¥ Geheime Mission - UPJ...Die beispielhafte Listung zeigt, dass Unternehmen keine in sich...

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01 DEUTSCHE UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN EINE UMFRAGE UNTER DEN 150 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN GEHEIME MISSION?

Transcript of ¥ Geheime Mission - UPJ...Die beispielhafte Listung zeigt, dass Unternehmen keine in sich...

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    DEUTSCHE UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN

    EINE UMFRAGE UNTER DEN 150 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN

    GEHEIME MISSION?

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    GEHEIME MISSION?DEUTSCHE UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN

    EINE UMFRAGE UNTER DEN 150 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN

    HERAUSGEGEBEN VON PLEON KOHTES KLEWES GMBH

    BONN UND BERLIN, OKTOBER 2004

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    INHALT

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    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Ergebnisse in Schlagzeilen

    Vorwort

    Einführung

    Methodik

    Ergebnisse der Befragung

    Gastkommentare von

    Bayer AG

    BMW AG

    Duales System Deutschland AG

    Germanwatch e.V.

    HypoVereinsbank AG

    KarstadtQuelle AG

    TUI AG

    Vodafone D2 GmbH

    WWF Deutschland

    Anhang

    I. Die 150 Unternehmen

    II. Fragebogen

    III. Aktuelle Literatur

    Impressum

    06

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    50

    50

    56

    66

    70

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    ERGEBNISSE IN SCHLAGZEILEN

    ERGEBNISSE IN SCHLAGZEILEN

    VIELE UNTERNEHMEN PRAKTIZIEREN DEN DIALOG MIT KRITISCHEN GESELLSCHAFT-

    LICHEN GRUPPEN, DIE MEISTEN VERÖFFENTLICHEN ABER NICHT DIE ERGEBNISSE.

    57 der teilnehmenden 65 Unternehmen haben Erfahrungen im Dialog mit kritischen Gruppen. Aber nur

    ein Viertel lässt die Ergebnisse eines Dialogprozesses ins eigene Non-financial Reporting einfließen, nur

    ein knappes Fünftel veröffentlicht den Prozess oder die Ergebnisse in anderer Form. Für die große

    Mehrheit haben Dialogprozesse vor allem unternehmensinterne Konsequenzen, die nicht öffentlich

    werden. Dies wirft Fragen nach der öffentlichen Rolle von NGOs und nach dem Transparenzverständnis

    von Unternehmen auf.

    DIE DATEN

    • Unternehmensauswahl: 150 große deutsche Unternehmen nach den Kriterien

    a) HDAX-Listung (abzüglich ausländischer Unternehmen = 105)

    b) 45 weitere nach Größe und inhaltlicher Relevanz

    • Identifikation der Ansprechpartner: durch telefonische Kontaktaufnahme

    • Online-Fragebogen: E-Mail mit personalisiertem Zugang an 140 Unternehmen

    • Feldzeit: 28. Juni bis 14. Juli 2004

    • Teilnehmer: 65 Unternehmen, davon 57 mit Dialogerfahrung

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    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    UNTERNEHMEN WOLLEN MIT DEM STAKEHOLDER-DIALOG REPUTATIONSRISIKEN

    VERRINGERN.

    Der stärkste Beweggrund für Unternehmen, den Stakeholder-Dialog zu suchen, ist die Vorbeugung mög-

    licher Reputationsrisiken. Daher steht etwa die Hälfte der Unternehmen in einem regelmäßigen Dialog mit

    kritischen Stakeholdern, andere machen dies von der Aktualität eines Themas abhängig. Bei drei Vierteln

    der Unternehmen mündet ein Dialogprozess in gemeinsame Projekte mit Nichtregierungsorganisationen.

    DIALOGE BEWIRKEN VERÄNDERUNGSPROZESSE IN UNTERNEHMEN.

    Zwei Drittel der dialogerfahrenen Unternehmen sind bereit, auch wichtige unternehmensstrategische

    Entscheidungen von kritischen Stakeholdern reflektieren zu lassen. Das klingt erstaunlich optimistisch:

    folgt nach der Corporate Governance jetzt die Stakeholder-Governance?

    IN ZUKUNFT WIRD ES MEHR DIALOGE GEBEN.

    Drei Viertel der dialogerfahrenen Unternehmen wollen künftig noch mehr Dialoge führen. Dies liegt an

    der größtenteils hohen Zufriedenheit mit den Ergebnissen von Dialogprozessen. Auch alle teilnehmenden

    Unternehmen ohne Dialogerfahrung können sich vorstellen, künftig in einen Dialog mit kritischen

    Stakeholdern einzutreten. Die Anzahl und die Kapazität konstruktiver, dialogbereiter, gesellschaftlicher

    Gruppen ist aber begrenzt. Neue Modelle zur Einbindung der Zivilgesellschaft in unternehmerische

    Entscheidungsprozesse sind daher gefragt.

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    VORWORT

    Miteinander reden, um Probleme zu lösen – das Prinzip scheint einfach. Um nichts anderes geht es beim

    Stakeholder-Dialog, und doch wird das scheinbar Selbstverständliche durch einige Faktoren erschwert.

    Das fängt bei der Wahl der Gesprächspartner an. Manager sind es eher gewohnt, mit Vorständen, Analysten

    und Journalisten zu reden als mit Vertretern der kritischen Zivilgesellschaft. Es fehlt häufig an systematischer

    Kenntnis der Kritiker und der von ihnen vertretenen Themen. Manchmal wird auch die Relevanz solcher

    Kontakte schlichtweg in Frage gestellt.

    Für eine Reihe multinationaler Unternehmen aus Deutschland ist Stakeholder-Dialog kein neues Thema.

    Wir waren von der Zahl der Unternehmen, die angaben, Erfahrungen damit zu haben, positiv überrascht.

    Insofern generiert diese Untersuchung mehr belastbare Informationen als wir bei ihrer Konzipierung er-

    wartet hatten. Es werden eindeutig mehr ernst gemeinte Dialoge praktiziert als bislang erkennbar war.

    Das verdient uneingeschränkte Anerkennung, denn die dialogbereiten Unternehmen beweisen damit

    Lernbereitschaft, Außenorientierung und Mut zur Transparenz – mithin Voraussetzungen für einen dauer-

    haften Unternehmenserfolg. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie es denn eigentlich mit den anderen

    Unternehmen steht, die sich nicht beteiligt haben. Durch die persönlichen Kontakte mit allen 150 adres-

    sierten Unternehmen im Vorfeld der eigentlichen Befragung ergeben sich drei Muster:

    ANDREAS STEINERTGeschäftsführer Pleon Kohtes Klewes

    VORWORT

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    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Abwehr: Zehn der 150 Unternehmen erklärten von vornherein, aus Prinzip nicht teilnehmen zu wollen

    oder schotteten sich bereits am Telefon ab. Hier haben wir von der Versendung des Fragebogen-Links

    abgesehen. Branchenbedingte Muster ließen sich dabei eher nicht erkennen. Andere Unternehmen sagten

    eine Beteiligung zu, aber hier liegt die Vermutung nah, dass dies von vornherein nicht ernst gemeint war.

    Intransparenz: Es gibt nach wie vor Unternehmen, auch unter den informationsverpflichteten Aktiengesell-

    schaften, die offenkundig hinter Mauern und Stacheldraht arbeiten. Dieses – vermutlich auf Selbstschutz

    zurückzuführende – Verhalten erreicht natürlich das Gegenteil, weil sich Fragen nach den Gründen aufdrängen.

    Zeitmangel: Für einige kam unser Fragebogen offenbar zu einem ungünstigen Zeitpunkt, teilweise durch

    anstehende Hauptversammlungen bedingt. Hieran konnte auch die Verlängerung des Online-Zeitraums

    der Befragung nichts mehr bewirken. Teilweise haben die Unternehmen auch nicht die personellen Kapa-

    zitäten. Dies ist insbesondere bei zahlreichen MDAX- und TecDAX-gelisteten Unternehmen der Fall, die

    scheinbar die erforderlichen Informationskapazitäten noch nicht organisiert haben. Andere Unternehmen

    leiden ganz offenkundig unter den vielen Fragebögen für Diplomarbeiten und Magisterstudien und unter-

    scheiden nicht mehr zwischen solchen individuellen akademischen Arbeiten und einer in der Kommunika-

    tions- und Fachwelt zu veröffentlichenden Studie mit Benchmark-Potenzial.

    Selbstverständlich haben wir nicht erwartet, dass alle 150 Unternehmen aktiven Stakeholder-Dialog praktizie-

    ren. Wir meinen auch nicht, dass alle Unternehmen dies tun sollten. Für viele Unternehmen ist der Stakeholder-

    Dialog einfach kein relevantes Instrument der Strategieentwicklung oder der Öffentlichkeitsarbeit, und das ist

    völlig in Ordnung. Ein besonderer Dank gilt daher den acht Unternehmen, die keine Erfahrung mit dem Stake-

    holder-Dialog hatten, aber trotzdem teilgenommen haben. Dies gibt ein besseres Bild vom Status Quo dieses

    Instruments als die Ablehnung eines Fragebogens. Die Dialogpartner in Unternehmen und kritischen Organi-

    sationen bewegen sich vielfach „in geheimer Mission“. Sie nehmen damit bewusst einen gewissen Grad an In-

    transparenz in Kauf, um in vertraulichen Gesprächen Bewegung in Prozesse zu bringen, die über einen öffent-

    lichen Weg behindert würden. Es ist gut, dass es diese „Nicht-Öffentlichkeit“ gibt, wenn auf diese Weise er-

    kennbare Fortschritte in Richtung nachhaltiger Entwicklung gemacht werden. Wenn es dann aber „erkennbare“

    Fortschritte sind, will die Öffentlichkeit auch darüber informiert werden, zum Beispiel durch ein breites Spek-

    trum an PR-Aktivitäten. Schweigen jedenfalls sorgt nicht für mehr Reputation – allenfalls für eine schlechte.

    Andreas Steinert

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    EINFÜHRUNG

    REDEN DEUTSCHE UNTERNEHMEN MIT IHREN KRITIKERN?

    Diese Frage war der Ausgangspunkt unserer Studie. Geklärt werden sollte, ob, warum und wie große Unter-

    nehmen auf kritische Stimmen aus ihrem gesellschaftlichen Umfeld reagieren: Wird Kritik ignoriert? Wird mit

    juristischen Schritten gedroht? Oder kommt es zum konstruktiven Dialog?

    Beispiele für Konfrontation zwischen Unternehmen und kritischen Gruppen der Zivilgesellschaft gibt es immer

    wieder. Allein im Vorbereitungszeitraum dieser Befragung in der ersten Jahreshälfte 2004 gab es Greenpeace-

    Proteste auf Braunkohlebaggern, Proteste wegen der Verfütterung nicht gentechnikfreier Nahrung an Milch-

    kühe, gerieten Steuerabschreibungspläne ins Visier von Attac, wurde ein Discounter von Robin Wood dazu

    gebracht, künftig keine Tropenholzprodukte ohne FSC-Siegel zu verkaufen, und vieles mehr.

    In dieser Befragung geben Dialogverantwortliche großer Firmen Auskunft darüber, ob sie mit potenziell kritisch

    eingestellten Stakeholdern sprechen, ob dies eher fallweise oder regulär geschieht, mit wem gesprochen wird,

    aus welchen Gründen und mit welchen Ziel der Dialog geführt wird. Gesucht wurde auch eine Antwort auf die

    Frage, was nach einem Dialogprozess geschieht: Business as usual? Kommt ein Lernprozess in Gang?

    Die Analyse der Ergebnisse dieses Projektes zeigt, was führende Unternehmen in diesem Bereich leisten,

    wodurch sie zum Dialog motiviert werden und wie sie ihre Kommunikations- und Risikomanagementleistungen

    optimieren können. Die Studie will gleichzeitig für potenziell kritische Themen sensibilisieren und für mehr

    konstruktiven Dialog als Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zwischen Unternehmen und der

    Zivilgesellschaft werben. Als Kommunikationsberatung mit einem strategischen Schwerpunkt im Bereich der

    gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen („Corporate Social Responsibility“) sind wir davon über-

    zeugt, dass der Dialog mit kritischen Stakeholdern ein wesentliches Element der Risikominimierung und der

    organisatorischen Weiterentwicklung für Unternehmen ist.

    EINFÜHRUNG

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    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    WARUM SOLLTEN UNTERNEHMEN MIT IHREN KRITIKERN REDEN?

    „The business of business“ ist nicht nur „business“ – und die gesellschaftliche Verantwortung eines Unter-

    nehmens beschränkt sich nicht auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Zahlen von Steuern. Wirtschafts-

    ethik, Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility sind Stichworte einer weltweiten Debatte, mit der sich

    große Unternehmen zunehmend beschäftigen.

    Aus gutem Grund: Die Zahl der Kritiker von Globalisierung und mangelnder ethischer Verantwortung von

    Unternehmen wächst. Zunehmend erkennt auch die internationale Finanzwirtschaft, dass die gesellschaft-

    lichen Risiken für Unternehmen wachsen. So fragen inzwischen große Anbieter von Börsenindizes wie Dow

    Jones und FTSE, wie es die Unternehmen mit dem Stakeholder-Dialog halten. Der jährliche Fragebogen zur

    Dow Jones Sustainability Indexgruppe enthält eine Reihe von Fragen zum Umgang mit kritischen Stakeholdern,

    die zu 6,6 Prozent in die Unternehmensbewertung einfließen. Die FTSE Group fragt für die FTSE4Good-

    Indizes explizit nach Dialogprozessen mit Stakeholdern im Hinblick auf Umwelt-, Arbeitnehmervertretungs-

    und Menschenrechtskriterien. Diese Börsenanalysten wissen: Konfrontation zwischen Unternehmen und

    ihren Kritikern führt zu Imageschäden, die nur schwer reparabel sind und in vielen Fällen mit einem Wert-

    verlust der Aktie enden.

    Am meisten sollte den Unternehmen jedoch an ihrer eigenen Zukunft gelegen sein. Potenzieller Kritik präventiv

    zu begegnen, ist aktive Risikovorsorge, die in zahlreichen Unternehmen durch Abteilungen für Corporate

    Communications, Public Affairs oder Issues Management wahrgenommen wird. Oftmals findet hier aber nur

    Analyse statt, der direkte Dialog bleibt auf der Strecke. Der konstruktive Austausch mit Kritikern dient aber

    auch dazu, die Innovationsfähigkeit zu erhalten und den langfristigen Bestand des Unternehmens zu sichern.

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    EINFÜHRUNG

    WAS SIND POTENZIELLE KRITIKPUNKTE?

    Womit werden große Unternehmen konfrontiert? Einige der aktuellen Themen, mit denen sich kritisch

    eingestellte Organisationen an Unternehmen wenden, sind:

    Sozialstandards in Entwicklungsländern (relevant für die Textilindustrie,

    für Handelsunternehmen, stark zulieferabhängige Industrien und die Finanzwirtschaft)

    Klimaschutz / Kohlendioxid-Emissionen (relevant für Energieerzeuger,

    energieintensive Industrien und die Finanz- und Versicherungsbranche)

    Ressourcenproblematik: Was geschieht nach dem Ende des Erdöls

    (relevant für die Öl-, Chemie-, Automobilbranchen)? Wer baut wo unter welchen Bedingungen

    benötigte Mineralien und Metalle ab (relevant für die Halbleiter- und Chemiebranchen, Energieversorger

    und die Finanzwirtschaft)?

    Corporate Governance: Welche Mechanismen helfen, Bilanzfälschungen zu verhindern

    (relevant für alle Unternehmen, insbesondere Aktiengesellschaften)?

    Offshoring: Verlagerung von Arbeitsplätzen aus der westlichen Welt in Länder mit niedrigeren Löhnen,

    Sozialabgaben, Umwelt- und Sozialstandards und weniger stabilen Demokratien

    Privatisierungen öffentlicher Güter: Wasser, Energie, Entsorgung, etc.

    Nord-Süd-Konflikt: Digital Divide, Gesundheit, Bildung, religiöser Fundamentalismus.

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    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Die beispielhafte Listung zeigt, dass Unternehmen keine in sich abgeschlossenen Einheiten sind, sondern mit

    ihrem Umfeld kommunizieren – und dieses Umfeld sind nicht nur Absatzmärkte und Investoren, sondern die

    gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen heute Unternehmen arbeiten. Stakeholder erheben den Anspruch

    zu wissen, ob Unternehmen mit der ihnen anvertrauten Macht verantwortlich umgehen. Geschieht dies

    ihrer Ansicht nach nicht (oder nicht ausreichend), tun Unternehmen gut daran, ihren Standpunkt zu erklären.

    Eventuelle Defizite abzubauen ist nicht nur gut für die Reputation, sondern ist auch ein Garant für die eigene

    Innovations- und Zukunftsfähigkeit. Der Stakeholder-Dialog kann hierbei eine entscheidende Rolle spielen.

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    METHODIK

    METHODIK

    Im Gegensatz zur letzten nachhaltigkeitsrelevanten Studie dieser Agenturgruppe* wandte sich die vorliegende

    Befragung nicht an einen möglichst großen, repräsentativen Adressatenkreis, sondern an eine verhältnismäßig

    überschaubare Gruppe von 150 Unternehmen. Die Formulierung „größte Unternehmen“ ist bekanntlich je nach

    Bezugsgröße relativ und kann zu unterschiedlichen Zusammenstellungen von Unternehmen führen, je nach-

    dem, ob Börsenkapitalisierung, Umsatzstärke oder Mitarbeiterzahl als Größenkriterium herangezogen wird. Bei

    unserer Auswahl sind wir pragmatisch vorgegangen. Auswahlkriterien waren:

    HDAX-Listung: Der HDAX vereint den DAX (30 Unternehmen), den MDAX (50 Unternehmen) und

    den TecDAX (30 Unternehmen). Aus diesen Kreis von 110 schieden fünf Unternehmen aus, die ihren

    Hauptsitz im Ausland haben, da der Fokus der Studie auf deutschen Unternehmen liegen sollte.

    Große Unternehmen: Der Kreis der 105 Unternehmen aus dem bereinigten HDAX (s.o.) wurde um

    45 Unternehmen erweitert, die a) durch ihre Größe eine wichtige Rolle in der deutschen Wirtschaft

    einnehmen, aber aus verschiedensten Gründen nicht börsengelistet sind (z.B. Bertelsmann). Dabei fand

    ein Abgleich mit der WELT-Liste der 500 größten deutschen Unternehmen und den „Image-Profilen“

    des Manager-Magazins statt.

    Inhaltlich relevante Unternehmen: Wenn nicht schon mit obigen Kriterien erfasst, wurden Unternehmen

    aufgenommen, die in der Diskussion um nachhaltiges Wirtschaften und Corporate Social Responsibility in

    den vergangenen Jahren besonders aufgefallen sind und daher möglicherweise mit der Thematik dieser

    Befragung vertraut sind.

    Selbstständige Unternehmen: Unternehmen, die zu Holdings im gleichen Marktsegment gehören (wie

    Audi oder T-Mobile), wurden nicht angesprochen.

    Es handelt sich mithin um eine Auswahl aus zwei objektiven Kriterien, die streng angewandt wurden, und zwei

    weniger objektiven Kriterien, bei denen die langjährigen Marktbeobachtungen der Agentur zum Zuge kamen.

    Die genaue Auswahl ist in Anhang I aufgeführt.

    * Global Stakeholder Report 2003: Geteilte Werte? – Die erste weltweite Stakeholder-Befragung zum Non-

    financial Reporting, hrsg. von ECC Kohtes Klewes und Fishburn Hedges, Bonn und London, Juli 2003.

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    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Um bei diesem kleinen Sample auf auswertbare Teilnehmerzahlen zu kommen, wurde jedes Unternehmen

    vorab telefonisch kontaktiert. Dabei ging darum, den Ansprechpartner für diese Thematik zu erfragen, auf die

    Befragung aufmerksam zu machen und die Bereitschaft zur Teilnahme zu erkunden. Durch das Feedback auf

    diese Telefonate wurde die Zahl der Unternehmen wieder auf 140 zurückgefahren, von denen fast alle eine

    Teilnahme zumindest prüfen wollten. Tatsächlich ausgefüllt wurde der Fragebogen schließlich von 65 Unter-

    nehmen (43,3 Prozent), davon 57 mit Dialogerfahrung (38 Prozent).

    Alle identifizierten Ansprechpartner erhielten eine E-Mail mit einem individualisierten Zugang zu einem Internet-

    basierten Fragebogen. Die Code-Nummer in diesem Zugang ermöglichte die Überprüfung, welche Unternehmen

    teilnahmen, um diesen eine Erinnerung zu ersparen. Im übrigen blieb die Befragung anonym. Das Fragebogen-

    Hosting übernahm die Firma GlobalPark aus Hürth bei Köln, deren „Umfragecenter“-Software verwendet wurde.

    Der Fragebogen enthielt 21 Fragen, die überwiegend mit einfachen Ankreuzoptionen gestaltet waren. Die ein-

    zige so genannte Pflichtfrage war Frage 2 („Hat Ihr Unternehmen bereits Erfahrungen im Dialog mit kritischen

    Stakeholdern?“). Wer hier „Nein“ ankreuzte, wurde an den meisten folgenden Fragen vorbeigeleitet und erhielt

    nur noch eine Frage 2b sowie die Fragen 17, 18 und 20.

    Der Befragungszeitraum wurde einmal um eine Woche verlängert und lag insgesamt in der Zeit vom 28. Juni

    bis 14. Juli 2004.

    Für den vorliegenden Bericht wurden in der ersten Augusthälfte 2004 einer kleinen Zahl von Unternehmen

    und NGOs vier Ergebnisthesen vorgelegt, mit der Bitte, diese zu kommentieren. Die daraus resultierenden

    Statements der Unternehmen Bayer, BMW, Duales System Deutschland, HypoVereinsbank, KarstadtQuelle,

    TUI, Vodafone D2 sowie der NGOs Germanwatch und WWF sind als individuelle Kommentierungen bzw. Inter-

    pretationen gedacht, die diesem Bericht Mehrwert verleihen sollen, ohne selbst Bestandteil der repräsentati-

    ven Analyse zu sein. Den Unternehmen und NGOs gilt unser besonderer Dank.

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    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    GRUNDLAGEN

    Die Frage, ob Stakeholder-Dialog tendenziell eher regelmäßig oder sporadisch praktiziert wird, führte bei dieser

    nicht unternehmens- oder branchenspezifisch fokussierten Studie zu einem ambivalenten Ergebnis: So werden

    Dialogprozesse in Industrien, die traditionell besonders im Fokus kritischer Organisationen stehen, eher für be-

    sonders sinnvoll gehalten, wenn sie regelmäßig praktiziert werden. 49,1 Prozent der Unternehmen stehen re-

    gelmäßig in Kontakt mit kritischen Gruppen, 50,9 Prozent eher fallweise, bzw. je nach Aktualität eines Themas.

    Die am weitesten verbreitete Diskussionsform sind individuelle und informelle Gespräche mit zwei bis fünf Orga-

    nisationen. 56,1 Prozent der Befragten gaben an, keinen institutionalisierten Stakeholder-Dialog zu haben. Knapp

    die Hälfte der Unternehmen nimmt an Dialogforen teil, wie sie etwa vom World Business Council for Sustainable

    Development oder der UNEP-Finanzinitiative (UNEP-FI) durchgeführt werden. Doch die Zahl derer, die (teilweise

    zusätzlich) eigene Dialoge durchführen, ist noch größer (54,4 Prozent). Die Hilfe externer Berater bzw. Modera-

    toren für unternehmensindividuelle (d.h. nicht durch Verbände veranstaltete) Stakeholder-Dialoge nimmt ein

    knappes Drittel der Unternehmen in Anspruch.

    WIE WIRD IN IHREM UNTERNEHMEN DER STAKEHOLDER-DIALOG ORGANISIERT?Angaben in Prozent

    Wir haben keinen institutionalisierten Stakeholder-Dialog, sondern tauschen uns auf individueller undinformeller Ebene mit kritischen Stakeholdern aus.

    Wir organisieren den Dialog selbst, in Eigenregie.

    Wir nehmen an Dialogforen eines Verbandes teil (z.B. WBCSD, Econsense).

    Wir organisieren den Dialog selbst in Zusammenarbeitmit externen Experten/Dienstleistern.

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

    54,4

    56,1

    49,1

    29,8

    1

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    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Doch wie genau findet Stakeholder-Dialog statt? Handelt es sich eher um großformatige öffentliche Runden

    oder um informelle Gespräche im Hinterzimmer? Der öffentliche Dialog ist eine durchaus präsente Erschei-

    nungsform (71,9 Prozent), doch noch üblicher sind kleine Gesprächsrunden mit jeweils mehreren Unternehmens-

    und Stakeholder-Vertretern (82,5 Prozent) und Vier-Augen-Gespräche (77,2 Prozent). Wie sich später noch

    zeigen wird, sind diese durchaus nicht öffentlich, nicht einmal die Ergebnisse solcher Gespräche. Auch die eher

    zwanglosen (und zufälligen) Treffen auf öffentlichen Veranstaltungen zählen (zu Recht) als Stakeholder-Dialog.

    Ganz und gar unterentwickelt in Deutschland sind dagegen Online-Stakeholder-Dialoge im Internet, eine Praxis

    mit der britische Unternehmen zum Teil sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Dies kann für Unternehmen

    (und auch für Stakeholder) eine unaufwändige Methode sein, mit einer größeren Zahl kritischer Stakeholder

    in Kontakt zu treten und dies gleichzeitig fachöffentlich zu dokumentieren. Hier besteht noch großes Ausbau-

    potenzial, insbesondere durch die zunehmend belastende Inanspruchnahme der wichtigeren NGOs.

    WELCHE FORMEN DES STAKEHOLDER-DIALOGS WERDEN IN IHREM UNTERNEHMEN IN DER REGEL ANGEWANDT? Angaben in Prozent

    Mehrere Vertreter unseres Unternehmens sprechen mit mehreren Stakeholder-Vertretern.

    Es finden Gespräche unter vier Augen (o.ä.) statt.

    Sonstige

    Ein Vertreter unseres Unternehmens nimmt an einem extern organisierten Dialogforum mit mehreren Stakeholder-Gruppen teil.

    Wir nehmen regelmäßig an öff. Veranstaltungen teil und kommen auf diese Weise ins Gespräch.

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

    77,2

    82,5

    71,9

    63,2

    Unser Unternehmen moderiert einen Online-Dialog im Internet.

    10,5

    1,8

    2

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    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    Bei alldem bleibt die Zahl der Gruppen, mit denen gesprochen wird, überschaubar. Zwei bis fünf Organisationen

    ist die am häufigsten genannte Zahl (52,2 Prozent). Immerhin noch 10,5 Prozent der befragten Unternehmen

    sprechen regelmäßig mit mehr als zehn Organisationen – bei diesem Sample von 57 dialogerfahrenen Unter-

    nehmen sind das genau sechs. Das erscheint eine erstaunlich geringe Zahl von Unternehmen zu sein, bedenkt

    man, wie viele der befragten Unternehmen auf internationalen Märkten agieren. Möglicherweise haben dies

    einige der Teilnehmer bei dieser Frage nicht bedacht, denn in der expliziten Frage nach den geografischen

    Regionen, in denen deutsche Unternehmen Stakeholder-Dialog praktizieren, erscheinen eine Reihe weiterer

    Kontinente. Wenn allein 63,2 Prozent der Befragten in westeuropäischen Ländern (ohne Deutschland) und

    43,9 Prozent in Nordamerika mit kritischen Stakeholdern diskutieren, ist anzunehmen, dass mehr als sechs

    Unternehmen mit mehr als zehn Organisationen reden.

    „Stakeholder“ ist ein weit gefasster Begriff, der grundsätzlich alle gesellschaftlichen Gruppen meint, die ein

    Unternehmen beeinflussen und die von einem Unternehmen beeinflusst werden. Nicht alle davon sind durch

    ihr Selbstverständnis kritisch eingestellt, doch war die ganze Befragung auf kritische Stimmen aus dem Unter-

    nehmensumfeld ausgerichtet. Auf die Frage nach den Stakeholder-Gruppen, auf denen der Fokus des Unter-

    IN WELCHEN GEOGRAFISCHEN REGIONEN STEHT IHR UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN? Angaben in Prozent

    Deutschland

    Westeuropa

    Nordamerika

    Osteuropa

    63,2

    94,7

    43,9

    28,1

    Ostasien/Pazifik 22,8

    Lateinamerika 15,8

    Afrika 5,3

    Australien/Neuseeland 3,5

    Naher/Mittlerer Osten 3,5

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

    3

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    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    nehmens liegt, antworteten 70,2 Prozent mit „Investoren“, erst danach folgen mit 63,2 Prozent „Umwelt-

    organisationen“. Wir haben Grund zu der Annahme, dass mit „Investoren“ tatsächlich eher kritische Inves-

    toren gemeint waren und dass Stakeholder-Dialog hier nicht einfach die klassischen Investor Relations

    meint. Die Unternehmen sprachen in den vorbereitenden Telefonaten zu diesem Projekt vielfach von den

    zahlreichen Fragebögen und persönlichen Gesprächen mit Analysten aus dem Bereich der nachhaltigkeits-

    orientierten bzw. ethischen Investments, die in den vergangenen Jahren stark zugenommen und deren

    Anlageprodukte sich dynamisch entwickelt haben. So kann diese hohe Zahl als eine Mischung aus solchen

    konstruktiv-kritischen Nachfragen einerseits und der Gruppe der „kritischen Aktionäre“ andererseits inter-

    pretiert werden, die von ihrem Selbstverständnis her tendenziell oft mit den NGOs zu vergleichen sind.

    BITTE NENNEN SIE STAKEHOLDER-GRUPPEN, AUF DENEN DER FOKUS IHRES UNTERNEHMENS LIEGTAngaben in Prozent

    Investoren

    Umweltorganisationen

    Politiker/Parteien

    Gewerkschaften

    63,2

    70,2

    59,6

    47,4

    Verbraucherverbände 42,1

    Forschungsgemeinde 42,1

    Anwohner von Firmenstandorten

    Globalisierungskritische Organisationen 31,6

    Kirchen/religiös motivierte Gruppen 24,6

    Menschenrechtsorganisationen

    Stiftungen

    Weitere

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

    40,4

    22,8

    17,5

    14,0

    4

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    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    Unter den klassischen NGOs nehmen Umweltorganisationen daher nach wie vor den wichtigsten Platz ein.

    Greenpeace, BUND, WWF & Co. bleiben damit die wichtigsten Einflussgrößen auf ökologisch hinterfragbare

    Unternehmensentscheidungen. An Rang 5 folgen Verbraucherschutzorganisationen, an Rang 8 Globalisie-

    rungskritiker und an Rang 10 Menschenrechtsorganisationen. Zweifellos sind hier teilweise Überschneidungen

    zu beobachten, aber der primäre Fokus einer Organisation ist in der Regel identisch mit der Wahrnehmung

    durch Unternehmen. So bleibt beispielsweise Amnesty International immer eine Menschenrechtsorganisation,

    auch wenn sie Aktivitäten vor dem Hintergrund einer allgemeineren Globalisierungskritik entfaltet. Attac dage-

    gen positioniert sich als globalisierungskritisches Netzwerk, unabhängig davon, ob BUND und Verbraucher-

    zentralen im „wissenschaftlichen Beirat“ der Organisation mitwirken. Die vergleichsweise geringe Bedeutung

    globalisierungskritischer Organisationen dürfte damit zu erklären sein, dass Greenpeace und BUND/Friends of

    the Earth selbst schon globale Netzwerke sind, die umweltpolitischen Einfluss auf Unternehmensentscheidun-

    gen auf globaler Ebene nehmen. Die eher radikalen Kräfte in Attac, sofern sie eine grundsätzlich antikapitalisti-

    sche Einstellung vertreten, werden dagegen weniger zu Gesprächspartnern für Unternehmen.

    THEMEN

    Worüber reden Unternehmen mit ihren Stakeholdern? In Anlehnung an die Ergebnisse der internationalen

    Befragung der Leser von Nachhaltigkeitsberichten („Global Stakeholder Report 2003“) wurden die dort als die

    am wichtigsten identifizierten Themen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Wirtschaft als Antwortmög-

    lichkeiten angeboten. Im Umweltbereich sind es tatsächlich die grundsätzlichen umweltpolitischen Leitlinien

    eines Unternehmens, die die Stakeholder kritisieren. 68,4 Prozent der Befragten diskutieren hierüber mit kriti-

    schen Stakeholdern. Speziellere Probleme, wie der Schutz des Klimas oder Wege zu mehr Energie- bzw. Öko-

    effizienz werden „nur“ noch von 43,9 bis 42,1 Prozent genannt. Unter den „Weiteren“ Themen (24,6 Prozent)

    wurden u.a. genannt: Stadtgestaltung, Umweltrisikoprüfung im Kreditbereich, Tierschutz, ökologischer Land-

    bau und Gentechnik.

    Unter den sozialen Themen sticht besonders der Bereich „Gesundheitsschutz/Arbeitsschutz/Sozialstandards“

    hervor (57,9 Prozent). Dieses breit erscheinende Thema weist auf einen Bereich hin, der insbesondere vor

    dem Hintergrund der aktuellen Offshoring- bzw. Globalisierungsdiskussion brisant werden kann: Von Unter-

    nehmen wird hier klar gefordert, westliche Sicherheitsstandards auch an Standorten in Entwicklungs- und

    Schwellenländern anzuwenden und sich nicht auf geringere lokale Anforderungen zu beziehen. „Corporate

    Governance“, hier bezogen auf eine wirtschaftlich und ethisch verantwortliche Unternehmensführung und

    -kontrolle, ist Gegenstand der Dialoge bei 63,2 Prozent der befragten Unternehmen.

  • 21

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    ZIELE

    Vor dem Hintergrund einiger spektakulärer Fälle in den 1980er und 1990er Jahren haben die Unternehmen,

    die heute Dialogerfahrung aufweisen können, eine akute Bedrohung ihres öffentlichen Ansehens erkannt.

    Kritische Umweltorganisationen als Hauptadressaten der Dialogbemühungen von Unternehmen (s.o.) sind

    schlagkräftig organisiert und können erfahrungsgemäß medienwirksame Aktionen auf die Beine stellen, die

    Unternehmen zumindest als lästig erleben. Ignorieren lassen sich solche Protestaktionen ab einem bestimmten

    Punkt nicht mehr, womit die Unternehmen oft nur noch vor der Wahl stehen, den Weg der Justiz oder den des

    Dialogs zu gehen.

    ÜBER WELCHE THEMEN STEHEN SIE IN KONTAKT MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN?- UMWELTTHEMEN -Angaben in Prozent

    Umweltpolitik/Umweltleitlinien

    Klimaschutz

    Energie- bzw. Ökoeffizienz

    Weitere

    43,9

    68,4

    42,1

    24,6

    Gesundheitsschutz/Arbeitsschutz/Sozialstandards 57,9

    Wirtschaftsethische Fragestellungen 45,6

    Umgang mit Menschenrechten

    Weitere

    35,1

    5,3

    ÜBER WELCHE THEMEN STEHEN SIE IN KONTAKT MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN?

    - SOZIALE THEMEN -

    ÜBER WELCHE THEMEN STEHEN SIE IN KONTAKT MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN?

    - WIRTSCHAFTLICHE THEMEN -

    Corporate Governance 63,2

    „Business Case“ für nachhaltiges Wirtschaften 45,6

    Einbindung der Zulieferer/Lieferanten inNachhaltigkeitsstrategien

    Weitere

    40,4

    12,3

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

    5

  • 22

    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    So verwundert es nicht, dass die erhoffte Vermeidung von Reputationsrisiken die Hauptmotivation von Unter-

    nehmen ist, einen Dialogprozess mit kritischen Stakeholdern einzugehen. Für 66,7 Prozent der Befragten trifft

    dies „voll und ganz“ zu, für weitere 28,1 Prozent trifft dies „eher“ zu (Summe = 94,8 Prozent). Dass in der

    Summe der generelle Wunsch nach einem guten Verhältnis zu potenziell kritischen Organisationen noch größer

    ist (96,5 Prozent), ändert nichts an der Feststellung, dass „Reputation“ das Hauptmotiv der Unternehmen ist.

    Damit kann diese Untersuchung klar festhalten, dass der Dialog nicht dem Ziel dient, herauszufinden, was

    Stakeholder eigentlich von Unternehmen wollen, wie gelegentlich zu lesen ist. Wie HypoVereinsbank-Sprecher

    Stefan Löbbert in seinem Kommentar zu den Ergebnissen dieser Studie feststellt, wissen Unternehmen auch

    ohne Dialog sehr genau, was Stakeholder zu kritisieren haben. Damit ist das Einlassen auf den Dialog bereits

    ein Zeichen der grundsätzlichen Veränderungsbereitschaft. Wie weit diese geht, wird noch zu bestimmen sein.

    AUS WELCHEN GRÜNDEN PFLEGT IHR UNTERNEHMEN DEN KONTAKT MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN? - TOP TWO -Angaben in Prozent

    Wir sind generell an einem guten Verhältnis zu unseren(potenziell) kritischen Stakeholdern interessiert.

    Durch die Kontaktpflege mit (potenziell) kritischen Stake-holdern möchten wir Reputationsrisiken vorbeugen.

    Wir möchten aus erster Hand Informationen über das Ansehen unseres Unternehmens bei (kritischen)Stakeholdern erhalten.

    Stakeholder-Dialog ist praktizierte Zukunftsforschung durch den Kontakt mit gesellschaftlichen Meinungsführern.

    66,7

    49,1

    22,8

    Wir nutzen den Stakeholder-Dialog in erster Linie dafür,die Ansichten des Unternehmens zu aktuellen Themenan Meinungsbildner zu vermitteln.

    31,6

    31,6

    Der Stakeholder-Dialog ist für unser Unternehmen einergebnisoffenes Lernforum, um möglicherweise Unter-nehmensstrategien zu verändern.

    Dialogbereitschaft hat für unser Unternehmen einenhohen Stellenwert, daher ist ein konkreter Nutzen desDialogs nicht erforderlich.

    Der Stakeholder-Dialog ist eine neue und chancenreicheKommunikationsform, deren Nutzen wir derzeit erproben.

    Nachhaltigkeitsindizes an der Börse (DJSI, FTSE4Good, etc.)erwarten von uns verstärkt, dass wir Stakeholder-Dialogedurchführen.

    Wir fühlen uns auf Grund von äußerem Druck zum Dialoggedrängt.

    35,161,4

    28,1

    38,6

    56,1

    42,1

    36,8

    31,6 35,1

    19,3 29,8

    36,812,3

    31,63,5

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

    Top Two (trifft voll und ganz zu + trifft eher zu) auf einer Skala von 1 (= trifft voll und ganz zu) bis 4 (= trifft überhaupt nicht zu).

    6

  • 23

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Von geringerer Bedeutung ist das Motiv, aus erster Hand Informationen zum Ansehen des Unternehmens

    bei kritischen Organisationen zu bekommen (gesamt 80,7 Prozent Zustimmung, aber nur bei 49,1 Prozent

    „voll und ganz“).

    Eher ambivalent verhalten sich Unternehmen bei der für Stakeholder wichtigen Frage der tatsächlichen Ver-

    änderungsbereitschaft. Insgesamt betrachten zwar 68,4 Prozent der Befragten den Dialog als ein „ergebnisof-

    fenes Lernforum, um möglicherweise Unternehmensstrategien zu verändern“, doch „voll und ganz“ trifft dies

    nur auf ein knappes Drittel der befragten Unternehmen zu. Für 22,8 Prozent der Befragten trifft dies „eher

    nicht" zu und für 7 Prozent „überhaupt nicht“. Für letztere stellt sich die Frage, ob das Ziel des Schutzes der

    Reputation ohne Veränderungsbereitschaft erreicht werden kann. Schon in der Aussage „trifft eher zu“ wird ja

    bereits die Veränderungsbereitschaft relativiert, zweifellos weil die Dialogpartner in Unternehmen nicht immer

    die Befugnis haben, Zusagen zu machen, die die strategische Positionierung von Unternehmen verändern

    könnten. Nur vom Miteinander Reden wird sich jedenfalls eine verbesserte Reputation nicht einstellen – in

    diesem Fall birgt sogar der Dialog selbst das Risiko, das er eigentlich verhindern soll.

    Mehrheitlich abgelehnt wird die Erprobung des Stakeholder-Dialogs als „neuer und chancenreicher Kom-

    munikationsform“ (gesamte Zustimmung nur 49,1 Prozent), und geradezu marginal erscheint der Faktor

    „äußerer Druck“, der folglich kaum vorhanden zu sein scheint. Selbst die Tatsache, dass Börsenindizes wie die

    Dow Jones Sustainability Indexes oder FTSE4Good den kritischen Stakeholder-Dialog verlangen (dies im

    übrigen ebenfalls wegen der Reputationsrisiken), wird zwar von knapp der Hälfte der Befragten anerkannt,

    doch von 26,4 Prozent auch wieder nicht – möglicherweise sagen dies Unternehmen, die in solchen Indizes

    nicht gelistet werden.

    Positiv im Hinblick auf die Einschätzung der Veränderungsbereitschaft von Unternehmen ist sicherlich der

    überwältigende Anteil der Unternehmen, die angeben, „auch wichtige strategische Unternehmensentschei-

    dungen von kritischen Stakeholdern reflektieren zu lassen“ (71,9 Prozent), wenn dem auch nur 7 Prozent „voll

    und ganz“ zustimmen.

    Schließlich ist „reflektieren lassen“ auch keine Zusage, reale Veränderungen herbeizuführen. Aber Themen, die

    für ein Unternehmen mitunter unbequem sind, zumindest offen zu diskutieren, ist ein richtiger und wichtiger

    Schritt. Dies können offenbar auch Themen sein, die das Kerngeschäft eines Unternehmens in Frage stellen –

    nur 10,5 Prozent lehnen dies eher ab.

  • 24

    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    WIE WEIT GEHT IHRE DIALOGBEREITSCHAFT MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN? - TOP TWO -Angaben in Prozent

    Wir sind bereit, auch wichtige strategische Unterneh-mensentscheidungen von kritischen Stakeholdern reflektieren zu lassen.

    Wir sprechen grundsätzlich nur über Themen, die unserKerngeschäft nicht in Frage stellen.

    Wir treten nur dann in einen Dialogprozess ein, wenn unserUnternehmen die Kontrolle über die Themen hat.

    64,97,0

    57,9

    33,3

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

    Top Two (trifft voll und ganz zu + trifft eher zu) auf einer Skala von 1 (= trifft voll und ganz zu) bis 4 (= trifft überhaupt nicht zu).

    10,5

    1,8

    Im englischen Sprachraum, wo der konstruktive Dialog mit kritischen Stakeholdern schon eine längere Tra-

    dition hat, ist daher oft schon spekuliert worden, ob auf „Corporate Governance“ jetzt die „Stakeholder

    Governance“ folgt. Freilich hat diese Frage meistens einen polemischen Beigeschmack, wenn sie von Mana-

    gern gestellt wird, die darauf beharren, dass Unternehmensentscheidungen immer noch im Unternehmen

    gefällt werden und nicht außerhalb. Dabei steht außer Frage, dass ein Unternehmen ohnehin in gesellschaft-

    liche Entscheidungsstrukturen eingebunden ist, die von politischer Regulierung bis hin zur Unternehmensbe-

    wertung reichen – warum sollten also nicht auch die Meinungen der kritischen Öffentlichkeit zur Entschei-

    dungsfindung in Unternehmen beitragen? Insofern wird ein Unternehmen weder vom Unternehmen allein,

    noch von externen Stakeholdern geführt.

    Die Themen von Stakeholder-Dialogen werden im Wesentlichen aus aktuellen politischen und wirtschaftlichen

    Ereignissen (78,9 Prozent) generiert, die durchaus aus dem eigenen Issues Management kommen können

    (59,6 Prozent) oder von Seiten aktiver NGOs angeregt werden (56,1 Prozent).

    NACH DEM DIALOG

    Ist es dann zum Dialog gekommen, werden kritische Organisationen fast durchweg als interessiert und

    kooperativ erlebt (82,4 Prozent). Nur ein kleiner Teil der Befragten meint, dass Stakeholder eine „unrealis-

    tische Fundamentalkritik“ vorbringen – dies ist offenbar eher ein Merkmal des Straßenprotests als des

    Stakeholder-Dialogs.

    7

  • 25

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    WIE WÜRDEN SIE GENERELL IHRE GESPRÄCHSPARTNER AUF DER STAKEHOLDER-SEITE BEWERTEN? - TOP TWO –Angaben in Prozent

    Die Stakeholder-Gruppen gehen interessiert und kooperativ ins Gespräch mit unserem Unternehmen.

    Die Stakeholder-Gruppen sind gut vorbereitet und haben konkrete Wünsche und Forderungen, die sie engagiert vortragen.

    Die Stakeholder-Gruppen tragen oft eine unrealistischeFundamentalkritik vor, die eher das Wirtschaftssystemmeint, aber nicht primär unser Unternehmen.

    59,622,8

    56,1

    28,1

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

    Top Two (trifft voll und ganz zu + trifft eher zu) auf einer Skala von 1 (= trifft voll und ganz zu) bis 4 (= trifft überhaupt nicht zu).

    26,3

    7,0

    Doch was machen die Unternehmen mit den Ergebnissen eines Stakeholder-Dialogs? Auch hier positiv:

    Veränderungsbereitschaft wird erkennbar in der Tatsache, dass mehr als drei Viertel der Unternehmen nach

    der Durchführung eines Dialogs in Zusammenarbeit mit Fachabteilungen interne Problemlösungsstrategien

    entwickeln. Noch knapp 65 Prozent informieren zudem das Management des Unternehmens mit einem inter-

    nen Protokoll. Auch eine Folgeveranstaltung wird von 40,4 Prozent der dialogerfahrenen Unternehmen organi-

    siert, um erreichte Fortschritte zu diskutieren.

    Für die Öffentlichkeit sind dagegen die Dialogergebnisse offenbar nicht bestimmt. Nur ein Viertel der Befrag-

    ten lässt die Ergebnisse eines Dialogprozesses ins Non-financial Reporting (CSR- oder Nachhaltigkeitsbericht-

    erstattung) einfließen; nur ein knappes Fünftel veröffentlicht den Prozess in anderer Form.

    Dies wirft Fragen nach dem Transparenzverständnis von Unternehmen auf. Beweisen Unternehmen einerseits

    ein gutes Maß an Transparenz, indem sie sich für Gespräche mit Kritikern öffnen, so erscheint es andererseits

    befremdlich, dass darüber nichts an die (Fach-) Öffentlichkeit dringt. Auch kritische Organisationen, die einen

    gewichtigen Grad an gesellschaftlicher Legitimation für sich in Anspruch nehmen, erfüllen hier keineswegs eine

    öffentliche Aufgabe.

    Dass die Dialoge gleichwohl der Öffentlichkeit dienen, werden beide Dialogpartner hingegen für sich in An-

    spruch nehmen, etwa wenn als Ergebnis eines Dialogprozesses ökologische Prozessoptimierungen oder Pro-

    duktverbesserungen erreicht werden, die die Umweltbelastung eines Unternehmens verringern. Ganz offen-

    8

  • 26

    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    kundig ist eine gewisse Vertraulichkeit erforderlich, um Fortschritte zu erzielen. Und diese Fortschritte können

    es erforderlich machen, dass über einen gewissen Zeitraum gegenseitiges Stillschweigen über Gespräche und

    Gesprächsergebnisse vereinbart wird. Hier erfüllen beide Dialogpartner gewissermaßen eine „geheime Mission“

    im öffentlichen Interesse.

    Was aber hindert Unternehmen daran, getroffene Entscheidungen, die zu ökologischen oder sozialen Fort-

    schritten geführt haben, in ihrer Nachhaltigkeitskommunikation zu verwerten? Ist es ihnen peinlich zuzugeben,

    erst über einen Dialogprozess mit Kritikern auf das Thema adäquat eingegangen zu sein? Ist es nicht im Ge-

    genteil viel anerkennenswerter, wenn ein Unternehmen Lernbereitschaft und Lernfähigkeit unter Beweis ge-

    stellt hat, dass es nachweisen kann, nicht nur geredet, sondern auch danach gehandelt zu haben?

    Die Option „Sonstiges“ in Abbildung 9 ist von fünf Unternehmen näher ausgeführt worden. Darunter sind

    Äußerungen wie „Wenn möglich, werden Anregungen zur Veränderung umgesetzt. Ansonsten werden die

    Stakeholder darüber informiert, warum wir den Anregungen/Kritikpunkten nicht folgen“ und „Wir berichten die

    Ergebnisse an unsere internationale Hauptverwaltung“.

    Die interne Umsetzung der Ergebnisse von Dialogprozessen wird tendenziell als positiv bewertet. 77,2 Pro-

    zent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass sich das Management des Unternehmens aufrichtig

    WAS GESCHIEHT IN IHREM UNTERNEHMEN NACH EINEM STAKEHOLDER-DIALOG?Angaben in Prozent

    Wir setzen uns mit den zuständigen Fachabteilungenzusammen und entwickeln Problemlösungsstrategien.

    Wir verfassen ein internes Protokoll, das zentralen Personen des Managements zugänglich gemacht wird.

    Wir organisieren eine Folgeveranstaltung.

    77,2

    64,9

    40,4

    Die Erkenntnisse des Dialogs fließen in unser Non-financial Reporting ein.

    Wir veröffentlichen den Dialogprozess ganz oder in Teilen.

    Sonstiges

    Nichts

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

    26,3

    19,3

    8,8

    1,8

    9

  • 27

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    bemüht, „auch schwierige Lernprozesse im Unternehmen durchzustehen“. Wohl gemerkt: Hier bewerten die

    Dialogverantwortlichen das Management des eigenen Unternehmens. „Voll und ganz“ überzeugt davon sind

    aber nur 14 Prozent – die übrigen 63,2 Prozent glauben, dass dies „eher“ zutreffe. Hier werden Dilemmata

    und Schwierigkeiten deutlich, die in großen hierarchisch organisierten Strukturen zwangläufig vorkommen.

    Um einen großen Tanker zu bewegen, gehen die Lenkmanöver der realen Bewegung einige Zeit voraus. NGOs

    haben es oftmals leichter. Ihre kleinere Organisation sorgt für schnelle Abstimmungs- und Entscheidungswege

    und dadurch in einigen Fällen zu mangelndem Verständnis im Umgang mit einem Unternehmen, das einige

    tausend Mitarbeiter vereint und international verzweigt ist. Immerhin können 59,7 Prozent der Befragten

    nicht der Aussage zustimmen, dass die Dialogverantwortlichen an internen Hürden im Unternehmen scheitern.

    Das lässt hoffen.

    WELCHE ERFAHRUNGEN HABEN SIE MIT DER INTERNEN UMSETZUNG DER ERKENNTNISSE AUSEINEM KRITISCHEN STAKEHOLDER-DIALOG? - TOP TWO –Angaben in Prozent

    Das Management bemüht sich aufrichtig, auch schwierigeLernprozesse im Unternehmen durchzustehen.

    Es ist schon vorgekommen, dass der Dialogprozess in einkooperatives, längerfristiges Projekt zwischen unserem Unternehmen und einer Stakeholder-Gruppe mündete.

    Es ist schon vorgekommen, dass unser Unternehmen und eine Stakeholder-Gruppe ein gemeinsames Anliegenidentifiziert haben, das dann in eine Forderung an die Politikmündete.

    Die direkt beteiligten Unternehmensmitarbeiter bemühensich um die Umsetzung von Erkenntnissen aus dem Dialog, scheitern aber oftmals an internen Hürden.

    Der Stakeholder-Dialog ist ein der Regel eine Diskussions-veranstaltung ohne konkrete Handlungsableitungen für unser Unternehmen.

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

    Top Two (trifft voll und ganz zu + trifft eher zu) auf einer Skala von 1 (= trifft voll und ganz zu) bis 4 (= trifft überhaupt nicht zu).

    63,2014,0

    24,6 49,10

    24,612,3

    29,807,0

    29,803,5

    Für einen großen Teil der befragten Unternehmen (73,7 Prozent) sind Stakeholder-Dialoge bereits in ge-

    meinsame Projekte zwischen Unternehmen und den Organisationen gemündet. Ein Drittel dieser Unterneh-

    men ist davon besonders überzeugt. Die gemeinsame Projektentwicklung zwischen Partnern, die sich

    10

  • 28

    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    prinzipiell kritisch gegenüber stehen, ist eine Fortentwicklungsstufe des Dialogs, die die Veränderungsbe-

    reitschaft eines Unternehmens klar unterstreicht. Kooperationen dieser Art sind nicht grundsätzlich neu, aber

    oftmals zu wenig bekannt.

    Allerdings tun Unternehmen gut daran, solche Projekte nicht zu stark zu betonen, wenn es sich lediglich um

    Sponsorengelder für eine begrenzte Aktion handelt. Unternehmenskooperationen nutzen einem Unternehmen

    nur dann, wenn die gemeinsam mit NGOs entwickelte Idee langfristig wirtschaftlich tragfähig und auf weitere

    Geschäftsfelder übertragbar ist. Ein gelegentlich zitiertes Beispiel in diesem Bereich ist der Marine Stewardship

    Council, bei dem Unilever zusammen mit dem WWF einen Weg hin zu einer nachhaltigen Fischereiwirtschaft

    entwickelt hat. Auch die Bemühungen um Sozialstandards in der Produktion und dem Handel von Textilien, an

    denen eine Reihe deutscher Handelsunternehmen und NGOs unter Federführung der GTZ beteiligt sind, sind

    zukunftsweisend und könnten auf weitere Einzelhandelsbereiche übertragen werden.

    Die relative Zufriedenheit der Dialogverantwortlichen in Unternehmen mit der internen Umsetzung von

    Dialogergebnissen (s. Abb. 11) spiegelt sich auch in der persönlichen Zufriedenheit dieser Unternehmens-

    mitarbeiter mit der unternehmensinternen Nachbereitung. Nur 7 Prozent sind hier uneingeschränkt zufrieden.

    Aber eine durchaus überzeugende Anzahl von 71,9 Prozent sind „im Großen und Ganzen zufrieden“, was

    deutlich macht, dass unternehmerische Entscheidungsprozesse oft auf Kompromissen beruhen.

    WIE ZUFRIEDEN SIND SIE PERSÖNLICH MIT DER UMSETZUNG DES DIALOGS UND DER NACHBEREITUNG IN IHREM UNTERNEHMEN?Angaben in Prozent

    Sehr zufrieden

    Im Großen und Ganzen zufrieden

    Weniger zufrieden

    Keine Angabe

    19,3

    1,8

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

    7,0

    71,9

    11

  • 29

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Fast alle befragten Unternehmen sind sich bewusst, dass kritische Stakeholder Gründe haben können, einen

    einmal eingeleiteten Dialogprozess wieder abzubrechen (unabhängig davon, dass dies Unternehmen auch kön-

    nen). Der gewichtigste Grund aus Sicht der Unternehmen (dialogerfahrene und -unerfahrene gemeinsam) ist,

    „wenn die Stakeholder das Gefühl haben, es wird nicht offen mit ihnen kommuniziert“ (90,8 Prozent).

    80 Prozent halten es für einen weiteren Grund, „wenn Stakeholder glauben, es würde nur geredet, aber nicht

    danach gehandelt“. Dass Stakeholder sich dagegen nur durchsetzen wollen, glauben nur 20 Prozent.

    63,2

    WAS, GLAUBEN SIE, KÖNNTEN FÜR KRITISCHE STAKEHOLDER GRÜNDE SEIN, DEN DIALOG-PROZESS MIT EINEM UNTERNEHMEN ABZUBRECHEN?Angaben in Prozent

    20,0

    7,7

    90,8

    80,0Wenn die Stakeholder glauben, es würde nurgeredet, aber nicht danach gehandelt.

    Wenn sich die Stakeholder nicht durch-setzen können.

    Sonstiges

    Weiß nicht

    Wenn die Stakholder das Gefühl haben, es wird nicht offen mit ihnen kommuniziert.

    n = 65, Mehrfachnennungen möglich

    3,1

    12

  • 30

    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    GIBT ES IN IHREM UNTERNEHMEN EINEN FESTEN ANSPRECHPARTNER BZW. EINE FESTGELEGTE ZUSTÄNDIGKEIT FÜR DEN STAKEHOLDER-DIALOG?Angaben in Prozent

    Ja, im Bereich Corporate Communications allgemein

    Ja, eine eigens geschaffene Position

    Ja, im Bereich Public Affairs

    Ja, im Bereich Umweltmanagement

    8,8

    26,3

    7,0

    7,0

    Ja, im Bereich Issues Management 5,3

    Ja, im Bereich Investor Relations 5,3

    Sonstige 19,3

    Nein 21,1

    ORGANISATORISCHE AUFHÄNGUNG

    Die Befragung hat ein buntes Spektrum von Zuständigkeiten für den Stakeholder-Dialog in den Unternehmen

    ergeben. Als kommunikative Leistung eines Unternehmens ist der Dialog am stärksten im Bereich Unterneh-

    menskommunikation allgemein (Corporate Communications) verwurzelt, allerdings nur bei 26,3 Prozent der

    Befragten. Zieht man spezialisierte Abteilungen innerhalb der Unternehmenskommunikation hinzu, wie Public

    Affairs (7 Prozent) und Issues Management (5,3 Prozent), erhöht sich der Anteil der professionellen Kom-

    munikatoren auf 39,6 Prozent. 21,1 Prozent der Befragten geben an, dass es gar keinen festen Ansprech-

    partner für das Thema in ihrem Unternehmen gibt. Die Angaben unter „Sonstiges“ (19,3 Prozent) lassen sich

    als multiple und themenabhängige Zuständigkeiten zusammenfassen. Festzuhalten bleibt damit, dass sich auch

    das Aufgabengebiet der Unternehmenskommunikation verändert hat. In Relation zu der Aussage, dass der

    Stakeholder-Dialog weitgehend nicht öffentlich ist, hier aber überwiegend Öffentlichkeitsarbeiter tätig sind,

    zeigt sich, dass Unternehmenskommunikation ein sehr breites Aufgabengebiet bezeichnet, innerhalb dessen

    das Spektrum von Marketing und Medienarbeit einerseits bis hin zu vertraulichen Kontakten unter vier Augen

    andererseits reicht. Erfahrenen Kommunikationsberatern ist dieses Ergebnis nicht neu, doch entspricht es nicht

    unbedingt dem Bild, das Branchenfremde von dieser Tätigkeit haben.

    13

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

  • 31

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    ZUKUNFT

    Drei Viertel der Befragten können sich vorstellen, in der Zukunft öfter in einen Dialog mit kritischen Stake-

    holdern einzutreten. Dies ist zweifellos ein Resultat der guten Erfahrungen, die die Unternehmen gemacht

    haben, die sich einmal zum Dialog entschlossen haben. Auch die acht Unternehmen, die an der Studie teilge-

    nommen haben, ohne Dialogerfahrung zu besitzen, können sich vorstellen, dies in der Zukunft nachzuholen.

    10,5 Prozent der dialogerfahrenen Unternehmen können sich „unter bestimmten Voraussetzungen“ eine

    Intensivierung ihrer Dialogpraxis vorstellen. Genannt wurden hier explizit die Faktoren „mehr Mitarbeiter, mehr

    Geld“ und „die Bereitschaft der Stakeholder, das Geschäftsmodell und die Position des Unternehmens zu

    akzeptieren und sachlich zu diskutieren“. Selbstkritisch wurde auch eine „klare Strategie und Konzeption auf

    unserer Seite“ seitens der Unternehmen für nötig gehalten.

    KÖNNEN SIE SICH VORSTELLEN, IN DER ZUKUNFT ÖFTER IN EINEN DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN EINZUTRETEN? Angaben in Prozent

    Ja73,7

    Nein

    Ggfs. unter folgenderVoraussetzung

    14,0

    10,5 Keine Angabe1,8

    Auf einem gänzlich anderen Blatt stehen die Dilemmata der Organisationen, die zu solchen Dialogprozessen

    eingeladen werden. So begrüßenswert viele unter ihnen die gestiegene Dialogbereitschaft der Unternehmen

    empfinden, so sicher stehen sie bereits heute vielfach an der Grenze ihrer zeitlichen und finanziellen Kapazität.

    Gleichzeitig können sie für ihre oftmals zeitintensiven und kompetenten Expertisen kein Geld von den Unter-

    14

    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

  • 32

    ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

    nehmen verlangen, weil sie sonst in den Verdacht der Käuflichkeit geraten. Hier müssen Unternehmen, Stake-

    holder und externe Berater/Moderatoren nach Auswegen suchen, bei denen insbesondere neutrale Dritte eine

    Lösung anbieten können. Ein anderer Ausweg können Formen des Stakeholder-Dialogs im Internet sein, dessen

    Möglichkeiten bisher kaum erprobt worden sind. So können zeitlich begrenzte Chat-Formate für den Dialog

    genutzt werden, bei denen etwa ein Unternehmensvertreter mit einer größeren Gruppe von (registrierten)

    Stakeholdern diskutiert. Solche Formate haben den zusätzlichen Charme, dass sie gleichzeitig schriftlich doku-

    mentiert werden, ohne notwendigerweise öffentlich zu sein.

    Neben den Voraussetzungen, mehr Dialog zu praktizieren, ist es auch interessant zu erfahren, was Unterneh-

    men bisher davon abhält. Einschränkend muss gesagt werden, dass diese Studie hier weniger repräsentativ

    wird, weil nur acht Unternehmen ohne Dialogerfahrung teilgenommen haben. Die vorhandenen Ergebnisse

    sprechen dennoch für sich. Auf die Frage, warum sie bisher nicht mit kritischen Organisationen sprechen,

    antworteten zwei, dass sie nicht die zeitlichen oder finanziellen Ressourcen dafür haben. Alle acht gaben an,

    dass ihnen „eine Kritik von Nichtregierungsorganisationen an unserem Unternehmen ... nicht bekannt“ sei.

    Vier der acht Unternehmen sind auch keine kritischen Themen aus ihrem Geschäftsfeld bzw. ihrer Branche

    bekannt. Mit anderen Worten: Die andere Hälfte der Unternehmen ist bisher einfach noch nicht im Fokus kriti-

    scher Gruppen gewesen. Damit bleibt der Stakeholder-Dialog auch in der Zukunft ein dynamischer Bereich,

    der – nach der Lösung finanzieller und personeller Engpässe auf Unternehmens- wie auf Stakeholder-Seite –

    ein Potenzial entfalten kann, signifikant zu einer verstärkten Dialogkultur in Deutschland und zu mehr

    Verständnis für die drängenden Fragen der Unternehmensverantwortung beizutragen.

  • 33

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

  • 34

    GASTKOMMENTARE

    GASTKOMMENTARE

    CHRISTOPH BALS Strategiedirektor, Germanwatch e.V.,Bonn und Berlin Seite 40

    DR. HEIKE SCHIFFLER Direktorin Marketing und Werbung, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland AG, Köln Seite 38

    DR. RAIMUND MEDRISCH Leiter Nachhaltigkeitskommunikation, BMW Group, München Seite 37

    URSULA MATHARGovernmental & Product Affairs, Bayer AG, Leverkusen Seite 36

  • 35

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    STEFAN LÖBBERT Leiter Nachhaltigkeitsmanagement, HVB Group, München Seite 42

    HEINZ-DIETER KOEPPEDirektor Umwelt- und Gesellschaftspolitik,KarstadtQuelle AG, Essen Seite 43

    MILA DAHLE Referentin im Umweltmanagement der TUI AG, Hannover Seite 44

    SUSANNE SATZER-SPREE Pressesprecherin und CSR-Koordinatorin,Vodafone D2 GmbH, Düsseldorf Seite 46

    DR. BERNHARD BAUSKE Leiter strategische Kooperationen, WWF Deutschland, Frankfurt Seite 47

  • 36

    GASTKOMMENTARE

    „Vertrauliche Dialoge können Themen ins Rollen bringen“

    URSULA MATHAR Governmental & Product Affairs, Bayer AG, Leverkusen

    Eine ausgewogene, erfolgreiche Unternehmenspolitik lässt sich nur in Kenntnis der vielfältigen Stakeholder-

    Sichtweisen durchsetzen. Dazu gehören natürlich auch die Sichtweisen der kritischen gesellschaftlichen

    Gruppen. Das Spektrum der Gruppen wie auch der Themen ist jedoch sehr breit, so dass immer ein spezifi-

    scher Ansatz gewählt werden muss. Beide Formen des Dialogs, öffentlich und vertraulich, haben daher ihre

    Berechtigung. Vertrauliche Gespräche können z. B. Themen „ins Rollen bringen“, im Rahmen eines öffentlichen

    Dialogs können Lösungsansätze gemeinsam erarbeitet, kommuniziert oder umgesetzt werden. Wir sollten

    jedoch nicht nur die kritischen gesellschaftlichen Stakeholder in den Fokus rücken, sondern auch die Gruppe,

    die dem Unternehmen am nächsten steht: die eigenen Mitarbeiter.

    Die auf internationaler Ebene unter dem Begriff Sustainable Development geführte Diskussion hat in der

    Öffentlichkeit stark an Bedeutung für die Akzeptanz von neuen Produkten und die Handlungsweisen der

    Unternehmen gewonnen. Dabei bedeutet Sustainable Development weit mehr als nur Umweltschutz: Der

    Begriff beinhaltet die Forderung der Gesellschaft nach Schonung der natürlichen Ressourcen, den Wunsch

    nach sozial- und umweltverträglichen Produkten und Verfahren ebenso wie die Erwartung, dass auch Unter-

    nehmen einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung und zur Einhaltung ethischer Prinzipien leisten.

    Bayer hat im Bereich CropScience (BCS) sehr positive Erfahrungen mit einem breit angelegten Stakeholder-

    Dialog zum Thema Nachhaltige Landwirtschaft gemacht. Nach intensiven Vorbereitungen und Gesprächen

    innerhalb und außerhalb des Unternehmens wurde ein zweitägiger Workshop mit externen Stakeholdern

    durchgeführt. Dabei wurde der BCS-Beitrag zur nachhaltigen Landwirtschaft diskutiert und entwickelt. Das

    Ergebnis wurde ins Unternehmen hineingetragen und wird derzeit umgesetzt – für uns ein konstruktiver

    Ansatz, um die Akzeptanz unserer Produkte und Handlungsweisen zu verbessern.

  • 37

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    „Das gläserne Unternehmen wäre einziemlich unflexibles Unternehmen“

    DR. RAIMUND MEDRISCH Leiter Nachhaltigkeitskommunikation, BMW Group, München

    Der Stakeholder-Dialog dient dem Lernprozess der Dialogpartner, zuerst im Blick auf die Dialogfähigkeit,

    dann im Hinblick auf Lösungen. Dialog führen heißt nicht, völlige Transparenz zu schaffen, sondern so viel

    Transparenz herzustellen, dass die Probleme lösbar werden. Das gläserne Unternehmen wäre ein ziemlich

    unflexibles Unternehmen.

    Der Dialog mit Stakeholdern ist ein Kernelement der Nachhaltigkeitskommunikation und ebenso ein Instrument

    des Risikomanagements. Reputation wird gleichwohl von der gesamten Bandbreite des Kommunikationsgeschäfts

    positiv beeinflusst. Wer nur Dialog führt, um Reputationsrisiken zu vermeiden, wird im Prinzip erpressbar.

    Bei der Auswahl der Stakeholder stehen die Dialogbereitschaft und -fähigkeit im Vordergrund, natürlich gehört

    zu einem konstruktiven Dialog auch Themen- und Fachkompetenz – aber die ist erlernbar.

    Strategien entstehen im Management, der Stakeholder-Dialog kann hierfür realistische Handlungsszenarios

    liefern. Stakeholder-Dialoge können viel verändern, wenn sie richtig geführt werden. Das setzt Lernbereit-

    schaft und Erfahrung voraus. Im Prinzip ist es Aufgabe des Kommunikators, den Dialog zu organisieren.

    Einen Dialog führen heißt vor allem, gut zuhören zu können. Problembewusstsein, Unvoreingenommenheit

    gegenüber den wirtschaftlichen Aspekten und die vorurteilsfreie Anerkennung des Engagements auf allen

    Seiten sind die wichtigsten Ingredienzien für einen guten Dialog.

  • 38

    GASTKOMMENTARE

    „Im öffentlichen Dialog lässt sich Gegnerschaft nur selten überwinden“

    DR. HEIKE SCHIFFLER Direktorin Marketing und Werbung, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland AG, Köln

    Zu den Rahmenbedingungen eines Dialogs mit kritischen Stakeholdern gehört die Entscheidung darüber,

    inwieweit und zu welchem Zeitpunkt eine Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich und erwünscht ist.

    Sicherlich ist nicht jedes Stadium eines Stakeholder-Dialogs von breitem Interesse. Der vertrauliche Dialog ist

    dem öffentlichen vor allem darin überlegen, dass er meist auf eine ernsthafte Klärung von Differenzen abzielt

    und insofern für das Unternehmen und die kritischen Stakeholder gemeinsame Chancen bzw. Interessen-

    identitäten ausloten hilft. Beim öffentlich ausgetragenen Dialog hingegen stellen die Dialogpartner gegenüber

    den Beobachtern eher die Stärke ihrer Argumente zur Schau und trachten danach, einen Sieg zu erringen.

    Im öffentlichen Dialog lässt sich Gegnerschaft nur selten überwinden.

    Zweifellos ist der kontinuierliche Dialog mit den Stakeholdern ein geeignetes Mittel, um Reputationsrisiken

    vorzubeugen. Dieser sollte allerdings in ein konsequentes Issues Management eingebunden sein, damit früh-

    zeitig erkannt wird, an welchen Stellen die Gefahren für die Reputation lauern. Frühwarnsysteme und

    Krisenpläne müssen die Kommunikationsarbeit abstützen.

    Die Duales System Deutschland AG hat im Jahr 2001 ihren Dialog mit dem Naturschutzbund (NABU) intensi-

    viert, der in den Anfangsjahren des Dualen Systems eine kritische Haltung zum Unternehmen und seinen Auf-

    gaben eingenommen hatte und die weitere Entwicklung in den letzten Jahren eher aus der Distanz beobachtet

    hat. Im Rahmen des neu aufgenommenen Dialogfadens haben beide Dialogpartner neben Unterschieden auch

    eine Reihe von Gemeinsamkeiten entdeckt, die dazu ermutigt haben, gemeinsame Expertenworkshops zu

    veranstalten. Aus dieser Initiative ist ein etabliertes Diskussionsforum entstanden, das nach Bedarf aktuellen

    abfallwirtschaftlichen und umweltpolitischen Fragen auf den Grund geht.

  • 39

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Berechtigterweise können Stakeholder erwarten, dass das Unternehmen, das mit ihnen in einen Dialog eintritt,

    auch ihre Interessen berücksichtigt. Ein Dialog als Deckmäntelchen würde nicht nur nicht akzeptiert werden,

    sondern letztlich dazu führen, das Vertrauen zu entziehen. Ein irreparabler Schaden. Einen Stakeholder-Dialog

    kann man auch nicht einfach abbrechen. Jeder Abbruch – auch die schleichende Beendigung – würde eine

    negative Bewertung nach sich ziehen. Wenn man einmal damit angefangen hat, muss man weitermachen.

  • 40

    GASTKOMMENTARE

    „Auf ernsthafte Fragen ernsthafte Antworten geben“

    CHRISTOPH BALS Strategiedirektor, Germanwatch e.V., Bonn und Berlin

    Ich würde erwarten, dass öffentlich geübte Kritik von den Unternehmen transparent dargestellt und sachlich

    kommentiert wird. Es würde aber die Dialogkultur unterminieren, wenn auch alle Vier-Augen-Dialoge veröf-

    fentlicht werden. Es schließt sich nicht aus, nacheinander oder auch zugleich einerseits einen vertraulichen

    Dialog und andererseits eine öffentliche Kritik an Unternehmen zu üben. Auch vor öffentlicher Kritik versuchen

    wir, zum Teil in vertraulichen Dialogen mit Unternehmensvertretern, auszuloten, wie diese Kritik geäußert

    werden muss, um eine konstruktive Reaktion im Unternehmen wahrscheinlicher zu machen.

    Aus Sicht von NGOs liegt der Nutzen vertraulicher Dialoge darin, dass man an Informationen kommt, die man

    sonst nicht erhalten würde. Dies betrifft sowohl innerbetriebliche Hürden gegen gewünschte Entwicklungs-

    tendenzen als auch das Ausloten eventuell gemeinsamer politischer Aktivitäten. Allerdings lehnen wir viele

    Aufforderungen zu einem vertraulichen Dialog ab, wenn wir keine erwartbare Schnittmenge mit unseren

    strategischen Zielen erkennen können.

    Die Frage, ob Stakeholder substanzielle Veränderungen von Unternehmen erwarten können, entscheidet maß-

    geblich darüber, ob wir zu einer Weiterführung des Dialoges bereit sind. Die Kommunikationsabteilung ist nicht

    immer der richtige Organisator für den Dialog, da der Verdacht des „Greenwash“ sich strukturell aufdrängt.

    Welchen Anspruch erheben wir an einen gelungenen Stakeholder-Dialog? Zunächst einmal, dass man sich auf

    eine ernsthafte Interessensanalyse einlässt, wie die Schnittmenge der Interessen des Unternehmens mit den

    gemeinwohlorientierten Interessen der NGO vergrößert werden kann. Dann, dass auf ernsthafte Fragen ernst-

  • 41

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    hafte Antworten gegeben werden. Schließlich, dass zumindest für die NGO transparent wird, dass der Dialog

    zu Konsequenzen in der Unternehmenspolitik (sei es intern oder in der Lobbyarbeit) führt. (Letzteres ist aller-

    dings nur bei längerer Zeitdauer des Dialoges ernsthaft einzuschätzen).

    Ja, es gibt ein ernsthaftes Problem des „capacity overkill“. Wir als relativ kleine NGO können aus Kapazitäts-

    gründen nur einen kleinen Prozentsatz der an uns gerichteten Dialoganfragen wahrnehmen. Für unsere

    Mitglieder ist es kaum nachvollziehbar, dass wir ihre Spendengelder für den Dialog mit Industrieunternehmen

    ausgeben. Andererseits können wir uns diesen Dialog allenfalls in Fällen, in denen keine Interessenskollision

    besteht, von den betroffenen Unternehmen bezahlen lassen.

    Wichtig scheint mir deshalb, dass sich Unternehmen und andere Stakeholder vor dem Gespräch über den

    möglichen strategischen Nutzen (für beide Seiten!) eines solchen Gespräches verständigen. Dies mag bei

    einem ersten Kennenlerngespräch anders sein. Aber wenn es hier um längere Prozesse geht, ist dies unerläss-

    lich. Dialoge, in denen NGOs nur mit „der Wirtschaft“ oder die Wirtschaft mit „den NGOs“ reden wollen, sind

    nutzlos vertane Zeit. Auch sollten die Unternehmen über eine unabhängige Finanzierung solcher Prozesse

    (etwa durch eine Stiftung o.ä.) nachdenken. Ansonsten werden sie allenfalls mit den Experten von wenigen

    relativ reichen NGOs regelmäßig Dialog führen können.

    Zur Glaubwürdigkeit: Ein Problem für eine NGO tritt dann auf, wenn sie intern nicht klar geklärt hat, warum

    zur „Verteidigung“ eines globalen öffentlichen Gutes ein solcher Dialog sinnvoll sein kann. Wenn dies aber ge-

    schehen ist, kann nach unserer Erfahrung auch einer (zu Recht) kritischen Öffentlichkeit der Sinn und Zweck

    klar erklärt werden. Wichtig ist für uns auch, dass wir transparent machen, mit welchen Unternehmen wir

    Dialog mit welchem Ziel führen, auch wenn wir oft nicht die Gespräche im Detail darlegen wollen oder können.

    Erfolgreiche gemeinsame Projekte, die aus einem Dialogprozess heraus entstanden sind, sind z.B. die Initiierung

    des European Business Council for Sustainable Energy (e5), die Pro-Kyoto-Initiative „e-mission 55“, unser

    Klima-Dialog mit der Versicherungsindustrie usw. All diese Aktivitäten basierten auf einem vertrauensvollen

    Dialog. Grundlage dafür war aber auch eine klare Analyse, wo mögliche Schnittmengen des strategischen

    Interesses zwischen NGO und den entsprechenden Unternehmen liegen könnten.

  • 42

    GASTKOMMENTARE

    „NGO-Kritik ist für die wenigsten Unternehmen eine Überraschung“

    STEFAN LÖBBERT Leiter Nachhaltigkeitsmanagement, HVB Group, München

    Banken stehen beim Stakeholder-Dialog in einer besonderen Situation. Wenn NGOs beispielsweise konkrete

    Projektfinanzierungen aus ökologischen oder sozialen Gründen kritisieren, stehen wir unter dem Bank-

    geheimnis – von dem uns unsere Kunden nur selten befreien. Wir können also immer leichter über unseren

    grundsätzlichen Ansatz bei Projektfinanzierungen sprechen als über das Projekt selbst.

    Stakeholder-Dialoge sind für beide Seiten eine gute Gelegenheit, ,off the record‘ zu sprechen, Kritikpunkte zu

    thematisieren, die nicht gleich an die Öffentlichkeit gehen. Natürlich immer ohne das Bankgeheimnis zu

    brechen. Auch NGOs wollen nicht, dass alles an die Öffentlichkeit kommt, was sie erzählen, weil ihnen oft von

    der eigenen Basis der Vorwurf gemacht wird, einen ,Schmusekurs‘ gegenüber der Wirtschaft zu fahren.

    Ja, der Dialog dient im Endeffekt der guten Reputation eines Unternehmens – und auch dies teilen NGOs mit

    uns. Wenn sie Erfolge vorweisen können, weil sie ein Unternehmen in bestimmten Fragen zum Einlenken

    bewegt haben, dient das auch der Reputation der NGOs. Dialog als solcher kann aber noch keine Reputations-

    verbesserung bewirken, das geht nur, wenn ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet und erst gar keine

    potenziellen Probleme verursacht. Die Kritikpunkte, mit denen NGOs auf Unternehmen zugehen, sind ja für

    die wenigsten Unternehmen eine Überraschung. Aber NGOs können einen immensen Druck aufbauen, daher

    reden wir oft schon präventiv mit NGOs, holen Meinungen und Ratschläge ein.

    Kommunikationsabteilungen alleine können den Stakeholder-Dialog nicht erfolgreich gestalten. Ideal ist es,

    wenn ein hierarchisch hoch angesiedeltes Nachhaltigkeitsmanagement mit Mitarbeitern aus den Geschäfts-

    feldern und mit Unterstützung aus dem Kommunikationsabteilungen den Stakeholder-Dialog organisiert,

    steuert und verantwortet. Auch NGOs finden es gut, wenn ihre Gesprächspartner aus dem eigentlichen

    Geschäft kommen und die Rückendeckung aus den Geschäftsfeldern haben.

  • 43

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    „Vertrauliche Dialoge sollten eher die Ausnahme sein“

    HEINZ-DIETER KOEPPE Direktor Umwelt- und Gesellschaftspolitik, KarstadtQuelle AG, Essen

    So wie es nicht „den“ Stakeholder gibt, sind auch die Stakeholder-Dialoge sehr unterschiedlich und können

    daher größere Veranstaltungen sein, wie wir sie jetzt selbst durchgeführt haben. Das Spektrum kann aber

    auch von Vier-Augen-Gesprächen bis zu einem kleineren Kreis reichen.

    Dementsprechend können auch vertrauliche Dialoge dazu gehören, dieses sollte jedoch eher die Ausnahme

    sein. Aufgrund der erforderlichen Transparenz sollte so weit wie möglich eine Veröffentlichung der Inhalte bzw.

    der Ergebnisse stattfinden, denn nur mit einer Veröffentlichung kann wirklich von den Beteiligten erkannt wer-

    den, welcher gegenseitige Nutzen hier erzielt wurde. Wir plädieren also für mehr Transparenz.

    Beim Stakeholder-Dialog geht es für ein Unternehmen nicht nur um Reputationsrisiken, sondern darum, den

    Prozess voranzubringen. Dies setzt sicher dialogbereite und kompetente Teilnehmer voraus. Ein erfolgreiches,

    gemeinsames Projekt mit Stakeholdern ist in unserer Branche zum Beispiel das Projekt der AVE (Außenhan-

    delsvereinigung des deutschen Einzelhandels) in Bezug auf Sozialstandards.

    Ein Stakeholder-Dialog ist aus unserer Sicht grundsätzlich nicht als Art strategischer „Pre-Test“ zu sehen. Ein

    Dialog eignet sich besonders für spezifische Problemfälle. Ob eine Kommunikationsabteilung der richtige

    Organisator für einen solchen Dialog ist, sei dahingestellt. Wir sind der Meinung, dass hier eher die jeweiligen

    Fachabteilungen gefordert sind.

    Bisher können wir noch nicht bewerten, welchen Nutzen ein Stakeholder-Dialog bzw. welche Konsequenzen

    hiermit einhergehen. Für uns ist dies noch eine relativ neue Art der Kommunikation.

  • 44

    GASTKOMMENTARE

    „Der Dialog dient uns als strategisches Frühwarnsystem – Kooperation schafftHandlungskompetenz“

    MILA DAHLE Referentin im Umweltmanagement der TUI AG, Hannover

    Der Dialog mit gesellschaftlichen Anspruchsgruppen hat bei TUI Tradition. Ob er öffentlich oder als „Vier-Augen-

    Gespräch" initiiert wird, hängt von den Partnern und der Thematik ab. Durch eine konkrete Beteiligung und im

    persönlichen Kontakt gewinnen wir wertvolle Anregungen für gemeinsame Lösungswege und kompetente

    Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Aktivitäten im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit.

    Das institutionalisierte Networking mit den (örtlichen) Nichtregierungsorganisationen ist eines der wesent-

    lichen Merkmale unserer Umsetzungsschritte auf diesem Weg. So kann Kompetenz durch Kooperation entste-

    hen, die der Natur und der lokalen Bevölkerung dient. Erfolgreiche praktische Umsetzung ist für uns dann

    konsequente externe Ergebnisdokumentation, die daraus folgende Transparenz betrachten wir als ein wesent-

    liches Erfolgskriterium. 50 Beispiele für Naturschutzkooperationen in der Praxis sind in der aktuellen Umwelt-

    berichterstattung „Nachhaltig wirtschaften in der TUI“ belegt. Auf unserer Website www.tui-umwelt.com

    berichten wir detailliert zu unseren Kooperationspartnern und aktuellen Projekten. Drei Beispiele: Im Sinne

    einer Projektzusammenarbeit kooperiert die TUI mit der Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS),

    um die Population des Gemeinen Delfins im Mittelmeer zu erhalten. Im Sinne eines inhaltlichen Austausches

    unterstützen wir die von EUROPARC vorangetriebene erfolgreiche Vereinbarkeit von Umweltschutz und kon-

    trollierter touristischer Nutzung. Im Sinne einer Klima- und Biodiversitäts-Forschungsförderung ist unsere

    langjährige Kooperation mit der Coastal Research Unit der Universität Cambridge im Rahmen des Aldabra

    Marine Programme zu nennen.

  • 45

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Der Dialog dient uns als strategisches Frühwarnsystem, als ergänzendes Instrument zum permanenten inter-

    nen Monitoring-Prozess. Er trägt zur Folgenabschätzung der touristischen Geschäftstätigkeit und zur vielfälti-

    gen Risikoevaluation bei. Für die TUI entstehen hieraus Chancen zum pro-aktiven Handeln. Die Verringerung

    von Reputationsrisiken ergibt sich quasi als Nebenprodukt der Dialogbereitschaft. Als langfristige Strategie for-

    muliert, bemessen wir den gegenseitigen Nutzen des Dialogprozesses im Grad der Zielerreichung: In welchem

    Maße profitieren Umwelt und Gesellschaft am Standort und in den Destinationen?

  • 46

    GASTKOMMENTARE

    „Gegenseitiges Verständnis und Vertrauen aufbauen“

    SUSANNE SATZER-SPREE Pressesprecherin und CSR-Koordinatorin, Vodafone D2 GmbH, Düsseldorf

    Vodafone führt seinen Stakeholder-Dialog in zwei unterschiedlichen Formen. Die erste Form des Dialogs sind

    vertrauliche Gespräche, wenn das von beiden Parteien so gewünscht wird. Der Vorteil liegt auf der Hand: Alle

    Gesprächspartner legen ihre Ansichten offener dar. Am Schluss dieser Gespräche beraten wir gemeinsam, ob

    und in welcher Form die Ergebnisse öffentlich präsentiert werden sollen. Soweit eine Veröffentlichung von der

    einen oder anderen Seite nicht erwünscht ist, wird dies respektiert. Stakeholder, mit denen diese Art des

    Dialogs von uns praktiziert wird, sind in erster Linie Politiker und NGOs.

    Zu politischen Kreisen bestehen unsere Kontakte schon seit längerer Zeit. Mit NGOs wurden bislang nur ver-

    einzelte Gespräche geführt. In den allermeisten Fällen finden die Kontakte in Form dieser Vier-Augen-Gesprä-

    che statt, um sich frühzeitig über Standpunkte auszutauschen, um sich beraten zu lassen und um Anregungen

    Externer ins Unternehmen zu holen.

    Eine zweite Form des Dialogs praktizieren wir mit den so genannten "Mobilfunkkritikern", insbesondere zum

    Thema Mobilfunk, Umwelt und Gesundheit. Diese wichtige Stakeholdergruppe umfasst die gesamte Band-

    breite von Bürgerinitiativen, Verbänden, Kommunalpolitikern, politischen Parteien, Kirchengruppen etc. Hier

    erfolgt der Dialog in der Regel öffentlich: In Veranstaltungen, Expertenanhörungen und Diskussionsrunden

    werden die unterschiedlichen Positionen vertreten und Meinungen dargelegt.

    Vodafone sucht den Dialog mit seinen Stakeholdern. Öffentliche Aussprachen wie auch der vertrauliche Dialog

    mit diesen Gruppen erlauben sowohl uns als Unternehmen als auch den Stakeholdern, gegenseitiges Verständ-

    nis und Vertrauen aufzubauen und ggf. bislang festgefahrene Positionen zu modifizieren.

  • 47

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    „Am Ende des Dialogs steht die Information der Öffentlichkeit“

    DR. BERNHARD BAUSKE Leiter strategische Kooperationen, WWF Deutschland, Frankfurt

    Bei den Stakeholder-Dialogen kommt es auf den jeweiligen Ansatz des Dialogs an: Auf der einen Seite steht

    der öffentliche Dialog, auf dem Ergebnisse festgehalten, Vereinbarungen kommuniziert und der Erfolg/ Nicht-

    erfolg der Umsetzung in regelmäßigen Abständen überprüft wird und auf der anderen Seite Beratungs-

    gespräche bzw. Gespräche informeller Art zwischen Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen.

    Wenn ein Unternehmen einen öffentlich geführten Dialog propagiert, sollte auch der Verlauf des Dialogs und

    die Umsetzung der Ergebnisse öffentlich kommuniziert werden. Nicht-öffentliche Beratungsgespräche zwi-

    schen Unternehmen und Nichtregierungsorganisation sind nach Meinung des WWF eine sinnvolle Ergänzung

    des Dialogs, um auf der Arbeitsebene zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Hierbei dienen diese Gespräche

    der Vertrauensbildung, dem gegenseitigen Verständnis der jeweiligen Position und der Diskussion von Detail-

    fragen. Wichtig ist, dass am Ende des Dialogprozesses der Öffentlichkeit das Ergebnis, im Idealfall ein von bei-

    den Seiten abgestimmtes Statement, mitgeteilt wird.

    Eine Instrumentalisierung seitens der Unternehmen liegt unserer Einschätzung nach dann vor, wenn allein die

    Durchführung eines Dialogprozesses als ausreichend seitens des Unternehmens empfunden wird und konkrete,

    von Nichtregierungsorganisationen eingeforderte Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Der alleinige Hinweis

    auf einen Dialog mit Nichtregierungsorganisationen durch die Unternehmen reicht nicht aus. Publizierte State-

    ments der Unternehmen, die sich auf die Zusammenarbeit mit einer Nichtregierungsorganisation beziehen,

    sollten immer vor einer Veröffentlichung vereinbart und abgestimmt werden.

  • 48

    GASTKOMMENTARE

    Gemeinsame Projekte sind dann sinnvoll, wenn sie maßgebliche Fortschritte erreichen und einen gegenseitigen

    Lernprozess befördern. Seitens des WWF hat sich die Etablierung des Zertifizierungssystems für eine umwelt-

    gerechte und sozial verträgliche Waldwirtschaft durch den Forest Stewardship Council (FSC) als ein erfolgrei-

    ches Projekt zwischen Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen erwiesen. Über 45 Millionen Hektar

    Wald sind nach den anspruchsvollen FSC-Kriterien zertifiziert, bis heute ist der weltweite Markt für FSC-zerti-

    fizierte Holzprodukte auf mehr als zwei Milliarden Euro angestiegen.

    Ein Dialog allein reicht nach Meinung des WWF oft nicht aus, um Veränderungen bei Unternehmen zu bewir-

    ken. Viele Unternehmen stehen in Deutschland unter einem starken Preisdruck, so dass es starker Argumente

    bedarf, ein Unternehmen zu überzeugen, auf ein umwelt- oder sozialverträglicheres Produktangebot umzu-

    stellen. Am einfachsten ist dies, wenn im Rahmen des Dialogprozesses ein Unternehmen davon überzeugt

    werden kann, dass bestimmte Veränderungen kostenneutral vorgenommen werden können oder Vorteile im

    Rahmen des Risikomanagements für das Gesamtunternehmen erbringen. Hier können ausführliche Dialoge

    sehr fruchtbar sein, vor allem dann, wenn bei den Nichtregierungsorganisationen fachliches Wissen vorhanden

    ist und Einfühlungsvermögen in die Unternehmenspraxis besteht.

    Erfahrungen des WWF zeigen aber auch, dass oft erst externer Druck (meist von Kampagnenorganisationen

    wie Greenpeace oder Robin Wood) durch medienwirksame Aktionen einen intensiven Dialog ermöglicht und

    konkrete Ergebnisse bewirkt haben.

    Welche Abteilung den Dialog organisiert, ist nicht so bedeutend, wichtig ist, das im Unternehmen Ansprech-

    partner vorhanden sind, die Anstöße durch Nichtregierungsorganisationen aufnehmen, Antworten geben und

    den regelmäßigen Kontakt aufrecht erhalten. Ein intensiver Dialog wird oft auch durch Fachabteilungen geführt

    werden können. Ein nächster Schritt ist, dass die getroffenen Vereinbarungen von der Geschäftsleitung mit

    getragen werden, damit die Neuerungen im Gesamtunternehmen umgesetzt und kommuniziert werden.

  • 49

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Zusammengefasst sind für den WWF folgende Punkte für einen gelungenen Dialog zwischen Unternehmen

    und Nichtregierungsorganisationen von Bedeutung:

    Im Rahmen des Dialogs werden öffentlich klare Ziele formuliert, deren Umsetzungserfolge auch öffent-

    lich kommuniziert werden.

    Im Unternehmen sind Ansprechpartner verfügbar, um den regelmäßigen Kontakt aufrechtzuerhalten.

    Das gleiche gilt natürlich auch für die Nichtregierungsorganisationen.

    Die Kommunikation des Dialogs und dessen Ergebnisse werden gegenseitig abgestimmt.

    Unverbindliche Dialoge können als erster Erfahrungsaustausch nützlich sein, sollten aber nicht zur Regel

    werden.

  • 50

    ANHANG I

    Diese Liste nennt die 150 kontaktierten Unternehmen in Verbindung mit dem Aufnahmekriterium. Die HDAX-

    Listung als objektives Kriterium steht dabei über den anderen Kriterien, wobei dies nicht ausschließt, dass ein DAX-

    gelistetes Unternehmen auch „inhaltlich relevant“ ist (zur Bedeutung der Kriterien vgl. Kap. „Methodik“). Genannt

    ist das jeweils aus unserer Sicht prioritäre Kriterium. Die DAX-Listung entspricht dem Stand von Juni 2004.

    Unternehmen HDAX Größe Relevanz

    Aareal Bank AG MDAX

    ABB AG X

    Adam Opel AG X

    adidas-Salomon AG DAX

    Aixtron AG TecDAX

    Allianz AG DAX

    Altana AG DAX

    AMB Generali Holding AG MDAX

    AWD Holding AG MDAX

    Axel Springer AG X

    B. Braun Melsungen AG X

    BASF AG DAX

    Bayer AG DAX

    Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG DAX

    Beiersdorf AG MDAX

    Bertelsmann AG X

    BERU AG MDAX

    Bilfinger Berger AG MDAX

    BMW AG DAX

    Boehringer Ingelheim GmbH X

    DIE 150 UNTERNEHMEN

  • 51

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Unternehmen HDAX Größe Relevanz

    British American Tobacco (Germany) GmbH X

    C & A Mode & Co. X

    Celanese AG MDAX

    Celesio AG MDAX

    Coca-Cola GmbH X

    comdirekt Bank AG MDAX

    Commerzbank AG DAX

    Continental AG DAX

    DaimlerChrysler AG DAX

    Degussa AG MDAX

    Deutsche Bahn AG X

    Deutsche Bank AG DAX

    Deutsche Börse AG DAX

    Deutsche BP AG X

    Deutsche Lufthansa AG DAX

    Deutsche Post AG DAX

    Deutsche Shell GmbH X

    Deutsche Telekom AG DAX

    Douglas Holding AG MDAX

    Dow Deutschland GmbH & Co. oHG X

    Dr. August Oetker KG X

    Drägerwerk AG TecDAX

    Dresdner Bank AG X

    Duales System Deutschland AG X

    E.On AG DAX

    E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG X

    EADS Deutschland GmbH MDAX

    Edeka Zentrale AG & Co. KG X

    ELMOS Semiconductor AG TecDAX

    EnBW Energie Baden Württemberg AG X

    EPCOS AG TecDAX

  • 52

    ANHANG I

    Unternehmen HDAX Größe Relevanz

    ERGO Versicherungsgruppe AG X

    Evotec OAI AG TecDAX

    Exxon Mobil Central Europe GmbH X

    Fielmann AG MDAX

    FJH AG TecDAX

    Ford-Werke AG X

    Fraport AG MDAX

    freenet.de AG TecDAX

    Fresenius AG MDAX

    Fresenius Medical Care AG DAX

    GPC Biotech AG TecDAX

    Hannover Rückversicherung AG MDAX

    Heraeus Holding GmbH X

    Heidelberg Cement AG MDAX

    Heidelberger Druckmaschinen AG MDAX

    Henkel KGaA DAX

    Hochtief AG MDAX

    Hugo Boss AG MDAX

    Hypo Real Estate Holding AG MDAX

    IBM Deutschland Holding GmbH X

    IDS Scheer AG TecDAX

    IKB Deutsche Industriebank AG MDAX

    Ikea Deutschland GmbH & Co. KG X

    INA Holding Schaeffler KG MDAX

    Infineon Technologies AG DAX

    IVG Immobilien AG MDAX

    IWKA AG MDAX

    Jenoptik AG TecDAX

    K+S AG MDAX

    KarstadtQuelle AG MDAX

    KfW Bankengruppe X

  • 53

    PLEON KOHTES KLEWES | GEHEIME MISSION?

    Unternehmen HDAX Größe Relevanz

    Koenig & Bauer AG MDAX

    Kontron AG TecDAX

    Kraft Foods Deutschland Holding GmbH X

    Krones AG MDAX

    Lekkerland-Tobaccoland GmbH & Co. KG X

    Leoni AG MDAX

    Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG X

    Linde AG DAX

    MAN AG DAX

    Medion AG MDAX

    Merck KGaA MDAX

    McDonald's Deutschland Inc. X

    mg technologies AG MDAX

    Metro AG DAX

    Microsoft GmbH X

    MLP AG MDAX

    Mobilcom AG TecDAX

    Münchener Rückversicherungs AG DAX

    Nestlé Deutschland AG X

    Norddeutsche Affinerie AG MDAX

    Obi Bau- und Heimwerkermärkte

    GmbH & Co. Franchise Center KG X

    Otto GmbH & Co. X

    Pfeiffer Vacuum Technology AG TecDAX

    Philip Morris GmbH X

    ProSiebenSat.1 Media AG MD