-^ Schmerzengeldnachklage aus prozessualen Gründen 1 ...

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[SCHADENERSATZ-/ZIVILVERFAHRENSRECHT] gensatz zur E 2 Ob 188/07x, die der dunkel gekleide- ten, gebrechlichen Fußgängerin zusätzlich einen Ver- stoß gegen § 76 Abs l Satz 2 zweiter HS StVO anlas- tete, kann daraus jedenfalls kein zusätzl Argument für ein Mitverschulden des Kl abgeleitet werden. Auch die geringe Breite der Landstraße ist kein „zusätzl Faktor", weil diesem Umstand schon durch §10 Abs 2 StVO Rechnung getragen wird. Soweit sich die Bekl auf die E 2 Ob 9/13 g berufen, ist daraus für sie nichts zu ge- winnen, weil dort der auf einem Geh- und Radweg ge- henden, dunkel gekleideten Fußgängerin ebenfalls kein Mifverschulden angelastet wurde. [Kein allg Bewusstsein, solche Schutzmaßnahmen anzuwenden] Nach der Rsp kann auch bei der Unterlassung von Schutzmaßnahmen zur eigenen Sicherheit der Vor- warf des Mit^erschuldens begründet sein, wenn sich bereits ein allg Bewusstsein der beteiligten Kreise dahin gebildet hat, dass jeder Einsichtige und Vernünftige solche Schutzmaßnahmen anzuwenden pflegt (vgl RIS-Justiz RS0026828: zu Fahrradhelmen [T 4 und T 6]; für „sportlich ambitionierte" Radfahrer 2 Ob Anmerkung: Das Tragen eines Helms bei einem sportlich ambitio- nierten Radfahrer sowie von Schutzkleidung bei einem Motorradfahrer (zuletzt auch noch 2 Ob 44/17 k ZVR 2018/124 [Danzl]) hat den Kfz-Haftpflichtversicherer auf die Idee gebracht, eine Kürzung der Ersatzpflicht unter Berufung auf ein Bewusstsein der entsprechen- den Verkehrskreise auch bei einem in der Dunkelheit schwer wahrnehmbaren Rollstuhlfahrer vorzunehmen. Dem ist der OGH zu Recht nicht gefolgt. Der von den Bekl ins Treffen geführte Umstand, dass ein Fußgänger - verglichen mit einem Rollstuhl- fahrer - leichter ausweichen könne, vermag nicht zu überzeugen. Wenn es zu Kollisionen mit Fahrzeugen in der Dunkelheit kommt, stellt die Möglichkeit, ge- genüber einem mit beträchtl Geschwindigkeit unter- wegs befindl Fahrzeug zur Seite zu springen, kaum je- mals eine realistische Verhaltensalternative dar. Allen- falls kann man darüber diskutieren, dass das Gefähr- dungspotenzial bei einem Rollstuhl höher sein könnte als bei einem Fußgänger, weil die Angriffsfläche und damit die Gefahr einer Kollision größer ist. Der OGH beruft sich darauf, dass sich diesbzgl kein Bewusstsein der beteiligten Kreise gebüdet habe. Hier sollte man aber die Kirche im Dorf lassen. Das ist ein vermeintlich empirischer Ansatz und gaukelt Schein- Präzision vor. Geht man dieser Begründung auf den 99/14 v RS0026828 [T 7]; zur Motorradschutzkleidung 2 Ob 119/15m RIS-Justiz RS0026828 [T 9]). Dass sich ein allg Bewusstsein der beteiligten Kreise dahin gebildet hätte, dass Rollstuhlfahrer auf Straßen ohne Gehsteige und Beleuchtung in der Nacht zu ihrer eigenen Sicherheit gut sichtbare Kleidung tragen sol- len, behaupten die Bekl gar nicht. Sie bringen vielmehr vor, dass ein vernünftiger und sorgfältiger Rollstuhl- fahrer jedenfalls Aktivbeleuchtung oder Reflektoren benutzt hätte und dass es im Hinblick auf die Vielzahl der möglichen Beeinträchtigungen, die die Benutzung eines Rollstuhls notwendig machen könnten, keinen „beteiligten Verkehrskreis" gebe. Allein, dass die Bekl bestimmte Maßnahmen zur Schadensabwehr für ver- nünftig oder aus dem „logischen Hausverstand" heraus geboten erachten, erfüllt aber für sich mangels entspre- chender gesetzl Verpflichtung noch nicht die dargeleg- ten Anforderungen der Rsp zur Annahme eines Mit- Verschuldens, sondern eben erst, wenn ein entspre- chendes allg Bewusstsein der beteiligten Kreise vor- liegt. Weshalb es keine solchen beteiligten Kreise geben sollte, ist nicht nachvollziehbar. Der Rev war daher insgesamt nicht Folge zu geben. Grund, stellt sich heraus, dass es letztlich um eine vom Gericht vorzunehmende normative Wertung geht, ob eine solche Verhaltenspflicht besteht oder das nicht der Fall ist. Der OGH findet den zutr Bezugs- punkt, nämlich die Parallele zu einer das Fahrrad schiebenden Person, wo eine ausdrückl gesetzl Rege- lung vorhanden ist. Das (Selbst-)Gefährdungspotenzial ist da wie dort in sehr ähnl Weise gegeben. Die eindeu- tige gesetzgeberische Festlegung beim Fall des ein Fahrrad schiebenden Fußgängers und die damit weit- gehende Vergleichbarkeit des Rollstuhlfahrers setzen klare Grenzen, diese Wertung durch Analogie zu über- springen. Dass de lege lata eine derartige Verhaltenspflicht und damit ein Mitverschulden verneint wurde, sollte den Gesetzgeber aber nicht davon abhalten, de lege fe- renda ernsthaft darüber nachzudenken, eine (Herstel- ler-)Pflicht zu statuieren, (neue) Rollstühle mit reßek- torischem Material auszustatten bzw bereits auf dem Markt befindl nachzurüsten. Argumente der ökonomi- sehen Analyse würden dafür sprechen: Die Kosten für eine solche Schutzmaßnahme sind relativ gering; der ohne solche Maßnahme drohende Schaden kann aber relativ hoch sein; gerade für Menschen, die ohnehin schon beträchtlich (vor-)geschädigt sind. Christian Huber, RWTH Aachen -^ Schmerzengeldnachklage aus prozessualen Gründen 1. § 1325 ABGB; § 235 Abs 3 ZPO; § 49 Abs 1 JN -> Umstände, die trotz des Grundsatzes der Glo- balbemessung die Einbringung einer Nachklage zur Geltendmachung eines ergänzenden Schmer- zengelds rechtfertigen können, können auch im Prozessrecht liegen, etwa wenn der Kl im Vorpro- zess aufgrund verfahrensrechtl Vorschriften an der Ausdehnung seines Begehrens gehindert war und ihm nicht vorgeworfen werden kann, nicht gleich den höheren Betrag eingeklagt zu haben. -> Wenn der Kl einen die BG-Wertgrenze überstei- genden Betrag geltend machen will und der Bekl einer solchen Ausdehnung nicht zustimmt, wäre die Annahme einer Obliegenheit, die Klage wenigs- tens bis zur BG-Wertgrenze auszudehnen, ein ZVR 2019/7 §§1325,1489, 1497ABGB; §§ 228, 235 Abs 3 ZPO; § 49 Abs 1 JN OGH 16. 5. 2018, 2 Ob 68/18s ZVk [2019] , Schmerzengeldnachklage aus prozessualen Gründen 21

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[SCHADENERSATZ-/ZIVILVERFAHRENSRECHT]

gensatz zur E 2 Ob 188/07x, die der dunkel gekleide-ten, gebrechlichen Fußgängerin zusätzlich einen Ver-stoß gegen § 76 Abs l Satz 2 zweiter HS StVO anlas-tete, kann daraus jedenfalls kein zusätzl Argument fürein Mitverschulden des Kl abgeleitet werden. Auch diegeringe Breite der Landstraße ist kein „zusätzl Faktor",weil diesem Umstand schon durch §10 Abs 2 StVORechnung getragen wird. Soweit sich die Bekl auf dieE 2 Ob 9/13 g berufen, ist daraus für sie nichts zu ge-winnen, weil dort der auf einem Geh- und Radweg ge-henden, dunkel gekleideten Fußgängerin ebenfalls keinMifverschulden angelastet wurde.

[Kein allg Bewusstsein, solche Schutzmaßnahmenanzuwenden]Nach der Rsp kann auch bei der Unterlassung vonSchutzmaßnahmen zur eigenen Sicherheit der Vor-warf des Mit^erschuldens begründet sein, wenn sichbereits ein allg Bewusstsein der beteiligten Kreise dahingebildet hat, dass jeder Einsichtige und Vernünftigesolche Schutzmaßnahmen anzuwenden pflegt (vglRIS-Justiz RS0026828: zu Fahrradhelmen [T 4 undT 6]; für „sportlich ambitionierte" Radfahrer 2 Ob

Anmerkung:Das Tragen eines Helms bei einem sportlich ambitio-nierten Radfahrer sowie von Schutzkleidung bei einemMotorradfahrer (zuletzt auch noch 2 Ob 44/17 k ZVR2018/124 [Danzl]) hat den Kfz-Haftpflichtversichererauf die Idee gebracht, eine Kürzung der Ersatzpflichtunter Berufung auf ein Bewusstsein der entsprechen-den Verkehrskreise auch bei einem in der Dunkelheitschwer wahrnehmbaren Rollstuhlfahrer vorzunehmen.Dem ist der OGH zu Recht nicht gefolgt.

Der von den Bekl ins Treffen geführte Umstand,dass ein Fußgänger - verglichen mit einem Rollstuhl-fahrer - leichter ausweichen könne, vermag nicht zuüberzeugen. Wenn es zu Kollisionen mit Fahrzeugenin der Dunkelheit kommt, stellt die Möglichkeit, ge-genüber einem mit beträchtl Geschwindigkeit unter-wegs befindl Fahrzeug zur Seite zu springen, kaum je-mals eine realistische Verhaltensalternative dar. Allen-falls kann man darüber diskutieren, dass das Gefähr-dungspotenzial bei einem Rollstuhl höher sein könnteals bei einem Fußgänger, weil die Angriffsfläche unddamit die Gefahr einer Kollision größer ist.

Der OGH beruft sich darauf, dass sich diesbzgl keinBewusstsein der beteiligten Kreise gebüdet habe. Hiersollte man aber die Kirche im Dorf lassen. Das ist ein

vermeintlich empirischer Ansatz und gaukelt Schein-Präzision vor. Geht man dieser Begründung auf den

99/14 v RS0026828 [T 7]; zur Motorradschutzkleidung2 Ob 119/15m RIS-Justiz RS0026828 [T 9]).

Dass sich ein allg Bewusstsein der beteiligten Kreisedahin gebildet hätte, dass Rollstuhlfahrer auf Straßenohne Gehsteige und Beleuchtung in der Nacht zu ihrereigenen Sicherheit gut sichtbare Kleidung tragen sol-len, behaupten die Bekl gar nicht. Sie bringen vielmehrvor, dass ein vernünftiger und sorgfältiger Rollstuhl-fahrer jedenfalls Aktivbeleuchtung oder Reflektorenbenutzt hätte und dass es im Hinblick auf die Vielzahl

der möglichen Beeinträchtigungen, die die Benutzungeines Rollstuhls notwendig machen könnten, keinen„beteiligten Verkehrskreis" gebe. Allein, dass die Beklbestimmte Maßnahmen zur Schadensabwehr für ver-nünftig oder aus dem „logischen Hausverstand" herausgeboten erachten, erfüllt aber für sich mangels entspre-chender gesetzl Verpflichtung noch nicht die dargeleg-ten Anforderungen der Rsp zur Annahme eines Mit-Verschuldens, sondern eben erst, wenn ein entspre-chendes allg Bewusstsein der beteiligten Kreise vor-liegt. Weshalb es keine solchen beteiligten Kreisegeben sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Der Rev war daher insgesamt nicht Folge zu geben.

Grund, stellt sich heraus, dass es letztlich um einevom Gericht vorzunehmende normative Wertunggeht, ob eine solche Verhaltenspflicht besteht oderdas nicht der Fall ist. Der OGH findet den zutr Bezugs-punkt, nämlich die Parallele zu einer das Fahrradschiebenden Person, wo eine ausdrückl gesetzl Rege-lung vorhanden ist. Das (Selbst-)Gefährdungspotenzialist da wie dort in sehr ähnl Weise gegeben. Die eindeu-tige gesetzgeberische Festlegung beim Fall des einFahrrad schiebenden Fußgängers und die damit weit-gehende Vergleichbarkeit des Rollstuhlfahrers setzenklare Grenzen, diese Wertung durch Analogie zu über-springen.

Dass de lege lata eine derartige Verhaltenspflichtund damit ein Mitverschulden verneint wurde, sollte

den Gesetzgeber aber nicht davon abhalten, de lege fe-renda ernsthaft darüber nachzudenken, eine (Herstel-ler-)Pflicht zu statuieren, (neue) Rollstühle mit reßek-torischem Material auszustatten bzw bereits auf dem

Markt befindl nachzurüsten. Argumente der ökonomi-sehen Analyse würden dafür sprechen: Die Kosten füreine solche Schutzmaßnahme sind relativ gering; derohne solche Maßnahme drohende Schaden kann aberrelativ hoch sein; gerade für Menschen, die ohnehinschon beträchtlich (vor-)geschädigt sind.

Christian Huber,RWTH Aachen

-^ Schmerzengeldnachklage aus prozessualen Gründen

1. § 1325 ABGB; § 235 Abs 3 ZPO; § 49 Abs 1JN

-> Umstände, die trotz des Grundsatzes der Glo-

balbemessung die Einbringung einer Nachklagezur Geltendmachung eines ergänzenden Schmer-zengelds rechtfertigen können, können auch imProzessrecht liegen, etwa wenn der Kl im Vorpro-zess aufgrund verfahrensrechtl Vorschriften an der

Ausdehnung seines Begehrens gehindert war undihm nicht vorgeworfen werden kann, nicht gleichden höheren Betrag eingeklagt zu haben.-> Wenn der Kl einen die BG-Wertgrenze überstei-genden Betrag geltend machen will und der Bekleiner solchen Ausdehnung nicht zustimmt, wäredie Annahme einer Obliegenheit, die Klage wenigs-tens bis zur BG-Wertgrenze auszudehnen, ein

ZVR 2019/7

§§1325,1489,1497ABGB;§§ 228,235 Abs 3 ZPO;§ 49 Abs 1 JN

OGH 16. 5. 2018,2 Ob 68/18s

ZVk [2019] , Schmerzengeldnachklage aus prozessualen Gründen 21

ZVR[SCHADENERSATZ-/ZIVILVERFAHRENSRECHT]

(LG Salzburg24.1.2018,

22 R 368/17x;BG Zeit am See

10.8.2017,160746/16h)

n

bloßer Formalismus, der durch keine materiell-oder verfahrensrechtl Gründe gedeckt wäre.

2. §§ 1489, 1497 ABGB; § 228 ZPO-> Tritt (zufolge Verbindung der ersten und recht-zeitigen Leistungsklage mit einer später erfolgrei-chen Feststellungsklage) die Unterbrechungswir-kung ein, so begründet es aus verjährungsrechtlSicht keinen relevanten Unterschied, ob der Ge-schädigte zur Durchsetzung des weiteren An-Spruchs die Klage ausdehnt oder innerhalb ange-

Sachverhalt:[Ärztlicher Kunstfehler bei Geburt]Bei der Geburt des Kl im Jahr 2012 kam es infolge einesärztl Kunstfehlers zu einer Schulterdystokie, die beimKl zu einer Armlähmung führte. Die Haftung der Bekl

ist dem Grund nach nicht mehr strittig.

Bei einer Nachklage we-gen Überschreitens derStreitwertgrenze des BGNachklage auch bzgl desBetrags zulässig, bis zudem Ausdehnung vor demBG noch möglich gewesenwäre. l

[Vorprozess bei BG überSchmerzengeldklage iHv € 9.000,-]Mit einer beim BG Z am 2. 7. 2014 einge-brachten Klage begehrte der Kl zunächstein Schmerzengeld von € 9.000,- sA unddie mit € 2.000,- bewertete Feststellungder Haftung der Bekl für Spät- und Dauer-folgen. Die Bekl bestritt Grund und Höhe

des Begehrens. Nach Erstattung eines med GA dehntedie K1V in der Verhandlung v 12. 10.2016 das Zah-lungsbegehren auf € 23.220,- sA aus. Die Bekl sprachsich unter Hinw auf das Überschreiten der sachl Zu-ständigkeit des BG gegen die Klageänderung aus, wo-rauf das ErstG sie mit B v 13. 10. 2016 nicht zuließ. Mitunbekämpft gebliebenem U v 5. l. 2017 gab es demursprüngl Klagebegehren statt.

[Einbringung einer weiteren Klage]Schon vor diesem U hatte der Kl am 12. 12. 2016 beimErstG eine weitere Klage auf Zahlung von € 14.220,-sA erhoben. Zur Begründung stützte er sich auf das imVorverfahren eingeholte GA. Dass der Schmerzengeld-anspruch höher als zunächst angenommen sei, habesich erst aus diesem GA ergeben. Eine Nachklage seizulässig, weil sich die Bekl im Vorverfahren gegen eineKlageänderung ausgesprochen habe. Daher sei dortkeine Globalbemessung möglich gewesen.

[Einwendungen der Bekl]Die Bekl wandte ein, dass der Grundsatz der Global-bemessung einer Nachklage entgegenstehe. Da dieMutter des Kl die Verletzungsfolgen gekannt habe,falle es dem Kl zur Last, dass nicht von Anfang andas gesamte Schmerzengeld geltend gemacht wordensei. Zudem wäre im Vorverfahren eine Ausdehnungum € 4.000,- möglich gewesen. Jedenfalls diesen Teil-betrag könne der Kl nun nicht mehr fordern. Insofernsei auch Verjährung eingetreten.

[Entscheidungen der Vorinstanzen]Beide Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

Der OGH gab der Rev der beklP keine Folge.

messener Frist eine zweite Klage erhebt. Denn dieVerjährung ist eine Frage des materiellen Rechts,die nicht davon abhängt, wie dieser Anspruch pro-zessual durchgesetzt wird. Dem Erfolg einer weite-ren Klage könnte zwar der Grundsatz der Globalbe-messung entgegenstehen, für die Verjährung giltaber der Grundsatz, dass sowohl die Ausdehnungals auch das Erheben einer weiteren Klage als (neu-erliches) Belangen iSv §1497 ABGB anzusehensind. War die Verjährung unterbrochen, muss derVerjährungseinwand in beiden Fällen scheitern.

Aus den Entscheidungsgründen:Die Rev ist wegen fehlender Rsp des OGH zulässig, sieist aber nicht berechtigt.

[Grundsatz der Globalbemessung]Wenn keine besonderen Gründe für eine zeitl Ein-schränkung bestehen, ist das Schmerzengeld grds glo-bal zu bemessen (RIS-Justiz RS0031196; RS0031055).Dadurch soll insb verhindert werden, dass der Schädi-ger ständig neuen Forderungen ausgesetzt ist, obwohldie Veriefzungsfolgen schon im ersten Prozess hinrei-chend überschaubar waren (2 Ob 242/98x mwN; zu-letzt etwa 10 Ob 89/15h). Begehrt der Kl in einem wei-teren Verfahren ergänzendes Schmerzengeld, so hat erdarzulegen, aufgrund welcher besonderen Umständeeine solche „Nachklage" ausnahmsweise gerechtfertigtist (2 Ob 44/14f ZVR 2015/93 [Huber] mwN). SolcheUmstände können auch im Prozessrecht begründetsein (RIS-Justiz RS0110739). Eine Nachklage kommthier insb dann in Betracht, wenn der Kl im Vorprozessaufgrund verfahrensrechtl Vorschriften an der Aus-dehnung seines Begehrens gehindert war und ihmnicht vorgeworfen werden kann, nicht gleich den ho -heren Betrag eingeklagt zu haben (6 Ob 204/98 p; 2 Ob173/01 g; 2 Ob 103/10a):

[Zulässigkeit einer Nachklage]Im vorliegenden FaU haben die Vorinstanzen auf die-ser Grundlage die Möglichkeit einer Nachklage bejaht.Die in der Rev vorgebrachten Einwände können nichtüberzeugen.

[Kein Vorwurf, nicht gleich einen höheren Betrageingeklagt zu haben]Dem Kl kann nicht vorgeworfen werden, nicht gleicheinen höheren Betrag eingeklagt zu haben.

a) Das Einklagen eines geringeren Betrags ist nachder Rsp dann nicht vorwerfbar, wenn das Ausmaß derBeeinträchtigungen bei Einbringen der Klage nochnicht vollständig überblickt werden konnte (6 Ob204/98p; 2 Ob 173/01 g; 7 Ob 270/04p). Das trifft beider Bemessung des Schmerzengelds im Regelfall zu,weil dessen konkrete Höhe typischerweise nicht ohneEinholung eines GA zu den Verletzungsfolgen ermit-telt werden kann. Die in diesem Zusammenhang er-gangenen Entscheidungen betrafen daher regelmäßigFälle, in denen die Nachklage auf den - aus verfahrens-rechtl Gründen nicht aufgreifbaren - Ergebnissen ei-nes im ersten Verfahren eingeholten GA beruhte (6 Ob204/98p; 2 Ob 173/01 g; 2 Ob 103/10a).

22 ^ Seh merzengeld nach klage aus prozessualen Gründen ZVR [2019] 01

[SCHADENERSATZ-/ZIVILVERFAHRENSRECHT]

b) Vorwerfbar ist das Einklagen eines zu geringenBetrags idZ nur dann, wenn sich aus den unstrittigenVerletzungsfolgen ohne jeden Zweifel ein unverhält-nismäßig höheres Schmerzengeld ergeben hätte. Dennder Geschädigte muss schon aus Kostengründen einÜberklagen vermeiden, weswegen es ihm im Zweifelnicht zur Last fallen kann, wenn er zunächst einen ge-ringeren Betrag geltend macht und das Begehren erstnach Vorliegen eines GA ausdehnt oder erforderli-chenfalls eine zweite Klage erhebt. Interessen des Schä-digers werden durch die Möglichkeit einer zweitenKlage nicht wesentlich beeinträchtigt, weil er es ohne-hin in der Hand hat, die Notwendigkeit einer solchenKlage durch Zustimmung zu einer Ausdehnung desursprüngl Begehrens entfallen zu lassen. Dass der Ge-schädigte ihm durch tatsächl Vornahme der Ausdeh-nung Gelegenheit dazu geben muss, hat der Sen bereitsausgesprochen (2 Ob 44/14f ZVR 2015/93 [zust Hu-her], anders noch 6 Ob 204/98p).

c) Im vorliegenden Fall war der Kl als Kleinkindnaturgemäß nicht in der Lage, Angaben zu seinenSchmerzen zu machen. Für seine Mutter waren diekonkreten Verletzungsfolgen, auch und gerade in Be-zug auf die Schmerzperioden, vor Einlangen des GAnicht abschätzbar. Auf dieser Grundlage ist die Beur-teilung der Vorinstanzen, dass die - nachträgl betrach-tet - zu geringe Höhe des ursprüngl Begehrens denEltern des Kl nicht vorgeworfen werden könne, nichtzu beanstanden.

[Auch mögliche Ausdehnung der Klage bis zurStreitwertgrenze des BG kein Hindernis fürNachklage]Der Nachklage steht auch nicht tw entgegen, dass imVorprozess nach § 235 Abs 3 ZPO iVm § 49 Abs l JNeine Ausdehnung um € 4.000,- möglich gewesen wäre.

a) Die Rsp zur grds Unzulässigkeit von Nachklagenfolgt daraus, dass das Schmerzengeld nach Möglichkeitin einem einzigen Verfahren global bemessen werdensoll. Um das zu ermöglichen, muss der Geschädigtenach Vorliegen eines unerwartet günstigen GA eineAusdehnung der Klage auf den danach angemessenenBetrag versuchen (2 Ob 44/14f). Nur wenn das ausprozessualen Gründen erfolglos bleibt, kann er denweiteren Betrag mit neuer PQage geltend machen.

[Zweck der Ausdehnungsobliegenheit:Ermöglichung einer Globalbemessung]b) Zweck der Ausdehnungsobliegenheit ist daher dieErmöglichung einer Globalbemessung. Dieser Zweckkann von vornherein nicht erreicht werden, wennder Kl einen die bezirksgerichtl Wertgrenze überstei-genden Betrag geltend machen will und der Bekl einersolchen Ausdehnung des Begehrens nicht zustimmt.

Unter diesen Umständen wäre die Annahme einer Ob-liegenheit, die tdage wenigstens bis zur bezirksgerichtlWertgrenze auszudehnen, ein bloßer Formalismus, derdurch keine materiell- oder verfahrensrechtl Gründegedeckt wäre. Denn auch insofern ist kein schützens-wertes Interesse des Schädigers erkennbar: Das zweiteVerfahren wird nur aufgrund seiner prozessualen Dis-position erforderlich, und dort muss jedenfalls eineGlobalbemessung erfolgen. Dass dabei auch über einenTeilbetrag abzusprechen ist, der theoretisch schon imersten Verfahren hätte erledigt werden können, be-gründet angesichts des Zwecks der Ausdehnungsoblie-genheit keinen tragfähigen Unterschied.

[Verjährung]Auch der Verjährungseinwand ist nicht berechtigt.

[Ausdehnung bei Erhebung einer rechtzeitigenFeststellungsklage und unverhofft günstigemSV-GA]Bei Verbindung einer rechtzeitigen Leistungsklage miteiner später erfolgreichen Feststellungsklage wird dienach Ablauf der ursprüngl Verjährungsfrist erfolgteAusdehnung eines Schmerzengeldbegehrens auchdann als zulässig angesehen, wenn sie nicht auf neueSchadenswirkungen, sondern auf die Ergebnisse einesfür den Kl (unverhofft) günstigen SV-GA gestützt wird(2 Ob 33/09f mwN; RIS-Justiz RS0031702 [T 3]). Dasbedeutet, dass sich die Unterbrechungswirkung desFeststellungsbegehrens auch auf die erst im Weg derKlageausdehnung geltend gemachten Schmerzengeld-anspräche bezieht (2 Ob 167/11i).

[Bei Unterbrechungswirkung derFeststellungsklage kein Unterschied, obAusdehnung oder zulässige Nachklage]Tritt aber die Unterbrechungswirkung ein, so be'grün-det es aus verjährungsrechtl Sicht keinen relevantenUnterschied, ob der Geschädigte zur Durchsetzungdes weiteren Anspruchs die Klage ausdehnt oder -wie hier - innerhalb angemessener Frist eine zweiteKlage erhebt. Denn die Verjährung ist eine Frage desmateriellen Rechts, die nicht davon abhängt, wie dieserAnspruch prozessual durchgesetzt wird. Dem Erfolgeiner weiteren Klage könnte daher zwar der Grundsatzder Globalbemessung entgegenstehen, für die Verjäh-rung gilt aber der Grundsatz, dass sowohl die Ausdeh-nung als auch das Erheben einer weiteren Klage als(neuerliches) Belangen iSv § 1497 ABGB anzusehensind. War die Verjährung unterbrochen, muss der Ver-jährungseinwand in beiden Fällen scheitern.

Aus diesen Gründen hat die ausschließlich auf dieUnzulässigkeit einer Nachklage und auf Verjährunggestützte Rev keinen Erfolg.

Anmerkung:Der Sachverhalt betrifft den Fall einer Arzthaftung; diesich daraus stellenden Fragen können aber ebenso gutbei einem Verkehrsunfall auftreten.

Die Entscheidung verdient Beifall: Der Ersatz-pflichtige versucht, sich mit Taschenspielertricks sei-

ner Ersatzpflicht zu entziehen: Zunächst erhebt er Wi-derspruch gegen die Ausdehnung seines Begehrens vordem BG; bei der IClage auf den Restbetrag wendet erdann - an der Grenze von Treu und Glauben - ein,dass eine Ausdehnung bis zur Streitwertgrenze schonvor dem BG möglich gewesen wäre, weshalb das Be-

ZVR [2019] 01 Schmerzengeldnachklage aus prozessualen Gründen 23

ZVR[SCHADENERSATZ-/ZIVILVERFAHRENSRECHT]

ZVR 2019/8

§§1299,1300,1325ABGB;

§ 21 ZPO

OGH 23. 5. 2018,10 Ob 4/18p

(OLG Graz14.11.2017,2R121/17g;

LGZ Graz22.5.2017,

13 Cg 10/17d)

gehren unzulässig bzw der Anspruch verjährt sei. Die-sem doppelzüngigen Spiel haben alle drei Gerichte völ-lig zu Recht einen Riegel vorgeschoben.

Im Ausgangspunkt ist der OGH streng in Bezug aufden Grundsatz der Globalbemessung: Was in einem„Aufwasch" erledigt werden kann, soll auch in einemProzess „abgearbeitet" werden. Hingewiesen wird da-rauf, dass der Schädiger nicht mehr als einmal behelligtwerden soll; mindestens genau so bedeutsam ist aberder Aspekt, dass sich ein Gericht möglichst nur einmalmit der Causa befassen mass. Dagegen verstößt der Ge-schädigte schon dann, wenn er erkennen konnte, dassihm ein Schmerzengeld jenseits der bezirksgerichtlStreitwertgrenze zusteht; allerdings muss sich „ausden unstrittigen Verletzungsfolgen ohne jeden Zweifelein unverhältnismäßig höheres Schmerzengeld erge-ben". Hier einen besonders müden Maßstab anzulegen,ist berechtigt, kann doch beim Schmerzengeld „dessenkonkrete Höhe typischerweise nicht ohne Einholungeines GA zu den Verietzungsfolgen ermittelt werden".Jedenfalls der rechtsschutzversicherte Geschädigte istgut beraten, im Zweifel eine Klage beim LG einzubrin-gen, weil er dann mit den Kalamitäten, wie sie sich imSachverhalt dieser Entscheidung gestellt haben, nichtszu tun hat. Selbst eine Überklagung um das Doppeltehat nach § 43 Abs 2 ZPO für den Kl keine Kostenfolgen.

Der Kl hätte im ersten Verfahren sein Begehrenpunktgenau bis € 15.000,- der bezirksgerichtl Streit-wertgrenze ausdehnen können (§ 49 Abs l JN); undden Restbetrag mit nachfolgender Klage verlangenkönnen. Er hat sich dafür entschieden, den gesamtenRestbetrag mit einer Nachklage einzufordern. DerOGH sieht das mit der zutr Begründung als zulässigan, dass die ursprüngl Intention, eine mehrmalige Be-fassung des Gerichts zu vermeiden, nicht erreicht wer-den kann.

Auch den Verjährungseinwand hält er für unberech-tigt nach der Devise: Wer A sagt, muss auch B sagen.Verjährung ist stets eine Sanktion auf die Saumsal desGläubigers. Ein Gläubiger, der an der Ausdehnung desursprüngl Begehrens aus prozessualen Gründen gehin-dert war, ist aber nicht saumselig. Wenn er ohnehin in-nerhalb angemessener Frist eine zweite Klage erhebt,

-• Bindungswirkung einer Streitverkündung

1. §§ 1299, 1300, 1325 ABGBDas GA eines von der StA im Ermittlungsverfahrenbestellten SV über die Dauer der Schmerzen derOpfer kann auch für die Geltendmachung vonSchmerzengeldansprüchen der PB auf dem Zivil-rechtsweg bedeutsam sein. Der SV haftet den PBfür deren Kostenschaden, wenn sie auf der Grund-läge seines unrichtigen GA nach der Verweisungauf den Zivilrechtsweg zu hohe Schmerzengeldan-Sprüche einklagen und dieses Verfahren verlieren.

Sachverhalt:

[GA-Auftrag an bekl SV im vorangegangenenStrafverfahren]Die StA führte gegen den Besch F ein Ermittlungsver-fahren, in dem sie den Bekl zum psychiatrischen SV

kann ihm wahrlich kein Vorwurf gemacht werden.Das Ausdehnen der Klage ist geradeso ein BelangeniSd § 1497 ABGB wie die Erhebung einer Nachklage.

Der OGH verlangt für das eine wie für das andere dieErhebung einer rechtzeitigen Feststellungsklage, damitnach Kenntnis von einem unverhofft günstigen SV-GAwährend eines laufenden Verfahrens nicht die Einrede

der Verjährung entgegengehalten werden kann. Das istzwar stRsp, aber mE fragwürdig. Ein Feststellungsbe-gehren bezieht sich nur auf künftige Schäden; das SV-GA mit seinem unverhofft erfreulichen Ergebnis fürden Geschädigten erfasst aber mitunter auch die Phasezwischen Verletzung und Erhebung des Feststellungs-Begehrens. Und wenn künftige Schmerzen wegen desFehlens eines Dauerschadens nicht zu erwarten sind,hat der Geschädigte keinen Anlass für eine Feststel-lungsklage bzw ist eine solche gar nicht zulässig (dazuOGH 2 Ob 11/18h ZVR 2018/207 [Ch. Huber]); sollihm dann bei einem unverhofft günstigen SV-GA tat-sächlich Verjährung eingewendet werden können? DieGleichstellung mit unbekannten künftigen Schädenspricht dagegen. Auch bei solchen ist eine Nachklage- ohne Verjährungseinwand - möglich; und die Ver-jährungsfrist läuft erst ab Kenntnis des neuen Schadens.Wie lange der Prozess dauert und wann das SV-GA vor-liegt, darauf hat der Anspruchsteller keinen Einfluss.

Insofern sollte das Erfordernis einer Feststellungs-klage bei Ausdehnung des BQagebegehrens infolge ei-nes unverhofft günstigen SV-GA jedenfalls in den Fäl-len überdacht werden, in denen der Geschädigte an-sonsten keinen Anlass für eine Feststellungüage hat.Das OLG Wien (16 R 7/11 h ZVR 2012/163 [Ch. Hu-her]) hat etwa eine Klageausdehnung bei Erhebung derSchmerzengeldklage durch den Erben abgelehnt, weüdieser - mangels drohender künftiger Schmerzen -keine Feststellungsklage mehr erheben konnte. Dasist unzutreffend, weil in'einem solchen Verfahren derBehelf der Feststellungsklage nicht zur Verfügungsteht, dem Gläubiger aber gerade keine Saumsal vorge-warfen werden kann (idS bereits Ch. Huber in Schwi-mann/Neumayr, TaKomm4 § 1325 Rn 129).

Christian Huber,RWTH Aachen

an einen SV des Strafverfahrens

2. § 21 ZPODie Bindungswirkung einer Streitverkündung trittnicht ein, wenn der entsprechende Schriftsatz imVorverfahren zur Verbesserung zurückgestellt unddann dem Bekl dieses Verfahrens nach Vornahmeder Verbesserung nicht mehr zugestellt wurde.

bestellte. Gegenstand dieser GA war ua die Feststellungder Dauer der Schmerzperioden bei den PB A und S.Der Bekl gelangte in seinen GA zum Ergebnis, dass -jeweils komprimiert - A mittelgradige Schmerzen inder Dauer von 285 Tagen und S solche für die Dauer

24 -» Bindungswirkung einer Streitverkündung an einen SV des Strafverfahrens ZVR [2019] S i