Post on 13-Mar-2016
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PlusMalMinus
Zwischen Punkt und Raster
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Schon immer versuchte der Mensch, die
Natur so gut wie möglich abzubilden. Die
ersten Zeichnungen und Drucke be-
schränkten sich noch auf reine Strichdar-
stellungen ohne die Erzeugung von Plasti-
zität oder Grautönen.1
Im Laufe der Geschichte wurden die Men-
schen immer raffinierter: Erst kolorierte
man noch per Hand, dann erfand man die
Schraffuren, die alle erdenklichen Formen
annahmen wie sich überkreuzende und sich
krümmende Linien. Nach dem Kupferstich
und der Radierung folgte die Lithografie, die
es ermöglichte, durch extrem feine, kaum
mehr wahrnehmbare Pünktchen Grautöne
zu simulieren.1
Mit der Erfindung der Fotografie perfektio-
nierte man schließlich die Wiedergabe der
Natur. Man konnte von nun an alles exakt so
abbilden, wie es das menschliche Auge sah.
Im Druck stehen allerdings keine fotogra-
fischen Mittel zur Verfügung, sondern man
muss weiterhin auf altbewährte Methoden
zurückgreifen: der Darstellung von Farbstu-
fen mit nur einer Farbe. Im Offsetdruck wer-
den daher immer komplexere und feinere
Simulationsmethoden entwickelt, denen
aufwändige Rechenprozesse zugrunde lie-
gen. Die Drucksachen sind heutzutage vom
Laien kaum von echten Fotos zu unterschei-
den. Der einzige limitierende Faktor ist noch
der zu bedruckende Untergrund. Selbst
Zeitungen sind bereits so gut gedruckt, dass
das klassische „Zeitungsraster“ der Vergan-
genheit angehört.1
Seit einigen Jahren hat sich allerdings das
eigentlich technisch bedingte Raster immer
mehr als Gestaltungsmittel durchgesetzt
und etabliert. Man spielt mit groben Rastern
und Effekten wie Moirés, die eigentlich bis-
her ein unbeliebtes Nebenprodukt von min-
derwertigen Drucksachen waren. Neueste,
für jeden zugängliche Software ermöglicht
es inzwischen sogar, eigene Rasterstruktu-
ren und Rasterelemente zu entwickeln.1
„Plus Mal Minus“ ergibt in der Summe ein
Medium, welches sowohl die technische
Seite von Punktrastern zeigen möchte, als
auch experimentelle Einsatzgebiete zeigt.
Im ersten Teil dieses Leporellos werden
Grundbegriffe von Rastern visuell anschau-
lich und begreifbar gemacht. Im zweiten Teil
wird das Raster experimentell in Verbindung
mit Typografie eingesetzt, wodurch inte-
ressante Phänomene einfach dargestellt
werden. „Plus Mal Minus“ steht für drei
essentielle Werkzeuge für die Erstellung
von Rastergrafiken: Addieren, Multiplizieren
und Subtrahieren. Punkte zu einem Raster
zusammenfügen, Raster überlagern und
Punkte in einem Raster reduzieren.
„Plus Mal Minus“ zwischen Punkt und Raster einmal ganz ohne Mathematik. Eine Leporello zwischen Technik und Experiment.
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Vorderseite
Raster
Punkt als Rasterelement
Punkte im Raster
Negatives Punktraster
Rasterweite
Rasterwinkel
Farben
Moiré Effekt
Rückseite
Zwischen Punkt, Raster und Experiment
Die runde Form ist optisch asozial
Ein Punkt ist genau das
Nah und Fern
Blickpunkt
Positiv und Negativ
Das kleine a ganz groß
Das Komma
79 Punkte
Aus
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Plus Mal Minus ist eine Semesterarbeit von Simon Wahlers, entstan-den 2008/09 im Atelier Print des Studiengangs Mediengestaltung an der Fachhochschule Vorarl-berg, Österreich. Betreut von Monika Schnell und Lutz Krause. Texte stam-men von Simon Wahlers, dem „Rasterblock“ (1, 2008 erschienen im Verlag Hermann Schmidt Mainz) und „Well Done, Bitte!“ (2, 2004 erschienen im Verlag Hermann Schmidt Mainz). Gesetzt in der DIN Regular und Light. Gedruckt und weiterverarbeitet mit Liebe in einer limierten Auflage von zwei Exemplaren.
Inhalt
Impressum
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Ein Raster kann zur Auswahl, Orientierung,
Sortierung oder Verteilung dienen oder
einfach bei der möglichst optimalen Aus-
nutzung von Räumen behilflich sein.
Oftmals ist uns der Einsatz von Rastern
im Alltag gar nicht bewusst. In der Archi-
tektur werden Raster genutzt um sinnvolle
Raumaufteilungen zu schaffen und effizient
zu bauen. In der Buchgestaltung werden
Raster erstellt um dem Leser ein möglichst
ruhiges und einfaches Navigieren und Lesen
zu ermöglichen. Im Druck wurden Ras-
ter ursprünglich verwendet um mit einer
einzigen Druckfarbe (Schwarz) abgestufte
Grauwerte darstellen zu können.
Auch dieses Leporello basiert auf einem
strengen Raster, auf dem sowohl Grafik als
auch Typografie angeordnet wird.
In der Regel haben Ras-ter, die als Druckraster verwendet werden eine feste Rasterbreite. Durch Variation der Rasterab-stände oder Auslassen von Rasterlinien, wie auf dieser Seite gezeigt wird können spannende, neue Raster entstehen.
Raster begegnen uns tagtäglich. Sie werden eingesetzt um Ordnung und Übersichtlichkeit zu schaffen.
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Raster
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Der Punkt, v. latein. punc-tus „Einstich“, hat unzähli-ge Bedeutungen und findet in verschiedensten Berei-chen seine Anwendung: Punkt als Satzzeichen, Punkt in der Geometrie, Punkt als Maßeinheit in der Typografie, Punkte in ei-nem Bewertungssystem.
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Das gängigste Rasterelement ist der
Punkt. Er wurde ursprünglich beim Einsatz
von technisch bedingten Rastern für den
Druck verwendet.
Natürlich kann man jede beliebige Form als
Rasterelement verwenden. Man unterschei-
det hierbei zwischen der Veränderung der
Form (des Rasterelementes) und der Dre-
hung dieses Elementes. Trotz technischer
Möglichkeiten ist und bleibt der Punkt im
Raster das Element, welches Druckraster
charakterisieren. Mit neuartigen Program-
men (wie beispielsweise „Vectoraster“) kön-
nen Raster mit eigenen Formen auf Vektor-
basis umgesetzt werden.
Punkt als Rasterelement
Durch die Aneinanderreihung von Punkten
als Rasterelement entstehen Flächen. Je
nach Betrachtungsabstand und Raster-
größe erscheinen diese als aneinander ge-
reihte Punkte oder verschwimmen zu einer
grauen Fläche.
Die Wahrnehmung dieser grauen Fläche
spiegelt sich im Grauwert eines Rasters
wieder. Je größer die Rasterelemente sind
desto höher der Grauwert. Wenn kein wei-
ßer Fleck mehr sichtbar ist, also die Fläche
vollständig mit Farbe bedruckt ist, spricht
man von einem Grauwert von 100%.
Im gegenüberliegenden Beispiel sind die Rasterele-mente exakt so groß, wie das Raster, also 1 cm, so-dass sich die Rasterelemte auf allen vier Seiten berüh-ren. Wenn dies der Fall ist beträgt der Grauwert exakt 78,5%, das heißt es ist 78,5% der Fläche mit Farbe bedruckt.
Punkteim Raster
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Negatives Punktraster
In diesem Beispiel sind die weißen Rasterelemente exakt so groß wie das Raster. Beim negativen Punktraster bedeutet dies, dass der Grauwert exakt 21,5% beträgt.
Das negative Punktraster ist im Prinzip das
gleiche wie das normale Punktraster, nur
mit invertierten Punkten.1
Auch hier gibt es einen Grauwert, der jedoch
genau umgekehrt zum normalen (positi-
ven) Punktraster funktioniert. Je größer
der Rasterelement, desto kleiner ist der
Grauwert der Fläche. Das heißt je größer
das Rasterelement, desto größer auch die
weiße Fläche und desto weniger Druckfar-
be wird auf das Papier aufgetragen. Ist also
das Rasterelement so groß, dass man keine
schwarze Fläche mehr sieht, erhält man
einen Grauwert von 0% (keine Farbe wird
gedruckt).
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Die Rasterweite wird in l/cm gemessen
und ist eine Maßeinheit dafür, wie viele
Rasterzellen (Rasterelemente) auf ein Zoll
passen. Je geringer die Rasterweite, umso
größer die Rasterzellen und somit die
Rasterpunkte.2
Im Beispiel beträgt die Rasterweite 0,1 l/cm,
das heißt pro 10 cm gibt das Raster nur eine
Zeile wieder. Auf der Folgeseite sieht man
ein Punktraster mit 5 l/cm, das heißt pro
Zentimeter werden 5 Linien abgebildet.
Für den Einsatz des Druckrasters als
Stilmittel wird oftmals eine größere
Rasterweite gewählt um den Effekt
„sichtbar“ zu machen.
0,1 l/cm
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Im deutschsprachigen Raum wird die Rasterweite üblicherweise in Linien pro Zentimeter (l/cm) ange-geben.Im englischsprachigen Raum wird diese Einheit in Linien pro Inch (lpi) ange-geben. Für die Umrechnung gilt: 1 Inch = 2,54 cm.
Rasterweitein l/cm
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
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5 l/cm
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RasterwinkelEine mögliche Änderung des Rasters ist
der Winkel. Dabei wird das gesamte Raster
in einem bestimmten Winkel gedreht. Da-
durch entstehen ganz neue Muster.
Beim Vierfarbendruck müssen die einzelnen
Farbraster in unterschiedlichen Winkeln zu-
einander stehen, damit keine unerwünsch-
ten Interferenzmuster entstehen (Moiré,
siehe Seite 20).2
Das Gehirn nimmt Winkel um 0 und 90 Grad
leicht wahr. Damit ein Raster so unauffäl-
lig wie möglich ist, dreht man es in einen
45-Grad-Winkel. Da Schwarz auf Papier die
größte Kontrastwirkung hat, wird es vom
Auge am stärksten wahrgenommen. Des-
halb ordnet man dem Schwarz den Winkel
zu, den das Gehirn am wenigsten regist-
riert, also 45 Grad. Gelb hat die schwächs-
te Kontrastwirkung und erhält daher den
störendsten Winkel, also 0 Grad. Zyan und
Magenta werden in Winkeln angeordnet, die
möglichst weit voneinander entfernt liegen.
Für den Offsetdruck empfiehlt man 45 Grad
für Schwarz, 15 Grad für Zyan, 75 Grad für
Magenta und 0 Grad für Gelb. So erhält man
eine gleichmäßige Verschiebung um 30 Grad
zwischen den drei auffallendsten Farben.2
Für die Verwendung des Rasters als Gestal-
tungselement können diese Werte bewusst
eingesetzt werden um Störungen oder eine
zurückhaltende Wirkung zu erzeugen.
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Cyan 15°
Magenta 75°
Gelb 0°
Schwarz 45°
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Moiré Effekt
Überlagert man zwei Raster, können ver-
schiedene Effekte entstehen. Diese nennt
man Moirés. In normalen Druckverfahren
unerwünscht, können sie wie die Raster
selbst gut als Gestaltungsmittel eingesetzt
werden. Moirés lassen sich am einfachsten
über unterschiedliche Rasterwinkelungen
erzeugen.1
Eine andere Möglichkeit, die oftmals einge-
setzt wird ist durch die Überlagerung unter-
schiedlicher Rasterweiten wie im Beispiel
rechts. Auf der nächsten Doppelseite wird
ein Moiré durch die Überlagerung in ver-
schiedenen Winkeln erzeugt.
Durch die Änderung des Grauwertes kann
man ebenfalls den Moiré Effekt beeinflus-
sen. Diese Attribute können beliebig überei-
nander angewendet werden, wodurch man
unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten
für Moirés erhält.
In diesem Beispiel werden zwei Raster mit unter-schiedlicher Rasterweite jedoch gleichem Winkel (0°) übereinander gelegt.Die Rasterweite des Grundrasters beträgt5 mm. Auf der folgenden Doppelseite wird ein Moiré Effekt durch verschiedene Rasterwinkel erzeugt.
Zwischen Punkt und Raster
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Im zweiten Teil dieses Leporellos werden
nun auf der Vorderseite erklärte Phänome-
ne in Form von Experimenten angewandt.
Durch die Experimente, welche alle in
Verbindung mit Typografie entstanden sind,
soll gezeigt werden, wie mit möglichst we-
nig Mitteln dennoch effektvoll gearbeitet
werden kann.
Auch dieser Teil ist auf eine Druckfarbe re-
duziert und hält sich streng an das vorgege-
bene Raster, welches sowohl für die gezeig-
ten Raster als auch für Layout konsequent
verwendet wird.
Die folgenden Arbeiten sollen zum Experi-
ment mit Druckrastern auch in Verbindung
mit Typografie animieren und die Vielseitig-
keit dieses Gestaltungselementes zeigen.
Das Prinzip „Plus Mal Minus“ wird in diesem
Teil durch die experimentelle Anwendung
noch deutlicher, da hier viel mit den Instru-
menten der Addition (Aneinanderreihung),
Multiplikation (Überlagerung) und Subtrak-
tion (Abziehen) gearbeitet wird.
Zwischen Punkt, Rasterund Experiment
Titel: Bei dieser Rastergra-fik wurden zwei gleich-mäßige Flächenraster als Grundlage verwendet. Das Raster mit dem geringeren Grauwert bildet den Hin-tergrund. Die Typografie wurde mit dem dunkleren Raster ausgefüllt. Dadurch entstehen diese geraden Kanten der Schrift, welche durch die Punkte dennoch mit dem Hintergrund ver-fließen.Programme: Vectoras-ter für die Erstellung der Flächen, InDesign für die Komposition.
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In diesem Experiment geht es um Lesbarkeit und Unlesbarkeit bei der An-wendung von Punktrastern. Erst bei der Betrachtung der Seite von einigen Me-tern Entfernung kann man erkennen, wie der Text lautet. Bei der Lesbarkeit spielt die Rasterweite, der Grauwert sowie der Rasterwinkel eine wichtige Rolle. Unter diesen As-pekten wurde dieser Text gerastert.Programme: Photoshop zur Erstellung des Rasters, Illustrator/InDesign zur Vektorisierung.Zitat: Kurt Weidemann
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Manuelles Setzen eines Rasters und daraus folgend einer Punktschrift. Vorlage für die Typografie ist die Pixelschrift „Smirnof“. Die Rasterweite ist hierbei lediglich 1 mm wodurch die Punkte mit einem Durch-messer von 0,5 mm fast als Einstiche wahrgenommen werden können.
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Oskar Perron, Mathematiker
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3333
Durch die Variation des Grauwertes verändert sich die Lesbarkeit bei kleinerer und größerer Distanz. Das Wort mit dem geringeren Grauwert kann lediglich aus nächster Nähe gelesen werden, das andere er-scheint jedoch aus weiterer Entfernung als angeneh-mer.Programm: Vectoraster zur Rasterung der Wörter.
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Vorige Seite: Moiré Effekt durch die Überlagerung zweier gleich weiter Raster mit unterschiedlichem Rasterwinkel. Der Schrift-Effekt wird durch eine minimale Abweichung der Punktgröße im Bereich der Buchstaben erzielt. Je geringer die Differenz zwischen Hintergrund und Text, desto erschwerter die Lesbarkeit.Programm: Vectoraster zur Erstellung beider Raster in unterschiedlichen Winkeln.
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Dieses Experiment sielt mit der Positiv- und Negativ-Form eines einfachen Punktrasters, wie es auf der Vorderseite gezeigt wurde. Es wird sowohl das eigentliche Rasterelement, der Kreis, als auch die Negativform, die zwischen den Kreisen entsteht, als Rasterelement genutzt und kombiniert eingesetzt. Durch die Überlagerung beider Worte entstehen neue grafische Formen. Grundlage für die Typogra-fie ist auch hier die Pixel-schrift „Smirnof“.Programm: Illustrator für die Erstellung der Ele-mente und das manuelle Zusammenfügen.
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Durch einen Rasterwinkel von 0 Grad sowie eines Quadrates, welches als Rasterelement verwen-det wird entsteht ein sehr grafisches und geradlini-ges Bild des Buchstabens. Es wurde gezielt ein sehr geringer Grauwert gewählt um die Leichtigkeit des Schriftschnittes zu unter-streichen. Durch die Nega-tivität der Grafik leuchten die Rasterpunkte optisch.Programm: Vectoraster zur Erstellung des Rasters.
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Eine Aussage wird verdeut-licht indem das Rasterele-ment gleichzeitig Inhalt der Aussage ist. In diesem Fall wurde eine Definiti-on eines Satzzeichens in einem Raster mit einzelnen Kommas als Rasterelement umgesetzt.Programm: Vectoraster zur Erstellung des Rasters.
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Als Grundlage für diese Pixelschrift diente die Schriftart „Smirnof“, wel-che manuell in ein Raster gesetzt wurde. Sowohl die Aussage als auch die Anzahl der Punkte stimmen in allen drei Fällen überein. Die Aussage wird somit auf zwei völlig verschiedenen Ebenen transportiert.
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Ausgangslage hierfür sind drei Buchstaben, welche auf ein sehr grobes Raster gesetzt wurden. Daraufhin wurde in jedem Rasterfeld manuell geprüft, wie viel Fläche durch die Buchsta-ben verdeckt wird. Wenn mehr als 50% verdeckt war, wurde das Rasterfeld mit einem Rasterelement versehen, ansonsten wurde es leer gelassen.
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