Was können wir wissen? || Quanteninformatik

Post on 08-Dec-2016

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Information habe ich im letzten Beitrag defi niert als etwas, was das Denkorgan eines Menschen mit der Außenwelt austauscht. Gedanken, Produkte des Denkorgans, kann man nun in vielfäl-tigster Weise in Dinge hinein „schreiben“, z. B. mit irgendwelchen Zeichen korrelieren. Das können Bilder sein, Zeichen für einzelne Wörter oder Laute, Noten in Partituren. Kurz und gut: Man kann Information in Strukturen der äußeren Welt umwandeln. Natür-lich muss die Korrelation zwischen den Strukturen und den Ge-danken in einem besonderen Akt des Gedankenaustausches ver-abredet werden, um Information so aufschreiben zu können, d. h. in Dinge umwandeln zu können, so dass mit Hilfe dieser Dinge ähnliche Gedanken im Gehirn des „Lesenden“ erzeugt werden. Das geschieht durch Verabredung oder durch Schulung. Wer den Code nicht kennt, wer also Texte oder Noten nicht lesen kann, der versteht auch die Botschaft nicht, sein Denkorgan wird nicht ent-sprechend angeregt, er reagiert mit Unverstand.

Wir sind so geneigt, jede Struktur als einen Code für eine Infor-mation zu sehen, dafür hat wohl die Evolution gesorgt. Hat es vorher keine Verabredung gegeben und ist Schulung auch nicht möglich, weil bisher kein Mensch die Strukturen in Information verwandeln kann, so muss man die Bedeutung der Strukturen erforschen. Das war z. B. der Fall, als wir die Keilschriften ent-deckten, und im großen Stil ist es eigentlich die Aufgabe in der gesamten Naturwissenschaft. Alle Strukturen der Welt werden so auch oft als Information bezeichnet; sie sind aber eben nur Struk-

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J. Honerkamp, Was können wir wissen?, DOI 10.1007/978-3-8274-3052-6_14,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

turen, die unser Denkorgan beeinfl ussen können – insbesondere dann, wenn wir gelernt haben, diese Strukturen in irgendeiner Form zu interpretieren.

Informatik als Wissenschaft von der Verarbeitung codierter Information

Die Repräsentation von Denkinhalten durch Strukturen in Form von Zeichen kann auf verschiedenste Weise geschehen; insbe-sondere kann die Zahl der Zeichen, die man dazu benutzt, sehr unterschiedlich sein. Die chinesische Schrift benötigt tausende von Zeichen, unser Alphabet 26 Buchstaben. Letztlich, das weiß heute im digitalen Zeitalter jeder, kann man jede Information durch eine Folge von „Bits“ repräsentieren. Dabei ist ein Bit ir-gendein Ding dieser Welt, das in zwei gut von einander unter-scheidbaren Zuständen sein kann, die man üblicherweise mit „0“ bzw. „1“ bezeichnet. Solch ein Ding, das als Bit dient, kann ein kleiner Platz auf einer Spiralspur einer Polycarbonat-Scheibe sein. Beim Brennen dieser CD oder DVD wird für eine „1“ eine kleine Grube erzeugt, bei einer „0“ wird der Platz unversehrt ge-lassen. Ein Bit kann aber auch durch einen Schaltkreis realisiert werden, in dem ein Strom fl ießt oder nicht.

Durch diese Verdinglichung wird nun die Information ma-nipulierbar und verarbeitbar, indem man auf die physikalischen Zustände, die die Information repräsentieren, bestimmte phy-sikalische Prozesse anwendet und diese so gestaltet, dass ihre Ergebnisse mit denen bestimmter gedanklicher Operationen übereinstimmen. Denkvorgänge werden so automatisierbar. Na-türlich lag es so nahe, zunächst logische Operationen und Re-chenoperationen auf diese Weise in eine Maschine auszulagern. Wir nennen unsere Information verarbeitenden Maschinen des-

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halb auch Rechner oder Computer. Aber inzwischen können unsere Rechner auch viel höhere Gedankengänge ausführen wie Sortieren, Suchen, Komponieren nach festen Regeln usw. Ein ganzer Wissenschaftszweig, die Informatik , beschäftigt sich mit der Umsetzung von Gedankengängen in physikalische Prozesse und deren Realisierung in Maschinen. Die physikalischen Ope-rationen waren bei den ersten Rechenmaschinen wie denen von Schickard oder Leibniz noch rein mechanisch, bei unseren heu-tigen PCs werden sie durch elektronische Schaltungen realisiert. Der Schritt von der mechanischen zur elektronischen Verarbei-tung der Information führte zu gewaltigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft.

Codierung in Strukturen von Quantenobjekten

Aber heute kündigt sich eine weitere Verlagerung der Ebene an, auf der die Information verarbeitet wird. Man untersucht, wie man Information in Quantenobjekte – in einzelne Atome, Elektronen oder Photonen – hineinschreiben und durch entspre-chende Manipulation dieser Quantenobjekte verarbeiten kann. Elektronen und Photonen sind auf „natürliche Art“ Dinge die-ser Welt, die in zwei unterschiedlichen Zuständen, so genannten Spinzustände n, vorkommen. Atome kann man auch leicht zu Zwei-Zustands-Systemen machen. Diese Bits der Welt der Quan-ten nennt man Qbit s. Solch ein Computer, der die Information auf der Quantenebene verarbeitet – ein Quantencomputer also – würde die Leistungsfähigkeit der klassischen elektronischen Rechner um Dimensionen übertreff en. Eine ganze Klasse von Problemen, die auf heutigen Computern praktisch noch nicht berechenbar ist, könnte dann behandelt werden.

Der Grund liegt in einer Eigenschaft von Quantenobjekten, insbesondere darin, dass man Quantenzustände „überlagern“

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und „verschränken“ kann. Was das bedeutet, kann man hier nicht befriedigend erklären, es führt nur ein sehr langer Weg zu einem Verständnis dieser Begriff e (s. aber die Beiträge: „Realität und Nichtseparabilität in Quantenmechanik und Buddhismus“ und „Individualität und Ununterscheidbarkeit der Quanten“). Tatsa-che ist, dass sich bisher alle Phänomene der Quantenphysik auf diese Eigenschaft der Quantenzustände zurückführen lassen und dass man mit ihrer Hilfe auch weitere solcher Phänomene richtig vorhersagen kann. Diese zeigen immer eine Natur ganz anderer Art, in der wir mit unserer Anschauung, die sich im Laufe der Evolution für ein Überleben in einer Welt der mittleren Dimen-sionen entwickelt hat, allein nicht mehr zurechtkommen. Das hat zu vielen Paradoxa und Diskussionen über die Interpretation der Quantenmechanik geführt. Inzwischen hat man gelernt, mit diesen „Merkwürdigkeiten“ umzugehen und sie auszunutzen, z. B. für gezielte Manipulationen von Qbits. Es entsteht heute so eine Quantentechnologie .

Die Quanteninformatik beschäftigt sich mit den Fragen, wie die gedanklichen Operationen aufbereitet werden müssen, damit sie gut durch quantenphysikalische Prozesse simuliert werden können, wie diese Prozesse schließlich in einer Maschine wirklich realisiert werden können und wie die Messungen zur Gewinnung der Er-gebnisse gestaltet werden müssen. Dabei steht man natürlich noch vor großen Problemen, und es ist noch nicht klar, ob man in der Zukunft wirklich solch einen Quantencomputer wird bauen kön-nen. Die Anstrengungen auf dieses Ziel hin lohnen sich aber auf je-den Fall, weil man auf diesem Weg sehr viel über die Manipulation von Quantenobjekten und über die Quantenobjekte selbst lernt.

Unsere Fähigkeit nachzudenken und unsere Art, mit Informa-tion umzugehen und zu „verarbeiten“, empfi nden wir als spezi-fi sch zum Menschen gehörig. Die Sicht auf diese Fähigkeit wird sich in einer Zeit, in der die Informationsverarbeitung immer stärker ausgelagert werden kann und Information sogar in Quan-tenobjekte eingeschrieben werden kann, weiter ändern. Man darf gespannt sein, wie sich dieses auf unser Menschenbild auswirkt.

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