§ 11 börsennotierte AG und Kapitalmarktrecht (WpHG)

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§ 11 börsennotierte AG und Kapitalmarktrecht (WpHG) WpHG = Wertpapierhandelsgesetz von 1998 (teilweise in dtv-GesR) I. Begriff der börsennotierten AG: § 3 II AktG 1. Wann handelt es sich um börsennotierte AG? a. Börsen sind teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts; Börsenträger sind Kapitalgesellschaften, die insoweit „beliehen“ sind (§§ 2, 5 BörsG); b. Wertpapiere dürfen nach § 32 BörsG i.d.F. des Finanzmarktrichtlinie-UmsetzungsG (BGBl. 2007, 1330) an der Börse im regulierten Markt nur bei Zulassung oder Einbeziehung gehandelt werden (anders im sog. Freiverkehr = privatrechtlich organisierter „Open Market“). beachte: der frühere „amtliche Handel“ ist abgeschafft c. Wertpapiere sind nach § 2 I Nr. 1 WpHG u.a. Aktien (ohne Rücksicht auf Verbriefung).

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§ 11 börsennotierte AG und Kapitalmarktrecht (WpHG). WpHG = Wertpapierhandelsgesetz von 1998 (teilweise in dtv-GesR ) Begriff der börsennotierten AG: § 3 II AktG 1. Wann handelt es sich um börsennotierte AG? - PowerPoint PPT Presentation

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§ 11 börsennotierte AG und Kapitalmarktrecht (WpHG)

WpHG = Wertpapierhandelsgesetz von 1998 (teilweise in dtv-GesR)

I. Begriff der börsennotierten AG: § 3 II AktG

1. Wann handelt es sich um börsennotierte AG?

a. Börsen sind teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts; Börsenträger sind Kapitalgesellschaften, die insoweit „beliehen“ sind (§§ 2, 5 BörsG);

b. Wertpapiere dürfen nach § 32 BörsG i.d.F. des Finanzmarktrichtlinie-UmsetzungsG (BGBl. 2007, 1330) an der Börse im regulierten Markt nur bei Zulassung oder Einbeziehung gehandelt werden (anders im sog. Freiverkehr = privatrechtlich organisierter „Open Market“).

beachte: der frühere „amtliche Handel“ ist abgeschafft c. Wertpapiere sind nach § 2 I Nr. 1 WpHG u.a. Aktien (ohne Rücksicht auf Verbriefung).

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II. Spezielle Vorschriften des AktG für börsennotierte AG1. Corporate Governance a. Erklärung zum Corporate Governance-Kodex § 161

„Governance“ entspricht Unternehmensführung i.w.S. (aus anglo-amerikanischem Rechtskreis)Kodex ≠ Rechtsnorm, sondern mögliche und empfohlene Standards für „Führung“einer AG durch Vorstand, AufsR und HV; erarbeitet durch RegierungskommissionErklärung schafft Transparenz und Vertrauenderzeit in der Fassung vom 26. 5. 2010

b. Konsequenzen der Nichtbeachtung der Erklärungspflicht (→ Handelsregisterzwang) bzw. des Erklärungsinhalts → Haftung!

Konkretisierung der §§ 93, 116→ K. Schmidt S. 767 f.

c. Problem Kodex ohne Rechtsgrundlage, zu verfassungsrechtlicher Problematik s. Seidel, NZG, 2004, 1095; Spindler, NZG 2011, 1007: faktischer Zwang (96 % aller Empfehlungen werden durch die in DAX-notierten Gesellschaften umgesetzt)

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I. Begriff der börsennotierten AG: § 3 II AktG:Börsennotiert im Sinne dieses Gesetzes sind Gesellschaften, deren Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist.

Anknüpfungspunkt für Sonderregeln im AktG

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II. Spezielle Vorschriften des AktG für börsennotierte AG

2. weitere spezielle Regeln für börsennotierte AG

a. keine Höchststimmrechte § 134 I 2b. besondere Meldepflichten (statt §§ 20, 21 AktG gilt 21 WpHG)c. Strafverschärfung bei Geheimnisverrat § 404 I 1

III. Überlagerung des Aktienrechts durch das Kapitalmarktrecht1. Grundsatz Kapitalmarktrecht übernimmt für börsennotierte Gesellschaften zunehmend Funktionen des Gesellschaftsrechts zum Schutz der Anleger - Aktionäre. Tendenz, die Verantwortlichkeit der AG und ihrer Organträger insbesondere auch gegenüber Außenstehenden zu verschärfen.

Stand 17. 1. 1012

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III. Überlagerung des Aktienrechts durch das Kapitalmarktrecht

2. Man unterscheidet im Hinblick auf die Aktionärsstellung auf dem Kapitalmarkt:

Marktzugang:Prospekthaftung

Marktverhalten der börsennotierten AGInsiderrecht

Verbot von MarktmanipulationMitteilungen im Hinblick auf Änderungen der Stimmrechte

MarktaustrittRegelung über Delisting

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IV. Prospekthaftung1. Prospektpflicht nach § 3 III Wertpapierprospektgesetz (WpPG) bei Antrag auf Zulassung zur Börsenhandel (organisierter Markt)

Prüfung durch die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen) gemäß § 13 I WpPG)danach Hinterlegung und VeröffentlichungZulassung ist vom Emittenten zusammen mit einem Kreditinstitut zu beantragen (§ 32 BörsG)

2. Haftung nach § 44 BörsG: Voraussetzungenwesentliche Angaben im Prospekt unrichtig oder unvollständigProspektverantwortlicher (weit interpretiert)Erwerbsgeschäft (betr. Aktie) binnen 6 Monate nach BörseneinführungVerschulden und Kausalität (§ 45 BörsG)

Folge: Anspruch auf Übernahme gegen Erstattung der Kosten.

(bei nicht an der Börse zugelassenen Aktien eventuell (bei Prospektpflicht nach § 3 I 1 WpPG: öffentliches Angebot im Inland, z.B. Freiverkehr) Haftung für fehlerhaften oder fehlenden Prospekt über §§ 13, 13a VerkaufsprospektG, - – anstehende Rechtsänderung!! - der auf § 44 BörsG verweist)ExkursAm „grauen“ Kapitalmarkt (Handel mit Anteilen an Personenhandelsgesellschaften, vor allem an Publikums-KG, sog. geschlossene Fonds) bislang Regelung bzw. Haftung durch richterliche Rechtsfortbildung (sog. zivilrechtliche Prospekthaftung) besteht heute bei „öffentlichem Angebot“ auch eine Haftung nach den §§ 13, 13a VerkaufsprospektG (s.o.), die auf § 44 BörsG verweisen) RegE VermAnlG will Schutz verstärken

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V. InsiderrechtZweck: Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes; bloßer Schutzreflex für Aktionär

1. verbotenes Insider-Handeln §§12 ff. WertpapierhandelsG (WpHG) börsennotierte Aktie (auch Aktie im Freiverkehr) ist Insiderpapier (§§ 2 I Nr.1, II b, 12 WpHG) Insiderinformation betrifft nicht öffentlich bekannte Umstände Verbot nach § 14 WpHG betrifft: Mitteilung, Erwerb oder Veräußerung von I-Papieren unter Verwendung von I-Informationen

Zur Absicherung: Mitteilung von Geschäften von Führungskräften und Insiderverzeichnis nach §§ 15 a, b WpHG,

Problem: mehrstufige Entscheidungsprozesse! Fahrer, Reinigungsdienst!

§ 14 WpHG ist strafbewehrt (§ 38 WpHG) bezweckt aber keinen Individualschutz und ist kein Verbots- und kein Schutzgesetz!!

Vgl. näher dazu Buck-Heeb § 6

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V. Insiderrecht2. Pflicht zu ad hoc-Mitteilungen § 15 WpHG

Inländischer Emittent von Aktien muss Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen;

Befreiung möglich bei berechtigten Interessen, so lange keine Irreführung der Öffentlichkeit droht. Absicherung durch Erstreckung auf Dritte und Information von Börse und BaFin.

3. Haftung des Emittenten (AG selbst!!) gemäß §§ 37 b und c WpHG auf Schadenersatz (Kursdifferenz) wegen unterlassener oder nicht unverzüglicher Veröffentlichung von Insider-Informationen oder vonunwahren InsiderinformationenVoraussetzung Kausalität (Problem!!) und Verschuldenvgl. zuletzt BGH v. 13. 12. 2011 (Pressemittelung des BGH Nr. 196/2011)

§ 15 VI WpHG: kein Schutzgesetz, daher keine Inanspruchnahme von Organträgern (allerdings ist Innenregress der AG zwingend möglich); allenfalls § 823 II BGB in Verbindung mit strafrechtlicher Norm oder § 826 BGB: vgl. hierzu

BGHZ 160, 134- Infomatec IBGHZ 160, 149- Infomatec IIBGH NJW 2005, 2450- EM.TVProblem: Kausalität

Freilich: §§ 57, 71 AktG stehen einem Schadenersatz nicht entgegen (BGH NJW 2005, 2450 Rn. 18 - EM.TV)Aktuell: Ad-hoc-Informations-Missbräuche in großem Umfang (so FAZ v.14. 11. 2011, S. 12)!!

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VI. Verbot der Marktmanipulation § 20 a WpHG

Verbot mit breitem Adressatenkreis, überschneidet sich mit unzulässigem Insider-Verhalten und Ad-hoc-Mitteilungen (s.o.); betrifft börsennotierte Aktien und solche im Freiverkehr.bußgeldbewehrt, aber kein Individualschutz über § 823 II BGB.

Aktuell: im Freiverkehr kommt es in großem Umfang zu Marktmanipulationen! So Äußerung der Deutschen Börse vom 13. 1. 2012 laut FAZ vom 14. 1. 2012 S. 20.

EU-Kommission prüft Verschärfung der Vorschriften (FAZ v. 16. 11. 2011, S. 21)

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VII. Mitteilungen im Hinblick auf Änderungen der Stimmrechte (§§ 21 ff. WpHG)

Bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten folgender Stimmanteilsrechte, wobei Zurechnungen erfolgen: 3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 %, 75%Ist dies u.a. der Gesellschaft und der BaFin binnen 4 Tagen anzuzeigen.

Zweck: Transparenzgebot im Hinblick auf Kursentwicklung der Aktie und zur Vermeidung von Insidermissbrauch, „Anschleichen“ (!)

betrifft nur Aktien, die an einem „organisierten Markt“ zugelassen sind (§ 21 II WpHG), d.h. börsennotierte Aktien.

Rechtsfolgen bei Verstößen vor allem zeitweiliger Rechtsverlust; Verlust des Gewinnanspruchs aber nur bei Vorsatz (§ 28 WpHG)str., ob Schutzgesetz i.S. von § 823 II BGB

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VIII. Delisting, § 39 II BörsG

Gesellschaftsrechtlich bedarf der Vorstand der Ermächtigung durch die Hauptversammlung und eines Pflichtangebots auf Übernahme der Aktien BGHZ 153, 47 Rn. 22 ff. - Macrotron

Begründung: bei börsennotierter AG wird durch Delisting die Verkehrsfähigkeit der Aktie eingeschränkt, und diese ist Teil der Eigentumsgarantie.

Der Schutz dieses Vermögenswertes ist Aufgabe der Hauptversammlung (Rn. 25).Adäquater Schutz des Aktionärs erfordert Pflichtangebot der Gesellschaft oder ihres

Großaktionärs (Rn.31).Entsprechend den Anforderungen des BVerfG muss dieses gerichtlich überprüfbar sein (Rn. 32). Anfechtungsklage nicht sinnvoll, statt dessen Analogie zum SpruchverfahrensG (Rn. 33).

aber: BVerfG prüft derzeit Verfassungsbeschwerde , ob diese Judikatur gerechtfertigt ist und äußert Zweifel, so FAZ v. 10. (11.?) 1. 2012