eigenen Druckgraphik sehr hilfreich.
Den Menschen zugeneigt, sozial und gesellig, worüber schon oft geschrieben und
berichtet wurde, hat der Maler Oskar Koller die Natur als den Quell und die Inspiration seiner
7
HERBERT KOLLER8
Bilder betrachtet. Auch wenn er in der Auslotung der Bildmöglichkeiten oft das Gegenständ-
liche schon fast verlassen konnte, kehrte er doch wieder zum Primärerlebnis der Natur-
anschauung zurück. Die scheinbaren Wiederholungen und Variationen des gleichen Motivs
entsprechen dem beharrlichen Schöpfen aus dieser Basis. Die Natur, das Naturerlebnis
und die daraus resultierenden Erfahrungen blieben die Referenz seiner Bilder.
So zeigt sich in seinen späten Blumenbildern und vor allen in den Blumenlithogra-
phien, im gewachsenen Vertrauen zu seinen eigenen künstlerischen Mitteln, in der zunehmen-
den Sicherheit des Blicks und der Hand, in der Erfahrung und in der Beherrschung der Technik,
dass er sowohl die Vase als auch den Topf, sowohl den Vordergrund als auch den Hintergrund
weglassen konnte und im Glauben an die »innere Wahrheit« der Blume, wie er es selbst nann-
te, seine Mohnbilder so einfach und so beeindruckend gestalten konnte. Der rote Fleck, die
Gestalt der Blume, war ihm Bild genug. Hier wurde das verinnerlichte Erlebnis der Blume zu
dem äußeren Sichtbarsein des Bildes.
Die Mohnblume, in den Bildern seiner späteren Jahre, kam einer Entdeckung gleich. In
dieser Blume hat Oskar Koller das gesehen, was ihn schon immer an den Blumen fasziniert hat:
das Leuchtende der Farbe, das Fragile der Gestalt und das Zeitliche. Ist nicht gerade das
Vergängliche, das im Blick Vergehende gerade das Schönste? Zwingt uns die Zeit, die das
Zweidimensionale sprengt, nicht zu äußerster Abstraktion? Im Spannungsfeld zwischen
der Verpflichtung an das Schöne, das Gegenständliche, zu dem Oskar Koller sich bekannte,
und der von ihm tief empfundenen »geistigen Wirklichkeit« hinter den Dingen entsteht als
Bild die zeichenhaft anmutende Blumengestalt.
Dieses ihm eigene, einerseits reduzierende, anderseits den Ausdruck verstärkende Ver-
fahren zeigt sich auf andere Weise in der Beschäftigung mit dem zweiten zentralen Thema in
Oskar Kollers Werk, in den Bildern der Gestalten. Früher oft detailliert porträtiert, dann allei-
ne oder in Gruppen, noch später als Teil einer Menge, wurde die Darstellung der Menschen
immer entpersonifizierter. Hier ging er nicht nur in der malerischen Form ›abstrahierend‹ von
dem Bildnis des konkreten Menschen aus, sondern vor allem in der Auffassung vom Bildmotiv.
Die Menschen wurden nicht nur zu Bild-Figuren, sondern zu Bild-Gestalten. So nannte
er seine Blätter z.B. Sitzende, Gestalt vor Gelb oder Drei Gestalten.So auch in den Lithographien der
späteren Jahre. Hier bildeten vor allem die Einzelgestalten bzw. kleine, klar umrissene
Gestaltengruppen den Schwerpunkt des Interesses von Oskar Koller.
Im druckgraphischen Vorgehen gab es zwei Richtungen: farbige Lithographien in
größeren Auflagen und schwarz-weiße Lithographien mit Aquarell in kleineren Auflagen.
DER BLUMEN INNERE GESTALT9
In den schwarz-weißen Lithographien konzentrierte sich Oskar Koller auf jeweils einen Bild-
gegenstand. Das Ergebnis waren fein gezeichnete Lithographien in kleinen Auflagen, die im
Nachhinein auf verschiedene Weise mittels Aquarellfarben koloriert wurden.Im Unterschied zu
den in früheren Jahren entstandenen schwarz-weißen Lithographien, die entweder schwarz-
weiß belassen oder bestensfalls als ganze Auflage koloriert wurden, entstanden später Bilder,
in denen Oskar Koller das gedruckte Schwarz wie eine Vorlage verwendete. Oft entstanden
einzelne Blätter, die Oskar Koller als »1:1-Auflage« bezeichnete bzw. mit »Übermalung«
betitelte und wie reine Aquarelle behandelte.
In großen Auflagen entstanden lithographische Werke hauptsächlich mit Gestalten
(z.B. der Indien-Zyklus), die mit vielen Farben flächig übereinandergedruckt wurden. Ebenso
große Lithographieauflagen bestanden aus den Blumenbildern (z.B. die Mohn-Variationen),
die in wenigen Druckvorgängen mit einer auf klare und kräftige Farben reduzierten Palette her-
gestellt wurden. Hier hat Oskar Koller seine Erfahrungen, die er sowohl in der Aquarell- als
auch in der Acrylmalerei gemacht hat, beim druckgraphischen Verfahren angewendet.
All diese Entwicklungen konnte man beim Blättern im zweiten Band seiner Druckgra-
phik vorausahnen. In den in diesem Buch hervorgehobenen Blättern Geneigte Gestalt, Blumen vor
Rot (Titelbild) und in der schwarz-weißen Amaryllis bahnten sich die Entwicklungen der Folge-
jahre an. Die Ahnung von neuen Möglichkeiten, die er verwirklichen wollte, und das Verlangen
nach immer neuen Impulsen, das ihn zu Reisen in immer neue Länder animierte, führten zu
den in die Zukunft eilenden Visionen von neuen Bildern.
Sicher ist, dass Oskar Koller wie kaum ein anderer es verstand, das Erlebte und Erlern-
te immer wieder umzusetzen und es in seine Arbeit einzubringen.So befruchteten seine Erfah-
rungen in der Aquarellmalerei seine Acrylmalerei, diese dann wiederum die Druckgraphik und
so weiter in immer neuen, überraschenden Variationen. Denn es war nicht nur der immer wie-
der neue Blick auf das Alpenveilchen, der ihn zu neuen Bildern inspirierte, sondern auch der
Blick auf die eigenen ›Blätter‹, der ihn zu bildhaften Reflexionen über das Werk anregte und zu
neuen Bildern verführte.
Mir bleibt, einen herzlichen Dank auszusprechen an all jene, die am Entstehen dieses
Buches mitgewirkt haben und ohne deren Hilfe und Unterstützung der abschließende dritte
Band über die Druckgraphik meines Vaters, Oskar Koller, nicht zustande gekommen wäre.
Ein besonderer Dank gilt der Sparkasse Erlangen und der Kulturstiftung Erlangen.
HERBERT KOLLER, Meerbusch, im Januar 2007
1996 –2003
DRUCKGRAPHIK
1Blumenrhythmus,1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [51,5 x 32]Auflage 16
1
1996 –200312
DRUCKGRAPHIK13
2Zwei Amaryllis, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38Auflage 25
3Große Amaryllis, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [52 x 34]Auflage 22
4Amaryllis IV, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [52 x 35]Auflage 32
5Drei geöffnete Lilien,1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [51,5 x 33]Auflage 30
6Geschlossene Lilien,1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [52 x 34]Auflage 28
7Ginster, 1996Lithographie, schwarz-weiß 57 x 41 [49 x 34]Auflage 22
8Orchideenstock, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [52 x 34]Auflage 30
9Magnolienzweig, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [52 x 34]Auflage 30
2 3
987
4 5 6
10Amaryllis, abstrakt, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [50 x 34]Auflage 25
1996 –200314
10
11Blütenfülle (Lilien),1996Lithographie, schwarz-weiß 55 x 38 [48,5 x 33]Auflage 32
12Tulpe 3, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [51,5 x 32]Auflage 24
13Blumentopf, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38,5 [52 x 34,5]Auflage 20
14Geöffnete Lilie, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [49 x 31,5]Auflage 28
DRUCKGRAPHIK15
12
14
11
13
1996 –200316
15Baum im Herbst, 1996Lithographie, schwarz-weiß, mit Kreide 37,5 x 28 [30 x 21,5]Auflage 48
16Gekalkter Baum, 1996Lithographie, 7 Farben, mit Kreide55,5 x 38 [43 x 32]Auflage 90
15
DRUCKGRAPHIK17
16
17Blumen im Glas, 1996Lithographie, schwarz-weiß, mit Aquarell 36,5 x 19,5 [34 x 15,5]Auflage 45
18Iris, 1996Lithographie, schwarz-weiß, mit Aquarell 55,5 x 37,5 [52 x 31]Auflage 26
19Tulpen, 1996Lithographie, schwarz-weiß, mit Aquarell 56 x 38 [52 x 34]Auflage 14
20Amaryllis III, 1996Lithographie, schwarz-weiß 56 x 38 [52 x 34]Auflage 30
1996 –200318
1918
20
17
21Geranien, 1996Lithographie, 7 Farben38 x 56 [33,5 x 44]Auflage 100
DRUCKGRAPHIK19
21
1996 –200320
22Amaryllis, rot undschwarz, 1996Lithographie, schwarz-weiß, mit Aquarell 38 x 28 [34,5 x 24,5]Auflage 14
23Lysanthus, 1997Lithographie, 7 Farben56 x 38 [44 x 31]Auflage 100
24Blauer Blumentopf,1997Lithographie, 9 Farben56 x 38 [45,5 x 32,5]Auflage 100
22
24
23
DRUCKGRAPHIK21
25Mispelzweig, 1996Lithographie, schwarz-weiß, mit Aquarell 38 x 26 [34 x 23]Auflage 40
25
1996 –200322
26(Roter) Mohn, 1998Lithographie, 5 Farben,mit Kreide55,5 x 38 [43 x 30]Auflage 100
27Große Blüte, 1998Siebdruck38 x 28 [33 x 22]Auflage 65
28Violette Blüte, 1999Siebdruck60 x 40 [41,5 x 31]Auflage 90
29Gelbe Blüte, 1999Lithographie, 5 Farben56 x 38 [35 x 26,5]Auflage 80 + XX
30Große Blüte im Glas,1998Lithographie, schwarz-weiß, mit Aquarell 38 x 28 [34 x 22]Auflage 40
31Ginster, 1999Lithographie, 3 Farben56 x 38 [44 x 33]Auflage 100
26 27 28
29 30 31
DRUCKGRAPHIK23
32Oranger Mohn, 1999Lithographie, 6 Farben,mit Kreide und Aquarell56 x 38 [35 x 29]Auflage 100 + 10
32
UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE
Oskar Koller - Der GraphikerDas späte Werk 1996-2003
Gebundenes Buch, Pappband, 80 Seiten, 24,0x30,095 farbige Abbildungen, 32 s/w AbbildungenISBN: 978-3-7913-3816-3
Prestel
Erscheinungstermin: April 2007
Die Aquarelle von Oskar Koller haben mit ihrer Leuchtkraft und ihrem geradezu meditativenAusdruck die Welt erobert. Zum ersten Mal sind nun 120 druckgrafische Arbeiten seinesSpätwerkes in einem fulminanten Bildband zu bewundern. Mit scheinbarer Mühelosigkeit zaubertKoller auch in diesem Medium mit Farbe, sparsamen Strichen, Klecksen und der Kunst desWeglassens eine einzigartige Atmosphäre, die dem Betrachter viel Raum für die eigene Fantasiezugesteht. Die späten Werke, die in seinen letzten sieben Jahren entstanden sind, strahlen eine besondereEnergie und Kühnheit aus, die den Betrachter emotional berühren. Wer sich bisher dem Charmeseiner Bilder entziehen konnte, wird ihm spätestens jetzt erliegen!