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EINFÜHRUNG IN DIE GENETIK - TEIL PRIEFER TEIL I: REKOMBINATIONSGENETIK IN EUKARYOTEN A: Gregor Mendel und seine Gesetze B: Cytologische Grundlagen: Mitose und Meiose C: Erweiterung des 1. und 2. Gesetzes D: Stammbaum-Analysen E: Erweiterung des 3. Gesetzes: gekoppelte Gene und Entkopplung F: Weitere Ergänzungen zu Mendel TEIL II: REKOMBINATIONSGENETIK IN PROKARYOTEN A: Allgemeines B: Gentransfersysteme C: Transponierbare DNA Elemente und nicht-homologe Rekombination TEIL I A. Gregor Mendel und seine Gesetze A.l. Allgemeines Gregor Johann Mendel, 1822 1884, arbeitete mit Reinerbig (homozygoten) Erbsenlinien die sich in insgesamt 7 Merkmalen unterschieden ausschließlich dominant/rezessiven Merkmalen A.II. 1. Gesetz monohybride Kreuzung, reziproke Kreuzung (A01, A02) DOMINANZREGEL: Kreuzt man homozygote Eltern, die sich in einem Merkmal unterscheiden (monohybride Kreuzung), tritt in der F1 Generation nur ein elterliches Merkmal in Erscheinung ausgeprägtes Merkmal: dominant unterdrücktes Merkmal: rezessiv dominant/rezessiver oder alternativer Erbgang Nicht allgemein gültig! Erweiterung durch Correns: unvollständige Dominanz = intermediärer Erbgang (siehe Teil B.I) 1. Mendel’sches Gesetz: UNIFORMITÄTSREGEL Kreuzt man zwei reine Linien, die sich in einem bestimmten Merkmal unterscheiden, sind alle F1 Nachkommen gleich (phänotypisch und genotypisch uniform).

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EINFÜHRUNG IN DIE GENETIK - TEIL PRIEFER TEIL I: REKOMBINATIONSGENETIK IN EUKARYOTEN

A: Gregor Mendel und seine Gesetze B: Cytologische Grundlagen: Mitose und Meiose C: Erweiterung des 1. und 2. Gesetzes D: Stammbaum-Analysen E: Erweiterung des 3. Gesetzes: gekoppelte Gene und Entkopplung F: Weitere Ergänzungen zu Mendel TEIL II: REKOMBINATIONSGENETIK IN PROKARYOTEN A: Allgemeines B: Gentransfersysteme C: Transponierbare DNA Elemente und nicht-homologe Rekombination

TEIL I

A. Gregor Mendel und seine Gesetze A.l. Allgemeines Gregor Johann Mendel, 1822 – 1884, arbeitete mit

Reinerbig (homozygoten) Erbsenlinien

die sich in insgesamt 7 Merkmalen unterschieden

ausschließlich dominant/rezessiven Merkmalen

A.II. 1. Gesetz

monohybride Kreuzung, reziproke Kreuzung (A01, A02)

DOMINANZREGEL: Kreuzt man homozygote Eltern, die sich in einem Merkmal unterscheiden (monohybride Kreuzung), tritt in der F1 Generation nur ein elterliches Merkmal in Erscheinung

ausgeprägtes Merkmal: dominant

unterdrücktes Merkmal: rezessiv

dominant/rezessiver oder alternativer Erbgang Nicht allgemein gültig!

Erweiterung durch Correns: unvollständige Dominanz = intermediärer Erbgang (siehe Teil B.I)

1. Mendel’sches Gesetz: UNIFORMITÄTSREGEL Kreuzt man zwei reine Linien, die sich in einem bestimmten Merkmal unterscheiden, sind alle F1 Nachkommen gleich (phänotypisch und genotypisch uniform).

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Dies gilt auch für reziproke Kreuzungen

gültig auch für intermediäre Vererbung und bei polyhybriden Kreuzungen

nicht gültig für cytoplasmatische und geschlechtsgebundene Vererbung (siehe Teil B.II und BIII)

A.III. 2. Gesetz

1. Selbstbestäubung der F1 Pflanzen und Analyse der F2 Generation (A03, A04) 2. Mendel’sches Gesetz: SPALTUNGS- oder SEGREGATIONSREGEL Kreuzt man Individuen der uniformen F1 Generation untereinander, sind die F2 Nachkommen nicht uniform, sondern spalten in Gruppen mit unterschiedlichen Merkmalen auf, wobei stets die Merkmale der Parentalgeneration wieder auftreten im Verhältnis 3:1 (phänotypisch)

Nicht bei intermediärer Vererbung ! 2. Selbstbestäubung der F2 Nachkommen und Analyse der F3 Generation: Aufspaltung eigentlich 1:2:1 (genotypisch); gültig auch für intermediäre Vererbung.

Mendel’s Erklärung: 1 Genpaar pro Merkmal, das bei der Gametenbildung aufgeteilt wird und bei der Zygotenbildung zufällig neu kombiniert wird siehe (A05)

3. Analyse des Genotyps eines Individuums durch Rückkreuzung (= Kreuzung mit homozygot rezessivem Partner!)

A.IV. 3. Gesetz

1. dihybride Kreuzungen (A06, A07) 3. Mendel’sches Gesetz: GESETZ VON DER FREIEN KOMBINATION =UNABHÄNGIGKEITSREGEL Kreuzt man Individuen einer Art, die sich in mehreren Merkmalen reinerbig unterscheiden, sind die einzelnen Gene unabhängig bzw. frei miteinander kombinierbar, d.h. es treten in der F2 Generation neue Merkmalskombinationen auf; bei dihybriden Kreuzungen im Verhältnis 9:3.3:1 (phänotypisch; dominant-rezessiver Erbgang).

gilt nur wenn die betrachteten Gene auf verschiedenen Chromosomen liegen, d.h. sie dürfen nicht gekoppelt vorliegen (siehe Teil D)

2. Genetischer Hintergrund: interchromosomale meiotische Rekombination (A08) 3. Polyhybride Kreuzungen:

Anzahl der involvierten heterozygoten Genpaare = n

Anzahl der unterschiedlichen Gameten pro Elter = 2n

Anzahl der verschiedenen Phänotypen = 2n

Anzahl der verschiedenen Genotypen = 3n

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B. Cytologische Grundlagen B.l. Allgemeines B.II. Zellzyklus und Mitose Interphase: Phase zwischen zwei Zellteilungen = Arbeitsphase der DNA)

G1-Phase (Gap 1) = erste Stoffwechselphase

S-Phase (DNASynthese = Replikation)

G2-Phase; Dauer sehr unterschiedlich je nach Spezies, Gewebe, Entwicklungsstatus; DNA dekondensiert als Chromatin

Nach Replikation: jedes Chromosom besteht aus 2 Chromatiden, zusammengehalten am Centromer

G0-Phase: metabolisch aktive, aber keine Zellteilung; manche Zellen permanent in G0 arretiert. Mitose: Mechanismus der bei der Zellteilung für regelmäßige Verteilung der Chromosomen verantwortlich ist jede Tochterzelle soll einen vollständigen Satz an Chromosomen bekommen

Prophase: Kondensation der Chromosomen im Zellkern Teilung des Centriols außerhalb des Zellkerns Centriole wandern in entgegengesetzte Richtungen

Metaphase: Auflösen der Kernmembran Ausbildung des Spindelapparates

Anordnen der Chromosomen in Äquatorialebene, Anheften der Spindelfasern an Kinetochor (Centromer plus Proteine)

Anaphase: Trennung der Chromatiden Tochterchromatiden werden über Spindelfasern zu verschiedenen Polen gezogen

Telophase: Ausbildung neuer Kernmembranen, Dekondensation der Chromosomen Nach Abschluss der Karyokinese (Kernteilung) erfolgt die Teilung des Cytoplasmas =

Cytokinese.

Ergebnis: 2 Tochterzellen mit vollständigem diploiden Chromosomensatz (2n!) B.III. Gametenbildung und Meiose Meiose: Mechanismus durch den der diploide Chromosomensatz auf den haploiden Satz der Gameten reduziert wird (= Reduktionsteilung: 2n 1n). 1.Meiotische Teilung:

Prophase I: - Leptotän: Kondensation der Chromosomen - Zygotän: Paarung homologer Chromsomen Synapsis (wichtiger

Unterschied zur Mitose) - Pachytän: Paarung abgeschlossen Bivalente=Tetraden - Diplotän: homologe Chromosomen trennen sich wieder, bleiben

aber an verschiedenen Stellen miteinander verkleben= Chiasmata - Diakinese: Ausbildung des Spindelapparates, Auflösen der Kernmembran

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Metaphase I: Einordnen der Bivalente in die Äquatorialplatte, Anheften der Spindelfasern

Anaphase I: Trennung der homologen Chromosomen und Wanderung zu den unterschiedlichen Chromosomen

Telophase I: schwach ausgeprägt nur teilweise Bildung neuer Kernmembranen

in der 1. Meiotischen Teilung werden die homologen Chromosomen getrennt! Die Trennung erfolgt rein zufällig! ( 4 Möglichkeiten bei der Chromosomenpaarung) 2. Meiotische Teilung: Entspricht einer normalen Mitose Trennung der Chromatiden 2n 1n

C. Erweiterung des 1. Und 2. Mendel’schen Gesetzes

C.I. Intermediäre Vererbung = Unvollständige Dominanz Experiment von Correns: Ergänzung zur Dominanzregel, widerspricht aber nicht dem Uniformitätsgesetz; 2. Gesetz auch für intermediäre Vererbung gültig (genotypische Aufspaltung!). C.II. Extranukleäre Vererbung Correns 1909, Kreuzungsexperimente mit panaschierten Pflanzen. Ergebnisse: • F1 nicht immer uniform • F1 aus Kreuzung und reziproker Kreuzung unterschiedlich • Mütterlicher Phänotyp ist immer ausschlaggebend für den Phänotyp der Nachkommen maternale = mütterliche Vererbung (Matroklinie) Schlussfolgerung : neben dem nukleären Genom gibt es ein weiteres selbständiges genetisches System, das Plasmon (Plastom: Gene in den Plastiden der Pflanzen, Chondriom: Gene in den Mitochondrien) diese genetische Information wird (in der Regel) nur durch den mütterlichen Gameten vererbt (paternale Vererbung bei einigen Gymnospermen) C.III. Gonosomale = geschlechtsgebundene Vererbung C.III.1. Genotypische Geschlechtsbestimmung bei allen getrenntgeschlechtlichen Arten ist das Geschlecht genetisch bestimmt a) Haplogenotypische Systeme = meiotische Systeme Geschlecht der haploiden Individuen wird bei der Meiose festgelegt (Pilze wie Neurospora crassa, haploide Algen) b) Diplogenotypische Systeme: Geschlechstsbestimmender Prozess ist die Zygotenbildung - männliche Heterogametie: Gameten des Vaters sind unterschiedlich in Bezug auf die Geschlechtschromosomen - weibliche Heterogametie: Gameten der Mutter sind unterschiedlich in Bezug auf die Geschlechtschromosomen Beispiele

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XY System: Bei Säugern: XX = weiblich; XY = männlich (männliche Heterogametie) Geschlechtsbestimmender Faktor = Y Chromosom � XXY = männlich (Klinefelter Syndrom) bei Drosophila Geschlechtsbestimmender Faktor = Geschlechtsindex (Verhältnis zwischen der Anzahl der X-Chromosomen und der Autosomen) XX: Geschlechtsindex = 1 (2X : 2A) weiblich XY: Geschlechtsindex = =.5 (1X : 2A) männlich (männliche Hetergametie) XXY = weiblich (Geschlechtsindex = 1)

XO – System: Bei einigen Insekten: Wanzen, Heuschrecken, Grillen, Schaben:

XX = weiblich; XO = männlich (männliche Heterogametie) Bei einigen Kleinschmetterlingen: XX = männlich; XO = weiblich (weibliche Heterogametie)

ZW – System: bei Vögeln, Schmetterlingen, vielen Fischen:

ZZ = männlich; ZW = weiblich (weibliche Heterogametie) Bei allen Organismen vom Typ XX/XY, XX/XO, ZZ/ZW muss das fehlende X bzw. Z Chromosom kompensiert werden: Level der Genprodukte in männlichen und weiblichen Organismen vergleichbar = Dosiskompensation bei Säugern: Inaktivierung eines X-Chromosoms in XX Indivuen Barr-Körperchen; bei Insekten: Verdopplung der Transkriptionsaktivität des X-Chromosoms in XY bzw. XO Individuen C.III.2. X-chromosomale Vererbung X-chromosomal dominant Experimente von MORGAN (1933) an Drosophila: Kreuzung und reziproke Kreuzung liefern unterschiedliche Ergebnisse in F1 und F2 Dominantes Allel wird von Mutter eingebracht (X+X+ x X-Y): F1: phänotypisch uniform: dominantes Merkmal tritt bei Töchtern und Söhnen auf; genotypisch jedoch unterschiedlich; F2: phänotypische Aufspaltung 3 : 1; Dominantes Allel wird von Vater eingebracht (reziproke Kreuzung X-X- x X+Y): F1: phänotypisch und genotypisch nicht uniform: dominantes Allel tritt nur bei den Töchtern auf; Söhne besitzen nur das rezessive Allel der Mutter Vererbung über Kreuz F2: phänotypische Aufspaltung 1:1; X-chromosomal rezessiv

Hämophilie: Gen der Mutter entfaltet bei Söhnen seine Wirkung; keine Übertragung von Vater auf Sohn

Rote Fellfarbe bei Katzen: Rote Katzen fast immer männlich (XoY); Calico Katzen immer weiblich (XoX)

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C.III.3. Y-chromosomale Vererbung Vater vererbt nur auf Söhne, nie auf Töchter

D. Stammbaumanalysen D.I. Verwendete Symbole siehe Folie D.II. Vorgehensweise allgemein: tritt eine Krankheit nicht in allen Generationen auf, ist sie sehr wahrscheinlich rezessiv vererbt; Auftreten in allen Generation spricht für eine dominante Vererbung. D.3. Beispiele a) autosomal rezessive Erbkrankheiten

Cystische Fibrose, Sichelzellenanämie, typische Kennzeichen:

Generationen werden übersprungen

phänotypische gesunde Eltern können kranke Kinder haben (heterozygote Träger)

beide Geschlechter können betroffen sein b) autosomal dominante Erbkrankheiten

seltener als rezessiv vererbt

Chorea Huntington typische Kennzeichen:

Krankheit tritt in jeder Generation auf nicht betroffene Individuen übertragen Krankheit niemals (es gibt keine Überträger)

zwei betroffene Eltern können nicht betroffene Kinder haben c) mitochondrial vererbte Krankheiten

mitochondriale Myopathien und Neuropathien, z.B. Leber`sche Optikumsneuropathie typische Kennzeichen:

Vererbung nur über die Mutter d) X-chromosomal vererbte Krankheiten 1. dominant: zVitamin-D-resistente Rachitis mit Hypophosphatanämie typische Kennzeichen :

kranker Vater (hemizygot) vererbt nie auf Söhne, aber auf alle Töchter(Vererbung über Kreuz)

kranke Mutter (heterozygot) vererbt statistisch auf 50% der Söhne und 50% der Töchter

2. rezessiv: Rot-Grün-Blindheit, Hämophilie, verschiedene Muskeldystrophien typische Kennzeichen:

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auch hier Vererbung über Kreuz: Gen einer heterozygoten aber gesunden Mutter führt zu 50% kranken Söhnen aber zu 100% gesunden Töchtern (falls Vater gesund)

e) Y-chromosomal typische Kennzeichen:

tritt nur bei Männern auf; kranker Vater vererbt an alle Söhne, nie an Töchter

E. Erweiterung des 3. Mendel’schen Gesetzes: gekoppelte Gene und Entkopplung E.I. Vererbung gekoppelter Gene 1. Morgan’s Experiment:

dihybride Kreuzung mit Drosophila,Eltern homozygot für beide Merkmale:

F1: phänotypisch und genotypisch uniform (heterozygot) (entspricht 1. Gesetz)

anschließend Testkreuzung (F1 Nachkommen homozygotem Partner): erwartet nach Mendel (zufällige Kombination durch intrachromosomale Rekombination) 50% Parentaltypen, 50% rekombinante Typen gefunden: Parentaltypen > 50% (im Verhältnis 1:1) rekombinante Typen < 50% (im Verhältnis 1:1)

2. Morgan’s Schlussfolgerung:

nicht alle Gene sind frei kombinierbar, manche werden bevorzugt gekoppelt vererbt;

freie unabhängige Kombination der Merkmale bei di- oder polyhybriden Kreuzungen nur, wenn Merkmale nicht gekoppelt vorliegen

gekoppelte Gene sind linear in einer Kopplungsgruppe (Chromosom)angeordnet; der Begriff „Kopplungsgruppe bezieht sich auf homologe Chromosomen (entspricht bei diploiden Organismen ½ Zahl der Chromosomen

gekoppelte Gene werden bevorzugt gemeinsam vererbt (P-Typen >50%)

Entkopplung = Kopplungsbruch durch intrachromosomale meiotische Rekombination Crossing-over; Häufigkeit der Rekombinanten < 50%

E.II. Kopplungsbruch = Intrachromosomale Rekombinantion durch Crossing-over zwischen Nicht-Schwester-Chromatiden homologer Chromosomen während Meiose 1.Rekombinationsmechanismus = Holliday Modell

Paarung homologer Chromosomen in 1. meiotischem Prophase

Durchtrennen jeweils eines DNA Einzelstranges (von Nicht-SchwesterChromatiden) an homologen Positionen durch Endonuclease

Kovalente Verknüpfung der Enden über Kreuz (Ligase)

Branch migration partielle Heteroduplices

Auflösung der Hollidaystruktur : entweder durch a) Schneiden der Stränge, die ausgetauscht wurden und

Ligation häufig keine Rekombinanten obwohl cross-over stattgefunden hat oder b)Schneiden der DNA Stränge, die nicht ausgetauscht wurden,

Überkreuzligation rekombinante Typen

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2. Rekombinationsfrequenzen und Genkartierung Morgan postulierte auch, dass Entkopplung (Cross-over) umso häufiger passiert, je weiter die betrachteten Merkmale auseinander liegen

Alfred Sturtevant: Rekombinationfrequenz (RF) ist Maß für den Abstand der Gene auf einem Chromosom und kann dazu verwendet werden, die Reihenfolge und den relativen Abstand der Gene zu bestimmen Erstellen einer linkage map;

RF kann als genetische Kartierungseinheit (map unit) verwendet werden

häufig ist die Summe der ermittelten Einzelabstände größer als die ermittelte Gesamtentfernung: Grund: Mehrfach-Cross-over führen nicht immer zu phänotypische erkennbaren Rekombinante

Interferenz: Vorkommen eines Cross-overs beeinflusst die Wahrscheinlichkeit für weitere Cross-over 3. Tetradenanalysen In manchen Systemen sind meiotische Rekombinationsereignisse direkt erkennbar, z.B. bei haploiden Organismen, bei denen die Produkte der Meiose geordnet zusammen bleiben; bei Neurospora crassa: anschliessende Mitose Oktade aus 4 Sporenpaaren a) MI und M2 Muster MI Muster:

spiegelt Vorgänge in Meiose I wider

Zufällige Verteilung der homologen ChromosomenSporenverteilung im Ascus 4 : 4)

MII Muster:

entstehen durch die zufällige Verteilung der Chromatiden in Meiose II (Trennung der Allele)

bei Abweichungen vom MI Muster es muss Rekombination aufgetreten sein

Sporenverteilung 2:2:2:2 oder 2:4:2 Verhältnis MI:MII: Maß für die Rekombinationshäufigkeit b) Genkonversion

manchmal entstehen Rekombinanten in einem nicht-reziproken Verhältnis 5 : 3 oder 6 : 2

Erklärung: Reparatur von Fehlpaarungen während Cross-over (zufällig);

Chromatid-Konversion: Reparatur in beiden Strängen 6 : 2

Halbchromatid-Konversion: Reparatur nur in einem Strang 5 : 3

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F. Weitere Ergänzungen zu Mendel F.I. Kodominanz: die beiden Allele eines Gens sind für die Ausprägung des Phänotyps gleichermaßen bedeutend. F.II. Multiple Allelie: pro Gen gibt es mehr als zwei Allele allelische Reihen (bezieht sich auf den Genpool einer Population) Beispiele: a) ABO Blutgruppensystem: Gen I in den drei Allelformen IA, IB, I0

IA und IB zeigen Kodominanz bewirken in ihrer Kombination Blutgruppe IB und I0 = rezessiv

b) Histokompatibilitätssystem: zwei allelische Reihen beteiligt; HLA-A und HLA-B, jeweils in 8 Allelformen c) Nachweis: mehrere Allele desselben Gens oder mehrere Gene involviert? In Kreuzungen ergibt sich bei multipler Allelie eine mendelnde Auspaltung wie bei einem monohybriden Erbgang F.III. Pleiotropie oder Polyphänie ein Gen bewirkt mehrere phänotypische Merkmale (pleiotrope Effekte); alle Symptome werden gemeinsam mendelnd vererbt F.IV. Polygenie ein Merkmal wird von mehreren Gene beeinflusst, wobei sich die Gene in ihrer Ausprägung gegenseitig beeinflussen können Beispiele: - Form des Hahnenkamms - Hautpigmentierung beim Menschen - Fellfarbe bei manchen Säugern Epistase: Gen welches die Wirkung anderer (hypostatischer) Gene vollständig unterdrückt (z.B. Unterdrückung der Farbbildung) Folge: modifizierte mendelnde Aufspaltung der phänotypischen Eigenschaften: bei dihybriden Kreuzungen: mendelnde Vererbung des Genotyps (9:3:3:1), phänotypische Aufspaltung aber anders (z.B. 9:3.4 oder 9:7) F.V. Penetranz und Expressivität

Penetranz: Manifestationshäufigkeit eines Merkmals = Anteil der Individuen, die bei gleichem genetischen Hintergrund für ein bestimmtes Gen den entsprechenden Phänotyp zeigen

Expressivität: Maß für den Grad der Ausprägung des jeweiligen Phänotyps (stark, schwach, mittel)

Begriff Epigenetik: Vorgänge bzw. Bedingungen (der Umwelt, des übrigen Genoms), welche die Merkmalsausprägung neben oder über die tatsächliche genetische Information hinaus beeinflussen.

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Teil II: Rekombinationsgenetik in Prokaryoten A. Allgemeines:

Rekombination in Prokaryoten = in der Regel nicht reziprok,

Donor-DNA wird eingebaut, herausgeschnittene Empfänger-DNA geht verloren; auch hier: Rekombinationsfrequenz ist Maß für den Abstand benachbarter Gene

B. Gentransfersysteme: Einführung der Donor-DNA durch 3 mögliche Gentransfersysteme

1) Konjugation 2) Transduktion 3) Transformation

B.I. Konjugation := Gentransfer von einer Donorzelle in eine Rezipientenzelle, physikalischer Kontakt notwendig; unidirektionaler Transfer B.I.1. Entdeckung • Experiment von Joshua Lederberg, 1946 (B01): -> Nachweis des Transfers; Voraussetzung: physikalischer Kontakt zwischen den Zellen • Experiment von William Hayes, 1953: Transfer nur von einer Donorzelle (fertil; F+) in eine Rezipientenzelle (nicht fertil, F-) • Ursache der Fertilität: Anwesenheit transferierbarer = konjugativer Plasmide B.I.2. Plasmide := extrachromosomale, meist ringförmige DNA Elemente, selbständig replizierende Einheiten (=Replikon) Plasmidtypen (Einteilung häufig aufgrund der kodierten Eigenschaften), z.B.:

Resistenzplasmide: = R-Plasmide: kodieren für Antibiotika-Resistenzen, Schwermetallresistenzen (B02)

Bacteriocin-kodierende Plasmide: kodieren für Bacteriocine = antibiotisch wirksame Substanzen die nur auf eng verwandte Arten wirken

Degradative Plasmide: vermitteln Abbau ungewöhnlicher Verbindungen wie Toluol, Naphtalen, Kampfer

Virulenzplasmide: verleihen patogene Eigenschaften (human-, tier-, phytopathogene Bakterien)

Fertilitäts- = konjugative Plasmide: vermitteln Gentransfer durch Konjugation; Tra+ Plasmide; z.B. F-Plasmid (B03)

B.I.3. F-Plasmid und Konjugation a) F+ Zellen

Produktion von F-Pili (allgemein Sex-Pili) kodiert durch Gen traA

Funktion der Pili: Kontaktausnahme mit Rezipientenzelle.

Anheftungsstelle für Phagen b) Plasmidübertragung (Plasmid überträgt sich selbst)

Kontaktaufnahme zwischen Donor und Rezipient über Sex-Pili

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Retraktion des Pilus Mating Pair Formation

Öffnen eines Plasmidstranges an oriT (origin of transfer replication)

Transfer des geöffneten Einzelstranges mit 5’ Ende voraus in die Rezipientenzelle

Replikation der Einzelstränge im Donor (kontinuierlich vom freien 3’ OH-Ende aus) und Rezipienten (diskontinuierlich)

Rezipient wird zum Donor und kann Plasmid weiter transferieren, manchmal epidemische Verbreitung. keine Übertragung von Genen, die nicht vom Plasmid kodiert sind. c) Integration des Plasmids ins Chromosom des Donors

manche Plasmide (z.B. F-Plasmid) können in das Wirtschromosom integrieren.

Integration des F-Plasmids durch single-cross-over (über IS Elemente) an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlicher Orientierung unterschiedliche Hfr Stämme (high frequency of recombination)

Übertragung chromosomaler Gene und Teile des F-Plasmids Rezipienten werden selten F+ (nur bei vollständiger Übertragung des Chromosoms); Entstehung von Rekombinanten (B05, B06)

d) F’-Plasmid (F-prime Plasmide) entstehen durch fehlerhafte Exzision des integrierten Plasmids

Plasmid überträgt sich selbst und spezifische chromosomale Gene B.I.4. Kartierung des E.coli Chromosoms durch Hfr-Kreuzungen a) Interrupted Mating Experiment

Donorallele kommen zu verschiedenen Zeiten im Rezipienten an

Donorallele erscheinen in einer festgelegten Reihenfolge

die Gesamtzahl der Exkonjuganten nimmt mit der Zeit ab die Übertragung chromosomaler Gene durch einen Hfr Stamm geht von einem bestimmten Punkt aus = oriT Je weiter ein Gen vom oriT entfernt liegt, desto später wird es übertragen Bei späten Genen sinkt die Wahrscheinlich keit des Transfers (Abbruch der Konjugation) � Übertragungsgradient die vollständige Übertragung dauert 100 Minuten (Einteilung der E.coli Karte in min) Auflösungvermögen: 2 min entspricht etwa 80 kb b) Beispiel Auflösung eng benachbarter Gene durch reziproke Kreuzungen (B08, B09) B.II: Transduktion := Transfer von DNA von einer Donorzelle in eine Rezipientenzelle vermittelt durch Bakteriophagen = Bakterienviren B.II.1. Bakterienviren bestehen aus

Capsid = Proteinhülle: ikosaedrisch,

filamentös, Kopf- und Schwanzphagen;

Nukleinsäure: DNA, RNA, zirkulär, linear, ds, ss (B10); Allen gemeinsam: Benötigen Wirtszelle zur Vermehrung

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B.II.2. Vermehrungszyklen a) lytische Vermehrung virulente Phagen

Adsorption des Phagen an Rezeptor an Zelloberfläche

Injektion des genetischen Materials

Latenzphase: Umstellen des Wirtsstoffwechsels; Replikation der Phagen-DNA, Transkription der Phagen-DNA: frühe Gene DNase (Frragmentierung des Wirtschromosoms);

Lysozym (Lyse der Wirtszelle);

Phagenreifung: Zusammenbau (Assembly) der fertigen Phagenpartikel

Lyse der Wirtszelle und Freisetzung neuer Phagenpartikel b) lysogene Vermehrung temperente Phagen

Adsorption des Phagen

Injektion des genetischen Materials

Lysogenisierung der Zelle Phagengenom liegt „passiv“ als Prophage in der Zelle vor (z.T. integriert ins Wirtschromosom z.B. Lambda zwischen gal und bio; über site-spezifische Rekombination); lysogener Zustand kann über viele Zellgenerationen stabil erhalten bleiben

Induktion des Prophagen (Stress, UV)

lytische Vermehrung des Phagen c) ungewöhnliche Lebenszyklen, z.B. Phage M13

Adsorption und Injektion des genetischen Materials (bei M13: einzelsträngig, ringförmig in Zelle dann Aufreplikation zum Doppelstrang

Replikation des Phagengenoms

Expression der Hüllproteine

Assembly

kontinuierliche Freisetzung der Phagenpartikel ohne Lyse der Zelle B.II.3: Gentransfer durch Phagen a) Entdeckung J. Lederberg’s Experimente mit Salmonella typhimurium (B14); b) Allgemeine = Generelle Transduktion durch fehlerhafte Verpackung: statt Phagen-DNA wird (beliebige) Wirst-DNA im Kopf verpackt und in neue Rezipientenzelle eingeschleußt (B15); keine Phagenproduktion in der neuen Wirtszelle = abortive Infektion c) Spezielle Transduktion durch fehlerhafte Exzision bei der Induktion integrierter Prophagen; nur benachbarte Wirts-DNA kann in Kopf verpackt werden (B15); bei Lambda entweder gal oder bio. d) Genkartierung mittels allgemeiner Transduktion Häufigkeit der Ko-Transduktion von Genen Information über Kopplung bzw. Abstand und Reihenfolge dieser Gene zueinander

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B.III. Transformation := Aufnahme freier DNA aus der Umgebung; Rezipientenzellen müssen kompetent sein. a) Entdeckung Experiment von F. Griffith, 1928 (B16) b) Mechanismus • Bindung von DNA an Zelloberfläche kompetenter Zellen • Energie-abhängiger Transport in Zelle • Abbau eines DNA Stranges während Aufnahme in Zelle • Einbau des Einzelstranges an homologer Stelle c) Genkartierung mittels Transformation Häufigkeit der Ko-Transformation Information über Kopplung bzw. Abstand und Reihenfolge der Gene (B17) Alle drei Mechanismen (B18) sind mehr oder weniger gut zur Genkartierung geeignet.

C: Transponierbare Elemente und nicht-homologe Rekombination C.I. Allgemeines Transponierbare DNA Elemente: bewegliche DNA Elemente die ihren Platz im Genom wechseln können, ohne Homologie zu ihrer neuen Integrationsstelle (= Transposition, illegitime Rekombination, nicht-homologe Rekombination); vermittelt durch Enzym Transposase C.II. Klassifizierung/Struktur 1. Allgemeine strukturelle Kennzeichen alle transponierbaren DNA Elemente besitzen invers-repetitive Enden (IRs) 2. Insertionssequenzen = IS Elemente relativ kurze DNA Fragmente, keine phänotypisch erkennbaren Marker, kodieren nur für Transposase; 3. Transposons tragen zusätzlich noch phänotypisch erkennbare Gene, z.B. Antibiotikaresistenzgene a) zusammengesetzte Transposons besitzen an den Enden IS Elemente, zusätzliche Gene in zentraler Region, z.B. Tn5 b) einfache Transposons besitzen kurze inverted repeats an den Enden, zentrale Region kodiert für Transposase und phänotypisch erkennbare Markergene, z.B. Tn3 C.III: Mechanismus der Transposition 1. Allgemeines: alle transponierbaren Elemente generieren bei der Insertion an der Zielstelle direkt repetitive Sequenzen (C03); dadurch dass Transposase in der Ziel-DNA versetzt schneidet 2. Konservative Transposition Element wird als doppelsträngiges DNA Stück aus Donorstelle herausgeschnitten und als Einheit an der Zielstelle integriert cut and paste Mechanismus (C04), z.B. Tn5

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3. Replikative Transposition Jeweils ein Ende des Elements wird geschnitten; kovalente Verknüpfung des einen Endes mit geöffnetem Strang an Zielstelle; Aufreplikation zum Doppelstrang Cointegrat; Auflösung des Cointegrats (C05), z.B. Tn3 C.IV. Biologische Bedeutung von Transponierbaren Elementen • Erzeugung von Mutationen • Substrate für homologe Rekombination - Integration von Plasmiden ins Chromosom - Inversionen - Deletion