012 MM 0 0 270517...2017/05/27  · katholische Publizist Fritz Gerlich(„DergeradeWeg“)...

1
Dass Michael von Faulhaber konservativ war und für De- mokratie und Republik nichts übrig hatte, ist bekannt. Eine persönliche Verteidigung Hit- lers hätte man aber in einem so privaten Dokument wie dem Tagebuch des Münchner Kardinals nicht unbedingt er- wartet. Soeben ist der Jahr- gang 1934 der Online-Edition durch das Münchner Institut für Zeitgeschichte und dem Seminar für Kirchengeschich- te der Uni Münster komplett freigeschaltet worden (siehe faulhaber-edition.de). Und siehe da: Faulhaber preist Hitler – mehrmals. 1934 ist ein spannender Jahrgang: Die Liquidation der SA-Führung („Röhm- Putsch“) fand in den persönli- chen Aufzeichnungen des Kardinals ebenso ihren Nie- derschlag wie der Tod des Reichspräsidenten Hinden- burg. Daneben zeigen viele Notizen, wie sehr die natio- nalsozialistische Diktatur den Arbeitsalltag des Kirchenfürs- ten prägte. Immer wieder empfing er Bittsteller zum persönlichen Gespräch, spen- dete Rat und manchmal Trost – so als der von NS-Schergen verfolgte Münchner Pfarrer Emil Muhler bei ihm vor- spricht („Er soll ruhig weiter- arbeiten.“). Wohl wahr: An der innerli- chen Ablehnung des Natio- nalsozialismus kann bei Faul- haber kein Zweifel bestehen („wir haben hier den vollende- ten Kulturkampf“, notierte er am 6. Januar 1934). Doch das ist nur eine von mehreren Wahrheiten. Faulhaber wurde immer wieder bedroht und dif- famiert, aber er spielte das teil- weise auch herunter. Am 28. Januar 1934 zum Beispiel fielen – was in der Forschung bekannt ist – zwei Schüsse, die die Balkontür zu Faulhabers Wohnung durchschlugen. Trotz solcher Vorkommnisse zieht sich die Verteidigung des Diktators im Jahr 1934 wie ei- ne Konstante durch die hand- schriftlichen Aufzeichnungen. „Ich betone wiederholt: Der Reichskanzler will Christen- tum, man kann nicht sagen, er will Heidentum“, heißt es in einer Eintragung am 6. Januar 1934. „Ich nehme Hitler in Schutz, daß er guten Willen und staatsmännische Fähig- keiten habe“, heißt es am 26. März. „Ich nehme Hitler per- sönlich in Schutz“, am 23. Juli. Es gibt noch mehr derartige Stellen. Eine Erklärung könn- te sein, „dass Faulhaber ganz im Einklang mit der Vorstel- lung einer gottgegebenen und damit legitimen Ordnung auf Hitler, die Regierung und die frühen NS-Jahre blickte“, wie der wissenschaftliche Mitar- beiter am Editions-Projekt, Peer Oliver Volkmann, meint. Ein Indiz dafür ist der Eintrag vom 30. Januar 1934, dem ersten Jahrestag der NS- Machtübernahme: Faulhaber lässt am Haus Fahnen raus- hängen, die die nur zwei Tage vorher zerschossenen Schei- ben verdecken. „Die Über- nahme war legal, also mitfei- ern“, notiert er im Tagebuch. Bei den Eintragungen zu den Morden an den SA-Füh- rern am 30. Juni 1934 ist vor allem interessant, was Faul- haber nicht schreibt: Dass ne- ben den SA-Funktionären auch eine Reihe von Konser- vativen wie der einstige Reichskanzler Kurt von Schleicher, der Vorsitzende der Katholischen Aktion Erich Klausener, der ehemali- ge bayerische Ministerpräsi- dent Gustav von Kahr und der katholische Publizist Fritz Gerlich („Der gerade Weg“) erschossen worden waren, spiegelt sich in den Tagebü- chern kaum wider. Dabei hat- te Faulhaber den späten Kon- vertiten Gerlich 1931 selbst gefirmt. Es gibt nur wenige Notizen zu den Morden: Am 23. Juli schreibt Faulhaber, es sei Frau Gerlich nun offiziell mitgeteilt worden, dass ihr Mann erschossen wurde. Am 24. Oktober erwähnt ein Be- sucher, „ob nicht manche Tote vom 30. Juni heiligzuspre- chen“ seien. Faulhaber bleibt vorsichtig: „Wir haben keine genaue Feststellung darüber.“ Indiz für die Vorsicht ist auch ein Eintrag vom 5. Juli 1934: „Nachmittags ordne ich und verbrenne viele Sachen.“ Bislang nicht bekannt war, „Ich nehme Hitler in Schutz“ Neue Forschungen über den Münchner Kardinal Faulhaber dass Faulhaber in enger Ver- bindung mit dem Mörder von Kurt Eisner stand. Beleg dafür ist eine Notiz, datiert auf den 10. Juli 1934, aus der hervor- geht, dass der Bischof den Eis- ner-Mörder persönlich traute. „Dienstag, 10. Juli, 10.30 Uhr, Dreifaltigkeitskirche, Trauung von Graf von Arco auf Valley mit Gabrielle Gräfin von Arco Zinneberg. Ich halte Anspra- che übers dreifache Ja“, heißt es im Tagebuch. Der damals 22-jährige Arco hatte Eisner am 21. Februar 1919 in der Münchner Pran- nerstraße erschossen – 1934 war er, nachdem er fünf Jahre Festungshaft hatte absitzen müssen, längst wieder frei und als Anhänger des monar- chistischen Flügels der Baye- rischen Volkspartei in kon- servativen Kreisen hochge- achtet. Das mag auch erklä- ren, warum Faulhaber die Trauung offenbar ein persön- liches Anliegen war. Die Edition wird fortge- setzt – in diesem Jahr sollen noch die Jahrgänge 1917 und 1935 freigeschaltet werden, in den kommenden Jahren dann die weiteren Jahrgänge bis 1952. Unklar ist, ob die Tage- bücher weitere Auskunft über eine wohl 1940 erblühte (wohl platonische) Liaison des damals schon 71-jährigen Kardinals mit der weitaus jüngeren Konvertitin Franzis- ka Bösmiller geben, die die Kirchenhistorikerin Antonia Leugers jüngst im Rottenbur- ger Jahrbuch für Kirchenge- schichte öffentlich machte. DIRK WALTER BAYERN & SEINE GESCHICHTEN ......................................................................................................... Am Schreibtisch: Michael von Faulhaber.

Transcript of 012 MM 0 0 270517...2017/05/27  · katholische Publizist Fritz Gerlich(„DergeradeWeg“)...

Page 1: 012 MM 0 0 270517...2017/05/27  · katholische Publizist Fritz Gerlich(„DergeradeWeg“) erschossen worden waren, spiegeltsichindenTagebü-chernkaumwider.Dabeihat-teFaulhaberdenspätenKon-vertiten

Münchner Merkur Nr. 121 | Wochenende, 27./28. Mai 201712 Bayern & Region Telefon: (089) 53 [email protected]: (089) 53 06-86 54

Die G’wappeten„Ihr da oben, wir da unten“,dieser Buchtitel von BerntEngelmann aus dem Jahr1973 scheint auf den erstenBlick wenig mit der altbayeri-schen Kulturgeschichte zutun zu haben, doch dastäuscht! Bereits im 18. und19. Jahrhundert bildete sichauch hierzulande ein bro-delndes Gemisch aus ländli-chem Proletariat und Vor-stadt-Arbeiterschaft. Unmuts-bezeugungen gegenüber denVertretern der Oberschicht,den „Großkopferten“,„Gschwoiköpf“ und „Broad-gschädelten“ sind nicht sel-

UNSER BAIRISCHES WORT .......................................................................................................................

ten, die „Ei’gsamten“ und„G’wappeten“ geben ein gu-tes Feindbild ab. Die„Ei’gsamten“ waren am rei-chen Saum ihrer Kleider zuerkennen, die „G’wappeten“,die Gewappneten, Beschlage-nen, in früheren Zeiten amWappen. Dass diese Krösussegerne auch noch „gwampert“,also dickleibig waren, machtesie zur leichten Zielscheibevon klassenkämpferischenVolkshelden wie dem KneißlHias oder dem BoarischenHiasl Matthias Klostermayr.

Norbert GöttlerBezirksheimatpfleger Oberbayern

BayerischerVolksheld:der Räu-ber Kneißl, der am 21. Februar1902 hingerichtet wurde. DPA

DAS GSTANZL DER WOCHE .....................................................................................................................

Zwoa dorate Weiber,de gackern recht gscheit,

heart koane de ander,doch hams a Mordsfreid.

Haben Sie ein Lieblingsgstanzl?Dann schicken Sie es uns zu. Per E-Mail an [email protected]. Oder per Post.

Die Knödel-Kanoneist die Superwaffedes Superhelden

Dr. Fargo willBayern von derLandkarte tilgen

Tracht Man – ein Superheld für Bayern

damit gerechnet habe er nicht.Sogar eines von Kloibers

Idolen, der US-amerikanischeComic-Zeichner Neal Adams,zeichnete auf seine Anfrageein Titelblatt für den „TrachtMan“ und schickte ihm einLob für die Idee. „Das ist so,als hätte Michael Jackson direinen persönlichen Songkomponiert“, sagt Kloiber.

irgendwie einen Nerv getrof-fen“, sagt Kloiber. Sogar aufEnglisch wurde der „TrachtMan“ schon gedruckt. Auchwenn der Übersetzer bei derSuche nach einem englischenAusdruck für die bairischenRedensarten sehr kämpfenmusste, sagt Kloiber. Erhoffthabe er sich diesen Erfolg na-türlich schon, aber wirklich

land nicht so eine lange Tradi-tion mit Comic-Superheldenwie in den USA.“ In deren Fallsei es interessant, die Figuren,die schon auf eine so langeGeschichte zurückblickenkönnen, stilistisch zu brechen.Bei „Tracht Man“ setze manaber mehr auf Humor und denbayerischen Bezug.Die erste Ausgabe des Co-

mics spielt in München aufdem Marienplatz und beziehtauch die Legende des Lind-wurms mit ein, die Kloibernoch um ein EimitmystischenKräften ergänzt hat. „TrachtMan“ ist eher eine liebevolleParodie auf Superhelden undauf Bayern. Dabei könntemanmeinen, dass die Superkräftevon Tracht Man schon bis insreale Leben reichen: Die Re-aktionen darauf waren über-wältigend, sagt Kloiber.Die „Comic Con“-Messe,

die heuer zum ersten Mal inMünchen stattfindet, wirbtmitdem Tracht Man, ein Künstlerhat eine zwei Meter große Fi-gur des Superhelden erstelltund sie hätten sogar schon ei-ne Anfrage eines Bräutigamsbekommen, der seine Hoch-zeit im Tracht-Man-Look ge-stalten möchte. „Wir haben da

Die Ausgabe zeigt Tracht ManimKampf gegen den Saupreiß,in Gestalt eines Art Riesen-schweins mit preußischer Pi-ckelhaube. Sechs Variantendes ersten „Tracht Man“-Co-mics gibt es. Eine davon, kom-plett auf Bairisch, wird nur aufder „Comic Con“ in Münchenam 27. und 28. Mai verkauft,auf der „Tracht Man“ offiziellvorgestellt wird.Eine reguläre Ausgabe kann

man sich im Online-Shop desVerlags bestellen. Und dasGanze ist erst der Anfang:Kloiber hat schon Ideen fürweitere Hefte. Zeichnen tut erdie inzwischen von Bambergaus, der Heimat seiner Freun-din. Pünktlich zur Wiesn solldas zweite Heft erscheinen, indem Tracht Man das Oktober-fest retten muss. Die dritteAusgabe soll auf Schloss Neu-schwanstein spielen.Die genaue Handlung wird

noch nicht verraten, nur soviel ist klar: Politisch wird esnicht. „Jetzt so etwas wie denEinfluss der CSU auf Bayernzu thematisieren, das will ichauf keinen Fall“, sagt Kloiber.Tracht Man bleibt bei Knö-del-Kanone, Bier und Leder-hosen.„Ich muss den Lackl stoppen.“ Tracht Man hat eine gigantische Aufgabe vor sich – er muss München retten. Die Widersacher des Tracht Man ist der Saupreiß.

Remmidemmi in München: Im Comic geht’s auch um die Le-gende des Lindwurms – und ein Ei mit mystischen Kräften.

Erfinder des Tracht Man: Christopher Kloiber, 30, der ausMünchen stammt und jetzt in Bamberg lebt.

Das Superhelden-Hauptquartier des Tracht Man ist dieblaue „Oktoberfestung“, ein riesiger Doppelzeppelin.

Weil er keinen passendenVerlag fand, veröffentlichte erdie Comics selbst und gründe-te seinen eigenen: „Plem PlemProductions“. Wie es zu demNamen kam, weiß er selbstnicht mehr genau. Vielleichtwar es die Reaktion von man-chen auf seine Idee, einen Co-mic-Verlag zu gründen: „Bistdu plemplem?“Von da an wurde die Zeit,

die er im Comic-Geschäft ver-brachte, immer mehr und dieZeit im Supermarkt immerweniger. Seit 2014 ist erhauptberuflich für seinen Ver-lag unterwegs. Und ja: Mankönne tatsächlich davon le-ben. „Es ist aber kein schönesLeben“, scherzt Kloiber, derdiese Frage oft beantwortenmuss, wenn er sich und seinenBeruf vorstellt.Mittlerweile arbeitet der

30-Jährige mit einem Teamaus zehn freien Mitarbeiternund hat um die 60 Titel veröf-fentlicht, knapp 70 Prozentdavon stammen aus eigenerFeder. Seine Freundin JuliaBrauch, ebenfalls Comic-Fan,kümmert sich um die Finan-zen im Verlag. Gemeinsamreisen sie vonComic-Messe zuComic-Messe und machenWerbung.Einen Comic zu erschaffen,

sei immer Team-Arbeit, sagtKloiber. Bei der ersten Ausga-be von „Tracht Man“ zeichne-te Kloiber alles selbst, bei denDialogen bekam er Unterstüt-zung vom hauseigenen AutorHenning Mehrtens. Die Ge-schichte um den heldenhaftenLederhosenträger folge imGrunde „einem ganz klassi-schen Superhelden-Konzept“,sagt Kloiber.Ganz im Sinne seines ame-

rikanischen Kollegen Super-man hat Tracht Man über-menschliche körperliche Kräf-te und stammt aus einer ande-renWelt. Er hat einenmensch-

lichen Gehilfen (Kurt Reiter),eine Superhelden-Basis (die„Oktoberfestung“, einDoppel-zeppelin), Superwaffen (dieKnödel-Kanone), und er kannseine Fähigkeiten erweitern,indem er bayerisches Biertrinkt – eine Superkraft, dieauch unter normalsterblichenBayern weit verbreitet ist. Undnatürlich flucht („Zefix“) undbeschimpft er andere („Dreck-hammel“) auf Bairisch.Entgegengesetzt zum

Trend, der heute in vielen Su-perhelden-Verfilmungen ver-folgt wird, ist Tracht Mannoch der strahlende, aalglatteHeld im Sinne des früherenSuperman. Ob Batman, Spi-derman oder Iron Man: Vieletendieren heute stark in Rich-tung Anti-Held, das heißt, siehadern mit ihrem Superhel-den-Status, ihrer großen Ver-antwortung und begeben sichzeitweise sogar auf die Seitedes Bösen. Dass das bei TrachtMan nicht der Fall ist, sei aberbewusst gewählt, sagt Kloiber.„Wir haben hier in Deutsch-

„Ohne jede Erinnerunglandete ein unbekannterMann mit unglaublichenKräften in einem kleinenOrt in Bayern.“ So beginntdie Geschichte von TrachtMan, ein Superheld, derBösewichte in Lederhosenbekämpft und stärkerwird, wenn er genugHelles trinkt.

VON EVA CASPER

Eines Nachts schießt ein Ko-met über Erding, kracht inden Stadtpark und hinterlässteinen dampfenden Krater.Nur, dass es kein Felsbrockenist, der da vom Himmelkommt, sondern ein Mensch,oder zumindest jemand, deraussieht, als wäre er einer.Der Unbekannte verstecktsich im Park vor Schaulusti-gen, klaut ein paar Lederho-sen und ein Hemd von einerWäscheleine und verspürt –

wie es für Superhelden ty-pisch ist – einen unbändigenDrang, die Menschheit zu be-schützen.Der schnauzbärtige Tracht

Man ist geboren. Der zuagro-aste Muskelberg muss vonnun an gegen den zu kurz ge-ratenen Dr. Fargo mit stalinis-tischem Schnauzer undschlechten Zähnen kämpfen,der Bayern von der Landkartetilgen und an dessen Stelle„das Frankenreich wieder auf-erstehen“ lassen will. Es gehtum den ewigen Kampf zwi-schen Gut und Böse, Bayerngegen Franken, es wird Biergetrunken, Knödel werdenverschossen und der Saupreißmischt auch noch mit.Im Comic weiß niemand,

wo Tracht Man eigentlich herkommt, nicht mal er selbst. Inder Realität wurde er 2014 ineinem Tattoostudio geboren,oder genauer gesagt: im Kopfvon Christopher Kloiber, indem die Idee reifte, es müsstedoch einmal einen bayeri-schen Superhelden geben.Kloiber ist mit Comics auf-

gewachsen, noch als kleinerBub kaufte sich der gebürtigeMünchner im Supermarktseinen ersten „Batman“-Co-mic, nach wie vor einer seinerLieblingssuperhelden. Docher wollte nicht nur von denHeldentaten von Spiderman,Superman und Co. lesen, erwollte selber Figuren erschaf-fen, kritzelte in der Schuleseine eigenen Zeichnungenauf Papier. Da es für den Be-ruf des Comic-Zeichners kei-ne klassische Ausbildunggibt, machte er erstmal bei ei-nem Supermarkt eine Lehrezum Verkäufer, nebenbei ar-beitete er weiter an seinenIdeen. 2008 war sein erster ei-gener Comic fertig: „Dopey &Horst“, die Geschichte um ei-nen kiffenden Kater.

Fluchender Muskelberg mit Schnauzbart und Lederhose – das ist der beeindruckende Tracht Man. FOTOS: KLAUS HAAG

sonsten haben wir gar nichts.Man braucht ein Auto.

- Keine Nahversor-gungsmöglichkeiten?

Nur einen Hofladen und denEierautomaten vom Hühner-hof. Früher wurde Uneringnoch vomBäcker angefahren.Aber das hat sich vor etwa 15Jahren aufgehört.

- Es ist also sehr ruhig.Von den Geschäften herschon. Aber es rührt sichschon was. Wir haben mitdem Schützenverein Alma-rausch und der Feuerwehrzwei aktive Vereine. Der Zu-sammenhalt ist gut. Einmalim Jahr findet das Weiherfestmit Sautrogrennen statt. Esläuft viel über die Vereine,sonst passiert ja gar nichts.

- Was macht Uneringsonst noch aus?

Man kann sagen, es ist derMittelpunkt des Landkreises.Also geographisch (lacht).Von dort führen sämtlicheStraßen weg – nach Herr-sching, Icking oder Starnberg.

- Für was ist der Ort be-kannt?

Früher war das die Müllkip-pe, aber die gibt’s nicht mehr.Die ist jetzt in Gilching. Dannnoch das Gut Tiefenbrunn.Früher haben dort viele in derLandwirtschaft und im Forstgearbeitet.

- Eine Empfehlung: Wasmuss man gesehen haben?

Ich würde sagen, die Filialkir-che St. Martin. Sie wurde1731 erbaut und ist ein euro-päisches Kulturdenkmal. Ihrberühmter Baumeister ist Jo-hann Michael Fischer.

- Sie als Mesner müssenes wissen: Gehen die Ein-heimischen auch fleißig indie Kirche?

Ja, die kommen schon. Aller-dings nicht wirklich viele jun-ge Menschen.

- Und wie lautet ihr Ge-heimtipp für Unering?

Die Rast am Weiher. Das isteine Laube, die vor etwa zweiJahren von der Gemeindeaufgestellt wurde.

- Hand aufs Herz, HerrMörtl: Wie würden Sie dasUneringer Original charak-terisieren?

Sehr stur. Der Einheimischebeharrt auf seiner Meinung.Und egoistisch. Die Unerin-ger gehen nicht raus, aber allesollen zu ihnen kommen. Dastrifft aber natürlich nicht aufjeden zu. Grundsätzlich sindwir schon sympathisch.

- Da haben’s Zuagroastedoch sicher schwer, oder?

Wer ins Ortsleben rein will,sollte in einen der beiden Ver-eine eintreten. Sonst wird’sschwierig. Es gibt hier auchLeut’, die nicht vor die Tür ge-hen. Die kennt man dannauch nicht. Man könnt mei-nen, ihre Wohnungen sindnur Schlafstätten.

Interview: Manuela Schauer

Wollen Sie mitmachen?Wenn auch Sie Ihr Dorf vor-stellen möchten, schreibenSie uns an [email protected] oder an MünchnerMerkur, Im Blickpunkt, Paul-Heyse-Straße 2-4, 80336München

Jede Woche beantwortet einOberbayer Fragen rund umseine Heimat. HermannMörtl, 63, ist im Kranken-haus in Seefeld geboren undlebt seither in Unering, einemOrtsteil der Gemeinde imKreis Starnberg. Mörtl istBankkaufmann, seit 2005selbstständig und engagiertsich als Mesner, im Pfarrge-meinderat und bei der Frei-willigen Feuerwehr. Er ist ver-heiratet und hat zwei Söhne.

- Was ist ihr Lieblings-platzerl in Unering?

Eigentlich unser Haus. Dafühlt man sich wohl, alles istda, und die Umgebung mitgroßem Garten passt. Heuteist’s ein Mehrfamilienhaus,früher war’s ein Bauernhof.

- Gibt es in Uneringnoch viele Bauernhöfe?

Einige haben sich inzwischenauf Ackerbau spezialisiert. Esgibt noch drei Bauern mitViehhaltung, viele kleinerehaben aufgehört.

- Ist der Ort für Familienattraktiv?

Jein. Eine gewisse Stadtfluchtaus Starnberg ist da. Aber an-

Fakten über Seefeld, Landkreis Starnberg

Bürgermeister: Wolfram Gum (CSU)Einwohner: 7300

Besonderheiten: Besonders stolz sind die Einheimischenauf ihre berühmte Allee mit ihren 765 Eichen, die GrafAnton Clemens zu Toerring im Jahr 1770 anlegen ließ.

Das Dorf Unering wiederum wurde erst 1972in die Gemeinde eingegliedert.

SeefeldSeefeld

AndechsAndechs

Ammersee

PählPähl

StarnbergStarnberg

FeldafingFeldafing

WolfratshausenWolfratshausen

SchäftlarnSchäftlarn

GautingGauting

Inning amAmmerseeInning amAmmersee

Dießen amAmmerseeDießen amAmmersee

Starnb

erge

r See

A 96

A 95

MEIN DORF ............................................................................................................................................................

„Der Uneringer ist sehr stur“Mesner Hermann Mörtl vor der Kirche in Unering, einem Ortsteil von Seefeld. FOTO: A. JAKSCH

Almen und AnekdotenDer Hirte der ScharnitzerAlm sucht seine Kühe mitdem E-Bike. Der Erbauer derPleisenhütte fand ganz in derNähe ein Elchskelett. KönigLudwig II. kehrte einst gernein der Wettersteinalm ein.Mit allerhand Anekdoten

verziert Robert Mayer seinenBerg-Reiseführer „MeineLieblings-Alm“, 25 Wande-rungen zu den „schönstenHütten im Karwendel undWetterstein“ stellt er vor. ZurBegründung seiner subjekti-

ven Auswahl teilt Mayer dieEinkehrmöglichkeiten in Ka-tegorien auf: Wo gibt’s einenwunderbaren Panoramablick,wo den besten selbst gemach-ten Speck und Käse? WelcheAlm ist besonders familien-freundlich, welcher Hütten-wirt ein echtes Original?Daneben liefert der Autor

historische Hintergründe,springt auch mal ins Jahr 1700vor Christus und erklärt, wa-rum die Alm zu den ältestenKulturlandschaften zählt. gma

BAYERISCHE SEITEN ......................................................................................................................................

„Meine Lieblings-Alm: Kar-wendel & Wetterstein“ vonRobert Mayer. Bruckmann

Verlag. 128 Seiten. 15 Euro.

Die Welt der Comics zu Gast in MünchenFrüher galten Comics oft als „Schund“, bestenfalls als „Kinder-kram“ – doch sind diese Zeiten längst vorbei. Einen Eindruck vonder Vielfältigkeit der Kunstgattung vermittelt bis Sonntag dasComicfestival München in der Alten Kongresshalle, wo Verlageihre Neuerscheinungen vorstellen. Künstler wie Terry Moore(„Strangers in Paradise“), Olivier Schwartz („Spirou“), Hermann(„Comanche“) und Ralf König („Der bewegte Mann“) haben sichzum Signieren angekündigt. Mit Uli Oesterle („Hector Umbra“),Rudi Hurzlmeier („Meisterwerke der goldigen Periode“) und Tho-mas von Kummant („Die Chronik der Unsterblichen“) ist diebayerische Szene stark vertreten. In der Stadt gibt es spannendeAusstellungen: Das Amerikahaus zeigt Denis Kitchen (bis 1. Juli),das Instituto Cervantes begibt sich auf die Spuren des argentini-schen Comic-Phänomens Eternauta (bis 14. Juli) und das ValentinKarlstadt Musäum zelebriert bis 11. Juli den Irrsinn aus „50 Jahredeutsches ,MAD’“. Infos: www.comicfestival-muenchen.de

Dass Michael von Faulhaberkonservativ war und für De-mokratie und Republik nichtsübrig hatte, ist bekannt. Einepersönliche Verteidigung Hit-lers hätte man aber in einemso privaten Dokument wiedem Tagebuch des MünchnerKardinals nicht unbedingt er-wartet. Soeben ist der Jahr-gang 1934 der Online-Editiondurch das Münchner Institutfür Zeitgeschichte und demSeminar für Kirchengeschich-te der Uni Münster komplettfreigeschaltet worden (siehefaulhaber-edition.de). Undsiehe da: Faulhaber preistHitler – mehrmals.1934 ist ein spannender

Jahrgang: Die Liquidation derSA-Führung („Röhm-Putsch“) fand in den persönli-chen Aufzeichnungen desKardinals ebenso ihren Nie-derschlag wie der Tod desReichspräsidenten Hinden-burg. Daneben zeigen vieleNotizen, wie sehr die natio-nalsozialistische Diktatur denArbeitsalltag des Kirchenfürs-ten prägte. Immer wiederempfing er Bittsteller zumpersönlichen Gespräch, spen-dete Rat und manchmal Trost– so als der von NS-Schergenverfolgte Münchner PfarrerEmil Muhler bei ihm vor-spricht („Er soll ruhig weiter-arbeiten.“).Wohl wahr: An der innerli-

chen Ablehnung des Natio-nalsozialismus kann bei Faul-haber kein Zweifel bestehen(„wir haben hier den vollende-ten Kulturkampf“, notierte eram 6. Januar 1934). Doch dasist nur eine von mehrerenWahrheiten. Faulhaber wurdeimmerwieder bedroht und dif-famiert, aber er spielte das teil-weise auch herunter. Am28. Januar 1934 zum Beispielfielen – was in der Forschungbekannt ist – zwei Schüsse, diedie Balkontür zu FaulhabersWohnung durchschlugen.Trotz solcher Vorkommnissezieht sich die Verteidigung desDiktators im Jahr 1934 wie ei-ne Konstante durch die hand-schriftlichen Aufzeichnungen.„Ich betone wiederholt: DerReichskanzler will Christen-tum, man kann nicht sagen, erwill Heidentum“, heißt es ineiner Eintragung am 6. Januar1934. „Ich nehme Hitler inSchutz, daß er guten Willenund staatsmännische Fähig-keiten habe“, heißt es am 26.März. „Ich nehme Hitler per-sönlich in Schutz“, am 23. Juli.Es gibt noch mehr derartige

Stellen. Eine Erklärung könn-te sein, „dass Faulhaber ganzim Einklang mit der Vorstel-lung einer gottgegebenen unddamit legitimen Ordnung aufHitler, die Regierung und diefrühen NS-Jahre blickte“, wieder wissenschaftliche Mitar-beiter am Editions-Projekt,Peer Oliver Volkmann,

meint. Ein Indiz dafür ist derEintrag vom 30. Januar 1934,dem ersten Jahrestag der NS-Machtübernahme: Faulhaberlässt am Haus Fahnen raus-hängen, die die nur zwei Tagevorher zerschossenen Schei-ben verdecken. „Die Über-nahme war legal, also mitfei-ern“, notiert er im Tagebuch.Bei den Eintragungen zu

den Morden an den SA-Füh-rern am 30. Juni 1934 ist vorallem interessant, was Faul-haber nicht schreibt: Dass ne-ben den SA-Funktionärenauch eine Reihe von Konser-vativen wie der einstigeReichskanzler Kurt vonSchleicher, der Vorsitzendeder Katholischen AktionErich Klausener, der ehemali-ge bayerische Ministerpräsi-dent Gustav von Kahr und derkatholische Publizist FritzGerlich („Der gerade Weg“)erschossen worden waren,spiegelt sich in den Tagebü-chern kaum wider. Dabei hat-te Faulhaber den späten Kon-vertiten Gerlich 1931 selbstgefirmt. Es gibt nur wenigeNotizen zu den Morden: Am23. Juli schreibt Faulhaber, essei Frau Gerlich nun offiziellmitgeteilt worden, dass ihrMann erschossen wurde. Am24. Oktober erwähnt ein Be-sucher, „ob nichtmanche Totevom 30. Juni heiligzuspre-chen“ seien. Faulhaber bleibtvorsichtig: „Wir haben keinegenaue Feststellung darüber.“Indiz für die Vorsicht ist auchein Eintrag vom 5. Juli 1934:„Nachmittags ordne ich undverbrenne viele Sachen.“Bislang nicht bekannt war,

„Ich nehme Hitler in Schutz“Neue Forschungen über den Münchner Kardinal Faulhaber

dass Faulhaber in enger Ver-bindung mit dem Mörder vonKurt Eisner stand. Beleg dafürist eine Notiz, datiert auf den10. Juli 1934, aus der hervor-geht, dass der Bischof den Eis-ner-Mörder persönlich traute.„Dienstag, 10. Juli, 10.30 Uhr,Dreifaltigkeitskirche, Trauungvon Graf von Arco auf Valleymit Gabrielle Gräfin von ArcoZinneberg. Ich halte Anspra-che übers dreifache Ja“, heißtes im Tagebuch.Der damals 22-jährige Arco

hatte Eisner am 21. Februar1919 in der Münchner Pran-nerstraße erschossen – 1934war er, nachdem er fünf JahreFestungshaft hatte absitzenmüssen, längst wieder freiund als Anhänger des monar-chistischen Flügels der Baye-rischen Volkspartei in kon-servativen Kreisen hochge-achtet. Das mag auch erklä-ren, warum Faulhaber dieTrauung offenbar ein persön-liches Anliegen war.Die Edition wird fortge-

setzt – in diesem Jahr sollennoch die Jahrgänge 1917 und1935 freigeschaltet werden, inden kommenden Jahren danndie weiteren Jahrgänge bis1952. Unklar ist, ob die Tage-bücher weitere Auskunft übereine wohl 1940 erblühte(wohl platonische) Liaisondes damals schon 71-jährigenKardinals mit der weitausjüngeren Konvertitin Franzis-ka Bösmiller geben, die dieKirchenhistorikerin AntoniaLeugers jüngst im Rottenbur-ger Jahrbuch für Kirchenge-schichte öffentlich machte.

DIRK WALTER

BAYERN & SEINE GESCHICHTEN .........................................................................................................

Am Schreibtisch: Michael von Faulhaber.

Münchner Merkur Nr. 121 | Wochenende, 27./28. Mai 2017

Telefon (089) 53 [email protected]

Telefax: (089) 53 06-86 54 13Bayern & Region