was bleibt nach dem Lariam®-Rückzug aus Deutschland · Prophylaxe der Malaria-Infektion -was...

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Prophylaxe der Malaria-Infektion - was bleibt nach dem

Lariam®-Rückzug aus Deutschland ???!

Dr. Gerhard Boecken

Gesundheitsdienst des Auswärtigen Amtes

„Malariamittel Lariam® in Zukunft nur noch als Import

erhältlich“

Die Firma Roche verzichtet in Deutschland auf die Zulassung

ihres Malariamittels Lariam® (Mefloquin)

Alle Packungen im Markt bleiben bis zum Verfalldatum 02.18

verkehrsfähig

Noch unklar ist das Schicksal der Reimporte

Pressemeldung 24.02.2016

Was bleibt uns in der Malariaprophylaxe bei Reisenden?

An welcher Stelle werden wir Probleme bekommen?

Erhebung des RKI auf der Basis 871 ausgewerteter Malariafälle:

Zur Expositionsprophylaxe:

Benutzung alleine eines Moskitonetzes: 7%

Benutzung ausschließlich von Repellentien: 5%

Benutzung von beidem: 6%

Zur Chemoprophylaxe:

Fehler bei der Einnahme: 32%

Medikamentenresistenz: 5%

Ursachen Malariaerkrankung in Deutschland

1997-2000 Erhebung bei 100 Malariafällen am Institut für

Tropen- und Reisemedizin Dresden:

Unkenntnis über Prophylaxe-Maßnahmen: 32%

Ignoranz (trotz Wissen Verzicht auf Schutz): 17%

Fehler bei der medikamentösen Prophylaxe: 43%

Resistenz bei korrekter Chemoprophylaxe vermutet: 8%

Ursachen Malariaerkrankung in Deutschland

1998 Schwachstellenanalyse des BNI bei tödlichen Malaria-Verläufen:

Auf ärztlicher Seite:

• Nicht daran gedacht

• Unzureichende Anamnese

• Fehlende Kenntnisse über Endemiegebiete

• „Nicht daran geglaubt“

• Nicht ernst genommen/Unterschätzung der Erkrankung

• Überbewertung der Chemoprophylaxe

• Überbewertung des „Fieberrhythmus“

• Fehleinschätzung der Symptome („Grippe“)

• Falsche Diagnostik (Ak-Bestimmung!)

• Zu späte Krankenhauseinweisung

• Zaudern bei der Diagnostik

• Falsche Chemo- oder supportive Therapie

Ursachen Malariaerkrankung in Deutschland

1998 Schwachstellenanalyse des BNI bei tödlichen Malaria-Verläufen :

Auf Patientenseite:

• Unzureichende Vorbereitung der Tropenreise

• Fehlende Prophylaxe

• Falsche Prophylaxe (Homöopathie)

• Abbruch der Prophylaxe

• Zu später Arztbesuch

• Keine Erwähnung der Tropenreise beim Arztbesuch

Ursachen Malariaerkrankung in Deutschland

1. Vermeidung von Insektenstichen

(Expositionsprophylaxe)

2. Selbstbehandlung bei Erkrankungsverdacht

(Notfallselbsttherapie / „stand-by“)

3. Einnahme von Malaria-Medikamenten

(Chemoprophylaxe)

Schutz vor Infektion / Schutz vor Erkrankung / Selbstbehandlung

Expositionsprophylaxe + 1. Atovaquon + Proguanil

(diverse, u.a. Malarone® Junior/Malarone®, A/P STADA® etc.)

2. Doxycyclin (diverse, u.a. Doxycyklin-M-ratiopharm®, Doxycyclin STADA® 100mg Tabs® etc.)

3. Mefloquin (Lariam®, Mephaquin® Import)

4. Chloroquin (Resochin®)

5. Notfall-Selbstbehandlung (sog. „stand-by“ Therapie)

mit: Atovaquon + Proguanil (diverse, u.a. Malarone®)

Artemether 20 mg + Lumefantrin 120 mg (Riamet®)

Prophylaxe-Regime gemäß WHO/DTG 2017

Reisezeit: Saisonalität am Zielort, Abflugzeit „Last minute“?

Reiseroute: Anreise direkt, Exposition wann während der Reise?

Reiseziel: Stadt, ländliche Gebiete

Reisedauer: Ultrakurzexposition, Langzeitaufenthalt

Reisestil: Pauschalreise, Trekking

Aktivitäten am Ort: Tauchen, Bergsteigen

Anamnese: Vorerkrankung, Vormedikation, Schwangerschaft,

Lebensalter

Bewertung des individuellen Infektionsrisikos

Determinanten einer Prophylaxe-Empfehlung

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Expositionsprophylaxe: Moskitonetze

Expositionsprophylaxe: Moskitonetze

Expositionsprophylaxe: Moskitonetze

Expositionsprophylaxe: Moskitonetze

Expositionsprophylaxe: Imprägnierung

z.B. NoBite® Kleidung (Permethrin 20g/l)

z.B. NoBite® zum Verdünnen (Permethrin 80g/l):

für Moskitonetzen, Vorhängen und Bettlaken

Reisesocken mit

Mückenschutz

Imprägnierte Netze töten

auch Bettwanzen,

Kopfläuse und Zecken

Expositionsprophylaxe: Haut-Moskito-Abwehrmittel - Repellent

Expositionsprophylaxe: Haut-Moskito-Abwehrmittel - Repellent

1. Diethyltoluamid (= DEET)

Wirksamkeit: 20 %: 1–3 Stunden

30 %: bis 6 Stunden

50 %: bis 12 Stunden

2. Icaridin (Bayrepel®)

Wichtige Hinweise:

• In DEU kaufen und mitnehmen!

• Wiederholt auf alle freien Körperstellen, bei starkem Schwitzen auch öfter!

• Kontakt mit Augen und Mund vermeiden, von den Handflächen abwischen!

Repellentien nicht auf / in Kinderhände geben!

• Knöchelregion und Nacken, werden gerne von den Moskitos „genommen“!

• Zuerst Sonnenschutzmittel einziehen lassen und anschließend das Repellent!

Expositionsprophylaxe: Räuchermittel /Biozidverdampfer

Cave:

Coils nur im Freien

Verdampfer nur zeitweise

• Mückendichte: mechanisch, Insektensprays

• Klimaanlage, Ventilatoren

• Elektroverdampfer

• Bauliche Maßnahmen

• Imprägnierung von Zelten, Vorhängen etc.

Sinnlos:

Repellent-Armbänder, Vitamin B1/B6–Einnahme,

Knoblauch, UV-Lichtfallen, Ultraschallgeräte,

Zitronella –Kerzen, Tea tree oil

Expositionsprophylaxe: weitere Maßnahmen

Einteilung in A, B, C, D - Risikozonen – gemäß WHO

und Differenzierung durch DTG/SAR

Risiko-Kriterien:

Prävalenzen/Inzidenzen

Vorkommen von P. falciparum

Vorkommen (Multi)-Resistenzen

Saisonalität

Anzahl der importierten Infektionen

Malaria-Chemoprophylaxe - Kriterien

Chemoprophylaxe – Kriterien WHO

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Chemoprophylaxe - Ansatzpunkte

kausal

suppressiv transmissions-

blockierend

Indikationen:

• Risikogebiete mit Resistenzen (C-Gebiete)

• „Last minute“ - Reisende

• bevorzugt bei kurzdauernder Malariaexposition

• Unverträglichkeit/Kontraindikation gegen andere Mittel

Prophylaxe mit Atovaquon + Proguanil (A/P)

• kausaler Prophylaxe-Ansatz

• 1 Tablette/Tag, Erwachsene > 40 kg

• Malarone junior®: 11 - 20 kg 1 x 1

21 - 30 kg 1 x 2

34 - 40 kg 1 x 3

• 1 Tag vor Einreise bis 7 Tage nach Ausreise

• Einnahme mit der Nahrung (!) – sonst Resorptionsprobleme

• für fliegendes Personal freigegeben

• Problem: Preis pro Tablette (Gelbe Liste 12.03.17):

5,70 € (12 EA Malarone®) - 3,95 € (12 EA Malarex® cave Name) –

2,89 € (36 EA A/P Stada) – 2,70 € (36 EA A/P Glenmark)

Prophylaxe mit Atovaquon + Proguanil

Indikationen:

• Unverträglichkeit u. Kontraindikation gegen A/P oder Mefloquin

• begrenzte Reisekasse – längere Aufenthalte

• Abenteuerreise mit viel Freiluft-Aktivitäten („outdoor“), wirkt u.a. auch gegen Yersinien, Rickettsien, Leptospiren……

Besonderheiten:

• keine Zulassung für diese Indikation

• UAW – gastrointestinal

• UAW - vaginale Candidiasis

• UAW - Photodermatosen

Prophylaxe mit Doxycyclin

Einnahmehinweis:

• mit reichlich Flüssigkeit/Nahrung im Stehen

• nicht mit Milchprodukten, calcium-, magnesium- und eisenhaltigen

Arznei- und Nahrungsmitteln

• 1 Tag vor Einreise, täglich, bis 4 Wochen nach Ausreise (!)

• 100mg/d, bei >90kg 200mg/d

• Monohydrat besser als Hyclat z.B. Doxycyklin-M-ratiopharm®

Doxycyclin 100-1 A Pharma®

Doxycyclin STADA® 100mg Tabs®

Doxycyclin AL 100® u.a.

Cave: einige Hersteller produzieren beide (!)

• Sonnenschutz UV A und B (LSF > 25)

• keine Begrenzung der Einnahmedauer, preiswert

• (Kontrazeption beachten)

Prophylaxe mit Doxycyclin

Mechanismus:

• Die in der Leber gebildeten hydrophilien Hormon-Konjugate werden im enterohepatischen

Kreislauf durch Darmbakterien gespalten Fettlöslichkeit Resorbierbarkeit

• Antibiotika, u.a. eben auch Doxycyclin reduzieren die Darmbakterien

• Orale Kontrazeptiva sind i.d.R. Kombination aus Gestagen und Ethinylestradiol (EE)

• Hauptanteil Ovulationshemmung haben die Gestagene, EE-Anteil Zyklusstabilität

• EE durchlaufen den enterohepatischen Kreislauf unter Doxycyclin Rückresorption

• Gestagene betrifft das nicht!

Man könnte zu dem Schluß kommen:

Antibiotika können theoretisch die Sicherheit der hormoneller Kontrazeptiva herabsetzen.

kann sinnvoll sein, für die Dauer der Antibiotika-Einnahme und sieben Tage danach zusätzlich eine

weitere Barriere-Methode wie z.B. ein Kondom verwenden

Exkurs: Doxycyclin – Interaktion hormonelle Kontrazeption

Handelsname: Lariam® / Mephaquin®

Indikationen:

• Langzeitaufenthalte in Hochrisikogebieten

• Schwangere / Kinder / VFR

Beachten:

• Neuropsychiatrische Vorerkrankungen

• Verstärkung der UAW durch Alkohol und Drogen

• Frauen und Ältere reagieren häufiger mit UAW

• 70% der UAW treten nach der 3. Tablette auf

immer 2. Patientenkontakt vor Ausreise erforderlich!

Prophylaxe mit Mefloquin

• 1 Tablette pro Woche bis 4 Wo. nach Ausreise

• bei erstmaliger Einnahme: Beginn 2-3 Wo. vor Einreise

• keine Begrenzung der Einnahmedauer

• einziges Medikament für Schwangere

FDA: Category B (Animal reproduction studies have failed to demonstrate a risk to the fetus

and there are no adequate and well-controlled studies in pregnant women)

Prophylaxe mit Mefloquin

Prophylaxe mit Mefloquin

• Seit 2013 darf Mefloquin nur unter Auflagen verordnet werden

• besondere Aufklärung: Übersicht zu neuropsychiatrischen UAW

• Patientenpaß mitgeben

• Roche Verzicht auf Zulassung 02.16

• Packungen im Markt bleiben verkehrsfähig bis zum Verfall

• bei Bedarf Einzelimport gemäß § 73 AMG über internationale Apotheke

• Mepha/Teva in Schweiz prüft Zulassung von Mephaquin® in DEU

Prophylaxe mit Mefloquin – nach Lariam®

Einzelimport gemäß § 73 Abs. 3 AMG

(3) Fertigarzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt und nicht zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen oder registriert sind, dürfen in den Geltungsbereich des AMG verbracht werden, wenn

1. sie von Apotheken auf vorliegende Bestellung einzelner Personen in geringer Menge bestellt und von diesen Apotheken im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis abgegeben werden,

2. sie in dem Staat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, und

3. für sie hinsichtlich des Wirkstoffs identische und hinsichtlich der Wirkstärke vergleichbare Arzneimittel für das betreffende Anwendungsgebiet im Geltungsbereich des Gesetzes nicht zur Verfügung stehen

Arzneimittelgesetz - AMG

zulassungsüberschreitender Einsatz eines Arzneimittels außerhalb der von

den nationalen oder europäischen Zulassungsbehörden genehmigten

Anwendungsgebiete (Indikationen, Patientengruppen)

Grundsätzlich ist Ärzten eine zulassungsüberschreitende Anwendung von

Arzneimitteln erlaubt

Eine umfassende gründliche Aufklärung des Patienten zum möglichen

Nutzen und möglichen Risiken des Off-Label-Use,

dessen Zustimmung zum Einsatz des Medikamentes und eine

lückenlose Behandlungsdokumentation durch den Arzt sind unerlässlich

Off label use

A/P (billigste Variante): 72 EA = 194 € (64 Tage in Exposition)

Lariam (ACA Re-Import): 16 EA = 82 € (70 Tage in Exposition)

Doxycyclin: 100 EA = 34 € (71 Tage in Exposition)

Preisvergleich

• nur noch als Notfallselbstbehandlung in Mittelamerika

• richtige Dosierung wichtig

Chloroquin

Selbstherapie mit verschreibungspflichtigen Medikamenten!!

Indikationen:

• Reisen in Gebiete niedriger Malaria-Inzidenz („T-/CT-Gebiete“ der DTG)

+ Malariaexposition länger als 6 Tage

+ keine Diagnostik und Therapie kurzfristig verfügbar (< 24 h)

+ Fieberthermometer im Gepäck

• Unverträglichkeit einer Chemoprophylaxe

• Langzeitaufenthalte nach Adaptation

Beachten:

Individuelle Entscheidung mit Arzt/Ärztin

Gute Aufklärung - geistige Reife erforderlich

Vorsorge durch Selbstmedikation im Erkrankungsfall

Malaria-Risiko für Reisende

Hochrisikoendemie-Gebiete

und/oder

hohes Komplikationsrisiko

im Erkrankungsfall

Niedrigrisiko-Gebiet

Aufenthalt > 6d Aufenthalt < 6d

Zugang zu med.

Versorgung

> 24h

Zugang zu med.

Versorgung

< 24h

Chemo-

Prophylaxe

Notfallselbsttherapie

(„stand-by“)

Arztkonsultation

im Fieberfall

Expositionsprophylaxe PLUS

*nach Haditsch M: Malaria prevention-keep it simple and logical. J Travel Med. 2016 Jan 20;23(1).

Algorithmus der Empfehlungen*

• Risikoaufklärung

• geplante Aktivitäten (Tauchen etc.) erfragen

• Vorerkrankung, Co-Medikation, Allergien, SchwS

• Expositionsprophylaxe erklären

• Einnahme- und Nebenwirkungshinweise

• Hinweis Malaria trotz Chemoprophylaxe

• Hinweis Malariasymptome und Verhalten

• Schwangeren und Kindern unter 5 J. abraten

• Schriftliches Infomaterial zur Verfügung stellen

Malaria-Beratung – Checkliste für Arzt/Ärztin

Vielen Dank!

Thank you!

Muito Obrigado!

Asante Sana!

Merci beaucoup!