Welthandel Mag. Christian Felber WU Wien, 19. November 2009.

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Welthandel

Mag. Christian Felber www.christian-felber.at

WU Wien, 19. November 2009

• Höheres Wachstum

• Mehr Wohlstand für alle

• Ende der Armut

Neoliberale Versprechen

Globalisierung und „Freihandel“ bringen

• Je mehr internationale Arbeitsteilung … Je mehr Export … Je mehr „Globalisierung“ … desto besser!

• „Pro Prozent Öffnung eines Landes steigt das Pro-Kopf-Einkommen um ein Prozent.“

Guy Verhofstadt, Ex-Ministerpräsident

Zentrale Phantasie

• WTO: „mächtigste Einzel-Einblick in die Ökonomie“

Theorie der absoluten Kostenvorteile (Adam Smith 1776)

Theorie der komparativen Kostenvorteile (David Ricardo 1817)

Zentrale Phantasie

„Zwei Männer können beide Schuhe und Hüte herstellen, aber der eine ist dem anderen in beiden Tätigkeiten überlegen. Wenn er Hüte macht, ist er allerdings nur um ein Fünftel oder 20 Prozent besser als sein Konkurrent, während er, wenn er Schuhe macht, ein Drittel oder 33 Prozent besser ist.

Liegt es nicht im Interesse beider Männer, dass der, der in beidem besser ist, nur noch Schuhe herstellt und der andere nur noch Hüte?“

Ricardos Überlegung 1817

• Kulturelle Probleme– Ghana bei Baumwolle und Trommelbau besser

Probleme des Theorems

• Kulturelle Probleme– Ghana bei Baumwolle und Trommelbau besser

• Volkswirtschaften denken nicht wie Männer– Interesse des Ganzen ist nicht Interesse der Einzelnen

Probleme des Theorems

• Kulturelle Probleme– Ghana bei Baumwolle und Trommelbau besser

• Volkswirtschaften denken nicht wie Männer– Interesse des Ganzen ist nicht Interesse der Einzelnen– Würde nur mit „Zuteilung“ funktionieren >

globale Planwirtschaft!

Probleme des Theorems

• Kulturelle Probleme– Ghana bei Baumwolle und Trommelbau besser

• Volkswirtschaften denken nicht wie Männer– Interesse des Ganzen ist nicht Interesse der Einzelnen– Würde nur mit „Zuteilung“ funktionieren > globale

Planwirtschaft!

• Was passiert bei ungleicher Vorteilsverteilung?– „Automobile“ vs. „Brot“

Probleme des Theorems

„Angenommen, Land A ist besser im Autobauen als Land B, und Land B ist besser im Brotbacken.

Dann ist es offensichtlich (Akademiker würden sagen ‘trivial’), dass beide davon profitieren, wenn Land A sich auf die Herstellung von Autos spezialisieren würde und Land B auf Brot, und beide ihre Produkte miteinander handelten.“

Quelle: www.wto.org

WTO 2008

Zur Zeit Ricardos …

• … war der Kapitalverkehr nicht frei– Heute kann deutsches Kapital in Ghana Trommeln

bauen und Baumwolle produzieren– Kapital „sammelt“ Standortvorteile

Außerdem: 1817 ≠ 2006

Zur Zeit Ricardos …

• … war der Kapitalverkehr nicht frei– Heute kann deutsches Kapital in Ghana Trommeln

bauen und Baumwolle produzieren– Kapital „sammelt“ Standortvorteile

• … gab es kein fossiles Transportsystem– Raumwiderstand war der „natürliche Zoll“– Oft werden die gleichen Produkte ausgetauscht

Außerdem: 1817 ≠ 2006

• Äpfel aus Chile

• Butter aus Neuseeland

• Granit aus China

• Holz aus Sibirien

• Schweinefutter aus Brasilien

• Wein aus Kalifornien

Arbeitsteilung?

• USA hatten bis 1945 die höchsten Zölle• Großbritannien: Regulierung japanischer Konzerne• Deutschland: Verschränkung von Staat und Privat• Tigerstaaten: Protektionismus und Subventionen

Historisch waren alle Protektionisten

• USA hatten bis 1945 die höchsten Zölle• Großbritannien: Regulierung japanischer Konzerne• Deutschland: Verschränkung von Staat und Privat• Tigerstaaten: Protektionismus und Subventionen

Kein Land ist mit Freihandel groß geworden!

Freihandel ist (bestenfalls) eine Folge, keine Voraussetzung für Entwicklung!

Historisch waren alle Protektionisten

„Zum Weltwirtschaftsforum in Davos machen die Globalisierungsgegner wieder mobil. Dabei zeigte David Ricardo schon vor über 200 Jahren, dass Freihandel den Wohlstand erhöht.“

Wiwo, 21. Jänner 2008

Medien geschlossen für Freihandel

Welthandelsorganisation WTO

Seit 1. Jänner 1995

76 > 148 Mitgliedstaaten, 30 Kandidaten

3 Säulen

– GATT: Waren– GATS: Dienstleistungen– TRIPS: geistiges Eigentum

Institutioneller Autismus

WTO ist keine Teilorganisation der UNO …

UNDP - Entwicklung UNEP - Umwelt FAO - Ernährung ILO - Arbeit WHO - Gesundheit UNCTAD - Handel und Entwicklung

… aber sie hat ein effizientes Gericht

• Gleichbehandlung Ungleicher (≠ Verfassung)

Kernprinzip „Nichtdiskriminierung“

• Gleichbehandlung Ungleicher (≠ Verfassung)

– Ausländer mit Inländern (NT), zB China mit EU

Kernprinzip „Nichtdiskriminierung“

• Gleichbehandlung Ungleicher (≠ Verfassung)

– Ausländer mit Inländern (NT), zB China mit EU– Ausländer untereinander (MFN), zB USA mit Haiti

Kernprinzip „Nichtdiskriminierung“

• Gleichbehandlung Ungleicher (≠ Verfassung)

– Ausländer mit Inländern (NT), zB China mit EU– Ausländer untereinander (MFN), zB USA mit Haiti– Faire mit unfairen Produkten (Bsp. Hormonfleisch)

Kernprinzip „Nichtdiskriminierung“

• Gleichbehandlung Ungleicher (≠ Verfassung)

– Ausländer mit Inländern (NT), zB China mit EU– Ausländer untereinander (MFN), zB USA mit Haiti– Faire mit unfairen Produkten (Bsp. Hormonfleisch)

• Ausnahmen (SDT) „praktisch abgeschafft“

– Patentschutz-Aufschub um 10 Jahre

Kernprinzip „Nichtdiskriminierung“

Wer profitiert vom GATS?

Hausverstand: Wo sind die großen Banken, Telekomkonzerne,

Energie- und Wasserversorger, privaten Krankenhausketten, ... zu Hause?

Forderungen EU < > arme Länder:

94 : 16

Ehrlich währt …

David Hartridge, ehem. GATS-Direktor, WTO

„Ohne den enormen Druck der amerikanischen Finanzdienstleistungsindustrie, insbesondere der Firmen wie American Express od. Citicorp, hätte es kein Dienstleistungsabkommen gegeben“.

TRIPS – geistige Monopolrechte

Patente auf 20 Jahre– länger als viele Innovationszyklen = Monopol– Holland führt 1817 ein, schafft sie 1869 wieder ab

TRIPS – geistige Monopolrechte

Patente auf 20 Jahre– länger als viele Innovationszyklen = Monopol– Holland führt 1817 ein, schafft sie 1869 wieder ab

Patente auf Leben– Gentechnik (Geschäftsgrundlage, Klage gegen EU)– Biopiraterie (Neem-Baum)

TRIPS – geistige Monopolrechte

Patente auf 20 Jahre– länger als viele Innovationszyklen = Monopol– Holland führt 1817 ein, schafft sie 1869 wieder ab

Patente auf Leben– Gentechnik (Geschäftsgrundlage, Klage gegen EU)– Biopiraterie (Neem-Baum)

Patente auf Medikamente– Industrieländer selbst erst in den 60er und 70er Jahren– Profit vor Gesundheit (Südafrika-Klage)

„Die Behauptung, ein stärkerer rechtlicher Schutz geistigen Eigentums kurbele die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit immer an, ist ein Beispiel dafür, wie Sonderinteressen sich mit einer grob vereinfachenden, ideologischen Argumentation durchzusetzen versuchen.“

Joseph Stiglitz, Wirtschaftsnobelpreistäger

TRIPS abschaffen

„Die Volkswirtschaften verliert kurzfristig, weil die höheren Monopolpreise das allgemeine Wohlergehen beeinträchtigen, und langfristig, weil auch die Innovationen zurückgehen.“

Joseph Stiglitz, Wirtschaftsnobelpreistäger

TRIPS abschaffen

James Enyart von Monsanto:

„Das (...) hat es in der GATT-Geschichte noch nie gegeben: Die Industrie wurde auf ein größeres Problem im internationalen Handel aufmerksam.

Sie entwarf eine Lösung, reduzierte sie auf einen konkreten Vorschlag und ließ diesen von den eigenen und vielen anderen Regierungen absegnen.“

Ehrlich währt am längsten

• Absturz der Rohstoffpreise

• Deindustrialisierung, „Reprimarisierung“

• Negative Handelsbilanz armer Länder

• Zerstörung lokaler Märkte / kultureller Vielfalt

• Oligopolisierung/Monopolisierung > Vermachtung von Märkten

Ergebnisse des „Freihandels“

Ergebnisse des „Freihandels“

• Wachstum der Weltwirtschaft wird nicht schneller

– 1960er: 3,6%– 1970er: 2,4%– 1980er: 1,3%– 1990er: 1,1%

Ergebnisse des „Freihandels“

• Wachstum der Weltwirtschaft wird nicht schneller

– 1960er: 3,6%– 1970er: 2,4%– 1980er: 1,3%– 1990er: 1,1%

• Anteile armer Regionen am Welthandel seit 1980 – Afrika 5,9 > 2,5 %– Lateinamerika 5,5 > 5,1 %– Osteuropa/GUS 5,3 > 3,5 %

Ergebnisse des „Freihandels“

• Einkommen reichste / ärmste 20 Länder– 1960: 54 : 1– 2000: 121 : 1

Ergebnisse des „Freihandels“

• Einkommen reichste / ärmste 20 Länder– 1960: 54 : 1– 2000: 121 : 1

• 80er: „verlorenes Jahrzehnt“

Ergebnisse des „Freihandels“

• Einkommen reichste / ärmste 20 Länder– 1960: 54 : 1– 2000: 121 : 1

• 80er: „verlorenes Jahrzehnt“

• 90er Jahre: 54 Länder wurden ärmer

Ergebnisse des „Freihandels“

• Einkommen reichste / ärmste 20 Länder– 1960: 54 : 1– 2000: 121 : 1

• 80er: „verlorenes Jahrzehnt“

• 90er Jahre: 54 Länder wurden ärmer

• In vier Fünftel der Länder nimmt Ungleichheit zu

Ergebnisse des „Freihandels“

• Einkommen reichste / ärmste 20 Länder– 1960: 54 : 1– 2000: 121 : 1

• 80er: „verlorenes Jahrzehnt“

• 90er Jahre: 54 Länder wurden ärmer

• In vier Fünftel der Länder nimmt Ungleichheit zu

• Seit End der der neunziger Jahre: Hunger nimmt zu

„Internationale Arbeitsteilung heißt, dass sich die einen aufs Gewinnen spezialisieren und die anderen aufs Verlieren.“

Eduardo Galeano

Korrektur

1. Ministerkonferenz 1996 in Singapur

2. Ministerkonferenz 1998 in Genf

3. Ministerkonferenz 1999 in Seattle

4. Ministerkonferenz 2001 in Doha

5. Ministerkonferenz 2003 in Cancún

6. Ministerkonferenz 2005 in Hongkong

Ministerkonferenzen

WTO und Demokratie

• Delegierte in Cancún 2003– 22 Länder: max. 5– Brasilien: 34 – EU: 664

• 29 Länder keine permanente Vertretung in Genf

• 5 - 10 Sitzungen/Woche, Abwesenheit = Ja

• 80% der BeamtInnen aus Industrieländern

• multiple Abhängigkeiten (E-Hilfe, IWF-Kredite)

Bartenstein:

„Der Tisch war noch nie so reich gedeckt für die armen Länder.“

Cancún scheitert

• Weder Freihandel noch Abschottung ist das Ziel

Alternativen

• Weder Freihandel noch Abschottung ist das Ziel

• Grad der Offenheit ist eine Funktion der wirtschaftspolitischen Zielsetzungen

– Menschenrechte– Nachhaltige Entwicklung– Armutsbekämpfung– Kulturelle Vielfalt– Nahversorgung– Geschlechtergerechtigkeit

Alternativen

UNCTAD statt WTO

• Konferenz der UNO für Handel und Entwicklung

• 1964 auf Initiative der G77 (heute 133 Staaten)

• Ziel ist „nachhaltige Entwicklung“

• Handel ist Mittel und nicht Zweck

„Global Agreement on Public Services“

EZA-Abteilung ≠ Profit Center

Technologietransfer mit dem Ziel des Gemeinwohls

Nachbarschaftshilfe im Globalen Dorf

GAPS statt GATS

VorschlagNr. 40

Alternativen

• Organisationen und Abkommen– WTO > UNCTAD o. Fair Trade Organisation

Alternativen

• Organisationen und Abkommen– WTO > UNCTAD o. Fair Trade Organisation– GAPS statt GATS

Alternativen

• Organisationen und Abkommen– WTO > UNCTAD o. Fair Trade Organisation– GAPS statt GATS

• Handel nur zwischen ebenbürtigen Partnern– „Infant industry policy“ / „Erziehungszölle“– Regulierung von Investitionen (im „MAI“ verboten)– Handel nur bei gleichen Standards (draft norms)

• Äpfel aus Chile

• Butter aus Neuseeland

• Granit aus China

• Holz aus Sibirien

• Schweinefutter aus Brasilien

• Wein aus Kalifornien

Ökonomische Subsidiarität

3 € / km

„Ideen, Kunst, Wissen, Gastfreundschaft und Reisen sollten international sein. Dagegen sollten Waren lokal erzeugt werden, wo immer dies vernünftig möglich ist; vor allem aber die Finanzen sollten weitgehend im nationalen Kontext verbleiben.“

John Maynard Keynes, 1933

Global denken, lokal handeln

Danke für Eure Aufmerksamkeit!

www.christian-felber.at

www.attac.at

Ende für heute

Lobbykratie

• ESF, USCSI: Dienstleistungen

• IPC: Geistiges Eigentum

• ERT: Industrie– Wettbewerbsfähigkeit an die Spitze der EU-Agenda– Doha-Runde ist Kernelement der Lissabon-Strategie– NZZ: „Doha-Runde mehr als Entwicklungsagenda,

obwohl in der Öffentlichkeit als solche verkauft“

• UNDP 2005: – „WTO-Regeln für IPR sind doppelte Gefahr“– „Handel ist Mittel zur Entwicklung, kein Selbstzweck“ – „Indikatoren wie Exportwachstum, Export-BIP-Relation oder

Marktöffnung sind keine Garanten für menschliche Entwicklung.“

• UNESCO 2005:– Konvention für kulturelle Vielfalt gegen Freihandel

• UNCTAD:– „inmisering trade“

UNO warnt vor WTO

Alternativen

• Ökologische Kostenwahrheit

• Globale Fusionskontrolle

• Technologietransfer – Moderne Allmenden

GATT-BeitrittHaiti  1950Dom. Republik 1950Sierra Leone 1961Burkina Faso     1963Elfenbeinküste 1963Senegal     1963Burundi    1965Zentralafrika 1963Tschad     1963Rwanda    1966Bangladesh     1972

„Die ärmsten Länder sind so arm, weil sie noch zu wenig globalisiert sind.“