Zuhören und Sprechen im Deutschunterricht Dr. Meike Wulf, Lübeck.

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Zuhören und Sprechenim Deutschunterricht

Dr. Meike Wulf, Lübeck

Tagesprogramm 10.03.2010

• Mündliches Sprachhandeln im Deutschunterricht (PPP)

• Körpersprache im Frontalunterricht+++ Pause +++

• „Goldene Regeln“ des UG• Gesprächsmethoden

+++ Mittagspause +++• UG beobachten und auswerten (VICS)

+++ Pause +++• Zuhören trainieren – Beispiele für Standards (VERA 8)

Sprache als Mittel und Gegenstand im DU

• Vieles, was Sie heute lernen, sollten Sie auch zum Unterrichts-gegenstand machen –„Kommunikationsfähigkeit“ist eine zentrale Kompetenz!

• Meta-Kommunikation hilft oft weiter, wenn die normale Kommunikation in der Sackgasse steckt.

Bewertungsgrundlagen für Unterrichtsbeiträge

Unterrichtsbeiträge = alle Leistungen, die sich auf Mitarbeit und Mitgestaltung im Unterricht und im unterrichtlichen

Kontext beziehen. Das sind:• mündliche Leistungen • praktische Leistungen • schriftliche Leistungen, soweit es sich nicht um

Klassenarbeiten handelt.

Lehrplan Deutsch, SekI, S.12

Bewertet werden können:• Beiträge in Gruppen- und Unterrichtsgesprächen

• Vortragen und Gestalten

• Erledigen von Einzel- und Gruppenaufgaben, Beiträge zu Gemeinschaftsarbeiten

• Projektaufträge und - präsentationen

• Hausaufgaben, Haushefte, Arbeitsmappen

• Praktisches Erarbeiten von Unterrichtsinhalten

• Schriftliche Überprüfungen / Tests (bis zu 20 Minuten)

• Protokolle, Referate

• Medienproduktionen

(möglichst unter Einbeziehung elektronischer Medien)

Lehrplan Deutsch, SekI, S.13

Basisfähigkeit: Sprechen

Die Lehrkraft

• fördert die Bereitschaft einzelner, sich im Sprechen mit einem oder mehreren Gesprächspartnern, in Gruppen und im Plenum zu äußern.

• ermutigt zur Korrektur des Sprechverhaltens (Verständlichkeit, Sprechtempo, Lautstärke, Stimmführung und Artikulation)

• macht der Klasse die Verteilung der Redeanteile in geeigneten Verfahren bewusst, lässt Ursachen einer etwaigen Ungleichverteilung bedenken und steuert ihr durch Einzel- und Klassengespräche entgegen

Lehrplan Deutsch, SekI, S.18/19

Schätzen Sie die durchschnittlichen Sprechanteile der Lehrkraft und der Schüler

während einer Unterrichtsstunde!

Lehrer Schüler

ca. 68% ca. 20%

+ „Schweigen“, „Durcheinander“ ca.12%

Angaben nach: Grell, S.62

Schüler sollten also mehr sprechen.

Aber wie stellt man das an?

Unterrichtsarrangements

Schüler möglichst viel (miteinander) zum Unterrichtsgegenstand kommunizieren lassen

(Bsp.: Rollenspiel I: Logical)

Selbst besser kommunizieren

Klassische Untersuchungen zum Lehrerverhalten

• Kurt Lewin (1939)Typenkonzepte von Führungsstilen

(autokratisch/autoritär, demokratisch/partnerschaftlich, Laissez-faire)

• Annemarie Tausch/Reinhard Tausch (1970)Typenkonzepte Lewins plus vier Hauptdimensionen des Lehrerverhaltens(emotionale/soziale Zuwendung, Lenkung/Dirigierung/Kontrolle,

Aktivität/ Passivität, Klarheit/Unbestimmtheit)

Kommunikationsmodelle• TZI

(themenzentrierte Interaktion, humanistische Psychologie - Ruth Cohn, 50er Jahre)

• NLP (neurolinguistisches Programmieren, Behaviorismus; Richard Bandler/John Grinder, 70er Jahre – sehr umstritten wg. aggressivemEinsatz in Werbung und Verkauf)

• Kommunikationstheorie/Konstruktivismus5 Axiome Watzlawicks Man kann nicht nicht kommunizieren.(Radikaler Konstruktivismus, 60er Jahre – in Dtl. seit 80er Jahren)

• Hamburger Verständlichkeitsansatz,Kommunikationsquadrat (Tausch/Tausch, Schulz von Thun; seit den 70er Jahren)

Und - was hilft`s?

- Sensibilisierung für Störungen und ihre möglichen Ursachen

(auf Seiten der Lehrkraft, auf Seiten der Schüler)

- strukturierter diagnostischer Zugriffstatt punktueller, selektiver Wahrnehmung einzelner Aspekte

- Entlastung der Lehrkraft,sie ist nicht allein für Erfolg/Misserfolg der Kommunikation verantwortlich

- Weg-weiserweg von der „Einweg-Kommunikation“ - der „Nürnberger Trichter“ funktioniert nicht...

Aber...

... hören Sie auf Ihren Bauch, bleiben Sie spontan. Werden Sie nicht zum Sklaven eines einzelnen Kommunikationsmodells.

... bleiben Sie „stimmig“.D.h. bleiben sich selbst treu, d.h. authentisch, aber handeln Sie der Situation

angemessen – um es mit Friedemann Schulz von Thun zu sagen

... Vorsicht vor „Küchenpsychologie“.Wir sind alle keine ausgebildeten Diagnostiker, obwohl wir jeden Tag

diagnostizieren. Bleiben Sie sich selbst gegenüber kritisch.

Unterricht ist kein Gespräch zu zweit...

• Kommunikation/Interaktion in/mit einer Gruppe, Gruppendynamik

• Grundsatz der Freiwilligkeit: nur bedingt gegeben

• Hierarchie/Asymmetrie ist festgelegt

• Rollenmuster (oft festgefahren)

• Unterricht (zumal frontal gestaltet) ist traditionell belastet, hoch ritualisiert

Ein frontal geführtes UG erschwert naturgemäß die Umsetzung vieler Kommunikationsideale, ist aber in vielen Stunden

unerlässlich.

• Daher gilt erstens:Es darf nur eine Unterrichtsform unter vielen sein!

• Daher gilt zweitens:Es muss funktional im Hinblick auf das HLZ eingesetzt werden!

• Daher gilt drittens:Es muss in seinen Formen besonders sorgfältig geplant, geführt, trainiert werden!

ACHTUNG

Dauer eines UG: Zwischen 5 und 15 Minuten!

Überspitzt formuliert: Bei weniger als 5 Minuten handelt es sich

um eine Ansage, bei mehr als 15 Minuten um eine Zumutung.

- Teacher‘s fishing expedition (Vortrag & Abfrage)

Geringes Abstraktionsniveau, regt nicht zum eigenständigen Denken an.

- Sokratische/dialogische Form („Hebammenkunst“)

Verborgenes Wissen wird aus Schüler „hervorgelockt“, ohne Wissens-Input; induktiv (vom Einzelfall zur Regel); Entscheidungs- und Ergänzungsfragen (oft kurzschrittig, auf 2 Teilnehmer ausgerichtet).

- Fragend-entwickelnde Form

Lehrerfragen dienen dazu, Gedanken der Schüler anzuregen und zu strukturieren. Oft spekulatives „Ratespiel“: Was will der Lehrer wohl hören?

- Problemorientierter Ansatz

Impulse wecken Fragehaltung, basieren immer auf Input; dann sind auch entwickelnde Fragen sinnvoll. Man aber muss ein sinnvolles „Problem“ finden! Nicht jede Stunde kann/sollte so aufgebaut sein – aber evtl. die Einheit (vgl. Forderung nach Themenzentrierung des DU!)

Formen des frontalen UG

Funktionen des frontalen UG

• Informationen mitteilen (LV, eigtl. kein UG)

• Problemfragen evozieren• Erkenntnisse ermöglichen• Zusammenfassungen strukturieren• Verständnis sichern• Zum Weiterdenken/-arbeiten anstoßen

Moderation im weitesten Sinne (ausgenommen Punkt 1)

Platz im Stundenablauf• Zu Beginn der Stunde (v.a. 1.Std.UE)

Problemfrage/Thema evozieren (Setzung: Notlösung)

• (Abschluss einer) Erarbeitungsphase(begleitend oft sinnvoll: TB/OHF)

• (Abschluss einer) Sicherungsphase(begleitend oft sinnvoll: TB/OHF)

Wenn du nicht weißt, zu welchem Hafen du segelst, ist kein Wind günstig.

(Seneca)

Rahmenbedingung: SitzordnungenDie Wirkung ist nicht zu unterschätzen!

• Reihen geeignet für: kleine Räume; frontal geführte UG, Tafelarbeit, Arbeit mit dem OHP

• Gruppentische geeignet für: Kleingruppen jeglicher Art, offenen Unterricht

• Das „U“ geeignet für Diskussionen, frontal geführte UG; Tafel/OHP: problematisch; kleine Räume: problematisch

• Umgekehrtes „V“ geeignet für mittelgroße Räume, guter Kompromiss zwischen Reihe und U; geeignet für frontal geführte UG und Diskussionen, Tafel/OHP-Arbeit möglich

• Stuhlkreis geeignet für Diskussionen, bei denen nicht (sofort) mitgeschrieben werden muss; für Gesprächsrunden, bei

denen keine „Barrieren“ (=Tische) erwünscht sind

Stimmführung

• Aussagesätze sind AussagesätzeStimme senken!

• Fragen sind FragenStimme heben!

• Aufforderungen sind AufforderungenStimme mit Nachdruck versehen

(nicht lauter werden, nicht heben, nicht stärker modulieren => hysterisch)

Bewegung im Raum Bewegung ist nötig, nicht festfrieren

Nicht unruhig „tigern“

Wichtige Ansagen: zentral frontal, barrierefrei (vor dem Tisch!)

Guten „Bereitschaftsplatz“ suchen f. STA-Phasen (nicht: Fenster/Tür/Wand vorn)

„Der Spiegel“ 02/2007

Der US-Psychologe Paul Ekman trainiertSicherheitsbeamte, in den Gesichtern vonFlugpassagieren böse Absichten zu erkennen.

Mit „Spot“(Screening Passengers by Observational Techniques) sollen sie Terroristen an der Sicherheitsschleuseaufspüren.

Beispiele für Mimik nach Ekman

© Der Spiegel 02/2007

Beispiele für Mimik nach Ekman (2)

© Der Spiegel 02/2007

Körpersprache des Lehrers im Frontalunterricht

Abbildung aus: Argyle, Michael (1979): Körpersprache und Kommunikation., 8. Aufl. Paderborn: Jungfermann, 2002, (Innovative Psychotherapie und Humanwissenschaften, Bd. 5) , http://www.teachsam.de)

(Lösungsvorschläge zu den Abbildungen – Achtung, andere Reihenfolge)

Mittagspause...

Lektüre - gedruckt• Heinz Klippert: Kommunikations-Training.

Übungsbausteine für den Unterricht. Weinheim 1995. (Wenn Sie Kommunikation unterrichten wollen, lohnt sich ein Blick hinein – Achtung, es ist v.a. eine Sammlung bekannter Methoden.)

• Joachim Grell: Techniken des Lehrerverhaltens. (Stilistisch manchmal etwas schwer zu ertragen, inhaltlich top. Mit konkreten Aufgaben und Trainings-Tipps. Weinheim 2001.)

• Günter Trenz: Interaktionsprozesse im Unterricht. In: Bovet/Huwendiek: Leitfaden Schulpraxis. Berlin 2004. S.366-386. (Guter Überblick!)

Lektüre - online• http://www.schulz-von-thun.de Sehr empfehlenswert,

Überblick (mit Audio-Dateien, Filmen etc.) zu den Modellen, Interviews etc.

• http://www.uni-koeln.de/ew-fak/konstrukt/didaktik/index.htmlMethodenpool zur interaktionistischen Variante der konstruktivistischen Didaktik(Prof. Kersten Reich, Uni Köln)

• http://www.learn-line.nrw.de/angebote/schulberatung/main/downloads/krumm_ungerechte_lehrer.pdfUngerechte Lehrer? Lesen und zu Herzen nehmen.