Steuerung durch Raumordnung und regionale Entwicklungsprogramme – Auswirkungen auf die...

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Steuerung durch Raumordnung und regionale Entwicklungsprogramme – Auswirkungen auf die

Entwicklungschancen von Gemeinden

Prof. Dr. Ulrich Harteisen

Gliederung

1. Raumordnung und Regionalentwicklung – Verankerung und

Entwicklung

2. Raumentwicklung unter Schrumpfungs- und

Konzentrationsbedingungen

3. Auswirkungen auf die Entwicklungschancen von Gemeinden

1. Raumordnung und Regionalentwicklung –

Verankerung und Entwicklung

Konkurrenz der Raumansprüche

Raumordnung soll die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum

mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringen und zu einer

dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen

Lebensverhältnissen in den Teilräumen führen.

…die Übertragung des vorsorgenden Vorausdenkens auf den Raum.

Raumordnung

Nachhaltige Raumentwicklung: sozial, ökonomisch und ökologisch ausgewogen

zunehm

ende

Verb

indlich

keit

zunehm

ende

Kon

kretisie

run

g

System der Raumordnung

2. Raumentwicklung unter Schrumpfungs- und

Konzentrationsbedingungen

Die Trends der Raumentwicklung werden geprägt durch die Entwicklung und räumliche Verteilung von Bevölkerung, Arbeitsplätzen und Infrastruktur und ihren Auswirkungen auf die Flächennutzung und den Verkehr.

Die Raumentwicklungspolitik muss die bisherige Entwicklung bewerten und absehbare zukünftige Entwicklungstrends in ihren Strategien und Entscheidungen berücksichtigen.

Trends der Raumentwicklung

Die Anzahl der Erwerbspersonen nimmt regional ab oder zu und damit das Arbeitskräftepotenzial am Arbeitsmarkt. Dies kann zu Fachkräftemangel oder Entspannung der Arbeitsmärkte führen.

• Starke Zuwächse im Umland der Großstädte bis weit in die peripheren, ländlichen Räume

• Geringe Zuwächse in Zentralräumen und Abwanderungsgebieten

Alle Trends zusammengefasst:

•Bevölkerungs- und Arbeitsplatzentwicklung bestimmen über Wachstum und Schrumpfung von Regionen.

•Problem: Nachhaltige Entwicklung in wachsenden Räumen wegen hoher Siedlungs- und Verkehrsdynamik. Schrumpfende Räume nehmen verstärkt zu, auch im Westen.

Neue Leitbilder und Handlungsstrategien der Raumordnung(nach Ministerkonferenz für Raumordnung 2013)

•Stärkung der WettbewerbsfähigkeitUber differenzierte Politikansätze muss der Unterschiedlichkeit der Räume

Rechnung getragen werden, dazu ist die Stabilisierung und Stärkung der

regionalspezifischen Kompetenzen, Kräfte und Potenziale erforderlich

•Sicherung der DaseinsvorsorgeGewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse als langfristige

Entwicklungsaufgabe: das Zentrale-Orte-System als das räumliche Grundgerüst für die

Daseinsvorsorge konsequent anwenden und Kooperationen zwischen den Gemeinden

unterstützen

•Steuerung der RaumnutzungRäumliche Nutzungskonflikte minimieren, Reduzierung der

Flächenneuinanspruchnahme, Ausbau der regenerativen Energien, …

Regionalentwicklung/ Regionalmanagement

Ein ergänzendes Instrument der Raumentwicklung

Agendabeirat3 Arbeitskreise

DorfrundeBöhmfelderinnen +

Böhmfelder

ENTSCHEIDEN HANDELN

VEREINBARENKOORDIN

IEREN

Uno-Konferenz von Rio 1992Charta von Aalborg 1994

Leitfaden 1997Lokale Agenda 21

Zwischenfazit

Trotz Raumordnung und

Regionalentwicklung …

konnte eine Verschärfung der

regionalen Disparitäten nicht

verhindert werden.

Auch wenn es für diese Entwicklung

sicher mehrere Ursachen gibt, so

muss doch festgehalten werden, dass

die Raumordnung, wie bisher

praktiziert, ihrem zentralen Ziel der

„Gewährleistung gleichwertiger

Lebensverhältnisse“

nur unzureichend gerecht werden

konnte.

Was folgt daraus?Auch wenn die neuen Leitbilder der Raumordnung einige der zentralen

raumwirksamen gesellschaftlichen Veränderungsprozesse aufgreifen

(Klimaschutz – Energiewende, Mobilität, Daseinsvorsorge), geben sie keine

ausreichende Antwort auf die drängenden Probleme der Raumentwicklung.

Gerade ein Festhalten an den gewachsenen Raumordnungsstrukturen

(zentrale Orte) behindert die Entwicklung von innovativen Steuerungs- und

Aktivierungsinstrumenten.

In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere

a)über die Selbstverantwortung und über die Handlungsspielräume der

Gemeinden nachzudenken sowie

b)Raumordnung und Regionalentwicklung viel stärker als bisher als sich

ergänzende Instrumente zu verstehen und sie auch in inhaltlicher

Verknüpfung zu nutzen

3. Auswirkungen auf die Entwicklungschancen von

Gemeinden

Steuerung und Selbstverantwortung - ein Widerspruch?

Gerade die jüngere regionalwissenschaftliche Forschung zeigt auf, dass den Gemeinden im Zusammenhang mit den sogenannten großen gesellschaftlichen Transformationsprozessen (Klimawandel, Demographischer Wandel) zunehmend eine bedeutendere Rolle als Handlungs- und Gestaltungsraum zukommt (vgl. Hahne 2014).

Steuerung und Selbstverantwortung - ein Widerspruch?

Demgegenüber stehen eine Raumordnung, die einen weitgehenden Steuerungsanspruch („top down“) aufrecht erhält und Instrumente der Regionalentwicklung, deren Ziele sich nicht immer ausreichend an regionalen Problemlagen orientieren.

Hinzu kommt, dass die Inanspruchnahme von regionalen Entwicklungsprogrammen i.d.R. eine komplexe Antragstellung voraussetzt, womit gerade auch kleinere Gemeinden überfordert sein können.

Das System der Zentralen Orte erodiert …

Zentrale Orte verlieren aufgrund von Einwohnerverlust ihre zentralen Funktionen und damit ihren Zentralitätsstatus.

Können neugebildete räumliche Funktionseinheiten, ggfs. mit geteilter Funktionalität, insbesondere auf der Ebene der Grundzentren Daseinsvorsorge sichern?

Zur Diskussion gestellt:

Idee der Garantie- und Selbstverantwortungsräume (nach Aring 2014)

Garantieräume: Zentrale Orte mit entsprechenden Funktionen, die über die

Raumordnung festgelegt werden

Selbstverantwortungsräume: alle übrigen Räume/Orte, in denen sich der

„vorsorgende Staat“ immer stärker zurückzieht und die Menschen vor Ort eine

immer größere Selbstverantwortung für die Daseinsvorsorge übernehmen

sollen.

Aring (2014) schlägt in diesem Zusammenhang vor, Kleinkommunen zu

größeren Funktionseinheiten zusammenzulegen und mit politischer

Selbstverantwortung auszustatten und verweist auf entsprechend erfolgreiche

Prozesse in Dänemark.

Zur Diskussion gestellt:

In Zeiten großer gesellschaftlicher Transformationsprozesse

(demographischer Wandel) mit erheblichen räumlichen Auswirkungen gilt es

über eine Verschlankung der Raumordnung und über das Verhältnis

von übergeordneter Steuerung und kommunaler Selbststeuerung neu

nachzudenken.

Das anerkannte Subsidiaritätsprinzip, nachdem eine (staatliche) Aufgabe

soweit wie möglich von der unteren Ebene bzw. kleineren Einheit

wahrgenommen werden sollte, gilt es in diesem Zusammenhang in

besonderer Weise zu beachten.

Ein Umdenken in diese Richtung scheint zu beginnen, wie ein Blick in

den Entwurf des RROP Landkreis Göttingen (2014) zeigt:

…„Die Neuaufstellung des RROP trägt dabei auch dem Ziel der Straffung

und Vereinfachung von Regelwerken des Raumordnungsrechtes

Rechnung („Verschlankung“), indem auf Sachverhalte, die auf anderen

Fachplanungsebenen zu regeln sind, verzichtet wird.“…

(Entwurf RROP 2014, Landkreis Göttingen)

Kommentar: Ein richtiger Ansatz, der bei konsequenter Anwendung auch

den Gemeinden erweiterte Spielräume zur Mitgestaltung der Umsetzung der

neuen Leitbilder der Raumentwicklung ermöglichen könnte.

Raumord-nung

Regional-entwicklung

Wer organisiert das erforderliche konstruktive

Zusammenspiel?

Beide Steuerungs-/Entwicklungsinstrumente sollten insbesondere in Schrumpfungsregionen deutlich stärker auf ein

„Ermöglichen und Aktivieren“

ausgerichtet werden.

Weitergehende ÜberlegungenRaumentwicklung neu denken und organisieren

Raum-entwicklung

Ermöglichen und Aktivieren – eigentlich ein Grundprinzip

der europäischen Regionalpolitik

In allen Mitgliedstaaten der EU lassen sich seit Anfang der 1990er Jahre

Prozesse der Aufwertung gesellschaftlicher Selbststeuerungsverfahren

auf regionaler Ebene und der Rücknahme staatlicher Interventionen

beobachten.

Die Umsetzung der Regionalpolitik wird diesem Anspruch

jedoch nur bedingt gerecht …

Landesebene

EU-Ebene

Nationale Ebene- Partnerschaftsvereinbarung

Bewilligungsebene (ELER: LGLN, …; EFRE: N-Bank)

LEADER

Kann die“ Förderarchitektur“ der europäischen Strukturpolitik (2014-

2020) diesem Anspruch gerecht werden?

Landesebene

Gemeinsamer Strategischer Rahmen (GSR)ELEREur. Landwirtschaftsfonds für dieEntwicklung des ländlichen Raums

EFREEur. Fonds fürregionale Entwicklung

ESFEuropäischerSozialfonds

EUFinanz- und

Kontrollsystem

Landesprogramme (Operationellen Programme)

- Richtlinien

Landesbeauftragte

Projektebene

Einreichung Frühjahr

2014 Beispiel Niedersachsen

Fazit

1.In Zeiten einer „großen Transformation“ von Gesellschaft und Wirtschaft ist

ein steuernder Staat (Raumordnung) zur Aufrechterhaltung einer technischen

und auch sozialen Basisinfrastruktur weiterhin wichtig, daneben gewinnen die

Gemeinden als „Reallabore“ der Transformation an Bedeutung.

2.In diesem Anpassungsprozess erscheint es wichtig, dass die regionale

Raumordnung den Gemeinden notwendige Gestaltungsspielräume bewusst

öffnet und die Regionalentwicklung gezielt als ergänzendes Instrument der

Raumentwicklung eingesetzt wird.

3.Zur Entwicklung und Ausgestaltung einer innovativen Strategie der

Raumentwicklung unter Berücksichtigung des Gedankens einer

Zusammenführung von Raumordnung und Regionalentwicklung bei

besonderer Betrachtung der kommunalen Ebene sind neue

Forschungsansätze wie auch eine breit angelegte gesellschaftliche und

fachliche Diskussion erforderlich.