· Created Date: 6/26/2012 3:40:51 PM

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Anhang A Abkürzungen und Notationen Der besseren Übersicht wegen stellen wir hier einige Abkürzungen und Notationen zusammen. Abkürzungen alZ Algebraischer Zugang anZ Analytischer Zugang DGl Differenzialgleichung KlM Klassische Mechanik MZI Mach-Zehnder-Interferometer ONS Orthonormalsystem PBS Polarizing beam splitter (Polwürfel) QC Quantencomputer QM Quantenmechanik QZE Quanten-Zenon-Effekt SGl Schrödingergleichung VONS Vollständiges Orthonormalsystem VSKO Vollständiges System kommutierender Observabler Operatoren Zur Bezeichnung des Operators, der einer physikalischen Größe A zugeordnet ist, gibt es mehrere Schreibweisen, unter anderem: 1) A, also das Symbol selbst, 2) O A, Schreibweise mit Dach, O x , O p 3) A, kalligrafische Schreibweise, 4) A op , Schreibwei- se mit Index. Es muss jeweils aus dem Kontext klar werden, was gemeint ist. Für spezielle Größen wie den Ort x findet man auch die Großschreibung X für den Operator. J. Pade, Quantenmechanik zu Fuß 1 201 DOI 10.1007/978-3-642-25227-3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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  • Anhang AAbkürzungen und Notationen

    Der besseren Übersicht wegen stellen wir hier einige Abkürzungen und Notationenzusammen.

    Abkürzungen

    alZ Algebraischer Zugang

    anZ Analytischer Zugang

    DGl Differenzialgleichung

    KlM Klassische Mechanik

    MZI Mach-Zehnder-Interferometer

    ONS Orthonormalsystem

    PBS Polarizing beam splitter (Polwürfel)

    QC Quantencomputer

    QM Quantenmechanik

    QZE Quanten-Zenon-Effekt

    SGl Schrödingergleichung

    VONS Vollständiges Orthonormalsystem

    VSKO Vollständiges System kommutierender Observabler

    Operatoren

    Zur Bezeichnung des Operators, der einer physikalischen Größe A zugeordnet ist,gibt es mehrere Schreibweisen, unter anderem: 1) A, also das Symbol selbst, 2) OA,Schreibweise mit Dach, Ox, Op 3) A, kalligrafische Schreibweise, 4) Aop, Schreibwei-se mit Index. Es muss jeweils aus dem Kontext klar werden, was gemeint ist.

    Für spezielle Größen wie den Ort x findet man auch die Großschreibung X fürden Operator.

    J. Pade, Quantenmechanik zu Fuß 1 201DOI 10.1007/978-3-642-25227-3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

  • 202 A Abkürzungen und Notationen

    Mehrteilchenzustände

    Bei zwei Quantenobjekten legt, wenn sonst weiters nichts vermerkt ist, die Positiondie Objektnummer fest.

    jnmi D jn1m2i (A.1)Dabei können n undm für jeweils eine einzige oder mehrere Quantenzahlen stehen.

    Bei mehr als zwei Quantenobjekten (Objekt 1 mit Quantenzahlen ˛1, Objekt 2mit Quantenzahlen ˛2) benutzen wir in der Regel folgende Schreibweise:

    j1W ˛1; 2W ˛2; : : : ; nW ˛ni (A.2)Sie ist durchsichtiger als die äquivalente Schreibweise

    ˇˇˇ'.1/˛1'.2/˛2 : : : '

    .n/˛n

    E

    (A.3)

    Vertauschen der Quantenzahlen (z. B. von Objekt 1 und 2) sieht dann so aus:

    j1W ˛2; 2W ˛1; : : : ; nW ˛ni (A.4)statt ˇ

    ˇˇ'.1/˛2 '

    .2/˛1: : : '.n/˛n

    E

    (A.5)

    Hamiltonoperator und Hadamard-Transformation

    Den Hamiltonoperator schreiben wir als H . Bei Fragen der Quanteninformation,besonders in Kap. 27 (Band 2), steht H für die Hadamard-Transformation.

    Störungsrechnung

    Zur Bezeichnung von Hamiltonoperatoren und Zuständen bei der Störungsrechnungverwenden wir einen hochgestellten eingeklammerten Index, der die Störungsord-nung angibt:

    H .0/ Iˇˇˇ'.1/

    E

    usw. (A.6)

    Ausspuren

    Der reduzierte Dichteoperator, der durch Ausspuren aller Freiheitsgrade ¤ k ent-steht, wird mit hochgestelltem eingeklammerten Index bezeichnet, also

    �.k/ (A.7)

  • A Abkürzungen und Notationen 203

    Vektorräume

    Einen Vektorraum bezeichnen wir mit V , einen Hilbertraum mit H.Ausgehend von der Schreibweise R3 bzw. C3 für den dreidimensionalen reellen

    bzw. komplexen Raum wählen wir, falls erforderlich, zur genaueren Kennzeichnungvon Hilberträumen folgende Schreibweise:

    Hdn.m/ mitd D Dimensionn D Nummer des entsprechenden Quantenobjektsm D Anzahl der Quantenobjekte

    (A.8)

  • Anhang BEinheiten und Konstanten

    B.1 Einheitensysteme

    Einheiten sind nichts genuin Natürliches (auch wenn einige so heißen), sondern vonMenschen gemacht und deshalb in gewissem Sinne beliebig. Je nach Anwendungs-bzw. Größenbereich gibt es verschiedene Wahlen, die in sich selbstverständlich ge-nau fixiert sind.

    Generell bezeichnet man als natürliche Einheitensysteme solche, in denen eini-ge grundlegende Naturkonstante gleich 1 und dimensionslos gesetzt sind. Wie wirgerade schon gesagt haben, ist das Wort ‚natürlich‘ dabei als Namensteil und nichtals beschreibendes Adjektiv zu verstehen. Wir betrachten folgende natürliche Ein-heiten: Plancksche Einheiten, Einheitensystem der Hochenergiephysik (theoretischeEinheiten), Einheitensystem der Atomphysik (atomare Einheiten).

    B.1.1 Plancksche Einheiten

    Hier werden die Lichtgeschwindigkeit c, die Planck-Konstante (Wirkungsquantum)„, die Gravitationskonstante G sowie die Boltzmann-Konstante kB und die elektri-sche Feldkonstante (bzw. ihr 4�-Faches) 4�"0 gleich 1 gesetzt. Der Zusammenhangmit den SI-Größen findet sich in der folgenden Tabelle:

    Größe Formel Zahlenwert (SI)

    Masse mP Dq

    c„G

    2;177 � 10�8 kgLänge lP D

    qG„c3

    1;616 � 10�35 mZeit tP D lPc 5;391 � 10�44 sTemperatur TP D mPc2kB 1;417 � 1032 KLadung qP D

    p4�"0c„ 1;876 � 10�18 C

    205

  • 206 B Einheiten und Konstanten

    Die Planck-Skala markiert vermutlich eine Grenze für die Anwendbarkeit der be-kannten Gesetze der Physik. Distanzen, die wesentlich kleiner sind als die Planck-Länge, können nicht sinnvoll betrachtet werden. Ähnliches gilt für Vorgänge, diekürzer als die Planck-Zeit sind. Wegen lP D ctP müsste ein solcher Vorgang aufeiner Skala stattfinden, die kleiner als die Planck-Länge wäre. Zum Vergleich: DerGroßbeschleuniger LHC kommt auf eine Ortsauflösung von 10�19 m; die erreich-baren Energien liegen in der Größenordnung von 1014 TeV.

    B.1.2 Theoretische Einheiten (Einheiten der Hochenergiephysik)

    Hier werden c und „ gleich 1 gesetzt, die anderen Konstanten werden belassen. DieEinheit der Energie wird durch die Wahl für c und „ nicht festgelegt; üblicherweisewird sie in eV ausgedrückt (bzw. MeV, GeV usw.). Energie und Masse haben danndieselbe Einheit; dies gilt auch für Raum und Zeit.

    Phys. Größe Einheit Formel Zahlenwert (SI)

    Energie eV 1;602 � 10�19 JLänge 1eV

    c„eV 1;973 � 10�7 m

    Zeit 1eV„

    eV 6;582 � 10�16 sMasse eV eV

    c21;783 � 10�36 kg

    Temperatur eV eVkB

    1;160 � 104 K

    In SI-Einheiten gilt c„ D 3;1616 � 10�26 Jm D 0;1973 GeV fm. Wegen c„ D 1 inden Theoretischen Einheiten (TE) ergibt sich die Faustformel

    1 fm .SI/ OD 5GeV

    .TE/ (B.1)

    B.1.3 Atomare Einheiten

    In atomaren Einheiten ist e D me D „ D 1. Diese Einheiten, die auf Eigenschaftendes Elektrons bzw. des Wasserstoffatoms bezogen sind, werden hauptsächlich in derAtom- und Molekülphysik benutzt. Alle Größen sind als Vielfache der Basiseinhei-ten formal dimensionslos; falls sie in SI-Einheiten nicht dimensionslos sind, werdensie im Allgemeinen durch das formale ‚Einheitenzeichen‘ a. u. gekennzeichnet (diePunkte sind Teil des Einheitenzeichens).

  • B.1 Einheitensysteme 207

    Phys. Größe Atomare Einheit Zahlenwert (SI)

    Länge Bohrscher Radius a0 D „mc˛ 5;292 � 10�11 mMasse Masse des Elektrons me 9;109 � 10�31 kgLadung Elementarladung e 1;602 � 10�19 CEnergie Hartree-Energie Eh;H 4;360 � 10�18 JDrehimpuls Plancksche Konstante „ 1;055 � 10�34 JsZeiteinheit Atomic time unit, Quotient 1 a:t:u: D „

    Eh2;419 � 10�17 s

    Die Hartree-Energie ist das Doppelte des Ionisationspotenzials des Wasserstoff-atoms.

    B.1.4 Energieeinheiten

    Energie ist ein zentraler Begriff der Physik; dies äußert sich unter anderem auchin der Vielzahl der verwendeten Einheiten. Die gängigsten sind in der folgendenTabelle zusammengefasst.

    Einheit Umrechnungsfaktor Kommentar

    eV 1

    Joule 1;602 � 10�19 JKilowattstunden 4;451 � 10�26 kWhKalorie 3;827 � 10�20 calWellenlänge in Nanometer 1239;85 nm von E D hc=�Frequenz in Hertz 2;41797 � 1014 Hz von E D hc=�Wellenzahl 8065;48 cm�1 von E D hc Q�Temperatur 11:604;5 K von E D kTRydberg 0;07350 Ry Ionisationspot. des H-Atoms

    Hartree 0;03675 H

    Energieäquivalente Masse E=c2 1;783 � 10�36 kg

  • 208 B Einheiten und Konstanten

    B.2 Einige Konstanten

    Größe Symbol Wert Einheit

    Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c 299:792:458 (exakt) ms�1

    Magnetische Feldkonstante �0 10�7 (exakt) TmA�1

    Elektrische Feldkonstante ©0 8;85419 � 10�12 Fm�1Plancksches Wirkungsquantum h 6;62618 � 10�34 Js(Reduziertes) Plancksches Wirkungsquantum „ 1;05459 � 10�34 JsElementarladung e 1;60219 � 10�19 CNewtonsche Gravitationskonstante G 6;672 � 10�11 m3kg�1s�2Boltzmann-Konstante kB 1;381 � 10�23 JK�1Ruhemasse des Elektrons me 9;10953 � 10�31 kgRuhemasse des Protons mp 1;67265 � 10�27 kgFeinstrukturkonstante ˛ 1=137;036

    Rydberg-Konstante R 2;17991 � 10�18 JBohrscher Radius a0 5;29177 � 10�11 mMagnetisches Flussquantum F0 2;068 � 10�15 WbStefan-Boltzmann-Konstante s 5;671 � 10�8 Wm�2K�4Magnetisches Moment des Elektrons me 9;28483 � 10�24 JT�1Magnetisches Moment des Protons mp 1;41062 � 10�26 JT�1

    Einige wichtige Konstanten in eV

    h D 4;1357 � 10�16 eVs„ D 6;5821 � 10�16 eVs

    mec2 D 0;511MeV

    mec2˛2 D 2 � 13;6 eV

    mec2˛4 D 1;45 � 10�3 eV

    Groß und klein:Größe Weltall 1028 m

    Durchmesser Atomkern 10�15 mPlanck-Länge 10�35 m

    Größe Weltall/Planck-Länge 1063

  • B.4 Zehnerpotenzen und Abkürzungen 209

    B.3 Dimensionsanalyse

    Ein Vorteil der Physik gegenüber der Mathematik liegt in der Existenz physikali-scher Einheiten. Man kann also Vermutungen, Ergebnisse etc. durch Einheitenüber-prüfung einem Schnelltest unterziehen. Kann z. B. der Ausdruck T D 2�pl � gstimmen? Nein, die Einheit links ist s, während rechts m=s steht. Dieses Prinzipkann man konstruktiv nutzen (sogenannte Dimensionsanalyse, Buckinghamsches�-Theorem). Als Beispiel noch einmal das Fadenpendel. Die Systemdaten sindMasse, Länge der Schnur und die Erdbeschleunigung. Eine Zeit (Schwingungszeit)lässt sich nur durch die Kombination

    p

    l=g erzeugen. Also muss gelten T � pl=g.Außerdem zeigen uns die physikalischen Einheiten, dass ein Ausdruck wie eir

    (solange r die Dimension m besitzt) nicht richtig sein kann; alleine aus Dimensi-onsgründen muss es eikr heißen, wobei k die Dimension m�1 hat.

    B.4 Zehnerpotenzen und Abkürzungen

    dezi �1 Deka 1zenti �2 Hekto 2milli �3 Kilo 3mikro �6 Mega 6nano �9 Giga 9pico �12 Tera 12femto �15 Peta 15atto �18 Exa 18zepto �21 Zetta 21yocto �24 Yotto 24

  • 210 B Einheiten und Konstanten

    B.5 Das griechische Alphabet

    Name klein groß Name klein groß

    Alpha ˛ A Ny � N

    Beta ˇ B Xi � �

    Gamma � Pi � ˘

    Delta ı Rho � P

    Epsilon "; � E Sigma ; & (Auslaut) ˙

    Zeta � Z Tau � T

    Eta � H Ypsilon � Y

    Theta #; � � Phi '; � ˚

    Iota � I Chi � X

    Kappa � K Psi �

    Lambda � � Omega ! ˝

    My $ M

  • Anhang CKomplexe Zahlen

    C.1 Rechnen mit komplexen Zahlen

    Eine komplexe Zahl z lautet in der algebraischen Darstellung

    z D aC ib (C.1)wobei a 2 R der Realteil und b 2 R der Imaginärteil von z ist; a D Re .z/ undb D Im .z/. Die Zahl i ist die imaginäre Einheit, definiert über i2 D �1, für die dieganz ‚normalen‘ Rechenregeln gelten, z. B. ib D bi. Die konjugiert komplexe Zahlz� ist definiert als1

    z� D a � ib (C.2)Eine reelle Zahl u lässt sich also charakterisieren durch u D u�, eine imaginäreZahl v durch v D �v�.

    Addition, Subtraktion und Multiplikation zweier komplexer Zahlen zk D ak Cibk gehen nach vertrauten Regeln:

    z1 ˙ z2 D a1 ˙ a2 C i .b1 ˙ b2/z1 � z2 D a1a2 � b1b2 C i .a1b2 C a2b1/ (C.3)

    und speziell für c 2 R giltc � z2 D ca2 C icb2 (C.4)

    Für die Division verwendet man die konjugiert komplexe Zahl:

    z1

    z2D z1z2

    z�2z�2

    D a1a2 C b1b2 C i .�a1b2 C a2b1/a22 C b22

    (C.5)

    Komplexe Zahlen lassen sich sehr anschaulich in der Gaußschen Zahlenebenedarstellen. Beispielsweise sieht man, dass die konjugiert komplexe Zahl z� die ander reellen Achse gespiegelte Zahl z ist.

    1 Die Schreibweise Nz ist ebenfalls üblich.

    211

  • 212 C Komplexe Zahlen

    Abb. C.1 Algebraische Dar-stellung in der GaußschenZahlenebene

    a

    z*

    Im

    Re

    b

    z=a+ib

    In vielen Fällen (und das gilt fast durchweg in der QM) ist die algebraischeForm (C.1) nicht besonders geeignet (Abb. C.1). Um zu einer anderen Darstel-lung zu gelangen, verwendet man Polarkoordinaten in der Gaußschen Zahlenebene(Abb. C.2); eine komplexe Zahl z wird dann durch die Länge des Radiusvektors undden von ihm mit der positiven reellen Achse eingeschlossenen Winkel ' bestimmt.Die Länge des Radiusvektors einer komplexen Zahl z D a C ib heißt Betrag2 jzj:

    jzj Dp

    a2 C b2 � 0 (C.6)Es gilt

    z � z� D jzj2 I jz1 � z2j D jz1j � jz2j (C.7)Mit jzj und ' haben wir also zunächst die Darstellung3

    z D jzj .cos' C i sin '/ (C.8)Ganz offensichtlich (und ganz anschaulich) ändert sich die komplexe Zahl nicht,wenn man zu ' ein Vielfaches von 2� addiert, ' ! ' C 2m� mit m 2 Z. ImIntervall �� < ' � � spricht man vom Hauptwert des Winkels, aber es sind na-türlich alle Winkel erlaubt. Die Vieldeutigkeit des Winkels ist typisch für komplexeZahlen (bei reellen gibt es so etwas bekanntlich nicht) und wird zum Beispiel in derFunktionentheorie und anderen Gebieten konstruktiv genutzt.

    Abb. C.2 Polardarstellung inder Gaußschen Zahlenebene

    sin

    zz= ( cos ϕ +i sin ϕ )

    z

    z

    z

    Im

    Re

    ϕ

    ϕ

    ϕcos

    2 Auch Modul oder Absolutbetrag genannt.3 Auch trigonometrische Form der komplexen Zahl genannt.

  • C.1 Rechnen mit komplexen Zahlen 213

    Mithilfe der grundlegenden Gleichung4

    eix D cos x C i sin x (C.9)erhalten wir schließlich die Exponentialdarstellung einer komplexen Zahl z

    z D jzj ei' (C.10)Wie man den Betrag einer komplexen Zahl z D a C ib bestimmt, wissen wir.

    Mit dem Winkel ', Phase oder Argument genannt, ist es etwas aufwendiger. Glei-chung (C.8) legt den Zusammenhang ' D arctan b

    anahe (und so wird es durchaus

    auch in Formelsammlungen etc. angegeben). Das kann aber so nicht immer stim-men, denn sonst hätten z. B. z1 D 3 C 4i und z2 D �3 � 4i dieselbe Phase, wasoffensichtlich falsch ist. Den richtigen Zusammenhang kann man verschieden for-mulieren; eine Möglichkeit ist5

    ' D arctan ba

    C jbjb

    1 � jaja

    2� I a; b ¤ 0

    ' D 1 �jaja

    2� für a ¤ 0; b D 0 und ' D jbj

    b

    2für a D 0; b ¤ 0

    (C.11)wobei man zur Phase im Bedarfsfall natürlich noch geeignet 2m� dazu addierenkann. Die einzige Zahl ohne definierte Phase ist die komplexe Zahl 0. Sie hat denBetrag 0, während ihre Phase unbestimmt ist.

    Es sei hier noch auf einige Zusammenhänge hingewiesen, deren Verwendungzuweilen ganz praktisch ist. Wie man aus Gl. (C.9) abliest, gilt nämlich

    i D ei�=2 I �1 D ei� I 1 D e2i� (C.12)wobei zu den Exponenten natürlich noch 2m� addiert werden kann. Ein Faktor ikann mit Gl. (C.12) als eine Phase (bzw. Phasenverschiebung) von �=2 bzw. 90ıinterpretiert werden; für �1 haben wir entsprechend � bzw. 180ı.

    Die Vieldeutigkeit der Phase können wir zum Beispiel beim Wurzelziehen kon-struktiv einsetzen. Wir demonstrieren das an einem konkreten Beispiel: Gesuchtsind alle Zahlen z, für die gilt

    z3 D 7 (C.13)Betragsbildung auf beiden Seiten dieser Gleichung führt auf jzj3 D 7 mit der Lö-sung jzj D 71=3. Wir können also schreiben z D jzj ei' D 71=3ei' und erhaltendamit

    e3i' D 1 (C.14)

    4 The Feynman Lectures on Physics, 5. Auflage, 1970, Vol I, p. 22–10: ‚We summarize with this,the most remarkable formula in mathematics: ei� D cos � C i sin� . This is our jewel.‘5 Für positiven Realteil heißt es also ' D arctan b

    a; für negativen Realteil muss man je nach

    Vorzeichen des Imaginärteils � addieren oder subtrahieren, um den Hauptwert zu erhalten.

  • 214 C Komplexe Zahlen

    Abb. C.3 Dritte Wurzelaus 1.

    Für die rechte Seite notieren wir alle Möglichkeiten, die im Komplexen für die 1existieren, nämlich

    1 D e2im� I m 2 Z (C.15)Es folgt:

    e3i' D e2im� I m 2 Z (C.16)woraus sich ergibt

    ' D 0;˙23�;˙4

    3�;˙6

    3�; : : : (C.17)

    bzw. kürzer

    ' D 23m� mod .2�/ I m 2 Z (C.18)

    Beschränkt man sich auf die Hauptwerte, erhält man die drei Lösungen

    ' D 0;˙23� bzw. z1 D 71=3, z2;3 D 71=3e˙i2�=3 (C.19)

    In der Gaußschen Zahlenebene lässt sich das recht anschaulich verstehen: Die drittebzw. n-te Wurzel zu ziehen bedeutet für die Phase, den Vollkreis durch 3 bzw. nzu teilen. Im Beispiel ‚dritte Wurzel‘ (Abb. C.3) erhält man so die Winkel 0ı und˙120ı (bzw. 0ı, 120ı, 240ı). Es sei in dem Zusammenhang an den Hauptsatz (Fun-damentalsatz) der Algebra erinnert, nach dem im Komplexen jedes Polynom n-terOrdnung n Nullstellen besitzt.

    Schließlich noch die Bemerkung, dass das Zahlensystem mit den komplexenZahlen abgeschlossen ist – keine Rechenoperation führt aus ihm hinaus.6 Ausdrückewie ii oder .a C ib/.cCid/ sind vielleicht unvertraut, aber sinnvoll und im Rahmender komplexen Zahlen berechenbar.

    6 Dagegen führt zum Beispiel die Subtraktion aus den natürlichen Zahlen oder die Division ausden ganzen Zahlen hinaus.

  • C.2 Sind komplexe Zahlen unanschaulicher als reelle Zahlen? 215

    C.2 Sind komplexe Zahlen unanschaulicher als reelle Zahlen?

    Der Widerstand gegen komplexe Zahlen7 wird oft damit begründet, dass komple-xe Zahlen so unanschaulich seien. Das ist schwer nachzuvollziehen, wenn man andie doch wirklich anschauliche Darstellung in der Gaußschen Ebene denkt. Vermut-lich speist sich diese Aussage aber weniger aus den Fakten an sich, sondern eheraus den Namen ‚komplex‘ und ‚imaginär‘, die ja nahelegen, es handele sich um et-was Schwieriges (komplex) und Unanschauliches, eigentlich gar nicht Existierendes(imaginär).

    Als das Kind mit diesen Namen getauft wurde, vor einigen hundert Jahren, war esvielleicht sogar klug, diese Bezeichnungen zu wählen, um der Auseinandersetzungmit den ewig Gestrigen aus dem Wege zu gehen, denken wir nur an die Frage, obdie Erde die Sonne umkreist. Heute wissen wir, dass die Sonne nicht um die Erdeläuft, und sagen dennoch, ‚Die Sonne geht auf‘, im Wissen, dass es sich um eineüberkommene Sprachregelung handelt (die ja auch ihre eigene Schönheit besitzt),die wir deswegen aber noch lange nicht wörtlich nehmen. Und genauso, wie dieSonne in Wirklichkeit nicht aufgeht, sind die komplexen Zahlen weder schwierignoch unanschaulich. Wer einen Punkt auf der Zahlengerade anschaulich findet, dermuss auch einen Punkt in der Gaußschen Zahlenebene anschaulich finden.

    Das eigentliche Problem liegt wahrscheinlich ganz woanders; wir nehmen es abernicht mehr wahr, vielleicht weil wir uns daran gewöhnt haben. Es handelt sich dar-um, dass wir uns keinen Punkt im mathematischen Sinn vorstellen können, alsoein Gebilde mit Dimension null. Denn eine Zahl (auf einer Zahlengeraden) ent-spricht einem Punkt. Und in so einem Punkt kann eine für uns unfassbare Informa-tionsmenge verborgen sein, und zwar schon in einer rationalen Zahl (also einemBruch), geschweige denn in einer irrationalen Zahl.8 Das soll die kleine folgendenAbschweifung zeigen.

    Nehmen wir an, wir wollen den Inhalt aller Bücher aller Bibliotheken dieser Weltmöglichst platzsparend speichern. Dazu kodieren wir erst einmal alle verwende-ten Buchstaben, Satzzeichen, chinesische Schriftzeichen, Hieroglyphen, Keilschrift– eben einfach alles. Wenn wir davon ausgehen, dass die Anzahl aller weltweitexistierenden Schrift- und Satzzeichen unter einer Million liegt, können wir jedesSchriftzeichen mit einer sechsstelligen Zahl dezimal9 (Ziffern 0–9) kodieren. Undnun übertragen wir ein Buch nach dem anderen in unseren neuen Code, indem wireinfach die entsprechenden Ziffern für die Schriftzeichen einsetzen; die Codierun-

    7 Übrigens sind komplexe Zahlen kein neumodischer Kram, sondern werden seit mehr als 400 Jah-ren verwendet. Mit imaginären Zahlen gerechnet hat anscheinend zum ersten Mal der norditalieni-sche Mathematiker Rafael Bombelli (1526–1572) in seinem Werk L’Algebra.8 Kleine natürliche Zahlen können wir als Menge direkt erfassen, aber auf Anhieb zwischen 39,40 und 41 zu unterscheiden, überfordert schon die meisten von uns (bei Entenmüttern ist dieseZählgrenze anscheinend bei 6 oder 7 Küken erreicht). Große Zahlen übersteigen unser Vorstel-lungsvermögen komplett (daher die häufige Verwechslung von Million, Milliarde und Billion, zuder natürlich der verschiedene Gebrauch im Deutschen und Englischen seinen Teil beiträgt). AuchBrüche sind schwierig, selbst ganz einfache (‚Gib’ mir mal die kleinere Hälfte‘).9 Binär oder hexadezimal ginge natürlich auch, ändert aber nichts am wesentlichen Argument.

  • 216 C Komplexe Zahlen

    gen für die einzelnen Bücher fügen wir einfach aneinander. Wenn wir fertig sind,haben wir eine sehr lange Zahl N vor uns;10 wenn wir sie auf die ‚übliche‘ Weiseaufschreiben wollen, brauchen wir mehr oder weniger sechsmal so viel Platz wiefür die Originale.

    Ein platzsparenderes Verfahren wäre das folgende: Man schreibt eine Null undeinen Punkt vor N , hat damit eine Zahl zwischen 0 und 1, nämlich M D 0:N ,und markiert diese exakt, sagen wir, auf einem Lineal – wenn man es denn wirklichmachen könnte. Wesentlich ist an dieser Stelle, dass wir in einer rationalen Zahl(also einem Bruch!) zwischen 0 und 1 den Inhalt aller Bibliotheken dieser Weltspeichern können. Und es gibt natürlich noch mehr: In einer Umgebung von M gibtes zum Beispiel eine Zahl, in der jedes ‚i‘ durch ein ‚o‘ ausgetauscht ist; eine andere,in der jedes Buch bis auf die ersten tausend rückwärts kodiert ist; eine weitere, inder alle Bücher auftauchen, die es weltweit je gab und geben wird. Das gilt miteiner ähnlichen Kodierung analog für Musik. Gibt es dann irgendwo eine Zahl, inder alle Werke auftauchen, die Mozart geschrieben hätte, wenn er zehn, zwanzig,dreißig Jahre länger gelebt hätte? Gibt es eine Zahl, die alle Bücher umfasst, die bisheute nicht geschrieben worden sind und eine, die alles umfasst, was nie geschriebenwerden wird?

    Da sage man noch, in den Zahlen läge keine Poesie! Und in einer irrationalenZahl, die unendlich viele Nachkommastellen ohne Periode besitzt, kann natürlichnoch beliebig mehr (tatsächlich: unvorstellbar mehr) an Information gespeichertwerden.

    Das eigentliche Problem liegt also darin, dass wir uns zwar kleine Flecken, nichtaber einen mathematischen Punkt vorstellen können. Angesichts dessen ist es nichtso recht verständlich, wieso es so viel schwerer sein soll, sich einen Punkt nicht aufeiner Geraden, sondern auf einer Fläche vorzustellen. Komplexe Zahlen sind nicht‚schwieriger‘ oder ‚unanschaulicher‘ als reelle Zahlen – eher im Gegenteil, weilOperationen wie Wurzelziehen in der Gaußschen Zahlenebene eine anschaulicheBedeutung gewinnen.

    10 Für eine grobe Abschätzung der Größenordnung nehmen wir an, dass eine Zeile 70 Zeichenumfasst und eine Seite 50 Zeilen. Ein Buch mit 300 Seiten enthält also ungefähr eine MillionSchrift- und Satzzeichen. In einer Bibliothek mit 10 Millionen Büchern müssen wir demnach rund1013 Schriftzeichen kodieren und erhalten damit eine Zahl mit rund 6 � 1013 Ziffern.

    Nehmen wir an, dass es im Weltdurchschnitt pro 40:000 Einwohner eine solche Bibliothekgibt. Dann haben wir bei einer unterstellten Weltbevölkerung von 8 Milliarden annähernd 200:000Bibliotheken weltweit. (Natürlich ist das mit Sicherheit eine viel zu optimistische Abschätzung ist,nicht nur angesichts der Situation in den Entwicklungsländern. Aber es geht hier nur um grobeGrößenordnungen.)

    Dies würde eine ‚Literaturzahl‘ N D 1:2 � 1019 – also irgendetwas um die 1019 herum – er-geben (wobei natürlich viele Bücher mehrfach auftreten). Zum Vergleich die Loschmidt-KonstanteNL, die die Anzahl der Moleküle pro Volumeneinheit eines idealen Gases unter Normalbedingun-gen angibt: NL D 2:7 � 1019=cm3.

  • C.3 Aufgaben 217

    C.3 Aufgaben

    1. Gegeben z1 D 3 � i, z2 D 3C i, z3 D 1 � 3i, z4 D 1C 3i. Skizzieren Sie diePunkte in der Gaußschen Zahlenebene und berechnen Sie ihre Beträge.

    2. Gegeben sind z1 D 3� 4i und z2 D �1C 2i. Berechnen Sie jz1j, jz2j, z1 ˙ z2,z1 � z2, z1z2 , 1z1 :

    3. Gegeben

    z D 3 � 4i6C ip2 � .8 � 7i/C 6i (C.20)

    Wie lautet z�?4. Stellen Sie folgende komplexe Zahlen in der Form �ei' dar:

    3C 4i I 3 � 4i I �3C 4i I �3 � 4i . (C.21)

    5. Gegeben sei z D �1˙ip3

    2. Stellen Sie die Zahlen in der Gaußschen Zahlenebe-

    ne dar. Berechnen Sie z3:6. Wie lautet die Polardarstellung von z D 1˙i

    p3

    2und z D �1˙i

    p3

    2?

    7. Zeigen Sie: Alle komplexen Zahlen der Form ei' liegen auf dem Einheitskreisum den Ursprung.

    8. Zeigen Sie: Die Multiplikation einer komplexen Zahl mit i bedeutet die Rotati-on dieser Zahl um �

    2bzw. 90ı.

    9. Zeigen Sie: ei' D cos' C i sin' mithilfe der jeweiligen Potenzreihen.Lösung:

    ei' D1X

    nD0

    in'n

    nŠD

    1X

    nD0

    i2n'2n

    .2n/ŠC

    1X

    nD0

    i2nC1'2nC1

    .2nC 1/Š

    D1X

    nD0

    .�1/n '2n.2n/Š

    C i1X

    nD0

    .�1/n '2nC1.2nC 1/Š D cos' C i sin '

    (C.22)

    10. Zeigen Sie: ei' D cos' C i sin' mithilfe der jeweiligen Ableitungen.Lösung:

    ei'�0 D iei' D i cos' � sin ' D .cos' C i sin'/0 (C.23)

    11. Zeigen Sie:

    cosx D eix C e�ix2

    I sinx D eix � e�ix2i

    (C.24)

    Lösung:eix D cos x C i sinx I

    e�ix D cos x � i sin x I! eix C e�ix D 2 cosx

    (C.25)

  • 218 C Komplexe Zahlen

    12. Gegeben eine Funktion

    f D .aC ib/eikx � .a � ib/e�ikx (C.26)Diese Funktion kann in die Form gebracht werden

    f D A sinB (C.27)Bestimmen Sie die Größen A und B .Lösung: Mit a C ib D pa2 C b2eid und d D arctan b

    afolgt

    f Dp

    a2 C b2ei.kxCd/ �p

    a2 C b2e�i.kxCd/D 2i

    p

    a2 C b2 sin .kx C d/(C.28)

    13. Zeigen Sie ausschließlich unter Benutzung von eix D cos x C i sinx, dass giltsin 2x D 2 sinx � cosx I cos 2x D cos2 x � sin2 x (C.29)

    Lösung:

    2 sinx � cos x D 2eix � e�ix2i

    eix C e�ix2

    D e2ix � e�2ix

    2iD sin 2x (C.30)

    14. Bestimmen Sie unter Benutzung von eix D cosx C i sin x die Koeffizienten aund b in der Gleichung

    cos3 ' D a cos' C b cos 3' (C.31)15. Zeigen Sie:

    sin2 x D 12.1 � cos 2x/ I cos2 x D 1

    2.1C cos 2x/ : (C.32)

    16. Zeigen Sie:

    sin 3x D 3 sinx � 4 sin3 x I cos 3x D 4 cos3 x � 3 cosx (C.33)17. Gilt die folgende Gleichung?

    .cosx C i sin x/n D cosnx C i sinnx (C.34)Lösung: Ja, denn es gilt

    .cos x C i sinx/n D �eix�n D einx D cosnx C i sin nx (C.35)

  • C.3 Aufgaben 219

    18. Es gilteix D A cos x C B sin x (C.36)

    wobei die Größen A und B noch zu bestimmen sind (Spielregel: wir kennennur die letzte Gleichung und wissen an dieser Stelle nicht, dass tatsächlich gilteix D cosx C i sin x). Zeigen Sie zunächst, dass gilt A D 1. Zeigen Sie an-schließend, dass gelten muss B D ˙i. Benutzen Sie dazu die komplexe Konju-gation. Wie könnte man das Vorzeichen von B eindeutig festlegen?Lösung: Für x D 0 haben wir

    ei�0 D e0 D 1 D A � 1C B � 0 D A (C.37)Außerdem gilt mit A D 1

    e�ix D ei.�x/ D cos x � B sin x (C.38)Daraus folgt

    1 D eixe�ix D .cosx C B sinx/ .cosx � B sinx/D cos2 x � B2 sin2 x (C.39)

    Mit cos2 x C sin2 x D 1 (Pythagoras) folgt B2 D �1 und damit B D ˙i. Fürdie Entscheidung, welches Vorzeichen gilt, braucht man Zusatzinformationen(Potenzreihe, Ableitungen).

    19. Berechnen Sie ei�2m für m 2 Z.

    20. Gegeben seiz8 D 16 I z3 D �8 (C.40)

    Berechnen Sie alle Lösungen z.21. Berechnen Sie ii und .aC ib/.cCid/.

    Lösung: Mit i D ei.�2 C2�m/Im D 0;˙1;˙2; : : : folgt

    ii D�

    ei.�2

    C2�m/�i D e�.�2 C2�m/ I m D 0;˙1;˙2; : : : (C.41)

  • Anhang DAus der Analysis 1

    Im Folgenden sind einige allgemeine grundlegende Zusammenhänge aus der Ana-lysis zusammengestellt.

    D.1 Eine reelle unabhängige Variable

    D.1.1 Taylorentwicklung

    Wenn eine Funktion genügend oft differenzierbar ist, können wir sie als Taylorreihe1

    schreiben, das heißt, die Funktion an einem Punkt aCx ausdrücken als Summe überFunktion und Ableitungen an dem benachbarten Punkt a:

    f .a C x/ D f .a/C x1Šf .1/ .a/C x

    2

    2Šf .2/ .a/

    C : : :C xn

    nŠf .N/ .a/C x

    N

    .N C 1/Šf.NC1/ .a C �x/

    DNX

    nD0

    xn

    nŠf .n/ .a/CRN

    (D.1)

    Der Term RN wird Restterm oder Restglied genannt; es ist 0 < � < 1.Unter geeigneten Voraussetzungen verschwindet der Restterm für n ! 1 und

    die Summe konvergiert, sodass wir schreiben können

    f .aC x/ D1X

    nD0

    xn

    nŠf .n/ .a/ (D.2)

    1 Brook Taylor, britischer Mathematiker, 1685–1731.

    221

  • 222 D Aus der Analysis 1

    Wir haben damit die Funktion als PotenzreiheP1kD0 ckxk dargestellt (ck D

    f .n/ .a/ =nŠ).Im Allgemeinen konvergiert eine Potenzreihe nicht für alle x, sondern nur für

    jxj < �. Dieser Konvergenzradius � lässt sich über

    � D limn!1

    ˇˇˇˇ

    cn

    cnC1

    ˇˇˇˇ

    I � D limn!1

    1pjcnj

    (D.3)

    bestimmen, falls die Grenzwerte existieren. Für x D � und x D �� kann diePotenzreihe divergieren oder konvergieren.

    Die drei ‚wichtigsten‘ Funktionen ex , cosx und sin x besitzen Potenzreihen mitunendlichem Konvergenzradius, sind also besonders gutartig:

    ex D1X

    nD0

    xn

    nŠI cos x D

    1X

    nD0.�1/n x

    2n

    .2n/ŠI sinx D

    1X

    nD0.�1/n x

    2nC1

    .2nC 1/Š(D.4)

    Mit anderen Worten: Man kann etwa im Exponenten der e-Funktion für x ‚allesmögliche‘ einsetzen, und dieser Ausdruck ist dann immer über die Potenzreihe de-finiert, solange xn existiert. Zum Beispiel ist eM für eine quadratische Matrix Mdefiniert als eM D P1nD0 M

    n

    nŠ, während die Exponentialfunktion einer nichtquadra-

    tischen Matrix nicht definiert ist.Beispiele für Potenzreihen mit endlichem Konvergenzradius (� D 1) stellen

    .1C x/˛ sowie ln .1C x/ und arctanx dar:

    .1C x/˛ D 1C ˛1ŠxC ˛ .˛ � 1/

    2Šx2C : : : D

    1X

    nD0

    ˛

    n

    !

    xn I jxj � 1 für ˛ > 0jxj < 1 für ˛ < 0(D.5)

    sowie

    ln .1C x/ D x � x2

    2C x

    3

    3� : : : D

    1X

    nD1.�1/nC1 x

    n

    nI �1 < x � 1 (D.6)

    und

    arctanx D x � x3

    3C x

    5

    5� : : : D

    1X

    nD0.�1/n x

    2nC1

    2nC 1 I �1 < x < 1 (D.7)

    Man kann über die Potenzreihen auch sehr praktikable Näherungen für Funktio-nen finden, wenn die x-Werte genügend klein sind, zum Beispiel

    ex � 1C x I cosx � 1 � x2

    2I sin x � x � x

    3

    6

    .1C x/˛ � 1C ˛x I ln .1C x/ � x � x2

    2I arctanx � x � x

    3

    3

    (D.8)

  • D.1 Eine reelle unabhängige Variable 223

    Für genügend kleine x genügt oft der erste Term. Beispielsweise gilt sin x � x imIntervall jxj < 0;077 (das entspricht einem Winkel von 4;4ı) mit einer Genauigkeitvon kleiner gleich einem Promille.

    D.1.2 Regel von L’Hôpital

    Es geht um unbestimmte Ausdrücke wie 00

    oder 11 . Wenn wir zum Beispiel habenlimx!x0 f .x/ D 0 und limx!x0 g.x/ D 0, dann ist der Ausdruck limx!x0 f.x/g.x/von dieser Form. Die Regel von L’Hôpital2 besagt, dass unter dieser Voraussetzunggilt

    limx!x0

    f .x/

    g.x/D lim

    x!x0f 0.x/g0.x/

    (D.9)

    Man kann das leicht beweisen, indem man für die Funktionen ihre Taylorentwick-lungen um x0 einsetzt. Falls die rechte Seite der Gleichung wieder einen unbe-stimmten Ausdruck ergibt, wendet man die Regel erneut an. Beispiel

    limx!0

    sinx

    xD limx!0

    cosx

    1D 1 I lim

    x!0ex � 1 � x

    x2D limx!0

    ex � 12x

    D limx!0

    ex

    2D 12

    (D.10)Bei unbestimmten Ausdrücken anderen Typs formt man entsprechend um. Wir

    skizzieren das nur symbolisch:

    0 � 1 D 0 � 10

    oder1

    1 � 1 I 1 � 1 D 1�

    1 � 11�

    (D.11)

    Beispiel

    limx!0 x lnx D limx!0

    ln x

    1=xD limx!0

    1=x

    �1=x2 D � limx!0x D 0 (D.12)

    Bei Ausdrücken der Form 00 oder ähnlich logarithmiert man; Beispiel

    limx!0x

    x D limx!0 e

    x lnx D limx!0 e

    �x D 1 (D.13)

    D.1.3 Mittelwertsatz der Integralrechnung

    Gegeben sei das bestimmte Integral

    I DZ b

    a

    f .x/ dx (D.14)

    2 Guillaume François Antoine, Marquis de L’Hôpital (auch L’Hospital geschrieben), französischerMathematiker, 1661–1704.

  • 224 D Aus der Analysis 1

    Abb. D.1 Zum Mittelwertsatzder Integralrechnung

    wobei die Funktion f .x/ genügend ‚gutartig‘ sein soll. Dann gilt

    I DZ b

    a

    f .x/ dx D f .�/ .b � a/ mit � 2 Œa; b� (D.15)

    Über � ist nur bekannt, dass es im Intervall Œa; b� liegt; wo genau, sagt der Satz nichtaus.

    Zur Begründung: Seien fmin und fmax der minimale und der maximale Wert vonf .x/ im Intervall. Dann gilt (siehe Abb. D.1)

    fmin � .b � a/ � I � fmax � .b � a/ (D.16)Der genaue Wert von I muss also für irgendeinen Zwischenwert fmin � f .�/ �fmax erreicht werden, also für a � � � b.

    D.2 Mehrere reelle unabhängige Variable

    D.2.1 Differenziation

    Die partielle Ableitung einer Funktion mehrerer unabhängiger Variablenf .x1; x2; : : :/ nach z. B. x1 ist definiert als

    @f .x1; x2; : : :/

    @x1D lim

    "!0f .x1 C "; x2; : : :/ � f .x1; x2; : : :/

    "(D.17)

    Wie man aus dieser Definition abliest, spielen die Variablen x2; x3; : : : die Rolle vonKonstanten.

    Die Verwendung des Symbols @ hat sich eingebürgert, um von vornherein klarzu-machen, dass es sich um eine partielle Ableitung handelt. Außer @

    @xgibt es auch

  • D.2 Mehrere reelle unabhängige Variable 225

    Schreibweisen wie @x oder ähnliche; statt@f@x

    kann man kürzer auch fx oder fjxschreiben.

    Der Term @f .x1;x2;:::/@x1

    gibt also die Änderung der Funktion an, wenn x1 variiertwird und alle anderen unabhängigen Variablen festgehalten werden. Variiert manalle Variablen gleichzeitig, erhält man die Gesamtänderung der Funktion; dies kannman mit der totalen Ableitung (vollständige Ableitung, totales Differenzial, voll-ständiges Differenzial) ausdrücken:

    df .x1; x2; : : :/ D @f .x1; x2; : : :/@x1

    dx1 C @f .x1; x2; : : :/@x2

    dx2 C : : : (D.18)

    Höhere Ableitungen sind entsprechend definiert, zum Beispiel bedeutet

    @2f .x1; x2; : : :/

    @xi@xj� @xi @xj f .x1; x2; : : :/ (D.19)

    dass man zuerst die Funktion nach xj ableitet und dieses Ergebnis dann nach xi(Abarbeiten der einzelnen Schritte von rechts nach links). Die Reihenfolge derAbleitungen spielt genau dann keine Rolle, wenn die ersten und zweiten parti-ellen Ableitungen von f stetig sind; in diesem Fall gilt @xi @xj f .x1; x2; : : :/ D@xj @xif .x1; x2; : : :/. Wir nehmen immer an, dass alle Funktionen genügend glattsind und somit diese Bedingung erfüllen, sodass wir nie auf die Reihenfolge derAbleitungen achten müssen. Ein Gegenbeispiel findet sich in den Aufgaben.

    Im Übrigen gehen wir in der QM generell davon aus, dass wir Grenzprozesse(Differenziation, Integration, Summation) vertauschen können. Als konkretes Bei-spiel schauen wir uns die Gleichung

    d

    dt

    1Z

    �1� .x; t/ dx D

    1Z

    �1

    @

    @t� .x; t/ dx (D.20)

    an, die wir in Kap. 7 benutzt haben (Zeitinvarianz der Gesamt-Aufenthaltswahr-scheinlichkeit). Wir können hier die Differenziation unters Integral ziehen, wenngilt: � ist stetig bzgl. x und nach t differenzierbar, @�=@t ist stetig bzgl. x.

    Ähnliche Betrachtungen müssten dann bei anderen Vertauschungen angestelltwerden; wir sparen uns das aber und gehen von der Gutmütigkeit der QM aus (bzw.davon, dass andere die notwendigen Beweise schon längst geführt haben).

    D.2.2 Taylorreihe

    Für eine Funktion mehrerer Variabler lautet die Taylorreihe

    f .x1 C a1; : : : ; xn C an/ D1X

    jD0

    1

    j Š

    "nX

    kD1ak

    @

    @xk

    #j

    f .x1; : : : ; xn/ (D.21)

  • 226 D Aus der Analysis 1

    oder in kompakter Form (zu r siehe unten)

    f .r C a/ D1X

    jD0

    1

    j Š.a � r/j f .r/ (D.22)

    Die ersten Terme der Entwicklung lauten

    f .r C a/ D f .r/C .a � r / f .r/C 12.a � r/ .a � r / f .r/C : : : (D.23)

    D.2.3 Vektoralgebra

    Bei näherer Betrachtung des totalen Differenzials (D.18) sieht man, dass sich dierechte Seite als Skalarprodukt ausdrücken lässt:3

    df D @f@x1

    dx1 C @f@x2

    dx2 C : : : D�@f

    @x1;@f

    @x2; : : :

    � . dx1; dx2; : : :/ (D.24)

    Der zweite Vektor lässt sich schreiben als dr D . dx1; dx2; : : :/. Für den erstenVektor hat sich die Schreibweise eingebürgert

    �@f

    @x1;@f

    @x2; : : :

    D rf (D.25)

    wobei der Nabla-Operator ein formaler Vektor mit den Komponenten

    r D�@

    @x1;@

    @x2; : : :

    (D.26)

    ist.4

    Als Vektoroperator kann man den Nabla-Operator auf skalare Funktionenf .x1; x2; : : :/ und auf Vektorfunktionen F .x1; x2; : : :/ anwenden. Die Anwendungauf f wird als Gradient bezeichnet und auch grad f geschrieben:

    rf D�@f

    @x1;@f

    @x2; : : :

    D grad f (D.27)

    3 Dass wir den Zeilenvektor . dx1; dx2; : : :/ und nicht den entsprechenden Spaltenvektor schrei-ben, hat nur typografische Gründe.4 Bei dem Symbol r handelt es sich nicht um einen hebräischen Buchstaben, sondern um ein aufdie Spitze gestelltes Delta. Dieses Zeichen erhielt im 19. Jahrhundert den Namen Nabla, weil es aneine antike Harfe (hebräisch nével, griechisch nábla) erinnert. Das ‚D‘ (wie Delta) im hebräischenAlphabet ist das ‚Daleth‘ È, das ‚N‘ (wie Nabla) das ‚Nun‘ Ç.

  • D.2 Mehrere reelle unabhängige Variable 227

    Die Anwendung auf F wird als Divergenz bezeichnet und auch div F geschrieben:

    rF D @F1@x1

    C @F2@x2

    C : : : D div F (D.28)

    In drei Dimensionen kann man außerdem noch das Vektorprodukt von r mit einerVektorfunktion bilden, das Rotation genannt wird:

    r F D�@F3

    @x2� @F2@x3

    ;@F1

    @x3� @F3@x1

    ;@F2

    @x1� @F1@x2

    D rot F (D.29)

    Wir halten den unterschiedlichen Charakter der Anwendungen fest:

    Gradient: r Skalar ! VektorDivergenz: r Vektor ! Skalar

    Rotation: r Vektor ! Vektor(D.30)

    Die beiden Schreibweisen mit r und mit grad � div � rot sind gleichberechtigt;eine jede hat Vor- und Nachteile.

    D.2.3.1 Mehrfachanwendungen

    Mehrfachanwendungen des Nabla-Operators sind bei geeigneter Kombination defi-niert:

    r f W r .r f / D div grad f D %f r � .r f / D rot grad f D 0r F W r .r F/ D grad div F r � .r F/ nicht definiertr � F W r .r � F/ D div rot F D 0 r � .r � F/ D rot rot F DD r .r F/�%F D grad div F �%F

    Dabei ist � der Laplace-Operator,� D @2@x2

    1

    C @2@x2

    2

    C @2@x2

    3

    .

    D.2.3.2 Integralsätze

    Der Vollständigkeit halber noch kurz die drei wesentlichen Integralsätze.Das Integral über eine Kurve C über ein Gradientenfeld hängt nur von den End-

    punkten ab:r2Z

    r1;C

    rf .r/ dr Df .r2/� f .r1/ (D.31)

    Gegeben ein Volumen V , das von einer Oberfläche S umschlossen wird. DieOrientierung der Oberfläche sei so, dass die Normalen nach außen zeigen. Dann gilt

  • 228 D Aus der Analysis 1

    der Integralsatz von Gauß (oder Gauß-Ostrogradski)Z

    V

    rF .r/ dV DI

    S

    F .r/ dS (D.32)

    Gegeben eine orientierte Fläche S , die von einer KurveC umschlossen wird (derUmlaufsinn wird so gewählt, dass er mit der Flächennormalen eine Rechtsschraubebildet). Dann gilt der Integralsatz von Stokes

    Z

    S

    r F .r/ dS DI

    C

    F .r/ dr (D.33)

    D.3 Koordinatensysteme

    D.3.1 Polarkoordinaten

    Die Polarkoordinaten .r; '/ hängen mit den kartesischen Koordinaten .x; y/ zusam-men über

    x D r cos'y D r sin' 0 � r I 0 � ' � 2� (D.34)

    Dabei gibt r den Abstand vom Ursprung an (Abb. D.2).Als kleine Anwendung leiten wir die Transformationsgleichungen für eine aktive

    Drehung her. Wenn wir einen durch .r; '/ beschriebenen Punkt um den Winkel drehen, lauten die neuen Koordinaten

    x D r cos'y D r sin ' !

    x0 D r cos .' C /y0 D r sin .' C / (D.35)

    Abb. D.2 Polarkoordinaten

  • D.3 Koordinatensysteme 229

    Mit den Additionstheoremen der Winkelfunktionen5 folgt

    x0 D r cos' cos � r sin ' sin D x cos � y sin y0 D r sin' cos C r cos' sin D y cos C x sin (D.36)

    oder in kompakter Form

    x0

    y0

    !

    D

    cos � sin sin cos

    !

    x

    y

    !

    (D.37)

    als Darstellung einer aktiven Drehung um den Winkel :

    D.3.2 Zylinderkoordinaten

    Die Zylinderkoordinaten .�; '; z/ werden zwar im Text nicht verwendet, wir führensie aber der Vollständigkeit halber an. Sie hängen mit den kartesischen Koordinaten.x; y; z/ zusammen über

    x D � cos'y D � sin 'z D z

    0 � � I 0 � ' � 2� (D.38)

    Dabei gibt � den Abstand von der z-Achse an (Abb. D.3).

    Abb. D.3 Zylinderkordinaten

    5 sin.˛C ˇ/ D sin˛ cosˇ C cos˛ sinˇ , cos.˛C ˇ/ D cos˛ cosˇ � sin˛ sinˇ .

  • 230 D Aus der Analysis 1

    Die Umrechnung zwischen den beiden Koordinatensystemen geschieht zum Bei-spiel über

    @

    @�D @x@�

    @

    @xC @y@�

    @

    @yD cos' @

    @xC sin ' @

    @y(D.39)

    und analog für die anderen Variablen.Für die Einheitsvektoren ergibt sich

    e� D

    0

    B@

    cos'sin '0

    1

    CA I e' D

    0

    B@

    � sin'cos'0

    1

    CA I ez D

    0

    B@

    0

    0

    1

    1

    CA (D.40)

    D.3.3 Kugelkoordinaten

    Die Kugelkoordinaten6 .r; #; '/ hängen mit den kartesischen Koordinaten .x; y; z/zusammen über

    x D r cos' sin#y D r sin ' sin#z D r cos#

    0 � r I 0 � # � � I 0 � ' � 2� (D.41)

    Abb. D.4 Kugelkoordinaten

    6 Auch sphärische Polarkoordinaten genannt.

  • D.3 Koordinatensysteme 231

    Dabei gibt r den Abstand vom Ursprung an (Abb. D.4). Die Umkehrung ist ge-geben durch

    r Dp

    x2 C y2 C z2# D arccos zp

    x2 C y2 C z2' D arctan x

    y

    (D.42)

    Die Umrechnung zwischen den beiden Koordinatensystemen geschieht zum Bei-spiel über

    @

    @rD @x@r

    @

    @xC @y@r

    @

    @yC @z@r

    @

    @zD cos' sin# @

    @xC sin ' sin# @

    @yC cos# @

    @z(D.43)

    und analog für die anderen Variablen. Der Bequemlichkeit halber geben wir dieUmrechnungsmatrix an:

    @r

    @xD sin# cos' @r

    @yD sin# sin ' @r

    @zD cos#

    @#

    @xD cos# cos'

    r

    @#

    @yD cos# sin'

    r

    @#

    @zD � sin#

    r

    @'

    @xD � sin '

    r sin#

    @'

    @yD cos'r sin#

    @'

    @zD 0

    (D.44)

    Für die Einheitsvektoren ergibt sich

    er D

    0

    B@

    cos' sin#sin' sin#

    cos#

    1

    CA I e# D

    0

    B@

    cos' cos#sin ' cos#

    � sin#

    1

    CA I e' D

    0

    B@

    � sin 'cos'0

    1

    CA (D.45)

    Die Komponenten eines Vektors A, der in kartesischen Koordinaten als A D AxexCAyey C Azez geschrieben werden kann, lautet entsprechend

    A DArer CA#e# C A'e' (D.46)mit

    Ar D A � er D Ax cos' sin# C Ay sin ' sin# C Az cos# (D.47)und entsprechend für die anderen Komponenten.

    D.3.3.1 Volumen- und Oberflächenelement

    In kartesischen Koordinaten lautet das Volumenelement (Abb. D.5)

    dV D dx dy dz (D.48)

  • 232 D Aus der Analysis 1

    φϑ

    ϑ

    r

    dr

    r sin

    r d

    d

    Abb. D.5 Volumenelement in Kugelkoordinaten

    In Zylinderkoordinaten erhalten wir

    dV D d� � d' dz D � d� d' dz (D.49)und in Kugelkoordinaten

    dV D dr r d# r sin# d' D r2 sin# dr d# d' (D.50)Insbesondere gilt für radialsymmetrische Funktionen f .r/

    Z

    f .r/ dV D1Z

    0

    dr

    �Z

    0

    d#

    2�Z

    0

    d' r2 sin# f .r/ D 4�1Z

    0

    dr r2f .r/ (D.51)

    Für ein Oberflächenelement in Kugelkoordinaten folgt mit (D.50)

    df D r2 sin# d# d' (D.52)und den Raumwinkel d˝ können wir daraus über df D r2 d˝ bestimmen als

    d˝ D sin# d# d' (D.53)

    D.3.3.2 Gradient und Laplace-Operator in Kugelkoordinaten

    Gradient

    Der Gradient einer Funktion f .r/ lässt sich in kartesischen Koordinaten schreibenals

    rf .r/ D @f@x

    ex C @f@y

    ey C @f@z

    ez (D.54)

    Mit den oben angeführten Umrechnungen erhalten wir in Kugelkoordinaten

    rf .r/ D @f@r

    er C 1r

    @f

    @#e# C 1

    r sin#

    @f

    @'e' (D.55)

  • D.3 Koordinatensysteme 233

    Insbesondere gilt für eine nur von r abhängige Funktion g.r/

    rg.r/ D dg.r/dr

    er D dg.r/dr

    rr

    (D.56)

    Laplace-Operator

    Der Laplace-Operator lautet in kartesischen Koordinaten7

    � D @2

    @x2C @

    2

    @y2C @

    2

    @z2(D.57)

    Mit den Transformationen (D.43) lässt er sich in Kugelkoordinaten umrechnen:

    � D @2

    @r2C 2r

    @

    @rC 1r2

    �1

    sin#

    @

    @#

    sin#@

    @#

    C 1sin2 #

    @2

    @'2

    (D.58)

    Kompakter schreiben lässt sich dieser Ausdruck mithilfe des Drehimpulsoperators l.

    Wegen lx D „i�

    y @@z

    � z @@y

    usw. folgt in Kugelkoordinaten

    lx D „i

    � sin' @@#

    � cot# cos' @@'

    ly D „i

    cos'@

    @#� cot# sin ' @

    @'

    lz D „i

    @

    @'

    (D.59)

    und damit

    l2 D �„2�

    1

    sin#

    @

    @#

    sin#@

    @#

    C 1sin2 #

    @2

    @'2

    (D.60)

    Damit lässt sich der Laplace-Operator schreiben als

    � D @2

    @r2C 2r

    @

    @r� l

    2

    „2r2 (D.61)

    Für die Summe der ersten beiden Terme sind auch andere Schreibweisen geläufig

    @2

    @r2C 2r

    @

    @rD 1r2

    @

    @rr2@

    @rD 1r

    @2

    @r2r (D.62)

    7 Beim Auftreten verschiedener Koordinatensätze ist es üblich, die Deltaoperatoren entsprechendzu indizieren:

    %r D @2@x2 C @2

    @y2C @2

    @z2I %r0 D @2@x02 C @

    2

    @y02C @2

    @z02

  • 234 D Aus der Analysis 1

    Man kann auch den Radialimpuls pr einführen. Er ist definiert als

    pr D „i

    1

    r

    @

    @rr D „

    i

    �@

    @rC 1r

    (D.63)

    und es gilt

    � D �p2r

    „2 �l2

    „2r2 (D.64)sowie

    Œr; pr � D i„ (D.65)

    D.4 Aufgaben

    1. Berechnen Sie folgende Grenzwerte

    limx!1 x

    ne�x I limx!1 x

    �n lnx I limx!0

    sinx

    xI lim

    x!0sin kx � kx

    kx .1 � cos kx/ (D.66)

    2. Gegeben sei eine Funktion h.x/ und eine Funktion g.x2/. Wie lauten die Ab-leitungen der folgenden Funktionen:

    f .x/ D 1h .x/

    I f .x/ D h2 .x/ I f .x/ D eh.x/

    f .x/ D x � g �x2� f .x/ D eg.x2/(D.67)

    3. Berechnen Sie die Taylorreihe um x D 0 für die Funktionen (a 2 R).1C x/a I ln .1C x/ I arctanx (D.68)

    4. Gegeben der Operator ed

    dx . Berechnen Sie ed

    dx ex .5. Bilden Sie die ersten partiellen Ableitungen nach x; y; z von

    r I 1r

    I ra I r I Or. (D.69)

    Dabei gilt r D .x; y; z/, r D jrj; Or ist der Einheitsvektor in r-Richtung.6. Zeigen Sie:

    @2

    @r2C 2r

    @

    @rD 1r2

    @

    @rr2@

    @rD 1r

    @2

    @r2r (D.70)

    7. Gegeben sei eine Funktion g.r/, die nur vom Betrag r abhängt; für sie gelte�g.r/ D 0. Berechnen Sie g.r/ unter Benutzung der letzten Aufgabe.

  • D.4 Aufgaben 235

    8. Gegeben eine skalare Funktion f .r/ und eine Vektorfunktion F .r/. WelcheBildungen sind sinnvoll?

    grad f I div f I rot f I grad F I div F I rot F I rf I rF I r F(D.71)

    Schreiben Sie diese Ausdrücke mithilfe des Nabla-Operators r .9. Berechnen Sie rr˛ und�xr˛ sowie r Or.

    10. Gegeben die ebene Welle F .r; t/ D Aei.kr�!t/. A und k sind konstante Vekto-ren.

    a. Berechnen Sie die erste Zeitableitung sowie die Divergenz und die Rotati-on von F .r; t/.

    b. Sei div F .r; t/ D 0. Was bedeutet das physikalisch?c. Berechnen Sie .k � r /F und k .r � F/

    11. Beweisen Sie:

    div grad f D �f I r .rf / D �frot grad f D 0 I r rf D 0

    div rot F D 0 I r .r F/ D 0rot rot F D grad div F ��F I r .r F/ D r .rF/ ��F

    (D.72)

    Dabei sei vorausgesetzt, dass die partiellen Ableitungen vertauschen, @2f

    @xi@xjD

    @2f@xj @xi

    .12. Gegeben eine homogen geladene nichtleitende Kugel mit Radius R; die Ge-

    samtladung sei Q. Berechnen Sie mithilfe des Gaußschen Satzes das elektri-sche Feld E. Wie lautet das Potenzial ˚?

    13. Gegeben zwei Massenpunkte mit den Kugelkoordinaten .r; #1; '1/ und.r; #2; '2/. Berechnen Sie ihren Abstand d

    a. für #1 D #2 und '1 ¤ '2b. für #1 ¤ #2 und '1 D '2.

    In einem der Ergebnisse treten # und ' auf, im anderen nur # . Anschau-liche Erklärung? Überprüfen Sie a) für die Spezialfälle .'1; '2/ D .0; �/und .0; �=2/ und b) für .#1; #2/ D .0; �/ und .0; �=2/.Hinweis: Es gilt cos .a � b/ D cosa cos b C sin a sin b und 1 � cos a D2 sin2 a

    2. Und außerdem natürlich Pythagoras.

    14. Zeigen Sie: Für die Funktion

    f .x; y/ D x3y � xy3x2 C y2 (D.73)

    sind die Ableitungen @@x

    und @@y

    im Nullpunkt nicht vertauschbar, @@x@f@y

    ¤@@y@f@x

    .

  • 236 D Aus der Analysis 1

    Lösung: Außerhalb des Nullpunktes ist f .x; y/ beliebig oft stetig differenzier-bar; dort sind also die Ableitungen immer vertauschbar. Problematisch ist nurder Nullpunkt. Zunächst bilden wir die ersten Ableitungen:

    @f

    @xD y x

    4 C 4x2y2 � y4.x2 C y2/2 I

    @f

    @yD �x y

    4 C 4y2x2 � x4.y2 C x2/2 (D.74)

    Beide Ableitungen sind mit dem Wert 0 im Nullpunkt stetig ergänzbar. Diegemischte Ableitung @

    @y@f@x

    ist aber nicht stetig im Nullpunkt. Dies äußert sichfolglich darin, dass die gemischten Ableitungen ungleich sind. Tatsächlich gilt

    @

    @y

    @f .x; y/

    @x

    xD0;yD0D @@yy0 � y4.0C y2/2

    ,

    yD0D � @

    @yy

    yD0D �1(D.75)

    und

    @

    @x

    @f .x; y/

    @y

    xD0;yD0D � @

    @xx0 � x4.x2 C 0/2

    ,

    xD0D @@xx

    yD0D 1(D.76)

    Wir können uns das auch einmal in Polarkoordinaten anschauen, um eine an-schauliche Vorstellung zu gewinnen. Die zweite Ableitung

    @

    @y

    @f .x; y/

    @xD x

    6 C 9x4y2 � 9x2y4 � y6.x2 C y2/3 (D.77)

    lautet (nach etwas Rechnerei) in Polarkoordinaten

    @y@xf D 2 sin 2' sin 4' C cos 2' cos 4' (D.78)Wir sehen, dass das Ergebnis unabhängig von r ist und nur vom Winkel ' ab-hängt. In r D 0 ist diese Ableitung also nicht definiert. Es folgt beispielsweise

    @y@xf D 1 für ' D 0 I @y@xf D �1 für ' D �=2 (D.79)also dasselbe Ergebnis wie oben.

  • Anhang EAus der Analysis 2

    E.1 Differenzialgleichungen: Allgemeines

    Ein großer Teil der Physik ist mithilfe von Differenzialgleichungen (DGl) formu-liert – klassische und Quantenmechanik, Hydro- und Elektrodynamik, String- undallgemeine Relativitätstheorie und so weiter. Auch in anderen Gebieten treten DGlauf: Klima- und Meeresforschung, Biologie (Populationsdynamik), Chemie (Reak-tionskinetik), Ökonomie (Wachstumsprozesse) und vieles mehr. Kurz: DGl sind einsehr wichtiges Mittel der mathematischen Beschreibung unserer Umwelt.

    Leider existiert keine allgemeine Methode zur Lösung von DGl. Tatsächlich sindsogar Fragen nach der bloßen Existenz von Lösungen bestimmter DGl bis heutenicht beantwortbar, z. B. bei der Navier-Stokes-Gleichung der Hydrodynamik.

    Wir besprechen im Folgenden ganz kurz einige Grundlagen.DGl sind Gleichungen, die eine Funktion f mit ihren Ableitungen @f verknüp-

    fen. Hängt die Funktion von einer einzigen Variablen ab, liegt eine gewöhnlicheDGl vor; bei mehreren unabhängigen Variablen (und wenn partielle Ableitungennach mehr als einer Variablen auftreten) spricht man von einer partiellen DGl.

    Die höchste auftretende Ableitung von f bestimmt die Ordnung der DGl, diehöchste auftretende Potenz von f und seinen Ableitungen den Grad. Die Integra-tion der DGl ist ein anderer Ausdruck für die Bestimmung der Lösung. Die all-gemeine Lösung einer DGl n-ter Ordnung besitzt n freie Parameter (Integrations-konstante), die bei einer partikulären oder speziellen Lösung durch n Bedingungenfestgelegt werden. Diese Bedingungen können Anfangs- und/oder Randbedingun-gen sein. Von einer Anfangsbedingung spricht man, wenn eine der Variablen die Zeitist. Wenn die DGl bezüglich der Zeit von der Ordnung m ist, legt die Angabe vonm (geeignet gewählten) Anfangsbedingung die zeitliche Entwicklung der Lösungeindeutig fest (deterministische Entwicklung). Die Randbedingungen beziehen sichauf die Ränder @G eines Gebietes G, in dem die Lösung der DGl betrachtet wird.

    Tritt in jedem Term der DGl die gesuchte Funktion auf, spricht man von einerhomogenen DGl, ansonsten heißt die DGl inhomogen.

    237

  • 238 E Aus der Analysis 2

    Abb. E.1 Stammbaum vonDGl-Lösungen.

    Im Text haben wir es (fast) ausschließlich mit linearen DGl zu tun, bei denendie Funktion f und ihre Ableitungen ausschließlich linear (also mit Potenz 1 bzw.Grad 1) vorkommen. Die grundlegende Eigenschaft von linearen DGl ist die, dassLinearkombinationen von Lösungen wieder Lösungen darstellen. Im Wesentlichenbedeutet das, dass die Lösungen einen Vektorraum aufspannen. Dieses Fakt (bzw.die zugrunde liegende Linearität der SGl) ist zentral für die QM.

    Bevor wir uns die im Rahmen der QM wesentlichen DGl kurz anschauen, nocheine allgemeine Bemerkung. In der Physik haben wir gegenüber der Mathematikden Vorteil, dass wir aufgrund allgemeiner Überlegungen bestimmte mathematischvollkommen korrekte Lösungen aussortieren können. Zum Beispiel fordern wir,dass physikalisch relevante Lösungen im Definitionsgebiet beschränkt bleiben; un-beschränkte Lösungen können wir also weglassen. Aber auch beschränkte Lösungenerfüllen nicht immer die Anforderungen. Nehmen wir beispielsweise an, dass eineDGl eine von rechts nach links sowie eine von links nach rechts laufende Welle alsLösung hat; wenn dann aus physikalischen Gründen klar ist, dass es zum Beispielnur die von rechts nach links laufende Welle geben kann, müssen wir die ande-re Welle, obwohl mathematisch vollkommen zulässig, ausscheiden. Die Grafik E.1symbolisiert die Sachlage.

    E.2 Gewöhnliche Differenzialgleichungen

    Etwas überspitzt formuliert benötigen wir von den gewöhnlichen DGl nur zwei Ver-treter. Wir formulieren sie für die unabhängige Variable t ; natürlich gilt alles analogfür die unabhängige Variable x.

    Die erste DGl ist die allgemeine lineare DGl 1. Ordnung (tritt auf bei radioakti-vem Zerfall, Absorption etc.), also

    Pf .t/ D g.t/f .t/ (E.1)

  • E.2 Gewöhnliche Differenzialgleichungen 239

    mit einer vorgegebenen Funktion g.t/. Die Lösung lautet

    f .t/ D C eR

    g.t/dt (E.2)

    wobei C die freie Integrationskonstante ist (n D 1).Die zweite besonders wichtige (nicht nur für die QM) DGl ist die DGl 2. Ordnung

    Rf .t/ D z2f .t/ I z 2 C (E.3)mit der allgemeinen Lösung

    f .t/ D c1ezt C c2e�zt (E.4)Die Integrationskonstanten c1 und c2 können durch Anfangsbedingungen z. B. derForm

    f .0/ D f0 I Pf .0/ D Pf0 (E.5)festgelegt werden; es folgt

    f .t/ D zf0 CPf0

    2zezt C zf0 �

    Pf02z

    e�zt (E.6)

    Von grundlegender Bedeutung sind die Fälle z 2 R und z 2 I, die üblicherweisegeschrieben werden als

    Rf .t/ D !2f .t/ und Rf .t/ D �!2f .t/ I ! 2 R (E.7)mit den Lösungen

    f .t/ D c1e!t C c2e�!t und f .t/ D c1ei!t C c2e�i!t (E.8)Die erste Gleichung beschreibt exponentielles Verhalten, die zweite eine harmoni-sche Schwingung. Für x statt t lautet die Schreibweise1

    g00.x/ D k2g.x/ und g00.x/ D �k2g.x/I k 2 R (E.9)mit den Lösungen

    g.x/ D c1ekx C c2e�kx und g.x/ D c1eikx C c2e�ikx (E.10)

    1 Zur besseren Unterscheidbarkeit wird oft � (exponentielles Verhalten) und k (Schwingungsver-halten) geschrieben:

    g 00.x/D �2g.x/ und g 00.x/D �k2g.x/ I �; k 2 Rmit den Lösungen

    g.x/D c1e�x C c2e��x und g.x/D c1eikx C c2e�ikx

  • 240 E Aus der Analysis 2

    E.3 Partielle Differenzialgleichungen

    Abgesehen von der in Kap. 7 benutzten Kontinuitätsgleichung

    @�

    @tC r j D 0 (E.11)

    (Herleitung in Anhang N (Band 1)) sind die uns im Rahmen der QM interessieren-den partiellen DGl von zweiter Ordnung in den Ortsvariablen. Äußeres Kennzeichenist das Auftreten des Laplace-Operators� D @2x C @2y C @2z . Ein weiteres Merkmaldieser DGl ist ihre Linearität. Der Vollständigkeit halber führen wir auch einigeDGl an, die im Text nicht weiters benutzt werden. Alle auftretenden Funktionensind Funktionen von r.

    Die (homogene) Laplace-Gleichung

    �' D 0 (E.12)ist ein Spezialfall der (inhomogenen) Poisson-Gleichung

    �' D f (E.13)Für f D � 1

    "0� ist das die Bestimmungsgleichung eines Potenzials ' bei gegebener

    Ladungsdichte � in der Elektrostatik.In der Elektrodynamik wird diese Gleichung ersetzt durch die Potenzialglei-

    chung�

    � � 1c2

    @2

    @t2

    ' D �' D � 1"0� (E.14)

    wobei wir den d’Alembert-Operator (auch Quabla genannt) � D � � 1c2

    @2

    @t2ver-

    wendet haben.2 Analoge Gleichungen erhalten wir für das Vektorpotenzial A unddie Stromdichte j durch die Ersetzung '; � ! Ai ; ji=c2 mit i D 1; 2; 3 oder kür-zer: '; � ! A; j=c2.

    Für � D 0 folgt die homogene Wellengleichung1

    c2@2

    @t2' D �' (E.15)

    Die bisher betrachteten DGl zweiter Ordnung in den Ortskoordinaten sind von null-ter oder zweiter Ordnung in der Zeit, benötigen also keine oder zwei Anfangsbedin-gungen. Mit einer Anfangsbedingung kommen aus die Wärmeleitungsgleichung

    @

    @tT D ��T (E.16)

    2 Der d’Alembert-Operator wird von manchen Autoren auch mit anderem Vorzeichen definiert als� D 1

    c2@2

    @t2�%.

  • E.3 Partielle Differenzialgleichungen 241

    und die zeitabhängige SGl

    i„ @@t D H D

    � „2

    2m�C V

    (E.17)

    Wir bemerken die große Ähnlichkeit dieser beiden Gleichungen – der wesentlicheUnterschied besteht ‚nur‘ im Auftreten des Faktors i in der SGl.3 Beide Gleichungensind in dem Sinne deterministisch, dass die Angabe der Anfangsbedingung T .r; 0/bzw. .r; 0/ die Lösungen T .r; t/ bzw. .r; t/ eindeutig für alle Zeiten festlegt.

    Durch den Separationsansatz

    .r; t/ D ' .r/ e�i ET„ (E.18)erhalten wir aus (E.17) die stationäre SGl

    E' D H' D�

    � „2

    2m�C V

    ' (E.19)

    Diese Gleichung stellt ein Eigenwertproblem dar. Im Allgemeinen existieren nur fürbestimmte Werte von E Lösungen. Diese Werte E heißen Eigenwerte, die dazuge-hörigen Lösungen Eigenfunktionen oder Eigenvektoren. Die Menge aller Eigenwer-te heißt Spektrum; das Spektrum kann endlich oder unendlich viele Elemente ent-halten. Die Eigenwerte können abzählbar (diskretes Spektrum) oder überabzählbar(kontinuierliches Spektrum) sein. Spektren können auch sowohl diskrete als auchkontinuierliche Anteile enthalten; diese beiden Anteile können sich auch überlap-pen.

    Wenn es zu einem Eigenwert mehrere verschiedene Eigenfunktionen gibt, heißtder Eigenwert entartet. Der einfachste Fall des Eigenwertproblems (E.19) ist einnicht entartetes diskretes Spektrum; in diesem Fall gilt

    H'n D En'n I n D 1; 2; : : : (E.20)Bei Entartung haben wir

    H'n;r D En'n;r I n D 1; 2; : : : I r D 1; 2; : : : ; gn (E.21)wobei gn der Entartungsgrad von En ist.

    Geschlossene analytische Lösungen der stationären SGl existieren nur für eineHandvoll von Potenzialen. Insbesondere besitzt das freie dreidimensionale Problem

    E' .r/ D � „2

    2m�' .r/ (E.22)

    3 Wie schon im Text bemerkt liegen aufgrund des ‚kleinen Unterschieds‘ i Welten zwischen denLösungen der Wärmeleitungs- und Schrödingergleichung.

  • 242 E Aus der Analysis 2

    die Lösungen

    ' .r/ DX

    l;m

    Œaljl .kr/C blnl .kr/� Y ml .#; '/ I k2 D2m

    „2 E (E.23)

    Die jl .kr/ und nl .kr/ sind sphärische Besselfunktionen, die Y ml .#; '/ Kugel-funktionen. Zu diesen Funktionen und anderen analytischen Lösungen der SGl siehedie entsprechenden Kapitel in Anhang B (Band 2).

    E.4 Aufgaben

    1. Gegeben sei das Eigenwertproblem

    d2

    dx2f .x/ D �k2f .x/ I k > 0 I 0 � x � a (E.24)

    mit der Randbedingungf .0/ D f .a/ D 0 (E.25)

    Berechnen Sie die erlaubten Werte für k und die zugehörigen Eigenfunktionen.2. Gegeben die Differenzialgleichungen

    f 00.x/C k2f .x/ D 0 und f 00.x/ � k2f .x/ D 0 (E.26)mit k 2 R. Wie lauten die allgemeinen Lösungen dieser Gleichungen?

    3. Gegeben die Differenzialgleichung

    y.n/ D dn

    dxny.x/ D y.x/ (E.27)

    Wie lautet die allgemeine Lösung?4. Zeigen Sie, dass Linearkombinationen von Lösungen der SGl (zeitabhängig

    und stationär) wieder Lösungen darstellen.5. Gegeben die Wellengleichung

    @2t f .r; t/ D c2�f.r; t/ (E.28)

    Die Anfangsbedingungen f .r; 0/ und Pf .r; 0/ sind bekannt. Formulieren Siedie allgemeine Lösung.

    6. Die Wärmeleitungsgleichung

    @tT .r; t/ D D�T .r; t/ (E.29)wird durch

    T .r; t/ D etD%T .r; 0/ (E.30)

  • E.4 Aufgaben 243

    gelöst. Berechnen Sie die Lösung T .r; t/ für die AnfangsbedingungT .r; 0/ DT0 C T1 cos .kr/. Diskutieren Sie das Ergebnis; ist es physikalisch plausibel?Lösung: Wir zeigen zunächst, dass die Gl. (E.30) die Wärmeleitungsgleichungerfüllt. Es ist

    @tT .r; t/ D @tetD%T .r; 0/ D D�etD%T .r; 0/ D D�T .r; t/ (E.31)Als Nächstes berechnen wir etD% .T0 C T1 cos .kr//. Es gilt

    etD% .T0 C T1 cos .kr// D1X

    nD0

    tnDn�n

    nŠ.T0 C T1 cos .kr//

    D T0 C T11X

    nD0

    tnDn�n

    nŠcos .kr/

    (E.32)

    Wegen � cos .kr/ D �k2 cos .kr/ folgtT .r; t/ D etD% .T0 C T1 cos .kr//

    D T0 C T11X

    nD0

    tnDn��k2�nnŠ

    cos .kr/ D T0 C T1 cos .kr/ e�Dk2t

    (E.33)Die Anfangsbedingung ist eine GrundtemperaturT0 mit einer aufgeprägten Va-riation � T1, die sich mit zunehmender Zeit gemäß T1e�Dk2t immer mehr ab-flacht und ausgleicht.

    7. Zeigen Sie, dass

    F .x; t/ D 1.at/1=2

    e�bx2

    t (E.34)

    Lösung der eindimensionalen Wärmeleitungsgleichung ist. Bestimmen Sie dieKonstanten a und b. Wie könnte eine ähnliche Lösung der SGl lauten?

    8. Zeigen Sie, dass

    ˚ .r/ D 14�"0

    Z�.r0/

    jr � r0jd3r 0 (E.35)

    eine Lösung von

    �˚ D � 1"0�.r/ (E.36)

    ist. Benutzen Sie dazu (siehe Anhang ‚Fouriertransformation‘)

    �r1

    jr � r0j D �4�ı.r � r0/ (E.37)

    Zur Schreibweise: Wenn mehrere Koordinatensätze auftreten, ist bei derSchreibweise� nicht klar, nach welchen Koordinaten differenziert werden soll.Man schreibt dann häufig die entsprechenden Koordinaten als Index:�r bedeu-tet entsprechend die Ableitung nach den Komponenten von r:

  • 244 E Aus der Analysis 2

    Lösung: Im Folgenden kommt es wesentlich auf den Unterschied von r und r0an. Wir haben

    �r˚ .r/ D 14�"0

    �r

    Z�.r0/

    jr � r0jd3r 0

    D 14�"0

    Z

    �.r0/�r1

    jr � r0jd3r 0

    D � 14�"0

    Z

    �.r0/4�ı.r � r0/d3r 0 D � 1"0�.r/

    (E.38)

    9. Gegeben sei eine Funktion g.r/; für sie gelte �g.r/ D 0. Berechnen Sie g.r/.10. Lösen Sie die Gleichung

    �d2

    dr2C 2r

    d

    drC 1 � l .l C 1/

    r2

    fl .r/ D 0 (E.39)

    mittels Potenzreihenansatz. Geben Sie die reguläre und die irreguläre Lösungfür l D 0 explizit an.

  • Anhang FAus der linearen Algebra 1

    F.1 Vektoren (reell, dreidimensional)

    Wir betrachten in diesem Abschnitt ‚physikalische‘ Vektoren, also Tripel von (re-ellen) Messgrößen, die auf ein Koordinatensystem bezogen sind und sich bei ei-ner Änderung des Koordinatensystems (z. B. Drehung) entsprechend ändern. DieseVektoren schreiben wir als Zeilenvektoren; die Unterscheidung Spalten- und Zeilen-vektor führen wir erst bei der Matrizenrechnung ein. Die Kennzeichnung geschiehtim Druck häufig durch Fettdruck r, handschriftlich durch einen Pfeil Er . Prototypeines ‚physikalischen‘ Vektors ist der Ortsvektor

    r D .x; y; z/ (F.1)Ein allgemeiner Vektor ist gegeben durch

    v D �vx; vy ; vz�

    oder v D .v1; v2; v3/ (F.2)oder ähnliche Schreibweisen. Der Betrag (die Länge) diese Vektors ist gegebendurch

    jvj D v Dq

    v2x C v2y C v2z (F.3)Wenn jvj D 1 gilt, heißt der Vektor normiert. Der Raum, den die Menge aller dieserVektoren aufspannt, wird mit R3 bezeichnet (R für reell, 3 bezeichnet die Dimensi-on).

    F.1.1 Basis, lineare Unabhängigkeit

    Mithilfe der kartesischen Einheitsvektoren

    ex D .1; 0; 0/ I ey D .0; 1; 0/ I ez D .0; 0; 1/ (F.4)

    245

  • 246 F Aus der linearen Algebra 1

    lässt sich jeder Vektor v schreiben als

    v D aex C bey C cez (F.5)Die Terme a; b; c heißen Komponenten oder Koordinaten. Einheitsvektoren werdenhäufig mit Dach geschrieben: ex � Ox usw.

    Diese Einheitsvektoren haben wichtige Eigenschaften, sie sind nämlich linearunabhängig und sie sind vollständig. Dabei ist eine Menge von Vektoren fv1; v2; : : :glinear unabhängig, wenn die Gleichung

    �1v1 C �2v2 C : : : D 0 (F.6)nur für �1 D �2 D : : : D 0 erfüllt werden kann. Die Vollständigkeit des Systems˚ex; ey ; ez

    besagt, dass jeder Vektor (F.2) in der Form (F.5) dargestellt werdenkann. Mit anderen Worten: Die kartesischen Einheitsvektoren (F.4) bilden eine Basisvon R3.

    F.1.2 Skalar- und Vektorprodukt

    Das Skalarprodukt (das innere Produkt) zweier Vektoren v D .v1; v2; v3/ undw D .w1; w2; w3/ ist eine Zahl und definiert als1

    vw D v � w D v1w1 C v2w2 C v3w3 (F.7)Eine andere Darstellung ist

    vw D vw cos' (F.8)wobei ' der Winkel zwischen den beiden Vektoren ist (Zwischenwinkel). DieserZusammenhang zeigt sofort, dass zwei Vektoren genau dann aufeinander senkrechtstehen (orthogonal zueinander sind), wenn gilt vw D 0. Tatsächlich hängt das Ska-larprodukt eng mit dem Begriff Projektion zusammen. Die senkrechte Projektionvon w auf v (also der zu v parallele Anteil von w; Abb. F.1) hat offensichtlich dieLänge w cos' ; der zu v parallele Vektoranteil von w ist mithin gegeben durchw0 D w cos'� Ov D vwvv � v und für das Skalarprodukt folgt vw D vw0. Die Argumen-tation läuft natürlich auch mit vertauschten Rollen von v und w.

    Das Vektorprodukt (das Kreuzprodukt, das äußere Produkt) zweier dreidimen-sionaler Vektoren ist definiert als

    v w D .v2w3 � v3w2; v3w1 � v1w3; v1w2 � v2w1/ (F.9)

    1 Die Definition des Skalarproduktes für komplexe Vektoren findet sich im Abschn. Matrizenrech-nung.

  • F.1 Vektoren (reell, dreidimensional) 247

    Abb. F.1 Projektion von wauf v

    Eine andere Formulierung benutzt das Levi-Cività-Symbol "ijk (auch Epsilon-Tensor oder total antisymmetrischer Tensor 3. Stufe genannt). Es gilt

    "ijk D

    8

  • 248 F Aus der linearen Algebra 1

    Ein polarer Vektor transformiert sich wie der Ortsvektor, zum Beispiel der Im-puls (anschaulich wegen p D Pr):

    p ! �p (F.13)Ein axialer Vektor (= Pseudovektor) wie der Drehimpuls transformiert sich gemäß

    l ! l (F.14)Denn: l D r p ! l D .�r/ .�p/ D r p. Ganz allgemein gilt, dass dasVektorprodukt zweier polarer Vektoren ein Pseudovektor ist.

    Diese Begriffsbildung erlaubt im Übrigen auch die Unterscheidung zwischenSkalaren wie r � p, die sich unter der Transformation r ! �r nicht ändern, undPseudoskalaren, die dabei ihr Vorzeichen ändern. Alle Skalarprodukte eines axia-len und eines polaren Vektors sind Pseudoskalare; ein Beispiel bildet l � p.

    Die Unterscheidung zwischen polaren und axialen Vektoren spielt eine Rolle beiUntersuchungen zur Paritätsverletzung, wie sie beim Betazerfall bzw. allgemein beider schwachen Wechselwirkung auftritt.

    F.2 Matrizenrechnung

    Man kann einen Vektor dadurch ändern, dass man ihn mit einer Zahl (einem Skalar)multipliziert (Längenänderung des Vektors, keine Richtungsänderung). Für andereUmformungen wie Drehungen eines Vektors benötigt man Matrizen.

    Matrizen haben Zeilen und Spalten; folglich müssen wir nun auch zwischenSpalten- und Zeilenvektoren unterscheiden. Deswegen werden wir in diesem Ab-schnitt Vektoren nicht mehr durch Fettdruck auszeichnen, sondern als Spalten- undZeilenvektor ausschreiben. Des Weiteren beschränken wir uns nicht mehr auf reelleZahlen, sondern verwenden ganz allgemein komplexe Zahlen dazu. Außerdem be-trachten wir beliebige Dimensionen; insofern sind die auftretenden Vektoren alsonicht mehr die ‚physikalischen‘ Vektoren des vorigen Abschnitts, sondern generelleVektoren im Verständnis der linearen Algebra.

    Matrizen kann man als rechteckige Anordnungen von Zahlen mit m Zeilen undn Spalten darstellen

    A D

    0

    BBBB@

    a11 a12 : : : a1n

    a21 a22 : : : a2n:::

    :::: : :

    :::

    am1 am2 : : : amn

    1

    CCCCA

    D .amn/ (F.15)

    Man spricht von einer m n-Matrix. Die Menge aller m n-Matrizen bezeichnetman mit Km�n oder M .m n;K/, wobei K der zugrunde liegende Zahlenkörper

  • F.2 Matrizenrechnung 249

    ist. Wir beschränken uns im Weiteren auf komplexe Matrizen K D C (bzw. gege-benenfalls auf den Unterfall reeller Matrizen K D R).

    Bei der Multiplikation einer Matrix mit einem Skalar c (Skalarmultiplikation)werden alle Elemente mit c multipliziert; die Addition zweier Matrizen (die natür-lich von der gleichen Art sein müssen) erfolgt gliedweise:

    cA D

    0

    BBBB@

    ca11 ca12 : : : ca1n

    ca21 ca22 : : : ca2n:::

    :::: : :

    :::

    cam1 cam2 : : : camn

    1

    CCCCA

    D .camn/ (F.16)

    und.amn/C .bmn/ D .amn C bmn/ (F.17)

    Damit zwei Matrizen A und B miteinander multipliziert werden können (Matri-zenmultiplikation), muss die Spaltenanzahl von A gleich der Zeilenanzahl von Bsein. Wenn A eine k m-Matrix und B eine m n-Matrix ist, dann ist A � B einek n-Matrix. Die Berechnung erfolgt nach der Regel ‚Zeile mal Spalte‘:

    A � B D .ckn/ I cijDmX

    lD1ai lblj (F.18)

    Einige Beispiele. Zunächst das Produkt einer 2 3- mit einer 3 2-Matrix:

    1 2 3

    a b c

    !0

    B@

    4 7

    5 8

    6 9

    1

    CA D

    1 � 4C 2 � 5C 3 � 6 1 � 7C 2 � 8C 3 � 9a � 4C b � 5C c � 6 a � 7C b � 8C c � 9

    !

    (F.19)

    Spaltenvektoren können als n 1-Matrizen aufgefasst werden, Zeilenvektoren als1 n-Matrizen:

    1 2

    3 4

    !

    a

    b

    !

    D

    a C 2b3aC 4b

    !

    (F.20)

    a b�

    1 2

    3 4

    !

    D�

    aC 3b 2a C 4b�

    (F.21)

    Das Produkt eines Zeilen- mit einem Spaltenvektor ist eine Zahl (Skalarprodukt),das Produkt eines Spalten- mit einem Zeilenvektor eine Matrix (dyadisches Pro-dukt):

    c d�

    a

    b

    !

    D ca C db (F.22)

    a

    b

    !�

    c d�

    D

    ac ad

    bc bd

    !

    (F.23)

  • 250 F Aus der linearen Algebra 1

    Mehrfache Produkte sind gegebenenfalls auch erklärt:

    c d�

    1 2

    3 4

    !

    a

    b

    !

    D�

    c d�

    a C 2b3aC 4b

    !

    D c .a C 2b/C d .3aC 4b/ (F.24)

    Auch wenn das ProduktAB existiert, ist das ProduktBA nicht automatisch defi-niert (siehe Aufgaben). Dies gilt aber immer für quadratische, also n n-Matrizen.Allerdings ist in diesem Fall das Produkt im Allgemeinen nicht kommutativ, sodasswir AB ¤ BA haben. Beispiel:

    1 2

    3 4

    !

    0 1

    1 0

    !

    D

    2 1

    4 3

    !

    I

    0 1

    1 0

    !

    1 2

    3 4

    !

    D

    3 4

    1 2

    !

    (F.25)

    Für die weiteren Betrachtungen dieses Abschnitts beschränken wir uns auf qua-dratische Matrizen.

    Die Einheitsmatrix ist die Matrix, die auf der Hauptdiagonalen nur 1 und sonstnur 0 als Einträge besitzt. Sie wird mit E , En, I, Id, 1 oder ähnlich bezeichnet,häufig auch einfach mit 1. Die Nullmatrix hat entsprechend ihrem Namen nur nullals Einträge; sie wird in der Regel mit 0 bezeichnet.

    Für eine quadratische MatrixA ist jede PotenzAn mit n 2 N definiert (A0 ist dien n-Einheitsmatrix). Aus diesem Grund können wir auch Matrizen in Polynomeoder Potenzreihen einsetzen, z. B. in Exponentialfunktionen. Hier gilt

    eA D1X

    nD0

    1

    nŠAn (F.26)

    Die Potenz Am einer quadratischen Matrix A kann die Nullmatrix ergeben (imGegensatz z. B. zu komplexen Zahlen z; zn ist immer ungleich null für z ¤ 0).In diesem Fall heißt die Matrix nilpotent vom Nilpotenzgrad (Nilpotenzindex) m.Einfachstes Beispiel ist die Matrix A vom Nilpotenzgrad 2:

    A D

    0 1

    0 0

    !

    I A2 D

    0 0

    0 0

    !

    (F.27)

    Jeder quadratischen Matrix A sind zwei skalare Kenngrößen zugeordnet, dieSpur Sp.A/ D SpA und die Determinante detA. Die Spur einer quadratischen Ma-trix ist definiert als die Summe aller Diagonalelemente:

    Sp .A/ D Sp .ann/ DnX

    jD1ajj (F.28)

    Statt Sp für das deutsche ‚Spur‘ findet man auch Tr oder tr für trace (englischfür Spur). Es gilt Sp.AB/ D Sp.BA/, auch wenn die Matrizen A und B nichtkommutieren. Daraus folgt, dass die Spur zyklisch invariant ist, dass also giltSp .ABC/ D Sp .BCA/ D Sp .CAB/.

  • F.2 Matrizenrechnung 251

    Die Determinante einer quadratischen Matrix (eine alternierende Multilinear-form) ist ebenfalls eine Zahl (2 K). Für eine 2 2-Matrix ist sie gegeben als

    det

    a b

    c d

    !

    Dˇˇˇˇˇ

    a b

    c d

    ˇˇˇˇˇ

    D ad � bc (F.29)

    Determinanten von Matrizen höherer Dimension lassen sich mithilfe des Laplace-schen Entwicklungssatzes berechnen; zwei äquivalente Formulierungen lauten

    detA DnX

    jD1.�1/iCj aij � detAij Entwicklung nach der i -ten Zeile

    detA DnX

    iD1.�1/iCj aij � detAij Entwicklung nach der j -ten Spalte

    (F.30)

    wobei Aij die .n � 1/ .n � 1/-Matrix bezeichnet, die aus A durch Streichen deri -ten Zeile und j -ten Spalte entsteht. Ein Beispiel findet sich in den Aufgaben.

    Determinanten sind genau dann null, wenn Zeilen (oder Spalten) linear abhängigsind; dies gilt natürlich insbesondere, wenn zwei Zeilen (oder zwei Spalten) gleichsind.

    Die Determinante von Matrizenprodukten lässt sich auf die einzelnen Determi-nanten zurückführen:

    det .A � B/ D detA � detB (F.31)Schließlich führen wir noch einen Zusammenhang zwischen Spur und Determinantean: Es gilt

    det eA D eSp.A/ (F.32)

    F.2.1 Spezielle Matrizen

    Ab jetzt benutzen wir die Bracket-Schreibweise: jai bezeichnet einen Spaltenvektor,hbj einen Zeilenvektor.

    Die Bedeutung von Matrizen in der Mathematik und der mathematischen Phy-sik spiegelt sich unter anderem daran wider, dass es eine ganze Reihe speziellerMatrizen gibt. Bevor wir näher darauf eingehen, wollen wir noch die wichtigenOperationen des Transponierens und Adjungierens definieren.

    Die zu einer gegebenen Matrix A transponierte Matrix AT erhält man durchVertauschen der Rollen von Zeilen und Spalten

    A D

    0

    BB@

    a11 : : : a1n:::: : :

    :::

    am1 : : : amn

    1

    CCA

    I AT D

    0

    BB@

    a11 : : : am1:::: : :

    :::

    a1n : : : amn

    1

    CCA

    (F.33)

  • 252 F Aus der linearen Algebra 1

    Führt man gleichzeitig noch eine komplexe Konjugation aller Matrixelemente durch,erhält man die adjungierte Matrix A(:

    A D

    0

    BB@

    a11 : : : a1n:::: : :

    :::

    am1 : : : amn

    1

    CCA

    I A( D

    0

    BB@

    a�11 : : : a�m1:::: : :

    :::

    a�1n : : : a�mn

    1

    CCA

    (F.34)

    Für die Determinanten gilt

    detAT D detA I detA( D detA� (F.35)Das Adjungierte eines Spaltenvektors ist also ein Zeilenvektor mit komplex kon-

    jugierten Einträgen und umgekehrt.

    0

    BB@

    a1

    a2:::

    1

    CCA

    (

    D�

    a�1 a�2 : : :�

    I�

    a1 a2 : : :�( D

    0

    BB@

    a�1a�2:::

    1

    CCA

    (F.36)

    oder kurzjai( D haj I haj( D jai (F.37)

    Das Produkt aus einem Zeilen- und einem Spaltenvektor (also das Skalarprodukt)schreibt sich3

    haj bi D�

    a�1 a�2 : : :�

    0

    BB@

    b1

    b2:::

    1

    CCA

    D a�1b1 C a�2b2 C : : : (F.38)

    Dieser Ausdruck verallgemeinert die Formulierung des vorigen Abschnitts für reelleVektoren.

    Dagegen ist das dyadische Produkt jai hbj eine Matrix:

    jai hbj D

    0

    BB@

    a1

    a2:::

    1

    CCA

    b�1 b�2 : : :�

    D

    0

    BB@

    a1b�1 a1b

    �2 : : :

    a2b�1 a2b

    �2 : : :

    ::::::

    :::

    1

    CCA

    (F.39)

    Für den Rest des Abschnitts beschränken wir uns auf quadratische Matrizen. Wirführen listenartig einige wichtige Matrizentypen an; die grafische Darstellung findetsich in Abb. F.2.

    3 Man schreibt also nicht haj jbi, sondern spart sich mit haj bi in diesem und ähnlichen Aus-drücken einen senkrechten Strich.

  • F.2 Matrizenrechnung 253

    Abb. F.2 Stammbaumquadratischer Matrizen

    Wenn die Determinante einer MatrixA ungleich null ist, wirdA regulär genannt.In diesem Fall existiert eine weitere Matrix A�1, sodass gilt4 AA�1 D A�1A D E .Die Matrix A�1 heißt die zu A inverse Matrix (das Inverse). Matrizen mit ver-schwindender Determinante heißen singulär.

    Von einer diagonalisierbaren Matrix A spricht man, wenn es eine reguläre Ma-trix B gibt, sodass D D BAB�1 eine Diagonalmatrix ist. Ein Unterfall der diago-nalisierbaren Matrizen sind normale Matrizen, die mit ihrem Adjungierten kommu-tieren: AA( D A(A.

    Ganz wesentlich für die physikalische Beschreibung sind zwei Matrizentypenmit besonderer Symmetrie. Eine Matrix heißt symmetrisch, wenn gilt A D AT , undheißt hermitesch, wenn gilt A D A(.

    Eine reelle Matrix A heißt orthogonal, wenn gilt A�1 D AT bzw. AAT D E .Diese Matrizen stellen zum Beispiel Drehungen im n-dimensionalen Raum dar. Ei-ne komplexe Matrix heißt unitär, wenn gilt A�1 D A( bzw. AA( D E . Man kannsie sich vorstellen als Drehung im n-dimensionalen komplexen Raum.

    Für eine Projektionsmatrix (oder auch Projektion) gilt A2 D A. Man bezeichnetsolche Matrizen als idempotent: Ist die Projektion auch hermitesch, spricht man voneiner hermiteschen Projektion (auch Normalprojektion, Orthogonalprojektion oderProjektor).

    Unitäre und hermitesche (normale) Matrizen hängen auf verschiedene Weise zu-sammen. Zum Beispiel kann eine normale Matrix A unitär diagonalisiert werden;es gibt also unitäre MatrizenU, sodassUAU�1 diagonal ist (zum Beweis siehe Auf-gaben). Tatsächlich gilt: A kann genau dann unitär diagonalisiert werden, wenn Anormal ist. Dieses ‚genau dann‘ gilt nur für unitäre Diagonalisierung – nichtunitäreDiagonalisierbarkeit kann auch für nichtnormale Operatoren gegeben sein (sieheAufgaben).

    4 In endlichdimensionalen Räumen ist das Linksinverse gleich dem Rechtsinversen. Für dim D 1muss das nicht mehr stimmen.

  • 254 F Aus der linearen Algebra 1

    Hermitesche und unitäre Matrizen sowie hermitesche Projektionen (die alle nor-male Matrizen, also diagonalisierbar sind) und die Verallgemeinerungen auf ent-sprechende Operatoren spielen in der QM eine besondere Rolle.

    Des Weiteren treten in der QM auch Matrizen mit abzählbar unendlich vielenSpalten oder Zeilen auf. Um sie miteinander multiplizieren zu können, muss manzusätzliche Bedingungen an ihre Komponenten stellen, da die auftretenden Summenunendliche Reihen sind und nicht konvergieren müssen. Genauer werden solcheFragestellungen z. B. in der Funktionalanalysis behandelt.

    F.2.2 Eigenwertproblem

    Wenn A eine nn-Matrix ist und v ein n-dimensionaler Vektor, dann ist das Eigen-wertproblem von der Form

    Av D �v (F.40)wobei � eine (im Allgemeinen komplexe) Zahl ist. Gesucht werden also Vektoren,die von A auf das �-fache ihrer selbst abgebildet werden. Diese Vektoren heißenEigenvektoren, die dazugehörenden Zahlen � Eigenwerte. Die Eigenvektoren gebendie Richtungen an, in der A wie eine Multiplikation mit � (also einer Zahl) wirkt;in anderen Richtungen ist Av nicht mehr proportional zu v.

    Berechnen wir zunächst die Eigenwerte. Wir schreiben (F.40) um5

    .�E � A/ v D 0 (F.41)Damit dieses System nicht nur die triviale Lösung v D 0 besitzt, muss sein

    det .�E �A/ D 0 (F.42)Wenn wir diese Determinante nach den Regeln der Kunst ausschreiben, sehen wir,dass sie für eine n n-Matrix ein Polynom vom Grad n für � darstellt. DiesesPolynom pn .�/ heißt charakteristisches Polynom von A

    pn .�/ D det .�E �A/ (F.43)Die Bestimmung der Eigenwerte ist also äquivalent zur Bestimmung der Nullstellenvon pn .�/. Der Fundamentalsatz der Algebra (s. auch Anhang C (Band 1) ‚Kom-plexe Zahlen‘) besagt, dass jedes Polynom n-ten Grades n Nullstellen (die im All-gemeinen komplex sind) besitzt. Damit kann das Polynom in der Linearfaktoren-zerlegung

    pn .�/ D .� � �1/ .� � �2/ : : : .� � �n/ (F.44)dargestellt werden. Mehrfache Nullstellen treten in dieser Zerlegung entsprechendihrer Vielfachheit mehrfach auf. Die Menge aller Eigenwerte heißt Spektrum. EinBeispiel findet sich in den Aufgaben.

    5 Vielfach wird auch einfach nur .��A/v D 0 geschrieben.

  • F.2 Matrizenrechnung 255

    Wir bemerken noch an, dass Spur und Determinante der Matrix A mit ihren Ei-genwerten direkt zusammenhängen; es gilt nämlich

    Sp .A/ DX

    j

    �j I det .A/ DY

    j

    �j (F.45)

    Nachdem wir nun die Eigenwerte kennen, müssen wir noch die Eigenvektorenberechnen. Dazu werden die Eigenwerte in (F.40) eingesetzt, wobei man üblicher-weise gleich durchindiziert:

    Avi D �ivi I i D 1; : : : ; n (F.46)Dieses lineare Gleichungssystem wird nun mit den üblichen Standardtechniken ge-löst. Beispiel

    A D

    0 1

    1 0

    !

    I �1 D 1 I �2 D �1 (F.47)

    Ausgeschrieben ergibt sich zum Beispiel für den Eigenwert �1

    0 1

    1 0

    !

    v1;1

    v1;2

    !

    D

    v1;1

    v1;2

    !

    (F.48)

    bzw.v1;2 D v1;1v1;1 D v1;2 (F.49)

    Es folgt

    v1 D

    1

    1

    !

    v1;1 und analog v2 D

    1

    �1

    !

    v2;1 (F.50)

    wobei v1;1 und v2;1 beliebige komplexe Zahlen sind. Alle Vektoren v1 dieser Formlösen die Eigenwertgleichung (F.48). Mit anderen Worten, diese Vektoren spanneneinen eindimensionalen Unterraum auf, der Eigenraum zum Eigenwert �1 genanntwird (der Nullvektor gilt nicht als Eigenvektor, ist aber Element des Eigenraumes).Dass man dennoch von dem Eigenvektor (und nicht einem Eigenvektor) spricht, liegtdaran, dass man sich in der Regel auf den normierten Vektor bezieht; im Beispielsind das

    v1 D 1p2

    1

    1

    !

    und v2 D 1p2

    1

    �1

    !

    (F.51)

    Beim Auftreten mehrfacher Eigenwerte kann die Situation komplizierter wer-den; man spricht in diesem Fall von Entartung. Der Einfachheit halber beschränkenwir uns auf den für die QM relevanten Fall normaler Matrizen. Tritt ein Eigenwert�d -fach auf, heißt er d -fach entartet (bzw. vom Entartungsgrad d ). In diesem Fallbesitzt der Eigenraum von � die Dimension d .

  • 256 F Aus der linearen Algebra 1

    F.2.3 Noch eine Bemerkung zu hermiteschen Matrizen

    Messgrößen werden in der QM durch hermitesche Matrizen (bzw. allgemeiner:durch hermitesche Operatoren) dargestellt. Insbesondere in Kap. 13 werden dieEigenschaften dieser Operatoren besprochen. Unter anderem zeigt sich, dass dieEigenwerte reell sind, dass Eigenvektoren und verschiedene Eigenwerte zueinan-der senkrecht stehen und dass zwei kommutierende hermitesche Operatoren ein ge-meinsames VONS besitzen.

    Für eine hermitesche (bzw. allgemeiner: eine normale) Matrix A kann man im-mer eine unitäre Matrix finden, sodass der Operator U�1AU diagonal ist, alsoU�1AU D D gilt. Als Spalten von U kann man die Eigenvektoren wählen; dieDiagonalelemente von D sind die Eigenwerte, die so häufig auftreten, wie ihr Ent-artungsgrad angibt.6 Die explizite Rechnung findet sich in den Aufgaben. Im Üb-rigen ist die Spektraldarstellung in Kap. 13 nur eine andere Formulierung diesesSachverhalts.

    Damit folgt dann auch der Satz, dass kommutierende hermitesche Operatorengleichzeitig diagonalisiert werden können (sie besitzen ja auch ein gemeinsamesVONS). Wegen der Diagonalisierbarkeit der in der QM auftretenden Operatorenbzw. Matrizen kann man immer direkt nach Eigenfunktionen entwickeln, ohne dassman sich um Jordansche Normalformen oder dergleichen kümmern muss.

    F.3 Aufgaben

    1. Es sei x D .4;�2; 5/. Bestimmen Sie a; b; c; d so, dass die drei Vektorenx; y D .�1; a; b/ und z D .�1; c; d / paarweise zueinander orthogonal sind.

    2. x und y seien dreidimensionale Vektoren. Zeigen Sie, dass x und x y sowiey und x y zueinander orthogonal sind.

    3. Gegeben die Vektoren

    a D

    0

    B@

    1

    2

    3

    1

    CA I b D

    0

    B@

    3

    2

    1

    1

    CA I c D

    0

    B@

    0

    A

    B

    1

    CA (F.52)

    Berechnen Sie das Skalarprodukt a � b, das Vektorprodukt a b und das dya-dische Produkt ab. Für welche A;B sind die drei Vektoren a, b, c linear unab-hängig?

    4. Gegeben die Corioliskraft FC D 2m .v !/. In welche Himmelsrichtung wirktsie bei einem frei fallenden Körper?Lösung: Die Erdrotation verläuft gegen den Uhrzeigersinn (von oben auf denNordpol geschaut), d. h. mathematisch positiv, also ! D .0; 0; !/ mit ! > 0.

    6 Die geometrische Vielfachheit der Eigenwerte ist gleich der algebraischen.

  • F.3 Aufgaben 257

    Die Geschwindigkeit eines auf die Erdoberfläche fallenden Körpers, der derEinfachheit halber entlang der x-Achse fällt (also auf den Äquator), sei v D.v; 0; 0/ mit v < 0 (für > 0 fliegt der Körper von der Erdoberfläche weg). Dar-aus folgt F D 2m .v !/ D 2m .0;�v!; 0/. Wegen v < 0 ist der Term �v!positiv und es resultiert eine Ablenkung nach positiven Werten von y, also nachOsten.

    5. Gegeben die Matrix M

    M D

    0 1

    1 0

    !

    (F.53)

    Berechnen Sie a) eM , b) eiM , c) cosM und sinM .

    6. Gegeben A D � 1 0 20 �2i 1�

    und B D�1 05i 2�i 1

    . Berechnen Sie, soweit definiert A2,

    AB , BA, B2, .AB/2.7. Sei

    A D

    1 0 2i3 �2i �2

    !

    (F.54)

    gegeben. Berechnen Sie AT und A(.Lösung:

    AT D

    0

    B@

    1 3

    0 �2i2i �2

    1

    CA I A( D

    0

    B@

    1 3

    0 2i�2i �2

    1

    CA (F.55)

    8. Gegeben ist A D � 1 2�2 �1�

    . Ist A normal? Dieselbe Frage für B D � 1 23 4�

    .Lösung: Mit A( D � 1 �22 �1

    folgt

    1 2

    �2 �1

    !