Univ.-Prof. Dr. Elske Ammenwerth Institute of Health Informatics, UMIT 1 Das Pilotprojekt...

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Univ.-Prof. Dr. Elske Ammenwerth Institute of Health Informatics, UMIT 1

Das Pilotprojekt „e-Medikation“ in Österreich

Univ.-Prof. Dr. Elske Ammenwerth

elske.ammenwerth@umit.at

UMIT, Institut für Medizinische Informatik

http://iig.umit.at

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Einführung

• Bekanntes Problem: Auch in Österreich gibt es bisher keine Möglichkeit, sich rasch eine schnelle Übersicht über die aktuelle Medikation eines Patienten zu verschaffen.

• Risiko: Bei neuen Verschreibungen kann es u.U. zu nicht erkannten Doppelverordnungen oder Wechselwirkungen kommen.

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Pilotprojekt eMedikation

• 2009 initiiert vom Bundesministerium für Gesundheit• Teil der nationalen ELGA-Initiative (http://www.elga.gv.at)

• Finanziert von Hauptverband der Sozialversicherungen, Bund und Ländern (jeweils 1/3)

• 2009/2010 Implementierung, koordiniert vom Hauptverband

• April – Dezember 2011 Probelauf in drei Regionen (Tirol, Reutte, Wien) (ländlich + städtisch)

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Pilotprojekt eMedikation

• Aufbau einer zentralen Medikationsliste mit allen Verordnungen und Abgaben eines Patienten (der letzten 6 Monate)

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Verordnungen beim Arzt

• Informationen aus eMedikation werden automatisch herunterladen und zur Medikationsliste in der Arzt-Software hinzugefügt.

• Neue Verordnungen werden im Hintergrund an e-Medikation übermittelt und dort gespeichert.

• Es erfolgt eine zentrale Prüfung auf Doppel-verordnungen und Wechselwirkungen; Ergebnisse werden an die Arzt-Software zurückübermittelt und dort angezeigt.

• Der Arzt kann dann noch mal korrigieren oder Gründe für Beibehaltung dokumentieren.

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Abgaben in der Apotheke

• Beim Apotheker gleiche Funktionalitäten wie beim Arzt. • Alle neuen Abgaben sowie alle Abgaben von

„wechselwirkungsrelevanten“ OTC-Medikamenten werden ebenfalls an e-Medikation übermittelt und dort gespeichert.

• Es erfolgt ebenfalls eine zentrale Prüfung (siehe Arzt).• Der Apotheker kann dann noch mal korrigieren oder

Gründe für Beibehaltung dokumentieren

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E-Medikation

• Wichtig: e-Medikation ist nicht e-Rezept• Es gibt weiterhin das Papier-Rezept, welcher der Patient

vom Arzt zur Apotheke bringt.

• Für das Pilotprojekt war kein Patientenportal verfügbar. • Patienten konnten aber ihre Medikationslisten beim

Arzt oder Apotheker ausdrucken lassen.

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Architektur von e-Medikation

• Baut auf dem e-Card-System auf: Eindeutige Identifikation von Patienten, Ärzten und Apotheken; gesichertes Netz

• Zentrale Speicherung auf Servern beim Hauptverband der Sozialversicherungen sowie bei Apothekerkammer

• Zentrale Prüfung auf Interaktionen durch SIS-Datenbank der Apothekerkammer

• Softwarehersteller haben für die Entwicklung von Schnittstellen im Pilotprojekt ein Budget erhalten

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Architektur

Physician EMR

Pharma-cist EMR

Hospital EMR

Secure Austrian e-Card network

eMed Client

eMed Client

Prescription

Database

Drug Data-

base („SIS“)Dispensing

Database

E-Medikation System

eMed Client

Check module

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Pilotprojekt eMedikation: TeilnehmerInnen

• 97 niedergelassene ÄrztInnen (mit Kassenvertrag) (lesenden und schreibenden Zugriff)

• 58 Apotheken (lesenden und schreibenden Zugriff)

• Beide Gruppen repräsentieren im Mittel 13% der Anbieter in der jeweiligen Region.

• Drei Krankenhausverbünde (TILAK, KAV, Klinikum Wels) (in der Regel nur lesenden Zugriff)

• Ca. 5.400 PatientInnen (mussten explizit Teilnahme bestätigen und auch jeden Zugriff auf e-Medikation einwilligen) (kein Patientenportal verfügbar)

• Alle nahmen freiwillig teil

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Evaluation Pilotprojekt eMedikation

• Verantwortlich: Medizinische Universität Wien + UMIT• Methoden:

– Analysen der Medikationsdaten und der gemeldeten Interaktionen (z.B. Häufigkeit, Schweregrad)

– Standardisierte schriftliche Befragungen der Ärzte bezüglich Auswirkungen, Zufriedenheit und Verbesserungsvorschlägen

– Identische Befragungen der Apotheker– Standardisierte schriftliche Befragungen der Patienten

bezüglich Zufriedenheit– Befragung der Softwarehersteller

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Politisches Umfeld

• Boykott des Pilotprojekts durch österreichische Ärztekammer: Mitte Juli 2011 – Ende Sept. 2011

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Politisches Umfeld

Boykott durch Ärztekammer

April 2011 Dez. 2011

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Ergebnisse der Evaluation

• Gute Integration derartiger Unterstützungswerkzeuge in klinische Abläufe sowie Usability ist entscheidend.

• Verpflichtende zentrale Interaktionsprüfungen werden als Eingriff in ärztliche Autonomie empfunden (in den meisten Praxen wurden schon vorher Interaktionsprüfungen durchgeführt, aber nur auf lokal bekannte Medikationen).

• Komplexes politisches Umfeld (Standespolitik, ELGA) erschwert die fachliche Diskussion.

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Ergebnisse der Evaluation

• Ärzte deutlich kritischer als Apotheker.

Ergebnisse der Benutzerbefragung, dargestellt nach dem Information System Success Model von DeLone& McLean

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Ergebnisse der Evaluation

Auswertung von 329 Freitext-Kommentaren

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Ergebnisse der Evaluation

Frei verfügbar unter: http://www.elga.gv.at/fileadmin/user_upload/uploads/download_Papers/PR/Langfassung_Pilot_e-Med_Evaluierung.pdf

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Wie geht es weiter?

• Ende 2012: Verabschiedung des „ELGA-Gesetzes“• Danach hat der Hauptverband der Sozialversicherungen

e-Medikation bis 31.12.2014 einzurichten.• E-Medikation hat „eine Übersicht über die …

verordneten sowie abgegebenen Arzneimittel anzubieten“

• „Die Prüfung von Wechselwirkungen … ist nicht Gegenstand des Informationssystems“

• E-Medikation darf nicht in die „Therapiefreiheit der ÄrztInnen und Ärzte“ eingreifen

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Wer muss mitmachen?

• Verpflichtende Teilnahme für freiberufliche ÄrztInnen und Apotheken ab 2016

• Software-Hersteller erhalten Schnittstellendefinitionen und Usability-Styleguide für die Implementierung

• Für Ärzte ohne Anschluss an e-Card-System und ohne Arzt-Software wird es einen Web-Browser geben

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Und die Bürger?

• „Opt-out“: Automatisch Teilnahme an ELGA und damit an e-Medikation, wenn sie nicht widersprechen

• Bürger können über ein Portal Zugangsrechte für „Arzt/Apotheker des Vertrauens“ festlegen; diese können dann e-Medikations-Daten bis zu einem Jahr anschauen nach Stecken der e-Card (andere: nur 1 Monat)

• Bei Verordnung oder Abgabe können Bürger der Speicherung einzelner Medikamente widersprechen

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Wie geht es weiter?

• Ende 2014 sollten zentrale e-Med-Systeme bereit sein und Softwarehersteller Schnittstellen bereit gestellt haben

• 2015: Flächendeckende Einführung in einer Testregion mit möglichst 100%-Teilnahme

• Dabei begleitende wissenschaftliche Evaluierung (lt. ELGA-Gesetz)

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Fazit: Persönliche Einschätzung

• E-Medikation ist die erste große Anwendung innerhalb der österreichischen ELGA

• Es wird von der Politik und den Sozialversicherungen „gepusht“

• Apotheker sind sehr interessiert, teilw. gab es bereits ähnliche Projekte in Apotheken (aber ohne Ärzte)

• Ärzte sind eher kritisch gegenüber ELGA und damit auch gegenüber e-Medikation (auch wenn der Nutzen einer Medikationsliste nicht bestritten wird)

• Das ELGA-Gesetz gibt jetzt aber einen klaren Fahrplan vor