§ 3 Lauterkeitsrecht als Verbraucherschutzrecht

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§ 3 Lauterkeitsrecht als Verbraucherschutzrecht

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§ 3 Lauterkeitsrecht als Verbraucherschutzrecht. Überblick über § 3. I. Einführungsfall (Millionenchance) II. geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern nach dem UWG III. RL 2005/29/EG („UGP“-Richtlinie) IV. „gespaltene Auslegung“?. I . Einführungsfall (Millionenchance). Sachverhalt: - PowerPoint PPT Presentation

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§ 3 Lauterkeitsrecht als Verbraucherschutzrecht

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Überblick über § 3

I. Einführungsfall (Millionenchance)

II. geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern nach dem UWG

III. RL 2005/29/EG („UGP“-Richtlinie)

IV. „gespaltene Auslegung“?

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I. Einführungsfall (Millionenchance)

1. Sachverhalt:

Die bundesweit tätige Einzelhandelskette EH (Plus) praktiziert 2004 folgende Werbeaktion, auf die sie mit Plakaten und Handzetteln hinweist: Die Kunden erhalten beim Einkauf für je 5 Euro eine Klebemarke mit einem Bonuspunkt. Beim Aufkleben von 20 Bonuspunkten auf eine vorgedruckte und in den Läden ausliegende Karte sowie Ankreuzen entsprechender auf der Karte vorgedruckter Lottozahlen können sich die Kunden an einer Ausspielung des Deutschen Lottoblocks beteiligen. Der Gewerbeverband V hält dies für lauterkeitsrechtlich unzulässig. Plus kontert, die Aktion sei nach Europarecht zulässig, weil der RL 2005/29/EG derartiges nicht verbiete und diese Richtlinie auf eine Vollharmonisierung angelegt sei.

(nach BGH WRP 2008, 1175 - Millionenchance)

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2. Lösungsskizze: ist Aktion wettbewerbsrechtlich zulässig?

a. Rechtslage nach UWG:

Es geht um geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern, und insoweit bestehen Sondervorschriften, mit deren Prüfung man beginnt

Unzulässigkeit nach § 3 III UWG?Anhang? nicht aufgeführt!

Unzulässigkeit nach § 3 I (i.V. mit § 4) UWG?geschäftliche Handlung? s. § 2 Nr. 1 UWGUnlauterkeit? s. § 4 Nr. 6 +

gegenüber Verbrauchern? §§ 2 II UWG, § 13 BGB Eignung zur Beeinträchtigung ...? +spürbar? +

Unzulässigkeit nach § 3 II UWG? als Generalklausel weniger konkret!

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b. Einwand aus RL 2005/29/EG?

Anwendungsbereich Art. 3 RL: Unternehmen/Verbraucher (Art. 2)Funktion einer RL Art. (249 III EGV) 288 AEUVrichtlinienkonforme Auslegung?

RL verbietet insbesondere irreführende und aggressive Geschäftspraktiken (Art. 5 ff.) – Tatbestand liegt nicht vor!

Anhänge der RL enthalten kein Verbot der Koppelung von Gewinnspiel und Kauf

sollen strengere nationale Verbote ausgeschlossen sein? ist also Vollharmonisierung gemeint? Erwägungsgründe, insbes. Nr. 11-13Zwischenergebnis: Zulässigkeit der Aktion

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(Fortsetzung)

Auslegung und Wortlaut des § 3 Nr. 6 UWGrichtlinienkonforme Auslegung zulässig?

zweifelhaftArt. 19: Umsetzungsfrist abgelaufen; MS "wenden

RL an"Gesetzgeber wollte mit UWG RL umsetzenGesetzgeber wollte einen mit der RL übereinstimmenden Inhalt des UWG:

Argument für Zulässigkeit der Aktion!

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Dazu EuGH v. 14. 1. 2010, WRP 2010, 232 – Plus (auf Vorlage des BGH) :

Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken)

ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der Geschäftspraktiken, bei denen die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls grundsätzlich unzulässig sind.

… und BGH v. 5. 6. 2008, WRP 2008, 1175 – Millionenchance I;

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BGH v. 5. 10. 2010, WRP 2011, 557 - Millionenchance II/III.

Es geht um die abschließende Entscheidung des BGH im Anschluss an die EuGH-Entscheidung:

Da die Koppelung nicht unter die Art. 6-9 der RL zu subsumieren war und der EuGH zu Art. 5 Abs. 2 sagt, dass die Koppelung beruflicher Sorgfalt nicht widerspricht, ließ sich Verbot nicht aufrecht erhalten.

§ 4 Nr. 6 UWG ist daher künftig richtlinienkonform dahin gehend auszulegen, dass die Norm unter dem Vorbehalt einer unlauteren Geschäftspraxis i.S. der RL steht. Die Koppelung könnte also nur in Einzelfällen aufgrund der konkreten Umstände unlauter sein – hier nicht!

europarechtliche Einschränkung von § 4 Nr. 6 UWGVgl. neuerdings noch EuGH v. 9. 11. 2010, WRP 2011, 45 – Mediaprint: Koppelung eines Gewinnspiels an den Erwerb einer Zeitung widerspricht nicht beruflicher Sorgfalt!

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II. geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern nach dem UWGEs gelten neben § 3 I und 7 UWG zusätzlich:

1. Verbot nach § 3 III UWG in Verbindung mit Anlage UWG (Schwarze Liste) Verbraucher s. § 2 II UWG i.V. mit § 13 BGBGeschäftliche Handlung s. § 2 I Nr. 1 UWG

Praktische Bedeutung eher gering, da von den Gerichten restriktiv ausgelegt (vgl. Scherer, WRP 2011, 393)? aber z.B.

Versehentliche Zusendung unbestellter Ware nach Nr. 29: BGH WRP 2012, 198 – Auftragsbestätigung +Aufklärung hinsichtlich Nr. 5: BGH WRP 2011, 459 (Rn. 21) – Irische Butter+als Information getarnte Werbung Nr. 11: BGH WRP 2011, 210 - Flappe-Zwei Euro für eine Eins nach Nr. 28: BGH v. 3. 4. 2014 –

Weitere OLG-Entsch. zu Nr. 2, 4, 5, 11, 14, 15, 17, 21, 29.

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Es gelten neben § 3 I und 7 UWG zusätzlich:

2. verschärfte Generalklausel § 3 II UWG, eventuell in Verbindung mit Konkretisierungen (z.B. § 5 a II UWG)

3. verschärfte Irreführungstatbestände § 5 a III-IV UWG

zu Abs. 3 z.B.Typenbezeichnung von Elektrogerät bei Werbung nicht

angegeben, so BGH v. 19. 2. 2014 +Rechtsform nicht angegeben, BGH WRP 2013, 1459 +bei Einsatz Suchmaschine Versandkosten bei Froogle II

nicht angegeben, so BGH v. 18. 3. 2010 - juris –WRP 2010, 1498+

zu Abs. 4 z.B. Informationspflichten nach BGB: OLG Hamburg 14. 5. 2010 +

Praktische Vorgehensweise: erst Schwarze Liste prüfen, dann §§ 3 I, 7 UWG, erst am Schluss §§ 3 II, 5 a II-IV UWG.

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III. RL 2005/29/EG („UGP“-Richtlinie)

1. Zweck, Definitionen und Anwendungsbereich (Art. 1-3) 2. Vollharmonisierung a. Art. 4 (Binnenmarkt) b. Art. 19 (Umsetzung)c. Erläuterungsgrund 6, 11-13 3. Unlautere Geschäftspraktiken (Art. 5 ff.)a. irreführendb. aggressiv 4. Anhang I

Praktische Bedeutung: richtlinienkonforme Auslegung! Insbesondere sind neben dem UWG die Art. 5-9 UGP-RL stets zu prüfen; ggf.

Vorlage an den EuGH!

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IV: „gespaltene Auslegung“ ?

Offenes Problem!

z.B.: an Kaufakt oder werbliche Herausstellung der Ware geknüpfte Preisausschreiben gegenüber Unternehmen

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Verständnisfragen zu § 3 der Vorlesung

1. a. Um welche Richtlinien geht es primär bei der richtlinienkonformen Auslegung des UWG und b. welche Rolle spielen die Richtlinien dabei?

2. Welche Bedeutung hat Anhang I der UGP-RL für die Schwarze Liste des UWG und des UWG im Übrigen?

3 . Wie baut man die lauterkeitsrechtliche Prüfung bei Verbrauchertatbeständen auf?

4. Ist eine richtlinienkonforme „Auslegung“ contra legem möglich?

5. Was versteht man unter a. „Verbraucher“, was unter b. „Verbraucherleitbild“

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Verständnisfragen zu § 3 der Vorlesung (Hinweise!)

1. a. Um welche Richtlinien geht es primär bei der richtlinienkonformen Auslegung des UWG und b. welche Rolle spielen die Richtlinien dabei?(a) RL 2006/114/EG betr. vergleichende Werbung, RL 2005/29/EG (UGP-RL) betr. Verbraucher, weniger bedeutsam RL 200/31/EG betr. e-commerce und RL 2002/58/EG betr. Datenschutz(b) Vollharmonisierung für Verbraucherschutz

2. Welche Bedeutung hat Anhang I der UGP-RL für die Schwarze Liste des UWG und des UWG im Übrigen?Richtlinienkonforme Auslegung bzw. Rechtsfortbildung

3 . Wie baut man die lauterkeitsrechtliche Prüfung bei Verbrauchertatbeständen auf? Zunächst Schwarze Liste, dann konkrete Verbotstatbestände, dann Generalklauseln, dann UGP-RL

4. Ist eine richtlinienkonforme „Auslegung“ contra legem möglich? Ja, da der Gesetzgeber sich mutmaßlich geirrt hatte und keinen Konflikt mit EU-Recht wollte

5. Was versteht man unter a. „Verbraucher“, was unter b. „Verbraucherleitbild“ (a) § 2 II UWG (b) (die Entwicklung ging vom besonders schutzbedürftigen zum) durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher,der aber eventuell wieder besonderen Schutz braucht (!!); vgl. § 3 II UWG, Art. 5

UGP- RL