PreuSSen und SachSen Szenen einer...

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Szenen einer Nachbarschaft

PreuSSen

und

SachSen

e r s t e B r a n d e n B u r g i s c h e

L a n d e s a u s s t e L L u n g

s c h L o s s d o B e r L u g 2 0 1 4

Szenen einer Nachbarschaft

Preussen und sachsen

h e r a u s g e g e B e n v o n

f r a n k g ö s e

w i n f r i e d m ü L L e r

k u r t w i n k L e r

a n n e - k a t r i n z i e s a k

f ü r d a s h a u s d e r B r a n d e n B u r g i s c h -

P r e u s s i s c h e n g e s c h i c h t e

s a n d s t e i n v e r L a g

Inhalt

8 Leihgeber

10 Grußworte

16 ZumGeleit

20 Vorwort

Frankkallensee

24 SzeneneinerNachbarschaft.SachsenundPreußenkonntennichtgut

miteinander,ohneeinandergingesaberauchnicht

Prolog

Peterlangen/anne-katrinZ iesak

34 WoPreußenSachsenküsst

41 Exponate

sZene1 42 Partner und Rivalen

Frankgöse

44 Vonder»Juniorpartnerschaft«zurGleichrangigkeit.

Dasbrandenburgisch-sächsischeVerhältnisim16.und17.Jahrhundert

Peter-Michaelhahn

52 WettinerundHohenzollernimAncienRégime.

RäumlicheNachbarnunddynastischeRivalen

andreasPeĉar

60 DieUniversitätsgründungderFridericianainHalle.EineMotivsuche

Fel ixengel

68 �»[D]en�Wohlstand�unserer�Lande�zu�einiger�Gleichheit�nach�Möglichkeit

�zu�befördern«�nach�»der�benachbarten�und�anderer�Lande�Exempel«�–

DieSteuerpolitikinBrandenburgundSachsen

ellenFranke

76 SymbolederMacht–MachtderSymbole.

DieAuflösungdesobersächsischenKreistagesimZugederKriegs-

vorbereitungenzurBefreiungWiensvondenTürken1683

84 Exponate

sZene2 100 Königskunst

ineselsner

102 Königswege.Friedrich I.vonBrandenburg-Preußen

undAugustII.vonPolenunterwegs

susanneevers

114 TextilienalsWürdeformel.DieAusstattungderParaderäume

imSchlossCharlottenburgundimResidenzschlossDresden

JuttacharlottevonBloh

122 RitterordenimDienstderneuenKönigswürde

d irksyndraM

124 DinglingerinBerlin–eineAnnäherungandieverloreneSchatzkunst

dererstenbeidenKönigeinPreußen

claudiaMeckel

132 Know-how-TransferimKutschenbau

134 Exponate

sZene3 168 Glaubenssache

Jürgenluh

170 KampfumsDirektorium.Preußen,SachsenunddieFührung

desCorpusEvangelicorum

Juttadick

176 DerHofjudeBerendLehmann(1661–1730).EinLebenmitGrenzen

rüdigerkröger

184 CarlHeinrichvonPeistelunddieSoldaten-Brüder

192 Exponate

sZene4200 Von Glanz und Gloria

Jochenvötsch

202 TestamenteundpolitischeVermächtnissederHohenzollern

undWettinerim18.Jahrhundert

Peterlangen

210 KunstkönigundSoldatenkönig?

christineundrüdiger Just

214 ZweyAdlersahenwirinunsererWasserLust–

DasWasserstecheninBerlin

Martinaschattkowsky

216 FrühneuzeitlicherTransfer:AdelzwischenSachsenundBrandenburg

Peterlangen

222 EineArmeefürdenKöniginPreußen.DasZeithainerLager1730

Mariokaun

224 Brandenburgisch-preußischinSachsen.DieExklaveCottbus

im18.Jahrhundert

228 Exponate

sZene5 242 Um die Vormacht

agniesZkaPuFelska

244 AllianzenohneAussicht.Diepolnisch-sächsischeUnionunddie

Hohenzollernmonarchie(1697–1763)

utechristinakoch

252 EineöffentlicheFeindschaft.KönigFriedrichII.vonPreußenund

HeinrichGrafvonBrühlinzeitgenössischenPublikationen

kätheklaPPenBach

260 »DievergoldetenBlackersvonBley«sind»ruinieretundabgerissen«

kristinBahre

262 FrancescoAlgarotti.EinvenezianischerKunstagent

zwischenPreußenundSachsen

christoPhhenZel

270 DieHofoperFriedrichsII.vonPreußenundderDualismusimReich

FrankMetasch

280 DasMünzwesenalsWaffe.DiepreußischenMünzfälschungeninSachsen

währenddesSiebenjährigenKrieges

carMenwinkel

286 Soldatenbriefe

Marcusvonsalisch

288 DiePeripheriedesersten»Weltkriegs«.

DerwestsächsischeRaumalsWirkungsfeldmilitärischerGewalt

währenddesSiebenjährigenKrieges(1756–1763)

ewagossart

294 AhlsdorferBildtapeten–einekulturhistorischeRaritätdes18.Jahrhunderts

298 Exponate

sZene6 326 Im Dialog

iwan-Michelangelod’aPrile

328 AufklärungstransferzwischenSachsenundPreußen

helMutBörsch-suPan

336 BildnismalereiinBrandenburgundSachsenim17.und18.Jahrhundert

344 Exponate

sZene7 372 Heute Sachse, morgen Preuße

winFriedMüller

374 Preußen,SachsenunddasEndedesHeiligenRömischenReiches

DeutscherNation(1791–1806)

reinhardstauBer

382 LegitimitätoderLänderschacher?ZurArbeitderStatistischenKommission

aufdemWienerKongress1814/15

rainerernst

390 EinDoberlugerzwischenSachsenundPreußen:CarlGottliebSamuelHeun

v inZenZcZech

392 Von»Musspreußen«zutreuenStaatsbürgern?DieEingliederungderehemals

sächsischenGebieteindenpreußischenStaatnach1815

lutZvogel

398 AlteWege–neueGrenzen.RechtlicheundalltagspraktischeProblemeim

preußisch-sächsischenGrenzraumnach1815

wolFgangFlügel

404 Wittenberg–einErinnerungsortwechseltdieSeiten

uwekoch

412 EinSachseimpreußischenStaatsrat.KarlGottliebBehrnauer.

EineGeschichtezwischenSachsenundPreußen

klausneitMann

418 �»der�wahren,�hohen�Bestimmung�ihrer�Ständischen�Existenz«.

StändewesenundRegionalismusimMarkgraftumNiederlausitz

insächsischerZeit(1635–1815)

edMundPech

428 LandsleuteoderFremde?

DieSorbeninSachsenundBrandenburg-Preußenvon1680bis1830

ralFPröve

436 KommunalverfassungundOrdnungsformation

inSachsenundPreußen1789–1832

442 Exponate

eP ilog 480

andréthieMe

482 EineLandesteilungwirdverarbeitet.

DasJahr1815inderälterensächsischenGeschichtsschreibung

stePhangutschMidt

490 SachsensGlanzundPreußensGloria

492 Exponate

Anhang

496 Karten

506 QuellenundLiteratur

526 Personenregister

535 Bildnachweis

538 ImpressumAusstellung

540 PartnerundFörderer

542 Gremien

544 ImpressumKatalog

24

Szenen einer Nachbarschaft. Sachsen und Preußen konnten nicht gut miteinander, ohne einander ging es aber auch nicht

Frankkallensee

»Saggsn«und»Breißn«.ErsterewohntenindenBezirkenDres-den,Leipzig,Karl-Marx-Stadt,LetzterewarenindenBezirkenPotsdam,Frankfurt(Oder)undCottbusheimisch–undnatür-lichinBerlin.

»DochgommtderSachsenachBerlin,dagönnʼseihnnichleiden./Dawollnsʼihmeenedrieberziehn,dawollnsemitihmstreiten!/Und dud maʼn ooch verscheißern, sein Liedschensingtereisern!/Sing,meiSachse,sing«.3PünktlichzurLeipzi-gerHerbstmesse1979machtenderKabarettistJürgenHartundderKomponistArndtBausedem»Ärcher«derSachsenmusika-lischLuft.IhrSchlagerwareineKetzereiundwurdegenaudes-halb zum Hit. Der Süden der Republik sang gewissermaßenzurück:gegendasGeschwätzvonden»SachsenalsfünfterBe-satzungsmacht«,gegendieBesetzungspraxisinFilmundFern-sehen,woSachsengrundsätzlichHanswürstegebenmussten,gegen die »Hauptstadt der DDR« als eigentlichem Feind der»Erdenbircher« des Landes, gegen die Enge in diesem Landüberhaupt.

Wiewehrhaft,witzigundweisedasSächsischeseinkann,hattevorHartundBausefreilichschonErichKästnervorge-führt:»Wirsinnnichsogemiedlich,wiewirschbrechen./Wirhamm,wennsseinmuß,DinnamitimBluhd./DakennseGiftdroffnähm,daßwirunsrächn!/Na,IhrGesichdemerkdsichjaganzguhd.«4GeschriebenhatdasderinDresdengeborenePoet1930. Die Sache mit der Rache wurde dann kurz nach Harts»Sachsenhymne«akut,alseindeutlichbösererTextaufBausesMarsch-Taktegereimtwurde.Dergingso:»AnArroganzundGrößenwahn/erkennstedeBerliner,/dochwennstsemalinHinterntrittst,/gleichmachenseenDiener./Siehamnischtauf

FußballseieineWeltfürsich,heißtes.Wenndasstimmt,stelltsichaberdieFrage,warumwirinunsererWeltmitFußballbe-lästigtwerden.Weil,könnteimmerhineineAntwortlauten,eineFernsehseriewieSachsens�Glanz�und�Preußens�GloriaohneBolzplatznichtmöglichgewordenwäre.DerenDrehbuchautorAlbrecht Börner erzählt nämlich folgende Geschichte: BeieinemSpielderDDR-OberligistenJenaundMagdeburgEndeder1970erJahrehättendieAnhängerderHeimmannschaftihreElfplötzlichmiteinemrhythmischen»Thü-rin-gen!Thü-rin-gen!«angefeuertunddieGästefansdaraufhindenSchlachtruf»Preu-ßen!Preu-ßen!«hörenlassen.Börner:»Dadämmerteesmir:Dasistes!DaäußertsichdieVolksseeleunverblümt.Damussmananknüpfen.DasLandsmannschaftlicheistnichttotzukrie-genindenKöpfenderMenschen.«1Unddies,obwohlschon1952ausdenfünf(ostdeutschen)Ländern14Bezirke(plusOst-Berlin)gewordenwaren.»Wennnungar«,soBörnerweiter,»diejungenLeuteaufdemSportplatzdiealtenLandesbezügeauf-griffen,diemanihnenbewussthattevorenthaltenwollen,sostecktedarineineWiderborstigkeit,eineArtOppositionsgeist.JedenfallsverspracheinregionalerAnsatzfüreinFilmprojektPopularität.«2

Diesolltedem1985und1987inzweiTranchengesendetenSechsteiler dann auch zuteil werden, gesamtdeutsch oben-drein,BörnerundRegisseurHans-JoachimKasprzikaußerdemeine Einladung nach Paris einbringen. Ihre dramaturgischeKonstruktion,fürdieSachsensAugustderStarkeundPreußensFriedrichderGroßezutragendenBauteilenunddamitganzne-benbeiauchrehabilitiertwurden,grundiertehistorischüppig,was in der DDR Gegenwart war: die knifflige Koexistenz der

25

der Blauze/und bloß ne große Schnauze.« Und weiter: »Dasmeiste Gute, was ihr fresst,/dis kommt ja doch aus Sach-sen,/weilindemmärk’schenWiestensand/bloßKrippelkie-fern wachsen./Die Pol’n tun eich beneiden,/wir wolln gernHunger leiden.« Schließlich, und ein Schelm, wer dabei anGroßflughäfen denkt: »Ooch den Ballast der Republik/hamSachsen hochgezogen,/denn was so ihr Berliner baut,/wirdbröcklichunverboochen./Dasauft’rzuvielWeiße/undnach-herbaut’rScheiße!«DerRefrainschließlichrücktedassäch-sisch-preußischeVerhältniseinfüralleMalzurecht:»Brillt,ihrBreißn, brillt,/bloß habt euch ni so wild,/denn euer Spree-Athen/gannnichtohneunsbestehʼn./EuerDorfBerlin/gönntihrsogroßoffziehn,/weilwireichunterstützen,/regierenund

beschützen.«5 Kurzum, der sächsische Protest brauchte denDialekt, keine Gewalt. Wie wirkungsvoll er war, konnte dernichtsächsischeRestderWeltimHerbst1989beobachten,alsausLeipzigeine»Heldenstadt«wurde.

Womit,umbeiAlbrechtBörnerzubleiben,derBallimpreu-ßischenStrafraumliegt.Undein»Fairplayer«wieHeinrichvonKleisthätteihnhiervermutlichüberdieTorlinierollenlassen.DennunterwegsinSachsenlistetederwerdendeDichterimSeptember1800seinerVerlobtenWilhelminevonZengedieErgebnisseeigenerFeldstudienauf:»Dusolltesteinmalhören«,schrieb der Frankfurter von der Oder ziemlich beeindruckt,»mitwelcherGewandtheitein[...]sächsischesMädchenaufFragen antwortet. Unsre (maulfaulen) Brandenburgerinnen

Rolf Hoppe als August III. in der Fernsehserie sachsensglanzundPreußensgloria

42 szene 1 · Partner und r ivaLen

Partner und Rivalen

Szene1·PartnerundRivalen

Brandenburgwiesachsenwarenteildesheiligenrömischenreichesdeutscher

nationunddamitineinengrößerenstaatlichenZusammenhangeingebunden.als

kurfürstenzähltenihreherrscherausdenFamilienderhohenzollernundderwet-

tinerzurFürstenelitediesesreiches,unterstandenaberdemdeutschenkaiser.

sachsenwareinreichesland,esbesaßBodenschätze,bedeutendestädteundein

selbstbewusstesBürgertum.eswardasMutterlandderreformationundseinherr-

schergaltalsdervornehmsteevangelischeFürstimreich.imvergleichdazuwar

Brandenburgeinkargesland.ZwarherrschteseinFürstübergrößeregebieteals

szene 1 · Partner und r ivaLen 43

szene Partner und Rivalen

Szene1·PartnerundRivalen

dersächsischenachbar–darunterauchdasherzogtumPreußen–,dochwaren

dieseterritorienuneinheitlichundräumlichvoneinandergetrennt.auchBranden-

burg-Preußenwarlutherischgeprägt,dieherrscherfamiliegehörtejedochbereits

seit1613zumreformiertenBekenntnis.langeZeitgabdasreicheundmächtige

sachsengegenüberdemärmerennachbarndentonan.dochendedes17.Jahrhun-

dertsentwickeltesichBrandenburg-PreußenzumPartneraufaugenhöhe.Zujener

Zeitvereintediebeidenkurfürsteneingemeinsamesinteresse:derwunsch,die

königswürdezuerlangen.

44 szene 1 · Partner und r ivaLen

Von der »Juniorpartnerschaft« zur Gleichrangigkeit. Das brandenburgisch-sächsische Verhältnis im 16. und 17. Jahrhundert

Frankgöse

lungsunfähigkeitstehend)vorliebnehmenmüssen.SinddiesaberzuallererstdieWertmaßstäbederZeit,mitderwirunsimFolgendenbeschäftigen?

Dermoderne»Staats«-BegrifferscheintfüreinenVergleichnurbedingttauglich;diesgiltsowohlfürBrandenburgalsauchfürSachsen.VielmehrsindeseherdieDynastien,alsodieFa-miliendesHochadels,überderenVorstellungenundInteressenman den Beziehungen zwischen Sachsen und Brandenburgnahezukommenvermag.Um1500galtendieWettineralsdienachdenHabsburgernmächtigsteDynastieimReich.KurfürstFriedrichderWeisegenosshohesAnsehenundgroßenEinflussimReichsfürstenstand.AndereMitgliederderernestinischenLiniederWettinerbesetztenzudieserZeitdenStuhldesErzbi-schofsvonMagdeburgunddasHochmeisteramtimDeutschenOrdensstaat.UnddieHohenzollern,dielangeZeittrotzihrerZugehörigkeitzumKurkollegalsParvenüsimReichsfürsten-standangesehenwordenwaren,akzeptiertendieseVorbildrolleweitgehend.BeideFamilienhattenfastzeitgleichdieKurwürdeerworben.DenHohenzollernfielesaberimUnterschiedzudenWettinern,fürdiejanurdasbis1422vondenAskaniernregierteHerzogtumSachsen-WittenbergalsneueErwerbunghinzukam,langeschwer,sichalslandfremdeDynastieinihremneuenTer-ritoriumzubehaupten.

AuchangesichtsdesbeträchtlichenRückstandsihrerBerlin-CöllnerResidenzerschiendiesesGefällemehralsverständlich.ImmerwiederfandendeshalbAngehörigeführenderbranden-burgischerAdelsfamiliendenWegandenkursächsischenHof;ebensowurdensächsischeBaumeister,ArchitektenundHand-werkermitihrenErfahrungenundKontaktengernfürVorhabenin der Hohenzollern-Residenz angeworben. Das TorgauerSchlossHartenfelsgaltetwaalsVorbildfürdenBerlinerSchloss-

DerEinrittderKurfürstenaufdenPlatzvordemFrankfurterRömeranlässlichderimJahr1612zelebriertenWahldesErzher-zogsMatthiaszumKaiserdesHeiligenRömischenReichesge-staltetesichwiegewohntprachtvollvoreineropulentenKu-lisse.GleichwohlhieltesderChronistfürangebracht,inderBildunterschriftaufNuancierungenbeiderBeschreibungderFürstenundihresGefolgeshinzuweisen:

»DieChurfürstenreitenzurwahl,JnIhrmhabitvonsRömersSaal,MeintzvndtTrier,CöllnvndBöhmenrechtPfaltz,Sachsgeziert,Brandenburgschlecht«1

Auchwenn»schlecht«hiergewissinandererBedeutung,wohlimSinnevon»schlicht«,gebrauchtwordenseindürfte,bleibtdieabschätzigeBeurteilungKurbrandenburgsdochunüberseh-bar.DieseCharakterisierungstimmtinauffälligerWeisemitdensichinanderenQuellenfindendenBeobachtungenüber-ein.BrandenburgwurdegemeinhinalseinunwegsamesundkargesLandangesehen,undseltengaltendieinderHohenzol-lernresidenzvorgefundenenKunstwerkefüreinenkundigenReisenden im 16.und frühen 17.Jahrhundert als berichtens-wert –ganzimGegensatzetwazudensüdlichangrenzendenwettinischenTerritorien.

DamitsindwirschonmitteninunseremThema.Dochwiemisst man den »Wert«, das Gewicht von frühneuzeitlichenStaaten? Heute haben wir uns daran gewöhnt, dass Rating-AgenturenzuweilensolcheAufgabenübernehmen.NachderenKategorienhättesichwohldasalbertinischeKursachsenimausgehenden 16.Jahrhundert eines »AA« erfreuen dürfen,Brandenburghingegenmiteinem»CC«(alsoknappvorderZah-

szene 1 · Partner und r ivaLen 45

neubau.EbensoprofitiertemanzuweilenvondergrößerenPro-fessionalität der Verwaltung. So gingen aus der sächsischenFamilieDistelmeierzweibrandenburgischeKanzlerhervor.

Mehrere Hochzeiten und die Übernahme von Vormund-schaftenbefestigtendiefamiliärenBandezwischendenbeidenDynastien. Ein Beispiel dafür bildet der Zinnaer Vertrag von1591,derdasProzederederzehnJahrewährendenVormund-schaftüberdenminderjährigensächsischenKurfürstenChris-tian II.regelte.SeinGroßvatermütterlicherseits,derbranden-burgischeKurfürstJohannGeorg,fungiertedabeials»Mit-Vor-mund«überdenjungenWettinerundwar–voralleminaußen-undreichspolitischenAngelegenheiten–stetszukonsultieren.

EbensospiegelndiezahlreichüberliefertenFürstenkorres-pondenzendiesenimwortwörtlichenSinnsehrfamiliärenCha-rakterderBeziehungenzwischenWettinernundHohenzollernwider.RegelmäßiginformiertemansichüberdenGesundheits-

zustandderGemahlinnenundderKinder,bevorstehendeGe-burtenoderHochzeiten.UndmanwusstemanchmalübersehrpersönlicheDingederanderenFamilieBescheid.DassmanfürdiedamaligeZeitnursehrzurückhaltendschonvon»Staats«-Angelegenheitensprechenkann,zeigtsichebenauchandersotypischenVermischungfamiliärerundhochpolitischer»Mate-rien«.SobekundetedersächsischeKurfürstJohannGeorg I.seinMitleidfürdenBerlinerStandesgenossenJohannSigis-mundangesichtsdessenhäuslicherProbleme.EswardieeigeneGemahlin,diesehrselbstbewusstauftretendeKurfürstinAnna,die dem Brandenburger das Leben zunehmend schwerermachte.DersächsischeKurfürstäußertesichgegenüberJohannSigismundmitBlickaufdiemitdemJülich-KlevischenErbstreitaufgetretenenProblemezwischendemBerlinerundDresdnerHofdahingehend,dassersichmitihmschoneinigenwürde,wennnurdessen»gemahlinnichtwäre.Ichhabeaucheine,

Einzug der Kurfürsten 1612 in Frankfurt am Main, in: Gotthard Arthus:

Electio Et Coronatio Sereniss [. . .], Frankfurt am Main: Officina de Bry, 1612,

Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

46 szene 1 · Partner und r ivaLen

wennsiemichabersotribulirte[...],eswürdengewißmaul-schellenfallen.«2

GemeinsameInteressenderbeidennordostdeutschenKur-fürstentümerüberwogenungeachtetsolcherIrritationeninderReichspolitikderzweitenHälftedes16.Jahrhunderts.ZunächstwarKurbrandenburgindenJahrenzwischendemSchmalkal-dischenKrieg(1546/47)unddem»Fürstenaufstand«(1551/52),alsdieernestinischeunddiealbertinischeLiniedesHausesWettininerbitterterFeindschaftzueinandergestandenhatten,indenAugendesKaiserseinewichtigeVermittlerrolleindieserkaiserfernenZonedesReicheszugefallen.NachderStabilisie-rungderPositiondernundieKurwürdebekleidendenalberti-nischenWettinergerietBrandenburgindennächstenJahrzehn-tenimmermehrindasFahrwasserderDresdnerPolitikundwuchsindieRolleeineskursächsischen»Juniorpartners«hin-ein.DieReichstagsprotokollevermittelnhiereineindeutigesBild.Estrafsichdabeigut,dassman–hinterSachsen–diesechsteStimmeimKurfürstenkollegführte,sodassdieProto-kollehäufigzudenVotenderbrandenburgischenGesandtenvermerken:»stimmtwieSachsen«.3

UmdieengeAnlehnungderHohenzollerninallenwichti-gen Fragen der Reichs- und Außenpolitik an Kursachsen –besonders ist hier der fast dreißig Jahre regierende Kurfürst

JohannGeorgzunennen–wusstenauchdieZeitgenossen:»Vorallemanderen«,schreibtJohannesCernitiusinseiner1626ge-drucktenGeschichtedesHausesHohenzollern,»isterwähnens-wert,daßunserHerrunddersächsischeKurfürstAugustmehralsdreißigJahreinengsterVerbindunglebten,alleihreRat-schläge,indenensiefastimmerübereinstimmten,aufdasöf-fentlicheWohlrichteten,unddieseunauflöslicheinnereZu-neigungbeifreundschaftlichenZusammenkünftennichtseltendurchAustauschvonKüssen,gleichsamdasWahrzeichenderGastfreundschaft,bekundethaben«.4

BeieinemvergleichendenBlickaufdiepolitischenSpiel-räumebeiderTerritoriendarfnatürlichauchdieunterschiedli-cheRessourcenlagenichtübersehenwerden.Schließlichspiel-tendie»harten«Fakten,alsodieZahlderBewohneroderdieDichtederGewerbelandschaften,beiderGewichtungderfrüh-neuzeitlichenLändereinenichtzuunterschätzendeRolle.UndaufdiesemTerrainfielindemhierinteressierendenZeitraumderBefundeindeutigaus:DiewettinischenLandegehörtenzudenwirtschaftlichamweitestenentwickeltenTerritorienimReich. Insbesondere aus dem von den sächsischen Landes-herrengenutztenBergregalsprudeltendieEinnahmenreich-lich. In der Mitte des 16.Jahrhunderts machten diese etwa25 ProzentderGesamteinnahmenderkurfürstlichenKassen

Unbekannter Künstler: Die sächsischen Kurfürstenpaare August und Anna von Dänemark,

Christian I. und Sophie von Brandenburg, Christian II. und Hedwig von Dänemark,

Johann Georg I. und Magdalena Sibylla von Preußen, um 1692 – 94,

Öl auf Kupfer, Gemäldegalerie Alte Meister, SKD

szene 1 · Partner und r ivaLen 47

aus.DavonhobensichdieVerhältnisseinBrandenburgdurchihretraditionellstarkenaturalwirtschaftlichePrägungdeutlichab.DieHaupteinnahmequellestelltenhierdiekurfürstlichenDomänendar.DieErhebungderkaumdenBedarfdesBerlinerHofesunddiesteigendenAufwendungenfürdieVerwaltungabdeckendenSteuernlaghingegenbeidenStänden.Jederbran-denburgischeKurfürstdes16.unddererstenHälftedes17.Jahr-hundertshinterließseinemNachfolgereinengrößerwerden-den Schuldenberg. Und man wusste im Reich um die ange-spanntefinanzielleLage,indersichBrandenburgbefand.SoistvomhessischenLandgrafenPhilippdieaufKurfürstJoachim II.gemünzteÄußerungüberliefert,»derKurfürstmeintesgut,istaberohneMittel«.5EssprichtimÜbrigenaberfürdenRealitäts-sinnderdamaligenbrandenburgischenPolitik,dassmandieseDefizitedurchauserkannte.Sowurde1567beidenNeuverhand-lungendesAnschlagsfürdieReichsmatrikelvonBerlinerSeitefolgendesbezeichnendesStatementvorgebracht:»Esistabernotoriumunndoffenbar,dasderanndernnchurfurstenn[...]landeanneinkhommenn,nutz,zolln,gefelln[...] umbviell-mehrbeßerundhoher.«6

VordemHintergrunddesbislanggezeichnetenBildesüber-raschtnunnatürlichdiegleichsambiszumEndedes17.Jahr-hundertserfolgteUmkehrungderKoordinatenimVerhältnis

zwischendenbeidenTerritorien.EssindimWesentlichenzweiGründe,diediesenWandelerklärenkönnen:

DasHauptmotivistinderHorizonterweiterung,jagewisser-maßeninder»Europäisierung«derbrandenburgischenPolitikimfrühen17.JahrhundertinfolgeterritorialerGewinneamNie-derrheinund–diessogaraußerhalbderReichsgrenzen–inGestaltdesHerzogtumsPreußenzusuchen.DieChancenaufdieUmsetzungvonErbansprüchen,diehinterdiesenErwer-bungenstanden,begannensichindesschoneinigeJahrezuvorabzuzeichnen.KurfürstJohannSigismundsetzteimVergleichzuseinenbedächtigeragierendenVorgängernnundesÖfterenaufeinenselbstbewussteren,mitunterkonfrontativvorgehen-denPolitikstil,wassichauchindemgelegentlichharscherwer-dendenTongegenüberKursachsenzeigte.HierspieltegewissseinePrägungdurchdiepfälzischePolitikhinein,derersichseitseiner Jugendverbundenfühlte.DiesezeitweiligengereAnlehnungandieKurpfalz,diedamalsdasZentrumdesCalvi-nismusimReichdarstellte,führtezwangsläufigzueinerAb-kühlungdesVerhältnisseszumDresdnerHof.

DamitkommtzugleicheinzweitesMotivinsSpiel:DurchdenWeihnachten1613erfolgtenKonfessionswechselJohannSigismundsvomlutherischenBekenntniszumReformierten-tumwurdediebisdahinvonBerlinakzeptierteStellungKur-sachsensalsprotestantischeLeitmachtimReichindirektin-fragegestellt.DasUnbehagenüberdieseEntwicklungwaramDresdnerHofauchdeshalbgroß,weilauskursächsischerPers-pektivedieReformiertenmitihremsoumtriebigen»CalviniGeist«ohnehinalsdiegefährlicherenKetzerangesehenwur-den,diedieverfassungspolitischeOrdnungdesReichesunddamitebenso»dieterritorialeIntegritätdessaturiertenReichs-standesSachsen«gefährdeten.7

Freilich:DiegebotenenErklärungenerscheinenunsheuteausderSichtderNachlebendenrechtplausibel–fürdieZeit-genossenwaresabernochlangenichtentschieden,werdasRennen in den kommenden Jahrzehnten machen würde.Schließlichmussbedachtwerden–umaufdieangesprochenenGebietsgewinnezurückzukommen,dassdie»Westerweiterung«des hohenzollernschen Territorialkomplexes zunächst nichtsukzessivezueinerMachtsteigerungdesHausesBrandenburggeführt hatte. Wer sich näher mit den Vorgängen derHerrschaftsübernahmeamNiederrheinbefasst,erkenntschnelldieenormenProbleme,diedieIntegrationsbemühungendortverursachthatten.UndauchderKonfessionswechsel,demja

Unbekannter Künstler: August von Sachsen-Weißenfels,

um 1665, Öl auf Leinwand,

Museum Weißenfels

abbildungfolgendeseiten:

Guillaume Sanson: Karte von Sachsen, Meissen, Thüringen und der Lausitz, 1692,

Kupferstich, koloriert,

Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden

Partner und Rivalen

sZene1

Leipzig

Leipzigbildetedasbedeutendsteurbane

ZentrumderreichenStädtelandschaft

Sachsensundwarderwirtschaftliche

MittelpunktdesLandes.Vergleichbaresfand

sichinBrandenburg-Preußennicht,erstim

Laufdes18.JahrhundertserlangteBerlin

eineähnlicheBedeutung.AmSchnittpunkt

bedeutenderHandelsstraßengelegen,

gründetedieEntwicklungLeipzigszum

HandelsplatzeuropäischenFormatsauf

zweigroßenPrivilegien,mitdenenKaiser

Maximilian I.1497und1507diedrei

LeipzigerMärktezuOstern,Michaelisund

NeujahrunterdenSchutzdesReiches

gestellthatte.Gefördertauchdurchdie

sächsischenLandesherren,entwickeltesich

dieLeipzigerMessezueinemwichtigen

UmschlagplatzfürsächsischesSilberund

Zinn,fürPelze,Textilienundseit1710auch

füreuropäischesPorzellanausMeißen.Sie

wardasScharnierfürdenWarenaustausch

zwischenWest-undOsteuropa,derwesent-

lichvonLeipzigerKaufleutenabgewickelt

wurde.Handel,Manufakturwesenundein

regerPublikumsverkehr–nichtzuletztaus

dembenachbartenBrandenburg-Preußen–

prägtenStadtbildundIdentitätam»Markt-

platzEuropas«.

Bereitsseit1409warLeipzigauchUni-

versitätsstadt.Um1700machtejedochder

ErfolgderUniversitätinHalle,dieKurfürst

FriedrichIII.vonBrandenburg1694gegrün-

dethatte,derAlmaMaterLipsiensisetliche

StudentenundProfessorenabspenstig.

TrotzdembliebLeipzigauchimmerein

UmschlagplatzfürgeistigeGüter,ein

ZentrumdesTheatersundderMusikund

nichtzuletztdieStadtdesBuchhandels

undderVerlage.Az

1|15

szene 1 · Partner und r ivaLen 85

1|1GeorgeFranzNaumann

Posament »Vivat Chursaxen«Leipzig1691·Webtechnik,Stickerei,

Baumwollgarn,Papier,mitSiegel·190×8,5cm

Leipzig,StadtgeschichtlichesMuseum

[V/2198/2007]

»VivatChursaxen«–EslebeKursachsen–,

heißtesaufdemPosament.DasStoffband

wurde1691gefertigt,anlässlichdesRegie-

rungsantrittsvonKurfürstJohannGeorg IV.

DerneueLandesherrwirdmitdenimmer

wiederkehrendenMotivenKrone,Mono-

gramm»IG4«undKurschwertergeehrt.Das

angeheftetePapiergibtAufschlussüberden

FertigerdesBandes,GeorgeFranzNaumann.

ErgehörtederLeipzigerPosamentierer-

Innungan,derenSiegelaufdem

angeheftetenPapieraufgedrücktsind.

DiesächsischenKurfürstensuchtenLeipzig

regelmäßigauf,umderMessebeizuwohnen.

Az

1|2AugustChristianFleischmann

Die Leipziger Börse inmitten anderer europäischer BörsenNürnberg,nach1679·Kupferstich

32,1×22,9cm

Leipzig,StadtgeschichtlichesMuseum

[MüXXI/33]

NachdemDreißigjährigenKriegentwickelte

sichLeipzigzumwichtigstendeutschen

Messestandort.Ab1678ließderRateinVer-

sammlungsgebäudefürdieKaufleuteauf

demNaschmarkt,inunmittelbarerNähedes

Rathauses,errichten.DieAlteBörse,gebaut

nachEntwürfendessächsischenOberland-

baumeistersJohannGeorgStarcke,warder

ersteLeipzigerBarockbau.DerStichzeigt

dasfrühbarockeGebäudeimZentrum.

Esistumgebenvonweiterenbedeutenden

europäischenBörsenderZeit:obenlinks

Venedig,obenrechtsNürnberg,untenlinks

AmsterdamunduntenrechtsHamburg.Az

1|1

1|2

86 szene 1 · Partner und r ivaLen86 szene 1 · Partner und r ivaLen

szene 1 · Partner und r ivaLen 87

1|3

Normalgewichtssammlung des Leipziger RatesAufbewahrungsladeundzehnzusätzliche

loseGewichte(Bologna,Amsterdam,Lucca,

Verona,Königsberg,Antwerpen/Brüssel,

Berlin,Marseille,Cadix/Malaga,London)

1719/1722·furniertesHolz,Metall

21,5×48×33,5cm(Kasten)

Leipzig,StadtgeschichtlichesMuseum[CN,II]

63GewichteinzweiAufbewahrungsladen

umfasstedieNormalgewichtssammlungdes

LeipzigerRates,61dieserGewichtesinder-

halten.EinjedesdavonwiegteinPfund,

dochkeinesist500Grammschwer.Die

NormalgewichtssammlungbildetdasNetz

derLeipzigerHandelsverbindungenab,das

sichvonNeapelbisnachArchangelskund

vonKonstantinopelbisnachLissaboner-

streckte.DieVielfaltunterschiedlicherMaße

undGewichteerfordertekompliziertes

Umrechnen.ZurVereinfachungließder

LeipzigerRat1719DuplikatevonPfund-

gewichtenfertigen,wiesiebeidenwichtigs-

tenHandelspartnernLeipzigsgültigwaren.

1722wurdedieSammlungumweitere

Gewichteergänzt.DieLeipzigerNormal-

gewichtssammlungistvermutlichdie

bedeutendsteihrerArtvomBeginndes

18.Jahrhunderts,dieinEuropaerhaltenist.

Az

1|4

Leipziger Elle1.Viertel18.Jh.;Holz;L83,5cm

Leipzig,StadtgeschichtlichesMuseum[A.XI,1]

EinKaufmannmusstemiteinerVielzahl

vonunterschiedlichenMaßenumgehen.

DieseEllesetztdasinLeipziggültigeMaß

von56,5ZentimeterninBeziehungzu

anderenwichtigenEllenmaßen.DieAbmes-

sungenderBerliner,derNürnbergersowie

derBrabanterEllesindebenfallsimHolz

markiert.BesondersdieBrabanterElle

spielteimStoffhandeleinewichtigeRolle.

DieLeipzigerNorm-Elle,dieeiserneElle,an

dersichjedermannbeiderFertigungeiner

neuenEllezuorientierenhatte,warim

DurchgangdesRathausesangebracht.Az

1|5DavidHoyer

Bildnis Andreas Dietrich Apel1712·ÖlaufLeinwand·57,7×50cm

Leipzig,MuseumderbildendenKünste,

PorträtsammlungderKramermeisterLeipzig,

LeihgabederIndustrie-undHandelskammer

zuLeipzig[G2051]

Fast120BildnissederLeipzigerKramer-

meistersinderhalten:einezweiJahrhun-

derteumspannendeeindrucksvolleReihe

stolzerKaufleute,diedieGeschickeLeipzigs

mitlenkten.ZuihnenzählteauchAndreas

DietrichApel,KaufherrundManufaktur-

unternehmer.Studienreiseninverschiedene

europäischeLänderhattenseinenHorizont

injungenJahrengeweitet.InLeipzigginger

1|4

1|5

1|3

114 szene 2 · königskunst

Textilien als Würdeformel.Die Ausstattung der Paraderäume im Schloss Charlottenburg und im Residenzschloss Dresden

susanneevers

Aufenthalt der Könige in Charlottenburg am 11.  und 12.Juli1709.DennwährendinPotsdamundOranienburgnebendenBesichtigungenundLustbarkeitenauchpolitischeGesprächegeführtwurden,dientederAbstechernachCharlottenburgof-fensichtlichnurderPräsentationderkurzzuvorneuausgestat-tetenParaderäume.VollerStolz führtederpreußischeKönigseinenGästendieGemächer»sogleich«nachderenAnkunftvor,wieBartschberichtet.

DasfürdieKurfürstinSophieCharlotte1695bis1699er-bauteLustschlosserfuhrimJahrderKönigskrönung1701einemonumentaleErweiterung.NachdemTodderKönigin1705steigertesichdieBedeutungdeszuvorschonvomLusthauszurSommerresidenzaufgestiegenenBausnocheinmaldeutlich:Friedrich I.ließdienochnichtganzfertiggestelltenRäumeimWesten als sein Paradeappartement herrichten und begannnundamit,wichtigestaatspolitischeEreignissenachCharlot-tenburgzuverlagern.IhrerneuenzeremoniellenNutzungent-sprechendstiegenderdekorativeAufwandundderReichtumderAusstattunginderrepräsentativenRaumflucht.DiePracht-entfaltungderInterieurswarvergleichbarmitdenab1701vonAndreasSchlüterausgestattetenParadekammerndesBerlinerSchlosses.

WaszumZeitpunktdesDreikönigstreffens1709imSchlossCharlottenburg zu sehen war, ist durch spätere Umbauten,Neuausstattungen,ZerstörungundWiederaufbaunurnochin

»Den11.tengegen10UhrarrivirtenKönigMajt.vonPreußen[...]zuCharlottenbourg.Gegen11UhrfolgtenbeydefrembdeKönige[...].König.Majt.vonPreußenzeigtebeydenKönigensogleichdassSchloss,alleGemächer,undwasdazusehenwar[...].«1

SoberichtetederGothaerGesandteampreußischenHof,Gott-friedBartsch,überdenBesuchAugustsdesStarkenundKönigFrederiksIV.vonDänemarkbeiihremStandesgenossenFried-rich I.imSchlossCharlottenburg.DasZusammentreffenderdreiKönigeimJuli1709inPotsdamundBerlinwarzustandegekommen,weildiebeidenauswärtigenMonarchendenpreu-ßischenKöniginihrezuvorinDresdenausgehandelteAllianzgegenSchwedeneinbindenwollten.WennauchdiepolitischenVerhandlungenschließlichnichtzumErfolgführten,sosorgtedochdiegleichzeitigeAnwesenheitdreierKönigeaneinemOrteuropaweitfürAufsehen.Friedrich I.musstedieseeinmaligeGelegenheitnutzen,einergroßenÖffentlichkeitseinedynasti-schen Ansprüche möglichst wirkungsvoll zu präsentieren.Auch wenn er dieses Potenzial letztlich nicht ausschöpfenkonnte,warderpreußischeKönigdocherfolgreichinseinenBemühungen,denGästenundsomitganzEuropavorAugenzuführen,wieerindenwenigenJahrenseinesKönigtumsdieRe-sidenzlandschaftumBerlinbereitsumgestaltetundmoderni-sierthatte.ErnutztedieGelegenheit,dieprachtvollausgestat-tetenParaderäumeinseinenResidenzenvorzuführen.Indenköniglichen Gemächern in Potsdam, Berlin, Charlottenburgund Oranienburg kündete das Ausstattungsprogramm vomRuhmdespreußischenKönigshauses.DamitwurdendieBesu-cherganzunmittelbarmitFriedrichsdynastischemSelbstver-ständniskonfrontiert.DiesgiltinbesonderemMaßefürden

Samuel Theodor Gericke:

August II., Friedrich I. und Frederik IV. von Dänemark, 1709,

Öl auf Leinwand, SPSG

szene 2 · königskunst 115

116 szene 2 · königskunst

grobenZügenbekannt.NachderErstenVorkammer,dichtmitPorträtsaufeinerweißgefasstenHolzvertäfelungausgestattet,undderZweitenVorkammer,inderWandteppichemitchinoi-senMotivenhingen,folgtedieimSinnebarockerPrachtsteige-rung deutlich aufwendiger dekorierte Audienzkammer mitTürrahmen, Fensterlaibungen und Sockelpaneel aus weiß-grauemMarmor.DienunfolgendeRoteDamastkammerzeich-netsichvordenanderenRäumenderEnfiladedurchihrePilas-tergliederungaus,dieihrrepräsentativenCharakterverleiht.DieimangrenzendenArbeitszimmerursprünglichangebrachteTapeteausrotemDamastmitgoldenenBandengabdemRaumeinefestlich-repräsentativeAusstrahlung.AufdasköniglicheSchlafzimmermitgelbemDamastundsilbernenTressenfolgteamEndederEnfiladeundalsderenHöhepunktdasPorzellan-kabinett.HierinszenierteFriedrich I.seineSammlungvonchi-nesischenundjapanischenPorzellanen,diedamalsdiegrößteimReichsgebietwar.DieausgedehntenSpiegelflächensetzteneine eigene Spiegelproduktion voraus, damals ebenfalls einZeichenvonReichtumundLeistungsfähigkeitdesLandes.Zu-sammenmitdemikonografischenProgrammderAusmalung,dasaufdenAufstiegdesjungenpreußischenKönigtumsund

aufdieTugendendesLandesherrnverweist,wirktediesePor-zellaninszenierung als starkes dynastisches Symbol. 1706wurdedieserRaumzusammenmitderangrenzendenKapelleanlässlichderHochzeitdesThronfolgerseingeweiht.DieKa-pellezeigtnocheinmaleineSteigerungunddamitdenHöhe-punkt der Prachtentfaltung in den Charlottenburger Parade-kammern.DerWürdedesRaumesentsprechendistdasdeko-rativeVokabularhiermächtigerundschwerer.ÜberallwerdennebendenchristlichenAussagendieInsignienderpreußischenKönigswürdeinSzenegesetzt.

DiesogenannteRoteDamastkammerinderMittederPara-dewohnungwarihrerLagehinterdemAudienzzimmerzufolgevermutlicheinRats-oderKonferenzzimmer,dasauchalsTafel-gemachgenutztwurde.ÜberdieAusstattungzumZeitpunktdesDreikönigstreffens 1709 sind wir vergleichsweise gut infor-miert.SchondiePilastergliederunghebtdenRaumunterdenParadegemächernhervor.FürdieVerkleidungderWändelassensich ambitionierte Ausstattungsprojekte nachweisen.UrsprünglichsolltehiernachPlänenJohannFriedrichEosan-dersvon1702daslegendäreBernsteinzimmerseinenPlatzfin-den.MitdiesemseltenenundkostbarenMaterial,inkunstvoll

Schloss Charlottenburg, Rote Damastkammer im Paradeappartement Friedrichs I.,

Wandbespannung von 1763 (rekonstruiert 1965), Erstausstattung von 1709: Pilaster von

Goldbrokat, Wandfelder roter Damast ohne Tressen, 2000, Fotografie von 2000

szene 2 · königskunst 117

geschnitzten Tafeln an die Wände appliziert, hätte sich einePrachtsteigerung gegenüber dem davor gelegenen Audienz-zimmer mit seinen Marmorrahmungen ergeben. AußerdemwärefürdieZeitgenossendieAnspielungaufdasUrsprungslanddesBernsteins,Ostpreußen,deutlichgewesen,denndiesemTer-ritoriumverdanktendiebrandenburgischenHohenzollerndieKönigswürde.Material-ikonografischundarchitektonischhochausgezeichnet,mussdieserRaumfüreinezeremoniellwichtigeRollevorgesehengewesensein.DieAusführungderBernstein-täfelungzogsichjedochübervieleJahrehin,sodass1709nochimmerentscheidendeTeilefehlten.Warumdiebereitsfertig-gestelltenundmontiertenBernsteintafelnimJahr1709entferntwurdenundstattdesseneinereicheWandbespannungange-brachtwurde,istdenDokumentennichtzuentnehmen.Mög-licherweiseliegtderGrundimkurzfristiganberaumtenDreikö-nigstreffen:Friedrich I.wollteseinenköniglichenKollegendiemodernenCharlottenburgerParaderäumenichtinunfertigemZustand,sondernsorepräsentativwiemöglichzeigen.Daherkommtder1709hiereingebrachtentextilenAusstattungeinebesondereBedeutungzu:SiemusstedashoheAusstattungs-niveau halten, das durch die Pilastergliederung und die ge-plante Bernsteinvertäfelung vorgegeben war. Ein jüngererAktenfundbestätigt,dassmandiesemAnspruchnachgekom-

menwar:EinDokumentvon1710,dasdieArbeitendesVorjah-resauflistet,berichtet,dass»diebernsteinCamermitCarmosindamastundgüldbrecatebandenbeschlagen«wurde.2Etwasan-dersalsheutewarderRaumalsozudieserZeitmiteinerTapetevonrotemDamastmitBandenvonGoldbrokatausgeschlagen.Die heutige Ausstattung von rotem Damast mit Tressen hatihren Ursprung in der Zeit der Wiedereinrichtung nach denPlünderungenvon1760.VorherschmücktenBahnenvonGold-brokatdie22Pilaster,währenddieWandfeldermitrotemDa-masttapeziertwaren.MithoherWahrscheinlichkeitwurdederGoldbrokatstoffinFrankreichgewebt,denndiepreußischeSei-denwebereiwarerstinderzweitenHälftedes18.JahrhundertsinderLage,reichbroschierteSeidenstoffeherzustellen.EineRaumdekorationmitBandenunterschiedlicherBreite,FarbeundMusterungistseitdemspäten17.Jahrhundertallgemeinüblich.InCharlottenburgwurdediesesDekorationsmusterwei-terentwickelt, indem nun die textilen Banden direkt auf dieRaumarchitekturbezogenwurden.SiedientenhieralsVorlagenfürrealexistierendePilaster.SomiterhieltenindiesemReprä-sentationsraumdiealsWürdeformeleingesetztenPilastertex-tilenCharakter.DietraditionsreichentextilenBandenwurdenzutextilenPilasternundsomitselbstzuWürdeformeln.DieRote Damastkammer in Charlottenburg mit den vermutlich

Audienzgemach Augusts II. beim Empfang Maria Josephas im Dresdner Schloss

am 2. September 1719, Kupferstich (nach Raymond Leplat), Kupferstich-Kabinett, SKD

122 szene 2 · königskunst

RitteRoRden im dienst deR neuen KönigswüRde

derwettinerFriedrichaugust i.vonsachsenundderhohenzollerFriedrich iii.vonBran-

denburg–kurfürstendesheiligenrömischenreiches,nachbarn,verwandteundkonkur-

renten–standeninihremstrebennachhöchsterMacht-undPrachtentfaltungeinander

nichtnach.dieerlangungderkönigswürdealsaugust ii.inPolen1697undFriedrich i.in

Preußen1701hobbeideimrangüberdiedeutschenreichsfürstenhinaus.dieakzeptanz

alsMajestätseitensdereuropäischenherrscherelitemusstensiesichjedochersterarbeiten.

obgleichspätergekrönt,gingFriedrich i.indergründungseineshausordensaugust ii.

voran.am17.Januar1701,demvortagderkrönung,rieferinkönigsbergdieerstenritter

zusammen,umihnendieordenskreuzezuüberreichen.ZumZeichenseinesordenswählte

erdenschwarzenadlerausdemwappendesherzogtumsPreußen,einstauchZeichendes

geistlichendeutschenritterordens.dieZeichen,diedeviseunddieregelndes»königlich-

preußischenordensvomschwarzenadler«sindindengedrucktenundbebildertengrün-

dungsstatutenfestgehalten.dasordenskleidwaramköniglichenglischenhosenband-

ordenorientiert,demFriedrich i.selbstseit1690angehörte.derheuteeinzigeerhaltene

orangeroteundblaueornatnebstschwertdesschwarzenadlerordens(1705)stammtaus

demBesitzdesherzogsMoritzwilhelmvonsachsen-Zeitz.dasblau-weißemaillierte,

achtzackigeordenskreuzinderartdesMalteserkreuzesbirgtindenZwickelnjeweilseinen

schwarzenadlersowiediebekrönteninitialen»Fr«[Fridericusrex].eswurdeaneinem

orangefarbenenschulterbandüberdemrockgetragen.dergestickteBruststernamor-

densmantelundgalarockeinesritterszeigtdenschwarzenadler,derimFlugeinenlor-

beerkranzsowiedendonnerkeilJupitersmitsichführt,unddiedevise:»suuMcuiQue«

[jedemdasseine].dieüberdenbodenlangenMantelgelegteordenskettealshauptstück

derordenszeichenvereinteallesymboleunddieköniglicheninitialen.

august ii.grifffürseinenordendasbisindas12.Jahrhundertzurückreichendeheraldi-

scheZeichendeskönigreichsPolenauf,denweißenadler.unterinanspruchnahmevon

historiografensuchteerdenordenalseinealte,ihmselbstweitvorangehendepolnische

institutionzulegitimieren.dieausgestaltungdesaufdaskönigreichPolenbezogenen

weißenadlerordensvollzogaugust ii.schrittweisenachdemMaßderaktuellenMöglich-

keiten,BedürfnisseundFortschrittederMachtsicherungimverlaufdesnordischenkrieges.

BeiderauswahlderordensritterstandendieFamilie,kriegsverbündete,soZarPeter i.von

russlandunddessenFeldherren,sowiedieverzahnungdessächsisch-polnischenhofstaats

undMilitärsimvordergrund.BeiderneugründungdesordenszuehrenderJungfrauMaria

1705intykocynübergabaugust ii.lautordensaktendenritterneinabzeichen,dasden

weißenadler,diedevise»ProFide/rege/etlege«[Fürglaube/könig/undgesetz]und

dieköniglicheninitialen»ar«[augustusrex]zeigt.derkönigalsordensoberhaupt

Ordenskreuz des Schwarzen Adlers, um 1701,

SPSG

Ordenskreuz des Weißen Adlers, Vorderseite,

Staatliches Museum Schwerin

szene 2 · königskunst 123

führtediedevise»ProFide/grege/etlege«[Fürglaube/volk/undgesetz].ausder

anfangszeitdesordenssindovaleMedaillonsüberliefert,dieab1703vergebenwurden

(vgl.2|14).nachwiedererlangungder1706bis1709verlustigenkönigswürdeführteau-

gust ii.einrot-weißemailliertes,achteckigesbekröntesordenskreuzamblauenhalsband

ein.andervorderseitewareingroßerweißeradleraufgesetzt.anderrückseitefanden

sichdiedevisesowiedieinitialenarmiteinemkreuzunddenkurschwertern.1713erhielt

dasordenskreuzseineendgültigegestalt,wobeidaskreuzsowiediekurschwerterals

sächsischesZeichenentfielen.ZugleichwurdendasblaueschulterbandundderBruststern

angenommen.imJahr1721führteaugust ii.ineigenerPersondieordenskleidungam3.au-

gust,demnamenstagaugustus’undzugleichordenstag,öffentlichvor.siebestandnicht

ineinemherkömmlichenornat,sondernineinemrotenJagdkleidfranzösischerModemit

hirschfänger.Bordürenundhirschfängerderritterwareninsilber,diedeskönigsingold

gehalten.sogekleidetzogenalleanwesendenritterdesweißenadlerordens,derdamals

insgesamt21deutscheund15polnischeritterumfassendenordensgemeinschaft,imJahr

1730königFriedrichwilhelm i.vonPreußennebstkronprinzFriedrich(ii.)entgegen,um

ihngemeinsammitaugust ii.alsgastgeberzumgroßenManöverlagerbeiZeithainzu

empfangen.

Jutta Charlotte von Bloh

Ornat des Schwarzen Adlerordens, 1705,

Rüstkammer, SKD

Ordenskreuz des Weißen Adlers, Rückseite,

Staatliches Museum Schwerin

142 szene 2 · königskunst

beachtlicheGlanzdespreußischenHofes

undseineserstenKönigsverblasstdaneben

inderallgemeinenWahrnehmung–wozu

auchdasharscheUrteilseinesEnkelsFried-

rich II.beitrug,dasdieSichtaufFriedrichI.

langeprägte.pL

2|13��(Abb.S.122)

Ordenskreuz des Schwarzen Adlers um1701·Email,Stoff,Lack·7,7×6,8cm

Potsdam,StiftungPreußischeSchlösser

undGärtenBerlin-Brandenburg

[SammlungAurichI/1/1]

2|14

Medaillon des Ordens des Weißen Adlersum1705·Gold,Email·3,8×2,6cm

Warschau,ZamekKrólewski

(Königsschloss)[ZKWN.6861]

(vgl.S.122f.)

2|15ThomasRehwendtI

KettenflascheBerlin,vor1681·Silber,gegossen,getrieben,

graviert,teilvergoldet·36,5×18×17cm

Potsdam,StiftungPreußischeSchlösserund

GärtenBerlin-Brandenburg[X2894,KSV214]

ErworbenmitUnterstützungdesErnstvon

Siemens-KunstfondsundmitMittelnder

StiftungDeutscheKlassenlotterieBerlin

UnabdingbareBestandteileherrschaftlicher

RepräsentationwarenschonseitdemMit-

telalterprunkvollausgestatteteSchau-

buffets.SolcheaufTischen,Kredenzenoder

konsolenartigenWandapplikationenplat-

zierteArrangementssetztensichauseiner

VielzahlkostbarerGold-undSilberschmie-

dearbeitenzusammen.Zumeinensollteder

derartpräsentierteSilberschatzvonder

Macht,demRangundWohlstandseines

Besitzerskünden.Zumanderenwarerim

BedarfsfalleineschnellverfügbareGeld-

reserve.

2|12

2|14

szene 2 · königskunst 143

MitdemBaudesBerlinerStadtschlosses

durchFriedrichIII./I.wurdeimRittersaal,

demalsHauptfestsaaldesSchlosseseine

hohestaatspolitischeBedeutungzukam,das

GroßeSilberbuffetnachEntwürfenvonAnd-

reasSchlütereingerichtet.Mitseinerein-

heitlichgeplantenWanddekorationwares

dasbedeutendsteSchaubuffetseinerEpoche

unddemonstriertedasdurchdieKönigs-

würdegesteigerteRepräsentationsbedürfnis

Friedrichs I.

DerSilberschatzdeserstenKönigsin

Preußen,zudemauchdieausgestellte

Kettenflaschegehörte,musseinebeachtli-

cheGrößegehabthaben,dennesexistierten

zweiweitereSchaubuffetsimSchloss.1715

wurdenocheinviertesverzeichnet.Selbst

daskleinstedavonenthielt65Geräte.Der

SilberschatzwardurchgroßeBestellungen

beiSilberschmiedenverschiedenerGold-

schmiedezentren,aberauchdurchGe-

schenkeundErbschaftenimLaufederJahre

angewachsenundwurdeauchschonzuvor

intemporärenArrangementszurSchau

gestellt.tm

2|16JohannErhardHeuglinII

Kanne aus LavabogarniturAugsburg,um1717/18·Silber·H30,8cm

Dresden,GrünesGewölbe,Staatliche

KunstsammlungenDresden[IV299]

DieAugsburgerSchenkkanneausgegosse-

nem,ziseliertem,graviertemundvergolde-

temSilbergehörtemitderentsprechenden

UnterschalezueinerPartievonzwölfLava-

bogarnituren.SiewurdenimFrühjahr1719

inVorbereitungderVermählungdessächsi-

schenKurprinzenFriedrichAugustmitder

KaisertochterMariaJosephavonÖsterreich

aufderLeipzigerOstermesseerworben.

August II.sahanlässlichdieserfürSachsen

bedeutendenVerbindungundderFeierlich-

keitendieEinrichtungeinesprunkvollen

Silberkabinettsvor.EswarTeilderimzwei-

tenObergeschossdesDresdnerResidenz-

schlossesgelegenenRepräsentationsräume,

dieinVorbereitungderFestivitätenumge-

bautwurden.Das»Silberzimmer«,aufseine

Funktionverweisendauchals»Buffet«be-

zeichnet,wurdeimTurmzimmerdesHaus-

mannsturmsalsVerbindungsraumzwischen

Bankett-undBallsaaleingerichtet.Vorkom-

plettverspiegeltenWändenstandendort

HundertevonSilbergerätenaufPodesten,

WandkonsolenundGesimsen.DieseDarbie-

tungsformgriffdiebereitsseitdemEndedes

17.JahrhundertsüblicheFormderSpiegel-

kabinetteauf,indenenostasiatischePorzel-

lanegezeigtwurden.ErinnertseiandiePor-

zellankabinetteimOranienburgersowieim

CharlottenburgerSchloss.FürdiePräsenta-

tionvonSilbergerätalsSchaubuffetstellte

diesjedocheinespezifischsächsische

Eigenartdar.DennimGegensatzzumGro-

ßenBuffetdesBerlinerStadtschlosseswur-

deninDresdennundiegesamtenWand-

flächendesRaumszurAusstellungdes

Silbersgenutzt.AuchbeiderspäterenEin-

beziehungderSilbersammlungindasGrüne

Gewölbezwischen1724und1728wurdedie-

sesSystemimWeißsilber-undimSilber-

vergoldetenZimmerbeibehaltenundin

einengrößeren,musealenCharakter

tragendenRahmenintegriert.tm

2|15 2|16

Über Jahrhunderte hinweg war die Beziehung zwischen Preußen

und Sachsen geprägt von friedvoller Nachbarschaft sowie von

wirtschaftlichem und kulturellem Austausch. Stärker im Gedächt-

nis verankert blieben jedoch Konkurrenz, Rivalität und Krieg. Mit

Fokus auf der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert erzählt die Erste

Brandenburgische Landesausstellung in sieben pointierten Sze-

nen nicht nur das Gegeneinander, sondern auch das Miteinander

der beiden Länder und hinterfragt dabei Klischees. Der opulent

bebilderte Katalogband versammelt über 30 Essays von Histori-

kern, Kunsthistorikern und anderen Fachwissenschaftlern, die

das reiche Themenspektrum der Landesausstellung erweitern und

vertiefen. Ort und Kulisse der großen kulturhistorischen Schau,

die das Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Ge-

schichte ausrichtet, ist die »sächsische Perle Brandenburgs«,

Schloss Doberlug. Doberlug steht auch für den Anlass der Landes-

ausstellung, das 200-jährige Jubiläum des Wiener Kongresses.

Wie weite Teile Sachsens fielen Schloss und Stadt in dessen Folge

von Sachsen an Preußen.

e r s t e B r a n d e n B u r g i s c h e

L a n d e s a u s s t e L L u n g

s c h L o s s d o B e r L u g 2 0 1 4

sandste in