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Mediendienst 6 2. Mai 2014
Zum neuen IPCC-Weltklimabericht
Wenn Profit vor Klimaschutz kommt Geert van Dok
Der Mediendienst der Caritas Schweiz ist ein Angebot mit Hintergrundtexten zur freien Verwendung.
Für Rückfragen stehen die Autorinnen und Autoren gerne zur Verfügung.
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Caritas Schweiz, Mediendienst 6, 2. Mai 2014
Zum neuen IPCC-Weltklimabericht
Wenn Profit vor Klimaschutz kommt
Der Weltklimarat veröffentlichte vor kurzem seinen neuesten Klimabericht, der zu grösster
Sorge Anlass gibt. Die Erderwärmung wird drastischere Auswirkungen haben, als bisher ange-
nommen. Höhere Nahrungsmittelpreise, gewaltsame Konflikte, Hungersnöte und Migration sind
die Folgen, vor allem in den ärmsten Ländern. Derweilen macht der Ölkonzern Exxon Mobil
dagegen mobil: Klimawandel ja, Lehren daraus ziehen nein, heisst die Devise. In eigenen Berich-
ten propagiert der Konzern ungeniert eine forcierte Energieproduktion auf der Basis von Gas
und Öl als „Grundrecht auf Energie“. Die Rechnung für die weltweite Klimaerwärmung zahlen
aber wie immer die ärmsten Menschen in den Entwicklungsländern.
Ende März erschien der zweite Teil des „Fünften Sachstandberichts“ des Weltklimarats IPCC zu den
Auswirkungen der Klimaerwärmung und zur zunehmenden Verwundbarkeit gegenüber extremen Wet-
ter- und weiteren Naturereignissen. Die Aussagen sind nicht neu, in ihrem Ausmass aber nochmals
bedrohlicher. Die Mahnung lautet: Ohne Kurswechsel wird sich bis zur Mitte des Jahrhunderts der
CO2-Ausstoss von Kraftwerken, Industrie, Bausektor und Verkehr noch einmal in etwa verdoppeln.
Die 2° Celsius-Grenze der Klimaerwärmung würde sicher übertroffen, bis zum Jahr 2100 wären 3,7
bis 4,8 Grad wahrscheinlich. Das würde in vielen Lebensbereichen Situationen entstehen lassen, an die
keine Anpassung mehr möglich ist. Doch noch ist Zeit für einen Kurswechsel, sagt der Weltklimarat
und ermahnt die Politik, sofort mit einer drastischen Reduktion der Treibhausgas-Emissionen ernst zu
machen.
Dramatische Folgen für Entwicklungsländer
Die Risiken der starken Klimaerwärmung wären dramatisch, daran lässt der Weltklimarat keinen
Zweifel. Sie betreffen ganze Ökosysteme, etwa die der Arktis, des Amazonas-Regenwaldes oder der
tropischen Korallen, von denen die Fischerei in vielen Entwicklungsländern abhängt. Es drohen ein
grossflächiger Verlust von Siedlungsräumen an den Küsten, Einbrüche in der Biodiversität, eine ver-
schärfte Gefährdung der Ernährungssicherheit. Dies gilt in besonderem Mass für extrem sensible Re-
gionen in den Entwicklungsländern. So ist die Bevölkerung des Sahel schon heute verstärkt Dürren
und Überschwemmungen ausgesetzt. Ausgedörrte, trockene Böden lassen Regenfälle schnell und
oberflächig abfliessen und hinterlassen kaum positive Wirkung auf die Vegetation. Es kommt perio-
disch zu Ernteausfällen und in der Folge zu humanitären Katastrophen.
Mit Besorgnis weist der Bericht im Weiteren darauf hin, dass Extremereignisse weltweit Migration
auslösen können, mit nicht abschätzbaren Folgen für die Herkunfts- und die Zielregionen. Die Liste
dringend notwendiger Anpassungsmassnahmen an die klimabedingten Veränderungen wird immer
länger und kostspieliger. Es geht um Präventionsmassnahmen gegenüber Katastrophen ebenso wie um
Veränderungen in der Landwirtschaft, Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser und Energie oder ver-
mehrte Investitionen in Infrastrukturen.
Klimapolitik ist also auch Entwicklungspolitik. Denn solange die Staatengemeinschaft nicht bereit ist,
die Transformation der Weltwirtschaft und Weltgesellschaft auf der Grundlage von erneuerbaren
Energien und nachhaltigen Konsummustern voranzutreiben, wird die Klimaerwärmung mit ihren dra-
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Caritas Schweiz, Mediendienst 6, 2. Mai 2014
matischen Folgen ungebrochen weitergehen und wird es Entwicklungsländern nicht gelingen, ihre
Entwicklung menschenwürdig, umwelt- und sozialverträglich, kurz: nachhaltig voranzutreiben.
Das wahre (fossile) Gesicht von Exxon Mobil
Wenn das angestrebte Ziel, die Klimaerwärmung auf maximal 2° Celsius zu begrenzen, noch erreicht
werden soll, muss der für 2015 angekündigte Weltklimavertrag zwingend die Weichen für eine De-
karbonisierung stellen. Doch einfach wird das nicht, denn die Gegenseite macht Druck. So veröffent-
lichte der Ölkonzern Exxon Mobil, in der Vergangenheit verantwortlich für so manche Umweltkatast-
rophe, gleichzeitig mit dem neuen Klimabericht zwei Studien, welche als einzigen Zweck haben, seine
fossile Energiestrategie zu rechtfertigen. Darin warnt der Konzern, der seit vielen Jahren klimaskepti-
sche Organisationen mit Millionen Dollar unterstützt, die Politik unverblümt davor, Massnahmen zu
ergreifen, welche die fossile Energieproduktion eindämmen könnten.
Statt gesetzlicher Regulierungen sollen laut Exxon Mobil Marktpreise und kostengünstigere Produkte
über die „richtigen Lösungen" entscheiden. Es dürfe keine Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen
geben. Alle Energiequellen sollen laut Exxon ausgeschöpft werden, und der Konzern scheut sich auch
nicht, dies als seine soziale Verantwortung, allen Menschen einen Zugang zu Energie zu gewährleis-
ten, darzustellen. Die Strategie des Ölkonzerns scheint aufzugehen. Das Rating der Exxon-Aktien
wurde von Merrill Lynch nach Veröffentlichung der Exxon-Studien Ende März hochgestuft: Die Bank
empfiehlt ihren Anlegern – während zeitgleich der IPCC-Bericht in den Medien diskutiert wird – in
Exxon zu investieren und Analysten stuften das Rating von „neutral“ auf „kaufen“.
Ungehindert wird Exxon beispielsweise mit der Ölsandförderung fortfahren. Zusammen mit anderen
Ölkonzernen extrahiert Exxon in einem technisch aufwendigen Verfahren Rohöl aus einem Sandge-
misch, das unter den Wäldern in der kanadischen Provinz Alberta liegt. Das Vorkommen gilt heute als
drittgrösstes der Welt. Dessen Nutzung verseucht grossflächig wertvolle Ökosysteme, Anwohner er-
kranken wegen der Chemikalien an Krebs und durch die Förderung wird auch das Klima stark geschä-
digt: Allein 2011 produzierte die Ölsandindustrie rund 55 Millionen Tonnen Treibhausgase. Folglich
kündigte Kanada schon vor drei Jahren an, aus dem Kyoto-Protokoll auszusteigen – der Klimaschutz
kann warten, der Profit nicht.
Geert van Dok, Leiter Fachstelle Entwicklungspolitik, Caritas Schweiz,
E-Mail gvandok@caritas.ch, Tel. 041 419 23 95
Hinweis
Caritas-Positionspapier „Armut verhindert Anpassungen an den Klimawandel“ zum Umgang mit
den Folgen der Klimaerwärmung im Sahel, November 2013
Caritas-Positionspapier „Klimapolitik ist auch Entwicklungspolitik“ zur Bedeutung des Klima-
wandels für eine nachhaltige Entwicklung, November 2012
Link: www.caritas.ch/positionspapiere