Sprachfreie Intelligenzdiagnostik bei Kindern und ... · Einführung Intelligenzdiagnostik Einsatz...

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Sprachfreie Intelligenzdiagnostik bei Kindern und Jugendlichenmit der WNV

PD Dr. Monika Daseking

Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg

1.Oldenburger Diagnostik-Tag des

Kinder- und Jugendalters

16.08.2017

Universität Oldenburg

Programm

�Allgemeine Einführung in die sprachfreie Intelligenzdiagnostik

�Einführung in die WNV

�Einsatz der WNV bei Kindern mit Migrationshintergrund

�Einsatz der WNV bei Flüchtlingskindern

� Fallbeispiele

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WNV PD Dr. Monika Daseking

Allgemeine Einführung in die sprachfreie Intelligenzdiagnostik

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WNV PD Dr. Monika Daseking

Einführung Intelligenzdiagnostik� Einsatz standardisierter Tests, um kognitive Fähigkeiten von Menschen

aller Altersstufen zu erfassen

� breit angelegte Intelligenztests beinhalten verschiedene Facetten

� u. a. sprachliche Fähigkeiten,

� logisches Denken,

� Gedächtnisleistungen,

� numerische Fähigkeiten,

� visuell-räumliche Fähigkeiten,

� Verarbeitungsgeschwindigkeit...

� Aussagen über Stärken und Schwächen als Basis für Förder- oder Interventionsmaßnahmen

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WNV PD Dr. Monika Daseking

Einführung Intelligenzdiagnostik� Probleme ergeben sich, wenn Testpersonen die Instruktionssprache des

Tests nicht (ausreichend) verstehen oder sprechen können oder einen anderen kulturellen Hintergrund haben, wie z. B.

• taube oder schwerhörige Menschen

• Personen, die die Landessprache nicht ausreichend beherrschen

• Personen mit niedrigem sozioökonomischen oder Bildungshintergrund

• Personen, die aus einem anderen Land/einer anderen Kultur stammen

� Tests mit hohen Sprachanforderungen = eingeschränkte Aussagekraft

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Entwicklung von Intelligenztests mit sehr geringen Anforderungen an sprachliche Fähigkeiten oder kulturelles Wissen

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Einführung� Grundintelligenztests der CFT-Reihe (Culture Fair Intelligence Tests in der

Tradition von Cattell)

� Raven-Matrizen (SPM, CPM, APM)

� Snijders-Oomen Non-verbaler Intelligenztest 2 ½ - 7 (SON-R 2½ - 7)

� Non-verbaler Intelligenztests von 6 bis 40 Jahren (SON-R 6-40)

� Wechsler Nonverbal Scale of Ability (WNV)

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Tests können mehr oder weniger sprachfrei durchgeführt werden

WNV PD Dr. Monika Daseking

Sprachfreie/nonverbale Intelligenz

� Sprachfreie oder nonverbale Intelligenz stellt keine eigene Facette des Intelligenzkonstrukts dar

� „Sprachfreiheit“ � keine kognitive Fähigkeit, sondern Art der Testdurchführung

� Test kann durch Testperson ohne Verwendung von aktiver/expressiver Sprache bearbeitet werden

� Tests unterscheiden sich dadurch, ob Aufgaben durch Testleiter verbal erklärt werden oder ob andere Möglichkeiten bestehen, Aufgabenanforderung zu verdeutlichen

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Wechsler Nonverbal Scale of Ability

� Amerikanischer Test aus der Familie der Wechsler-Skalen (publiziert 2006)

� „Sprachfreies“ Verfahren zur Erfassung allgemeiner kognitiver Fähigkeiten

� Altersbereich: 4;0 bis 21;11 Jahren

� besonders geeignet für Testpersonen mit

bildunterstützte Instruktionen

− anderem muttersprachlichen und/oder kulturellen Hintergrund

− niedrigem sozioökonomischen und/oder Bildungshintergrund

− Sprachstörungen

− Erkrankungen aus dem autistischen Formenkreis

− Einschränkungen im Hören (Schwerhörigkeit, Taubheit)

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Untertests der WNV: Durchführung

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Durchführung: Testdauer

� abhängig von verschiedenen Faktoren:

� z. B. Alter, Fähigkeitsniveau oder Motivation der Testperson

� Durchführungsdauer:

� 4-Untertest-Version: 30 - 45 Min.

� 2-Untertest-Version: 10 - 15 Min.

� Testbatterie in einer Sitzung vollständig durchführen!

� in Ausnahmefällen 2 Termine innerhalb einer Woche

� Pausen nach Abschluss eines Untertests möglich

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Reihenfolge der Untertests: 4 UTs

� Einhaltung der Reihenfolge, wie sie im Protokollbogen und im Stimulus-Buch aufgeführt werden.

� Altersgruppe 4;0 – 7;111. Matrizen-Test2. Zahlen-Symbol-Test3. Figuren legen4. Formen wiedererkennen

� Altersgruppe 8;0 – 21;111. Matrizen-Test2. Zahlen-Symbol-Test3. Visuell-räumliche Merkspanne4. Bilder ordnen

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Reihenfolge der Untertests: 2 UTs

� Einhaltung der Reihenfolge, wie sie im Protokollbogen und im Stimulus-Buch aufgeführt werden.

� Altersgruppe 4;0 – 7;111. Matrizen-Test2. Zahlen-Symbol-Test3. Figuren legen4. Formen wiedererkennen

� Altersgruppe 8;0 – 21;111. Matrizen-Test2. Zahlen-Symbol-Test3. Visuell-räumliche Merkspanne4. Bilder ordnen

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Durchführung: Vertrautheit im Umgang mit den Testmaterialien

� Testmaterial systematisch ordnen

� einige Untertests sind in ihrer Durchführung ziemlich komplex (z.B. Figuren legen):

1. Stimulus-Buch mit bildunterstützten, sprachfreien Anweisungen vorlegen, gleichzeitig Puzzleteile in standardisierter Weise präsentieren und Stoppuhr starten

2. Bearbeitungszeit & Lösung notieren

3. nächste Aufgabe vorgeben

� schneller und reibungsloser Ablauf

� Testdurchführung vorab solange üben, bis die Handlungssequenzen automatisch ablaufen.

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WNV PD Dr. Monika Daseking

Durchführung mit bildbasierten Instruktionen� für alle Untertests zusätzlich bildliche Instruktionen, um auf

nonverbalem (und gleichzeitig motivierendem) Weg Aufgabenanforderungen zu kommunizieren

� Bilder verdeutlichen, was Testleiter und Testperson bei den einzelnen Untertests tun

� vorab mit dieser Art von Testinstruktion vertraut machen

� Durchführungsanleitung � Aktivitäten des Testleiters für jeden Untertest detailliert vorgestellt

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WNV PD Dr. Monika Daseking

Durchführung mit Übersetzung der verbalen Instruktionen

� Übersetzungen der verbalen Instruktionen direkt unterhalb der deutschen Instruktionen jeweils hinter dem entsprechenden Landeskürzel (R = Russisch, T = Türkisch, A = Arabisch, S = Spanisch)

� weitere Versionen verfügbar

� nur dann verwenden, wenn Testleiter (ggfs. mit Hilfe qualifizierter Person) Test in Muttersprache der Testperson durchführen kann

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Untertests der WNV:Inhaltliche Beschreibung

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WNV-Untertests 1717

Untertest Abk. Beschreibung

Matrizen-Test MZTestperson betrachtet unvollständige Matrize mit Formen und wählt fehlendes Teil aus vier oder fünf Antwortalternativen aus.

Zahlen-Symbol-Test

ZSTInnerhalb einer festen Zeitspanne sollen Symbole nach vorgegebenem Schlüssel einfachen geometrischen Formen oder Zahlen zugeordnet werden.

Figuren legen FLJede Aufgabe besteht aus mehreren Puzzleteilen, die innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne zu sinnvollem Ganzen zusammengesetzt werden sollen.

Formen wieder-erkennen

FWNachdem Testperson eine geometrische Form 3 Sekunden lang betrachtet hat, soll sie diese unter vier bzw. fünf Antwortalternativen herausfinden.

Visuell-

räumliche Merkspanne

VRMTestperson tippt Serie von Würfeln an, die Testleiter vorher angetippt hat (VRM vorwärts: Würfel in gleicher Reihenfolge antippen wie Testleiter; VRM rückwärts: in umgekehrter Reihenfolge antippen)

Bilder ordnen BOTestperson wird Bildserie in falscher Reihenfolge vorgelegt. Bilder sollen innerhalb einer vorgegebenen Zeitgrenze in richtige Reihenfolge gebracht werden, damit sich logische Geschichte ergibt

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Untertests der WNV:Auswertung

1818

WNV PD Dr. Monika Daseking

Auswertung

In Tabelle A.1 die entsprechende Altersgruppe auswählen!

49

22

11

8

Auswertung

Auswertung

In Tabelle A.1 die entsprechende Altersgruppe auswählen!

49

22

11

8 42

40

55

51 51

40

188 91

Auswertung

Tabelle A.2 für die 4-Untertest-Batterie Tabelle A.3 für die 2-Untertest-Batterie

217

Auswertung

Auswertung

Tabelle A.2 für die 4-Untertest-Batterie Tabelle A.3 für die 2-Untertest-Batterie

100 11673109217

1912 führte der deutsche Psychologe William Stern den Intelligenz-Quotienten (kurz: IQ) ein.

= das Intelligenzalter wird durch das Lebensalter dividiert und –um ganzzahlige Werte zu erhalten – mit 100 multipliziert.

Aber: das Lebensalter steigt weiter und das Intelligenzniveau bleibt ab dem Erwachsenalter relativ konstant. Folge: IQ würde mit dem Alter wieder abnehmen.

Intelligenzquotient

David Wechsler

individueller Testwert wird immer an dem Mittelwert und der Streuung einer für die Testperson repräsentativen Altersgruppe standardisiert

Abweichungs-IQ

IQ = 100 ± 15

Intelligenzquotient

Auswertung

Tabelle B.1 (Kritische Differenzen) und B.2 (Grundraten) nach Untertest und Altersgruppe

Auswertung

Tabelle B.3 (Kritische Differenzen) und B.4 (Grundraten) nach Untertestpaarung und Altersgruppe

Auswertung

Interpretation

Interpretation

Interpretation

Einsatz der WNV bei Kindern mit Migrationshintergrund

33

WNV PD Dr. Monika Daseking

3434

WNV und Kinder mit Migrationshintergrund: Empirische Befunde

Daseking, M., Werpup-Stüwe, L., Wienert, L. M., Menke, B. M., Petermann, F., & Waldmann, H. C. (2015). Sprachfreie Intelligenzdiagnostik bei Kindern mit Migrationshintergrund. Kindheit und Entwicklung, 24, 243-251.

� Kinder der Normstichprobe der WNV

� Deutsch als Muttersprache: 980 Kinder (davon 483 Jungen)

� andere Muttersprache: 304 (davon 157 Jungen)

� Variablen:

� Bildungshintergrund der Familie/Mutter (klassiert in niedrig – mittel –hoch)

� Muttersprache (Deutsch, andere)

WNV PD Dr. Monika Daseking

3535

WNV und Kinder mit Migrationshintergrund: Empirische Befunde

WNV PD Dr. Monika Daseking

Altersgruppe 4;0 – 7;11 Jahre

Altersgruppe 8;0 – 21;11 Jahre

WNV und Kinder mit Migrationshintergrund: Empirische Befunde� Mittelwerte unterscheiden sich in allen Ebenen für Bildungsstand

der Hauptbezugsperson (höherer Bildungsabschluss der Hauptbezugsperson = höhere kognitive Leistung des Kindes)

� Muttersprache spielt dagegen untergeordnete Rolle

36 36

WNV PD Dr. Monika Daseking

� in beiden Altersgruppen signifikanter Einfluss des Faktors „Bildungsstand der Hauptbezugsperson“ sowohl für Kinder mit Deutsch als Muttersprache als auch für Kinder mit einer anderen Muttersprache

� Effekt bei Kindern mit deutscher Muttersprache etwa drei- bis viermal so hoch

3737

WNV und Kinder mit Migrationshintergrund: Empirische Befunde

(Daseking, Werpup-Stüwe, Wienert, Menke, Petermann & Waldmann, 2015).

Ergebnisse der Untertests und des Gesamtwerts der WNV nach Sprachgruppe (N = 221)

WNV PD Dr. Monika Daseking

38WNV und Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen

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N = 46 Kindern und Jugendlichen (41 Jungen = 89.1%, 5 Mädchen = 10.9%) mit Diagnose einer Sprachentwicklungsstörung

Signifikante Differenzen in Untertests zum Gedächtnis und zur Verarbeitungsgeschwindigkeit

(Quelle: Technisches Manual WNV)

Einsatz der WNV bei Flüchtlingskindern

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Durchführung und Interpretation

� Elterninformationen und ggfs. Fragebögen in der Muttersprache der Kinder/Familie

� vgl. http://www.pearsonassessment.de/WNV-Anwenderservice/

� Servicepaket für WNV-Anwender

� eigene Fremdsprachkompetenz/Dolmetscher

40 40

Berücksichtigung des sprachlichen und

kulturellen Hintergrunds des Kindes/der

Familie

Sprachliche Aspekte

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Durchführung und Interpretation

� Vertrautheit mit Materialien (Papier, Bleistift, Bücher) oder Aufgabentypen (Matrizenaufgaben)

� Aufgabeninhalte (vgl. UT Bilder ordnen: Hausbau)

� Besonderheiten der Schriftsprache (vgl. Schreib- und Leserichtung im Arabischen)

� Zahlen/Ziffern

41 41

Kulturelle Aspekte

Weitere Aspekte

� Fluchterfahrung

� Traumatisierung (vgl. UT Bilder ordnen: Feuer)

WNV PD Dr. Monika Daseking

Einsatz der WNV bei Geflüchteten

� Überprüfung der Einsatzmöglichkeiten der WNV

� Aussagekraft und Grenzen der Interpretation

� Übereinstimmung der Ergebnisse mit Lehrereinschätzung und Verhaltensbeobachtung durch Testleiterin

42 42

Ziel der Studie

� ZEA Hamburg

� 22 geflüchtete Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 15 Jahren

� Herkunftsländer: Afghanistan, Syrien, Irak, Albanien

Durchführung der Studie

WNV PD Dr. Monika Daseking

Einflussfaktor kultureller Hintergrund 43 43

Leistungsunterschiede zwischen Kindern aus der Erstaufnahme, Kindern ohne und

mit Migrationshintergrund

Anmerkungen. IQ 4 = Gesamtwert aus 4 Untertests, MZ = Matrizen-Test, ZST = Zahlen-Symbol-Test, VRM = Visuell-

Räumliche Merkspanne, BO = Bilder Ordnen, 1 = Erstaufnahme, 2 = ohne Migrationshintergrund, 3 = mit

Migrationshintergrund

WNV PD Dr. Monika Daseking

Einflussfaktor kultureller Hintergrund 44 44

Korrelationen der Lehrereinschätzung mit dem IQ 4

Spearman-Rho Deutsch-

kenntnisse

Lernfortschritt Motivation Einschätzung

Intelligenz

r p r p r p r P

IQ 4 -.12 .609 .01 .980 -.37 .092 -.17 .443

Lernfortschritt .72 < .001 .64 .001 .76 < .001

Motivation .65 .001 .68 .001

E. Intelligenz .92 < .001

Lehrereinschätzungen korrelieren untereinander hoch, aber kein

Zusammenhang zwischen Lehrereinschätzung und IQ erkennbar

WNV PD Dr. Monika Daseking

Zusammenfassung - Fazit

Umgang mit Mehrsprachigkeit in der psychologischen Praxis setzt neben allgemeinen Grundlagen zur Diagnostik, Förderung und

Therapie auch spezifische Kenntnisse voraus, um mehrsprachigen Hintergrund und individuelle Lebensumständen der Kinder

angemessen zu berücksichtigen.

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WNV PD Dr. Monika Daseking

45

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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PD Dr. Monika DasekingProfessurvertreterin Pädagogische PsychologieHelmut-Schmidt-Universität/Universität der BundeswehrHolstenhofweg 8522043 Hamburg

Tel.: +49 (0) 40 6541 2849mail: dasekinm@hsu-hh.de

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