Sven Siebenand, Eschborn

Post on 23-Nov-2021

12 views 0 download

Transcript of Sven Siebenand, Eschborn

Neue Arzneistoffe des Jahres 2017

Sven Siebenand,

Eschborn

Jahresbilanz

Im Jahr 2017 kamen bisher insgesamt

35 neue Arzneistoffe auf den Markt:

• 11 Sprunginnovationen

• 16 Schrittinnovationen

• 8 Analogpräparate

Analogpräparate

• Avibactam (Zavicefta®)

• Ixekizumab (Taltz®)

• Lonoctocog alfa (Afstyla®)

• Nabilon (Canemes®)

• Nonacog beta pegol (Refixia®)

• Reslizumab (Cinqaero®)

• Ribociclib (Kisqali®)

• Sarilumab (Kevzara®)

Schrittinnovationen

• Alectinib (Alecensa®)

• Atezolizumab (Tecentriq®)

• Brodalumab (Kyntheum®)

• Etelcalcetid (Parsabiv®)

• Follitropin delta (Rekovelle®)

• Glecaprevir (Maviret®)

• Guselkumab (Tremfya®)

• Ixazomib (Ninlaro®)

• Landiolol (Rapibloc®)

• Niraparib (Zejula®)

• Parathyroidhormon (Natpar®)

• Pibrentasvir (Maviret®)

• Rolapitant (Varuby®)

• Telotristatethyl (Xermelo®)

• Tivozanib (Fotivda®)

• Voxilaprevir (Vosevi®)

Sprunginnovationen

• Avelumab (Bavencio®)

• Baricitinib (Olumiant®)

• Cenegermin (Oxervate®)

• Cerliponase alfa (Brineura®)

• Dupilumab (Dupixent®)

• Inotuzumab Ozogamicin (Besponsa®)

• Midostaurin (Rydapt®)

• Nusinersen (Spinraza®)

• Obeticholsäure (Ocaliva®)

• Tofacitinib (Xeljanz®)

• Venetoclax (Venclyxto®)

Baricitinib (Olumiant®, Lilly)

Tofacitinib (Xeljanz®, Pfizer)

• Einsatzgebiet: Rheumatoide Arthritis

• Sprunginnovationen

Neue JAK-Hemmer

• Kinasen sind Enzyme, die Phospatreste übertragen

• Januskinasen gehören zu den zytoplasmatischen

Tyrosinkinasen

• an Zytokin-Rezeptoren ankommende Signale werden

in den Zellkern weitergeleitet

• vier verschiedene JAK bekannt

JAK-STAT-Signalweg

Hemmung des JAK-STAT-

Signalwegs

Wirkmechanismus

• Baricitinib und Tofacitinib konkurrieren mit ATP

um Bindungsstelle im katalytischen Zentrum der

JAK-Kinasen

• immunologische und entzündliche Prozesse blockiert

• Unterschied zu Biologika: Multizytokin-Hemmung statt

Inhibition meist nur eines Zytokins

Anwendungsgebiet

• bei mittelschwerer bis schwerer rheumatoider Arthritis,

wenn auf eine vorangegangene Behandlung mit einem

oder mehreren DMARD unzureichend angesprochen

wurde oder diese nicht vertragen wurden

• Monotherapie oder in Kombination mit

Methotrexat (MTX)

• im aktuellen Update der EULAR-Empfehlungen als

mögliche Alternative zu Biologika genannt

Anwendung

• Baricitinib einmal täglich 4 mg oral

• Tofacitinib zweimal täglich 5 mg oral

• Einnahme unabhängig von Mahlzeiten

• beide JAK-Hemmer bei Schwangeren kontraindiziert

• kein Einsatz in der Stillzeit empfohlen

Wechselwirkungen

• Vorsicht bei der Kombination mit potenten

Immunsuppressiva wie Azathioprin, Tacrolimus

und Ciclosporin

• keine Kombination von mehreren JAK-Hemmern

oder JAK-Hemmer und Biologikum empfohlen

• Tofacitinib wird durch CYP3A4 metabolisiert: starke

Hemmstoffe beziehungsweise Induktoren des Enzyms

sind als Kombinationspartner daher problematisch

Tipps für das

Beratungsgespräch

• Impfstatus prüfen vor Therapiebeginn, unter JAK-

Hemmer-Behandlung auf Lebendimpfstoffe verzichten

• Saccharomyces boulardii (cerevisiae) und JAK-Hemmer

vermeiden (generalisierte Hefeinfektionen/Fungämien)

• Kontraindikation bei Schwangeren bedenken

• wirksame Empfängnisverhütung

Dupilumab (Dupixent®, Sanofi

Genzyme)

• Einsatzgebiet: Atopische Dermatitis

• Sprunginnovation

Die Rolle von IL-4 und IL-13

• IL-4 und IL-13 sind wesentliche Bestandteile der

Typ 2-Immunantwort

• bei atopischer Dermatitis liegt Überaktivierung

von Th2-Zellen vor

• vermehrtes Ausschütten von IL-4 und IL-13, was

Entzündung und die Störung der Barrierefunktion

der Haut vermittelt

Dupilumab

• erster Antikörper zur Behandlung der atopischen

Dermatitis

• bei Erwachsenen im mittelschweren bis schweren

Stadium, die für systemische Therapie in Betracht

kommen

• Antikörper hemmt die IL-4/IL-13-Signalgebung

• bindet zielgerichtet die IL-4-Rezeptor-α-Untereinheit

Anwendung und

Nebenwirkungen • Anfangsdosis 600 mg subkutan, also zwei Injektionen

• danach 300 mg subkutan alle zwei Wochen

• Injektion in den Oberschenkel oder Bauch

• Dupilumab ist im Allgemeinen gut verträglich

• Reaktionen an der Injektionsstelle, Lippenherpes,

Reaktionen an den Augen wie Rötung, Schwellung

und Trockenheit als mögliche Nebenwirkungen

Tipps für das

Beratungsgespräch • Präparat im Kühlschrank lagern; nach der Entnahme aus

dem Kühlschrank für die Injektion 45 Minuten warten,

damit die Injektion bei Raumtemperatur erfolgt

• Injektionsstellen regelmäßig wechseln

• Präparat nicht schütteln und niemals Hitze

oder direktem Sonnenlicht aussetzen

• Test auf mögliche Wurminfektion vor Therapiebeginn

und bei Bestehen diese zunächst auskurieren

Obeticholsäure (Ocalvia®, Intercept)

• Einsatzgebiet: Primäre biliäre Cholangitis

• Sprunginnovation

Primäre biliäre Cholangitis

• seltene chronische Lebererkrankung

• entzündliche Veränderung intrahepatischer Gallenwege

führen zur Cholestase

• sehr unterschiedliche Verläufe möglich

• Pruritus und Fatigue häufige Symptome, auch

Lipidflecken in den Augen, Trockenheit von Augen

und Mund sowie Gelenkbeschwerden möglich

Obeticholsäure

• zugelassen in Kombination mit Ursodesoxycholsäure bei

unzureichendem Ansprechen auf die Standardtherapie

oder als Monotherapie, wenn Ursodesoxycholsäure nicht

vertragen wird

• Wirkmechanismus von Obeticholsäure unterscheidet

sich deutlich vom Wirkmechanismus der

Ursodesoxycholsäure

• Obeticholsäure wirkt am Farnesoid-X-Rezeptor (FXR)

Farnesoid-X-Rezeptor

• FXR vor allem in Leber und Darm exprimiert

• durch Aktivierung regulieren Gallensäuren ihren

eigenen Metabolismus

• Synthese nimmt ab, Gallenabfluss aus der Leber zu

• FXR schützt die Leberzellen so vor hohen toxischen

intrazellulären Gallensäure-Konzentrationen

• Obeticholsäure hoch potenter Agonist am FXR

Anwendung

• Anfangsdosis 5 mg einmal täglich unabhängig von

den Mahlzeiten

• danach kann die Dosis auf 10 mg erhöht werden,

um ein optimales Ansprechen zu erzielen

• sehr häufig Juckreiz, Fatigue sowie Schmerzen und

Beschwerden im Bauchraum

• kontraindiziert bei totalem Gallengangsverschluss

Tipps für das

Beratungsgespräch

• eventuell Antihistaminika zur Behandlung

von Juckreiz empfehlen

• Gallensäurebinder können die Wirksamkeit von

Obeticholsäure reduzieren und sollten mit mindestens

vier bis sechs Stunden Abstand zur Anwendung

kommen

• INR überwachen bei gemeinsamer Gabe

mit Vitamin-K-Antagonisten

Nusinersen (Spinraza®, Biogen)

• Einsatzgebiet: Spinale Muskelatrophie

• Sprunginnovation

Spinale Muskelatrophie

• SMA ist eine seltene genetische Erkrankung

• Funktionsverlust des SMN1-Gens

• Motoneuronen nicht mehr arbeitsfähig

• Atrophie der Muskulatur, Lähmungen und unter

Umständen Ausfall lebenswichtiger Muskulatur

• zwei unterschiedliche Formen

Nusinersen

• zugelassen zur Behandlung der häufigsten Form

der SMA

• wirkt als Antisense-Oligonukleotid

• Exon 7 wird beim Spleißen nicht mehr entfernt

• Anteil an funktionellem SMN-Protein wird dadurch

wieder erhöht

Anwendung

• Nusinersen wird per Lumbalpunktion in den Liquorraum

appliziert

• empfohlene Dosis sind 12 mg alle vier Monate

• zu Therapiebeginn vier Aufsättigungsdosen an

den Tagen 0,14, 28 und 63

Nebenwirkungen

• im Zusammenhang mit der Lumbalpunktion können

Kopf- und Rückenschmerzen sowie Erbrechen auftreten

• Obstipation und Atemwegsinfektionen sind weitere

Nebenwirkungen

• unter Umständen Blutgerinnung testen und Urin

auf Protein untersuchen

Venetoclax (Venclyxto®, Abbvie)

• Einsatzgebiet: Chronische lymphatische

Leukämie

• Sprunginnovation

Chronische lymphatische

Leukämie

• Überproduktion an B-Lymphozyten

• circa 5000 Patienten pro Jahr in Deutschland

• häufig Zufallsdiagnose im Rahmen einer Blutbildkontrolle

• Patienten fühlen sich matt, wenig leistungsfähig

und sind eventuell infektanfällig

• meist Erkrankung im Alter

Bisherige Therapieoptionen

• Chemotherapie oder Chemo-Immuntherapie

• Patienten mit Mutationen des Chromosoms 17

(17p-Depletion) oder des Tumorsuppressorgens 53

(TP53) sprechen darauf in der Regel schlechter an

• für diese stehen als Alternative Inhibitoren des B-Zell-

Rezeptorweges zur Verfügung: Ibrutinib (Imbruvica®)

und Idelalisib (Zydelig®)

Venetoclax

• Monotherapie bei CLL mit 17p-Depletion oder

TP53-Mutation, die für einen Inhibitor des

B-Zell-Rezeptorweges nicht geeignet sind oder darunter

Therapieversagen gezeigt haben

• auch als Monotherapie bei CLL ohne 17p-Depletion oder

TP53-Mutation, wenn unter Chemoimmuntherapie und

unter einem Inhibitor des B-Zell-Rezeptorweges ein

Therapieversagen auftrat

• Aufnahme in Leitlinien der Europäischen Gesellschaft

für medizinische Onkologie (ESMO)

Wirkmechanismus

• bei CLL ist das antiapoptotische Protein BCL-2

überexprimiert, was Zelltodmechanismus in malignen

Zellen hemmt

• Venetoclax wirkt als Inhibitor von BCL-2

• Prozesse des programmierten Zelltods laufen

wieder richtig ab

• BCL-2-Proteinen auch bei anderen Tumoren überaktiv,

daher weitere Einsatzgebiete denkbar

Anwendung

• Anfangsdosis: 20 mg einmal täglich über sieben Tage

• zweite Woche 50 mg/d, dritte Woche 100 mg/d,

vierte Woche 200 mg/d, danach jeweils 400 mg/d

• Einnahme morgens zusammen mit einer Mahlzeit

• mögliches Tumorlyse-Syndrom bedenken

• kein Einsatz bei schwerer Leberfunktionsstörung

Cave: Tumorlyse-Syndrom

• vor Therapiestart Nierenfunktion überprüfen

• Patient sollte mindestens 1,5 bis 2 Liter Wasser

pro Tag trinken

• bei hohem Risiko Allopurinol oder andere Harnsäure-

senkende Arzneimittel einsetzen

• keine starken CYP3A-Hemmer gleichzeitig einnehmen

während der Aufdosierungsphase

Neben- und Wechselwirkungen

• Neutropenie, Anämie, Infektionen der oberen Atemwege,

gastrointestinale Beschwerden

• bei gleichzeitiger Statin-Gabe die mit dem Lipidsenker

verbundene Toxizität engmaschig überwachen

• Gallensäure-Komplexbildner nicht zusammen mit

Venetoclax einnehmen

Tipps für das

Beratungsgespräch

• Kenntnis über einschleichende Dosierung abfragen

• Johanniskraut kontraindiziert

• Patienten an ausreichende Trinkmenge erinnern

• in Absprache mit dem Arzt eine potenzielle

Statin-Therapie anpassen

Midostaurin (Rydapt®, Novartis)

• Einsatzgebiet: Akute myeloische

Leukämie und systemische Mastozytose

• Sprunginnovation

Midostaurin

• bei akuter myeloischer Leukämie (AML) mit FLT3-

Mutation und fortgeschrittener systemischer

Mastozytose

• Midostaurin ist ein Multi-Kinasehemmer, der unter

anderem die FLT3- und die KIT-Kinase inhibiert

• zweimal täglich 50 mg zum Essen bei AML,

zweimal täglich 100 mg zum Essen bei Mastozytose

• CYP3A4-Induktoren sind kontraindiziert

Ribociclib (Kisqali®, Novartis)

• Einsatzgebiet: Brustkrebs

• Analogpräparat

Ribociclib

• Einsatz zusammen mit einem Aromatase-Hemmer

bei Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs

• nach Palbociclib (Ibrance®) zweiter Hemmstoff der

Cyclin-abhängigen Kinasen 4 und 6

• oral verfügbar

• Dosis einmal täglich 600 mg (drei Tabletten) über

drei Wochen, dann einwöchige Therapiepause

Tipps für das

Beratungsgespräch

• mögliche QT-Zeitverlängerung, EKG und

Serumelektrolyte testen, QT-Zeit-verlängernde

Arzneimittel meiden

• CYP3A4-Induktoren und -Hemmer in Kombination

mit Ribociclib ungünstig

• an regelmäßige Leberfunktionstests denken und

zu regelmäßigen Blutuntersuchungen motivieren

Alectinib (Alecensa®, Roche)

• Einsatzgebiet: Lungenkrebs

• Schrittinnovation

Alectinib

• beim ALK-positivem Lungenkrebs, ALK-Kinasehemmung

• auch Empfehlung für Erstlinientherapie

• gute Wirksamkeit bei Hirnmetastasen, da kein Substrat

des P-Glykoprotein-Effluxtransporters

• oral bioverfügbar

• vier Kapseln à 150 mg zweimal täglich

(Tagesgesamtdosis 1200 mg)

Tipps für das

Beratungsgespräch

• Einnahme mit den Mahlzeiten

• Beeinträchtigung der Wirkung oraler Kontrazeptiva

bedenken und wirksame Empfängnisverhütung

empfehlen, keine Anwendung in der Stillzeit

• übermäßige UV-Strahlung, Sonnenbäder, Solarium

meiden und an guten Sonnenschutz erinnern

• Leberfunktion im Blick behalten

Brodalumab (Kyntheum®, Leo Pharma)

• Einsatzgebiet: Plaque-Psoriasis

• Schrittinnovation

Guselkumab (Tremfya®, Janssen-Cilag)

• Einsatzgebiet: Plaque-Psoriasis

• Schrittinnovation

Brodalumab

• Erstlinientherapie bei mittelschwerer bis

schwerer Plaque-Psoriasis

• bindet nicht an IL-17A, sondern an die

IL-17-Rezeptor-Untereinheit A

• Rezeptor spielt nicht nur bei der Signalübermittlung von

IL-17A, sondern auch bei der einiger anderer Zytokine

eine Rolle

• Erhaltungsdosis 210 mg subkutan alle zwei Wochen

Guselkumab

• Erstlinientherapie bei mittelschwerer bis

schwerer Plaque-Psoriasis

• Interleukin-23 ist bei Patienten hochreguliert

• Guselkumab ist der erste selektive IL-23-Hemmer

• verhindert die Bindung von IL-23 an dessen Rezeptor

• Erhaltungsdosis 100 mg subkutan alle acht Wochen

Tipps für das

Beratungsgespräch

• nicht in von Psoriasis betroffene Hautbereiche injizieren

• nicht schütteln

• im Kühlschrank lagern, aber rechtzeitig vor der Injektion

aus dem Kühlschrank entnehmen und bei

Raumtemperatur spritzen

• auf Anzeichen und Symptome einer Infektion achten

und Lebendimpfstoffe meiden

Die Preisträger des PZ-Innovationspreises

1995 Abciximab (ReoPro®) 2007 HPV-Impfstoff (Gardasil®)

1996 Losartan (Lorzaar®) 2008 Raltegravir (Isentress®)

1997 Saquinavir (Fortovase®) 2009 Rivaroxaban (Xarelto®)

1998 Tolcapon (Tasmar®) 2010 Mifamurtid (Mepact®)

1999 Topiramat (Topamax®) 2011 Fingolimod (Gilenya®)

2000 Infliximab (Remicade®) 2012 Vemurafenib (Zelboraf®)

2001 Trastuzumab (Herceptin®) 2013 Ivacaftor (Kalydeco®)

2002 Imatinib (Glivec®) 2014 Trastuzumab-Emtansin (Kadcyla®)

2003 Enfuvirtid (Fuzeon®) 2015 Vedolizumab (Entyvio®)

2004 Bortezomib (Velcade®) 2016 Nivolumab (Opdivo®)

2005 Bevacizumab (Avastin®) 2017 Sacubitril/Valsartan (Entresto®)

2006 Erlotinib (Tarceva®) 2018 ???

PZ-Innovationspreis

Auf der Website der Pharmazeutischen

Zeitung haben Sie die Möglichkeit, sich

an der Wahl des Arzneistoff des Jahres

2017 zu beteiligen.

Weitere Informationen zu neuen Arzneistoffen

finden Sie auf der Website der PZ unter

www.pharmazeutische-zeitung.de