PERSÖNLICHKEIT TEMPERAMENT und CHARAKTER Ein Überblick über neuere Forschungsansätze

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Samuel Pfeifer. PERSÖNLICHKEIT TEMPERAMENT und CHARAKTER Ein Überblick über neuere Forschungsansätze. Es gibt kein vergeblicheres Bemühen auf der Welt als den Versuch einer genauen Charakterschilderung. Theodore Dreiser, amerikanischer Schriftsteller (1871 - 1945). - PowerPoint PPT Presentation

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PERSÖNLICHKEITTEMPERAMENT und

CHARAKTER

Ein Überblick über neuereForschungsansätze

Samuel Pfeifer

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Es gibt kein vergeblicheres Bemühen auf der Welt als

den Versuch einer genauen

CharakterschilderungTheodore Dreiser, amerikanischer Schriftsteller

(1871 - 1945)

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Geschichte der Temperamente

a) angeborene Eigenschaften: Menschen sind grundsätzlich unterschiedlich, bedingt durch Körpersäfte / Gene.

b) Lebensgeschichte / Umwelt: Menschen sind grundsätzlich ähnlich; Unterschiede durch Sterne, Luft, Wasser, Ernährung oder -- soziale Erfahrungen.

Zwei grosse Tendenzen:

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Griechen und Römer

Temperament entsteht durch ein Gleichgewicht zwischen

vier Säften: gelbe und schwarze Galle, Blut und Schleim

warm und kalt trocken und feucht

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WasserNordenWinterSchleim

Phlegmatisch

ErdeWestenHerbst

Schwarze GalleMelancholisch

LuftOstenFrühlingBlutSanguinisch

FeuerSüden

SommerGelbe Galle

Cholerisch

Griechen und Römer

kalt feucht

trocken heiss

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TYP STÄRKEN SCHWÄCHEN

SANGUINIKER gesprächig, extrovertiert,begeisterungsfähig, warmherzigangenehm, freundlich, mitfühlend

willensschwach, ruhelos,undiszipliniert, übertreibendunzuverlässig, egozentrisch, laut

MELANCHOLIKER tiefgründig, analytisch, empfindsamperfektionistisch, ästhetischidealistisch, treu, aufopfernd

theoretisch, unpraktisch, ungeselligmürrisch, negativ, kritisch,rachsüchtig, steif

CHOLERIKER willensstark, entschlossen,unabhängig, optimistisch, praktisch,produktiv, führungs-begabt

dominant, zornig, grausam, stolzselbstzufrieden, unemotional,sarkastisch

PHLEGMATIKER ruhig, zuverlässig, konservativ,leistungsfähig, praktisch,diplomatisch, humorvoll,führungsbegabt.

geizig, ängstlich, unentschlossen,beobachtend, auf eigenen Schutzbedacht, selbstsüchtig, unmotiviert.

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Chinesisches System

Jahreszeiten Frühling Sommer SpätsommerHerbst WinterGefühle Zorn Freude BarmherzigkeitTraurigkeit AngstGeschmack sauer bitter süss salzig ätzendOrgane Leber Herz Milz Lunge Niere

Holz Feuer Erde Metall Wasser

Gehirn spielte keine Rolle! Lebensenergie Ch'i Yang (aktiv, initiativ, männlich) Yin (passiv, ergänzend, weiblich)

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Unterschiede Ost und West

Chinesen sahen Energie als variabel; deshalb weniger scharfe Trennung bei der Festlegung der Temperamente.

Westliche Kultur der Griechen und Römer glaubten viel mehr an stabile Typen. Die verschiedenen Säfte brauchten ein stabiles Gefäß.

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Drei Begriffe

Persönlichkeit Temperament Charakter

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Unter PERSÖNLICHKEIT verstehen wir überdauernde Muster der Wahrnehmung Muster des Beziehungsstils Muster des Denkens über die Umwelt und

über sich selbst.

1. Persönlichkeit

Aus allen diesen Denkschematas, Gefühlsregungen und Verhaltensmustern entsteht in komplexer Weise die Lebens- und Beziehungsgestaltung, die wir mit dem Begriff "Persönlichkeit" umschreiben.

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Vier Dimensionen:

Offenheit für neue Erfahrungen, Suche nach Neuem

Vermeiden von Schaden und Schmerz Abhängigkeit von Belohnung Ausdauer

2. Temperament

Diese sind insgesamt vererbt, zeigen sich früh im Leben und beinhalten vorbewußte (preconceptual) Verzerrungen im wahrnehmenden Gedächtnis und in der Gewohnheitsbildung.

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Unter Charakter verstehen wir diejenigen Eigenschaften einer Person, die sich im Verlauf des Lebens ausbilden.

und die persönliche und soziale Effektivität durch einsichtiges Lernen über das Selbstkonzept fördern.

Diese Selbstkonzepte variieren je nachdem, wie sehr sich eine Person versteht als …

3. Charakter

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Eigenständiges (autonomes) Individuum

als integraler Bestandteil der Menschheit

als integraler Bestandteil des Universums

Diese drei Selbstkonzepte korrelieren mit den drei Konzepten: Selbstbezogenheit Gemeinschaftssinn Selbsttranszendenz.

Charakter -- Fortsetzung

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1. NOVELTY SEEKING Freude am Entdecken

(exploratory excitability) vs. Rigidität Impulsivität vs. Reflexion Extravaganz vs. Reserviertheit Unordentlichkeit vs. Reglementierung

Vier Temperamentskalen (nach Cloninger)C

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2. HARM AVOIDANCE Vorauseilende Sorge vs. Optimismus Angst vor Unsicherheit vs. Vertrauen Schüchternheit vs. Geselligkeit Ermüdbarkeit und Asthenie vs. Lebenskraft /

Vitalität

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3. REWARD DEPENDENCE (Abhängigkeit von Belohnung und Zuwendung)

Gefühlsbetontheit vs. Unsensibilität Anhänglichkeit vs. Distanziertheit Abhängigkeit vs. Unabhängigkeit

Vier Temperamentskalen -- 2 C

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4. PERSISTENCE (Beharrlichkeit trotz Frustration oder Müdigkeit)

Beharrlichkeit vs. Unentschlossenheit

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1. SELF-DIRECTEDNESS (Selbständigkeit, Willenskraft, Zielorientiertheit) Verantwortung vs. Schuldzuweisung Zielorientierung vs. mangelnde Zielorientierung Ressourcen-Orientierung vs. Apathie Selbstannahme vs. Selbstunsicherheit Kongruente zweite Natur (willentlich erlernte

Haltungen sind nicht mehr anstrengend oder ich-dyston, sondern natürlicher Teil der Persönlichkeit) = erlernter Lebensstil (Adler)

Drei Charakter-SkalenC

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3)

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2. KOOPERATION (Gemeinschaftsgefühl) Soziale Akzeptanz vs. Intoleranz Empathie vs soziales Desinteresse Hilfsbereitschaft Anteilnahme vs. Rachsucht Positive Prinzipien (pure-hearted) vs. Suche

nach eigenen Vorteilen (self-advantage)

Drei Charakter-Skalen -- 2C

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3)

3. SELF-TRANSCENDENCE Staunen – Dankbarkeit Wissen um ein höheres Wesen vs. Selbst-

Isolation Spirituelle Akzeptanz vs. vernunft-orienterter

Materialismus

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nach

Fie

dler

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Jerome Kagan:Grundlage der Persönlichkeit ist der Grad der Ängstlichkeit oder der Freiheit von Angst

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1. Zurückhaltung bei spontanen Äußerungen gegenüber unbekannten Kindern und Erwachsenen.

2. Mangel an spontanem Lächeln gegenüber unbekannten Leuten

3. Relativ lange Zeit notwendig um sich in neuen Situationen zu entspannen

4. Beeinträchtigung der Erinnerung nach Stress5. Zurückhaltung, Risiken einzugehen und vorsichtiges

Verhalten in Situationen, die eine Entscheidung verlangen

6. Interferenz bei bedrohlichen Worten im Stroop Test7. Ungewöhnliche Ängste und Phobien 8. Starker Pulsanstieg bei Stress und beim Aufstehen9. Starker Anstieg des diastolischen BD beim Aufstehen10. Starke Pupillenerweiterung bei Stress11. Erhöhte Muskelanspannung12. Größere kortikale Aktivierung im rechten

Stirnhirnbereich13. Mehr Allergien14. hellblaue Augen häufiger

Eigenschaften gehemmter Kinder (im Vergleich zu ungehemmten Kindern)

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Physiologie und Gefühle eng miteinander verbunden; die Ausprägung physiologischer Reaktionen bei Säuglingen und Kleinkindern sagt etwas aus über ihre spätere Persönlichkeitsentwicklung. Studien zeigen, dass es schon in den ersten Tagen unterschiedliche Verhaltensmuster bei Neugeborenen gibt (z. B. Saugverhalten beim Wechsel von normalem Wasser zu gesüßtem Wasser = neuer Stimulus); zwei Jahre später erwiesen sich diejenigen Kinder, die am stärksten reagiert hatten, auch am sensibelsten der ganzen Gruppe.

Untersuchung

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Beobachtung

gehemmte vs. ungehemmte Kinder:

gehemmte Kinder habe eine intensivere Reaktion vom limbischen zum sympathischen Nervensystem als ungehemmte Kinder.

Reaktion auf Ungewohntes mit Zurückhaltung, Vermeiden, Verstummen und manchmal Weinen.

„Andere beginnen das Leben mit einer Physiologie, die es ihnen leichter macht, spontan, entspannt und eifrig im Erkunden von neuen Situationen zu sein.“

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500 Babies aus geordneten Mittelklass-Familien ohne extremes Gesundheitsrisiko (Alkohol, Dogen, Zigaretten) − Jungen = Mädchen; Erst- und Spätergeborene.

Beobachtung im Alter von 2, 4, 9, 14 und 21 Monaten und später mit 3 ½ Jahren.

Baseline: Jedes 4-monatige Kind wurde beurteilt, wenn es zufrieden in einem 60 ° geneigten Babystuhl saß. Nach dem Anlegen der Elektroden für das EKG bat die Untersucherin die Mutter, ihr Kind anzuschauen und zu lächeln, aber nicht zu sprechen, während die Herzfrequenz gemessen wurde.

Studien-Design

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Baseline Abspielen einiger Sätze von Tonband

(Frauenstimme) Drei farbige Mobiles vor dem Gesicht Ein Wattestäbchen mit Alkohol wird

unter die Nase gehalten eine fremde Stimme spricht ein paar

Silben ohne Sinn hinter dem Kind wird ein Ballon zerplatzt Rückkehr der Mutter (Baseline)

Neue Situationen

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Diese kurzen Handlungen führten zu unterschiedlichen Reaktionen:

Mobiles --- vermehrte Bewegungen, aufmerksames Beobachten.

Sätze, Silben: --- Zuhören, Plaudern -- aber bei 1/3 Angst vor den Silben Zuhören, ängstlich verzerrtes Gesicht, kurzer Schrei. (Angstauslösend: kein Gesicht sichtbar)

Wattestäbchen mit Alkohol -- am meisten Jammern, 1/3 motorisch aktiv und unruhig.

Ballon -- meist keine Reaktion, 1/3 plötzliche Bewegung (motorische Aktivität); 1/4 kurzes Weinen nach einer Pause von 5 - 6 Sekunden.

Reaktionsweisen der Kinder

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a) high-reactive (20 %): lebhafte Bewegungen bei 2 oder mehr Episoden, keine spontanen ungezielten Bewegungen sondern manchmal fast spastisch wirkend, gelegentlich mit einem Bogen des Rückens; zudem angespanntes unglückliches Gesicht; manchmal Weinen.

b) aroused (10 %): häufige, lebhafte Bewegung von Armen und Beinen, aber sie machten keinen Rückenbogen oder weinten.

c) distressed (25 %): weniger motorische Aktivität, aber zweimal oder mehr Weinen.

d) low reactive (40 %): blieben gelassen, bewegten manchmal Arm oder Bein, aber minimale Spastizität, kein Bogen, selten weinerlich. Lächelten häufiger.

Vier Typen

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gehemmt15 %

ungehemmt15 %

im Alter von 21 Monaten

im Alter von 7,5 Jahren:25 % (von 15 %) weiterhin gehemmt42 % (von 15 %) weiterhin ungehemmt

Einfluss des Geschlechtes: 12 v 14 sehr gehemmten Kindern waren Mädchen12 v 19 ungehemmten Kindern waren Jungen

FAZIT: eine positive Entwicklung bei gehemmten Kindern ist möglich, aber es besteht ein erhöhtes Risiko einer bleibenden Hemmung bzw. Ängstlichkeit (Neurotizismus)

Langzeitentwicklung verschiedene Studien

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• 18 % zeigen "low reactivity", wenig Angst und häufiges Lächeln („sanguinisch“)

• 8 % zeigen Anspannung, hohe Ängstlichkeit und seltenes Lächeln („melancholisch“)

"Es scheint, dass diejenigen Faktoren, die zur Abweichung vom vorhergesagten Angstniveau führen, bei den "low reactive" Kindern in erster Linie durch Umweltfaktoren, während sie bei "high reactive" durch Biologie und Umwelt bedingt sind.“

Soziales Verhalten: Angespannte Kinder lächeln deutlich weniger als entspannte Kinder.

Temperament schon mit 1 Jahr sichtbar

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1. einfach (easy)2. langsam auftauend (slow-to-warm-

up)3. schwierig (difficult)

Drei Konstellationen

unterscheiden: hat jemand nur Schwierigkeiten, warm zu werden in fremder Umgebung, oder ist jemand auch schüchtern in einer bekannten Umwelt?

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Unregelmäßigkeit biologischer Funktionen Rückzugsreaktionen angesichts neuer

Situationen und Menschen langsames Anpassen an Veränderungen hohe Intensität von Reaktionen negative Stimmungslage unregelmäßige Ess- und

Schlafgewohnheiten

Was macht einen Menschen „schwierig“?

Quelle: Möller-Streitbörger, W. (1995) Die "Farbe" der Persönlichkeit. Die Psychologie hat das Temperament wiederentdeckt. Psychologie Heute, März 1995, S. 20-29.

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Die Grundzüge des Temperaments sind vererbt und schon in der frühen Kindheit zu beobachten.

Das Temperament ist in Grenzen formbar.

Kinder mit einem ursprünglich stabilen Temperament werden in erster Linie durch negative Umwelteinflüsse ängstlicher und gehemmter.

Ein gutes Umfeld hilft ängstlichen (gehemmten) Kindern, sich zu entfalten, wenn auch in Grenzen.

Schlussfolgerungen

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www.seminare-ps.net