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8 MÜNCHEN ABENDZEITUNG MITTWOCH, 25. 2. 2015 WWW.AZ-MUENCHEN.DE

Schule statt Disco oder Glotze

E inige Schauspieler, einePrinzessin von Liechten-stein und sogar CSU-Grö-

ße Erwin Huber haben hier ihrAbi gemacht. Nachgemacht –am Städtischen Abendgymna-sium München.

Es gibt keine Hausaufgabenfür den nächsten Tag – auchkeine unangekündigten Exen.Im Klassenzimmer werden kei-ne Stinkbomben oder Papier-kügelchen geworfen. Erwach-sene sind am Abend-Gymi un-ter sich – um nach dem Job anihrem Abitur zu basteln. Unter-richt ist immer von 17.10 bis 21Uhr.

Durchgekaut wird trockenerGymnasial-Stoff. So gut wieeben möglich entschlackt, ver-dichtet und lebensnah präsen-

tiert. 144 Schüler von 17 bis 52Jahren, die meisten davonFrauen, pauken am GiesingerBahnhof. Jüngere Ballettschü-ler sind auch darunter. Sie brü-ten über lateinischer Gramma-tik, physikalischen Prinzipienoder trichtern sich in Bio den„Zitronesäurezyklus“ ein.

Jeder, der berufstätig ist,kann einsteigen – der Schulab-schluss interessiert an dieserStelle ausnahmsweise malnicht. Polizistin oder Kranken-pfleger, Rechtsanwaltsgehilfinoder Postbote hetzen in dieKlassenzimmer. Auch Mütterkämpfen hier für ihren Traumvom Studium: Ihr Alltag, mitder Komplett-Verantwortungfür ihre Kinder, gilt als Berufs-tätigkeit. Babys ab sechs Mona-te nehmen sie zur Schule mit.Auch lustige Fünfjährige, die„Biba“ oder „Maria“ heißen. Bis21 Uhr kuscheln, singen undmalen zwei Betreuerinnen mitden Kids.

„Nichts für verschlafene Leu-te“ ist der Slogan. Doch nichtselten nicken Schüler ein. „Daspassiert einfach, wenn manmüde ist – außerdem dürfenwir das“, erklärt Beatrice Denn-hardt. Die 25-jährige Fleische-reifachverkäuferin beweist seitzwei Jahren hier Biss: „Es istlustig bei uns. Alle Lehrer sindlocker und nett. Wer Geburts-tag hat, backt einen Kuchen“,sagt sie fröhlich.

„Die Schule alsHobby auffassen,dann ist es leichter“

Täglich abends noch heim bisRosenheim – das gibt es auch.Denn die Schule in München-Giesing ist das einzige öffentli-che Abendgymnasium in ganzBayern. „Hut ab! Ich würde mirdiesen Stress nicht zutrauen.Nach einem Vollzeitjob den

ohne lockere Freizeit mit Aben-den vor der Glotze, seltsam he-rausgerissen aus dem norma-len Leben – das ist hart.

Schulleiter Pflaum betont:„Migranten und Flüchtlingesind uns besonders willkom-men“. Der Förderkreis finan-ziert den Sonderkurs „Deutschals Zweitsprache“ mit einer en-gagierten Studentin als Lehre-rin.

Vorbild aller Schülerinnen,die Mama sind, ist übrigens Ex-Schwimmstar Franziska vanAlmsik. Die 36-jährige hat zweiKinder und schreibt diesesFrühjahr endlich auch Abitur –ihrer Mutter hatte sie das hochund heilig versprochen.

Eva von Steinburg

Ein Infoabend über das Abend-gymnasium München findet amheutigen Donnerstag statt, um19.30 Uhr, Anton-Fingerle-Bil-dungszentrum, Schlierseestraße47, ag.musin.de

Beamte suchen Aufstiegs-chancen. Einer braucht das Abi-tur schlicht für sein Selbstbe-wusstsein. Die meisten aberwollen wirklich an die Uni: Ge-schichte, Jura oder Maschinen-bau sind gefragt. „Ein Schülerist jetzt Zahnarzt, eine Baudi-rektorin bei der Stadt“, freutsich Ursula Völkl.

„Drei bis vierJahre büffeln, ohnefaul sein zu dürfen“

Dennoch: Das Abendgymna-sium ist kaum bekannt. DieSchülerzahl schrumpft, seitweniger Ostdeutsche kommen.Denn die BOS führt als Tags-über-Schule in zwei Jahrenzum Fachabitur.

Immerhin die Hälfte derSchüler hält bis zur Hochschul-reife durch. Doch drei bis vierJahre ohne faul sein dürfen,

Abend zu opfern, vielleicht ris-kieren Freunde zu verlieren…“,erklärt der neue SchulleiterEberhard Pflaum. Er unterrich-tet Mathe und Physik – und hateinen Spezial-Tipp: „Die Schuleals Hobby auffassen. Dann istes leichter, wenn andere in dieDisco gehen.“

Wahlweise drei oder vierJahre dauert der gemeinsameWeg. „Das Gefühl, zusammenin einem Boot zu sitzen, iststark“, sagt SchülersprecherinJennifer de Chiara. InnigeFreundschaften ergeben sich,mindestens einmal im Jahrwird Hochzeit gefeiert.

Zuspätkommen ist hierüberhaupt kein Problem. DieLehrer haben ein großes Ohr,auch für private Sorgen. „Daskollegiale Verhältnis unter Er-wachsenen hält die Stimmunghoch“, beschreibt die pensio-nierte Französisch-LehrerinUrsula Völkl vom Förderkreisdie besondere Atmosphäre.

Chance für arbeitendeMenschen: Büffelnam Abend-Gymnasiumfür das ersehnte Abitur

Hier gibt’s nur kleine Klassen: Physiklehrer Werner Jank beim anschaulichen Unterricht am Städtischen Abendgymnasium. Fotos: Daniel Loeper

„Kinderpsychologinist mein Traum“

Berufsberaterin moti-viert, weil Kinderpsy-chologin mein Traum-beruf ist. Dass hier nurErwachsene sind,macht es für michbesser. Das enge Ver-hältnis zu meinenMitschülern rettetmich. Wenn ich nichtkomme, rufen die an:Wo bleibst du? MeinVater ist Automecha-niker, mein StiefvaterTaxifahrer. Wenn allesgut läuft, werde ichdie erste Akademike-rin.“ Umfrage:

Eva von Steinburg

SchülersprecherinJennifer de Chiara(26) macht im MaiAbitur. Die alleiner-ziehende Mutterwohnt in Laim. ZweiJahre saß sie bei Ikeaan der Kasse. IhreTochter Maria (4)spielt abends in derKrippe des Gymnasi-ums: „Ich war notori-sche Schulschwänze-rin. Die 10. KlasseGymnasium habe ichwiederholt und die 11.drei Mal abgebrochen.Für das Abendgymna-sium hat mich eine

„Ich hoffe, dass ichhier durchhalte“

war völlig auf mich al-lein gestellt.

Kein Abitur - dashängt mir nach. Ichfinde, dass der Zugangzu einer Hochschuleetwas sehr erstre-benswertes ist. Wennich in Rente bin,möchte ich ganz inRuhe Kulturwissen-schaften studieren.Ich hoffe, dass ich hiernoch drei Jahre durch-halte, denn ich kom-me mit dem Zug vonweit, aus Königs-brunn. Obwohl das beimir 34 Jahre her ist,halte ich in Lateinrecht gut mit.“

Seit September istJörg Lang (52) wiederGymnasiast. Er istSachbearbeiter imErzbischöflichen Or-dinariat am Lenbach-platz. 3,5 Jahre tren-nen ihn vom ersehn-ten Abitur: „Manch-mal werde ich für ei-nen Lehrer gehalten.Aber ich bin Schüler -einer, der hier das Gü-tesiegel sucht, dass erein schlauer Menschist. Mit 17 hat es beimir auf dem Holbein-Gymnasium nichtmehr geklappt: keineAkademiker-Eltern,keine Nachhilfe, ich

„Abi hat einenmagischen Klang“

Später hat es mich to-tal gewurmt: Daskann nicht alles im Le-ben gewesen sein…

Seit zwei Jahren ste-he ich unter der Wo-che um fünf auf, ar-beite von sechs bis 15Uhr, bin von 17 bis 21Uhr im Unterricht –Muss halt! So etwaswie Fernsehen gibt esfür mich fast nie.“

Fleischereifachver-käuferin BeatriceDennhardt (25) stehtacht Stunden hinterder Wursttheke - ineinem MoosacherTengelmann: „Abitur -das Wort hat für micheinen magischenKlang. Es klingt nachetwas Besserem, Hö-herem. Mit Abiturkann ich an der UniBraumeister studieren– ich würde Biersor-ten variieren und mi-schen, mein Traum-job! Damit bleibe ichim Bereich Lebens-mittel.

Nach meiner Real-schule in Thüringenkam ich an die Wirt-schafts-FOS in Erding.Doch die war für michnicht zu schaffen. Eshagelte Fünfer undSechser. Weil ich da-rauf keine Lust hatte,bin ich mit 16 in Aus-bildung gegangen.

„Es ist somenschlich hier“

als an einer normalenSchule. Aus Afghanis-tan flüchtete meineFamilie, als ich 14 war.Ich war Security, Rei-nigungskraft, Küchen-hilfe. Aber Jobbenbringt mich nicht wei-ter. Ich habe Lust, et-was Interessantes zuarbeiten. Normal binich um 22 Uhr zu Hau-se, dann lerne ichnoch ein wenig. AmWochenende aber binich in der Kultfabrik,beim Billard oder inder Fußballarena Soc-cer 5.“

Ein Informatik-Studi-um ist das Ziel vonAjmal Tutakhiel (30).Der Hotel-Angestelltemacht im Mai Abitur:

„Jetzt kann mirnichts mehr passie-ren. Ich weiß selbernicht, wie ich das ge-schafft habe. Ich habeoft überlegt alles hin-zuschmeißen. Hätteich aufgehört, dannhätte ich jetzt nichts!Aber meine Lehrersind toll und habenmich sehr unterstützt.Bei uns ist es zumGlück menschlicher

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