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Zensur l TT boten sind. Und dennoch hat sich die Zensur da und dort erhalten, und es blüht bisweilen sogar noch die Vorzensur, die Veröffentlichungen verbietet, noch bevor sie jemand gesehen hat. Von Erich Fétix Mautner .'¡¡iÈj systems (Amtliche Nachrich- tenstelle) die oppositionelle Publizistik ausgeschaltet wer- den. In diesen Jahren wurden 325 Bücher verboten und das Konkordat mit dem Heiligen Stuhl unterzeichnet. Im Na- tionalsozialismus wurde um- fassende Zensur eingeführt, die ebenfalls die Briefkon- trolle ftir Soldaten einschloss. 1945 wurde von den alliier- ten Besatzungsbehörden ei- ne,,Österreichische Zensur- stelle" errichtet, clie bis 1953 Briefe zensuriert hatte. Artikel 19, Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Europäische Menschrechts- konvention, in Österreich mit Verfassungsrang ausgestat- tet, sehen jedoch nach wie vor gewisse Einschränkun- gen vor. Die Zensur gibt es immer noch, auch wenn sie sich in scheinbar nobler Zu- rückhaltung übt. Der antifaschistische Konsens Österreichs Zw eite Republik basiert auf dem sogenannten ,, antifaschistischen Konsens", also auf der mehrheitlichen Einsicht, dass es kein Zunick zu Faschismus und Natio- nalsozialismus geben solle. Darauf beruht die Aussöh- nung Österreichs mit dem Rest der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg, und darauf beruht auch das NS- Verbotsgesetz, das Zensur- maßnahmen beinhaltet, das -, il .i"q iüi#f, Seit den Zeiten Mnria Theresins lnt sích die Zenstu' gelockert .t ; Tensur hat in Osterreich /-t eine lange und wechsel- volle Geschichte. AIs Vor- kontrolle von Druckwerken vor deren Veröffentlichung bestand sie schon im 18. Jahr- hundert, besonders zur Zeít Maria Theresias. Zunächst unter Josef II. gelockert, wur- de sie 1786 abermals ver- schärft und während der Französischen Revolution auf den Briefuerkehr ausgedehnt. Urstände feierte sie im Vor- märz bis zu dessen gewaltsa- men Ende in den Revolu- tionsjahren 7848 I 1849. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunclerts erfolgte Zen- sur durch Konzessionen oder Kautioneru wie sie heute noch für Radio und Fernsehen üblich sind. Wäh¡end des Ers- ten Weltkriegs bestand ein Kriegsüberwachungsamt, das nicht nur Zeitungery sondem auch die Soldatenpost kon- trollierte. Im StGBl. Nr.3/1918, Be- schluss der provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, steht es dann mehr oder weniger endgültig - kurioserweise be- reits zwei Wochen vor Aus- rufung der Republik: ,,7. Je- de Zensur ist als dem Grund- recht der Staatsbürger wider- sprechend als rechtsungültig aufgehoben. 2. Die Einstel- lung von Druckschriften und die Erlassung eines Postver- botes gegen solche findet nicht mehr statt. Die bisher verfu gten Einstellungen und Postverbote sind aufgehoben. Die volle Freiheit der Presse ist hergestellt. 3. Die Aus- nahmsverf ügungen betreffs des Vereins- und Versamm- lungsrechtes sind aufge- hoben." Zur Zeit des austrofa- schistischen Ständestaats soll- te durch Lizensierun g bzw. durch Beherrschung des öf- fentlichen Kommunikations- ø ¿ o ø a o t d o o Zensur in Osterreich Man glaubt es nicht, wie lange schon im Lande Metternichs, Dollfuß' und Hitlers Zensurmaßnahmen ver- gnnz oerschwunden ist sie nllerdings noch nicht S 136 extradienst 06-07/2009

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Zensur l

TT

boten sind. Und dennoch hat sich die Zensur da und dort erhalten, und es blüht bisweilen sogar noch dieVorzensur, die Veröffentlichungen verbietet, noch bevor sie jemand gesehen hat. Von Erich Fétix Mautner

.'¡¡iÈj systems (Amtliche Nachrich-tenstelle) die oppositionellePublizistik ausgeschaltet wer-den. In diesen Jahren wurden325 Bücher verboten und dasKonkordat mit dem HeiligenStuhl unterzeichnet. Im Na-tionalsozialismus wurde um-fassende Zensur eingeführt,die ebenfalls die Briefkon-trolle ftir Soldaten einschloss.1945 wurde von den alliier-ten Besatzungsbehörden ei-ne,,Österreichische Zensur-stelle" errichtet, clie bis 1953Briefe zensuriert hatte.

Artikel 19, InternationalerPakt über bürgerliche undpolitische Rechte sowie dieEuropäische Menschrechts-konvention, in Österreich mitVerfassungsrang ausgestat-tet, sehen jedoch nach wievor gewisse Einschränkun-gen vor. Die Zensur gibt es

immer noch, auch wenn siesich in scheinbar nobler Zu-rückhaltung übt.

Der antifaschistischeKonsens

Österreichs Zw eite Republikbasiert auf dem sogenannten

,, antifaschistischen Konsens",also auf der mehrheitlichenEinsicht, dass es kein Zunickzu Faschismus und Natio-nalsozialismus geben solle.Darauf beruht die Aussöh-nung Österreichs mit demRest der Welt nach demZweiten Weltkrieg, unddarauf beruht auch das NS-Verbotsgesetz, das Zensur-maßnahmen beinhaltet, das

-, il.i"qiüi#f,

Seit den Zeiten Mnria Theresins lnt sích die Zenstu' gelockert

.t;

Tensur hat in Osterreich/-t eine lange und wechsel-volle Geschichte. AIs Vor-kontrolle von Druckwerkenvor deren Veröffentlichungbestand sie schon im 18. Jahr-hundert, besonders zur ZeítMaria Theresias. Zunächstunter Josef II. gelockert, wur-de sie 1786 abermals ver-schärft und während derFranzösischen Revolution aufden Briefuerkehr ausgedehnt.Urstände feierte sie im Vor-märz bis zu dessen gewaltsa-men Ende in den Revolu-tionsjahren 7848 I 1849.

In der zweiten Hälfte des19. Jahrhunclerts erfolgte Zen-

sur durch Konzessionen oderKautioneru wie sie heute nochfür Radio und Fernsehenüblich sind. Wäh¡end des Ers-ten Weltkriegs bestand einKriegsüberwachungsamt, dasnicht nur Zeitungery sondemauch die Soldatenpost kon-trollierte.

Im StGBl. Nr.3/1918, Be-schluss der provisorischenNationalversammlung vom30. Oktober 1918, steht es

dann mehr oder wenigerendgültig - kurioserweise be-reits zwei Wochen vor Aus-rufung der Republik: ,,7. Je-de Zensur ist als dem Grund-recht der Staatsbürger wider-

sprechend als rechtsungültigaufgehoben. 2. Die Einstel-lung von Druckschriften unddie Erlassung eines Postver-botes gegen solche findetnicht mehr statt. Die bisherverfu gten Einstellungen undPostverbote sind aufgehoben.Die volle Freiheit der Presseist hergestellt. 3. Die Aus-nahmsverf ügungen betreffsdes Vereins- und Versamm-lungsrechtes sind aufge-hoben."

Zur Zeit des austrofa-schistischen Ständestaats soll-te durch Lizensierun g bzw.durch Beherrschung des öf-fentlichen Kommunikations-

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Zensur in OsterreichMan glaubt es nicht, wie lange schon im Lande Metternichs, Dollfuß' und Hitlers Zensurmaßnahmen ver-

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S 136 extradienst 06-07/2009

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ursprünglich in besonderenFällen sogar die Todesstrafevorgesehen hatte.

Zum gesellschaftlichenKonsens gehört mittlerweileauch das Verbot von porno-grafischen Darstellungen mitKindern.

Täglich in österreich:Zensur der Briefpost

Dabei ist da noch gar nichtdie sogenannte,,Postsperre"berücksichtigt. Hier geht es

darum, dass Menscheru die infinanziellen Nöten sind, voneinem Tag auf den anderenihre persönlichen Briefe nichtmehr erhalten. Im Rechtsstaat

Österreich.Als hätten die Schuldner,

die Mitarbeiter und erst recht

die Familien nicht schon ge-

nug Existenzprobleme umdie Ohren, sieht die Kon-kursordnung vor, dass derSchulden-Si.inder ab dem Da-

tum der Konkurs-Eröffnungseine Post nicht mehr zuge-stellt bekommt. Das ist fürviele Betroffene der erste undsehr tief sitzende Schock des

Verfahrens. Weil er's nämlichnicht versteht und weil diepersönlichen Briefe -,,Post-geheimnis schau oba!" - bis-her zu seinen intimsten Din-gen gehört hatten. Ab sofortgilt also dieses Postçheimnisnicht mehr für ihn, und ermuss froh sein, wenn er seine

Korrespondenz irgendwannund überhaupt und dochnodr bekommt - nachdem sie

von einem Zensor gelesenwurde.

Das heiße Jeder Briel auc.h

ganz intime, jede Zeitung, je-

des Packerl werden ab Kon-kurseröffnung egal was hin-ter diesem Konkurs wirklichsteckt und wie der dann aus-

geht, nicht mehr dem, demsie gehören, zugestellt, son-

dern einem sogenannten,,Masseverwalter", der einverlängerter Arm der Justiz-krake ist. Der, vielmehrdessen amüsiertes Personal,öffnet nun alle Poststücke,schaut hinein, liest oder ko-piert. Erst danach kann sichder Sdrulden-Büßer wÈih¡end

Rechtsnnunlt Dr. Thonns Wal-

lentin: ,,Beschlagnalmrc oor Be-

ginn der Verbreitmry unzulässig"

der Kanzleistunden seine Sa-

chen abholen.

Das Gespenstder Kunstfreiheit

Im Bundesgesetzblatt Nr. 262

aus 1982 findet sich der Arti-kel 17a. StGG: ,,Das künstle-rische Schaffery die Vermitt-lung von Kunst sowie derenLehre sind frei." Als HerbertAchternbusch 1983 seinenzehnten Film, ,,Das Ge-

spenst", fertiggestellt hatte,entschied die,,FreiwilligeSelbstkontrolle" der Film-wirbchaft (FSK Deutsdrland)den Film nicht freizugeben,derm er attackiere die katho-lische Kirche und erzeuge einnur noch pessimistisches undnihilistisches Grundmusterder Welt, das keine rationaleVerarbeitungsmöglichkeit f i.ir

den Besucher zulässt.Tatsächlich handelt der

Film, formal zwischen Karl

Valentin, Samuel Beckett undLuis Buñuel, von einemwiederkeh¡endery dem 42. fe-sus, der versucht im baye-rischen Alltag zurechtzu-kommen.

Die deutsche FSK hatte ih-re Entscheidung zwar nachkurzer Zeit revidiert, in Ös-terreich und in der Schweizblieb der Film weiterhin ver-boten. Noch bevor der Filmin Graz erstmals aufgeführtwerden konnte, schrittenPolizisten in der für sie be-kannt sensiblen Art ein undkonfiszierten die Filmrollen.,,... Das Landesgericht fürStrafsachen Graz erkanntemit Urteil vom 2. Juli 1984,

GZ 3b E Yr 4.128 I 83-46, überden von der Staatsanwalt-schaft im selbstständigen Ver-

fahren gestellten Antrag aufEinziehung des gerichtlichbeschlagnahmten Tonfilmes,Das Gespenst' von HerbertAchternbusch gemäß $ 33Abs 2 MedienG zu Recht ..."

Der Geschäfufi.ihrer der IGAutorinnen Autoren GerhardRuiss:,,Das Mediengesetz istinsoferne problematisch, als

es präventive Zensur zulässt,

denn es ist ja möglich, mit derersten geplanten Vorführungzu beschlagnahmen." Dass

die Behörden bei der Be-

schlagnahme des Films vorder Aufführung gegen wich-tige Verfassungsgrundsätzeverstoßen haben, das siehtauch der auf Filmrecht spe-zialisierte Jurist Dr. ThomasWallentin so: ,,Als vorläufigeMaßnahme steht die Be-sdrlagnahme einer Vorzensurnahe. Es ist die überwiegen-de Meinung [...], dass eineBeschlagnahme vor Beginnder Verbreitung (und damitwohl auch der Aufführung)unzulässig sei, weil sie demabsoluten Verbot der Vorzen-sur widerspräche." Und Wal-

lentin überrascht mit seinerRechtsmeinung, dass sich dieBescNagnahme und das Ver-

bot des,Gespenstes' nur aufdie inkriminierte Kopie desFilms beziehen könne, die ja

nie zurückgegeben wurde.Andere Filmkopien oder Da-tenträger, die heute zur Auf-führung kommen könnten,seien davon nicht betroffenund müssten gegebenenfallsin neuen Verfah¡en bekämpftund ausjudiziert werden.

Der katholische Klerusals Zensurbehörde

1563 fiel beim Konzil vonTrient der Entschlust Bücher,

die der katholischen KirchemissfielerL für deren Mitglie-der bei Strafe der Exkommu-nikation zu verbieten. Diesen

,,Index librorum prohibito-rum", über den die Inquisi-tion gewacht hatte, gab es so-dann bis 1967.Darunter fie-len etwa die Werke von Cal-vin, Luther, Hus und Zwin-gli, aber auch der Koran undder Talmud. Die Verbrennungdes Talmuds wurde vonPapst Gregor IX. angeordnet.

Das Konkordat vom 5. fu-ni 1.933, das der KatholischenKirche erhebliche Rechte inÖsterreich einräumt, warnach Artikel30 Absatz 4 teil-weise Verfassungsrecht nachder Verfassung vom 1. MaiL934. Es wurde mehrmals er-

neuert und ergåinzt und trägtsomit die österreichischenUnterschriften von Dr. En-gelbert Dollfuß, Dr. KurtSchuschnigg, Dr. HeinrichDrimmel, Dr. Theodor Piffl-Percevic, Dr. Kurt Waldheimund viermal von Dr. BrunoKreisky.

Noch heute sieht der Para-graf 188 StGB für die Herab-würdigung religiöser LehrenStrafen vor. i

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