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Vergaberechtliche Fragen interkommunaler Kooperationen und Inhouse-Geschäfte in der Wasserwirtschaft Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow Direktor
Gliederung 1. Struktur und allgemeine Grundlagen
2. „Klassisches“ (einfach-vertikales) Inhouse-Geschäft („Mutter-Tochter“)
3. Inverse und horizontale Inhouse-Geschäfte („Tochter-Mutter“ und „Schwester-Schwester“)
4. Gemeinsam-vertikales Inhouse-Geschäft („mehrere Väter-Sohn“)
5. Instate-Geschäfte (horizontale öffentlich-öffentliche Kooperationen)
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1. Struktur und allgemeine Grundlagen
a) § 108 GWB: „Ausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit“
§ Abs. 1 und 2: einfach-vertikales Inhouse-Geschäft § Abs. 3: inverses und horizontales Inhouse-Geschäft § Abs. 4 und 5: gemeinsam-vertikales Inhouse-Geschäft § Abs. 6: Instate-Geschäft
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1. Struktur und allgemeine Grundlagen
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b) Gemeinsame Grundlage: Grundsatz der Ausschreibungsfreiheit der Eigenerledigung
§ Keine Pflicht zur Vergabe von Dienstleistungen an Dritte → make-‐or-‐buy-‐Entscheidung liegt bei öff. Au;raggeber
§ Erledigung öff. Aufgaben durch eigene Mittel → Gleichbehandlungsgebot nicht berührt
→ auch: Zusammenarbeit mit anderen öff. Stellen
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2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft
Öff. Auftraggeber dienststellenähnliche Kontrolle
> 80% der Tätigkeiten
Juristische Person
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a) Struktur
2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft
§ Anforderungen: → wirksam → ausschlaggebender Einfluss auf
• strategische Ziele • sonstige wichtige Entscheidungen
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b) Ähnliche Kontrolle wie über eigene Dienststelle (§ 108 I Nr. 1, II 1)
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2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft
§ Gesellschaftsformen: • Aktiengesellschaft → i. d. r. keine ausreichende Kontrolle → Beherrschungsvertrag • GmbH → hinreichende Kontrolle, soweit keine atypische Gestaltung
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b) Ähnliche Kontrolle wie über eigene Dienststelle (§ 108 I Nr. 1, II 1)
2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft
§ Mehrstufige Kontrolle
rechtliche Absicherung des Durchgriffs
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b) Ähnliche Kontrolle wie über eigene Dienststelle (§ 108 I Nr. 1, II 1)
öff. Auftraggeber
„Sohn“
„Enkel“
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2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft
§ Zweck: Beschränkung der Wettbewerbsteilnahme des kontrollierten Unternehmens wegen wettbewerbsverfälschender Zusatzposition
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c) Überwiegende Tätigkeit für den Auftraggeber
2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft
§ Bisher: → EuGH:
• Wertende Gesamtbetrachtung (quanEtaEv und qualitaEv) • Keine Anwendung der 80% -‐ Grenze nach Art. 23 SKR • 10% Fremdau;ragsquote unschädlich
→ OLG Celle: DriXumsatzquote von 7,5% nicht ausreichend
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c) Überwiegende Tätigkeit für den Auftraggeber
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2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft c) Überwiegende Tätigkeit für den Auftraggeber
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§ § 108 I Nr. 2: Mehr als 80% der Tätigkeiten dienen Ausführung von Aufgaben, mit denen jP vom öff. Auftragge- ber betraut wurde → Berechnung nach § 108 VII:
• Relationierung „geeigneter tätigkeitsgestützter Werte“ auf 3-Jahres-Grundlage • Verhältnis Umsatz aus nicht-„betrauten“ Aufgaben zu Gesamtum- satz aus Dienstleistungen, Lieferungen, Bauleistungen < 20% • Andere tätigkeitsgestützte Werte z.B.: Kosten, Arbeitszeitan- teile, nicht aber Gewinnanteile
2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft c) Überwiegende Tätigkeit für den Auftraggeber
→ Relevant nur Tätigkeiten zur Ausführung von Aufgaben, mit denen jP betraut • Bisher EuGH (Carbotermo): „…auf Grund der Vergabeentscheidungen der kontrollierenden Körperschaft…“ • Person des Begünstigten (weiterhin) unerheblich - Problem: Zuordnung von Tätigkeiten kommunaler Unternehmen innerhalb des Gesellschaftszwecks, aber ohne spezifische Beauftragung mit Leistungserbringung
• „Betrauung“ bewusst gewählter terminus technicus - Veranlassung gerade durch Vergabeentscheidung unerheblich - Anlehnung an Art. 106 II AEUV - besonderer Akt der Betrauung mit Ausführung der Aufgabe - Dispositionsbefugnis erforderlich
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2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft
§ § 108 I Nr. 3: keine direkte Kapitalbeteiligung an der den Auftrag ausführenden jP § Bisher EuGH (Stadt Halle):
→ Verfolgung unterschiedlicher Interessen
→ Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz wegen Wettbewerbsvorteils des beteiligten Privaten
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d) Beteiligung Privater
2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft d) Beteiligung Privater
§ Neuregelung: → Verzicht auf Ableitung aus Interessendivergenz → Ziel allein Verhinderung unzulässiger Vorteile im Wettbewerb → Abgrenzung: untersagt „direkte“ Kapitalbeteiligung → Zulässig: indirekte Beteiligung
• nicht: minderheitliche Beteiligung • nicht: mittelbare Beteiligung über Beteiligungsgesellschaft • nicht: stille Beteiligung • maßgebend: Hat Beteiligter Privater kein eigenes Interesse an
Übernahme des Auftrags? Bsp.: indirekte Mitarbeiterbeteiligung
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2. Einfach-vertikales („klassisches“) Inhouse-Geschäft d) Beteiligung Privater
§ Explizit zulässige Beteiligungen
→ gesetzl. vorgeschrieben
→ keine Beherrschung od. Sperrminorität
→ kein maßgeblicher Einfluss auf kon- trollierte jP
Beherrschung der jP durch öff. Hand o SRL + KRL:
- >50% Kapital od. - > 50% Stimmrechte - Ernennung mehr als 50% der
Organmitglieder o Aber: Unterschiedliche Funktionen →
Durchsetzbarkeit des Einflusses muss rechtlich gesichert sein
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3. Inverse und horizontale Inhouse-Geschäfte (§ 108 III) Inverses Inhouse-Geschäft
> 80% Tä- tigkeit
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Horizontales Inhouse-Geschäft
„Mutter“
„Tochter“
Auftrag
„Mutter“
„Schwester 1“
„Schwester 2“
Kon-trolle Kontrolle >80%
Tätigkeit Kontrolle
Auftrag
Verweis in § 108 III auf § 108 I als Rechtsgrundverweisung
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4. Gemeinsam-vertikales Inhouse-Geschäft (§ 108 IV und V)
a) Struktur
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„Vater 1“ „Vater 2“ „Vater 3“
„Sohn“
>80% Tätigkeit Kontrolle
4. Gemeinsam-vertikales Inhouse-Geschäft b) Dienststellenähnliche Kontrolle
§ Voraussetzung: Keine alleinige Kontrolle durch vergebenden öff. Auftraggeber
§ Notwendig: Einbindung in gemeinsame Kontrolle mit anderen öff. Auftraggebern (§ 108 V)
→ Gemeinsamer maßgeblicher Einfluss auf strategische Ziele und wesentliche Entscheidungen → Vertretung öff. Auftraggeber in den beschlussfassenden Organen (mit Möglichkeit der Vertretung) → Keine Interessendivergenz zwischen kontrollierenden öff. Auftraggebern und kontrollierter jP c) Tätigkeitskriterium > 80% Tätigkeiten für kontrollierende öff. Auftraggeber insgesamt 01.06.16 Ziekow: Interkommunale Kooperationen und Inhouse-Geschäfte
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d) Inverse und horizontale Inhouse-Geschäfte bei gemeinsamer Kontrolle?
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Horizontales Inhouse-Geschäft
„Mutter 3“
„Schwester 1“
„Schwester 2“
Kon-trolle
Kontrolle Kontrolle
„Mutter 1“ „Mutter2“
Auftrag
Kontrolle Kontrolle
» Begründung VergRModG-E: zulässig » Aber: Wortlaut und Systematik sprechen gegen Anwendbarkeit von § 108
III im Rahmen von § 108 IV » Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts eng auszulegen » Bei teleologischer Betrachtung zulässig, wenn alle „Töchter“ durch
dieselben „Mütter“ beherrscht werden.
d) Inverse und horizontale Inhouse-Geschäfte bei gemeinsamer Kontrolle?
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5. Instate-Geschäfte (§ 108 VI)
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a) Struktur
Dienstleistung zur
Erreichung gemeinsamer
Ziele
öff. Auftraggeber
öff. Auftraggeber
öff. Auftraggeber
öff. Auftraggeber
öff. Auftraggeber
öff. Auftraggeber
5. Instate-Geschäfte
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b) Dienstleistung zur Erreichung gemeinsamer Ziele (§ 108 VI Nr. 1) § Wahrnehmung einer allen öff. Auftraggebern gleichermaßen
obliegenden öff. Aufgabe § „Kooperatives Konzept“ erforderlich § Jeder Kooperationsbeteiligte muss (nicht notwendig identischen)
Beitrag leisten § Rein finanzielle Beiträge:
→ Ausreichend, sofern bloße Kostenerstattung (a. M. OLG Koblenz) → Anders, wenn Aufgabenerfüllung in Konkurrenz zu privaten Unternehmen
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5. Instate-Geschäfte
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c) Tätigkeitskriterium (§ 108 VI Nr. 3) § Anteil von Kooperationen erfasster Tätigkeiten der öff. Auftraggeber auf
offenem Markt < 20% § Keine abschließende Regelung betr. marktrelevante Tätigkeiten der
Kooperationspartner
d) Beteiligung Privater § Private Beteiligung an kooperierenden öff. Auftraggebern zulässig
(Erwägungsgrund 32) § Aber:
→ Keine Beteiligung Privater unmiXelbar an KooperaEonsvereinbarung → Keine Erbringung der öff. Dienstleistung durch öff. Au;raggeber, an dem private Kapitalbeteiligung besteht
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Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit!