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© 2017, V&R unipress GmbH, GöttingenISBN Print: 9783847106401 – ISBN E-Book: 9783847006404

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Schriften des Archivs der Universität WienFortsetzung der Schriftenreihe des Universitätsarchivs,Universität Wien

Band 23

Herausgegeben von Kurt Mühlberger, Thomas Maisel

und Johannes Seidl

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Margret Hamilton

Die Notizbücher des Mineralogenund Petrographen Friedrich Becke1855–1931

Der Weg von der praktischen Erkenntnis zurtheoretischen Deutung

Mit 31 Abbildungen

V& R unipress

Vienna University Press

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þberhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN 2198-624XISBN 978-3-8470-0640-4

Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter : www.v-r.de

Verçffentlichungen der Vienna University Presserscheinen im Verlag V&R unipress GmbH.

� 2017, V&R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.deAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschþtzt.Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigenschriftlichen Einwilligung des Verlages.Titelbild: Die Notizbþcher Friedrich Beckes in chronologischer Reihenfolge (Ausschnitt),� Margret Hamilton

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2 Die historische Entwicklung der geowissenschaftlichen DisziplinenMineralogie, Petrographie und Geologie . . . . . . . . . . . . . . . . 172.1 Die Entwicklungsgeschichte der Mineralogie . . . . . . . . . . . . 222.2 Die Entwicklungsgeschichte der Geologie . . . . . . . . . . . . . . 302.3 Die Entwicklungsgeschichte der Petrographie . . . . . . . . . . . . 40

3 Die verschiedenen Arbeitsgebiete der Erdwissenschaften zur ZeitFriedrich Beckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433.1 Das Fach Mineralogie an der Universität Wien . . . . . . . . . . . 43

3.1.1 Der Wissensstand im Fach Mineralogie undKristallographie mit eingehender Erörterung einigerBeispiele aus der Fachliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.1.1.1 Morphologie oder die Eigenschaften der Minerale . . 503.1.1.2 Mineralchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523.1.1.3 Mineralphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533.1.1.4 Mineralsystematik – Mineralklassen . . . . . . . . . . 543.1.1.5 Technische Geräte zur Bestimmung der Minerale . . 553.1.1.6 Entstehung der Minerale und Gesteine . . . . . . . . 583.1.1.7 Das Lehrbuch der Mineralogie von Gustav

Tschermak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593.2 Das Fach Petrographie an der Universität Wien . . . . . . . . . . . 61

3.2.1 Wissensstand im Fach Petrographie mit Erörterung einigerBeispiele aus der Fachliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

3.3 Das Fach Geologie an der Universität Wien . . . . . . . . . . . . . 653.3.1 Wissensstand im Fach Geologie mit Erörterung einiger

Beispiele aus der Fachliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

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4 Friedrich Becke – Forschungsstationen und bedeutendewissenschaftliche Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714.1 Friedrich Beckes wissenschaftliches Erbe . . . . . . . . . . . . . . 784.2 Die Beckesche Lichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

5 Die Notizbücher Friedrich Beckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835.1 Von der Praxis, die in den Notizbüchern dokumentiert ist – ein

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835.2 Die Form der Notizbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855.3 Die Zuordnung der Notizbücher zu den Schaffensstationen

Friedrich Beckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

6 Die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der Ätzfiguren, derpetrographisch-geologischen Studien in den Alpen und derkristallinen Schiefer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896.1 Ätzfiguren an Mineralen – die Suche nach dem praktischen

Beweis der Symmetrie an Kristallen . . . . . . . . . . . . . . . . . 896.2 Der Weg vom Notizbuch zur Publikation . . . . . . . . . . . . . . 96

6.2.1 Die ersten Ätzversuche am Mineral Zinkblende . . . . . . . 966.2.2 Ätzversuche am Mineral Bleiglanz . . . . . . . . . . . . . . . 1106.2.3 Ätzversuche an Mineralen der Magnetitgruppe . . . . . . . 1216.2.4 Ätzversuche am Mineral Pyrit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1296.2.5 Ätzversuche am Mineral Fluorit . . . . . . . . . . . . . . . . 139

6.3 Petrographisch-geologische Studien in den Alpen . . . . . . . . . 1506.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1506.3.2 Die Gesteine der Rieserferner Gruppe . . . . . . . . . . . . . 1586.3.3 Die Zentralkette der Ostalpen – Ein Forschungsprogramm

der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften . . . . . . . . 1836.3.3.1 Die ersten Berichte an die kaiserliche Akademie der

Wissenschaften in Wien über die Erforschung derZentralkette der Ostalpen gemeinsam mit denPetrographen Friedrich Berwerth und UlrichGrubenmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

6.3.3.2 Der zweite Bericht an die kaiserliche Akademie derWissenschaften in Wien über petrographische undtektonische Untersuchungen im Hochalmmassiv –dem östlichen Tauernfenster – gemeinsam mit demGeologen Viktor Uhlig . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

6.3.4 Die Aufnahmen im Gebiet des Zillertales als Grundlage derAlpenexkursion während des 9. Geologenkongresses inWien 1903 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Inhalt6

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6.4 Die Bezeichnung »Kristalline Schiefer« – ein petrographischerTerminus – als Vorläufer der Metamorphite . . . . . . . . . . . . . 2436.4.1 Historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2436.4.2 Definition des Begriffes »Kristalline Schiefer« . . . . . . . . 2466.4.3 Friedrich Beckes Publikationen im Bereich der kristallinen

Schiefer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Literatur zum Thema Ätzfiguren zur Zeit Friedrich Beckes . . . . . . . . 273

Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Glossarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293Anhang 1: Die Notizbücher Friedrich Beckes in chronologischerReihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293Anhang 2: Friedrich Becke: Verzeichnis der Publikationen nachJahren geordnet mit einem Verzeichnis der Biographien . . . . . . . . 331Anhang 3: Die Aufzeichnungen in den Feldtagebüchern alsGrundlage der Stationen des Exkursionsführers Nr. VIII im Westendeder Hohen Tauern (Zillertal) während des 9. Geologenkongresses inWien im Jahr 1903 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347Anhang 4: Geologische Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

Inhalt 7

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Vorwort

Der vorliegende Band beschäftigt sich mit den schriftlichen Aufzeichnungen desMineralogen und Petrographen Friedrich Becke. Grundlage hiefür bildet die vonder Autorin 2016 abgeschlossene Dissertation an der Universität Wien. DieseNotizbücher sind inhaltsreiche Dokumente, denn sie geben uns ein Zeugnisseiner umfangreichen und vielseitigen Forschungsarbeit. Becke hinterlässt einumfassendes publiziertes Œuvre, das allerdings keinen Hinweis auf seinehandschriftlichen Aufzeichnungen gibt. Mit seinem Namen werden folgendeErkenntnisse in den Erdwissenschaften verbunden: die theoretischen Kennt-nisse der Kristallklassen, die Weiterführung der Erforschung der Mineralgruppeder Feldspate, die technische Weiterentwicklung des Mikroskops, die geologi-sche Erforschung des Waldviertels, der Sudeten und der Alpen und die bedeu-tendste Entdeckung im mikroskopischen Bereich, die nach ihm benannte Be-ckesche Lichtlinie. Seine Entdeckung wird auch heute noch angewandt bei dermikroskopischen Beobachtung von zwei (Festkörpern) Mineralen mit unter-schiedlicher Lichtbrechung. Anhand der Notizbücher kann die Praxis der mi-neralogischen, petrographischen und geologischen Techniken des ausgehenden19. Jahrhunderts nachvollzogen werden. Friedrich Becke hat in seinen Natur-beobachtungen und den daraus resultierenden Theorien die erdwissenschaft-lichen Felder der Mineralogie, Petrographie und Geologie erfolgreich mitein-ander verbunden. Seine Bedeutung in der Mineralogie und hier vor allem in denfundamentalen Erkenntnissen über die Feldspäte in den Beobachtungen mitdem Mikroskop ist immer wieder in der Fachliteratur hervorgehoben worden.Die grundlegenden Erkenntnisse in der Erforschung der Waldviertler Gesteinewerden auch heute noch in der Fachliteratur angeführt. Im Bereich der »Kris-tallinen Schiefer« und der metamorphen Gesteine gilt Becke als einer der Pio-niere innerhalb des Faches der Petrographie. Die fundamentalen Erkenntnisseim Bereich der Alpengeologie – östliches und westliches Tauernfenster undRieserferner – treten dabei in den Hintergrund und finden in der modernenLiteratur wenig Beachtung. Gleichzeitig ist mit Friedrich Becke eine Persön-lichkeit angesprochen, die einen steilen Karriereweg in den Wissenschaftsbe-

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reichen Mineralogie und Petrographie absolviert, sich aber auch intensiv mitgeologischen Themen seiner Zeit praktisch und theoretisch auseinandersetzt.

Ein besonderes Augenmerk wird in der vorliegenden Arbeit den sogenanntenÄtzfiguren, auch Zersetzungsfiguren genannt, an Kristalloberflächen gewidmet.In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts untersuchen Wissenschafter denEinfluss von Lösungsmitteln an Kristallen, um einen Beweis für die bereitsmathematisch errechnete Kristallstruktur zu erbringen. Friedrich Becke nimmtan dieser internationalen Diskussion teil und kann aus seinen Forschungen deninneren Aufbau der Kristalle wiederum nur theoretisch nachweisen, aber mitgroßartiger Beobachtungsgabe und exakter Beweisführung. Die Forschungen,Becke bezeichnet sie als Ätzversuche, an Kristallen umfassen den Zeitraum vonzehn Jahren, zwischen 1881 und 1890, und füllen zehn Notizbücher, die in-haltsmäßig den Laborbüchern zuzuorden sind. Seine theoretischen Erkennt-nisse konnten erst im 20. Jahrhundert mittels der Röntgenstrukturanalysenachgewiesen und somit eindeutig bestätigt werden.

Die Aufzeichnungen der Alpenbegehungen entstehen innerhalb von 20 Jah-ren zwischen 1892 und 1912 und finden in unterschiedlichen Stilen – Notizbuch,Feldtagebuch und Laborbuch – ihren Niederschlag. Die ersten Beobachtungender Begehung im alpinen Bereich nimmt Friedrich Becke während seinerLehrtätigkeit in Prag im August 1892 auf. In speziell gebundenen Leinenbüchern(Feldtagebüchern) sind die Beobachtungen im Gelände in Berichten und mitzum Teil farbigen Geländeprofilen festgehalten. Gemeinsam mit dem Geogra-phen Ferdinand Löwl (1856–1908) untersucht er die Gesteine und Formationender südlichen Alpen um Predazzo und den geologischen Aufbau der ZillertalerAlpen. 1894 genehmigt die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wieneine Kommission für die erste petrographische Erforschung der Zentralkette derOstalpen. In drei Regionen erforschen drei Wissenschafter das Gebiet – Fried-rich Martin Berwerth (1850–1918), Johann Ulrich Grubenmann (1850–1924)und Friedrich Becke.

Friedrich Becke forscht im heutigen östlichen und westlichen Tauernfenster.Die Dokumentation über seine Aufenthalte im Bereich des Zillertales und desTuxer Hauptkammes mit Erkundigungen im Brennertal erstreckt sich über zehnJahre zwischen 1893 und 1903. Die aktive Teilnahme am 9. Geologenkongress inWien kann als wissenschaftlicher Höhepunkt und auch als Abschluss der For-schungen im Zillertal und den Tuxer Alpen gesehen werden. Die petrographi-schen Laboruntersuchungen aus den Gesteinen der Zillertaler Alpen führenBecke zu fundamentalen Erkenntnissen im Bereich der kristallinen Schiefer undder metamorphen Gesteine. Die zweite petrographisch-geologische Erfor-schung findet gemeinsam mit dem Geologen Viktor Uhlig (1857–1911) amNord- und Ostrand des Hochalmmassivs zwischen 1906 und 1908 statt. 1912fasst er die fundamentalen Erkenntnisse resultierend aus den Alpenbegehungen

Vorwort10

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über die großen Gesteinsformationen zusammen und veröffentlicht diese imAnzeiger der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Diese beiden For-schungsgebiete haben heute als Tauernfenster in den Alpen ihren festen Platz inder Alpengeologie gefunden. Becke legt hier mit seinen petrographischen Er-forschungen und den daraus resultierenden Erkenntnissen die Grundlage für diekommenden Diskussionen dieses geologisch hoch interessanten Gebietes.

Abschließend seien noch einige Worte des Dankes ausgesprochen. Zunächstsei den Betreuern und Begutachtern meiner Dissertation Prof. Mag. Dr. Bern-hard Grasemann, Prof. Dr. Helmuth Grössing, Doz. Mag. Dr. Hannes Seidl undProf. Dr. Josef Michael Schramm herzlichst gedankt. Ebenso sei der Universi-tätsbibliothek Wien unter der Leitung von Frau HR Mag. Seißl für die Bereit-stellung der finanziellen Mittel zur Publikation des vorliegenden Bandes ge-dankt. Ein herzliches Dankeschön geht an Dozent Mag. Dr. Johannes Seidl fürdie großartige Unterstützung bei der Entstehung dieses Werkes. Auch demVerlag V& R unipress, Göttingen, zuvorderst Frau Mag. Susanne Franzkeit undHerrn Mag. Oliver Kätsch, die sich um die Gestaltung des vorliegenden Bandesgroße Verdienste erworben haben, sei an dieser Stelle gedankt. Ebenso möchteich mich bei meinem Sohn Peter Hamilton, MSc. für die umsichtige Betreuungund Erstellung des Computersatzes herzlichst bedanken.

Wien, im Oktober 2016 Margret Hamilton

Vorwort 11

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1. Einleitung

Das Studium der Natur ist bildend für Herz und Geist, und unerschöpflich.ABRAHAM GOTTLOB WERNER1

Während meiner Forschungsarbeit im Fach Mineralogie über Dokumente,Bildmaterial und Nachlass des Mineralogen, Petrographen und Professors ander Universität Wien Friedrich Johann Karl Becke (1855–1931)2 stieß ich aufseine bekannten, aber bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgearbeitetenpersönlichen Notizbücher. Ich erhielt sie zum eingehenden Studium von dememeritierten Universitätsprofessor Dr. Wolfram Richter, dem ehemaligen Vor-stand des Instituts für Petrologie an der Universität Wien. Die Bücher werdennach meinen Recherchen an das heutige Department of Lithospheric Researchzurückgehen. Die von Herrn Professor Richter benannten »Feldbücher Beckes«befanden sich lange Zeit an der ehemaligen Bibliothek des Mineralogisch-Pe-trographischen Instituts im Hauptgebäude der Universität in Wien. Bei derAuflösung und Neustrukturierung des Instituts und der Bibliothek im Jahr 1995gingen die Notizbücher Friedrich Beckes in die Obhut Wolfram Richters über.Beckes persönliche Aufzeichnungen waren bisher nicht Gegenstand genauererUntersuchungen, diese sind aber hinsichtlich seiner komplexen mikroskopi-schen Forschungen, seiner Alpenbegehungen und Feldspat-Forschungen be-sonders im Bereich der kristallinen Schiefer von großer Bedeutung gewesen, da

1 Zitat aus dem Stammbuch von Karl Ludwig Giesecke (1761–1833), das A.G. Werner am 16. Juli1801 in Freiberg seinem Schüler in das Stammbuch geschrieben hatte. Aus dem Autogra-phenalbum Nr. 3, mit der Signatur MS 3534, das in der National Library of Irland in Dublinaufliegt. Siehe Literatur : Gerd IBLER, Nathanael Gottfried Leske (1751–1786) und sein klas-sisches Naturalienkabinett. In: Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesell-schaft 161 (Wien 2015), S. 166.

2 Margret HAMILTON, Die Schüler Friedrich Johann Karl Beckes an der Universität Wien. IhreBiographien und Werkverzeichnisse, mit einer Beschreibung der nach vier Schülern be-nannten Minerale: Chudobait, Cornuit, Görgeyit und Tertschit. – Ungedruckte Dissertation,eingereicht an der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Uni-versität Wien (2009). Margret HAMILTON, Der Einfluss Friedrich Johann Karl Beckes auf dieErdwissenschaften an der Universität Wien. In: Bibliotheken, Archive, Museen, Sammlungen.Beiträge des 10. Internationalen Symposiums Kulturelles Erbe in Geo- und Montanwissen-schaften. Reihe A: Archivverzeichnisse, Editionen und Fachbeiträge, 14 (Hg. SächsischesStaatsarchiv, Halle an der Saale 2010), S. 147–155.

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Beckes Erkenntnisse immer wieder in den internationalen Veröffentlichungenangeführt werden.

Ich habe den Aufzeichnungen Beckes den allgemeinen Begriff »Notizbücher«gegeben. In unterschiedlichen Notierungen, die keine geordneten und struk-turierten Abfolgen, kein chronologisch aufgebautes Werk darstellen, werdenbestimmte Inhalte und die abwechslungsreiche Gestaltung der Dokumentationauf Papier in verschiedenartigen »Aufschreibestilen« mit Bleistift oder Tinte undin unterschiedlichen kleinen Büchern festgehalten. Während der Alpenbege-hungen wechseln Kurznotizen über Messungen der Gesteine mit narrativenBerichten und geologischen Profilen ab. Im Labor stehen Messdaten mit ver-schiedenen technischen Geräten und graphischen Notizen im Vordergrund.Persönliche oder private Angaben, wie Besorgungen, Etat oder Namen ver-schiedener Personen, sowie persönliche Wahrnehmungen der Gebirgswelt fin-den ebenfalls Eingang in die aufschlussreichen Bücher. Aus dem umfangreichenDokumentationsmaterial habe ich hier eine Themenauswahl getroffen mit denSchwerpunkten: Beobachtungen von Ätzfiguren an Mineralen, petrographischeStudien in den Alpen und einen Überblick über die kristallinen Schiefer alpinerGesteine. Als Mineralogin interessiert mich die Herangehensweise Beckes inBezug auf Ätzfiguren an Kristallen: mit Hilfe dieser Figuren suchte er denNachweis für die Symmetrie der Kristalle zu erbringen. Die Aufzeichnungen inden Feldtagebüchern sind ein beredtes Zeugnis für die petrographische Auf-nahme in den Alpen, hier im Besonderen des Tauernfensters. Aus diesen Ge-ländeforschungen entstanden die großartigen Überlegungen zum Themakristalline Schiefer und metamorphe Gesteine. Den einzelnen thematischenErörterungen füge ich Abbildungen aus den Notizbüchern hinzu, die entwederden Text unterstreichen oder zur genaueren Veranschaulichung eines bezeich-nenden Inhaltes oder ausführlichen Beschreibungen in den Büchern dienen. DieAufzeichnungen Friedrich Beckes sind inhaltsreiche Dokumente, die Zeugnisgeben von seiner umfangreichen und vielseitigen Forschungsarbeit. Sie doku-mentieren aber auch signifikant den Wissensstand in den erdwissenschaftlichenFächern Mineralogie, Petrographie und Geologie um 1900. Seine Aufzeich-nungen sind Zeitzeugnisse, die einen Einblick in die Forschungstätigkeiten undeinen Beitrag zum internationalen Diskurs bringen. Die Dokumentation ein-zelner Messdaten mit dem Mikroskop, dem Goniometer oder auch dem Kom-pass im freien Gelände weisen in einer ersten Ebene auf eine objektive Wie-dergabe einer Naturbeobachtung hin. In einer übergeordneten zweiten Ebenewird ersichtlich, dass diese Forschungsergebnisse im Dienste der Wissenschaftgemacht worden sind und eine zweckfreie Grundlagenforschung in den geo-wissenschaftlichen Disziplinen bilden. Die einzelnen Daten werden gesammeltund genauestens aufgezeichnet, sie dienen der Beweisführung und der Bestäti-

Einleitung14