Präzisionsmessung der Gravitations-Rotverschiebung

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

Störung wurde die Strömung direktstromaufwärts des Puffs verwirbelt.Somit existiert keine laminare Strö-mung mehr, die den Puff mit Energieversorgen und neue Wirbel erzeugen

könnte. Folglich kann sich die Tur-bulenz nicht weiter ausbreiten undverliert stromabwärts kontinuierlichEnergie, bis die Strömung wiedervollständig laminar ist.

Der Zerfall des Puffs findet auf ei-ner Strecke von etwa 60 Rohrdurch-messern statt. Die Zeit die dabei ver-geht, hängt vom Rohrdurchmesserund der Reynolds-Zahl ab. In unse-rem Beispiel betrug sie etwa 3 s.

Letztendlich konnte vollständigverhindert werden, dass turbulentePuffs in das Gebiet hinter der Kon-trollstelle vordringen. In dem rest-lichen Rohr reduziert sich hierdurchder Reibungswiderstand um circa15 %. Die Kontrollstörung kostet nuretwa ein Fünftel der eingespartenEnergie, so dass schon bei niedrigenGeschwindigkeiten die Energiebilanzpositiv ist.

Im Experiment ließ sich dieseKontrollmethode nur für Strömungs-geschwindigkeiten anwenden, bei

denen sich Turbulenz nicht im gesam-ten Rohr ausbreitet. Allerdings gelanges in Computersimulationen durcheine gezielte Beeinflussung desGeschwindigkeitsprofils die Wirbel-produktion auch bei erheblich höhe-ren Geschwindigkeiten zu unter-binden, was zum sofortigen Zerfallder Turbulenz führte (Abbildung 2,einen Film dazu können Sie aufwww.phiuz.de, Zusatzmaterialienzum Heft, downloaden). Die Heraus-forderung besteht nun darin Wege zufinden, diese Kontrollmethode auchexperimentell bei höheren Fluss-geschwindigkeiten zu realisieren.

[1] B. Hof et al., Science 2010, 327, 1491.[2] B. Hof et al., Nature 2006, 443, 59.[3] B. Eckhardt et al., Physik in unserer Zeit

2006, 37 (5), 212.

Björn Hof, MPI für Dynamik undSelbstorganisation, Göttingen;Tobias M. Schneider, Harvard

University, Cambridge, USA.

radioaktiver Gammastrahlung in ei-nem 20 m hohen Turm. Sehr anschau-lich war das Experiment von JosephHafele und Richard Keating, die mitvier Atomuhren um die Welt flogen[2]. Der bisher genaueste Test [3]erreichte eine Genauigkeit von7 ⋅ 10–5. Hier wurde eine Atomuhr ineiner Scout-Rakete auf eine Höhe von10 000 km geschossen. Da die Raketesich schnell bewegte, musste zudemdie Zeitdilatation, die die spezielle Re-lativitätstheorie für bewegte Objektevorhersagt, abgezogen werden.

Eine neue Bestimmung [4] derRotverschiebung beruht auf demWelle-Teilchen-Dualismus der Quan-tenmechanik. Die Frequenz von Ma-teriewellen beträgt nach de BroglieE/h, wobei E die Energie und h diePlanck-Konstante bezeichnen. Für dieEnergie des Teilchens setzen wirEinsteins Relation E = mc2 mit derTeilchenmasse m ein. Die resultieren-de Frequenz fC = mc2/h wird Comp-ton-Frequenz genannt. Sie ist so groß,dass sie nicht direkt messbar ist. Für

Dieser Effekt sollte beispielsweisedie Frequenz von Strahlungsübergän-gen in Atomen auf der Sonne relativzu Atomen auf der Erde verringern,da an der Sonnenoberfläche ein we-sentlich geringeres Potential U vor-liegt. Die Verringerung der Frequenz(entsprechend einer Verlangsamungder Zeit) entspricht einer Vergröße-rung der Wellenlänge. Man bezeich-net diesen Effekt deshalb als Gravita-tions-Rotverschiebung.

Der erste Test im Jahre 1965 er-reichte etwa 1 % Genauigkeit [1]. Erberuhte auf der Frequenzänderung

R E L AT I V I T Ä T S T H EO R I E |Präzisionsmessung der Gravitations-Rotverschiebung Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie verlangsamt die Schwerkraftden Ablauf der Zeit. Diese Vorhersage konnten Wissenschaftler ausBerkeley, Berlin und Washington, D.C. mit einem Atominterferometeran der Stanford University bis auf 7 ⋅ 10–9 bestätigen. Es ist damit derbislang genaueste Test der Gravitations-Rotverschiebung.

Bringt man eine Uhr in das Gravita-tionsfeld U eines schweren Körpers,so wird sich die Frequenz f ihresTickens im Vergleich zur Frequenzeiner gleichen, aber weiter von demschweren Körper entfernten Uhrverlangsamen. Die Frequenzänderungberechnet sich nach Δf/f= ΔU/c2,wobei ΔU den Unterschied des Gra-vitationspotentials und c die Licht-geschwindigkeit bezeichnen. Naheder Erdoberfläche ist ΔU = gh durchdie Fallbeschleunigung g = 9,8 m/s2

und den Höhenunterschied h ge-geben.

Abb. 2 Zerfallende Turbulenz in numerischen Simulationen(Strömung von links nach rechts). Die Bilder zeigen dieWirbelstärke zu sechs verschiedenen Zeitpunkten. Die Kon-trolle wird zwischen Bild 1 und 2 angeschaltet und kurze Zeitspäter (unterstes Bild) ist die Turbulenz zerfallen (Bild: M.Avila, MPI Göttingen).

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Cäsiumatome beispielsweise beträgtsie 3 · 1025 Hz.

In unserem Experiment [5]wurden Cäsiumatome im Grundzu-stand mit Hilfe einer magnetoopti-schen Falle präpariert. Dort befindensie sich zunächst im freien Fall. ZumZeitpunkt t0 trifft sie entgegen derFallrichtung ein kurzer Laserpuls (Ab-bildung 1). Wenn ein Atom mit die-sem Laserblitz wechselwirkt, dannerfährt es einen Rückstoß durch denPhotonenimpuls hc/λ, der durch dieWellenlänge λ des Lasers gegeben ist.(In der Praxis werden zwei Photonenausgetauscht, der Impulsübertragbeträgt also 2 hc/λ.)

Die Intensität des Pulses wird sogewählt, dass jedes Atom mit etwa50 % Wahrscheinlichkeit ein Photonabsorbiert. Das Atom tritt nun ineinen Überlagerungszustand ein: Esbehält entweder die alte Flugbahnbei, oder es bewegt sich mit einerzusätzlichen Geschwindigkeit voncirca 7 mm/s nach oben. Zu einemspäteren Zeitpunkt t0+T wird einzweiter Laserpuls eingestrahlt, der dieAtome auf dem oberen Pfad wiedernach unten lenkt, während der unte-re Pfad einen Rückstoß nach obenerfährt. Wenn die Pfade sich zumZeitpunkt t0+2T wieder treffen, wirdein dritter Puls eingestrahlt, der dieMateriewellen wieder vereinigt.

In der Zeit zwischen dem erstenund dem dritten Puls erhöht die

Gravitations-Rotverschiebung dieFrequenz der Materiewellen desoberen Pfades um fC(ΔU/c2) relativzum unteren. Das führt insgesamt zu einer Phasenverschiebung ϕ =2πcgT2/λ. Hinzu kommen nochPhasenverschiebungen als Folge derspeziell-relativistischen Zeitdilatationund der Laser-Atom-Wechselwirkung.Diese heben sich aber gegenseitigauf. Das gilt auch dann noch, wenndie Rotverschiebung oder auch dieFallbeschleunigung auf Grund modi-fizierter physikalischer Gesetze ver-ändert sind [4].

Je nach der Phasendifferenz ϕ derWellen kommt es bei der Zusammen-führung der beiden Atomwolken zurInterferenz. In Abhängigkeit von derPhasendifferenz ϕ entsteht so eineWelle mit großer oder kleiner Ampli-tude. Die Wahrscheinlichkeit P dasAtom zu detektieren, hängt vomQuadrat dieser Amplitude ab, wobeiP proportional zu cos2(ϕ) ist.

Im Experiment haben wir P über die Fluoreszenz der Atome be-stimmt und daraus ϕ und schließlichdie Rotverschiebung ermittelt. DasErgebnis ist Δf/f = (1,090322683 ±0,000000003) · 10–16 pro MeterHöhenunterschied. Dies ist im Rah-men eines Messfehlers von 7 · 10–9 inÜbereinstimmung mit dem theore-tischen Wert von (1,090322675 ±0,000000006) · 10–16 / m, der auseiner genauen Messung der Fall-

beschleunigung ermittelt wurde(Abbildung 2).

Die beiden Atomwolken sind indem Experiment nur für 2T = 0,32 sgetrennt. Dabei vergeht für dieAtome auf der oberen Bahn nur etwa2 · 10–20 s mehr Zeit als für die aufder unteren. Würde man diese Zeit-spanne auf das Weltalter von etwa14 Mrd. Jahren ausdehnen, so betrügedie relativistische Zeitdifferenz nuretwa 1/50 s. Dieser winzige Effektließ sich nur wegen der hohenCompton-Frequenz messen.

Die Messung bestätigt also dieAllgemeine Relativitätstheorie unddie Vorstellung, dass Schwerkrafteine Folge der gekrümmten Raumzeitist. Gleichzeitig setzt sie möglichenalternativen Theorien enge Grenzen.Daneben ist die Gravitations-Rotver-schiebung für den internationalenVergleich von Atomuhren oder auchfür das Global Positioning System vonpraktischer Bedeutung.

[1] R. V. Pound, J. L. Snider, Phys. Rev. B 1965,140, 788.

[2] J. Hafele, R. Keating, Science 1972, 177,168.

[3] R. F. C. Vessot et al., Phys. Rev. Lett. 1980,45, 2081.

[4] H. Müller, A. Peters, S. Chu, Nature 2010,463, 926.

[5] A. Peters, K. Y. Chung, S. Chu, Nature 1999,400, 849.

Holger Müller, Uni Berkeley, USA;Achim Peters, HU Berlin

A B B . 1 | ATO M I N T E R F E RO M E T E R

In dem Schema des Atominterferometers symbolisieren dieblauen Wellen die Schwingungen der Materiewellen auf denbeiden Pfaden. Die roten Pfeile deuten die Laserstrahlen an.

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Mössbauer [1]

GP-A [3]

Cs-Interferometer (diese Analyse)

Atomuhren auf Reise [2]

Bloch-Oszillationen

Bloch-Oszillationen

Höhe / m

Gen

auig

keit

A B B . 2 | M E S S U N G E N I M V E RG L E I C H

Genauigkeit verschie-dener Messungen derRotverschiebung überdem vertikalen Ab-stand der verwendetenUhren. Bloch-Oszilla-tionen von Atomen in optischen Gitternermöglichen eineweitere Messung derRotverschiebung fürextreme kleine Distan-zen (nach [4]).