# 9 September/Oktober/November 2017 Linz...

40
DIE REFERENTIN 2,– Euro/2,– Giblinge September/Oktober/November 2017 Linz # 9 Kunst und kulturelle Nahversorgung Über Memphis in Linz berichtet Ingo Leindecker +++ Turnton, Time’s Up und das gute Dys- topia als Ausstellung im Lentos +++ Katar, Fata Morgana und verdrehte Verhältnisse im Salz- amt +++ Andrea Lehmann über die Landespreisträgerin Terri Frühling +++ Schnee am Ende des Sommers: Sonja Meller porträtiert von Lisa Spalt +++ Die Referentin #9: klimatisch einwandfrei +++ Österreich im Wahljahr 2017: Es fröstelt der Ständestaat

Transcript of # 9 September/Oktober/November 2017 Linz...

Page 1: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

DIE REFERENTIN2,– Euro/2,– GiblingeSeptember/Oktober/November 2017 Linz# 9

Kunst und kulturelle Nahversorgung

ÜberMemphis in Linz berichtet Ingo Leindecker +++ Turnton, Time’s Up und das gute Dys -topia als Ausstellung im Lentos +++ Katar, Fata Morgana und verdrehte Verhältnisse im Salz-amt +++ Andrea Lehmann über die Landespreisträgerin Terri Frühling +++ Schnee am Endedes Sommers: Sonja Meller porträtiert von Lisa Spalt +++ Die Referentin #9: klimatischeinwandfrei +++ Österreich im Wahljahr 2017: Es fröstelt der Ständestaat

Page 2: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

2 DIE REFERENTIN

In gewisser Weise geht’s in der Referentin #9 sehr geografisch zu:Über Memphis in Linz berichtet Ingo Leindecker, und damit über eineInitiative, die seit ihrem Initialstart 2009 ihren künstlerischen Blickebenso in Linz sowie weit über die Linzer Stadtgrenzen schweifenlässt. Fast ein Must ist der Bericht über Time’s Up und ihre Lentos-Präsentation von Turnton, einer fiktiven Hafenstadt irgendwo in Eu-ropa – und für alle, die es noch immer nicht gehört haben: Time’s Upfeiern heuer ihr 20jähriges Jubiläum. Time’s Up haben der Referentineinen Text zur Verfügung gestellt. Eine besondere Freude ist es uns,wenn uns im Zuge unserer Arbeit immer wieder besonders bewusstwird, wie viele großartige Kunstschaffende und Künstlerinnen hier ar-beiten – deren Arbeit aber leider öffentlich relativ unbeachtet bleibt:In diesem Sinn begeben wir uns in die Terrae Incognitae von TerriFrühling und Sonja Meller – die natürlich so unbekannt gar nichtsind, eher angenehm spektakelfrei und von konstant hoher Qualitätmöchte man sagen. So hat Lisa Spalt über Sonja Meller einen erhel-lenden Text geschrieben, und mit kennerinnenhaften Kolleginnen-blick hat sich Andrea Lehmann dem Werk Frühlings gewidmet. Vonbeiden sind im Herbst Arbeiten zu sehen. Und dass Terri Frühling mitihrer Kollegin Elke Punkt Fleisch regelmäßig „Die kleine Referentin“,also die immer wieder gelobte Kinderseite der Referentin, gestaltet,dürfte unseren LeserInnen mittlerweile bekannt sein. Ein letzter, hieran dieser Stelle hervorgehobener Inhalt soll einem nicht nur geografi-schen, sondern in gewissem Sinn auch klimatischen Aspekt gewidmetsein: So ist in dieser Referentin nicht nur von Clemens Bauders und

Editorial

KUNST UND KULTURDas vergangene Leuchten Die Referentin 3Memphis in Linz Ingo Leindecker 4Turnton und die utopische Dystopie Time’s Up 7Der Schluss muss wie ein Hammer fallen Silvana Steinbacher 12Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt 14Terri Frühling Andrea Lehmann 18Traun ist auch schön Theresa Luise Gindlstrasser 20Searching for a Fata Morgana Tanja Brandmayr 22Zeigen, was der Animationsfilm kann Michaela Schoissengeier 26

KOLUMNEVom gesehen werden und zählen lassen. Wiltrud Hackl 11The Town and the City-Wohn- und Schlafzimmer. Marion Bembe 29„Mit Eierstock und Herz gegen Kommerz“ Andrea Winter 30Gastrojammern. The Slow Dude 31

Inhalt

www.diereferentin.atversorgerin.stwst.at

Die Referentin kommt gratis mit der Versorgerin ins Haus. Einfach ein Mail mit Namen und Adresse schicken an: [email protected] oder [email protected]

DIE REFERENTINKunst und kulturelle Nahversorgung

BLICK AUF LINZStadtblick 25Öffentlicher Raum 28

RUBRIKKunst sagt … 28Literatur sagt … 29

MOBILITÄTOrt und Werkzeug Johannes Staudinger 32

TIPPSDas Professionelle Publikum 34

KINDERDie kleine Referentin Terri Frühling/Elke Punkt Fleisch 40

Rachel Leah Cohns künstlerischem Wüstentripp „Searching for AFata Morgana“ in Katar zu lesen, sondern – hier der kühne Sprungzurück nach Linz – was deren Präsentationsraum Salzamt anbelangt,scheint es echt an der Zeit, dass hier positiv entschieden wird: SeitensSalzamt wurden alle geforderten Aufgaben erledigt! Bleibt uns nur, an dieser Stelle die übliche Empfehlung auszusprechen:Mögen die Leserinnen, die Leser selbst im Heft navigieren. Allerdingsgilt hier eine letzte, kleine Empfehlung unseren Kolumnen, speziellunserem Gastro-Slow Dude. Suhlt er sich durchaus auch des Öfterenin seinen Genüssen und Lobeshymnen an die hiesige Gastronomie,hat er dieses Mal wieder seine bewährte Anti-I-Like-Keule ausge-packt.Am Ende, was immer wieder gesagt werden muss: Wir plädieren füreine offene Gesellschaft, eine freie Kunst und für eine Förderpolitik,die diesen Namen verdient – gerade für die Vereine und Initiativen,die hier die Kunst und Kultur vorantreiben, lange bevor sie im kultu-rellen Mainstream ankommen. Und, was wir auch noch gerne ma-chen, und das durchaus in diesem Sinn: Wir bedanken uns – anläss-lich seines baldigen Amtsrücktritts als Finanzreferent und Vizebürger-meister – bei Christian Forsterleitner, einen der Besten, den die Stadt-politik je hatte.

Die Referentinnen-Redaktion, Tanja Brandmayr und Olivia Schütz" www.diereferentin.at

Page 3: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

3DIE REFERENTIN

Foto Norbert Artner

„Erinnerungen verblassen mit der Zeit, manchen hängen wir nach, andere wollen wir verdrängen“ hieß es imAnkündigungstext zu Astrid Benzers Arbeit „Was war …“, die beim Festival der Regionen in Marchtrenk ge-zeigt wurde. Und weiter: „Die Installation will alte Familienfotos und die dazugehörigen Familiengeschichtensichtbar machen. Sie will eintauchen in die Geschichte der Stadt und die Geschichten ihrer BewohnerInnen.“Ein Kurzreview.

Das vergangene Leuchten

Text Die Referentin

Die in einer Halle gezeigte Arbeit „Waswar …“ schien immer wieder Menschenund ganze Menschengruppen in ihrendunklen Bann zu ziehen, die zwischen denBildflächen herumgingen, lasen, schautenund scheinbar zu langen, langen Gesprä-chen über persönliche wie gemeinsameGeschichte angeregt wurden. Die Taktung zwischen düsterer Helligkeit,Flackern und plötzlicher Dunkelheit ergabsich durch fotografisch/fototechnischeNotwendigkeit. Das Leuchten der fluores-zierenden Bildsujets, die Dunkelheit, dannwieder das kurze Lesen in den Zwischen-phasen, bildete eindringlich wie leicht ein

Szenario, das vielleicht sogar eine symbo-lische Taktung des Lebens und seiner Zeit-rhythmen schlechthin symbolisierte: Ver-gangenheit, Historie, Erkenntnis, Verdräng-tes, Erinnertes, Persönliches, Tag, Nacht,schöne Tage, besondere Ereignisse, Traum,Trauma, Unbewusstes, Ungewusstes.

Die Referentin hat bei FdR-Besucherinnennachgefragt: Neben anderen beeindru-ckenden Arbeiten des FdR wurde „Waswar …“ von vielen als besonderes Projektbezeichnet. Speziell hinsichtlich der Ver-gangenheit Marchtrenks als Ort des Krie-ges und der Flucht, der schon wie früher,

durch zwei Weltkriege bedingt, nun neu-erlich Ort des Ankommens für vom KriegGeflüchtete geworden ist. Oder auch,durch persönliche Bilder von Marchtren-ker Familien, eines Aufleuchtens von bei-spielhaften Erinnerungspunkten – amWeltgeschehen hängt Familiengeschichteund vice versa. Ein einnehmendes künstle-risches Statement, das Erinnerungschlechthin thematisiert: Zu den gezeigtenBildern gesellen sich weitere Erinnerungenvon BesucherInnen dazu, es entstehen zu-sätzliche Bilder, so ein Besucher. n

Videodoku: " vimeo.com/228003866

Page 4: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

4 DIE REFERENTIN

Foto Die Referentin

Memphis in LinzWas uns die Existenz des Kunstraums Memphis über die Bedingungen dauerhaften, künstlerischen Schaffensin Linz verrät. Ein Portrait über die Geschichte des Projekts und die beiden Künstler Jakob Dietrich und KaiMaier-Rothe, die an der Unteren Donaulände den Offspace betreiben.

Page 5: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

5DIE REFERENTIN

Text Ingo Leindecker

Vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit2009 machte sich eine Gruppe von Kunst -uniabsolventInnen unter maßgeblicherMitarbeit von Jakob Dietrich auf die Su-che nach Leerständen.Ursprünglich entstand die Initiative, diesich den Namen „Nomadenetappe“ gab,aus einem konkreten Bedarf an Arbeits-plätzen und Ateliers, woraus sich bei der

Suche nach Räumlichkeiten die Vorgabeeiner mindestens zweijährigen Nutzungableitete.Das Kernteam bestand dabei zeitweise ausbis zu zwölf Personen und durch die zahl-reichen Aktivitäten waren in Folge eineVielzahl weiterer lokaler wie internationa-ler AkteurInnen daran beteiligt.Die ehemalige KFZ-Werkstätte Niessl-müller zwischen Dametz- und Marienstra-ße diente alsbald zwei Jahre lang als ersterOrt der künstlerischen Bespielung im(halb)öffentlichen Raum. Der Innenhofmit angrenzenden Garagenräumen schufgleichzeitig einen charmanten sozialenTreffpunkt. Mit dem Anspruch ein „LittleBerlin“ zu schaffen setzte man zumindestzwischenzeitlich den Gentrifizierungsakti-vitäten in diesem Viertel ein lebendigesund weithin sicht- bzw. hörbares Kunst-schaffen entgegen. Nachdem das Gebäudeeinem Wohn- und Geschäftskomplex wei-chen musste, übersiedelte man zunächst indie vergleichsweise kleinen Räumlichkei-ten in der Unteren Donaulände. Für dienächste Etappe schielte man auf die ehe-malige Tabakfabrik. Noch bevor sie zumCreative-Industry-Standort umgebautwurde, beteiligte man sich aktiv an denDiskussionen zur Revitalisierung und denMöglichkeiten einer künstlerischen Nut-zung. Letztlich ist die Stadt der Gruppenicht entgegengekommen und hat damiteine weitere Chance, künstlerisches Schaf-fen in Linz zu erleichtern und Leute hierzu halten, vergeben.Daneben war bei vielen der Beteiligten derakute Bedarf an Arbeitsräumen von grö-ßerer Notwendigkeit, als die Ressourcenin die weitere Suche und dauerhafte Be-spielung von Leerständen zu investieren.Auch aus diesem Grund verließ ein Teilder Gruppe sukzessive Linz, was schließ-lich zu ihrer Auflösung führte. Dietrichund Maier-Rothe ließen nicht ab und ha-ben sich im Anschluss mit der Gründungvon Memphis institutionalisiert.

Niederlassung MemphisSeither macht sich im Linzer Kunstlebendie Initiative mit vielfältigen künstleri-schen Formaten bemerkbar. Inspiriert istder Name vom Off-Space „Beirut“ in Kai-ro, den Maier-Rothes Bruder dort vor ei-nigen Jahren eröffnete. Die Idee, demRaum den Namen einer anderen, in hiesi-

gen Gefilden weitgehend unbekannten,Stadt zu geben, der mehr- bzw. uneindeu-tig belegt ist und sich bewusst einer Defi-nition entzieht, erschien den beidenKünstlern reizvoll. So wollte man sich be-wusst als Freiraum und offene Infrastruk-tur gegenüber bestehenden Galerieansät-zen abgrenzen. Man streicht damit aberüberdies den internationalen Charakterdes Projekts hervor, denn internationaleKooperationen und multilateraler künst-lerischer Austausch sind selbstverständ-licher Bestandteil der kuratorischen Pra-xis.

Das Jahresprogramm gliedert sich in meh-rere Schienen und wird in Form von Duo-und Gruppenausstellungen, Konzertrei-hen, Performances und Diskussionsveran-staltungen über die Bühne gebracht. Kura-torisch setzt man sich dabei keine Schran-ken: Einen thematischen oder formalenroten Faden gibt es nicht. Eingeladenwird, wer interessant erscheint. Wesentli-che Stoßrichtung ist jedoch der Fokus aufTransdisziplinarität, die Ermöglichungvon Experimenten und die Anknüpfungan künstlerisch-wissenschaftliche bzw.kunsttheoretische Forschungsfelder.

Die Ausstellungsreihe „Parallaxe“ ver-sammelt jeweils zwei künstlerische Posi-tionen – eine lokale und eine internationa-le – zu einem Thema. Dabei finden die Be-teiligten auf unterschiedliche Weise zu-sammen: KünstlerInnen werden entwederbewusst zur Zusammenarbeit aufgefor-dert oder man lässt die zweite Person vonder angefragten selbst aussuchen. Mitun-ter stellt man auch zwei bestehende Arbei-ten bewusst gegenüber. Auf diese Weisebringt die Projektreihe nicht nur Außen-positionen nach Linz, sondern leistet da-mit auch internationale Vernetzungsar-beit. Ein direkter Dialog mit dem Publi-kum wird bei den Eröffnungen möglich.

In regelmäßigen Konzertreihen (momen-tan unter dem Titel „OFFNOFF“) lotenKlangkünstlerInnen und MusikerInnendie Grenzen der Kunstform aus, oft alsTeil ihrer eigenen künstlerisch-wissen-schaftlichen Forschung.

Über den „Galeriealltag“ hinaus entwi-ckeln Dietrich und Maier-Rothe überdies

Page 6: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

6 DIE REFERENTIN

gemeinsam Projekte, meist in Zusammen-arbeit mit internationalen Offspaces oderetablierten Einrichtungen, wie etwa demMuseum für zeitgenössische Kunst Marcoin Vigo/Galizien. Jüngst veranstaltete manwährend der Athen Biennale die perfor-mative Stadtrundfahrt „KlassenfahrtAthen“ gemeinsam mit zwölf beteiligtenPersonen, darunter auch eine Dramatur-gin und eine Ethnologin.

Kunstschaffen zu zweitAuch wenn Maier-Rothe erst nach demEnde der Nomadenetappe in die Grün-dung von Memphis einstieg, verbindetDietrich und ihn eine langjährige künstle-rische Zusammenarbeit, bei dem das The-ma „Leerstand“ stets ein zentrales Themawar.

Mit gemeinsamen Soundarbeiten wurdenRäume oder ganze Gebäude „vertont“.Im Mittelpunkt standen dabei sowohl dieEigenakustik dieser Räume als auch ihreVerortung in der Stadt. Die akustischenInterventionen in diesen „Nicht-Orten“führten so zur Umdeutung und Neudefini-tion ihrer ehemaligen Funktion und Deno-tation. Die Wahl der leerstehenden Räum-lichkeiten orientierte sich dabei an ihrerurbanen Entortung: Es sollten vor allemjene Räume zum „Sprechen“ gebrachtwerden, die sich dem umgebenden städti-schen Kontext entziehen oder ihm entzo-gen wurden. Das reichte von der Bespie-lung von Industrieanlagen bis hin zu his-torisch aufgeladenen Bauten. Dokumenta-risch materialisiert wurden die Soundpro-duktionen wiederum in Form von Vinyl -editionen.

Auf Grundlage dieser temporären Inter-ventionen entwickelten die beiden einkünstlerisches Format, das sie währendzahlreicher Auslandsaufenthalte auf diejeweiligen örtlichen Gegebenheiten undArchitekturen adaptierten, so etwa in Chi-na, Indonesien oder aber auch in den vor-mals geschlossenen Tabakwerken in Linz.Dabei verstehen die beiden ihre Eingriffeebenso als Teil einer explorativen künstle-rischen Praxis, mit der sie fremde Städteund Stadtgefüge für sich (neu) entdecken.

Auch das gemeinsame Diplom an derKunstuniversität Linz hatte den akusti-

schen Raum der Stadt zum Thema: DieSoundinstallation „Reflector“ verstärkteUmgebungsgeräusche im Innenraum undrichtete sie mittels einer verspiegeltenGlasfläche, die als Membran fungierte,wieder nach außen.

Wenngleich Dietrich und Maier-Rothe einlanges, gemeinsames künstlerisches Schaf-fen verbindet, trennen sie ihre Solo- bzw.Duoarbeiten strikt vom Betrieb des Mem-phis, in dem sie sich selbst mehr in einerkuratorisch-organisatorischen Rolle se-hen.

ProduktionsbedingungenTrotz Jahresförderungen von Stadt, Landund Bund bleibt die Arbeit prekär.Erst die Bundessubvention ermöglichteüberhaupt den regulären Betrieb des ArtSpaces, während die Förderungen vonStadt und Land seit Jahren auf niedrigemNiveau stagnieren. Das Programm kanndaher meist nicht in der geplanten Quan-tität umgesetzt werden.

Auch die starke Konzentration auf künst-lerisches Schaffen in Wien macht es selbstin den „eigenen Reihen“ schwierig, Öf-fentlichkeiten für das eigene Programmvor Ort zu schaffen. Wichtige Multiplika-torInnen, wie etwa Kunstuni-Lehrperso-nal, leben vielfach selbst in Wien und ha-ben daher oft lokale künstlerische Akti-vitäten nicht in jenem Maße im Blickfeld,das man sich wünschen würde.

In Summe schrumpft der Freiraum für ei-gene künstlerische Betätigung daher zuse-hends, was sich nicht zuletzt an den För-derungen der freien Szene durch die StadtLinz ablesen lässt, wo heute derselbe Be-trag wie 2001 ausgeschüttet wird, was ei-ner faktischen Kürzung von über 30%entspricht.Ein Symptom, das sich durch eine älterwerdende Künstlergeneration zieht: Nachzwanzig Jahren prekärer Arbeit von Pro-jekt zu Projekt sind viele freie Kunstschaf-fende erschöpft. Wenn neben Administra-tion, Programmentwicklung und Infras-trukturbetrieb noch Familie und gar selb-ständiges künstlerisches Schaffen möglichsein soll, wird das immer schwieriger. Soist die Institutionalisierung durch Mem-phis letztlich auch der (notwendige) Ver-

such, im künstlerisch-experimentellenFeld dauerhaft arbeiten zu können unddabei auch ein Auskommen zu finden.

Es ist daher wenig überraschend, dass dasVerhältnis zu Linz ambivalent ist: Wäh-rend Maier-Rothe seinen Lebensmittel-punkt ohnehin außerhalb hat, ist Dietrichvor allem wegen seiner Familie hiergeblie-ben. Ob sich also aus dem Offspace lang-fristig mehr entwickelt, ist wohl wesent-lich von den weiteren Bedingungen in derStadt abhängig.

Pläne zur Expansion gibt es: Stündenmehr Mittel zur Verfügung, würde in bes-sere und größere Räume investiert, sodassneben einem vergrößerten Ausstellungsbe-trieb auch Art Residencies finanziert unddurchgeführt werden können.

Aktuell beschäftigt man sich im Rahmendes Researchprojekts „Essay as a state ofmind“ mit dem Essay als Methode künst-lerischer Forschung. Stellt, wie oft be-hauptet, künstlerische Forschung in derBildenden Kunst ein Pendant zum literari-schen Essay dar? Diese und ähnliche Fra-gen werden in Zusammenarbeit mit demKulturwissenschafter Leander Gussmanbehandelt und die Ergebnisse in Form vonAusstellungen, Diskussionsveranstaltun-gen, Filmvorführungen und einer ab-schließenden Publikation im Laufe desnächsten Jahres präsentiert. Kooperiertwird dabei mit verschiedenen Institutio-nen in Linz und Wien. Man darf gespanntsein. n

Ingo Leindecker ist Künstler und Kulturaktivist in

Linz.

MEMPHIS, Untere Donaulände 12, 4020 Linz

Öffnungszeiten: Mo/Di/Do/Fr 13.00–18.00 h

" www.memphismemph.is

Page 7: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

7DIE REFERENTIN

Der fiktive Hamish Dornbirn im Jahr 2047: Algenexperte und Lover von Fenfang Lin. Foto Time’s Up

Wir befinden uns im Jahr 2047 in Turnton, in einer nicht näher definierten, kleinen Küstenstadt irgendwo inEuropa: Time’s Up eröffnen ihre Ausstellung Turnton Docklands Anfang September im Kunstmuseum Lentos.Als Teil des Ars Electronica Festivals sind Time’s Up heuer auch „featured artist“. Die Referentin hat Time’sUp um einen Text gebeten, der im Vorfeld ihre Zugänge des „Future Fabulatings“ und der „Physical Narrati-ves“ veranschaulicht.

Turnton und die utopische Dystopie

Time’s Up bauen ins Unter-geschoss des Lentos Teiledes Hafenviertels der fikti-ven Stadt Turnton. DieBesucher und Besucherin-nen befinden sich beim

Ausstellungsbesuch auf dem Marktplatzdes „Hafengrätzls“. Sie sehen die Hafen-meisterei, repräsentiert als Kulissenwandin Form eines Leuchtturms, samt Regis-trierungsterminal für anlandende Schiffe.

nen. Zum Eintreten lädt Medusas Hafen-kneipe. Diese folgt weniger einer bau-lichen Logik, als dass sie eine Sammlungvon Geschichten, Anekdoten und Infor-mationen präsentiert. Hörspiele und akus-tische Barkulisse verschwimmen, die re-gionale Zeitung, Veranstaltungsposteroder schlicht die Speisekarte orientierenüber Dinge der Zukunft. VerschiedeneAusgänge der Bar führen in verschiedeneIdeen einer möglichen Zukunft.

Sie sehen silhouettenhaft zwischen denHäuserfassaden vertikale Wälder, inzwi-schen eine urbane Normalität. Sie sehenweiter hinten den angedeuteten verseuch-ten, vergifteten und vermüllten Meerzu-gang, jedoch auch die reinigende Algen-zucht. Das Fortbewegungsmittel einerPflanzenbestäuberin steht prominent aufdem Platz. Gleich dahinter das Reisebüro„Travel without Borders“, wo aktuelleReiseangebote eingesehen werden kön-

Page 8: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

8 DIE REFERENTIN

Mit Turnton Docklands konstruieren Time’s Up eine reale Umgebung – eine ku-lissenorientierte Architektur, die teils bau-lich, teils mit Licht- und Tonlandschaftenund teils mit Narrationen Imagination er-zeugt. Was sich inhaltlich wie das Was-ist-was der globalen Problemlagen liest,haben Time’s up mit ihrer AusstellungTurnton Docklands ihrer typischen künst-lerischen Bearbeitung von „Future Fabu-lating“ und „Futuring“ unterzogen – undzu einem neuen „Physical Narrative“, alsoeiner „Verzimmerung“ von Rauminstalla-tion, Erzählung und Zukunft gemacht.Anthropozän is over und auf Rückzug wieeine globale Gletscherlandschaft? Perma-nenter Ausnahmezustand und eine Mi-schung aus Liquid Democracy und Anar-chosyndikalismus? Und in dieser Dysto-pie: Der große Zukunftswunsch nachWohlstand für alle – ist das der neue Lu-xus, quasi wie zum Trotz? Die Referentinhat Time’s Up im Vorfeld der Ausstellunggefragt, wie man sich Turnton Docklandsund die Geschichtsschreibung bis 2047vorstellen kann und den folgenden Texterhalten: Keine Angst vor Utopie und vordem Wunschzettel an die Zukunft.

Text Time’s Up

Zeitlich befinden wir uns im Jahr 2047,geografisch bewegen wir uns im Hafen-viertel einer am Meer gelegenen und nichtweiter lokalisierten, kleinen Stadt namensTurnton. Wir wandeln in einer Zeit, inwelcher die verheerenden Langzeitwir-kungen von Umweltverschmutzung undderen einhergehende Erschütterung desNaturhaushaltes den globalen Alltag do-minieren. Schadstoffbelastungen und Alt-lasten vergiften Böden und Gewässer,ganze Ökosysteme kollabieren, in denOzeanen ist das Leben durch größer wer-dende tote Zonen bedroht. Umweltbe-dingte Gesundheitsschäden sowie Todes-fälle mehren sich bedenklich. Die bis Mit-te der 2020er Jahre politisch immer nurzögerlich bekämpfte globale Erwärmungwütet mit weltweiten Wetterextremenund erheblichen, klimatischen Verände-rungen. Überflutungen, Dürren und Stür-me samt stetigem Anstieg des Meeresspie-gels verunmöglichen die Nutzung vonweitläufigen Landstrichen und Küstenge-bieten.

Die Folgen der rücksichtslosen Eingriffeder Menschheit in über Millionen vonJahren entstandene, ökologische Systemetreiben diese Welt um Turnton des Jahres2047 also ihrem desaströsen Höhepunktentgegen. Was Time's Up diesem Turnton

der ökologischen Dystopie entgegenhält,ist eine gesellschaftliche Utopie. Ausge-hend von der Frage, wie denn Luxus in 30Jahren aussehen könnte, kontern wir dervorhergesagten Öko-Katastrophe mit derFülle von bereits im Hier und Jetzt existie-renden Visionen und Entwürfe, die in dennächsten 30 Jahren einen zivilisatorischenWandel zum Besseren erlauben. Dasheißt, wir wandeln in einer Welt, in derdie Maxime „Wandel war unsere einzigeChance“ nicht nur von einer Fülle kleinerInitiativen und AktivistInnen implemen-tiert wurde, sondern begann, die Massenzu bewegen. Wir erlauben eine Welt, inder das Streben nach Kooperation die

gegenwärtige Gewinn- und Profitsuchtüberflügelte. Eine, in welcher die gepre-digten Glaubenssätze des Neoliberalismusgebändigt und das entfesselte Wachstums-mantra in die Schranken gewiesen wurde,ohne in einen populistischen, nationalenProtektionismus zu münden: Wirtschaft-licher Erfolg erfuhr eine Umdeutung, erhat die faire und ressourcenschonende Be-dürfnisbefriedigung von Mensch und Na-tur im Blick, dient der universell geachte-ten Lebensqualität und dem Gemeinwohl.Eine der Nachhaltigkeit dienende Roh-stoff-, Energie- und Verkehrswende wur-de in die Wege geleitet; Handels-, Produk-tions- und Arbeitsweisen zirkulieren um

Turnton und der neue alte Wohlstand für alle.

Page 9: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

9DIE REFERENTIN

Foto Time’s Up

Maßnahmenkataloge für Klima- und Um-weltverträglichkeit, Menschenrechte, Ver-teilungsgerechtigkeit und Arbeitsstan-dards. Folglich hat auch Migration ihrenSchrecken verloren, inter- und transkonti-nentale Siedlungs- und Reisebewegungenin alle Richtungen wurden zur Norma-lität, sind gut organisiert und Ankommen-de werden als neue NachbarInnen in denGemeinschaften aufgenommen. KulturelleDiversität wird als Kraft erkannt. Sprich,alternative Lösungsansätze, die teils weitins vergangene Jahrhundert zurückrei-chen, jedoch oft noch in den beiden erstenDekaden des 21. Jahrhunderts mehrheit-lich als naiv abgekanzelt wurden, gewan-

nen in diesem Turnton des Jahres 2047die Oberhand.

Zweifelsfrei, alles in dieser Stadt, in die-sem Hafengebiet, in diesem fiktionalenVersuch einer möglichen Zukunft zeigtMut zur Lücke. Turnton kann, darf undsoll nicht das eine fertige, umfänglicheBild einer prognostizierten Zukunft sein.Turnton bündelt und skaliert bereits exis-tierende Propositionen. Es erlaubt sich,Signale, von denen wir gehört und gelesenhaben, mit einer spielerisch injiziertenPortion Fabulation zu kombinieren unddaraus Zukunftsvarianten zu präsentie-ren. Turnton erlaubt sich, den Ängsten zu

widerstehen und Anstöße für eine mögli-che Welt zu bieten, in der wir leben wol-len. Eine, die irgendwann dann tatsächlichdas gute Leben für alle zulässt. Als imSommer 2016 die norwegische Regierungankündigte, dass sie ab 2025 die Neuzu-lassung von Verbrennungs- und Diesel-motoren verbieten würde und nur wenigeMonate später die schwedische Vizepräsi-dentin prophezeite, dass Schweden ab2045 CO2-frei sein würde, glaubte wohlkaum jemand daran, dass diese Verhei-ßungen sowohl zeitlich wesentlich früherals auch geografisch ausgedehnter eintre-ten würden. So war es dann aber in derGeschichte Turntons: Im Jahr 2047 gehö-ren weit über die Region Skandinavienshinaus fossile Brennstoffe der Vergangen-heit an, als dominierende Energiequelle imFahrzeugantrieb, in der Wärme- und Stro-merzeugung. Alternative Energie-, Trans-port- und Handelsindustrie sind einge-führt und akzeptiert. Möglich wurden sol-che Erneuerungen durch flexibel organi-sierte Institutionen, die teils schon 2016existierten, teils aus diesen erwachsen sindund sie ersetzten. So beispielsweise dieüber Dekaden hinweg gewachsene „Gene-ral Authority for Sustainability (GAS)“oder auch die „Global TransparencyAgency (GTA)“. In wechselseitiger Ab-stimmung sind diese beiden Autoritätenzuständig für die Verabschiedung, Koor-dination und Umsetzung weltweit gelten-der Gesetzesgrundlagen, die von elemen-tarer Bedeutung für ein sozial, ökologischund wirtschaftlich verantwortungsvollesund kulturell vielfältiges Gesellschaftssys-tem sind. Lokal aktive Einheiten adaptie-ren die Grundsätze des Regelwerks jeweilsregional flexibel.

Ebenfalls der sozialen Gerechtigkeit undder Umweltschonung dient das dichteNetzwerk autonomer Bildungs- und For-schungsknotenstellen – subsumiert alsZentren für hochentwickelte Technolo-gien (Center for Advanced Technologies –CAT). Laboreinheiten entwickelten Alter-nativenergie-Lösungen, welche die Ener-gie- inklusive Transportwende einläute-ten. Weitere Schwerpunkte der Labor-Netzwerke sind intelligente Lösungen fürdie Beseitigung von Altlasten, die Regene-ration von Artenvielfalt, medizinischebzw. transhumane Forschung oder auchdie Luft- und Wasseraufbereitung. InTurnton selbst ist eines der „NetworkedOceanic Labs“ darauf spezialisiert, Unter-wasserorganismen zu züchten, die in derLage sind, das Mikroplastik im Meer zudezimieren (Microplastic Reduction Lab).Finanziert sind die Netzwerk-Labors un-

Page 10: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

10 DIE REFERENTIN

ter anderem durch die freigewordenenGelder aus direkter und versteckter Sub-vention der fossilen Rohstoffindustrie.

Für die Reinigung des unmittelbar anTurnton angrenzenden Küstenstreifenszeichnet sich der lokale Algenfarmer Ha-mish Dornbirn verantwortlich. Als Pio-nier dieses Sachgebietes dienen seine ver-feinerten Verfahren der „Ocean RecoveryFarm“ inzwischen als Grundlage für ähn-liche Anlagen, die weltweit verseuchteKüstengebiete und offene Ozeanbereicheregenerieren. Er ist es auch, der die Hafen-kneipe Medusa vor Ort mit Ingredienzienfür die angebotenen Snacks und Drinksbeliefert. Verkocht und serviert werdendiese mitunter von der Besitzerin selbst,der ausgebildeten Meeresbiologin FenfangLin. Die Liebesbeziehung der beiden ist inder Umgebung des Hafenviertels bekannt.Die Kneipe selbst ist beliebter Treffpunktfür die Menschen des Handelshafens unddes künstlerisch-kulturellen Milieus. Ma-garet Bloomenfeld, ambitionierte Koordi-natorin des Handelshafens, mit Büro inunmittelbarer Nähe zur Bar, ist oft gese-hene Besucherin wie auch enge Freundinvon Fenfang.

Der hohe gesellschaftliche Stellenwert vonKunst und Kultur wird repräsentiertdurch die „Always Arts- and Culture“-Einrichtungen, die wie alle etablierten In-stitutionen weltumspannend vernetztsind, jedoch in regional-lokaler Autono-mie agieren und dementsprechend varia-ble Schwerpunkte setzen. Turnton selbstwird in wenigen Tagen Schauplatz einesmehrtägigen Festivals unter dem Motto:„Celebrating the strength of diversity”.Die „New Neighbour Integration Bewe-gung“ feiert ihren 20sten Jahrestag – einAnlass, mit einem abwechslungsreichemKunst- und Kulturangebot aufzuwarten,im Zuge dessen auch Maja Jorecki, Thea-terregisseurin und Pflanzenbestäuberin, inErscheinung tritt. Die in und um Turntonkulturell und künstlerisch ausgerichtetenPlattformen und Werkstätten, geführt alsoffene Orte, werden gerne auch von neuAnkommenden genutzt, um sich zu orien-tieren und auszutauschen – zusätzlich zurbereits erwähnten Hafenkneipe Medusa.

Initiativen wie das „New Neighbour Inte-gration Bureau“ (NNIB) oder „Travel wi-thout Border“ (TwB) koordinieren inter-national die unkomplizierte Abwicklungim Bereich der Migrationsbewegungen.Lokale Anlaufstellen stimmen die gesell-schaftlich akzeptierten Reise-, Wande-rungs- und Siedlungsaktivitäten aufeinan-

der ab und unterstützen abwechslungsrei-che „Teilnahme und Teilhabe-Program-me“ der heterogenen, wechselhaften Ge-meinschaften. Im Zentrum von Turntonwird sowohl eine „Travel without Bor-der“ Börse als auch ein regionales NNIBbetrieben. Ein erst kürzlich durchgesetzterBescheid bewegt: Die bislang in Privatbe-sitz befindlichen Lagerhallen-Leerständewurden dem Gemeingut überschriebenund können ab sofort umgenutzt werden.Speziell für die ZuwanderInnen aus demin Kürze zu evakuierenden Küstengebieteiner atlantischen Inselgruppe ist dieseUmwidmung ein willkommener Bescheid.Benötigter Wohnraum kann unverzüglichgeschaffen werden – genau wie, so derörtliche Sprecher des NIBB, Olufemi Ba-dour, endlich auch die Pläne für zusätzli-che Proberäume und -bühnen umgesetztwerden können.

Die Travel without Borders Einheit kannauf eine noch längere Geschichte als dasNNIB zurückblicken. Bereits 2020 er-wuchs sie aus einer kleinen Gruppe ambi-tionierter Community-Workers auf deritalienischen Insel Lampedusa, um aus derdamals noch als „Flüchtlingskrise“ be-zeichneten Situation, etwas Positives ge-deihen zu lassen. Die Ergebnisse sind in-zwischen gesellschaftlich verankert. Spe-ziell in einer Zeit des neuen individuellenReisens haben sich die umfangreichen An-gebote der TwB als wertvolle Alternativeerwiesen, die Welt zu bereisen und auchzu bewohnen.

Am Ende als nennenswerte, übergeordne-te Information steht der Hinweis auf daspolitische System: Im Zukunftsgefüge desSzenarios zirkulieren wir um ein vagesGemenge aus Liquid Democracy, Politie(im Sinne Aristoteles) und partiellem An-archosyndikalismus. Irgendwo zwischenund inmitten von – zugegeben wider-sprüchlich klingender – organisierter,durch Recht geregelter Selbstbestimmungmit demokratisch gewählter Vertretungwird auch die alternative Wirtschaftsord-nung definiert. Zentral an dieser ist neuer-lich der Verweis auf die Abkehr von Ge-winnorientierung, sowie Anleihen aus ver-schiedenen Konzepten der Gemeinwohlö-konomie, Schumachers „Small ist Beauti-ful“ oder den Thesen um „Buen Vivir –Gutes Leben für Alle“. n

é Turnton Docklands

im Lentos Kunstmuseum

Eröffnung: 6. September, 19.00 h

Ausstellungsdauer: 7. September bis

22. Oktober

Turnton Docklands ist Rauminszenierung und

Physical Narrative. Die Rezipientinnen sind ein-

geladen, Turnton Docklands zu erforschen und

zu interpretieren. Turnton ist ein utopischer, po-

sitiver und mit Mut zur Lücke gedachter Vor-

schlag für eine mögliche Zukunft, die dem Ge-

meinwohl dient.

Das Linzer, international aktive KünstlerInnenkollek-

tiv Time’s Up wirkt an den Schnittpunkten von

Kunst, Wissenschaft Technologie und Unterhal-

tung. Time’s Up feiern auch ihr 20jähriges Jubiläum.

Watch out for more Time’s Up Activities." www.timesup.org

Page 11: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

11DIE REFERENTIN

„Viele Österreicher sehen inzwischen keinenSinn mehr im Gendern“. Nicht oft hat ein Satzdie Gelegenheit, sich selbst so unwidersprochenund gültig im Spiegel zu betrachten und bestä-tigend zuzunicken: Ja, sag ich doch! Geborenwurde er in der oberösterreichischen Redaktionvon orf.at in einer Zusammenfassung einer Um-frage zur Akzeptanz des Genderns in der öster-reichischen Bevölkerung. Die Schlagzeile dazuließ wenig Spielraum: Akzeptanz für „Gen-dern“ sinkt. Da läuft einer schon beim Lesender kalte Schauer über den Rücken - wuuuaah,dieses „Gendern“ schon wieder. Das haben die-se „Feministinnen“ erfunden. Die wollen mei-nen „Arbeitsplatz“ und gleich danach die„Weltherrschaft“. (Das mit der Weltherrschaftstimmt übrigens.)Während hierorts Umfragen in Auftrag gegebenwerden, um ganz nah an Volkes Stimme zusein, lassen andernorts Menschen Studien er-stellen, die keine Befindlichkeiten, sondernZahlen abfragen. So eine machte die Medien-wissenschaftlerin Elizabeth Prommer im Auf-trag der deutschen MaLisa Stiftung zum Themaaudiovisuelle Diversität in Deutschland, siewurde viel besprochen und noch einmal mehrbesprochen, nachdem der ZDF-ModeratorKlaus Kleber ein Interview mit der Ärztin,Schauspielerin und Stifterin Maria Furtwängler(ja, manche machen kluge und richtige Dingemit ihrem Geld) dazu führte, das ihn eher un-glücklich aussehen ließ. Er bediente ganz wun-derbar das Weltherrschaft-Klischee, und fragte,ob Furtwängler die Menschen vor den Bild-schirmen umerziehen möchte. Quasi nach demMotto – wenn die Zahlen aussagen, dass be-deutend weniger Frauen als Männer in be-stimmten Rollen und Funktionen am Bild-schirm zu sehen sind, müssen jene, die die Zah-len erheben, eindeutig ein politisches Motiv ha-ben, oder, wie die Studienautorin es in einemInterview mit Doris Prieschnig in der Tageszei-tung Der Standard ausdrückte: „Wir haben unsauch gewundert, warum uns schon das Zählenals politisches Instrument unterstellt wird.“ InOberösterreich übrigens scheint es eine völligandere gesellschaftliche Entwicklung zu geben –denn da heißt es in einer gemeinsamen Aussen-

Vom gesehen werdenund zählen lassen.

dung des oö. Presseclubs und der GPA djp an-lässlich einer Einladung zur Podiumsdiskussionmit dem Titel Frauen im Journalismus in Ober-österreich: Weiblich, billig, arbeitswillig?:„Journalismus und Medien sind heutzutageweiblich. Vor allem im Fernsehen, bei Radios,Magazinen und OnlineMedien findet man ei-nen hohen Frauenanteil.“ Zahlen oder Hin-weise, wo diese zu finden wären, liefert die Ein-ladung keine, dafür war wahrscheinlich zwi-schen all den Klischees kein Platz mehr. Jeden-falls diskutieren hier „der oö. Presseclub unddie Journalistengewerkschaft (sic!) in der GPAdjp über die aktuelle Situation der Frau imJournalismus und fragen nach, was Frauen tunkönnen, um sich im Beruf gut zu positionie-ren.“ In erster Linie, die alten weißen Männerloswerden, die solche Einladungstexte verfas-sen, würde ich polemisch als Vertreterin der of-fenbar nach Sicht von Presseclub und Gewerk-schaft homogenen Gruppe „die Frau“ mal sa-gen und blicke zurück auf die sogenannten Gol-den Handshakes, mit denen im ORF vor eini-gen Jahren Frühpensionierungen euphemistischumschrieben wurden. Oder auf Kolleginnen inPrintmedien, denen Altersteilzeit in einem Alterangeboten wurde, in dem dies schlicht und er-greifend eine Verhöhnung darstellt. Gibt es hierZahlen, wie vielen Männern und wie vielenFrauen diese Angebote gemacht wurden? Wennnein, warum nicht? Meine Erinnerung magmich trügen, aber ich kenne überwiegend exzel-lente Journalistinnen (die im Übrigen jahrzehn-telang bewundernswert unbeeindruckt von derlatenten Frauenfeindlichkeit dort ihrer Arbeitnachgingen), die im ORF Landesstudio OÖ die-sen Golden Handshake annahmen, nachdem erihnen eher nachdrücklich angeboten wurde,auch ein Mann fällt mir ein, und ganz bestimmtgab es einen zweiten. Zahlen wären hier wieimmer hilfreich. Die Zahlen der deutschen Studie sind jedenfallserschreckend und es steht zu befürchten, dassOberösterreich dazu im Vergleich keine Oaseder Gleichberechtigung ist. Nur eine herausge-griffen – im Bereich TV Information, nachFunktionen gereiht, stehen in der Gruppe Ex-pertInnen 79 % Männer 21 % Frauen gegenü-ber. Auf die Frage, ob Frauen womöglich des-halb seltener als Expertinnen vorkommen, weilsie im Ruf stünden öfter abzusagen, antwortetPrommer (noch einmal im ITV mit Doris Prie-schnig): „Ich glaube dieses Argument nicht.Wenn jemand zählen würde, wie oft ein Mannabsagt, dann würden wir vielleicht draufkom-men, dass Männer viel öfter absagen. Nur, dahast du dann den nächsten Mann auf der Lis-te.“ Wohingegen die Liste mit den oft ohnehinnur zwei weiblichen Experten rasch durchge-fragt sei.„Wir haben eh Frauen gefragt, aber die konn-ten/wollten nicht“ ist tatsächlich eine Antwort,die immer wieder auftaucht, übt frau Kritik an

rein männlich besetzten Podien. „Wie viele habtihr gefragt?“ wäre demnach die einzig richtigeerneute Frage auf diese Antwort.Ich habe kürzlich eine Hamburger Uniprofesso-rin zu einer Tagung eingeladen und ihr einigeder bereits fixierten Referent_innen genannt –allesamt Frauen, unbeabsichtigt, ich wollte ihrnur Zugänge zum Thema weiterleiten und habedrei Frauen (insgesamt sprechen vier Referen-tinnen und drei Referenten) herausgegriffen. Siemusste terminlich bedingt absagen und erkun-digte sich freundlich, ob sie auch einen Mannals ihre Vertretung empfehlen dürfe, oder obnur Frauen eingeladen würden. … Nein, es istkeine Frauenkonferenz, wenn drei Frauen teil-nehmen – es bleibt eine Konferenz. Dass es so-gar eine Frau irritiert, wenn Podien – die keine„Frauenthemen“ behandeln – überwiegend mitExpertinnen besetzt sind, hat mich überraschtund gleichzeitig ernüchtert. Weil ich – wenn ichehrlich bin – nur zu oft genauso reagiere wie dieHamburger Uniprofessorin. Ein sehr bestimmtes Schema davon, wer als Ex-perte wichtig und glaubwürdig wahrgenommenwird, muss sich in uns als Wertesystem einge-brannt haben: Männer sprechen auf Podien, imTV und im Radio – Frauen moderieren oder sit-zen im Publikum. Das ist das Bild, das uns ver-mittelt wurde und wird. Das ist das Bild, daswir als „normal“ wahrnehmen. Und ja, selbst-verständlich hat dies mit der Sichtbarkeit odereben Unsichtbarkeit von Frauen in Medien, inSprache und in bestimmten Positionen undFunktionen zu tun. Auch darum bin ich überzeugt, dass der Rufnach „Gendern“ weniger mit Gouvernantenpo-litik und Sprachpolizei zu tun hat, auch und ge-rade wenn sich stets irgendwo ein Mann be-droht fühlt, wenn eine Frau spricht. Oder wiedie Journalistin Julia Pühringer es ausdrückt:Diese perfide Kombi, Frauen zwar ständig zuignorieren und/oder niederzumachen, nicht fürvoll zu nehmen, ihnen ihre Erfahrungen einfachabzusprechen und ihnen nicht zuzuhören (au-ßer man will was von ihnen) und dann lässig zusagen: „Ja machts halt öfter den Mund auf, tutswas, wehrts euch!“ regt mich ja am allermeis-ten auf. n

Wiltrud Hackl ist Journalistin, Autorin und

Moderatorin.

Quellen:

" www.uni-rostock.de, Broschüre über audio -

visuelle Diversität

Der Standard, Printausgabe 12./13. August 2017,

S. 28

Page 12: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

12 DIE REFERENTIN

Der Schluss muss wie ein Hammer fallen

den Ort anders und weiß seinen Reiz zuschätzen, auch weil ihre Tochter und En-kel dort leben. Während ihrer Ausführun-gen bemerke ich, dass sich an vielen Stel-len in Grills Wohnung nicht nur Bilder,sondern auch Büsten und Statuetten befin-den, was mich nicht wundert, da künstle-rische Exponate auch in ihren Bücherneine große Rolle spielen. Mir fällt auchauf, dass die Autorin die Farbe Grün be-vorzugt, die in ihrer Wohnung bei Tep-pich, Sofa und Bildern wiederkehrt.

Ich bitte die Autorin, die im Gesprächnicht nur trockener Humor, sondern aucheine feine Aura des Understatements um-gibt, die realen Lebenswelten zu verlassenund zu ihren literarischen zu wechseln.„Zuerst muss ich eine Idee und ein Schick-sal haben und dann brauche ich einenkonkreten Ort, ein fiktiver Ort würde mirnicht entsprechen“, berichtet Grill. „Vorallem das Umfeld, das ich aussuche, mussich gut kennen, da will ich souverän agie-ren können. Danach stellt sich die Frage,in welcher Situation, welcher Phase ihresLebens fange ich eine Figur auf.“ Und an-gesprochen darauf, wie sie denn zu ihrenStoffen kommt, meint sie knapp: „Die Ab-fälle meiner Reisen mit meinem Mann ge-ben meine Romane.“

In den Rezensionen ihrer Bücher lobt dieKritik auch Grills überbordende Phanta-sie. Doch die Autorin verweist auf dieWirklichkeit, die manchmal kaum über-boten werden kann. So habe sie beispiels-weise die fast weltweit tingelnde Ausstel-lung Körperwelten mit den plastiniertenmenschlichen Körpern des AnatomenGunther von Hagens als ein reales Ele-ment in ihrem für den Deutschen Buch-preis 2005 nominierten Roman Vanitasoder Hofstätters Begierden überhöht. Undauch ich erinnere mich jetzt an den Besu-cheransturm in der Linzer Tabakfabrikvor zwei Jahren und die begeisterten Be-

Vor der Villa eines durchgegenseitigen Ekel ver-bundenen Ehepaars lun-gern Obdachlose in Desi-gnerklamotten mit ihrenHunden … Szenenwech-

sel: Am Bett der sterbenden Mutter er-götzt sich eine Familie daran, den Vatermit den Liebesbriefen an eine andere Fraubloßzustellen … Oder: Eine Schickimicki-Clique verfügt in selbstgefälliger Manierüber das weitere Schicksal eines Messies…

Evelyn Grill entführt ihre Leser/innenohne Erbarmen, mit hoher Erzählkunstund in oft sarkastischem Ton zu den Ab-gründen der menschlichen Existenz. Unddiese Abgründe liebt sie zu sezieren. „DieNormalen interessieren mich nicht, wasgäbe es da schon zu entdecken“, stellt dieseit kurzem wieder in Linz lebende 75jäh-rige Autorin fest, während sie mir in ihrerneuen Wohnung Tee eingießt.

Dreißig Jahre hat Evelyn Grill mit ihremzweiten Mann, einem Germanistik-Profes-sor und Rilke-Experten, in Freiburg imBreisgau gelebt. Die süddeutsche Stadtzählt etwas mehr Einwohner als Linz,doch Linz unterscheidet sich für sie in ei-ner angenehmen Weise von Freiburg. Frei-burg strahlt für Grill – sie wohnte zudemin einem sogenannten noblen Stadtteil –Prosperität aus, Linz erlebt sie vielfältiger.Sie veranschaulicht mir ihren Eindruck aneiner Begebenheit, die sie kurz nach ihrerRückkehr nach Linz beobachtet hat.

Die Schriftstellerin sitzt in einem kleinenCafé im Zentrum der Stadt, um im Freienzu frühstücken. Auf der gegenüberliegen-den Straßenseite sieht sie einige Men-schen, die sofort erkennbar finanziell be-dürftig sind, in Deutschland würde mandiese auf den ersten Blick als Hartz-IV-Empfänger einstufen, meint sie. Grill be-

wundert an diesem Vormittag, mit wel-cher Phantasie sich die beiden Frauen die-ser Gruppe trotz ihrer bescheidenenMittel gekleidet haben. Und in diesemMoment denkt sie: „Hier gefällt es mir, dagehör’ ich hin.“ Das soeben Wahrgenom-mene ängstigt sie aber auch, wie schon sooft. In den vergangenen Jahren beobachte-te sie die zunehmende Verarmung sowohlin Deutschland als auch in Österreich.Den Wirtschaftsliberalismus, den Rechts-radikalismus und die Reichsbürgerbewe-gung, die in Deutschland schon wesentlichstärker ausgebreitet ist, nimmt sie mit Be-sorgnis wahr. Grill, in deren Büchern im-mer auch die Kunstgeschichte einen zen-tralen Raum einnimmt, schätzt allerdingsauch das Angebot an Kunst in Linz, vorallem das Lentos und das Musiktheater,das sie bisher nicht kannte, und die großeDonau, mit der sich die kleine Dreisam inFreiburg natürlich nicht messen kann.

Ausgehend von ihrem jetzigen Eindruckder Stadt erzählt sie mir von ihrer frühe-ren Zeit in Oberösterreich, wohin sie zu-rückgekehrt sei, weil zwei ihrer mittler-weile erwachsenen Kinder hier wohnen.Bedrückend. Dieses Attribut verwendetEvelyn Grill jetzt einige Male, als sie mirihre Erinnerungen schildert. Geboren undaufgewachsen ist sie in Garsten bei Steyr,wo sie als Kind das Gefängnis als domi-nant und furchterregend empfand, als jun-ge Frau lebte sie einige Jahre in Hallstatt,das sie später zum Schauplatz ihrer beidenRomane Wilma (1994) und Der Sohn desKnochenzählers (2013) wählte. Die aura-tische Enge des für viele zauberhaftenTourismusortes wirkte auf sie bedrohlich,und so entspricht die Kulisse der beidenRomane sicher nicht dem, was sich eineFremdenverkehrswerbung wünscht. AlsSchauplatz für die Sujets dieser beiden Bü-cher erwies sich Hallstatt jedoch alsaußerordentlich inspirierend. Und heute,nach Jahren der Abwesenheit, sieht sie

Die oberösterreichische Schriftstellerin Evelyn Grill ist eine Meisterin des ironischen Blicks und durchleuchtetin ihren Texten genüsslich die Abgründe unserer Existenz. Die vergangenen dreißig Jahre hat Grill in Deutsch-land verbracht, vor einigen Monaten ist sie wieder nach Linz zurückgekehrt. Im Gespräch mit der Autorin hatSilvana Steinbacher erfahren, warum sich Grill Linz zugehörig fühlt und was Abfälle mit Romanen zu tun haben.

Text Silvana Steinbacher

Page 13: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

13DIE REFERENTIN

richte jener Menschen, die sich an dieserSchau voyeuristisch delektierten.

„Ich versuche mich in meine Figuren undihre Abgründe hineinzuversetzen, hinein-zudenken“, sagt Evelyn Grill. „Mich inter-essiert, warum sie so handeln, wie sie estun.“ Ob und wie die Figuren handelnkönnten, hänge doch ausschließlich vonihr ab, schließlich hielte sie die literari-schen Zügel in Händen, halte ich entge-gen. Grill stockt für einen Moment, willmir scheinen, oder habe ich mich getäuscht?Doch ich werde die Vermutung nicht los,dass sie ihre Figuren, sobald sie sie ent-worfen und umrissen hat, aufs Papier undsomit in die Selbständigkeit entlässt. EinGedanke, den ich reizvoll finde und jetztnicht weiter hinterfragen möchte.

Ende Oktober vergangenen Jahres hatEvelyn Grill ihren bisher letzten RomanImmer denk ich deinen Namen im LinzerStifterHaus präsentiert. Die Schriftstelle-rin schildert darin eine Liebe, die sichhauptsächlich in Briefen ausdrückt, Briefevoll von Sehnsucht und Begehren, bis derberüchtigte Hammer zuschlägt. „DerSchluss muss wie ein Hammer fallen“,stellt die Autorin fest, und auf dem Wegdorthin kann sie ihre Figuren völlig empa-thielos vor sich hertreiben. Empathieloswie die Narzissten, die sie literarisch faszi-nieren, doch in der Realität ängstigen,und bald darauf endet unser Gesprächdort, wo es begonnen hat, bei der Politik.„Putin, Erdogan und vor allem Trumpsind Narzissten, Narzissten sind völligempathielos; ich empfinde diese Situation

wie einen Sprengstoff, vor allem, wenn essich um Politiker bedeutender Länderhandelt.“ Ein politisches Buch zu schrei-ben läge ihr jedoch fern, dazu sei sie poli-tisch nicht gebildet, sogar naiv, antwortetsie mir auf meine Frage – wie gesagt: Un-derstatement! –, doch wenn sie in Linzrichtig angekommen sei, möchte sie miteinem nächsten Roman beginnen, und ichbin schon jetzt überzeugt: Bis ihr gnaden-loser Hammer dann fällt, wird es auch indiesem neuen Roman nicht an Abgründenfehlen. n

Silvana Steinbacher ist Autorin und Journalistin.

Foto Christina Fritsch

Page 14: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

14 DIE REFERENTIN

Schneeballfärben.

Page 15: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

15DIE REFERENTIN

Grenzgängerin zwischen den SinnenSonja Meller – das sind für mich zuerst einmal: feine Fäden und die Be-teiligung aller Sinne, meint Lisa Spalt, die die Bildende Künstlerin und Il-lusionistin Sonja Meller getroffen hat.

Text Lisa Spalt Fotos Sonja Meller

1999 hängt sie – es ist Win-ter – an langen Schnürenwunderschöne rote Äpfelin die Linzer Martinskir-che. Schon außerhalb desGebäudes ist der Duft der

Pracht wahrzunehmen. Da ist sie: „DieseSüße, die sich erst verdichtet“, ein Gewe-be von Assoziationen, das sich erfreulichfassbar darbietet. Als Geschaffenes sinddie Früchte anbetungswürdig, als Utensilder verführenden Eva negativ und attrak-tiv zugleich. Und dann hängen sie auchnoch in Reichweite, von diesem Angebotder Erkenntnis könnte man abbeißen, dasalles, dieses Paradies, hängt einem in denMund als Verheißung, die sich – welch einGlück – mitten im Alltag auftut. So bietetsich das Kunstwerk an als ein Weg zu ei-ner süßen Erfahrung: Erkenntnis gewinntder Leib, Erkenntnis wird über die Sinneerreicht.

Mit dem Geschmack, der Vorstellung des-selben oder der Erinnerung an diesenspielt Meller in der Arbeit „Honighim-mel“ aus dem Jahr 2015. Fäden hängenim Kreis von der Decke, die Künstlerinlässt an diesen Honig in eine goldeneSchale rinnen. Die Arbeit ist auf Auftragder Diözese Linz zum Thema Advent ent-standen. Ihr sinnlicher, Zeit streckenderAspekt, der das Ankommen – diesfalls desHonigtropfens in der Schale – zum süßenAnkerpunkt der Erwartung macht, wirkt,wie die Künstlerin berichtet, sogar aufKinder, die sich von der Arbeit kaum los-reißen können. Zu spannend ist es, zuzu-sehen, wie der süße, klebrige Tropfen demAbgrund zurinnt und sich endlich dazuentschließt, vom Fadenende in die Schalezu hüpfen, das Ros’ ist entsprungen, derTropfen malt in der Schale sein zähes Ge-mälde. Aufregend ist der Moment der Sus-pension, der Moment des Atem-Anhal-tens, wenn der Tropfen sich im freien Fallbefindet, sich nirgends mehr festhält,

nichts berührt, während er von einer„Welt“ in die andere wechselt. Die Arbeitist pure sinnliche Mitteilung, die esschafft, das Thema jenseits rationalerÜberlegung erfahrbar zu machen.

Sonja Meller, Magistra artium, hat von1995 bis 2001 an der KunstuniversitätLinz Bildhauerei studiert, dann noch einenMaster of Arts in San Francisco erwor-ben. Sie arbeitet derzeit in einem Atelierdes Egon-Hofmann-Hauses in Linz. IhrInteresse gilt, wie man an den Arbeitenunschwer erkennen kann, vor allem demRaum. Diesen verändert sie mit oft sehrzarten Angeboten, so auch bei der Arbeit„Eis-Grillen“, mit der sie 2009 mit Hilfevon „Lucky Chirping Crickets“ aus ChinaTown in San Francisco sommerlichesGrillengezirpe auf den verschneiten LinzerSchlossberg zauberte und damit Raumquasi in zwei Jahreszeiten gleichzeitig ver-setzt. (Für nach wie vor Wintermüde gibtes übrigens eine Variante in der Dose.„Langsam öffnen“, steht drauf, als wärenempfindliche, lebende Wesen drin undkönnten sich erschrecken.)

So ist die Arbeit der Künstlerin also insAkustische ausgeufert wie übrigens auchin „Sonic Fruit“ aus 2004, einer Arbeit,die in Kalifornien realisiert wurde: Golde-ne Früchte hängen an einem Baum, in ih-rem Inneren verbergen sich Spieluhren,die jeweils Teile von Brahms’ „Wiegen-lied“ spielen. Es liegt an den BesucherIn-nen, diese Teile zu aktualisieren und einGanzes ahnbar zu machen. Sich beteili-gend dürfte man vielleicht erfahren, dassdie Entstehung eines Brahms’schen Wer-kes ein seltener Glücksfall ist, der ein Zu-sammenspiel unzähliger Faktoren ver-langt. In wie vielen tausende „Weisen“andererseits Menschen hier zusammen-wirken können, welche Möglichkeiten ei-ner Musik die Zufallsgesellschaft der Be-sucherInnen aktualisieren kann, macht die

Page 16: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

16 DIE REFERENTIN

Moment der Überraschung entsteht dieArbeit „Mash-ups“, die Grußpostkartendazu verschränkt, in einen von ihrer ei-gentlichen Intention abweichenden Dialogzu treten: Jeweils zwei von ihnen werdenso gepaart, dass ihr Zusammenklingenganz neue, „unerhörte“ Musik ergibt.

Quasi musikalischen Raum wiederum in-szenierend, hat Meller in der Sound-In-stallation „Mondscheinsonate“, die 2015in der Galerie Forum in Wels gezeigt wur-de, unterschiedliche Interpretationen desersten Satzes der „Mondscheinsonate“von Ludwig van Beethoven aneinander

Die Süße, die sich erst verdichtet.

Skulptur in sehr feiner Weise hörbar.

Musik spielt eine große Rolle in derRaumwahrnehmung der Künstlerin. Dafällt ihr an einem Verkaufsstand mitGrußpostkarten auf, wie spannend derenSoundfiles zusammenklingen. Aus dem

Page 17: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

17DIE REFERENTIN

vermessen. Aus der kreisrunden Auslas-sung inmitten einer stilisierten Plattenhül-le hängt ein Paar Ohrhörer. Befördertman sie an ihren Bestimmungsort, startenInterpretationen von Friedrich Gulda,Maurizio Pollini und Daniel Barenboimwie Synchronschwimmerinnen, beginnen

nach einem ersten, noch gemeinsamenMoment, einander zu umspielen, abzufäl-schen, nachzuäffen. Jetzt wird musikali-scher Ausdruck als fast räumlicher Ab-stand erfahrbar. Wie seltsam mutet es an,wenn die Diven der Klaviere sich im Auf-einandertreffen wie „verstimmt“ zeigen.

Die Aura der Primaballerina, die das Pia-no für gewöhnlich umgibt, scheint sichdaran zu stören, dass sie die Bühne mit ei-nem Mal mit anderen Glorienscheinen tei-len soll. Die Verstimmung bringt aberauch eine verstörende Wehmut mit sich,etwas wie ein Echo aus einer früherenZeit. Die zeitlose Interpretation des Star-Pianisten scheint, wenn sie neben anderensteht, auf einmal vergänglich. Die Inter-pretation trägt nicht mehr, wie so oft, ausder Zeit hinaus, sondern zeigt, dass sieeine unter anderen ist und dass wir hiereben eine Aufnahme zu hören bekommen,eine Konserve einer Zeit, die schon ver-gangen ist und die sich vom Musiker, demStar, längst getrennt hat. Auch bei dieserArbeit ist es neben der sinnlichen Erfah-rung die Einfachheit der Mittel, die ver-blüfft. Sonja Meller arbeitet wie eine Illu-sionistin, die mit einfachsten Utensiliendie Welt verzaubert. Wahrscheinlich ge-lingt ihr das auch so gut, weil sie niemalsauf ökonomische Verwertbarkeit schielt,sind ihre Arbeiten doch größtenteils leich-te, temporäre Eingriffe in Räume und sel-ten Objekte, die man trophäenhaft nachHause mitnehmen könnte. Zuweilen sindsie kaum noch fassbar, so zum Beispiel imFall der Schneebälle, die die Künstlerin2008 am Pöstlingberg mit Lebensmittel-farbe einfärbt und dann an Passanten ver-schenkt. Ein Hauch von Kindheit undJahrmarkt – dann ist die Skulptur auchschon Geschichte.

Arbeiten von Sonja Meller sind ab 6. Sep-tember in der Gruppenausstellung „Outof Dörfl“ zu sehen, die zum 60-Jahr-Jubi-läum vom Egon-Hofmann-Haus in derKunstsammlung Oberösterreich stattfin-det. Etwas später dann wird die Künstle-rin in den Iran aufbrechen, um dort, naheam Zweistromland, Menschen dazu zubefragen, was für sie denn nun eigentlichdas Paradies ist. n

é „Out of Dörfl“

60 Jahre Egon-Hofmann-Atelierhaus

Ausstellungseröffnung:

Mittwoch, 6. September 2017, 19.00 h

(Studiogalerie der KUNSTSAMMLUNG)

" www.sonjameller.at

Page 18: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

18 DIE REFERENTIN

Transfrühling.

Terri Frühling lernte ich1989 kennen, als sich un-ser beider Leben zur Kunsthinzuzubewegen begann.Im Korsett gebrauchsgra-phischer Regeln, im Schul-

gefüge der HTBL für Grafikdesign, undden sozialen Verwirrungen der Jugend be-gann unser gemeinsamer Weg: Im Wirr-

warr der Normalität war Humor ein Aus-weg, sowie Terri Frühlings vielfältigeInteressen, die seit jeher die Realität berei-cherten.

Bestechende Eigenart von Terri Frühlingist ihre Ironie, unterlegt von scharfer Be-obachtung, pointierter Realitätsfindung,Einfühlsamkeit und Freiheitsdrang. Wäh-

Terri FrühlingTerri Frühling betreibt aufwieglerisch intelligent „künstlerische Feld -forschung“. Über gemeinsame Lebensstationen und markante Arbeitenschreibt Künstlerkollegin Andrea Lehmann, und stellt zuerst fest: TerriFrühlings Lebenslauf liest sich wie Terri Frühlings Kunst.

Text Andrea Lehmann Fotos Terri Frühling

rend des Masterstudiums der plastischenKonzeption/Keramik in Linz war das not-wendige kräftige Quäntchen Ungehorsamunverkennbar integraler Bestandteil ihrerArbeit. Frühling betreibt, in eigenen Wor-ten, „künstlerische Feldforschung“, unddas seit mehr als 20 Jahren. Wobei sichdie Feldforschung nicht nur auf die eigeneKunst bezieht, sondern auch auf ein Auf-spüren der Konventionen, die auch dieSphären der Kunst selbst betreffen, bzw.geht es Frühling immer auch um derenÜberschreitung.

Ihre Werke manifestieren sich in verschie-dener Stofflichkeit und in vielen Erschei-nungsformen. So war das auch auf derBühne, gemeinsam mit Elke Punkt Fleischund Ester Hinten Finster als Szene-Schla-gerband Ganshaut, die von 2005 bis 2013ihre kabarettistischen Musikperformancesbis zur Schmerzgrenze überhöhte. 2006etwa, beim Wiener Protestsongcontest, er-spielte die -Band- den 6. Platz, und sieknackten das „zache“ Wiener Publikum.Oder die figurale Arbeit DJ Ötzi, ein le-bensgroßes Konterfei, das, erschlagen voneiner Maß Bier, und 2009 gezeigt im Kul-turquartier, an die Grenze der gutenKunst und deren schöner Präsentationräu-me führte. Auch setzte Frühling mit derTOTALE, dem Festival für paralleleKunst 2011–2017, in Zusammenarbeitmit Wolfgang Fuchs, den Grenzgang fort.Die Orte und situativen Gegebenheitender Stadt Linz wurden und werden alsEvent „missbraucht“. Festivalstationen,unter anderem Super Luna oder Neverbeen to Istanbul, wurden im roten, weg-weisenden Festivalplan und als Katalogmit diversen Textspenden aufbereitet. DieTotale ist offiziell heuer noch zu bestau-nen. – Pure Ironie!

In den neueren Arbeiten ist eine zusätzli-che Dimension von Ernsthaftigkeit undTiefe zu bemerken. Transfrühling, 2011vom Land Oberösterreich ausgezeichnet,befasst sich auf sehr lyrische Art mit denTalenten der Künstlereltern und der eige-nen Identität. Transfrühling tritt alsZeichnung des Vaters und als Keramikder Mutter in Erscheinung.

Das Generationenthema erfährt 2012 eineradikale Weiterentwicklung mit der ma-triarchalen Performance Mama MysterienTheater. Mit Intimität sprengt Frühlingden patriarchalen Aktionismus, baut eineBrücke zwischen ambivalenten Gefühlenund spiegelt, sozusagen in Dualität, Her-mann Nitschs patriarchales Mysterienthe-ater. Mit Symbolen von Lebensbejahung

Page 19: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

19DIE REFERENTIN

Filmstills aus Mama Mysterien Theater.

agieren in drei Akten Terri Frühling, ihreSchwester Sophie und deren Mutter, dieKünstlerin Monika Miegl. Unter Hornge-töse und strengem Geräusch werden Eier,Milch, Spargel, Beeren(saft) und Nudelnin mystisch anmutenden Handlungen aufmütterlichen Bäuchen verteilt. Die matri-archale Performance für Vegetarier (undnatürlich auch für andere) ist filmisch do-kumentiert.

Die Vielseitigkeit der Künstlerin unter-streicht den gesamtheitlichen Duktus. Anunvorhersehbaren Ecken und Ebenen derKunst erblicken ihre Arbeiten das Lichtder Welt. Provokant pointiert in ihrer Un-gezähmtheit, trotz der oftmals, oder gera-de deshalb verwendeten klassischen Me-dien wie Zeichnung und Illustration, Ge-brauchsgraphik, Skulpturales, Keramik,Fotographie, Film, Performance, Musik,bleibt sie in den Aussagen unverkennbarkräftig. Als BetrachterIn kann man sichauf einiges gefasst machen, um dann amKern der Aussage anzukommen, bis einemdie gerade entstandene Aussage wiederneue Gedankengänge serviert. GUT SO!

In den letzten Jahren ergab sich die Not-wendigkeit, das Zeitmanagement und dieLebensumstände von KünstlerInnen mitKindern zu thematisieren. Noch vor 10Jahren war dem Kunstbetrieb diese Artder Lebenswelt, zumindest aus meiner Be-obachtung heraus, noch verschlossen. Indieses Themenfeld reiht sich der BabySuccess Club, der seit 2013 existiert, ein,und wurde 2015 im Salzamt der StadtLinz als „Impuls“-Projekt mit Elke PunktFleisch erarbeitet bzw. präsentiert. MeinerMeinung hat sich seither in der Kunst-und Kulturlandschaft auch kaum etwasverändert, außer dass durch den realenLebensdruck der KünstlerInnen der Nach-wuchs zu den Ausstellungen mitgebrachtwerden darf – weil der Nachwuchs derKünstlerInnen zu den Ausstellungen mit-gebracht werden will.

#MyKelomatResidency, 2016 entstanden,beschreibt den Arbeitsmarathon unterKreativitätsdruck von 7.00 bis 22.15 h imKurhotel, und zielt in eine ähnliche Rich-tung. Als BetrachterIn wird man in derRestinformation der Katalogform be-grüßt. Die Beziehung Kunst/Nichtkunststartet Terri Frühling in Der große Beginnmit einer Hashtag-Diskrepanz aus #Vor-freude und #Startblockade. Es springen ei-nem u. a. Fotos entgegen, die aus einerBed-In-Performance zu sein scheinen. Per-fekt ohne Distanz zum Betrachter. Sofortwird frau wieder auf den Boden der Rea-

lität geworfen. Die Künstlerin NUR imTagaufstehbeginnmodus. „Ich schaffe esaus dem Bett“ – Residence als Kunstwerk:Kunstproduktion, Rechtfertigung undSelbstauslieferung, eingekeilt in Zeit- undRealisierungsnot, sind im Katalog mit Ar-beiten von Bioart, Naturstudie, Licht-kunst und mehr, in konsumfähige Einhei-ten gebracht. Die stundenweise dokumen-tierten Projekte immer im Kontakt mitsaurer Ironie sind am Tag des offenenAteliers, im Oktober 2017, im Künstlerin-nenatelier in Urfahr zu sehen. Querbezügezu aktuell Gesellschaftlichem, Sozialem,Persönlichem und den Kunstformen bil-den sich bei Terri Frühling ständig, und

werden gekonnt in Selbstironie mit techni-scher Vielseitigkeit aufgelöst. Frei bildendund auch sezierend. n

„Mit 30 anfangen zu studieren??!

Da sind sie früher schon gestorben!“

Mehr Infos: " www.terrifruehling.at

Terri Frühling gestaltet gemeinsam mit Elke Punkt

Fleisch „Die kleine Referentin“ (S. 40)

é Tage des offenen Ateliers,

Sa 21. + So 22. Oktober 2017, 10.00–18.00 h

Atelier Frühling, Tal 3, 4040 Urfahr

Andrea Lehmann ist Bildende Künstlerin und

lebt in Linz.

Page 20: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

20 DIE REFERENTIN

Traun ist auch schön

Nathalie Nyti-Bota redetsich in Rage. Auf derBühne der TribüneLinz sitzend, listet sieauf, was Oberöster-reich für sie persönlich

an angenehmen Alltagserfahrungen be-reithält und was Leben in Oberösterreichallgemein an Alltagsrassismus, Leistungs-druck und Leben in Armut bedeutet.Kommt von den schönen Landschaften zuden Obdachlosen, zur Verständnislosig-keit und zum Individualismus. „Jetzt habich irgendwie den Faden verloren. Waswar das Thema?“. Und die Premiere desCommunity-Theater-Projektes zum The-ma „Alltag und Oberösterreich“ unterdem Titel „Perspektiven des Alltags. Neu-es Oberösterreich“ windet sich weiter.Durch Erzählsequenzen, Spielanleitungenund Streitgespräche zwischen zwei „Bio-Oberösterreicherinnen“ hindurch. Geför-dert durch die spartenübergreifende Aus-schreibung „zusammen:wachsen“ desBundeskanzleramtes sowie durch Mittelder Stadt Linz konnte das Projekt „Per-spektiven des Alltags. Neues Oberöster-reich“ vom Verein „Pangea. Werkstattder Kulturen der Welt“ realisiert werden.

Neben Nyti-Bota stehen außerdem LiaChuguashvili, Juliana Hartig, Abdul You-sefi, Aziz Yusofi und Eric Zachhuber aufder zurückhaltend gestalteten Bühne.Mehrere Stühle, ein Fahrrad, viele Boden-kacheln und eine Gitarre; der inhaltlichreichhaltige Theaterabend hat ein sparsa-mes Erscheinungsbild. Gemeinsam mit 15anderen Menschen mit den unterschied-lichsten Migrationsbiographien und bis-her wenig bis keiner Theatererfahrung ha-ben die sechs Darstellenden in der Zeitzwischen April und Juni 2017 an Schreib-workshops unter der Leitung von ClaraGallistl teilgenommen. Die beiden profes-sionellen Schauspielerinnen Cosima Leh-ninger und Zuzana Cuker kamen erst

während des Probenprozesses mit der Re-gisseurin Bérénice Hebenstreit zur Gruppedazu. Seit der Premiere am 29. Juni gas-tierte die knapp einstündige dokumentari-sche Theaterarbeit beim Franck-Kistl-Fest, im Wissensturm und im NordicoMuseum Linz. Weitere Spieltermine sindwährend der HelferInnenkonferenz von„ZusammenHelfen in Oberösterreich“auf dem Ars Electronica Festival und demCarneval Of Fear in Schärding vorgese-hen.

Die in Oberösterreich aufgewachsene undnunmehr für die Liste Pilz kandidierendeAutorin, Dramaturgin und Kulturmana-gerin Gallistl konzipierte das Projekt„Perspektiven des Alltags. Neues Oberös-terreich“. Und leitete den Schreibprozess.Und fungierte während der Probenzeit alsDramaturgin. Von „passiver Aktivie-rung“ der Teilnehmenden hält sie nichts.Umso mehr von Nachhaltigkeit. Aus derProjektgruppe ist eine neue Initiative ent-standen: „Neues Oberösterreich. Vereinfür integrative Theaterarbeit“ will jährlicheine Produktion fertigen.

Begonnen hat aber alles in Waxenberg.Da wurden während eines dreitägigenWorkshops im April erste Diskussionengeführt. Über Theater und andere sozialeRäume, über Barrieren und darüber, wieauf einer Bühne ein selbstbestimmtes äu-ßeres Bild entwickelt werden kann, bezie-hungsweise wie ein Theater beschaffensein müsste, mit dem sich die Teilnehmen-den gemeint fühlen würden. Und überGrenzen. Und über Rassismus. Theoreti-sche Anstöße kamen von der Mit-Konzi-pierenden und ehemaligen Geschäftsfüh-rerin von „Pangea“ Stephanie AbenaTwumasi, unter anderem Vorstandsmit-glied von „JAAPO. Unterstützungsstruk-tur für und von Schwarzen Frauen zurVerbesserung der Lebenssituation inOberösterreich“.

Das Community-Theater-Projekt „Perspektiven des Alltags. Neues Oberösterreich“ dokumentiert einen hetero-genen Alltag in Oberösterreich. Erzählt von Rassismus, fragt nach Heimat und stellt den Begriff „Leitkultur“zur Debatte.

Text Theresa Luise Gindlstrasser

„Wann fühle ich mich ausgeschlossen?Wann schließe ich mich selbst aus? Undwann schließe ich andere aus?“ – aus die-sen Fragen ergab sich ein erster Themen-katalog. Für die weitere Schreibarbeit fan-den etwa 25 Termine in Kleingruppenstatt. Dergestalt wurde versucht, auf dieunterschiedlichsten Lebensrealitäten derTeilnehmenden zwischen 16 und 64 Jah-ren aus insgesamt 16 Ländern einzugehen.Es entstanden circa 50 Seiten Text, haupt-sächlich Transkriptionen von Diskus-sionsverläufen, teils von den einzelnenTeilnehmenden eigenständig verfasstePassagen. Gemeinsam mit der RegisseurinHebenstreit, die zuletzt zum Beispiel fürdas Volkstheater Wien „Superheldinnen“von Barbi Markovic inszeniert hatte, erar-beitete Gallistl eine Spielfassung und er-gänzte so das diskursive wie spielerischeMaterial um eine rein fiktive Streitebene.Die beiden Schauspielerinnen Lehningerund Cuker begeben sich für diese Szenenals „Bio-Oberösterreicherinnen“ in Kon-fliktdialoge. Da geht es um das rassisti-sche Potential der Frage „Woher kommstdu wirklich?“, um Unsicherheit und umpolitisch korrektes Sprechen.

Die knackig konzentrierte Inszenierungfindet über lose ineinander übergehendeSzenen zu einer Darstellung von heteroge-nen Perspektiven. Widersprüchlich undvoller starker Behauptungen, erzählt sichso ein Nebeneinander, ein Alltag in Ober-österreich. „Ich liebe meine Heimat. Also,das Land, woher ich komme. Aber Traunist auch schön“. Da werden Wünsche anein neues Oberösterreich formuliert, dieLandes-Hymne intoniert, wieder abgebro-chen und im Hinblick auf die Leitkultur-Debatte die Frage „Seid ihr euch unsichermit eurer Kultur?“ ans Publikum gewen-det. Anhand eines Spiels, das Nachah-mung als körperlichen Vorgang präsen-tiert und bei dem alle Macarena tanzenkönnen, aber nur manche mehrere Liege-

Page 21: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

21DIE REFERENTIN

Theater und Alltagsperspektiven von Pangea/Werkstatt der Kulturen der Welt.Foto Bettina Gangl / PANGEA

stütze schaffen, lässt die Inszenierung denBegriff „Leitkultur“ in die lächerlicheLeere laufen. „Ich wun̈sche mir, dass es inÖsterreich keine Leitkultur gibt“.

Hebenstreit formuliert Folgendes über diezweiwöchige Probenarbeit an der Insze-nierung: „Wichtig war mir, Formen zufinden, die die Auseinandersetzungen ausden Workshops und die dort verhandeltenFragestellungen sichtbar werden lassen.Auf den Proben haben wir Ideen auspro-biert, dabei auch neues Textmaterial gene-riert. Die Arbeit war eine tolle Erfahrung.Die Gruppe hat sich durch ein großesgegenseitiges Vertrauen ausgezeichnet,wodurch sich jeder und jede sehr persön-lich einbringen konnte. Theater brauchteine hohe Disziplin und Konzentrationbeim Arbeiten, was neben dem normalenAlltag eine Herausforderung darstellt.Umso wichtiger ist das gemeinsame Anlie-gen, das eine Arbeit trägt, um beides auf-

zubringen. Es war für mich besondersüberraschend, in wie kurzer Zeit wir ei-nen Theaterabend erarbeiten konnten,von dem sich sowohl Teilnehmende alsauch Zuschauende bereichert und berührtfühlten“.

Gallistl versteht das Projekt „Perspektivendes Alltags. Neues Oberösterreich“ alseine Überschneidung von Kunst- und So-zialarbeit. Deshalb sei die Frage nach dergemeinsamen Arbeitssituation auch soernst genommen worden. „Wer will undkann für eine Aufführung auf der Bühnestehen?“, das ist eine Frage, die für alle 21am Projekt beteiligten, in ganz Oberöster-reich lebenden Menschen mit Migrations-biographie individuell beantwortet wor-den sei. Ob Kinderbetreuung oder Auto-Transfer, Gallistl betont: „Es wurde ver-sucht, alles zu ermöglichen“. Die Etablie-rung einer gemeinsamen Arbeitssituationist auch Thema der Aufführung gewor-

den. „Check mal, in was fur̈ einer Weltwir leben!“, heißt es irgendwann. Wie wirgemeinsam leben und arbeiten wollen, dasschwingt beständig mit. Am Ende stehtdie Frage: „Können wir das in Ruhe be-sprechen?“. Ein Ausblick auf viele weiterediskursive Auseinandersetzungen. n

é Weitere Spieltermine sind während der Helfe-

rInnenkonferenz von „ZusammenHelfen in

Oberösterreich“ auf dem Ars Electronica Festi-

val und dem Carneval Of Fear in Schärding.

(siehe Tipp Die Referentin, S. 39)

Theresa Luise Gindlstrasser geboren 1989,

lebt und arbeitet in Wien. Studiert dort Philo -

sophie und bildende Kunst. Schreibt dort, und

manchmal woanders, meistens über Theater.

Page 22: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

22 DIE REFERENTIN

Was mit dem Salzamt passiert, ist noch immer nicht entschieden – wirdZeit, meint die Referentin. Wir berichten einstweilen aus dem Salzamt:Unter dem Titel „Searching for A Fata Morgana“ haben zuletzt ClemensBauder und Rachel Leah Cohn im Sommer ausgestellt. Clemens Bauder im Interview.

Searching for a Fata Morgana

Ihr seid in Katar in die Wüste ge-gangen und habt euch auf dieSuche nach einer Fata Morganagemacht. Dann sind kinetischeHolzobjeke entstanden, die ei-nen Bewegungsaspekt forciert

haben, eine Sand- und Soundmaschine mitdem Titel „Disco Fata Morgana“ und einsechseckiger Leuchtturm. War das quasidie selbstgebaute Fata Morgana?Ja genau, wir haben die Frage, wie denneine Fata Morgana aussehen könnte, aufpoetische Weise beantwortet und in zweiverschiedene Objekte umgesetzt. Durchdie vorangegangene Recherche war Ra-chel vor allem von den farbenfrohen ara-bischen Glaslaternen und Narrationen imSchattentheater inspiriert. Die Bilder imLeuchtturm erzählten von einer persön-lichen Entdeckung einer künstlich ange-legten Oase in der Wüste, die mittlerweileabgerissen wurde und komplett ver-schwunden ist. Mit Malereien auf Acryl-glas und Silhouetten aus Holz versuchtesie einen Ort, an dem die Natur und dasArtifizielle für einige Zeit miteinanderverflochten waren, wieder ins Gedächtniszu holen und fatamorganesk wie einLeuchtfeuer am Horizont auftauchen zulassen. Ich habe mich über Sound undLicht an die Idee einer Fata Morgana an-genähert. Die Stille und absolute Dunkel-heit der nächtlichen Wüste waren fürmich von Anfang an sehr beeindruckend.In dieser Atmosphäre wollte ich eine kine-tische Figur, die Disco Fata Morgana, auf-tauchen lassen. Eine Maschine, die mitdem Wüstensand einen rhythmischen, re-petitiven Sound als auch bewegtes Lichtgeneriert. Diese beiden Ansätze haben wirdann für die Installation im Salzamt zu-sammengeführt.

Die Arbeiten im Salzamt waren surreal,leuchtend, schienen wie Holzgebilde mitanderer Logik und verborgenem Zweck.Die Fotos ließen vermuten, dass alles ins-gesamt in der Wüste vermutlich nochmaleine ganz andere Magie hatte. Ins Nach-hinein gefragt: Was war diese Arbeit?Ortsspezifische Arbeiten 1:1 in den Aus-stellungskontext zu überführen finde ichschwierig. Wir haben deshalb versucht,mit unseren Erfahrungen in der Wüsteeine eigenständige Arbeit, die mit denatmosphärischen Potentialen und Versatz-stücken der vorangegangen Objektespielt, zu entwickeln. So sind drei fata -morganeske Bilder entstanden, die durcheinen Leuchtturm immer wieder für kurzeZeit aufflackern. Verknüpft mit dem beider Eröffnungsperformance gemeinsammit Andre Zogholy entstandenen Sound.Für mich war die Disco Fata Morgana einskizzenhafter Prototyp, ein prozesshaftesExperimentieren in einer bis dahin nochunbekannten Umgebung. Etwas, das inder Wüste für kurze Zeit auftaucht unddann wieder verschwindet. Deshalb auchkeine Vorankündigung oder Publikum.Im Endeffekt war es also wirklich für unsund die Wüste. Der Wunsch, mit der Dis-co Fata Morgana in einem größeren Maß-stab für ein Publikum zu performen, istaber da.

Man kennt dich in Linz als Architekt, alsArtist, der immer wieder mit Holz zu tunhat, und im Zusammenhang mit urbanenThematiken. Vielleicht kannst du Arbeits-schwerpunkte ergänzen. Und erzähl bitteauch über deine Kollegin Rachel LeahCohn, warum und wie ihr zusammenge-kommen seid und gearbeitet habt.Rachel und ich haben uns im Dezember

Interview Tanja Brandmayr

2015 auf der Bi-City Biennale of Urba-nism and Architecture in Shenzhen, Chi-na, bei der wir beide im Rahmen der Afor-mal Academy eingeladen waren eine Ar-beit zu realisieren, kennengelernt. Nachein paar Tagen Recherche vor Ort – wirwaren beide vom informellen urbanen Er-findergeist im Urban Village Baushizhou,wie zum Beispiel von mobilen Grillstatio-nen, inspiriert – und überschneidendenInteressen wie etwa am traditionellen chi-nesischen Teeritual hat sich dann eineKollaboration ergeben. Angelehnt an dieklassischen Schubkarren, die das Stadtbildnoch immer prägen, haben wir eine mobi-

Foto Gregor Graf

Page 23: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

23DIE REFERENTIN

le Sauna samt Ritual für sechs Personenentwickelt und mit einfachsten Werkzeu-gen – Hammer und Fuchsschwanz – ge-baut. Für den Saunaofen wurde ein HotPot, der normalerweise zum Brühen vonSuppen verwendet wird, umfunktioniert.Vor jedem Saunagang wurde bei einerTeezeremonie jenes Teewasser, das fürdas Reinigen der Gefäße abfällt, gesam-melt und als Aufgusswasser verwendet.Mit dem Wasserdampf breitete sich auchder Geruch von grünem Tee in der kleinenSauna aus. Besonders gefallen hat mir,dass die Wände der Sauna aus durchsich-tigem Vinyl waren. Mit Fortdauer des

Saunagangs ist durch den Dampf der Blickauf die Stadt verschwunden, ebenso fürdie Passanten der Blick ins Innere. Bei mirhat sich in den letzten Jahren ein Arbeits-schwerpunkt hin zu experimentellen, tem-porären Architekturen und Installationen,meist im öffentlichen Raum entwickelt.Temporär vielleicht deshalb, weil bei sol-chen Projekten verschiedene Grenzen et-was weiter ausgelotet werden können.Aber auch, weil man bei diesen Projektensehr nah dran sein und selbst Hand anle-gen kann, von der Idee bis zur Fertigstel-lung. In der letzten Zeit verknüpfen sichmeine Arbeiten immer mehr um eine

Soundkomponente und kinetische Mo-mente.

In der Arbeit Disco Fata Morgana wirdein Holzobjekt von Sand angetrieben undbewegt zum Beispiel eine goldene Teekan-ne, die dann bedeutsam immer wieder ver-schiedene Richtungen anzeigt. Ihr beidenseid nicht nur im Salzamt in goldenenKostümen, goldenen Jacken und Knieho-sen aufgetreten, sondern auch in der Wüs-te – soweit ich weiß. Ich komme damit zuAlice. Ich hatte, wahrscheinlich wegen derTeekanne und der Kniehosen, gleich dieseAssoziation zu Alice im Wunderland.

Die Fata Morgana im Salzamt.

Page 24: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

24 DIE REFERENTIN

Die goldenen Kostüme sind aus der Ideeheraus entstanden, in der Wüste selbst zureflektieren, mittels Sonnenstrahlen oderkünstlichem Licht zum Leuchtobjekt zuwerden. Die Maßanfertigung an sich warschon ein Erlebnis. Mit dem Schneider ha-ben wir nur kurz eine Skizze hin- und her-geschoben, das tatsächliche Kostüm wardann eine Überraschung. Herr Kamal hataber einen guten Job gemacht. Und reflek-tiert hat der Vorhangstoff schlussendlichauch sehr gut. Mit unseren Kostümen wa-ren wir in der Wüstenszenerie seltsameFremdkörper und dann auch wieder nicht.Die Teekanne war mehr ein glücklicherZufall als zu Beginn gewollt. Nachdemich tagelang mit verschiedenen Discoku-gel-Varianten gespielt hatte, ist sie mir aufdem Basar in die Hände gefallen. Unddass der Schnabel der Kanne stetig in ver-schiedene Richtungen zeigt, passt natür-lich noch viel besser zur Suche nach einerFata Morgana.

Und dann erzählst du im Vorgespräch,dass du derzeit an Projekten für die Alice-Ausstellung im OK arbeitest. Hat das mit-einander zu tun? Oder anders gefragt, was

sind deine nächsten Arbeiten?Es gibt eigentlich keine direkte Verbin-dungslinie. Gemeinsam mit Kathi Lacknerarbeite ich an einer künstlerischen Spiel-und Bewegungszone, dem Gaudimax undgleichzeitig an einer Transformations-schleuse, dem Eingang in die sinnlicheWelt von Alice. Gemeinsam mit MarkusReindl und Julia Ransmayr kuratiere ichüberdies das multidisziplinäre FormatUNTEN. Das Programm bewegt sich zwi-schen Rauminstallation, Performance undClubkultur. Wir forschen vielleicht auchein bisschen nach der dunklen Seite vonAlice. In diesem Rahmen ist dann auch dienächste Sound- und Lichtinstallation amStart, Markus und ich kreieren geradeeine Nachtmaschine.

Katar ist ein Emirat, eine absolut regierteMonarchie. Laut Wikipedia das reichsteLand der Welt mit einem sogenannten„kaufkraftbereinigten Bruttoinlandspro-dukt“ von ca. 127.600 Dollar pro Kopf –und der Scharia als Hauptquelle der Ge-setzgebung. Kannst du ein paar Eindrückevon Katar schildern? Und vielleicht auchvom Stellenwert von Kunst, Kunstuniver-

sität und den KünstlerInnen. Wie ist eseuch gegangen mit eurem Vorhaben?Ich war zum ersten Mal im arabischenRaum unterwegs und mein Radius warwegen des straffen Zeitrahmens von nichtganz drei Wochen ein sehr enger. Auchhabe ich mich hauptsächlich im sehr inter-nationalen Umfeld der VCU Qatar, derZweigstelle einer amerikanischen Univer-sität bewegt. Das heißt, ich habe eine sichsehr in Öffnung begriffene Gesellschaft er-lebt, wenngleich Reglementierung undenormer Reichtum überall präsent sind.Bei jeder Rückfahrt aus der Wüste ist mirDoha, die Hauptstadt von Katar, wie einegigantische, künstliche Fata Morgana ansich erschienen. Mit den Ressourcen derVCU Qatar im Rücken war die Realisie-rung der Installationen möglich, Materia-lien auf dem Basar aufzutreiben, einAbenteuer.

Abschließend zurück zum Leuchtturm.Und wir versuchen damit auch eine in-haltlich verwegene Brücke zwischen Katarund Linz. Mir fällt auf, dass der Leucht-turm zurzeit von verschiedenen Initiativenkünstlerisch thematisiert wird. Auf der

Foto Clemens Bauder

Page 25: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

25DIE REFERENTIN

Florentine gibt es seit etwa zwei Jahren einen Leuchtturm als ki-netisches Objekt, Time’s Up werden, was ich weiß, in ihrer Aus-stellung Turnton auch einen Leuchtturm dabeihaben. Und heuerwird die Stadtwerkstatt im September insgesamt drei Leuchttür-me im Donauraum platzieren, die das neu ausgerufene Urfahra-ner Areal „Lower East Site“ bespielen. Ihr habt nun bei „Sear-ching for a Fata Morgana“ einen Leuchtturm in der Wüste plat-ziert. Warum diese Symbolik der Orientierung bei euch? Durch die unglaubliche Weite der Wüstenlandschaft kann einemdas Gefühl der Orientierungslosigkeit bereits untertags sehrschnell einholen. Ohne Führer oder GPS ist man tatsächlich ver-loren und ist über jede Erscheinung am Horizont froh. Nach dernächtlichen Performance haben wir uns in der Stockfinsternismehrmals mit unserem Truck hoffnungslos verirrt. Da half nurAutospuren lesen. In diesem Moment hätte ich mir einen realenLeuchtturm irgendwo am Horizont gewünscht. Für mich persön-lich strahlen Leuchttürme seit jeher eine magische Anziehungs-kraft aus. Beim Näherkommen an das Leuchtfeuer in weiter Fer-ne gibt der zuerst nur klein geheimnisvoll rotierende Punktschlussendlich die Sicht auf die unmittelbare Umgebung immermehr frei. Ein ähnliches Gefühl hatte ich beim Zuwandern aufunseren Leuchtturm, der mit assoziativen Bildern einen Ort mar-kierte, der nicht mehr ist. n

Foto Rachel Leah Cohn

Foto Die ReferentinStadtblick

Von der Phantasie beflügelt – ist das schon eine Spur von Alice? (Einstieg indie Linzer Welt nach unten)

Page 26: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

26 DIE REFERENTIN

Im Sommer lud FIFTITU% zu zwei Animationsfilmabenden ins Movie-mento Kino. Michaela Schoissengeier hat sich das Animationsfilm -festival tricky women angesehen und berichtet über ein 2-Tage-Festival,mehrere Schwerpunkte – und fokussiert am Ende auf Arbeiten von Veronika Schubert.

Zeigen, was der Animationsfilm kann

„Getting Closer“ das Jahresmotto 2017von FIFTITU% war die Überschrift derbeiden Filmabende im Juni. Die Festival-direktorinnen Birgit Wagner und Wal-traud Grausgruber von tricky womenWien, die das Programm zusammenge-stellt haben, setzten bei der Auswahl derBeiträge noch die Schwerpunkte „Migra-

Text Michaela Schoissengeier

Still aus dem Video „In erster Linie“

Page 27: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

27DIE REFERENTIN

tion/Family“ und „Beziehungen/Gesell-schaften“.

Insgesamt wurden 19 Beiträge von inter-nationalen Filmschaffenden gezeigt und eswurde sichtbar, was der Animationsfilmalles kann. Wagner und Grausgruber, dieauch am ersten Abend anwesend waren,

Foto Veronika Schubert

war es wichtig, neben den Inhalten auchdie Vielfalt von unterschiedlichen Techni-ken zu zeigen. Von sehr einfachen, weni-gen Strichen bis zu aufwändigen Figurenaus Knetmasse wurde die Bandbreite derMöglichkeiten gut dargestellt.

1998 ist das Gründungsjahr von FIFTI-TU%, tricky women flimmerte 2001 daserste Mal über die Leinwand. Seitdemfand das internationale Animationsfilm-festival in Wien 14 Mal statt, immer An-fang März, rund um den internationalenFrauen*tag, und legt dabei den Fokus aufdie Arbeiten von Frauen*. Damit beklei-det tricky women eine herausragende Po-sition in der internationalen Filmland-schaft. Neben dem Wettbewerb bietet dasFestival in thematisch immer wieder neuausgerichteten Spezialprogrammen undRetrospektiven einen Überblick über dasAnimationsfilmschaffen von Künstlerin-nen aus aller Welt und insbesondere vonösterreichischen Filmemacherinnen. 2017stand Japan, das Land mit einer langenund reichen Tradition an Animes undMangas im Mittelpunkt des Geschehens.

FIFTITU% „2016 haben wir mit dem JahresfokusBreak it down versucht, heteronormativeStrukturen frontal anzugehen und aufzu-brechen und eine Reinterpretation vonGeschlecht, Sprache und Handeln zu for-cieren.“1, heißt es im Programm von FIF-TITU%. FIFTITU% wird kommendesJahr 20 Jahre alt und solche Jubiläen lö-sen so manche Ambivalenzen aus. EinGrund zum Feiern? Ja, sicher! Feste feiernist schön. Andererseits zeigt es auch denZustand der Gesellschaft, die sich in vie-len Angelegenheiten verändert hat undsich weiter ändert, die Geschlechterfragegehört nur bedingt dazu. FIFTITU% istlästig, FIFTITU% bleibt dran, FIFTITU%reflektiert sich selber kritisch – Attribute,die nicht immer gern gesehen werden,noch weniger wertgeschätzt, was sichauch in der Verringerung von monetärenZuwendungen zeigt.

Veronika Schubert: In erster LinieVeronika Schubert im weißen Schutzan-zug, mit Atemmaske und Taucherbrillenähert sie sich ihrem Arbeitsplatz, den sienur durch herunterhängende Plastikfolienerreicht. Der Laptop liegt verkehrt mitdem Bildschirm auf den Rücken. Über3000 kleine Glasplättchen sollen es wer-den, die sie feinsäuberlich nacheinanderauf den Bildschirm legt und auf denen siedann mit einem Gravierstift Wolkenfor-mationen nachzeichnet, besser gesagtnachgraviert. „Ein so GRAVIERENDESThema wie die Art und Weise des Um-gangs mit Flüchtlingen in Krisensituatio-nen konnte nur in Glas graviert werden“,meint die Künstlerin auf ihrer Homepage.Die so entstandenen Linien lassen jedochnicht mehr unbedingt an Wolken denken,sondern ähneln eher sich ständig verän-dernden Grenzlinien auf Landkarten.Daraus ist der 5’20 Minuten lange Anima-tionsfilm „In erster Linie“ entstanden, der2016 seine Premiere feierte und beimVienna shorts festival 2017 zum bestenösterreichischen Film gekürt wurde –Herzliche Gratulation!

Veronika Schubert sammelt und archi-viert Sätze und das schon seit ihrer Ju-gendzeit. Konsequent arbeitet sie mit demMedium Sprache. Mittlerweile ist schonein beachtlicher Fundus angewachsen, aufden sie für ihre Arbeiten immer wieder zu-rückgreifen kann. Vertont wurde derKurzfilm „In erster Linie“ mit einzelnenSätzen aus Nachrichtensendungen des ös-terreichischen Fernsehens, die ab Septem-ber 2015 aufgenommen wurden. Die dar-aus montierte Collage bildet die Hilflosig-keit und Unfähigkeit der österreichischenPolitik ebenso ab wie die Uneinigkeit aufeuropäischer Ebene. „In erster Linie“ ge-hörte dem Programm „Beziehungen/Ge-sellschaftsstrukturen“ am zweiten Film-abend an. Der Film irritiert, verstört undmacht neugierig.

Page 28: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

28 DIE REFERENTIN

Und was machst du so?Veronika Schubert macht vieles, zum Bei-spiel strickt sie als Diplomarbeit 2005 ih-ren Film „Tele-Dialog“ und beschäftigtsich darin mit der Sprache „einfach ge-strickter“ Fernsehsendungen. Davor,2004, wurde zur Präsentation des Videos„Schildertausch“ auf die Fassade des ar-chitekturforums oberösterreich das Zitat„Und was machst du so? angebracht, dasaus ihrer Zeitungsüberschriften-Samm-lung stammt, noch immer die Hausmauerdes afos ziert und zum kurzen Innehalten

einlädt. 2010 entsteht die Arbeit „Säggaad“ – dafür verwendet sie handschrift-lich aufgezeichnete Lustenauer Dialekt-wörter. Hunderte überlagerte Einzelbildervon gestickten Umrisslinien reproduzierensich immer wieder neu. Veronika Schu-bert ist in Vorarlberg geboren und zeigtvor dem Hintergrund ihrer eigenen Her-kunft die Komplexität der Konstruktionvon Persönlichkeit.

Dazwischen und danach gibt es viele wun-derbare Arbeiten, worin Sprache filetiert,

wortwörtlich zerlegt und neu zusammen-gesetzt wird, verbunden mit präzisemHandwerk. Eine schöne umfangreicheWerkschau gibt es auf der Homepage derKünstlerin. n

1 " www.fiftitu.at/de/node/405

Michaela Schoissengeier, lebt und arbeitet in

Linz, begeisterte Cineastin und besonders der

Trickfilm hat es ihr angetan.

Veronika Schubert, geboren in Vorarlberg, stu-

dierte experimentelle visuelle Gestaltung an der

Kunstuniversität in Linz und lebt in Wien.

" www.veronika-schubert.at

" www.rohnerhaus.at

" www.fiftitu.at

" www.trickywomen.at

é Im Rohnerhaus gibt es aktuell eine Überschrif-

ten-Arbeit zu sehen.

06. 05.–07. 10. 2017: SELBST.BESTIMMT

Rohnerhaus, Lauterach (Vorarlberg)

„Archiv-Nr. 0749: Wo ist hier der Speisewagen“,

Print auf Papier, Breite ca. 1,5 m.

" www.veronika-schubert.at/galerie/2017.html

Öffentlicher Raum

Fotos, kleine Gegenstände aus Email, Haarbü-schel, Briefkasten-Schild, Reflektorscheibe, weißgetünchte Planzenrestchen, ein Brieflos (LEIDER-KEIN-GEWINN), die schieferblaue Ziege, eine rät-selhafte Maria und vor allem viele ausgestricheneZeilen in bearbeiteten Büchern: Kleine, vermutlichgefundene, erinnerte oder anderweitig hergestellteDinge sind im Schaufenster des Friseursalons inder Pfarrgasse zu sehen. Birgit Petris Arbeit „aufdie Vernichtung vergesse ich immer“ ist noch imSeptember zu sehen. Danach folgt Gregor Graf abOktober. Der Friseursalon ist eine Schaufensterga-lerie als Leerstandsnutzung, besteht seit Ende2016, mit drei bis vier Mal wechselnden Ausstel-lungen pro Jahr, betreut durch das AtelierhausSalzamt. " blog.salzamt-linz.at

Rubrik

Kunst sagt ...

FEBRUAR NULL

Wenn es nicht passiert, dann passiert es bald. FEBRUAR NULL ist einepostapokalyptische Zustandsbeschreibung aus der first-person-Perspektive,in der das Hörstück der Linzer Formation Fang den Berg mit Machinima-Elementen zu einem beengenden, audiovisuellen Kosmos verschmilzt. DieWüste wächst

Dieses großartige, bombastische Hörstück aus Musik, Text und Visuals ist hier nachzuhören und -sehen: " vimeo.com/169929176

Page 29: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

29DIE REFERENTIN

Letztens lesen wir, dass sich der Autofahrer in Zukunft in seinem selbst-fahrenden Auto „wohler fühlen wird als in seinem eigenen Wohnzim-mer“, was uns ein wenig nachdenklich stimmt. Nicht wegen der ganzenkünstlichen Intelligenz, die ins Auto reinverfrachtet werden muss. Auchnicht wegen des Deep Learnings und des „Weltverständnisses“, dass dasAuto dann haben müsste, lesen wir (wir lachen). Sondern wegen desWohnzimmers. Schon länger fällt auf, dass das Wohnzimmer irgendwieThema geworden ist – und damit Szenenwechsel in die Kulturhäuser.Dort wird auch gerne davon gesprochen, dass sich die Besucher und Be-sucherinnen beim Besuch im Museum oder im Theater „wie im eigenenWohnzimmer fühlen sollen“. Meine Freundin und ich sind uns einig, dasswir, wohlfühlen hin oder her, wenn wir im Museum sind, uns dort geradeNICHT wie in unserem eigenen Wohnzimmer fühlen wollen – denn dannwürden wir doch lieber gleich daheimbleiben! Wir erwarten uns von derKunst schon anderes. Merkwürdig ist das aber, dass das Wohnzimmerüberhaupt als Bild für eine Kulturinstitution auftaucht oder jetzt sogar alsAuto – und wir fragen uns scharfsinnig: Gibt’s leicht kein Wohnzimmermehr daheim? Haben die Leute nichts mehr zum Wohnen? Oder, anders:Haben sie keine Zeit mehr zu leben oder keine Ahnung mehr davon, wiedas geht? Müssen sie ihr Wohnen, ihr Leben irgendwie anders simulieren?Wir sitzen ja mit Vorliebe im traditionelleren Wohnzimmersubstitut, ineinem Café. Dort sprechen wir dann, Stichwort „Weltverständnis“, tat-sächlich über richtige Bücher, die wir grade lesen. Am liebsten keine Neu-erscheinungen, geht aber auch. Ich habe meinen aktuellen Fast-Klassikerdabei, „The Town and the City“ von Kerouac. Ich intoniere begeistertden Titel The/Town/And/The/City, The/Town/And/The/City und beginneeinen kleineren Vortrag darüber, dass das genau der Punkt sei, dass derTown leider oft die City fehlen würde, und sich die Town nur allzu gerngleich wieder mit der Town trifft, wenn man nicht aufpasst und wenn Sieverstehen, was ich meine. Die Stadt und die Stadt ist allerdings überhauptgleich ein Problem der direkten Übersetzung, der Verdoppelung und Ver-

stärkung oder der nicht eintretenden Transformation. Dann kommt eseben darauf an, sage ich. Die Stadt und die Großstadt vielleicht. Falls manhalt überhaupt von etwas Großstädtischem sprechen könne. Und so wei-ter. Meine Freundin hat auch ein Buch mitgebracht. Wir blättern in Kon-rad Bayers gesammelten Werken, gerade entlehnt aus der Landesbiblio-thek. Sie war darauf gestoßen, als sie im Internet diverse Schlagworte indie Suchmaschine eingegeben hatte. Welche und warum weiß ich nichtmehr. Jedenfalls lesen wir jetzt in Bayers konkreten Texten: „franz gol-denberg kam zur tür herein und gab mir die hand. ich gab dr. ertel diehand. dr. ertel gab marion bembe die hand. marion bembe gab dr. austdie hand. dr. aust gab dr. herbert krech die hand. dr. herbert krech gabfräulein gisela lietz die hand. fräulein gisela lietz gab ernst günther hansigdie hand.“ … und es geht weiter und weiter. Wir hatten das beide früherauch schon mal gelesen. Ich erinnere mich an fra stefano, der in der etwaeine Seite langen Handgeben-Aufzählung auch wieder auftaucht: Ich freuemich über ihn wie über einen alten Bekannten! Was lustig klingt, sagt siezu mir, hat Ernst Bloch damit kommentiert, dass in Bayers Händeschüt-teln Witz und Grauen eng zusammenhingen, was Bloch anscheinend als„Heimatlosigkeit“ und als „Sprengung des Verabredeten“ erkannt habe.Das Unheimliche trete so hervor. Übrigens betritt mit diesen Worten einBekannter das Lokal, kommt etwas irritiert auf unseren Tisch zu undschüttelt uns beiden die Hand. Wir sehen uns erschrocken an, denn wederwir, noch der Bekannte sind für gewöhnlich in diesem Lokal anzutreffen.Damit ist nun wirklich Schluss mit lustig und wir gehen ganz weg vomWohlfühlwohnzimmer. Und wechseln abschließend ins Schlafzimmer. Esfällt auf, dass in den diversen Zeitungen neuerdings wieder mehr oder we-niger geglückte Kolumnen und Rubriken zu Sex angeboten werden. Wennsich das nur nicht allzu oft aufs Aussprechen des Direkten beschränkenwürde! Wie bieder und langweilig. Da hat meine liebe Freundin wiedereinmal mehr zu bieten. Das liederliche Weib hat sich eine Zeit lang dochglatt per Internet mit Männern für Sex verabredet. Gerne hat sie mir dannvon ihren Begegnungen erzählt bzw. von dem Gerede davor. Also davon,was ich dann „The 60 Minutes before Sex“ genannt habe. Und am Ortdes Geschehens, also dort, wo sie sonst nie hingeht und sich mit den Män-nern getroffen hat, um das Minimum an Kennenlernen zu absolvieren,treffen wir uns heute für unseren privaten Literaturtalk. Ich bedaure fast,dass sie diese Geschichten nie aufgeschrieben hat und überhaupt jetztauch wieder einen Freund hat, sage ich ihr, kannst du nicht trotzdem, eswar immer so lustig? Sie versteht natürlich meine versuchte Sprengung desVerabredeten und antwortet nicht einmal. Und zum Spaß beschließen wirden Nachmittag im Café mit: franz goldenberg kam zur tür herein undfickte mich. ich fickte dr. ertel. dr. ertel fickte marion bembe. marionbembe fickte dr. aust. dr. aust fickte dr. herbert krech. dr. herbert krechfickte fräulein gisela lietz und so weiter. ernst günther hansig und fra stef-ano kamen natürlich auch noch dran und außerdem ein paar Bekannte.Wir müssen aufpassen, dass uns nach dem Wohnzimmer nicht auch nochdas Schlafzimmer genommen wird.

Marion Bembe ist händeschüttelndes literarisches Personal und hat sich dieses

Mal in einem sogenannten Fickcafé Nähe Landstraße eingefunden um mit einer

ihrer Freundinnen über die „60 Minutes before Sex“ zu sprechen – und über Lite-

ratur.

The Town and the City-Wohn- und Schlafzimmer.

Rubrik

Literatur sagt …

Die Elite der Zukunft wird keine Gedichte mehrschreiben, sie wird intelligent, technisch hochbegabtund von einem pervertierten Triebleben sein, und keinBand wird Intellekt und Trieb verbinden.

Aus: Marlen Haushofers Tapetentür. Jüngst wieder gelesen von Pamela Neuwirth.

Page 30: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

30 DIE REFERENTIN

Mit einem sensationellen Auftritt voller Leiden-schaft und kraftvollem Einsatz begeisterte dasösterreichische Frauenfußball-Nationalteam beider EM in den Niederlanden. Der Einzug ins Halb-finale mit einem abgebrühten, knallharten unddennoch mental lockeren (entspanntes Lachenim Gesicht!) Elfmeterschießen gegen Spanienließ die österreichische Volksseele zu neuem Le-ben erblühen. Jubelschreie schallten durch dieoffenen Fenster in diesen heißen Sommertagen.

Die kritische Masse der VerfechterInnen derselbstverständlichen Nennung der „Töchter“ inder Bundeshymne scheint dennoch nicht er-reicht worden zu sein. Wohl noch immer zu we-nig Kampf. Denn entsprechend dem Vokabularder derzeitigen Frauenministerin und einer Wie-ner Stadträtin gibt es Dank an erfolgreicheFrauen v. a. für ihren Kampf. Aber, liebe Ver-antwortliche mit Außenwirkung, wir Frauensind des Kämpfens müde. Müde. Ja, müde! Ichbin nicht auf die Welt gekommen, um ständigfür meinen Platz in der Welt und für meineRechte kämpfen zu müssen. Zu viele Kämpfe.

Zu viele Kämpfe wurden auch im Fußball ver-loren. So gegen die übermächtigen Verbändedes Männerfußballs im Jahr 1972. Nach nurdreijährigem Bestehen wurde die „FIEFF – Fé-dération Internationale et Européenne de Foot-ball Féminin“ in die Knie gezwungen. Odereher auf den Boden geworfen. Die zweimaligesehr erfolgreiche Austragung einer jährlichenWeltmeisterschaft im Frauenfußball mit media-ler Begleitung in den großen Zeitungen, Live-Übertragungen im Fernsehen und mit bis zu110.000 StadionbesucherInnen (!!) in Mexikowuchs zu einem unerträglich bittergroßen Dornim Auge der kapitalistischen Gier und Eitelkeitder patriarchalen UEFA. Diese drohte den na-tionalen Fußballverbänden mit Sanktionen,sollten Frauenteams an der neuerlichen WMteilnehmen, was viele nationale Verbände ver-anlasste, diesen die Teilnahme zu verbieten. Esdauerte 12 Jahre, bis die UEFA einen ersten of-fiziellen, internationalen Bewerb im Frauenfuß-ball ausrichtete.

Den so lobenswert kämpfenden österreichischenFußballfrauen widmete der Hip-Hop-MusikerKid Pex einen eigenen Song, dessen Text er-wähnenswert ist. Meine Lieblingszeile: „Ohnebillige Schwalbe, ohne vorgespielten Schmerz –Eierstöcke und Herz gegen Kommerz“.

Apropos Eierstöcke, auch wir Frauen habenEier, ja wir produzieren sie sogar selbst, natür-lich unbezahlt und kontinuierlich, fast ein Le-ben lang. Ein spezieller Dank all den Töchtern,die die Mütter dieser starken Frauen sind. DieseFrauen haben mit ihrer freudvollen Kompromiss-losigkeit, ihrer taktischen Disziplin und Antizi-pationsfähigkeit, einem laufstarken körperlichenEinsatz, und bis auf das Elfmeter-Verhalten imentscheidenden Halbfinale, durch mentale Stär-ke und einem unbedingten Willen überzeugt.Dies bescherte dem ÖFB das höchste eingespiel-te Preisgeld mit der berechtigten (und hoffent-lich erfolgten) Forderung, diese 700.000 € aus-schließlich in den Frauen- und Mädchenfußballzu investieren, v. a. in die Breite, so der Fach-jargon.

Lobenswert die ORF-Studiosendungen mitmehrheitlich weiblichen JournalistInnen und Ex-pertInnen. Auf eine weibliche Stimmbesetzungder KommentatorInnen bei der Spielübertra-gung bleibt zu hoffen. Aber ob das die männli-che österreichische Fußballseele verträgt … oderüberwiegt schon der weibliche Anteil an Fuß-ballfans bei der Höchstquote von 1,2 MillionenZuseherInnen (Marktanteil von 44 %), die dasElfmeterschießen auf ORF eins sahen? Da fan-gen die Köpfe der MarketingstrategInnen ange-sichts der möglichen Absatzmärkte zum Rau-chen an. Der Kommerz rollt an. Ob der Frauen-fußball davon profitieren kann, ist fraglich.

Profitieren werden auf alle Fälle die vielenMädchen, die sich nun für den aktiven Fußball-sport begeistern. Das Ergebnis einer Studie imRahmen der Aktion „Together #WePlayS-trong“ zur Stärkung des Frauenfußballs besagt,dass Fußball selbstbewusst macht und den Zu-sammenhalt fördert. Sehenswert das Video derImagekampagne.

PS: Ab diesen Sommer lautet die Hymne: Hei-mat bist du großer Töchter!! n

Andrea Winter, krawall-feministische SKVrau mit

sportwissenschaftlichem Blick.

„Oh Burger Burger Burger – oh Nina Nina Nina ich

häng zum Bild vom Krankl – dein Poster in mein

Zimmer“

Liedtext-Tipp: Rot-Weiß-Rote Schwestern, Kid Pex

Sport-Tipp: Die Nr. 1 im Frauenfußball in Linz –

Union Kleinmünchen (1. Bundesliga)

„Mit Eierstock undHerz gegen Kommerz“

Bezahlte Anzeige

Page 31: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

31DIE REFERENTIN

Google sagt zum Würstelstand „WarmerHans“: Dauerhaft geschlossen. Die Bewertunggibt 3,7 von 5 Sterne an – es gibt Abschiedsar-tikel in diversen Tageszeitungen, Beiträge imLokalfernsehen zum Farewell und das stadtei-gene Wiki1 widmet einen Eintrag.ExillinzerInnen lechzten nach dem Ausgehennach der Institution „Warmer Hans“ und Besu-cherInnen der Stadt wurden zu später Stunde zueinem Stelldichein genötigt.Horden von japanischen Gästen verschlangenbiergelenkt die fleischigen Produkte, Hooligansmit selbstgebrachtem Dosenbier sauten mit Kä-sekrainern herum und blasse, schlaksige Jüng-linge und feiste Mädels holten sich nach derTanzschule – noch in Verkleidung – die verlore-nen Kalorien zurück. Die Rede ist von „Legen-de“, Kult und Institution. Ja, sogar die großeElisabeth T. Spira, die Indie-Regietante des def-tigen (Amateur)-Sozialpornos, hatte auch ihrenDreh und menschelte, was das Zeug hielt, he-rum. Es wird gejammert. Der Untergang einerKultstätte wird beweint und einhergehend auchgleich der Untergang von Österreich und derVerlust der großen, stolzen Leitkultur. Für denSlowdude war die versiffte Nische eigentlichimmer ein abstoßender Ort: Räudiges Ambien-te, aber eben nicht kultig genug, um cool zusein. Oft schlechte – ja sehr schlechte Stimmung

Gastrojammern.bis hin zu gelebter Aggression. Unfreundlichesund abgestumpftes Personal – der Slowdude hatBerliner Ansprüche. Pro und Kontra des sozia-len Faktors Würstelstand wurde eben am Bei-spiel „Warmer Hans“ genügend durchexer-ziert. Das viel wichtigere Element der Ausein-andersetzung sollte natürlich der gastronomi-sche Verlust von Pusztalaibchen, des „Bosna-dings“ und der restlichen angebotenen Fleisch-ausformungen sein.Zuallererst, um es abzukürzen: Gott, dem gnä-digen Herrn im Himmel sei es gedankt, dassdiese grausige Fleischschwemme weg ist undnur mehr in Wort und Bild existiert. Die Erin-nerung verklärt. Hoffentlich.Der Slowdude hat einen Test, der die Qualitätvon Fastfood schonungslos ermittelt, entwickelt:Das zu testende Produkt kaufen, mit heim neh-men, kalt werden lassen und am nächsten Tagzuerst kalt und dann aufgewärmt verkosten.Beim Pusztalaibchen war dies aber nicht mög-lich. Hier war es sogar die Intention des Ent-wicklers: das Pusztalaibchen kann nur heiß undab 2 Promille problemlos verzehrt werden – soglaubt der Slowdude. Genauso verhält es sichmit dem schrecklichen „Bosnadings“ in Schne-ckenform. Was da genau drinnen war, wollteund will Mensch nicht wissen. Besser so. n

Impressum Die Referentin – Kunst und kulturelle Nahversorgung Herausgeber, Medieninhaber: Verein spotsZRedaktion und Gesamtprojekt: Tanja Brandmayr, Olivia Schütz. Die Referentin ist ein Kooperationsprojekt mit der Zeitung Versorgerin.

Erscheinungstermin: 1. September 2017

AutorInnen dieser Ausgabe: Die Referentin, Ingo Leinde-cker, Time’s Up, Wiltrud Hackl, Silvana Steinbacher, LisaSpalt, Andrea Lehmann, Theresa Luise Gindlstrasser, TanjaBrandmayr, Michaela Schoissengeier, Marion Bembe, AndreaWinter, The Slow Dude, Johannes Staudinger, Terri Frühling/Elke Punkt Fleisch.Das Professionelle Publikum dieser Ausgabe: Abby LeeTee, Patrick Huber, Linde Klement, Elisabeth Kramer, KlemensPilsl, Us(c)hi Reiter, Gerda Ridler, Jerneja Zavec.

Das Professionelle Publikum ist eine pro Ausgabe wechseln-de Gruppe an Personen aus Kunst und Kultur, die von derRedaktion eingeladen wird, für den jeweiligen Geltungszei-traum Veranstaltungsempfehlungen für unsere Leserinnen undLeser zu geben.

Cover: #MyKelomatResidency von Terry Frühling, 2016.Bericht ab Seite 18.

Lektorat: Sandra BrandmayrLayout: Elisabeth SchedlbergerDruck: Landesverlag Wels

Auflage: 10.000 Stück davon 6.000 Stück Postversand alsEinlage in der Zeitung Versorgerin.Vertrieb: Für den innerstädtischen Vertrieb hat die Redaktionden Fahrradbotendienst VeloTeam engagiert. Die Referentinwird gemeinsam mit der Zeitung Versorgerin vertrieben. Die Referentin liegt in diversen kulturellen Institutionen undanderen Szene-Knotenpunkten in Linz und darüber hinausständig auf. Watch out. Die Referentin kommt außerdem mit der Versorgerin gratis ins Haus! Bestellungen unter: [email protected] [email protected]

Die Referentin wird gefördert von der Stadt Linz (den Ressorts von Eva Schobesberger, Christian Forsterleitner und Doris Lang-Mayerhofer).

Die Referentin: 2,– Euro/2,– Giblinge Erscheinungsweise: vierteljährlich Dank an: servus.at

Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: Die Referentin istein vierteljährlich erscheinendes Printmedium für Kunst undkulturelle Nahversorgung von Linz und Oberösterreich – unddarüber hinaus.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingtdie Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von In-seraten haftet ausschließlich der Inserent/die Inserentin. Fürunaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keineHaftung übernommen. Alle Rechte vorbehalten. Jegliche Artder Vervielfältigung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustim-mung durch die Herausgeberinnen bzw. durch die UrheberIn-nen.

Die Referentin legt Wert auf textliche und stilistische Eigenart– nicht zuletzt wegen der ausgewiesenen literarischen Arbeiteiniger unserer AutorInnen. Abweichende Zeichensetzungenoder fallweise auch Schreibweisen sind deshalb beabsichtigt.

Kontakt:Internet: www.diereferentin.atMail: [email protected]: Die Referentin, Verein spotsZ, Herrenstr. 7/1, A-4020 Linz

Die nächste Ausgabe erscheint am 1. Dezember 2017

Page 32: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

32 DIE REFERENTIN

2015 fuhr der Bildhauer Hans Schabus für sein Kunstprojekt „The LongRoad from Tall Trees to Tall Houses“ mit dem Rennrad von San Francis-co nach New York. Johannes Staudinger fuhr nun mit seinem Rennradvon Linz nach Wien, legte dabei in 8 Stunden und 57 Minuten 232 kmzurück, verbrannte 8506 Kalorien und führte mit Hans ein Atelierge-spräch über das Fahrrad in seiner künstlerischen Arbeit.

Ort und Werkzeug

Hans, wir kennen unsseit 1998 und ich habdich ja nicht kennen-gelernt als Radfahren-den. Aber bei einemTreffen 2014 fiel mir

auf, dass du total süchtig nach Radfahrenwarst und mir erzählt hast, „Ich schaubeim Fenster raus und sobald ich merke,dass das Wetter halbwegs passt, sitz icham Rad“. Was hat dich am Ende dochzum Radfahren gebracht?In meiner Kindheit habe ich als 13-Jähri-ger bei einem Zeichenwettbewerb teilge-nommen und da gewann ich ein 10-Gang-Rennrad. Aber keines von der Sorte, wel-ches man heute noch gerne besitzen wür-de, nichts Cooles, sagen wir so. Es hat inmeinem Umfeld keine Radfahrer gegeben.Mit fünfzehn, sechzehn Jahren waren für

Text Johannes Staudinger

uns Motorräder, Schifahren und im Som-mer Fußballspielen interessant, aber nichtRadfahren. Ich hab mir immer gedacht,wenn ein Radfahrer bei uns auf das Nass-feld, auf den Passo di Pramollo raufgefah-ren ist, um Himmelswillen, das möchteich nie in meinem Leben machen, das istdas Verrückteste, was man im Leben ma-chen kann. Später, als ich bereits in Wienwar, bin ich immer zu Fuß gegangen, weilich so in der Stadt viel gesehen habe, Sa-chen, die für mich neu waren, in den Ge-schäften, den ganzen Stadtvierteln usw.Ich habe für mich so etwas wie eine Kul-tur daraus gemacht, nämlich die des Er-wanderns, oder des Ergehens. So um 1997bezog ich ein neues Atelier in einem ande-ren Bezirk, wo das tägliche zu Fuß Gehendann zu weit wurde. Ich kaufte mir dannein altes Rennrad, ein Francesco Moser,

eine Spur zu klein, aber mit dem fuhr ichin der Stadt herum. Leider wurde mir die-ses Rad 2001 gestohlen. Von einem On-kel, der früher Rennradfahrer war, bekamich daraufhin ein altes Dancelli. Ich binaber noch immer nicht richtig Rennrad-fahren gegangen. Es hat lange gedauert,nämlich bis 2010. Da hab ich mit demRauchen und dem Fernsehen aufgehört,und mit dem Rennradfahren begonnen.Eigentlich über einen Freund, der mir dasBuch von Robert Penn „Vom Glück aufzwei Rädern“ schenkte. Ich las diesesBuch und war praktisch infiziert! Darauf-hin ergab sich eins aufs andere. Hier im20. Bezirk gab es CAPO, das schönsteFahrradgeschäft, welches gerade vor einpaar Wochen zugesperrt hat, in den 80ernumgebaut wurde und eine Betonfassademit einem kreisrunden Fenster hatte, wel-che vom Architekten Carlos Scarpa hättesein können. Ich wusste, CAPO baut Rä-der, ich bin zu ihm rein, ließ mir ein Radbauen und war dann gleich in dieser gan-zen Welt gefangen. Es ist also alles nochnicht solange her.

Es hat nicht lange gedauert und bei einemResidency-Projekt auf Sri Lanka hast duein Fahrrad in deine Arbeit eingebaut?Genau, das war dann ein bisschen später.Im Winter von 2011 auf 2012. Dort hat-ten wir eine Ausstellung in Colombo. Ichwar damals dabei, etwas mit einem alten,rostigen Rad eines Arbeiters der Residen-cy zu machen. Man muss sich vorstellen,die Räder dort sind alle komplett verros-tet wegen der hohen Luftfeuchtigkeit undder salzigen Luft. Der Rahmen hatte rich-tig große Rostlöcher, wo man hindurchse-hen konnte. Andererseits haben die Men-schen dort einen Materialbegriff, dass al-les was glänzt, dauerhaft ist, d.h. Chrom,Glas und Poliermittel sind must-haves. Ichhabe dieses Fahrrad dann zerlegt, die Tei-le abgelaugt, verchromt, wieder zu-sammengebaut und sozusagen so etwaswie eine rückwärtige Veredelung durchge-führt, wobei die Oberfläche noch immerzerfressen war, aber jetzt eben verchromt.Doch irgendwann wird sich der Rost wie-der durch die neue Chromschicht arbei-ten. Anschließend fuhr ich mit dem Rad ineiner Tagesfahrt 150 km zur Ausstellung.Die Straße, der Verkehr sind dort anders,es sind Fußgänger, Fahrradfahrer, Auto-,Lastwagen- und Motorradfahrer alledichtgedrängt beisammen. Das ist, wennman so sagen möchte, ein visuelles Unter-fangen, jeder schaut auf jeden, aber es istauch brandgefährlich, weil der Verkehreinfach anders funktioniert als bei uns.

The Long Road from Tall Trees to Tall Houses. Das Kunstobjekt Fahrrad wartet in seiner Trans-portbox. Foto Johannes Staudinger

Page 33: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

33DIE REFERENTIN

Mit diesem verchromten Rad möchte ichdie Brücke zur letzten Ausstellung schla-gen, wo du 2015 5352 km durch Amerikageradelt bist, „The Long Road from TallTrees to Tall Houses“. Wie ist es dazu ge-kommen?Man muss hier einen Schritt zurückgehen,weil mit dieser Radreise in Sri Lanka undgleichzeitig in Wien, das Begreifen meinerUmgebung mit dem Fahrrad, da hat sichbei mir einiges getan. Nämlich, wie großso ein Wirkungskreis mit einem Rennradsein kann. Man kommt relativ weit undsieht sehr viel. Ich bin von Grund auf einsehr neugieriger Mensch und entdecktedas Fahrrad als Werkzeug, um meineAbenteuerlust zu stillen. Ich hab dannauch begonnen, Wien geographisch ganzanders zu begreifen. Das hat mich irre be-flügelt. Das mit dieser amerikanischenReise hat dann so angefangen, dass dieseRadfahrlust immer größer und größerwurde, fast schon unstillbar, d.h. es ist inmir dieser Wunsch größer geworden ein-fach einmal nichts anderes zu tun als Radzu fahren. Da ich mit den USA gute Er-innerungen verbinde, weil ich einmal inL.A. eine längere Residency hatte, habeich einfach die Liebe zum Radfahren, zurUSA und das Verlangen nach Alleinseinund einfachen Tätigkeiten, wie das Tretender Pedale, miteinander verknotet. An-fangs war es gar nicht als künstlerischesProjekt gedacht, sondern wirklich als Aus-zeit. Dann aber ist der künstlerische Ego-ismus zurückgekommen und hat gesagt,du musst eine Ausstellung daraus machen.

Wie ist dieses Projekt, die Reise mit demRad durch Amerika dann generell vomKunst-Publikum aufgenommen worden?Es ist ja wirklich schwierig, weil was ichnicht möchte ist, dass es sozusagen so et-was Heroisches ist, wenn man so etwasmacht. Weil, das Einzige, was wirklichherausfordernd ist, ist die dafür notwendi-ge Zeit auf die Seite zu schaufeln. Bei mirwaren das sechs Wochen, mit An- undAbreise, 50 Tage, die man organisierenmuss. Ich kann es jetzt schwer einschät-zen, wie so etwas gelesen wird, wie manso was verstehen kann. Für mich war essehr interessant, es zu machen.

Werden jetzt in deiner Kunst öfter Fahrrä-der vorkommen?Nein, das denk ich jetzt nicht, aber... werweiß? Aber interessant ist ja tatsächlich,wie Konrad Paul Ließmann gesagt hat,dass Fahrräder Reflexionsmaschinen sind.Also, dass das so ein Ort ist, so ein Werk-zeug, um über bestimmte Dinge nachzu-denken.

In deinen Arbeiten gibt es immer wiederZitate auf die endlose Säule von Brancusi.Das hat bereits Anfang der 2000er begon-nen, wo du die Säule auch in Rumänien,in Targu Jiu besucht hast. Jetzt gibt es dieIdee von dir, mit deinen Studierenden mitdem Fahrrad von Wien nach Targu Jiu zureisen. Was können sich davon Studieren-de erwarten bzw. mitnehmen?Was interessant ist für Studierende, dieseReise zur endlosen Säule zu machen, isterstens einmal, dass man so was wie einZiel hat, ein Ziel fokussiert, adressiert.Das Ziel ist diese Skulptur von Brancusi,die endlose Säule, die wichtigste Skulpturdes 20. Jahrhunderts, und um diese Skulp-tur zu begreifen, müssen wir für uns denRaum erobern, der hier dazwischenliegt.Erobern im Sinne einer Aneignung, dassman es auch körperlich begreift und er-fährt, als Gruppe, dazu ist das Fahrrad einwunderbares Werkzeug. Deswegen denkeich, dass das für uns alle einfach eine tolleErfahrung werden kann, etwas gemein-sam zu machen. Es auch zu sehen, was dadazwischen ist, und es auch aufzunehmenmit allen zur Verfügung stehenden Synap-sen. n

Johannes Staudinger ist Kolumnist in Angelegen-

heiten rund ums Fahrrad, Sprecher des Vereins

Velodrom Linz und Mitglied der Band MerkerTV.

Links:

Aktuelle Ausstellung: Hans Schabus’ Cafe Hansi

im Mumok, Wien:

" www.mumok.at/de/events/cafe-hansi

Hans Schabus’ Blog „The Long Road from Tall

Trees to Tall Houses“:

" from-tall-trees-to-tall-houses.blogspot.co.at

Buch „The Long Road from Tall Trees to Tall Hou-

ses“, Harpune Verlag:

" www.harpune.at/schabus.html

Nachschau: Ausstellung im Salzburger Kunstverein

„The Long Road from Tall Trees to Tall Houses“:

" www.salzburger-kunstverein.at/at/ausstellungen/

vorschau/2016-02-20/hans-schabus

Nachschau: Ausstellung in Kunsthalle Darmstadt

„The Long Road from Tall Trees to Tall Houses“:

" www.kunsthalle-darmstadt.de/

Programm_3_0_gid_1_pid_151.html

Francesco Moser und CAPO. – Alles hat seinen Platz im Atelier. Foto Johannes Staudinger

The Long Road from Tall Trees to Tall Houses.Hans Schabus unabsichtlich geselfiet, irgendwo inOhio. Foto Hans Schabus

Page 34: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

Patrik Huber ist freischaffen-der Künstler mitinterdisziplinä-ren Projektenzwischen Thea-ter/Performan-ce/Musik.

Sa 23. und So 24. 09. 2017 jeweils 17.00–24.00 hLinz, Donau und Ottensheim, aufSchiffen, in Autos und auf der FähreSPOTTER TRIPDie Fabrikanten

34 DIE REFERENTIN

Das Professionelle Publikum

Abby Lee Tee beschäftigt sichmit Musik, FieldRecordings undumliegenden Ge-filden.

Do 21. 09. 2017 ab 21.00 h StadtwerkstattThe Future Sound #74 mit Lukas Lauermann & Instant Choir

Diesmal gastieren bei unserer„The Future Sound“-Reihe in der

Stadtwerkstatt gleich zwei unsererLieblings-Musiker_innen aus Ös-terreich mit neuen Projekten: Derüberaus umtriebige wie experi-mentierfreudige Cellist Lukas Lau-ermann präsentiert nach zahllosenBandprojekten sein erstes Solo-Al-bum „How I Remember Now IRemember How“ und die großar-tige Mimu Merz beehrt uns ge-meinsam mit den Medienkünst-lern Michael Hackl und ThomasGrill als „Instant Choir“.Infos: "www.stwst.at

Sa 30. 09. 2017 ab 19.00 hKAPU Independent Publishing #10 Seit mittlerweile zwei Jahren findenin der Kapu Veranstaltungen na-mens „Independent Publishing“statt: Eine Art Mikro-Messe für un-abhängige Verlage, allerlei Dru-

ckerzeugnisse von Zines und Co-mics bis Poster und Kunstdruckepräsentierend, aber auch Tonträgeroder T-Shirts. Diesmal mit Hirn-platzt, Victor Dvnkel, EpilepticMedia und Dr. Knoche sowie demominösen Kollektiv Miau Publis-hing.Infos: "www.kapu.or.at

Die Referentin hat für diesen Herbst Abby Lee Tee, Patrick Huber, Linde Klement, Elisabeth Kramer, Klemens Pilsl, Us(c)hi Reiter, Gerda Ridler und Jerneja Zavec um ihre Empfehlungen gebeten und bedankt sich an dieser Stelle dafür. Für unsere Leserinnen und Leser diese ganz persönlichen Tipps hier wieder im Überblick:

6.9.

6.9.

6.9.

23.+24.9. 6.–14.10.

10.–12.11.

23.+24.11.

1.12.17–30.6.18

bis 23.9.

ab 5.10.

6.10.

2.11.

16.11.

11.9.

12.9.

14.9.

15.9.

15.9.

21.9.

9.9.

9.9.

9.9.

28.9.

30.9.

SPOTTER TRIP „Work for the dead“, © Club Real

Foto: Helga Traxler

Bezahlte Anzeige

Foto: Thomas Smetana

Page 35: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

Live Art und Theater-Miniaturen für ein sehr kleines Publikum oder One-to-one.Die Fabrikanten stehen für einAusloten interdisziplinärer Ansät-ze im darstellenden Bereich unddeswegen ist dieser Termin einMUST für jeden experimentier-freudigen Zuseher.Infos: "www.fabrikanten.at

Sonic Saturday 09. 09. 2017 Music Monday 11. 09. 2017 ARS Electronica Festivalin Kooperation mit derAnton Bruckner Privatuniversität undKunstuniversität Linz Sound Art bei der ARS Electronica– watch out!Info: "www.aec.at/aeblog

Linde Klement Mitarbeiterin imafo architektur-forum Oberös-terreich, frei-schaffende Foto-grafin.

Eröffnung Di 12. 09. 2017 19.00 hafo architekturforum oberösterreichNeue Standards – Zehn Thesen zum Wohnen

Olaf Bahner und Matthias Böttgerkuratierten die Ausstellung fürden Bund Deutscher Architekten,die erstmalig im Deutschen Archi-tekturzentrum DAZ in Berlin ge-zeigt wurde – nun ab 12. Septem-ber ist sie bei uns im afo zu sehen.Dazu gibt es ein spannendes Rah-menprogramm mit Führungen,Vorträgen und Diskussionen.Zehn Architektinnen und Archi-tekten fordern einen Perspektiven-wechsel und plädieren für „NeueStandards“, die die vermeintlicheSicherheit technischer Normen ge-gen die Chance auf eine Qualitäts-diskussion eintauschen.Ausstellung bis Sa 28. 10. 2017Infos: "www.afo.at

bis Sa 23. 09. 2017 FOTOHOF, SalzburgG.R.A.M. − Der Regenschirm,die Schaufeln und der koreanische TanzAls Fotografin freue ich michschon auf die interessanten Beiträ-ge, die im FOTOHOF in Salzburgausgestellt sind – immer wiedereine Reise wert.Bis 23. September ist die Ausstel-lung von G.R.A.M, „Der Regen-schirm, die Schaufeln und der ko-reanische Tanz“ zu sehen.Infos: "www.fotohof.at

Elisabeth Kramer ist Buchhändle-rin, Holzbild-hauerin und ar-beitet als frei-schaffendeKünstlerin mit

den Methoden des Räumlichen.Sie lebt und arbeitet im Haus-ruckviertel und in Linz.

Mi 06. 09. 2017 18.00 hUrsulinensaal, Ursulinenhof LinzOUT OF DÖRFL – Der FilmEin filmisches Portrait von Künst-lerInnen – die teils Jahrzehnte aus-

35DIE REFERENTIN

einander sind und doch vieles ge-meinsam haben – eine Begegnungmit Stimmungsbildern, Wertvor-stellungen und auch dem Mythosvom KünstlerInnendasein imEgon-Hofmann-Atelierhaus, dasin Linz seit 1957 besteht. Die Be-deutung eines solchen Produk-tions- und Kommunikationsorteszu beleuchten und den Diskurs an-zuregen ist sehr groß! – vor allemim Hinblick auf aktuelle Debattenund sogenannte Sparmaßnahmen,die vor allem Kunst- und Kulturin-stitutionen betreffen. Unbedingt ansehen, MYSTERY.Filmproduktion: Margit Grein -öcker und Elisabeth Kramer

Ausstellung Neue Standards im DAZ © schnepp • renou

Foto: Wolfgang Wimmer

OUT OF DÖRFL Filmstill mit Charles Kalten -bacher, Margit Greinöcker, Elisabeth Kramer.

Foto: Simon Hipfl

Bezahlte Anzeige

Bezahlte Anzeige

Page 36: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

immer donnerstags ab 05. 10. 2017Kinderkulturzentrum KuddelmuddelAusdrucksspiel

Das Kuddelmuddel betreibt seitvielen Jahren elementare Kulturar-beit und -vermittlung für Kids ab2 Jahren. Neben zeitgenössischenTheaterproduktionen (Regenbo-genfisch!) gibt es zahlreiche Work -shops von Basteln bis Zirkus. FürKinder ab 4 Jahren ist das im Okt-ober wieder startende „Ausdrucks-spiel“ ein bewährtes Highlight vonund mit der Theaterpädagogin undSchauspielerin Margit Zierhut. In10 Wochen erarbeiten die Kleinengemeinsam ein Theaterstück undbringen es zur Aufführung.Infos: "www.kuddelmuddel.at

36 DIE REFERENTIN

Eröffnung Mi 06. 09. 2017 19.00 hStudiogalerie der KUNST -SAMMLUNG, Ursulinenhof LinzOUT OF DÖRFL –Die Ausstellung

Ausstellungsdauer inklusive Filmbis 04. 11. 2017Infos: "www.diekunstsammlung.at

Do 14. 09. 2017 19.00 hNORDICO Stadtmuseum Linz Egon-Hofmann-Haus –Film und DiskussionFilmvorführung anlässlich des Ju-biläums 60 Jahre Egon-Hofmann-Haus. Im Anschluß stellen sich An-drea Bina (Leiterin NOR DICO),Margit Greinöcker (Künstlerin undVerwalterin Egon-Hofmann-Haus)und Elisabeth Kramer (Künstlerin)gemeinsam mit dem Publikum derFrage nach dem Wert der Gemein-schaft der Kunst.Infos: "www.nordico.at

Fr 06. 10. 2017 20.00 hJazzkeller im MautnerschlossBurghausen a. d. Salzach,Deutschland Jam-Sessions im Jazzkeller Burghausen

Die „Offene Bühne“ mit Jam Ses-sions im Jazzkeller Burghausenräumt mit (eventuellen) „Jazz“-Vorurteilen auf. Für mich ein Ge-heimtipp in Sachen Live-Jazz mitoft unerwarteten Schattierungen,MusikerInnen aus der Region Süd-bayern und Oberösterreich jam-men, variieren. Viel Spaß!Weitere Sessions, jeweils 20.00 h: Fr 03. 11. 2017, Fr 01. 12. 2017Infos: "www.b-jazz.com

Klemens Pilsl ist Soziologe,Text- & Kultur-arbeiter. Er ar-beitet undschreibt meis-tens für dieKUPF – Kultur-

plattform OÖ.

Fr 01. 12. 2017 bis Sa 30. 06. 2018verschiedene Orte in Linz, Welsund SteyrLehrgang Kunst- & Kulturmanagement

KUPF & BFI bieten einen berufs-begleitenden Lehrgang zu Kunst-und Kulturmanagement an. DerAnspruch ist die qualitätsvolleWeiterbildung von Menschen, dieim Kunst- & Kulturbetrieb arbei-ten und Verantwortung überneh-men. Die Idee dahinter: Kulturein-richtungen leisten einen relevantenBeitrag zur Bewältigung gesell-schaftlicher Herausforderungen;der Lehrgang soll dazu beitragen,den ProtagonistInnen der Kultur-arbeit diese Chancen bewusst zumachen und sie für diese Rolle in-haltlich und methodisch zu wapp-nen.Infos: " lehrgang.kupf.at

Bezahlte Anzeige

Foto: ZoeFotografie

Page 37: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

Fr 15. 09. 2017 20.30 hLinzer Astronomische Gemeinschaft„Johannes Kepler“ Sternwarte Linz, FreinbergSternführung: Sternhaufen:Wo 100 Sonnen funkeln

Ein Besuch, den ich mir schon lan-ge vornehme! Bisher hat mir dasWetter immer wieder die Aussichtvernebelt. Sonst finde ich die Ho-mepage großartig! Ich freue michaufs Eintauchen in die Sternenweltund aufs Astro-Freaks treffen.Infos: "www.sternwarte.at

Gerda Ridler ist wissenschaft-liche Direktorindes Oberöster-reichischen Lan-desmuseums.

Do 02. 11. 2017 18.30 hSchlossmuseum LinzOberösterreich ist überdurchschnittlich!

Vortrag und Diskussion im Rahmen der Ausstellung „Wir sind Oberösterreich!“

37DIE REFERENTIN

Us(c)hi Reiter beschäftigt sichmit digitalenMedien, alterna-tiver Software,neuen Techno -logien und ge-

sellschaftlichen Implikationen ei-ner vernetzten Gesellschaft.

Sa 09. 09. 2017 OK im OÖ Kulturquartier„From C to X: networked femi-nisms, explores the theoriesand practices of cyberfemi-nism, xenofeminism and femi-nist critiques of technology“

Diana McCarty im Panel mit Vir-ginia Barrett (VNS Matrix), AnnieGoh und Alla Mitrofanova.FACES – ein Netzwerk von inter-nationalen Frauen im Kontext vonGender, Kunst und Technologiefeiert sein 20-jähriges Bestehen imRahmen von STWST48x3 MINDLESS und bei der Ars Electronica.Das Netzwerk ist seit 2001 bei ser-vus.at gehostet und wird von Ka-thy Rae Huffman, Valie Djordje-vic, Diana McCarty und Uschi Rei-ter betreut. Die Faces Mailing-Lis-te startete 1997 als pragmatischeAntwort auf die Bedürfnisse einerkleinen, aber wachsenden Zahl vonFrauen, die sich mit neuen Medienbeschäftigten.Infos: "www.faces-l.net

Johannes Kepler Sternwarte Foto: Herbert Raab

Foto: Oö. Landesmu-seum, A. Bruckböck

Junge Künstlerin trifft auf AbelFoto: Oö. Landesmuseum, R. Maybach

Bezahlte Anzeige

Do 16. 11. 2017 Kepler Salon Wie wird hier gesprochen?

FIFTITU% lädt in Kooperationmit dem Kepler Salon zur Podi-umsdiskussion über die aktuellenProbleme und Trends einer sensi-blen, nicht-diskriminierendenSprache in den Kepler Salon ein.Wer einen intersektionellen Blickaus den Bereichen queere Linguis-tik, feministische Sprache, Er-wachsenenbildung und Deutschals Fremd-, Deutsch als Zweit-sprache bekommen will, ist herz-lich willkommen.Diskutant_innen: Persson PerryBaumgartinger, Vlatka Frketicund „Das Kollektiv“.Infos: "www.fiftitu.at

Fr 06. bis Sa 14. 10. 2017Ljubljana, SlowenienCity of Women

Lust auf einen Ausflug? Es sindnur ca. vier Stunden Autofahrt bisnach Ljubljana, um dort zwischen6. und 14. Oktober das 23. Inter-nationale Festival für zeitgenössi-sche Kunst genannt City of Wo-men zu besuchen. Jedes Jahr ser-viert dieses Festival zahlreiche undgroßartige Performances, Ausstel-

Jerneja Zavec ist Philosophinund Politikwis-senschaftlerin,sie arbeitet beiFIFTITU% – Fe-ministisches Fo-rum für Frauen*

in Kunst und Kultur in Oberös-terreich. Ihre Schwerpunkte sindFeminismus und Migration in Be-ziehung zu Kunst und Kultur.

Foto: Petra Moser

Illustration: Silke Müller

Grafik: City of Women

Oberösterreich im Spiegel der Sta-tistik – pointiert präsentiert vonDr. Werner Lenzelbauer, Leiterder Abteilung Statistik des LandesOberösterreich. Prägnante Analy-sen geben spannende Einblicke inhandverlesene Besonderheiten ausden Bereichen Bevölkerung, Wirt-schaft, Bildung, Familie und Kul-tur. Für alle interessierten Teilneh-mer/innen findet um 17.30 Uhreine Führung durch die Ausstel-lung statt (Eintritt frei).Infos: "www.landesmuseum.at

Eröffnung Do 28. 09. 2017 19.00 hLENTOS Kunstmuseum Linz STERNE. Kosmische Kunst von 1900 bis heute Sterne faszinieren uns alle. Aber:sind die schimmernden Sternewirklich noch zum Greifen nah?Die Lichter der Großstädte habenvielfach den Sternenhimmel ver-drängt.  Die medienübergreifendeAusstellung im Lentos stellt vor,wie KünstlerInnen unsere Bezie-hung zur Unendlichkeit des Ster-nenhimmels ausloten und sich mitdem Funkeln der Sterne und dessengegenwärtigem Verlust ausein-andersetzen.Infos: "www.lentos.at

Page 38: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

38 DIE REFERENTIN

Bezahlte Anzeige

Time’s Up konzipierte Inszenie-rung eines ganzen Hafenviertelsder fiktiven Stadt Turnton.Die Referentin berichtet ab Seite 7dieser Ausgabe ausführlich überdas Projekt und empfiehlt allenBesucherInnen von TurntonDocklands sich nach Ankunft zu-erst einmal in der HafenkneipeMedusa umzusehen und zu hören.In diesem Sinne: Always Arts- andCulture!Ausstellungsdauer bis 22.10.2017Infos: "www.timesup.org"www.lentos .at

Sa 23. 09. bis So 24. 09. 2017 Linz, Donau und OttensheimSPOTTER TRIP Die Fabrikanten

Mit „SPOTTER TRIP“, ein LiveArt Projekt, laden Die Fabrikan-ten zu einer performativen Fahrtbzw. Überfahrt der anderen Art.Für jeweils 1–12 Personen entwer-

fen internationale KünstlerInnenpartizipative und experimentelleSettings in Bussen, Booten und ineinem Auto auf der Drahtseilbrü-cke in Ottensheim. Bei SPOTTER TRIP sind Sie einge-laden, sich beunruhigen zu lassenund eine aktive Rolle zu spielen. Mit an Bord sind u. a. die deutsch-österreichische Performance-Truppe CLUB REAL, die WienerClownin und Performerin MarthaLabil, das Linzer Enfant TerriblePatrick Huber, das ungarischeTheater-Ensemble ZIGURRET,Vida Cerkvenik Bren vom slowe-nischen Theaterkollektiv KudLjud, der Doyen der PerformanceArt Boris Nieslony und die aus Aus-tralien stammende Cross-Over-Künstlerin Sarah Jane Norman.Steigen Sie ein: " www.fabrikanten.at/faqund brechen Sie auf!

Eröffnung Fr 15. 09. 2017 09.00–12.00 h HAK Schärding, Schulstraße 3CARNEVAL OF FEAR Life starts when fear endsDas von Natalie Ananda Assmannund Julia Karnel gegründeteKunst-Kollektiv „I Need Lovers“,

lädt nationale und internationaleKünstlerinnen in die Grenzstadtein, um diese für zwei Tage in einegroße Bühne zu verwandeln.

Die gezeigte Vielzahl von Kunstund Kultur, die Beteiligungsmög-lichkeit an den verschiedenstenFormaten wie Diskussion, Works-hop bis hin zum Frühshoppen undgemeinsamen Fußballtraining, sol-len, so die Veranstalterinnen, kol-lektive Ängste transformieren undin Schärding ein Zeichen für soli-darisches Zusammenleben setzen. Die Referentin möchte besondersauf die Eröffnung, in deren Rah-men das Community-Theater-Pro-jekt „Perspektiven des Alltags.Neues Oberösterreich“ von Pan-gea. Werkstatt der Kulturen derWelt in Kooperation mit Volks-bühne Wien, JAAPO und mkh°mit anschließendem Publikumsge-spräch aufgeführt wird, hinweisen.

Carneval of Fear Foto: Andrea Peller

lungen, Installationen, Konzertesowie Vorträge mit und von trans-nationalen queer-feministischenKünstler_innen undTheoretiker_innen. Infos: "www.cityofwomen.org

Tipps von Die Referentin

Eröffnung Mi 06. 09. 2017 19.00 hLENTOS Kunstmuseum Linzim Rahmen des Ars Electronica Festivals/Featured Artist-Reihe Turnton DocklandsTime’s Up

Ganz viele Personen um uns he-rum sind diesen Sommer auf dieeine oder andere Weise in das Ent-stehen von „Turnton Docklands“eingebunden gewesen. Kein Wunder, handelt es sich beiTurnton Docklands um die von

DIE REFERENTINKunst und kulturelle Nahversorgung

Turnton Docklands Foto: Elisa Unger

SPOTTER TRIP „Work for the dead“, © Club Real

Page 39: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

39DIE REFERENTIN

Bezahlte Anzeige

Ein ausführlicher Bericht ist abSeite 20 zu lesen.Festivaldauer Fr 15. 09. bisSo 17. 09. 2017Infos: "www.carnevaloffear.com"www.pangea.at

Fr 10. bis So 12. 11. 2017 Alter Sch8hof, Welsmusic unlimited 31

Zum 31. Mal veranstaltet der Kul-turverein waschaecht das allseitsbekannte und beliebte „music un-limited“.In diesem Jahr kuratiert das Festi-val für Experimentalmusik die inNew York lebende GitarristinMary Halvorson unter dem Titel„Ribbons Of Euphoria“.Die umtriebige Musikerin spieltselbst in verschiedenen Formatio-nen. Genau genommen sind eszehn – Mary Halvorson’s CodeGirl, Mary Halvorson Octet,Mary Halvorson Septet, MaryHalvorson Quintet, Mary Halvor-son Trio, Mary Halvorson & Jes-sica Pavone, Reverse Blue,Thumbscrew, Secret Keeper undPeople.Zwischen ihren Auftritten inter-pretiert sie mit KollegInnen bspw.ein Musikstück von John Zorn.Die Referentin ist beeindruckt undfreut sich auf ihre Wahl in Wels.Das Programm ist unter:"www.musicunlimited.atzu finden.

Do 23. und Fr 24. 11. 2017 MAERZmaerz sprachkunst 5: Autorenmusiksprechbohrer

Do 23. 11. 2017 Gespräche/Lesungen 18.30 h/20.00 hFr 24. 11. 2017 Gespräche/Aufführungen 18.30 h/20.00 hCrauss, Florian Neuner, KarinSpielhofer, Robert Stähr, Christi-an Steinbacher, Mathias Traxlerund Elisabeth Wandeler-Deck le-sen am 23. 11. im Rahmen von

Foto: Jacob Blickenstaff

„maerz Sprachkunst“. Am darauf-folgenden Tag werden die Stückeaufgeführt, die sie für das KölnerSprachKunstTrio „sprechbohrer“(Sigrid Sachse, Harald Muenz, Ge-org Sachse) geschrieben haben.Infos: "www.sprechbohrer.de"www.maerz.at

So 10. 09. 2017 14.00 hArs Electronica Festival 2017Knowledge Capital Room, PostcityMYTHOS VON THEUTHqujOchÖEinmalige performative Aufführungdes Spiels.Testspiele während des Festivalsvon 7. bis 11. September vor Ort.

Als er aber an die Buchstaben ge-kommen, habe Theuth gesagt:„Diese Kunst, o König, wird dieÄgypter weiser machen und ge-dächtnisreicher.“ So lautet der My-thos über die Erfindung der Schriftin Platons Schrift „Phaidros“.MYTHOS VON THEUTH nimmtdies als Fundament für eine spiele-rische Auseinandersetzung mitMedientheorien von der Antikebis zur Gegenwart. Durch das alteAthen wandernd, sammeln bis zusieben Personen unterschiedlicheMedien und treffen dabei auf Be-rühmtheiten der Medienphiloso-phie. Vilém Flusser fährt bis zumAbwinken in die telematische Ge-sellschaft, Laura Mulvey wirft ei-nen freudigen Blick auf unser Er-innerungsvermögen und MarshallMcLuhan erhält endlich seinewohlverdiente „Botschaft”. Überzwölf Stationen hinweg kommenSmartphones, Zeitungen, Lego-steine, Schlafmasken, Briefmarkenund andere Medien zum Einsatz,um dem von Platon überliefertenMythos auf die Spur zu kommen.Wer es schafft, mit einer Mi-schung aus Strategie, Glück undWissen den Auftrag am schnell-sten zu erfüllen, wird am Ende alsgöttliches Medium verehrt!Beim diesjährigen Ars ElectronicaFestival erblickt MYTHOS VONTHEUTH das Licht der Welt undwird am Sonntag, den 10. Septem-ber um 14.00 h im Knowledge Ca-pital Room in der Postcity vonvier Persönlichkeiten aus Medien-kunst und Medienphilosophie in ei-ner einmaligen Performance gespielt."www.qujochoe.org"www.aec.at

Page 40: # 9 September/Oktober/November 2017 Linz DIEREFERENTdiereferentin.servus.at/wp-content/uploads/2017/09/die_referentin09_final_web.pdf · Grenzgängerin zwischen den Sinnen Lisa Spalt

Die kleine Referentin