Vom Marktbeherrschungs- zum SIEC-Test: Neue Schläuche, neuer Wein? · 2013-01-31 · Neuer Wein in...

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Vom Marktbeherrschungs- zum SIEC-Test: Neue Schläuche, neuer

Wein?

Daniel Zimmer

I. Alter Wein in alten Schläuchen? II. Neuer Wein in alten Schläuchen III. Alter Wein in neuen Schläuchen IV. Neuer Wein in neuen Schläuchen V. Folgefragen

I. Alter Wein in alten Schläuchen? Ist es denkbar, dass die Novelle scheitert und wir weiterhin alten Wein trinken, auf den Marktbeherrschungs-Test zurückgeworfen werden?

Marktbeherrschungs-Test: Einführung einer Markt s t r u k t u r kontrolle mit der 2.GWB-Novelle 1972/73

USA der 1960er-Jahre: strenge Zusammenschlusskontrolle

Structure-Conduct-Performance Paradigm: Eine bestimmte Marktstruktur führt zu bestimmten Verhaltensweisen, und diese Verhaltensweisen bringen ihrerseits bestimmte Marktergebnisse hervor

Empirische Forschung: keine allgemein gültigen Zusammenhänge zwischen Marktstrukturen, Marktverhalten und Marktergebnissen

Chicago School of Antitrust Analysis: Fusionen sehr häufig effizienzgetrieben, Zusammenschlusskontrolle deshalb weitgehend zu lockern

Post-Harvard und Post-Chicago-Zeit: Differenzierteres Bild: Zusammenschlüsse können unter den Gesichtspunkten der koordinierten Effekte und der nicht koordinierten Effekte Bedenken auslösen.

Neuer Wein im alten Schlauch: Voraussetzungen der Annahme koordinierter Effekte nach dem Airtours-Urteil des EuG: - Transparenz des Marktverhaltens

- Bestehen von „Abschreckungsmitteln“ - Fehlen einer Infragestellung durch Reaktion von Konkurrenten oder Verbrauchern

Problem: Erfassung sog. nicht koordinierter Effekte im Oligopol unter dem Marktbeherrschungstest

Beispiel 1: Baby-Food-Merger-Fall Zusammenschluss des zweit- und des drittgrößten Marktteilnehmers ohne Erlangung der Marktführerschaft; Entfallen des Wettbewerbs um den „zweiten Platz im Regal“

Beispiel 2: Zusammenschluss von Herstellern differenzierter Produkte, zB Automobilhersteller. Kriterium: „Nähe“ der Wettbewerbsbeziehungen Wenn besonders nahe Wettbewerber fusionieren, entfällt der zwischen ihnen bestehende Wettbewerb

Beispiel 3: Zusammenschluss T-Mobile Austria/tele.ring: Ausscheiden eines maverick als selbständige Wettbewerbskraft

In allen genannten Fällen: Keine Entstehung oder Verstärkung einer markt-b e h e r r s c h e n d e n Stellung. Die negative Wettbewerbswirkung ist nur mit dem neuen Merkmal „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ zu erfassen

III. Alter Wein in neuen Schläuchen § 36 Abs. 1 GWB i.d.F. der 8. GWB-Novelle: „Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen.“

IV. Neuer Wein in Neuen Schläuchen Der Denkansatz ist ein veränderter: Während der Marktbeherrschungs-Test vom Markt und damit von den Marktstrukturen ausgeht, stellt der SIEC-Test auf die wettbewerblichen Wirkungen, auf die Marktergebnisse ab

Herkömmlicher Markt-Beherrschungs-Test beginnt mit einer Definition und Betrachtung des relevanten Marktes. Problem: die Identifizierung des relevanten Marktes stellt eine Fiktion dar: Eine Schwarz-Weiß-Aussage, wo unzählige Grau-Schattierungen bestehen können

Beispiel differenzierte Produkte: Gehört ein Volvo V 70 zu demselben Markt wie ein Audi A 6 (oder ein BMW 520i)?

Auch der SSNIP-Test kommt nur zu Schwarz-Weiß-Aussagen: Entweder gehört Volvo zu demselben Markt wie Audi – oder nicht. Über den Grad, zu dem die Produkt Wettbewerbsdruck aufeinander ausüben, sagt der Test nichts

Wenn es letztlich auf die Beurteilung in der Sache ankommt – ist die Abgrenzung des relevanten Marktes dann nicht entbehrlich? Und: Verleitet die notwendigerweise stark vereinfachende Marktabgrenzung möglicherweise zu kartellrechtlichen Fehlentscheidungen?

Erkenntnisquellen können z.B. Bieterdaten auf Ausschreibungsmärkten und Scannerdaten bei Handelsunternehmen sein

Konkretes Verfahren zur Bestimmung nicht-koordinierter Zusammenschlusseffekte auf Märkten mit differenzierten Gütern: das Upward-Pricing-Pressure-Konzept

Ausgangsgedanke: Vor einem Zusammenschluss mit B hatte A kein Interesse an einer Erhöhung der Preise, da hierdurch Nachfrage zu einem Teil auf andere Unternehmen, darunter B, gelenkt worden wäre. Nach dem Zusammenschluss würde ein Teil der preiserhöhungs-bedingten Nachfrage im Unternehmen B „aufgefangen“, dessen Gewinn nun A zugutekommt

Messung des Preissteigerungsdrucks (Upward Pricing Pressure): UPPb = DAB (pB – cB)

V. Folgefragen 1. Inhaltliche Identität von nationalem und europäischem SIEC-Kriterium, Bindungswirkung von Kommissionsleitlinien, Vorlagefähigkeit bei Rechtstreitigkeiten? 2. Effizienzrechtfertigung, Abwägungsklausel, Ministererlaubnis