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daskun$rcrk zeitschrift furmoderne kunst 1XLil 1989 mäz verlaq w. kohlhammer stuttoart berliö köln

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daskun$rcrk

zeitschriftfur moderne kunst

1 XLil 1989mäz

verlaqw. kohlhammerstuttoartberliö köln

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David Hockney - Fotocol lagen

Dany Kel ler Galer ie, München(24. Dezember 1 9BB-8. Januar 1 989)

David Hockneys Arbei ten mit der Kamerasind zu einem großen Werkkomplex ange-wachsen: Von Februar bis Jul i 1982 ent-standen uber 140 Polaroid-Col lagen undvon September 1982 bis August 1986 231Fotocol lagen mit e iner Pentax-1 10(Pocket)-Spiegelref lex- und einer Nikon-Kleinbi ldka-mera. Dagegen malte der als Maler der eng-l ischen Pop Art in den sechziger Jahren be-kannt gewordene Künst ier in produkt ivenZeiten sel ten mehr als 20 Gemälde im Jahr.In der Zei t der Kameraarbei ten stagniertedie Gemäldeproduxl ion fast ganz. Daranwird s ich auch nichts ändern, da der inzwi-schen 51jähr ige, in Los Angeles und Lon-don lebende Hockney nach den Kameraar-bei ten nicht zur Malerei zuruckgekehrt is t ,sondern mit zwei Fotokopierern an mehrfar-bigen , ,Home made pr ints ' zu arbei ten be-gonnen hat.Die Kameraarbei ten entstanden gegenläuf igzJm Malereiboom Anfang der achtzigerJahre. Gerade als die Zei I der Grupoenaus-stel lungen mit exper imentel len Fotoarbei ten- Fotosequenzen und Foto-Texten - zuEnde ging, begann Hockney, mit den Kame-raarbei ten eine Al ternat ive zur zentralper-spekt iv ischen Abbi ldung zu entwickeln" FürHockney war in ab 1 969 entstehenden Ge-mälden der bühnenart ig-rechteckige Ka-stenraum von Komposi t ionen mit Zenlral-perspekt ive ein Weg, , ,e inen wirk l ich ein-deut igen Raum zu schaffen, einen Raum, indem man sich s icher fühl te." (D. H. - EineRetrospekt ive, Köln 1988, S. 83). Hockneyemofand diese Komoosi t ionsweise bald alsSackgasse, kam aber erst mit den Kame-raarbei ten zu einer neuen Lösung.Der Künst ler begann zunächst, mit e iner Po-laroid-SX 70-Kamera Personen und ihreUmgebung in bis zu 187 Detai laufnahmenzu zer legen. Beim Zusammensetzen derDetai laufnahmen bi lden die bei Sofortbi l -dern unvermeidl ichen Ränder ein weißesGit ter . Abschneiden der Ränder würde dieSofortbi lder zerstören.Durch den Wechsel vom Sofortbi ld zu Pok-ket- und Kleinbi ldaufnahmen wird das Git tervon einem neuen Col lagepr inzip abgelöst :Das jetzt mögl iche Zusammenkleben vonversetzt übereinander geschichteten Abzu-gen er laubt es, mit Mehrfachabbi ldungenund mit of fenen Rändern zu arbei ten. Dieseoem wandernden Bt ick analoge Arbei ts-weise steht im Kontrast zur Standardfoto-graf ie mit starrem Bl ickpunkt und rechtecki-gen Bi ldgrenzen.Hockneys Fotocol lagen sind Fotosequen-zen der Hol länder Ger Dekkers und JanDibbets sehr ähnl ich, d ie ebenfal ls ein Mot ivaus mehreren Bl ickwinkeln zeigen. Dochwährend die Hor länder ihre Sequenzen sei IEnde der sechziger/Anfang der s iebzigerJahre nach ser ie l len Konzepten konstru-ieren, arbei tet Hockney intui t iv : Stat t dermechanischen Ausführung eines festste-henden Konzepts werden, in te i {weise zei t -raubenden Prozessen, Komposi t ionsmög-l ichkei ten ausprobiert , indem dle Anordnung

der Abzüge laufend verändert wird. Das art i -st ische Moment, das die Hol länder mit kon-zeptuel len Verfahren reduzieren, wird vonHockney wieder betont.Die in der Galer ie von Dany Kel ler vorge-stel l ten Fotocol lagen stammen aus einerSer ie von 40 Mult ip les, d ie Hockney in einerAuflage von bis zu 20 Exemplaren mit wie inden Original-Col lagen angeordneten Abzü-gen zusammenkleben l ieß. Die ausgestel l -ten Arbei ten zeigen dle Entwicklung der Fo-tocol lagen von ihren Anfängen 1982 bis zurersten Ausrei fung 1983. In , ,The Grand Ca-nyon South Rim with Rai l " vom Oktober1982 setzt Hockney einen Landschaftsaus-schni t t aus s ich uber lagernden Aufnahmenzu einem Rechteck zusammen, dessenLängssei ten nach oben gekrümmt sind. Mo-t ive wle Bäume oder Bergumrisse, die aufeinem Bi ld scharf a ls Vordergrundumrisseerscheinen, können im nächsten Bi ld, indem sie im Hintergrund erscheinen müßten,wegen Unschärfe und überbel ichtung un-kennt l lch werden, wei l s ich die Bel ichtungund die En[fernungsmessung immer amVordergrund or lent ier t . Durch diese Hel l ig-kei ts- und Schärfesprunge wird der Be-trachter vom Anbl ick der ganzen Col lagedazu geführt , den Bl ick von Kameraeinstel-lung zu Kameraeinstel lung, von Detai l -schärfe zu Detai lschärfe wandern zu lassen.Die wechselnde Detai lschärfe ist der s ichbeim Rundbl ick verändernden Augenak-kommodat ion vergleichbar. ln , ,David Gra-ves looking at Bayswater London" vom No-vember 1982 wird der in einer Kurve zwi-schen Boden und Fenster wandernde Ka-merabl ick so in die Bi ldf läche geklappt, daßaus l inearen Umrissen beim Zusammenkle-ben der Aufnahmeserien Kurvaturen wer-r ion Flrhoi arnohon cinh arrcnafrenclara'

Ränder als beim Landschaftsbi ld vom,,Grand Canyon". ln , ,An evening at Chr i -sfonhcrs" vom Dezember 1982 reduziertHockney die Kurvatur und konzentr ier t s ichdarauf, Räume zu dehnen und zusammen-zuziehen, um so einem von Detai l zu Detai llangsam fortschrei tenden oder schnel l hüp-fenden Bl ick nachzustel len. So zeigt er d iel inke Sei te von Chrlstopher lsherwoodsWohnzlmmer ausfuhr l ich und reduziert d leAnzahl gezeigter Detai ls nach rechts hin im-mer mehr. Die Personen der Gesprächs-runde werden al lerdings noch als starre Ob-jekte des in die Runde schweifenden Ka-merabl icks dargestel l t - a ls mußten die an-wesenden Personen wie bei a l ten Gruooen-fotos während der Arbeit des Fotografenst i l lhal ten. In der wenig später im selbenMonat entstandenen Arbei t , ,Bi l ly Wi lderl ight ing his c igar" ls t n icht mehr der Raum,sondern die Tät igkei t e iner s ich elne Zigarreanzündenden Person bi ldbest immend.Hockney kann best immte Tei le * h ier Kopf,Hände und Zigarre - mehrfach in verschie-denen Haltungen und Kameraelnstel lungenzeigen und so ihre Bewegung darstel len.Zugleich werden die mehrfach wiederkeh-renden Mot ive hervorgehoben und einfachdargestel l te Tei le - h ier zwel Gläser - unter-geordnet. In , ,Fredda br inging Ann and me acup of tea" vom 1 6. Apr i l 1 983 faßt Hockneyseine Exper imente mit v ie l f igur igen Darstel-lungen, die nach , ,Bi l ly Wi lder l ight ing his

cigar" entstanden sind, zusammen. Hock-ney hebt durch Mehrfachbel ichtung be-stimmte N,4omente des Balance-Akts hervor,mit dem . ,Fredda" drei Tassen eine Veran-datreppe hinunter zu , ,Ann" und Hockneyim Garten transport ier t . Die v ie lverzweigtaufgesplitterte Collage konzentriert sich aufdie Akt ion, besonders auf die Tassenüber-naho en Ann' r lor d ia maiclon Fntne f lp-

widmet werden. Von der räumlichen Si tua-t ion werden fast nur die Tei le gezeigt , d iebei dem Handlungsablauf eine Rol ie spie-len: Was sich zwischen Veranda und denGartenstuhlen bef indet, wird wei tgehendausgespart .Zum Jahreswechsel 1982/83 entwickel tHockney die Fotocol lagen vom Land-schaftsbi ld im Handtuchformat, zu dem sicheine Vielzahl von Aufnahmen noch lucken-los zusammenfügen, über Innenraumdar-stel lungen mlt gedehnten und verkürztenRaumtei len zum vielverzweigten Gruppen-bi ld mit s ich bewegenden Personen. Beidieser Entwicklung verändern s ich mit derIt/ lotivauswahl auch die Darstellungsmittelund umgekehrt .Hockney beschneidet die Fotos nicht undarbei tet in jeder Col lage mit g le ich großenAbzügen. Die engl ischen Landsleute Gi lbert& George dagegen beschneiden und ver-größern die Mot ive ihrer Fotoarbei ten bel ie-big. Außerdem t i lgen sie sämtl lche Spurendes Cot laglerens. Diesem postmodernen,von Real i tätsbezugen und Trägereigen-schaften befrei ten Umgang mit Bi ldzeichensetzt Hockney eine moderne, dem Kubis-mus verwandte Real i tätsbefragung entge-gen: Er häl t an der exper imentel len Unter-suchung mögl icher Verf lechtungen der dreiMomente: physische Real i tät der Außen-welt , Bi ldmit te l und menschl iches Sehenfest . Diese drei Momente werden bei derEntwicklung der Fotocol lagen zwischen1982 und 1983 zunehmend enger miteinan-der verf lochten. Hockney begibt s ich, indemer zugleich am exper lmentel len Charakterwie am Art ist ischen festhäl t , in einen Be-reich außerhalb der Dichotomie konzeptu-el l -exper imentel ler Redukt ion des Art ist i -schen contra art ist ische Anwendung maler i -scher Tradi t ionen. Diese Dichotomle hat dieKunstdiskussion der s iebziger und zu Be-ginn der achtziger Jahre best immt. In derderzei t igen Si tuat ion, in der diese Dichoto-mie als Zwangsjacke erscheint , zeigenHockneys Kameraarbei ten einen mögl ichenAusweg. Thomas Dreher

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Links unten: Don and Christopher, Los Angeles, 6th March 1982. Polaroid Collage. Bildquelle: URL: http://1.bp.blogspot.com/-Mlxs8wrw5AI/UQeMLl1-EuI/AAAAAAAAWEQ/o84ZpN64TtQ/s1600/CP045.jpg

Oben: The Grand Canyon South Rim with Rail, October 1982. Fotocollage. Bildquelle: URL: http://www.artnet.com/artists/david-hockney/the-grand-canyon-south-rim-with-rail-arizona-oct-z0maL-BtnzH0Bobc10u10A2

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Rechts: An Evening at Christopher´s, Santa Monica, December 1982. Fotocollage. Bildquelle: URL: http://www.artnet.com/artists/david-hockney/an-evening-at-christophers-OzStkInmXC_CSjrZXgLemQ2

Links: David Graves Looking at Bayswater London, November 1982. Fotocollage. Bildquelle: URL: https://sites.google.com/site/missfastnacht/hockney-inspired-photo-collage

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Rechts: Fredda bringing Ann and Me a Cup of Tea, 16th April 1983. Fotocollage. Bildquelle: URL: https://de.pinterest.com/pin/300544975105042596/

Links: Billy Wilder Lighting his Cigar, December 1982. Fotocollage. Bildquelle: URL: http://theweirdshow.info/david-hockney/