Was bedeutet der „arabische Frühling“?...Aus Sicht der Al-Kaida: 9/11 war ein Erfolg, mit einem...

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Grafenort, 26.9.2011

Prof. em. Dr. Kurt R. Spillmann

Was bedeutet der

„arabische Frühling“?

Inhalt

• Chronik der Ereignisse

• Was motiviert die Revolutionäre?

• Wohin führt der Weg: Neubeginn oder Sackgasse?

• Weiterungen

Chronik der Ereignisse

Die Ereignisse: von Land zu Land andere historische Voraussetzungen

Grosse Unterschiede: strukturell, ethnisch, konfessionell

• Politische Struktur– Monarchien: Marokko, Jordanien, Bahrein, Saudiarabien, Oman – Präsidialrepubliken resp. „Sultanate“ bzw. (Militär)-Diktaturen:

Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Syrien, Jemen– Geistliche Diktatur/Theokratie: Iran

• Ethnien : Ägypter, Araber, Iraner, Europäer, Türken, Berber, Tuareg, Dinka, Nubier, Dinka …

• Stämme: entscheidende ökonomische, soziale, politische, religiöse Grundeinheit (Loyalitäts-Anker)

• Religionen: – Islam (Sunniten / Schiiten; Ismailiten, Ibadis …) mit

verschiedensten Unterströmungen (Alawiden: Marokko; Alawiten: Syrien; Wahabiten: S-Arabien …)

– Kleine Minoritäten: Christen (Kopten, Maroniten …); Juden, Drusen, Zoroastrier …etc

4.6.2009, Obama spricht in Kairo, verspricht „Neubeginn“

. . . aber ohne konkrete Zusagen

“I've come here to Cairo to seek a new beginning between the United States and Muslims around

the world, one based on mutual interest and mutual respect …”

Teheran, Juni/Juli 2009

Die „grüne Revolution“

vor und nach der Präsidentenwahl (12.6.2009) wird

mit Gewalt unterdrückt

Die Studentin Neda Soltani

wird am 20.6.2009 auf offener Strasse erschossen

17.12.2010, Sidi Bouzid (Tunesien) Das Fanal: Selbstverbrennung von

Mohamed Bouazizi (17.12.2010)

7.1.2011, Algier

14.1.2011, Tunis: Demonstration vor dem Innenministerium nach der

Flucht von Präsident Ben Ali

16.1.2011: Gaddafi verurteilt die Revolten in Tunesien und Libyen

25.1.2011, Kairo, “Tag des Zorns”

26.1.2011, Kairo, Tahrir-Platz: Organisation über private soziale

Netzwerke

25.1.2011: Beirut (Libanon), Protest gegen eine Hisbolla-geführte

Regierung

27.1.2011, Sana (Jemen): Tausende forden den Rücktritt von Präsident

Saleh

28.1.2011, Amman (Jordanien): Tausende von Protestierenden verlangen politische Reformen

11.2.2011, Kairo, Tahrir-Platz, Freude nach dem Rücktritt von Mubarak

20.2.2011, Bengasi (Libyen), Anti-Gaddafi-Demonstrationen

28.2.2011, Sohar (Oman), demonstrierende verlangen Arbeit und politische Reformen, zwei Tote

14.3.2011: Manama (Bahrein): Saudische Truppen kommen König Hamad bin Isa gegen protestierende

Schiiten zu Hilfe

17.3.2011, UN Sicherheitsrat beschliesst UN Res betr. Libyen

17.3.2011, Aus der UN Res 1973

• “ … Authorizes Member States … to take all necessary measures, … to protect civilians and civilian populated areas under threat of attack in the Libyan Arab Jamahiriya, including Benghazi, while excluding a foreign occupation force of any form on any part of Libyan territory, …”

18.3.2011: Manama (Bahrein): Das Zentrum der Demonstranten – der

Perlen-Platz – wird geräumt

25.3.2011, Damaskus, Friedliche Proteste gegen das Regime Assad

enden mit Todesopfern

30.3.2011, Brega (Libyen), Kämpfer auf dem Vormarsch nach Westen

5.4.2011, in Taiz (Jemen) protestieren Tausende, fünf Tote

8.4.2011, Kairo, Tahrir-Platz, Tausende verlangen von den Militärs

den Prozess gegen Mubarak

9.4.2011, Deraa (Syrien), Tausende protestieren friedlich , 25 Todesopfer

13.4.2011, Sharm el Sheik (Ägypten) Mubarak in U-Haft erleidet

Herzinfarkt und wird ins Spital interniert

19.4.2011, Ahwaz (Iran), Sunniten protestieren gegen die Regierung,

mehrere Todesopfer

22.4.2011, Damaskus, Homs (Syrien), Sicherheitskräfte töten mindestens

88 friedlich Protestierende

15.5.2011, Kairo, Koptische Christen demonstrieren gegen Gewaltakte

fundamentalistischer Muslime

3.6.2011 Sanaa (Jemen), Präsident Saleh überlebt knapp ein Attentat,

flieht nach Saudi-Arabien

27.6.2011: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes in

Den Haag gegen Gaddafi

Chefankläger Luis Moreno-Ocampo

28.6.2011, Jeddah (Saudi-Arabien), 5 autofahrende Frauen festgenommen

10.7.2011, Kairo, Tahrir-Platz, Proteste gegen die Militärregierung,

sie habe die Revolution verraten

23.8.2011, Tripolis (Libyen): Die Revolutionäre nehmen Bab al-Azizia, Gaddafis “Burg des Schreckens” ein

23.8.2011, Tripolis (Libyen): Der Kopf der Gaddafi-Statue unter den Füssen

der Rebellen

26.8.2011, Libyen: Die Übergangsregierung tagt zum ersten

Mal in Tripolis

9.9.2011, Kairo, Die israelische Botschaft wird gestürmt

13.9.2011, Kairo: Erdogan erhält einen warmen Empfang und spricht

zur arabischen Liga

15.9.2011: Sarkozy und Cameron in Tripolis mit Mustafa Abdel Jalil (NTC)

15.9.2011: Sarkozy und Cameron in Tripolis mit Mustafa Abdel Jalil (NTC)

18.9. - 21.9.2011. Sanaa (Jemen), Über 60 Protestierende durch

Mörser- und Artilleriefeuer getötet

16.9.2011, Kairo, Tahrir-Platz: Massendemonstration gegen die

Erneuerung der Notstandsgesetze

Was motiviert die Revolutionäre?

Endlich leben können wie andere…

• Die Träger der Online-Revolution sind junge, idealistische, besser ausgebildete, elektronisch vernetzte und religiös gemässigte Muslime (nicht: a-religiös)

• Sie wollen der unzufriedenen und rastlosen jungen Generation neue Betätigungsfelder in Politik und Gesellschaft öffnen

< 100 Millionen junge Menschen zwischen 15 und 29 stellen in den MENA-Ländern die demographisch grösste Alterskohorte in der Geschichte dieses Raumes dar

Auch die besser Ausgebildeten bleiben ohne Aussichten auf Arbeit, Verdienst, Heim, Familiengründung:

Gemeinsamkeiten

• In allen MENA-Ländern finden sich– Keine zivilgesellschaftlichen Strukturen

– keine politische Mitbeteiligung

– keine ausreichenden Bildungsmöglichkeiten

– keine Meinungs-, Rede-, Religions-, Versammlungsfreiheit

– keine freien Medien

– keine Gleichberechtigung von Mann und Frau

– keine Rechtstaatlichkeit

… dafür:• Strikte Hierarchien, d.h. autoritäre Unterwerfung

der Schwachen unter die Starken in Politik, Religion, Wirtschaft, Gesellschaft, Familie

• Stammes-, Clan- und Vetternwirtschaft

• Korruption: Massenarmut vs Cliquen-Reichtum

• Unterdrückung von Andersdenkenden

• Verbreiteter Analphabetismus

• Übervölkerung

• Arbeitslosigkeit

• Verbreitete Armut

Der Generationenkonflikt als zentrales Element

• Der „arabische Frühling“ ist auch eine Selbstermächtigung der „Waisenkinder einer grossen Vergangenheit“ gegen die eigenen Väter, Imame, Diktatoren und ihre Korruptionsnetzwerke

Siegt die Demokratie?

• In Libyen sind noch alle Möglichkeiten offen• Gaddafi steht zwar im Rampenlicht, aber der

arabische Frühling bedeutet mehr als gelungene oder misslungene Regierungswechsel in den arabischen Staaten

• Der arabische Frühling muss im historischen Zusammenhang gesehen werden:

• Der entscheidende Hintergrund ist die tiefe Frustration eines grossen alten Kulturkreises und einer bedeutenden alten Macht über ihre völlige Verdrängung von der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Bühne

• Was motiviert die Revolutionäre?

Islam: der fulminante Aufstieg zur Weltmacht im 7./8. Jahrhundert

1000 Jahre später:Das osmanische Reich 1680

Sultan Achmed III. empfängt den französischen Botschafter in Konstantinopel,

10.10.1724 (Maler: Jean-Baptiste van Mour)

Napoleons Sieg bei den Pyramiden, 1798

… demonstriert die Überlegenheit der westlichen Technik und Organisation

Die Seeschlacht von Abukir, 1./2.8.1798, England beendet Napoleons Nahost-

Pläne, das osmanische Reich überlebt

Triumph der westlichen Kolonialherren

Die westlichen Grossmächte teilen die islamische Welt unter sich auf:

Das Sykes-Picot-Abkommen 1916

Der letzte Sultan: Mehmet VI

(1918 – 1922)

am 1.11.1922 abgesetzt

(† 1926 in San Remo)

Abdülmecit II.

Der letzte (101.) Kalif (Nachfolger

des Propheten) des osmanischen

Reiches, 1922 -1924

(† 1944 in Paris)

1923: Die Gründung der modernen

türkischen Republik als erster Versuch

einer Modernisierung des Islam

Mustafa Kemal(1868 – 1928)

(seit 1934 „Atatürk“)

Massnahmen• gregorianischer Kalender

statt islamische Zeitrechnung

• Sonntag statt Freitag arbeitsfrei

• Metrisches System eingeführt

• Scharia-Justiz durch CH-ZGB ersetzt (inkl Familienrecht und Gleichberechtigung der Frauen)

• Abschaffung des Schleiers• Westliche Kleidung• Lateinische Schrift

eingeführt• . . .

Orientierung nicht an der Moderne, sondern an der gloriosen

Vergangenheit: Hassan al-Banna (1906 – 1949)

•Gründet in Ägypten die Muslimbruderschaft (1928)

•Ziel: Rückkehr zur Religiosität und Frömmigkeit der ersten Generation der Muslime („gegen westliche Dekadenz“)

Die Erinnerung an die „grosse Zeit“ des Islam – an die islamische Welt nach dem

ersten Jahrhundert Djihad - ist wach

Sayyid Qutb (1906-1966)• Angestellter des ägypt.

Bildungsministeriums,Erneuerer und massgeblicher Ideologe des Djihad (eine „vergessene Pflicht“, die wieder belebt werden muss)

• Vom Nationalisten zum Theoretiker des radikalen Flügels der Moslembrüderschaft

Politisierung der Religion

“Der islamische Djihad verfolgt das Ziel, die Weltrevolution zu verwirklichen … Nur durch diese Revolution wird es möglich sein, den Frieden zu erreichen … Frieden im Islam ist ein permanenter Djihad, um das Wort Allahs auf Erden zu verwirklichen, das heisst die gerechte Ordnung, die auf den höheren Werten des Islam basiert, durchzusetzen.”

Sayyid Qutb, Der Weltfriede und der Islam, Kairo 1992, S. 172f.

Abdullah Azzam(1941 – 1989)

“Der Jihad in Afghanistan wird sich ausbreiten bis die ganze Welt unterworfensein wird, denn Allah hat dem Islam den Sieg versprochen" (Abdullah

Azzam)

Abdullah Azzam• Predigt ab 1980 Widerstand gegen SU-

Invasion Afghanistans• Gründet 1984 zusammen mit seinem

Schützling und Sponsor Osama bin Laden ein Büro zur Anwerbung von Afghanistan-Kämpfern (Maktab al-Khidamat, Zweigbüros weltweit, u.a. in Boston!) ca. 20‘000 Kämpferaus 20 Ländern, unterstützt von Saudi-Arabien, Pakistan, USA

• Ruft 1988 in der Zeitschrift al Djihad zur Gründung einer soliden Basis (arabisch al-Qaida al-sulba) für diesen Kampf auf, damit Gründer der Al Kaida

Osama bin Laden und Al Kaida• 1989 kam Abdullah Azzam ums Leben, und die

USA verloren das Interesse an Afghanistan (Abzug SU)

• Osama bin Laden übernimmt mit Ayman al-Zawahiri die Führung von Al Kaida („die Basis“)

• Ziel: Vertreibung der Ungläubigen aus den Heiligen Städten und proportionale Reaktion auf die westlichen Kriege gegen die Muslime, weltweit

• Zentrale Bedeutung von Gewaltakten als Propaganda, um alle Muslime für den gemeinsamen Kampf zu gewinnen

Osama bin Laden und Ayman al-Zawahiri

Die Vorwarnung: Osama bin Laden im Interview, 22.12.1996

„Feindschaft gegen Amerika ist einereligiöse Pflicht und wir hoffen dafür belohnt zu werden von Gott. Ich bin zuversichtlich, dass die Muslime fähig sein werden, der Legende von der sogenannten Supermacht Amerika ein Ende zu bereiten.

Osama bin Laden Interview, TIME Magazine, December 22, 1996

Osama bin Laden‘s Kriegserklärung, publiziert in al-Quds al-Arabi, London, 23.2.1998, im Namen der Islamischen Weltfront: Drohung aus der Ohnmacht

Die US-Präsenz auf der arabischen Halbinsel als Provokation

“… for over seven years the United States has been occupying the lands of Islam in the holiest of places, the Arabian Peninsula, plundering its riches, dictating to its rulers, humiliating its people, terrorizing its neighbors, and turning its bases in the Peninsula into a spearhead through which to fight the neighboring Muslim peoples.”

„When the present injustices continue … the war will inevitably reach American soil…“

Osama bin Laden, 23.2.1998

11.9.2001

Ohnmacht in Macht verwandeln

Aus Sicht der Al-Kaida: 9/11 war ein Erfolg, mit einem enormen „return on investment“ ; die Fatwa wirkte, die USA

liessen sich verführen, „Krieg zu erklären“, der Islam war (als Terrorismus) wieder mächtig geworden

Islamistische Weltherrschaftsphantasien

• "Es liegt in der Natur des Islams, zu herrschen und nicht beherrscht zu werden, seine Gesetze allen Nationen aufzuzwingenund seine Macht über den gesamten Planeten auszuweiten."

• „Islam ist Dogma, Gottesdienst, Vaterland und Nationalität, Religion und Staat, Spiritualität und Handlung, Koran und Schwert“

• Hassan al-Banna, Aufbruch zum Licht, 1936

Der Traum von der Weltherrschaft

Der arabische Frühling eröffnet neue, konstruktive Perspektiven

• Die Revolution von 2011 ist darum ein historischer Einschnitt, weil sie für Millionen junger Muslime neue Lebensöglichkeiten aufzeigt

• Der „Erfolg“ von 9/11 hatte viele junge Muslime dazu verführt, im Dschihadismus die bedeutendste Antwort auf die Herausforderungen des Westens zu sehen

• Gewalt erschien vielen jungen Muslimen als dereinzige Weg, sich von der kolonialen und imperialistischen Demütigung zu befreien– jetzt erscheint die Vision einer konstruktiven Selbstermächtigung

„Operation Neptune‘s Spear“(Situation Room, The White House, 1.5.2011,

Augenblicke vor der Nachricht „Geronimo-E KIA”)

Al Kaida überholt• Zu Beginn der Revolutionen in Tunesien schien

das destruktive Konzept „Rache für Demütigungen“ überholt durch den konstruktiven Willen zur Selbstgestaltung des eigenen Staates und einer eigenen, offenen Gesellschaft unter aktivem Einbezug der Frauen

• Aber: Terrorismus endet nicht: weder mit der On-line Revolution noch mit dem Tod Bin Ladens

• Und: Revolutionen endeten bisher oft in neuen Diktaturen (Robespierre, Napoleon, Lenin, Mao)

Ein Bericht aus Bengasi, 6.4.2011zeigt einen neuen Weg für junge Muslime

• „‚Der Islam ist unsere Religion. Sie ist etwas Persönliches, nicht etwas Politisches. Der Kampf für die Freiheit schweisst alle zusammen. Wir wollen nur in Frieden leben und wir wissen, dass wir bei null anfangen müssen‘,sagt Mustafa Fatush, der Chefredaktor der ersten unabhängigen Zeitung in Benghasi, die ‚Freies Libyen‘ heisst.“ (Astrid Frefel, NZZ vom 6.4.2011)

Die ererbten Schwierigkeiten

• Grundstrukturen in Familie, Religion, Gesellschaft, Staat sind grundsätzlich autoritär(befehlend) – kein Dialog, kein Mitspracherecht, keine Demokratie

• Stammesstrukturen (Clanwirtschaft, Clan- und Familienloyalität wichtiger als die Abstraktion „Staat“) stärken Nepotismus und Korruption

• Religion (Nicht-Hinterfragbarkeit des Korans) stützt den Autoritarismus

• Männlicher Autoritarismus stärkt Machismo und Unterdrückung (auch mit Gewalt!) von Frauen, Kindern, Schwächeren

• Gewalt statt Argumente (in Familie, Gesellschaft, Staat …)

„Enthusiastisch ins Ungewisse“

Nach der Entmachtung von Ben Ali, Mubarak und Gaddafi stellt sich die Frage: wie weiter auf dem Weg zur „Demokratie „?

Wie den Übergang bewältigen?• Es fehlen:

– Informierte und kritische Öffentlichkeit (Parteien/Medien)

– Politische Institutionen mit parlamentarischer Kontrolle der Macht

– Rechtsstaatlichkeit (Gewaltenteilung) und Stabilität– Qualitativ gute Bildungsmöglichkeiten (alle Stufen)– Wirtschaftsfreundliche Gesetze– Einbindung ins internationale Wirtschafts- und

Handelsnetz

Wohin führt der Weg: Neubeginn oder Sackgasse?

Kernfrage

• Ist Demokratie möglich? Bzw sind – Tribalismus

– Paternalismus / Machismus

– Nichthinterfragbarkeit von Koran (Autorität)

– Unterdrückung

– Gewaltneigung

• … zu Gunsten von Dialog und Kompromiss überwindbar?

Worauf es ankommt• Jetzt kommt es darauf an, dass dieser

konstruktive Wille der jungen Generation aktiv unterstützt wird, damit er überleben und sich realisieren kann

• Die Langsamkeit auch eines positiven Wandels wird bereits grosse Anforderungen an die Geduld der Aktivisten stellen

• Die westlichen Staaten müssen alles unternehmen, um die Bewegung zu stärken –nur so wird eine Integration der muslimischen Welt in die „one world“ der Moderne möglich sein

Die notwendigen Veränderungen sind alle langfristiger Natur

• Die bisher führende „Elite“ in allen MENA-Ländern funktioniert nicht nach Kompetenz, sondern Verwandtschaftsgrad und Nähe zur Macht (Korruptionsnetzwerke)

• Wie kann eine neue Elite gefunden, organisiert und mit der Führung betraut werden?

• Bisher war der „Staat“ ein Machterhaltungsapparat für die Regierenden und ihr Netzwerk – wie kann an dessen Stelle ein Staat gesetzt werden, der den Interessen ALLER in einer offenen Gesellschaft dient?

Die notwendigen Veränderungen sind alle langfristiger Natur

• Prioritäten: – Politische Ermächtigung (empowerment) der Bevölkerung (vor

allem Frauen) durch Zugang für alle zu Schulung auf allen Stufen (Kindergärten bis Hochschulen) und zu allen politischen Funktionen

– Grundsätzliche Absage an die Gewalt (Beginn: bei den Kindern!)– Förderung von freiem Zugang zu Information– Förderung von Medienvielfalt und öffentlicher Debatte– Förderung von Parteien und Organisationen, freie Wahlen– Politische Reorganisation mit Gewaltenteilung mit öffentlicher

Verantwortlichkeit und Transparenz (Freier Zugang zum Internet, e-Regierung)

– Faire Entlöhnung der Beamten (=Kampf gegen Korruption)– Förderung der freien und sozialen Marktwirtschaft– Eindämmung absoluter Ansprüche der Religionen

Das wahrscheinlichste Szenario• In Tunesien, Ägypten, Libyen, Jemen (ev Syrien) sind die

Diktatoren verjagt, aber die Systeme nicht grundsätzlich reformiert

• Andere Stämme/Clans ersetzen die bisher herrschenden Machthaber

• Iran, Bahrein, Jemen, S-Arabien, Syrien … unterdrückendie Machthaber alles Neue

• Islamistische Gruppen gewinnen dank besserer Organisation an Einfluss

• Anstelle der erhofften Demokratisierung werden Instabilität, Krisen und Rivalitäten aller Art das Bild der arabischen Staaten in den nächsten Jahrzehnten prägen

• ABER: der Same ist gesät, der Aufbruch hat begonnen!

Weiterungen

Saudi-Arabien bleibt für US und Weltwirtschaft von zentraler

Bedeutung

• Saudi-Arabien und die Golfstaaten werden auf absehbare Zeit für die Energiesicherheit der USA von grösster Bedeutung bleiben, bedroht von– anhaltender regionaler Instabilität– iranischen Herrschaftsansprüchen– terroristischen Störaktionen (Al Kaida …)

• Zur Verminderung der Abhängigkeit soll Irak als Produzent reaktiviert werden

Energiesicherheit: Könnte die Monarchie in Saudi-Arabien fallen?

• Unruhen, die zu den Rücktritten von Ben Ali, Mubarak und zum Bürgerkrieg in Libyen geführt haben, erfassen im März 2011 (nach Jemen, Algerien, Syrien, Bahrein, Libanon, Gaza, Irak)

… auch Saudi-Arabien : werden sofort massiv unterdrückt

Sollten die USA eingreifen? Zwei US-Ziele stehen im Konflikt:

• Die Stimme der Interessenpolitik verlangt den Schutz des Energienachschubes aus dem Golf (und damit die Stärkung Saudi-Arabiens)

• Die Stimme traditionellen politischen Ideale der USA verlangt die Unterstützung der demokratischen Bewegungen (und damit den Kampf gegen die Autokraten)

18.3.2011: König Abdullah (87) spendet seiner Bevölkerung 43 Mia £

• … und verspricht u.a. 500‘000 günstige Wohnungen

• und 60‘000 Stellen (u.a.a Polizisten) …

• Er unterstützt massiv demokratiefeindliche Organisationen, konservative Geistliche etc.

• Bis Mitte Juni 2011 130 Mia $ aus seiner Privatschatulle von 214 Mia $ dafür ausgegeben

Ein Bruder des Königs sagt:

• Prince Talal bin Abdul Aziz, 79, zit nach New York Times, 9.6.2011:“These people want to preserve their power, their money and their prestige, so they want to keep the status quo. They are afraid of the word change. This is a problem because they are shortsighted, but the difficulty is I don’t know how to change their way of thinking.”

Saudi-Arabien ist also nicht sicher• Ungeklärte Nachfolgefrage

• Alle Autokraten stehen unter Druck

• In Libyen, Jemen, Syrien, Bahrein, Irak, Iran halten gewaltsame Auseinandersetzungen an

• Das ganze Umfeld ist unsicher, damit auch Saudi-Arabien unter bleibendem Druck

• Gemäss US Department of Energy (Annual

Energy Forecast 2011) werden die USA noch auf Jahrzehnte vital abhängig bleiben von den Ölimporten aus der Golfregion: deshalb verlässliche US-Präsenz in MENA gesucht

U.S. Energy Information Administration, Annual Energy Outlook 2011, p.2

U.S. Energy Information Administration, Annual Energy Outlook 2011, p.61

In einem Satz:

• „Afghanistan is a war of choice –defending the Persian Gulf is a necessity.“

Anthony Cordesman, US Strategy in the Gulf:

Shaping and Communicating US Plans

for the Future in a Time of Region-Wide Change and Instability,

Report, Center for Strategic and International Studies,

Washington D.C. April 14, 2011

… und die Nuklearenergie?

Das schwer beschädigte Kernkraftwerk in Fukushima

Erdbeben und Tsunami vom 11.3.2011 lassen das Thema

Energiesicherheit in neuem Licht erscheinen

Energiesicherheit• Die physische Unsicherheit in Japan und

die politische Unsicherheit im MENA-Bereich machen – bei wachsendem Energiehunger auf allen Erdteilen – die Entwicklung von effizienten Alternativ-Energien zu einem politischen Thema oberster Priorität

• (und motivieren die Politik vielleicht endlich zu höheren Investitionen in die Forschung)

Worauf es ankommt• Jetzt kommt es darauf an, dass dieser

konstruktive Wille der jungen Generation aktiv unterstützt wird, damit er überleben und sich realisieren kann

• Die Langsamkeit auch eines positiven Wandels wird bereits grosse Anforderungen an die Geduld der Aktivisten stellen

• Die westlichen Staaten müssen alles unternehmen, um die Bewegung zu stärken –nur so wird eine Integration der muslimischen Welt in die „one world“ der Moderne möglich sein

Die notwendigen Veränderungen sind alle langfristiger Natur

• Die bisher führende „Elite“ in allen MENA-Ländern funktioniert nicht nach Kompetenz, sondern Verwandtschaftsgrad und Nähe zur Macht (Korruptionsnetzwerke)

• Wie kann eine neue Elite gefunden, organisiert und mit der Führung betraut werden?

• Bisher war der „Staat“ ein Machterhaltungsapparat für die Regierenden und ihr Netzwerk – wie kann an dessen Stelle ein Staat gesetzt werden, der den Interessen ALLER in einer offenen Gesellschaft dient?

Die notwendigen Veränderungen sind alle langfristiger Natur

• Prioritäten: – Politische Ermächtigung (empowerment) der Bevölkerung (vor

allem Frauen) durch Zugang für alle zu Schulung auf allen Stufen (Kindergärten bis Hochschulen) und zu allen politischen Funktionen

– Grundsätzliche Absage an die Gewalt (Beginn: bei den Kindern!)– Förderung von freiem Zugang zu Information– Förderung von Medienvielfalt und öffentlicher Debatte– Förderung von Parteien und Organisationen, freie Wahlen– Politische Reorganisation mit Gewaltenteilung mit öffentlicher

Verantwortlichkeit und Transparenz (Freier Zugang zum Internet, e-Regierung)

– Faire Entlöhnung der Beamten (=Kampf gegen Korruption)– Förderung der freien und sozialen Marktwirtschaft– Eindämmung absoluter Ansprüche der Religionen

Das wahrscheinlichste Szenario• In Tunesien, Ägypten, Libyen, Jemen (ev Syrien) sind die

Diktatoren verjagt, aber die Systeme nicht grundsätzlich reformiert

• Andere Stämme/Clans ersetzen die bisher herrschenden Machthaber

• Iran, Bahrein, Jemen, S-Arabien, Syrien … unterdrückendie Machthaber alles Neue

• Islamistische Gruppen gewinnen dank besserer Organisation an Einfluss

• Anstelle der erhofften Demokratisierung werden Instabilität, Krisen und Rivalitäten aller Art das Bild der arabischen Staaten in den nächsten Jahrzehnten prägen

• ABER: der Same ist gesät, der Aufbruch hat begonnen!