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1.979 Deschner Bd. 3 Dritter Band: Die alte Kirche Karlheinz Deschner Kriminalgeschichte des Christentums Dritter Band Die alte Kirche Fälschung, Verdummung, Ausbeutung, Vernichtung Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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1.979 Deschner Bd. 3Dritter Band: Die alte Kirche

Karlheinz Deschner

Kriminalgeschichte des Christentums

Dritter Band

Die alte Kirche

Fälschung, Verdummung,Ausbeutung, Vernichtung

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1.980 Deschner Bd. 3Widmung

Gewidmet besonders meinen Freunden AlfredSchwarz und Herbert Steffen sowie allen, derenselbstlosen Beistand ich, nach dem steten meiner El-tern, dankbar erfuhr:

Wilhelm AdlerProf. Dr. Hans AlbertLore AlbertKlaus AntesElse ArnoldJosef BeckerKarl BeerschtDr. Wolfgang BeutinDr. Otto BickelProf. Dr. Dieter BirnbacherDr. Eleonore Kottje-BirnbacherKurt BirrDr. Otmar EinwagDr. Karl FinkeFranz FischerKläre Fischer-VogelHenry GelhausenDr. Helmut HäußlerProf. Dr. Dr. Norbert HoersterProf. Dr. Walter HofmannDr. Stefan Kager und Frau Lena

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1.981 Deschner Bd. 3Widmung

Hans KalveramKarl Kaminski und FrauDr. Hedwig KatzenbergerDr. Klaus KatzenbergerHilde und Lothar KayserProf. Dr. Christof KellmannProf. Dr. Hartmut KliemtDr. Fritz KöbleHans KochHans KreilIne und Ernst KreuderEduard KüstersRobert MächlerJürgen MackVolker MackDr. Jörg MagerProf. Dr. H.M.Nelly MoiaFritz MoserRegine PaulusArthur und Gisela ReegHildegunde RehleM. RenardGerman RüdelDr. K. Rügheimer u. Frau JohannaHeinz Ruppel und Frau RenateMartha Sachse

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1.982 Deschner Bd. 3Widmung

Hedwig und Willy SchaafFriedrich ScheibeElse und Sepp SchmidtDr. Werner SchmitzNorbert SchneiderAlfred SchwarzDr. Gustav SeehuberDr. Michael Stahl-BaumeisterProf. Dr. Dr. Dr. h.c.Wolfgang StegmüllerAlmut und Walter StumpfArtur UeckerDr. Bernd UmlaufHelmut WeilandKlaus WesselyRichard WildLothar WilliusDr. Elsbeth WolffheimProf. Dr. Hans WolffheimFranz ZitzlspergerDr. Ludwig Zollitsch

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1.983 Deschner Bd. 3, 111. Kapitel

1. Kapitel

Christliche Fälschungen in der Antike

»Viele heilige Texte stehen heute unter falschemNamen, nicht weil sie unter solchem Namen ver-faßt, sondern weil sie später ihren Trägern zuge-schrieben wurden«. (Doch auch das erstere kamvor – und nicht so selten!) »Derartige ›Fäl-schung‹ des Tatbestandes geht durch das ganzeAltertum, besonders lebhaft durch die israeliti-sche und jüdische Vorstufe des Christentumsund setzt sich innerhalb der christlichen Kircheim Altertum und im Mittelalter fort«.

Arnold Meyer1

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1.984 Deschner Bd. 3, 13Fälschungen im vorchristlichen Heidentum

Fälschungen im vorchristlichen Heidentum

Viele, vielleicht die meisten Menschen scheuen sich,gröbsten Betrug gerade auf dem für sie »heiligsten«Gebiet anzunehmen. Undenkbar scheint es ihnen, daßman die nächste Augen- und Ohrenzeugenschaft feier-lich bei Gott dem Herrn versichern und doch nur eingewöhnlicher Falschmünzer sein könne. Gleichwohlwurde nie gewissenloser, nie häufiger gelogen und be-trogen als im Bereich der Religion. Zumal im Chri-stentum, dem allein wahren, seligmachenden, gras-siert das tückische Hinterslichtführen, tut sich einschier unendlicher Dschungel der Täuschung auf seitder Antike – und im Mittelalter erst recht. Fälschtman doch noch im 20. Jahrhundert, höchst massiv, of-fiziell (I 86 ff). So fragt J.A. Farrer fast verzweifelt:»Wenn man erwägt, was alles aus diesem systemati-schen Betrug entsprang, all die Kämpfe zwischenPäpsten und weltlichen Herrschern, die Absetzungvon Königen und Kaisern, die Exkommunikationen,die Inquisitionen, die Ablässe, Absolutionen, Verfol-gungen und Verbrennungen usw. und bedenkt, daßdiese ganze elende Geschichte das unmittelbare Er-gebnis einer Reihe von Fälschungen war, von denendie ›Donatio Constantini‹ und die ›Falschen Dekreta-len‹ zwar nicht die frühesten, aber die wichtigsten

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1.985 Deschner Bd. 3, 14Fälschungen im vorchristlichen Heidentum

waren, so fühlt man sich zu fragen veranlaßt, ob we-niger die Wahrheit als die Lüge die dauernde Einwir-kung auf die Geschicke der Menschheit gehabt hat«2.

Nun ist der folgenreichste, die meisten Seelen ver-heerende Trug, die literarische Fälschung, gewißkeine christliche Erfindung. Ebensowenig die engdamit zusammenhängende religiöse Pseudepigraphie.(Ein Pseudepigraphon ist ein Schriftstück unter fal-schem Namen, ein Text, der nicht von dem stammt,der ihn auf Grund des Titels, des Inhalts, der Überlie-ferung verfaßt haben soll.) Beide Methoden, Fäl-schung und Pseudepigraphie, waren im Christentumso wenig neu wie irgend etwas sonst – der Religions-krieg ausgenommen. Literarische Fälschung gab eslängst bei Griechen und Römern, gab es von derFrühzeit bis in den Hellenismus, die Kaiserzeit hin-ein, gab es bei indischen Weisen, ägyptischen Prie-stern, persischen Königen und nicht zuletzt im Juden-tum3.

In der ganzen Antike war eine ausgedehnte, sehrvariable Fälschungspraxis üblich. Die große Leicht-gläubigkeit der Zeit machte sie möglich. Doch wärees verkehrt, aus der Leichtgläubigkeit gegenüber derFülle der Fälschungen deren »Erlaubtheit« zu er-schließen. Vielmehr, wie nicht ich zum erstenmal er-kenne, resultiert die Fülle der Fälschungen aus derLeichtgläubigkeit der Zeit. So kam es schon seit He-

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1.986 Deschner Bd. 3, 14Fälschungen im vorchristlichen Heidentum

rodot im 5. vorchristlichen Jahrhundert, als gerade inAthen die Verbreitung einer Schrift durch den Buch-handel begann (ein lebhafter Handel mit Kopien füreinen relativ geringen Preis), zur Kritik von Fälschun-gen, zur Aufstellung von Echtheitskriterien, zu gewis-sen, manchmal akribischen Methoden ihrer Entlar-vung in den verschiedensten Literaturgattungen,wobei man noch verhältnismäßig harmlose Falsa er-faßte. Auch das Plagiat, soweit die Absicht zu täu-schen vorhanden war, hat die antike Ästhetik ent-schieden verurteilt4.

Gewiß darf man unser kritisches (und ach so ethi-sches) Bewußtsein nicht ohne weiteres auf das Alter-tum übertragen. Verwarf diese Zeit die Fälschungaber auch nicht allgemein als schweres moralischesDelikt nach heutigem Verständnis, so wurde sie dochauch nicht als beliebte Selbstverständlichkeit aufge-faßt und akzeptiert. Zwar war ein antiker Leser ge-wöhnlich arg- und kritiklos, allzu leichtgläubig, ohnepsychologische, sittliche Skrupel, geradezu scharf auf»esoterische« Literatur und somit unschwer fehlzulei-ten, ins Garn zu locken – solche Konsumenten gibt esja auch im späten 20. Jahrhundert noch genug. Dochso grundverschieden waren die beiderseitigen philolo-gischen Maßstäbe nicht. Die Antike kannte eine (kei-nesfalls nur gelegentliche) Echtheitskritik, eine oftnachweisbare wache Sensibilität; auch eine ehrliche

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1.987 Deschner Bd. 3, 15Der Begriff »geistiges Eigentum« ist ...

Entrüstung über enthüllte Fälschungen. Pseudepigra-phie galt schon seinerzeit als »an ancient, though nothonorable literary devise« (Rist)5.

Der Begriff »geistiges Eigentum« istJahrtausende alt

Das Phänomen der Fälschung – hier meist mehr oderweniger im kriminellen Sinn gebraucht, also mit einerBetrugs- oder Täuschungsabsicht, einer Schuldzuwei-sung verbunden – setzt die Vorstellung vom geistigenEigentum voraus. Denn gibt es diese Vorstellungnicht, gibt es auch keine wirkliche Fälschung.

Da das Fehlen des Begriffs »geistiges Eigentum«vielen, zumal gläubigen Christen angesichts unge-zählter christlicher Betrügereien sehr zustatten käme,hat man sein Vorhandensein für die klassische Antikeund das ausgehende Altertum bestritten, hat es sogarmancher geleugnet, dem man dies kaum zutrauenwürde, wie Gustav Mensching. »Man könnte darandenken«, schreibt er, »auch die zahlreichen religiösenSchriften, die unter falschem Namen in der Religions-geschichte bekannt sind, unter den religiösen Schwin-del zu rechnen. Wie z.B. viele Schriften unter demgroßen Namen des griechischen Philosophen Platonlaufen, die die spätere Wissenschaft als unecht er-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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1.988 Deschner Bd. 3, 16Der Begriff »geistiges Eigentum« ist ...

kannte, so gibt es bekanntlich auch innerhalb des NTSchriften, die nicht von dem Autor stammen, unterdessen Namen sie noch heute dort sich finden. Man-che Briefe stammen z.B. nicht von Paulus, wie etwader Hebräerbrief, die sog. Pastoralbriefe an Timothe-us und Titus, der Epheserbrief. Doch diese Form be-wußter Täuschung gehört nicht in unseren Zusam-menhang; denn in jener Zeit hatte man nicht unsereAnschauung vom literarischen Eigentum und von lite-rarischer Ehrlichkeit. Man war vielmehr geneigt, dieeigenen Schriften unter die große Autorität berühmterNamen wie den des Paulus zu stellen und selbst zu-rückzutreten, um den eigenen Gedanken mehr Nach-druck und Verbreitung zu verleihen. Dem heutigenVerständnis nach handelte es sich hier um literari-schen Betrug«6.

Eben nicht nur dem heutigen nach!Denn war der Begriff »geistiges Eigentum« etwa

im alten Orient, in Ägypten, auch nicht so ausgeprägt,ist er in Griechenland – wo schon die Verfasser von»Ilias« und »Odyssee«, wie heute feststeht, ihre Epenaufschrieben – für das 7. und 6. Jahrhundert nach-weisbar. Zwar kennt die Antike keine juristische Re-gelung, keine Kodifikation dieses Sachverhalts. Dasantike Recht schützte nicht das geistige Eigentum alssolches, sondern nur das »Eigentumsrecht am Werk-stück«, das heißt am Manuskript. Da aber nach einer

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1.989 Deschner Bd. 3, 16Der Begriff »geistiges Eigentum« ist ...

Zeit anonymer Verfasserschaften und Tradierung lite-rarischer Arbeiten in Griechenland schon während des7. und 6. Jahrhunderts nicht nur die Nennung desAutorennamens (von Homer, Hesiod), von Spruch-dichtern, Lyrikern, auch von Vasenmalern, Bildhau-ern aufkam, sondern ebenso Kritik an der Fälschungdes Verfassernamens, der Quellen, eines Briefes, istder Begriff des geistigen Eigentums, der literarischenIndividualität, bereits für jene frühen Jahrhunderte ge-sichert und später den Christen samt der jüdischenund heidnischen Umwelt von Anfang an bekannt.Auch ermöglichte das gerade damals sich verbreiten-de Papyrusbuch eine Herausgabe bestimmter Textemit dem Autorennamen7.

Schon die Schriften der ionischen Philosophen imAthen des 5. Jahrhunderts waren echte Bücher, zähl-ten Sokrates, Platon, später Aristoteles zu ihren Lieb-habern, und die Schreiber zeigten ein ausgeprägtesVerfasserbewußtsein, ein starkes Selbstvertrauen wieetwa Hekataios im Auftakt seiner Genealogien: »Sospricht Hekataios von Milet: Folgendes schreibe ichauf, wie es mir der Wahrheit zu entsprechen scheint;denn die zahlreichen Behauptungen der Hellenen sindmeiner Meinung nach lächerlich«.

Daß man die Werke der großen Autoren schon im4. Jahrhundert kontrollierte, besonders wenn ihnenEntstellungen drohten, beweist das berühmte »Staats-

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1.990 Deschner Bd. 3, 17Der Begriff »geistiges Eigentum« ist ...

exemplar«, in das der Staatsmann und Redner Lykurgum 330 die Dichtungen der drei großen Tragiker ineiner Textgestalt aufnehmen ließ, die fortan für alleAufführungen verbindlich war. Der Staatsschreiberlas daraus den Schauspielern den Wortlaut ihrer Rollevor, und sie mußten ihre Kopien entsprechend berich-tigen. »Diese ganze Maßnahme war augenscheinlichnotwendig geworden, da die im Archiv aufbewahrtenExemplare, welche die Dichter ehedem bei der Bewer-bung um Zulassung zum Agon eingereicht hatten, er-neuert werden mußten. Offenbar konnte man aber alsErsatz nicht diejenigen Texte wählen, die der Buch-handel feilhielt; denn diese waren durch Lesefehlerentstellt, oft auch durch Eingriffe der Regisseure undSchauspieler. Ob es Lykurg gelang, unverfälschte Ko-pien von den Nachkommen der Dichter zu erhalten,wissen wir nicht. Wir dürfen aber annehmen, daß eralles tat, um in jedem strittigen Falle die beste Fas-sung zu finden« (Erbse)8.

Seit Beginn des Hellenismus wurden dann dieTexte vieler Autoren wirklich wissenschaftlich über-wacht, was vor allem die Gründung der großen ale-xandrinischen Bibliothek unter Alexander d. Gr.Freund, Ptolemaios I. Soter (367/366–283/282), er-möglichte, der selber Verfasser einer heute meist hocheingeschätzten Alexandergeschichte war. Schon um280 v. Chr. soll die Bibliothek, die kein Geld für den

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1.991 Deschner Bd. 3, 18Der Begriff »geistiges Eigentum« ist ...

Erwerb wertvoller Exemplare sparte, eine halbe Milli-on Rollen enthalten haben; die kleinere Bibliothek desSerapeions etwa 40000. Viele namhafte Direktorenwirkten hier. Man sorgte für eine Auswahl guterHandschriften und erstrebte, methodisch meisterhaft,einen authentischen Wortlaut besonders der Klassi-ker9.

Auch einzeln kümmerten sich Anspruchsvolle umeine unverderbte Form ihrer Arbeit. So verfaßt im 2.Jahrhundert n. Chr. Galen, dessen Werke man ge-fälscht, unter anderen Namen angeboten, durch unech-te Produktionen vermehrt hatte, zwei eigene Schriften,nur um seine Bücher kenntlich zu machen und ihrerFälschung oder doch Verwechslung vorzubeugen(vgl. S. 24). Im 3. Jahrhundert gewahrt der großeChristengegner Porphyrios (I 210 ff) Falsa im pytha-goreischen, gnostischen, biblischen Schrifttum. Kurz,man kannte das Phänomen der Fälschung gut und ent-wickelte diesbezüglich eine evidente Aversion, diffe-renzierte Methoden, eine kritische Aufmerksamkeitbei Griechen wie Römern10.

Viele Fälschungen können heute nicht mehr (mitSicherheit) eruiert werden, bei vielen anderen ist dieshingegen wieder möglich. Dabei sind außerliterari-sche Motive, Tendenzen, natürlich stets durch eineFülle anderer Gründe zu stützen, durch äußere und in-nere Kennzeichen, durch anderweitige Bezeugung, be-

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1.992 Deschner Bd. 3, 18Der Begriff »geistiges Eigentum« ist ...

sonders durch die kritische Betrachtung der Sprache,des Stils, der Komposition, des Zitierens, der Quel-lenbenutzung. Nicht zuletzt spielen hier Anachronis-men und vaticinia ex eventu (Prophezeiungen imnachhinein) eine Rolle. In manchen Fälschungensteckt auch Echtes. Und umgekehrt. Solche Mixturensind häufig. Gefälschte Briefsammlungen könnenechte Stücke enthalten oder, viel häufiger freilich,echte Sammlungen ganz oder teilweise gefälschteBriefe, natürlich auch echte Briefe, die aber interpo-liert worden sind. Versierte Fälscher mischen Fal-sches mit Authentischem11. Nicht alles ist gefälscht,was so aussieht. Natürlich ist nicht alles Fälschung,sieht es auf den ersten Blick auch danach aus.

So gibt es eine durchaus harmlose, legitime, oft(bis heute) praktizierte Pseudonymität, indem etwaein junger, unbekannter oder ein bereits berühmterVerfasser sich dem Publikum unter anderem Namenvorstellt; der eine vielleicht aus Angst, die eigenen,öffentlich ja noch nicht bekannten oder gar anerkann-ten. Gedanken zu verbreiten, aus Scheu also vor derKritik; der andere, um sich über sie lustig zu machen.Gewiß auch ist es keine Fälschung, wählt ein Promi-nenter, was in der Antike freilich selten vorkommt,freiwillig ein Pseudonym, einen Namen, der nicht mitdem einer bekannten Persönlichkeit identisch ist, wiedas gelegentlich Xenophon, Timokles, Iamblich u.a.

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1.993 Deschner Bd. 3, 19Der Begriff »geistiges Eigentum« ist ...

tun. Sicher spielt bei alldem die Lust an Mystifikati-on, spielen Eitelkeit und Eigendünkel, die Sucht, sichinteressant zu machen, als Namenloser sich wie einBerühmter aufzuspielen, in dessen Maske zu schlüp-fen, die Lust am Lügen um des Lügens willen eineRolle12.

Manchmal wollten solche Schriftsteller auch nichtwirklich hinters Licht führen, wollten sie nur foppen,nur vorübergehend bluffen, bis sie die Wahrheitdurchschimmern ließen, der Leser sich als genarrt er-kannte und der Täuscher, der gar kein ernsthafter Täu-scher, kein Betrüger war, sich doppelt amüsierte. Undselbstverständlich konnten auch gleichlautende Ver-fassernamen oder Buchtitel zu Verwechslungen füh-ren. Zumal bei Zitaten sind Irrtümer leicht möglich13.

Wie ein pseudonymes Werk, ist auch ein anonymeskeine Fälschung. Es kann allerdings eine sein, wennes – wie viele Heiligen-Leben oder Märtyrer-Passio-nen – fälschlich als echtes Dokument erscheinen will,also außerliterarische Absichten hat14.

Dagegen sind gewisse dichterische, gewisse drama-tische, ironische Methoden, sind freie Erfindungen imReich der Poesie, Parodien etwa, Utopien, sind alleaus künstlerischen Gründen gewollten Mystifikatio-nen wieder keine Fälschung, vielmehr durchaus legi-time literarische Lizenz. Zum Beispiel wenn einAutor Fabeln schreibt. Oder wenn er Persönlichkeiten

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1.994 Deschner Bd. 3, 19Der Begriff »geistiges Eigentum« ist ...

Worte in den Mund legt, Reden, die diese nie gespro-chen, nie gehalten haben. Oder wenn er in der Maskeeines anderen auftritt, wofür es ungezählte, auch sehrberühmte Paradigmen gibt; so in der Neuzeit Pascals»Briefe an einen Freund in der Provinz«, worin er alsPariser Edelmann die Jesuitenmoral geißelt. In allenähnlichen Fällen liegen nur dichterische Fiktionenvor, ohne jede betrügerische Absicht15.

Es wäre auch lächerlich, jeden Brief, der unter fal-schem Namen steht, als Falsum auszugeben, schonweil ungezählte Briefe oder auch Reden Produktebloß rhetorischer Übungen von Schülern sind, sozu-sagen zweckfreies literarisches Training, Spielerei,Erzeugnisse, die man in der Antike für echte Urkun-den hielt – und um manche solche Texte, etwa desSallust, streiten die Gelehrten heute noch. Auch in derSchule der Philosophen, der Ärzte, tradierte man häu-fig Schülerleistungen als Werke von Meistern, wiewir besonders aus pythagoreischen Schulüberlieferun-gen wissen16.

All dies und derartiges mehr beiseite, wurde bereitsim Altertum unbedenklich drauflosgefälscht, zugleichaber oft so undurchsichtig und raffiniert wie möglich.Man praktizierte die unterschiedlichsten Betrugsme-thoden ebenso wie die verschiedenartigsten Beglaubi-gungsmittel, das heißt gefälsche »Echtheitskriterien«,was freilich erst durch die jüngste Forschung ins

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1.995 Deschner Bd. 3, 20Der Begriff »geistiges Eigentum« ist ...

Licht gerückt worden ist. So wurde evident, »daß an-tike (auch christliche) Autoren sich zu Täuschungsab-sichten beträchtlich mehr ›erlaubt‹ haben, als mannach heutigen Begriffen sich vorzustellen disponiertund bereit ist. Man kann, konkret gesagt, zum Bei-spiel nicht im vorhinein das Ausmaß der erwartbaren›Raffinesse‹ ansetzen oder Echtheitsthesen mit demHinweis auf Wahrhaftigkeitsbeteuerung eines glaub-würdigen und religiös gebundenen Autors stützenwollen« (Brox). Nicht genug: die Fakten führen hiersogar zu der Erfahrung: »Je bestimmter die Form, inder die Angabe auftritt, desto schwindelhafter ihr In-halt« (Jachmann). Oder wie Speyer schreibt: »Je ge-nauer die Angaben sind, desto falscher sind sie«17.

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1.996 Deschner Bd. 3, 20Literarische Fälschungen bei den Griechen

Literarische Fälschungen bei den Griechen

Die Griechen schätzten zwar die Wahrheit sehr hoch.Ja, man hat behauptet, daß die klassische Periodeihrer Literatur in einzigartiger Weise von literarischenFälschungen frei gewesen sei, daß sie kein authenti-sches Beispiel einer solchen Fälschung biete, und diesmit der Bemerkung erklärt, »literarische Fälschungenkönnen in einer Zeit geistiger Kreativität nicht gedei-hen«. Und doch fälschten auch die griechischen Lite-raten und Priester in erstaunlichem Umfang18.

Ein sehr früher Fälscher ist der im 6. vorchristli-chen Jahrhundert am Hof der Peisistratiden lebendeAutor Onomakritos von Athen, ein Orphiker, derhohes Ansehen genoß, Freund und Berater des Tyran-nen Peisistratos war, dann aber wegen der Fälschungvon Orakeln und ihrer Interpolation in die Musaios-orakel aus der Stadt verbannt worden ist. Auch unterdem Namen Orpheus, des berühmten mythischen Sän-gers, den man für älter als Homer und Hesiod hielt,scheint er seine Kunst angewandt zu haben. Jedenfallskursierten Texte, die sich als solche des Orpheus (undMusaios) ausgaben und seinen Anhängern als »heili-ge Schriften« (hieroi logoi) galten, bald in vielen Va-rianten, Verstümmelungen, Ergänzungen, Umarbei-tungen. In hellenistischer Zeit und besonders in der

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1.997 Deschner Bd. 3, 21Literarische Fälschungen bei den Griechen

Kaiserzeit vermehrten sich noch die Erzeugnisse, dievorgaben, von einer bestimmten geschichtlichen Per-son aus der Epoche vor dem Trojanischen Krieg oderdoch von frühen orphischen Dichtern zu stammen.Und obwohl sie von faustdikken Anachronismenstrotzen, platonischen, stoischen, neuplatonischen,sogar biblischen, wurden sie in der Antike allgemeinals historisch anerkannt, besonders von den Kirchen-vätern – während als erster, ganz isoliert freilich, be-reits Aristoteles sehr skeptisch war, so daß Ciceroschrieb: »Orpheum poetam docet Aristoteles num-quam fuisse«19.

Unter dem Namen des Hippokrates aus Kos (um460–370 v. Chr.), des Begründers der Medizin alsWissenschaft und Ideals des Arztes überhaupt, ver-breitete man im Lauf eines halben JahrtausendsSchrift um Schrift. Doch von seinen 130 angeblichenWerken (auch diese Zahlen schwanken) erkennt dieForschung nicht die Hälfte als echt an. Und diesewurden verschiedentlich interpoliert und entstellt20.

Viele Fälschungen gab es in der philosophischenLiteratur. Darunter Dutzende unechter Texte des Pla-ton und zahlreiche des Aristoteles. Bei Platons Brie-fen besteht noch heute kein eigentlicher Konsensunter den Gelehrten. Man streitet darüber, ob dersiebte echt ist, vielleicht auch der achte; die Mehrzahlist sicher unecht. Ein gefälschter Briefwechsel zwi-

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1.998 Deschner Bd. 3, 22Literarische Fälschungen bei den Griechen

schen dem Pythagoreer Archytas und Platon beglau-bigt und empfiehlt gefälschte Schriften des Pythagore-ers Okellos. So dient eine Fälschung der andern21.

Häufig wurden Pythagoras Bücher unterschoben,gerade weil er, wie Sokrates oder Jesus, nie welchegeschrieben hatte. Man wußte dies. Doch angesichtsder großen Schar rivalisierender Lehrautoritäten be-seitigte man, um konkurrenzfähig zu bleiben, das völ-lige Fehlen authentischer Texte des Meisters durcheine Vielfalt von Fälschungen. Darin unternahm manauch den Nachweis, daß die (späteren) griechischenPhilosophen von Pythagoras abhängig seien. Und wiebei den Orphikern ist auch bei den Neupythagoreern,den Hermetikern, Apokalyptikern die literarische Fäl-schung zum Zweck wirkungsvoller Propaganda gera-dezu die überlieferte Form, die Regel – und manchedieser Falsa ähneln manchen jüdischen und christli-chen22.

Sehr viele Reden waren unecht.So bezeichnet zur Augusteischen Zeit der griechi-

sche Rhetor und Literaturkritiker Caecilius von KaleAkte (Sizilien), mit Dionysios von Halikarnass Be-gründer des literarischen Attizismus, von den 71 fürDemosthenes bezeugten Reden 6, von den 60 Redendes Antiphon (404/403 v. Chr. hingerichtet) 25, vonden 60 Reden des Isokrates 28 (Dionysios 25) alsnicht authentisch. Von den 77 Reden des Isokrates-

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1.999 Deschner Bd. 3, 22Literarische Fälschungen bei den Griechen

(nach andern Platon-)Schülers Hypereides (322 v.Chr. hingerichtet) galten 25, von den 425 der für Ly-sias bezeugten Reden 192 als unecht. Gewiß hatteman viele dieser unter falscher Flagge segelndenReden ursprünglich keinesfalls in betrügerischer Ab-sicht erstellt. Die meisten waren – oft sehr geschick-te – Übungen von Schülern, die im Unterricht fiktiveReden schreiben mußten, die die Griechen melétai,die Römer suasoriae nannten, und die dann die anti-ken, nicht im besten Ruf stehenden Buchhändler alsechte Reden in Umlauf brachten. Gleichwohl stehtfest, daß man eine stattliche Zahl unechter Reden dengroßen Meistern mit Absicht untergejubelt hat23.

Den Höhepunkt, zumindest zahlenmäßig, erreichtdie literarische Fälschung bei den Griechen in derBriefliteratur. Alfred Gudeman fand »kaum eine be-rühmte Persönlichkeit der griechischen Literatur oderGeschichte von Themistokles bis hin zu Alexander,die nicht mit einer mehr oder weniger ausgedehntenKorrespondenz bedacht worden wäre«. Allein 148überlieferte Briefe des Phalaris, des Tyrannen vonAkragas (570–544 v. Chr.), wurden durch R. Bentley1697 und 1699 als antike Fälschungen erwiesen, Fäl-schungen von so hohem literarischem Niveau, daß sieBentley selbst (wohl etwas übertreibend) den BriefenCiceros ebenbürtig nannte. Auch die oft für echt ge-haltenen Briefe des Brutus, der als Schriftsteller viel-

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2.000 Deschner Bd. 3, 22Literarische Fälschungen bei den Griechen

seitig war, akademische Abhandlungen, Gedichte,Reden verfaßte, »dürfen nun als endgültig erledigtgelten« (Syme)24.

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2.001 Deschner Bd. 3, 23Literarische Fälschungen bei den Römern

Literarische Fälschungen bei den Römern

Bei den Römern spielte die literarische Fälschung,entsprechend der geringeren Bedeutung ihrer Litera-tur, eine kleinere Rolle. Geübt wurde sie selbstver-ständlich auch bei ihnen aus verschiedensten Anläs-sen. Und gelegentlich schritt man dagegen ein25.

181 v. Chr. fand man in Rom angebliche Schriftendes Numa Pompilius, des hochverehrten Sakralgesetz-gebers und Friedensregenten. Er hatte die Römer zuRecht und Sitte angehalten, Tempel und Altäre gestif-tet, unblutige Sühneopfer für Blitze eingeführt – derVergleich eines Kaisers mit ihm galt als hohes Lob.Die entdeckten Fälschungen, teils kultischen, teils py-thagoreischen Inhalts, propagierten vielleicht die grie-chische Philosophie in Rom oder eine Religionsre-form nach pythagoreischem Vorbild. Livius berichtet,man habe die dem Numa zugeschriebenen Bücher so-fort verbrannt, nachdem der Betrug aufgedeckt war26.

Ein hochberühmter Schwindel, eine Sammlung von30 Biographien römischer Thronanwärter und Usur-patoren von Hadrian (117–138) bis zu Numerianus(284 von seinem Schwiegervater, dem Prätorianerprä-fekten Aper, ermordet), ist die »Historia Augusta«.

Das Opus, nicht vollständig tradiert und nur durchein einziges (verlorengegangenes) Exemplar über das

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2.002 Deschner Bd. 3, 24Literarische Fälschungen bei den Römern

Mittelalter hin erhalten, will von sechs sonst nichtweiter bekannten Verfassern der Zeit Diokletians undKonstantins stammen. In Wirklichkeit ist die »Histo-ria Augusta«, von deren immens vielen eingelegtenAktenstücken nur ein Dokument echt ist, das Werkeines einzigen anonymen Fälschers, der etwa um dasJahr 400 schrieb. Diese Ansicht hat sich seit derscharfsinnigen Analyse H. Dessaus (1889) allmählichdurchgesetzt und kann heute durch die Arbeiten J.Straubs und E. Hohls als gesichert gelten. Der Autorwar Heide und schuf, offenbar um ungefährdet zubleiben, anonym eine Art »pamphlet against Christia-nity« (A. Alföldi), eine »Heidnische Geschichtsapolo-getik«, wie der Titel eines Straub-Buches beginnt,»eine der elendsten Sudeleien, die wir aus dem Alter-tum haben«, nach Mommsen. Und doch hat diese solange heiß diskutierte Fälschung einen geistreichenVerfasser sowie einen wertvollen Bestand an zuver-lässiger Überlieferung und gehört trotz ihrer vielen er-schwindelten Dokumente, ihrer eingestreuten Mirakel,Anekdoten, Kuriositäten noch immer »zu den wichtig-sten, den unentbehrlichsten Quellen für die Erfor-schung der römischen Kaisergeschichte des 2. und 3.Jahrhunderts« (Straub)27.

Gelegentlich wurden auch moralische Spruchbü-cher, politische Reden, Invektiven, wissenschaftlicheWerke in Rom gefälscht; wurde das vulgärethische

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2.003 Deschner Bd. 3, 24Literarische Fälschungen bei den Römern

Handbuch der »Dicta Catonis«, das als Schulbuch imMittelalter eine breite Wirkung hatte, mit dem Namendes angeblichen Verfassers Cato verbunden; wurdeeiniges Cicero oder Cäsar unterschoben, das fingierteTagebuch eines Augenzeugen im Trojanischen Krieg,des Diktys von Kreta, verfaßt. Und als Galenos ausPergamon (129–199), nicht nur der letzte große Arztder Antike, sondern, trotz aller Irrtümer und Schwä-chen, einer der bedeutendsten Ärzte darüber hinaussowie Autor eines riesigen, fast eineinhalb Jahrtau-sende unbestrittenen Œuvres, eines Tages über denrömischen Buchmarkt schlenderte, fand er Falsa unterseinem eigenen Namen angeboten28.

Fälschungen werden manchmal – wenn über-haupt – erst spät entdeckt oder doch als solche erwie-sen, was hier, der Kuriosität und Berühmtheit wegen,noch ein Fall bestätigen mag, der über unsren Zeit-raum weit hinausführt.

Im Jahr 45 v. Chr. starb Ciceros einzige TochterTullia. Cicero fiel, zwei Jahre vor seiner Ermordung,in tiefe Depression und schrieb die »Consolatio«, inder er als erster, wie er sagt, sich selber getröstet.Außer spärlichen Fragmenten blieb nichts erhalten.Aber 1583 erschien das Werk, ohne jedes erläuterndeWort, gedruckt in Venedig, ausgezeichnet durch denGlanz der Sprache Ciceros und die Weisheit seinerGedanken. Einige Gelehrte schöpften jedoch sofort

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2.004 Deschner Bd. 3, 25Literarische Fälschungen bei den Römern

Verdacht; als erster, mit einer kurzen Kritik, AntoniusRiccobonus aus Padua. Darauf bat der Herausgeberder »Consolatio«, Franciscus Vianelli, einen der her-vorragendsten Wissenschaftler der Zeit, den Lehrerauch des Riccobonus, Carlo Sigonio, Professor inPadua, Venedig und Bologna, um Stellungnahme.Trotz anfänglichen Mißtrauens und trotz einigerschlecht formulierter Stellen mißbilligte es Sigonio,das Werk als Ganzes zu verwerfen. Wenn Cicero esnicht schrieb, fragte er, welcher Mann unserer Zeitkönnte es sonst geschrieben haben? Darauf antworteteRiccobonus nach einer zweiten ausführlicheren Kri-tik: Sigonio – und zweihundert Jahre später bekam errecht29.

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2.005 Deschner Bd. 3, 25Fälschungsmotive

Fälschungsmotive

Die Motive für die Fälschung einer Schrift – vorallem, doch keinesfalls nur durch Verfasserschaftsfik-tion – waren zahlreich und naturgemäß sehr verschie-den; verschieden wie die Methoden, die technischenVerfahren. Häufig gab pure Profitgier den Ausschlag,etwa auf Liebhaberpreise für vermeintliche Arbeitenrenommierter alter Autoren. So entstand beispielswei-se durch den Aufbau der großen Bibliotheken inAlexandrien und Pergamon in den letzten vorchristli-chen Jahrhunderten ein beträchtlicher Bedarf an Wer-ken der Meister. Und da die Klassiker viel höher be-wertet wurden als die zeitgenössischen Literaten, lie-ßen sich nicht wenige verführen, ihre Imitationen frü-her Schriften als echte auszugeben, um derart nichtunerhebliche Gewinne einzustreichen30.

Neben finanziellen Beweggründen gab es juristi-sche, politische, lokalpatriotische Motive.

Man fälschte etwa, um irgendeinen vermeintlichenoder wirklichen Rechtsanspruch zu verteidigen. Manfälschte zum Vorteil einer Sache, einer Partei, einesVolkes oder natürlich auch zu ihrem Nachteil: umeine Stadt, eine Regierung, eine wichtige Persönlich-keit zu kompromittieren. Ein Beispiel bereits aus dem5. vorchristlichen Jahrhundert ist ein angeblicher (im

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2.006 Deschner Bd. 3, 26Fälschungsmotive

Kern vielleicht sogar historischer) Briefwechsel zwi-schen Pausanias und Xerxes mit dem Angebot desspartanischen Regenten, die Tochter des Perserkönigszu heiraten. Oft brauchte man dabei erst gar nicht mitHilfe eines fiktiven Autorennamens ganze Bücher fäl-schen. Man konnte aus persönlichem oder partei-lichem, aus wissenschaftlichem oder pseudowissen-schaftlichem Interesse in echte Werke durch Interpo-lationen, Verstümmelungen, »Korrekturen« eingrei-fen. Nicht zuletzt ließen sich Übersetzungen manipu-lieren zugunsten bestimmter Tendenzen. Selbstver-ständlich bevorzugte man dafür die Schriften aner-kannter Autoritäten. So soll Solon einen Vers in die»Ilias« eingeschoben haben, um seine Ansprüche aufdie Insel Salamis zu untermauern31.

Außer pekuniären, politischen, rechtlichen Grün-den gab es natürlich auch private Anlässe zu Fäl-schungen, persönliche Ranküne, Rivalität. Und nichtzuletzt fälschte man in apologetischer Absicht, zurVerteidigung, zur Propagierung eines Glaubens, einerReligion.

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2.007 Deschner Bd. 3, 27Irrtum und Fälschung in frühen Kulten

Irrtum und Fälschung in frühen Kulten

Am Beginn einer Religion, zumindest einer alten,steht wohl kaum die Fälschung, wohl aber der Irrtum,wie noch am Anfang des Christentums: das sichersteErgebnis der modernen historisch-kritischen christli-chen Theologie (S. 70 ff).

Der Mensch kam vermutlich auf ganz »natürliche«Weise, über die Natur eben und seine Psyche, zumGlauben an Gott. In langen Prozessen phantastischenTastens, in unabsehbaren Phasen des Imaginierens,Abstrahierens, Hypostasierens, über Idiosynkrasiender Angst wohl vor allem, vielleicht auch des Glücks,gelangte er zu Dämonen-, Geister-, Göttervorstellun-gen, von der Ahnenverehrung über Animismus undTotemismus zum Polytheismus, Henotheismus, Mo-notheismus. Mit Betrug hat das ursprünglich nichtszu tun, um so mehr wohl mit Furcht, Hoffnung, mitUnsicherheit, Wunschträumen. Begründet an Religio-nen ist im wesentlichen nur, was ihnen lange voraus-geht, das Fragen nach unsrem Woher, Wohin, dasWarum. Genau dies hält sie ja auch am Leben. So-bald jedoch die Antworten beginnen, die unbewußten,halbbewußten, die Unterstellungen, Behauptungen,beginnt auch das Lügen, das Fälschen zumal durchjene, die davon leben, die dadurch herrschen32.

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2.008 Deschner Bd. 3, 27Irrtum und Fälschung in frühen Kulten

In der Antike geht die Kritik, der Argwohn, derWiderstand gegen Fälschungen von einzelnen aus.Die Masse ist dem Mirakulösen, Legendären ergeben,sogenannten Geheimwissenschaften, Geheimüberlie-ferungen. Sind doch selbst die gebildeteren Schichtenoft reichlich leichtgläubig, gierig nach Göttererschei-nungen, Offenbarungen, uralten Urkunden – und, wieder vielgereiste Pausanias sagt, »es ist nicht leicht, dieMenge vom Gegenteil dessen zu überzeugen, was sienun einmal glaubt«; was ohne Einschränkung weitergilt, auch wenn die Fälschungen seltener gewordensind, seltener werden mußten, andererseits aber, ana-chronistisch genug, in den alten Religionen fortlebenoder in neue Formen sich hüllen: Spiritismus, Theo-sophie, Psychomorphismus u.a.33

In gewissen Gebieten des Orients, des Mittelmeer-raums, war die Vorstellung, Gott sei der Offenbarerund Verfasser mündlich oder schriftlich überlieferterGesetze, sehr verbreitet, wohl auch sehr alt und viel-leicht sogar unabhängig entstanden von jeder rationa-len Berechnung, von Täuschung, Betrug. Jedenfallsdarf man längst nicht alles, was in der Frühzeit alsgöttliche Urkunde galt, als Wort Gottes, Fälschungnennen, Priesterschwindel, auch wenn es, von heuteaus betrachtet, so scheint oder ist34.

Im alten Orient erschienen Götter ihren Schützlin-gen, sie sprachen, speisten mit ihnen, ihre Ich-Rede

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2.009 Deschner Bd. 3, 28Irrtum und Fälschung in frühen Kulten

wird zumindest zunächst als wirklich erlebt.Viele Beispiele liefert Ägypten, wo die – nach älte-

stem Glauben – in jedem Wesen wirkende Kraft Ka,ursprünglich als sexuelle Potenz des Mannes angese-hen, im Lauf der Frühgeschichte Gottheiten gebiert(bzw. die Götter den Ka verleihen). Aus diesen Göt-tern entsteht wieder, bereits in der Herakleopoliten-zeit: »Gott« (nt_r); eine Entwicklung, auf die auch dieReformation Amenophis' IV. (Echnaton, 1364–1347v. Chr.; mit Nofretete verheiratet) hinzielt, indem siedie sichtbare Sonnenscheibe gegen die alten »Götter«durchzusetzen und diese auszutilgen sucht35.

In Ägypten war nun der Glaube an »schreibendeGötter«, an Gott im wörtlichen Sinn als Autor, wohl-bekannt; eine Vorstellung, die sowohl eine Schriftkul-tur als auch noch einen Rest mythischen Denkens vor-aussetzt. Weise Priester erschienen als Inkarnationdes Gottes Thot, was sie sprachen und schrieben, galtals sein Werk, was der ägyptische Name »Tintenfaßdes Thot« drastisch (doch mit schiefem Bild) verdeut-licht. Und gewiß hat es auch nichts mit Betrug zu tun,wenn sich in der Totenliteratur der Ägypter – diemehr als jedes andere Volk Vorkehrungen für einLeben nach dem Leben trafen (auch die Skepsis aberkannten gegenüber dem Jenseitsglauben) – der Totemit der Gottheit gleichsetzt, sich sozusagen in ihreSchöpferkraft hineinrückt; wenn er bei der mit dem

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2.010 Deschner Bd. 3, 28Irrtum und Fälschung in frühen Kulten

ausgehenden Alten Reich beginnenden Demokratisie-rung hofft, wie der König im Tod zu Gott Osiris zuwerden, dem Schützer der Toten, und dadurch seinWeiterleben im Jenseits sichert. Oder wenn es heißt:»Ich bin Atum«. »Ich bin Re«. Es war dies nur, kraftder sogenannten Identifikationsformel, kraft einer ma-gischen Usurpation des Gottes, der Versuch desÄgypters, »aus seinem Ewigkeitsdrang heraus imBlick auf den Tod den bestmöglichen Weg zur eige-nen Dauer« (Morenz) zu gewinnen. Es war gleichsameine »Waffe, um den Schlag der Ereignisse abzuweh-ren« (Lehre für Meri-Ka-Re). Oder banaler, dochnicht weniger zutreffend, es war die aus so vielen Re-ligionen bekannte Bemühung, den eigenen Nutzendurch göttliche Verehrung zu erkaufen36.

Aber auch in Ägypten gedieh die religiöse Fäl-schung schon früh und erfuhr nach dem Tod Alexan-ders, durch das Eindringen orientalischer Vorstellun-gen, einen mächtigen Auftrieb.

Es versteht sich von selbst, daß zur Fälschung derbewußte, der gewollte Betrug, dolus malus, gehört.Ohne Täuschungsabsicht und außerliterarische Ziel-setzung gibt es keinen Tatbestand der Fälschung.Denn wo keine Täuschungsabsicht besteht, liegt viel-leicht Selbsttäuschung vor, Inspirationswahn, echtereligiöse Ergriffenheit, jedoch kein Betrug, selbstwenn andere dadurch, unwillentlich, betrogen worden

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2.011 Deschner Bd. 3, 29Irrtum und Fälschung in frühen Kulten

sind und noch dadurch betrogen werden. Fälschungsetzt bewußte Irreführung voraus, verfolgt jenseitsvon Ästhetik und Literatur liegende Tendenzen. Esgibt also wohl, wie Wolfgang Speyer annimmt undoft auch aufzeigt, neben der Fälschung »so etwas wie›echte religiöse Pseudepigraphie‹«, gelegentlich vonihm auch »mythische Pseudepigraphie« genannt, diemit Fälschung (vielleicht) so wenig zu tun hat wie dieentsprechende dichterische Erfindung, die (vielleicht)eher Selbsttäuschung ist als Betrug37.

Freilich konnte auch die echte religiöse, die mythi-sche Pseudepigraphie, wie alles Echte, imitiert, miß-braucht werden. Wie man jedenfalls seit langem imNamen alter Meister schrieb, so auch im Namen derGottheit- »im eigenen Namen zu schreiben, war An-maßung und gegen den heiligen Brauch«; und »be-sonders die religiösen Texte« fanden »von Anfang anund im wachsenden Maße Anklang und Anerkennung,wenn auch Philosophen von Fabeln redeten« (A.Meyer)38.

Als religiöse Pseudepigraphen, die unter demNamen von Göttern und mythischen Gestalten durchlange Zeiträume verfaßt werden und umlaufen, nenntdie Forschung die Schriften des Chiron, Linos, Phi-lammon, Orpheus, Musaios, Bakis, Epimenides, Aba-ris, Aristeas, Thymoites, der Prophetinnen Phemonoe,Vegoia u.a. Man erfand da reichlich ungeniert, um

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2.012 Deschner Bd. 3, 30Irrtum und Fälschung in frühen Kulten

nicht zu sagen zynisch, Namen, Autoritäten, Götter,ist es doch, wie Quintilian, Roms berühmter Rhetor,spottet, nicht leicht, das zu widerlegen, was es nie ge-geben hat. Man schuf Orakelsammlungen, als dieOrakel allgemeine Gültigkeit beanspruchten, undschrieb sie eben berühmten Wundermännern zu – wienachher im Christentum Traktate und Traktatsamm-lungen den Aposteln und Heiligen39.

Schon längst in vorchristlicher Zeit hat man auspolitisch-religiösen Gründen Orakel gefälscht, ebensoin nachchristlicher – so das um 150 n. Chr. gegründe-te und bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts bestehendeSchwindel-Orakel des Alexandros von Abonuteichos(Inopolis), des »Lügenpropheten«, wie man freilichviele, die meisten Propheten nennen könnte; hat manangebliche Göttersprüche und Wunderzeichen (eswiederholt sich mutatis mutandis tausendmal im Chri-stentum) zur Anfeuerung der Soldaten benutzt, so derberühmte thebanische Feldherr Epaminondas in derSchlacht von Leuktra (371), bei der er durch Anwen-dung der »schiefen Schlachtordnung« eine neue Ärader Kriegführung begann.

Ganz beiseite, daß man schon im 5. vorchristlichenJahrhundert Delphi, dem berühmtesten Orakel derGriechen, politische Parteilichkeit vorwerfen, daßman hier Fälle von Korruption ans Licht bringenkonnte, ohne freilich, das ist in den heiligsten Dingen

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2.013 Deschner Bd. 3, 30Irrtum und Fälschung in frühen Kulten

so, Delphis Ansehen sonderlich zu schaden40.Manche alten Kritiker, der Kyniker Oinomaos von

Gadara etwa, hielten die Orakel insgesamt fürSchwindel; auch die Heiden Sextus Empiricus undCelsus kritisierten, Lukian verhöhnte sie. Nach den(meisten) Christen sprachen aus den Orakeln, die sieseit dem 4. Jahrhundert erledigten, die bösen Geister,von deren Existenz sie, die Christen, so überzeugt(gewesen) sind41.

Wie erfinderisch aber die Graecia mendax auchwar, die dreisten Schwindeleien der Juden übertrafensie – wie diese dann wieder die alles in den Schattenstellenden Fälschungen der Christen.

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2.014 Deschner Bd. 3, 31Fälschungen im Alten Testament und in seinem ...

Fälschungen im Alten Testament und in seinemUmkreis

»Auf diesen Schlamm, auf diesen Schlamm,großer Gott! Wenn auch ein paar Goldkörnerdarunter waren ... Gott! Gott! Worauf könnenMenschen einen Glauben gründen, durch densie ewig glücklich zu werden hoffen?!«

Gotthold Ephraim Lessing42

»Das kühnste und folgenschwerste Unterfangendieser Art war es, alle Schriften des Alten undNeuen Testaments, bis auf Wort und Buchsta-ben, auf Gottes Geist und Diktat zurückzuführenund somit sowohl über die heiligen Texte wieüber Gottes Verhältnis dazu und über die Artseines Wollens und Wirkens ein schwerwiegen-des Urteil zu fällen.«

Arnold Meyer43

»In den Glaubenskämpfen wurde die Anklageauf Fälschung von allen und gegen alle erho-ben.« »Im Vergleich mit den heidnischen Fäl-schungen fällt die Menge der jüdisch-christli-chen auf.«

Wolfgang Speyer44

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2.015 Deschner Bd. 3, 32Bibeln der Welt und einige Besonderheiten der ...

Bibeln der Welt und einige Besonderheiten derchristlichen Bibel

Das »Buch der Bücher« der Christen ist die Bibel.Das deutsche Wort findet sich zum erstenmal im»Renner« des Bamberger Schulmeisters und Verse-schmieds Hugo von Trimberg (geb. um 1230; Verfas-ser auch einer Sammlung von Predigtmärlein, 200Kalenderheiligenbiographien u.a.). Hugos Prägunggeht zurück auf das lateinische »biblia«, und dieswieder auf das Griechische, den neutrischen Plural »tàbiblía« (die Bücher)45.

Die Bibel ist eine »Heilige Schrift« – und heiligeTexte, heilige Bücher, heilige Schriften gehören in derReligionsgeschichte zum Metier, Geschäft, sie hingenund hängen damit eng zusammen; nicht nur mit demmonetären, auch dem politischen, mit dem des Men-schenherzens überhaupt.

Die Bibeln der Menschheit sind also zahlreich: diedreifache »Veda« des alten Indien etwa, die fünf»ching«, die kanonischen Bücher der chinesischenReichsreligion, der »Siddhānta« des Jainismus, das»Tipit.akam« des Theravāda-Buddhismus, die »Dhar-ma« des indischen Mahāyāna-Buddhismus, das »Tri-piat.akam« des tibetischen Buddhismus, das »Tao-tê-ching« der taoistischen Mönche, das »Avesta« desKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.016 Deschner Bd. 3, 33Bibeln der Welt und einige Besonderheiten der ...

persischen Mazdaismus, der »Kur'ān« im Islam, der»Granth« der Sikh, die »Ginzā« im Mandäismus. InMengen gab es Heilige Schriften in den hellenisti-schen Mysterien, wo man auf sie schon in vorchristli-cher Zeit mit dem schlichten Wort »Schrift« verwies,auch mit der Formel »es steht geschrieben« oder »wiegeschrieben steht«. In Ägypten reichten sakraleSchriften bis in älteste Zeit zurück, nannte man schonim 3. vorchristlichen Jahrtausend einen heiligen Text»Gottesworte« (mdw nt_r). Und hat nicht gerade diemoderne Wissenschaft das heilige Schrifttum so vielerantiker Religionen wieder ausgegraben? Doch selbstfür die Neuzeit gilt hier: Der Schoß ist fruchtbar noch,aus dem das kroch ... So schrieb im 19. Jahrhundertdie Bäuerin Nakayama Mikiko die Heilige Schrift dervon ihr gestifteten Tenrikyŏ-Sekte nieder, gleich 17Offenbarungen (O-fude-saki, »des Pinsels Spitze«),und »Aufzeichnung alter Dinge« (Go-Koki); ja, offen-barte noch nach ihrem Tod dem Zimmermann Iburi,ihrem Jünger und Nachfolger, die »Weisungen« (Osa-shizu)46.

Nun wissen wir freilich: die Bibel ist nicht nur einBuch unter Büchern, sondern das Buch der Bücher.Kein Buch also, das man auch »neben Plato oder denKoran oder alte indische Weisheitsbücher« stellenkönnte. Nein, die Bibel »steht darüber; sie ist einzigund einmalig« (Alois Stiefvater). Beiläufig: auf Ein-

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2.017 Deschner Bd. 3, 33Bibeln der Welt und einige Besonderheiten der ...

zigartigkeit insistieren besonders die monotheisti-schen Religionen (und deshalb sind auch gerade siesozusagen einzigartig intolerant!). »Wie die Weltohne Winde nicht bestehen kann, so kann sie auchohne Israel nicht bestehen«, behauptet der Talmud.Im Koran heißt es: »Du hast uns aus allen Völkern er-koren ... du hast uns erhoben über alle Nationen ...«Und noch Luther trumpft auf: »Wir Christen sind grö-ßer und mehr denn alle Kreaturen ...« Kurz, die Bibelist etwas Besonderes, was unter vielem anderen auchdaraus erhellt, daß die Christenheit in den ersten ein-einhalb Jahrhunderten gar keine eigene »HeiligeSchrift« besaß – und deshalb das heilige Buch derJuden klaute, das Alte Testament, das nach katholi-schem Glauben »der Sonne Christus« als »Morgen-stern« vorangeht (Nielen)47.

Der Name Altes Testament (griech. diathéke =Bund) rührt von Paulus her, der in 2. Kor. 3,14 vomAlten Bund spricht. Die Synagoge, die natürlich keinNeues Testament anerkennt, spricht auch nicht vomAlten Testament, sondern vom Tenach (tenak), einKunstwort, gebildet aus den Anfangsbuchstaben vontōrāh, nebī'īm und ketūbīm: Gesetz, Propheten und(übrige) Schriften. Das sind die Schriften des AltenTestaments, soweit sie hebräisch überliefert wurden,bis heute die »Heilige Schrift« der Juden. Die palästi-nensischen Juden legten den endgültigen »textus re-

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2.018 Deschner Bd. 3, 34Bibeln der Welt und einige Besonderheiten der ...

ceptus« erst auf der Synode von Jabne (Jamnia) zwi-schen 90 und 100 n. Chr. fest, nämlich 24 Bücher,wohl in Angleichung an die Zahl der Buchstaben deshebräischen Alphabets. (Erst die jüdischen Bibeln des15. Jahrhunderts übernahmen eine andere Einteilungund kamen auf 39 kanonische Bücher.) Gott jeden-falls, auf den diese »Heilige Schrift« ja zurückgeht,von dem sie recht eigentlich stammt, hatte zu ihrerAbfassung und definitiven Zusammenstellung immer-hin mehr als ein Jahrtausend gebraucht; kein so langerZeitraum indes, bedenkt man, daß vor ihm tausendJahre wie ein Tag sind48.

Das Besondere der christlichen Bibel zeigt sichweiter darin, daß die verschiedenen Konfessionenauch verschiedene Bibeln haben, daß man nicht ein-mal im Hinblick auf deren Umfang übereinstimmt,daß die einen für heilig halten, was den anderen eheranrüchig, suspekt erscheint.

Die katholische Kirche – die protokanonische, d.h.nie umstrittene, Schriften und deuterokanonische un-terscheidet, deren »Inspiriertheit« zeitweise »ver-kannt« wurde oder als unsicher galt- besitzt ein vielumfangreicheres Altes Testament als das der Juden,aus dem es hervorging. Übernahm sie doch außer demhebräischen Schriftkanon noch weitere Titel in ihre»Heilige Schrift«, insgesamt (nach der Aufzählungdes Tridentinums in der Sitzung vom 8. April 1546,

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2.019 Deschner Bd. 3, 35Bibeln der Welt und einige Besonderheiten der ...

bestätigt vom Vaticanum I 1870) 45 Bücher, nämlichnoch die sogenannten deuterokanonischen: Tobias,Judith, Weisheit, Sirach, Baruch und Jeremiasbrief, 1.und 2. Makkabäer, Gebet des Azarias und Lobgesangder drei Jünglinge im Feuerofen, Geschichte der Su-sanna, Erzählung von Bei und dem Drachen, Esther10,4–16,24.

Der Protestantismus, der ausschließlich die im he-bräischen Kanon stehenden Bücher als autoritativ gel-ten läßt, erkennt dagegen die vom Katholizismus hin-zugefügten deuterokanonischen nicht als kanonisch,als von Gott geoffenbart an, billigt ihnen nur geringenWert zu und nennt sie »apokryph«, womit die Katho-liken Bücher bezeichnen, die nie als kanonisch galten.(Luther berief sich bei seiner Abgrenzung des zumKanon Gehörigen auf das »innere Geisteszeugnis«oder das »inwendige Befinden«. Das 2. Makkabäer-buch beispielsweise eliminierte er u.a., weil ihn diedaraus von seinem Gegner Eck angeführte Stelle überdas Fegefeuer, das er leugnete, störte. Auch meinte ervom selben Buch und vom Buch Esther, daß sie »zusehr judenzen und viel heidnische Unart haben«.Gleichwohl fand er auch die deuterokanonischenSchriften »doch nützlich und gut zu lesen«. Göttlichinspiriert allerdings waren sie nicht; weniger jeden-falls als das »innere Befinden« des Reformators.) Diegriechische Kirche entschloß sich 1672 auf der Syn-

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2.020 Deschner Bd. 3, 35Bibeln der Welt und einige Besonderheiten der ...

ode von Jerusalem, noch vier über den normativenKanon von Jabne hinausgehende Werke – Weisheit,Sirach, Tobias, Judith – zum Wort Gottes zu zählen,womit sie unbescheidener als die Protestanten war,aber nicht so unbescheiden wie die römisch-katholi-sche Kirche49.

Noch umfangreicher als deren Altes Testament warnur der Kanon des hellenistischen Judentums, dieSeptuaginta (abgekürzt: LXX, die Übersetzung der70 Männer, s. Aristeasbrief S. 64). Sie wurde für dieDiasporajuden in Alexandrien durch verschiedeneÜbersetzer im 3. vorchristlichen Jahrhundert geschaf-fen, war das heilige Offenbarungsbuch der griechisch-sprechenden Juden, ist die älteste und wichtigsteÜbertragung des Alten Testaments in das Griechi-sche, die Weltsprache des hellenistischen Zeitalters,und fand als offizielle Bibel des DiasporajudentumsEingang in die Synagoge. Die Septuaginta nahm abermehr Schriften auf, als der hebräische Kanon undeben auch der katholische später gelten ließen. Den-noch stammen die alttestamentlichen Zitate des NeuenTestaments (mit den Anspielungen 270 bis 350) vor-zugsweise aus dieser Septuaginta, ja, sie stellte auchfür die Kirchenväter, die sie eifrig benutzten, das AlteTestament dar und galt ihnen als »Heilige Schrift«50.

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2.021 Deschner Bd. 3, 36»Charakterbilder der biblischen Frauenwelt«

»Charakterbilder der biblischen Frauenwelt«

Zu den Besonderheiten des Alten Testaments gehörtes auch, daß dagegen im Christentum seit je einemehr oder minder heftige Opposition bestand, da die-ser Teil des »Gotteswortes«, der weitaus umfang-reichste, nicht nur von unerhörter kriegerischer Grau-samkeit strotzt (I 71 ff), sondern auch Betrug abseg-net (S. 67 f), Heuchelei, heimtückischen Mord: dieHeldentat des Pinhas etwa, der in ein Zelt schleichtund mit einem Speer ein Liebespaar an dessen Geni-talien durchbohrt; das Blutwerk der Judith von Bethu-lia, die sich ins Lager der Assyrer lügt und arglistigden Feldherrn Holofernes ermordet; den Todesstreichder Jael, die den Sisera, den flüchtenden, aufs äußer-ste erschöpften Feldhauptmann des Königs von Cha-zor gastfreundlich lockt und hinterrücks erschlägt51.

Das und ähnliches weit mehr steht da bereits seitüber zweitausend Jahren. Und es steht da nicht nur, eswird auch gerechtfertigt, es wird gerühmt durch alleZeiten. Noch im 20. Jahrhundert feiert der Alttesta-mentler und Kardinalerzbischof von München, Mi-chael Faulhaber, Feldpropst des Kaisers, ParteigängerHitlers und post festum Widerstandskämpfer, inhohen, höchsten Tönen »die Tat Judiths«, das Tuneiner Frau, die, so er selbst, erst »Lüge geredet«, dann

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2.022 Deschner Bd. 3, 37»Charakterbilder der biblischen Frauenwelt«

»ein ganzes Gewebe von bewußten Lügen gespon-nen«, schließlich »einen Schlafenden meuchlerischhingeschlachtet« hat. Doch Judith fühlte sich, »alsKriegerin des Allerhöchsten mit einer göttlichen Mis-sion betraut ... Der Kampf um die Mauern von Bethu-lia war in letzter Linie ein Religionskrieg ...«52

Steht aber »Heiliges« auf dem Spiel, ist für dieHierarchen stets jede Teufelei erlaubt, vorausgesetztimmer, es geht auch um die Interessen der Kirche, dasheißt um ihre eignen. Folglich wird Friedrich Hebbel,der leidenschaftliche Verächter des Christentums(»die Wurzel alles Zwiespalts«, »das Blatterngift derMenschheit«), mit seiner »Judith« (1840), die ihn be-rühmt machte, abqualifiziert, liefere er doch nur »eintrauriges Zerrbild der biblischen Judith«. Dagegenschneidet ein anderer Dichter bei dem Kirchenfürstenum so besser ab. Nachdem Faulhaber nämlich an dieGlanzleistung der Jahel mit den Worten der Bibel er-innert hat (– »und so nahm sie einen Zeltpflock undlangte nach einem Hammer und ging ganz leise zuihm hin, setzte den Pflock auf die Schläfe seines Kop-fes und schlug ihm mit dem Hammer durch das Ge-hirn hindurch in den Boden«), da nennt er das zwar»unedel, hinterlistig, Heuchelei und Meuchelmord«.Aber die Bibel feiere diese Frau durch den Hymnusder Prophetin und Richterin Debora nun einmal als»nationale Heldin«. Und so feiert sie durch zwei Jahr-

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2.023 Deschner Bd. 3, 37»Charakterbilder der biblischen Frauenwelt«

tausende auch die ganze katholische Welt, auch ihrberühmtester Dramatiker, Calderón, »in einem seiner›Eucharistischen Festspiele‹ ... Der Richterin Deboragab er die allegorischen Figuren der Klugheit und Ge-rechtigkeit, der Jahel die beiden andern Kardinaltu-genden Mäßigkeit und Starkmut zur Seite ... Jahel,die dem Feinde der Offenbarung den Kopf zertrüm-mert, wird zu einem Schattenbild der Immaculata, dienach dem Wortlaut der lateinischen Bibel der altenSchlange den Kopf zertritt. Daher ihre Worte, wäh-rend sie dem Sisara den Kopf vernagelt: ›Stirb, Ty-rann, durch diese Waffen, die ein tief Geheimnis ber-gen.‹ Die ganze Deborageschichte gestaltet sich unterCalderóns Händen zu einer kleinen Marienlehre«53.

Ist das nicht hübsch gesagt – die kleine Marienleh-re? Jedenfalls für den, der weiß (denn nicht nur dasGros der Katholiken ahnt davon nichts), daß Mariaeben nicht nur die Immaculata ist, die Keusche,Reine, triumphierend Triebbeherrschte, sondern, in ja-nusköpfiger Nachfolge ihrer antiken Vorläuferinnen,der Ištar, der jungfräulichen Athene, der jungfräuli-chen Artemis, auch die große christliche Blut- undKriegsgöttin; nicht nur »Unsere liebe Frau von derLinde«, »vom grünen Walde«, sondern auch vomMord und Massenmord, vom frühen Mittelalter biszum Ersten Weltkrieg, wo Faulhaber am 1. August1916, »dem Gedächtnistag der Makkabäermutter«

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2.024 Deschner Bd. 3, 37»Charakterbilder der biblischen Frauenwelt«

(vgl. I 104 ff, bes. 105), auch seine »Charakterbilderder biblischen Frauenwelt« in dritter verbesserterAuflage, als »Kriegsauflage«, hinausziehen läßt, »diedeutsche Frauenwelt in blutig ernsten Tagen zu immernoch lebenden Vorbildern biblischer Lebensweisheit,zu immer noch fließenden Quellen seelischer Kraft, zuimmer noch flammenden Altären überirdischen Tro-stes zu führen«. Denn die Frauenwelt könne von die-sen biblischen Frauen »viel Kriegsweisheit lernen«,»viel tapferen Sinn«, »viel Opfergeist«. »Gottes Wortbleibt auch in Kriegstagen eine Leuchte für unserePfade«. Und in sechster Auflage legt Kardinal Faulha-ber seine »Charakterbilder« in der Hitlerzeit vor,1935, und verherrlicht Debora als »eine Heldin vonglühendem Patriotismus«, »die ihr Volk zur Freiheitund zu einem neuen nationalen Leben wiederge-bar«54.

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2.025 Deschner Bd. 3, 38»Auf diesen Schlamm, auf diesen Schlamm ...«

»Auf diesen Schlamm, auf diesenSchlamm ...« – Opposition zum Alten Testament

in Antike und Neuzeit

Auf dies mußte – pars pro toto! – hingewiesen wer-den, denn die »Faulhabers« sind Legion und habendurch ihre kriminelle Demagogie diese ganze grauen-hafte Geschichte maßgeblich mitverschuldet. Im 2.Jahrhundert, als die Christen noch nicht auf den Krieghin gedrillt wurden wie dann bald dauernd, gab esunter ihnen vielleicht mehr Gegner des Alten Testa-ments als Befürworter. Und keiner hat damals dessenUnvereinbarkeit mit zentralen Lehren des biblischenJesus so empfunden wie der »Ketzer« Markion, zu-mindest keiner so die Konsequenz daraus gezogenund mit solchem Erfolg. In seinen (verlorenen) »Anti-thesen« legte er die Gegensätze nieder und schuf denersten Kanon christlicher Schriften, und zwar anhanddes am wenigsten hebräisch geprägten Lukasevangeli-ums und der Paulusbriefe55.

Siebzehn, achtzehn Jahrhunderte später werdenTheologen dem Verfemten Ruhmeskränze flechten,von Harnack bis zu Nigg; wird ihm der Theologe undNietzschefreund Overbeck (»Der Gott des Christen-tums ist der Gott des Alten Testaments«!) attestieren,dieses Testament richtig verstanden zu haben; wird erKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.026 Deschner Bd. 3, 39»Auf diesen Schlamm, auf diesen Schlamm ...«

für den katholischen Theologen Buonaiuti »der mu-tigste und der scharfsichtigste Feind« der »kirchlichenOrthodoxie«56.

Gerade »ketzerische« Kreise haben das Alte Testa-ment bekämpft. Viele christliche Gnostiker verwarfenes in Bausch und Bogen. Zweihundert Jahre nachMarkion schockierte auch den Westgotenapostel Wul-fila, einen pazifistisch gesinnten Arianer, der Kontrastzwischen Jahwe und Jesus. Bei seiner Bibelübertra-gung um 370 ins Gotische, dem ältesten deutschenLiteraturdenkmal, übersetzte der Bischof die alttesta-mentlichen Geschichtsbücher nicht.

Entschiedene Kritik regte sich dann wieder seitdem Jahrhundert der Aufklärung.

Der scharfsichtige Lessing, der auch die histori-schen Grundlagen des Christentums als mißlich er-kennt, ruft angesichts des alten Judenbuches: »Aufdiesen Schlamm, auf diesen Schlamm, großer Gott!Wenn auch ein paar Goldkörner darunter waren ...Gott! Gott! Worauf können Menschen einen Glaubengründen, durch den sie ewig glücklich zu werden hof-fen?!«57

Noch leidenschaftlicher geißelt Percy Bysshe Shel-ley (1792 bis 1822) »die gänzliche Mißachtung derWahrheit und die Verachtung der elementaren morali-schen Grundsätze«, die »beispiellose Blasphemie, zubehaupten, der Allmächtige Gott habe Moses aus-

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2.027 Deschner Bd. 3, 39»Auf diesen Schlamm, auf diesen Schlamm ...«

drücklich befohlen, ein harmloses Volk zu überfallenund wegen unterschiedlichen Gottesdienstes jedes sei-ner Lebewesen vollkommen zu vernichten, jedes Kindund jeden unbewaffneten Mann kaltblütig zu ermor-den, die Gefangenen abzuschlachten, die Ehefrauen inStücke zu hauen und allein die jungen Mädchen fürBeischlaf und Notzucht zu schonen«58.

Mark Twain (1835–1910) konnte nur noch höh-nen: »Das alte Testament befaßt sich im wesentlichenmit Blut und Sinnlichkeit; das Neue mit dem Heil, derErlösung. Der Erlösung durch Feuer«59.

Auch Theologen haben nun wieder das Alte Testa-ment als Lebens- und Lehrgrundlage verworfen, dar-unter so namhafte wie Schleiermacher oder Harnack,der sich scharf dagegen wandte, dies Buch »als kano-nische Urkunde im Protestantismus noch zu konser-vieren ... Hier reinen Tisch zu machen und der Wahr-heit in Bekenntnis und Unterricht die Ehre zu geben,das ist die Großtat, die heute – fast schon zu spät –vom Protestantismus verlangt wird«. Doch was hülfees: die Massen würden weiter belogen werden mitdem Neuen Testament und mit den Dogmen60.

Das katholische »Wörterbuch christlicher Ethik«der Herderbücherei aber findet noch 1975 den »Wur-zelgrund für das Alttestamentliche Ethos« in »der ent-schiedenen personalen Zuwendung« Jahwes »zu Weltund Mensch«, findet im Alten Testament »grundsätz-

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2.028 Deschner Bd. 3, 39»Auf diesen Schlamm, auf diesen Schlamm ...«

lich bereits die Anwälte dessen, was wir die Men-schenrechte nennen. Nur steht hinter ihrem ›Huma-num‹ Jahwe mit seinem ganzen göttlichen Gewicht«(Deissler)61. Vgl. dazu I 71 ff!

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2.029 Deschner Bd. 3, 40Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

Die fünf Bücher Mose, die Moses nichtgeschrieben hat

Das Alte Testament ist eine ziemlich zufällige, sehrbruchstückhafte Auswahl dessen, was von der Über-lieferung übrigblieb. Die Bibel selbst erwähnt 19Schriftentitel verlorengegangener Werke, darunter»Das Buch der Wackeren«, »Das Buch der KriegeJahwes«, die »Schrift des Propheten Iddo«. Dochnimmt die Forschung an, daß es noch viele andere bi-blische Texte gab, von denen uns nicht einmal derTitel erhalten blieb. Ob auch diese heilig, inspiriertund göttlich gewesen sind62?

Jedenfalls: genug noch blieb, mehr als genug.Vor allem die angeblich ältesten und ehrwürdig-

sten, die sogenannten fünf Bücher Mose, die Thoraalso, der Pentateuch (griech. pentáteuchos, das »fünf-behältrige« – weil aus fünf Rollen bestehende –Buch), eine um 200 n. Chr. bei gnostischen undchristlichen Schriftstellern aufgekommene Bezeich-nung. Bis ins 16. Jahrhundert glaubte man einhellig,diese Texte seien die ältesten des Alten Testamentsund stünden zeitlich am Anfang. Davon kann längstkeine Rede mehr sein. Auch steht die Genesis, daserste Buch, in dieser Sammlung zu Unrecht an derSpitze. Und glaubten noch im 19. Jahrhundert nam-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.030 Deschner Bd. 3, 41Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

hafte Bibelkundler einen »Archetyp« der Bibel, eineneigentlichen Urtext rekonstruieren zu können, so istauch diese Meinung abgetan. Ja, schlimmer: »Höchst-wahrscheinlich hat es einen solchen Urtext niemalsgegeben« (Cornfeld/Botterweck)63.

Das Alte Testament wurde (großenteils) anonymüberliefert, schreibt aber den Pentateuch dem Moseszu, und die christlichen Kirchen haben seine Verfas-serschaft bis ins 20. Jahrhundert verkündet. Währenddie Patriarchen Abraham, Isaak, Jakob, die israeliti-schen Erz- und Stammväter, zwischen dem 21. unddem 15. Jahrhundert gelebt haben sollen, oder zwi-schen 2000 und 1700, falls sie gelebt haben, sollMoses – »ein Marschall Geradeaus, in den Tiefen sei-nes Wesens aber doch mit einem reichen Gemütsle-ben« (Kardinal Faulhaber) – im 14. oder 13. Jahrhun-dert gelebt haben, wenn er gelebt hat64.

Außerhalb der Bibel jedenfalls werden diese ehr-würdigen (und noch jüngere) Figuren nirgends »beur-kundet«. Es gibt keine Existenzbeweise für sie. Nir-gendwo haben sie eine handgreifliche historische Spurhinterlassen; nicht in Stein, in Bronze, Papyrusrollen,nicht auf Tontafeln, Tonzylindern, und dies, obwohlsie jünger als zum Beispiel viele der geschichtlichwohldokumentierten ägyptischen Herrscher sind, alsviele berühmte Grabstätten, Hieroglyphen, Keil-schrifttexte, kurz, echte Lebenszeugnisse. Also wird

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2.031 Deschner Bd. 3, 41Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

man, schreibt Ernest Garden, »entweder geneigt sein,die Existenz der großen Bibelgestalten zu leugnenoder, falls man ihnen mangels jeglichen Urkundenma-terials dennoch Geschichtlichkeit zubilligen will, an-nehmen, ihr Leben und ihre Zeit habe sich in den For-men der Bibeldarstellung abgespielt, die ihre schließ-liche Niederschrift allein aus in vielen Generationenumgehenden orientalischem Sagen- und Erzählungs-stoff findet«65.

Für das Judentum ist Moses die wichtigste Gestaltdes Alten Testaments; es nennt ihn über 750mal, dasNeue Testament 80mal als Gesetzgeber. Denn all-mählich behandelte man alle Gesetze so, als habe mansie von Moses auf dem Sinai erhalten. Derart bekamer für Israel »eine epochale Bedeutung« (Brocking-ton). Er wurde immer mehr glorifiziert. Er galt als in-spirierter Verfasser des Pentateuchs. Man schriebihm, dem Mörder (eines Ägypters, weil dieser einenHebräer schlug), sogar Präexistenz zu. Man machteihn zu einem Vorherbild des Messias und den Messi-as zum zweiten Moses. Es entstand eine Vielzahl vonMoses-Legenden, im 1. Jahrhundert v. Chr. einMoses-Roman und schließlich eine ungeheure Füllevon Darstellungen in der Kunst. Doch ein Grab desMoses ist unbekannt. Die alttestamentlichen Prophe-ten nennen ihn insgesamt fünfmal. Echeziel erwähntihn nie! Und diese Propheten schauen zwar auf die

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2.032 Deschner Bd. 3, 42Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

Zeit des Moses zurück, aber nicht auf ihn selbst. Inihren religiös-ethischen Appellen berufen sie sich nieauf ihn. Auch der Papyrus Salt 124 kennt keinen»Moses urkundlich« (Cornelius). Auch die Archäolo-gie lieferte keinen einzigen Hinweis auf Moses. Diesyro-palästinensischen Inschriften erwähnen Moses sowenig wie die Keilschrifttexte oder die hieroglyphi-schen und hieratischen Texte. Herodot (5. Jahrhundertv. Chr.) weiß nichts von Moses. Kurz, es gibt keineaußerisraelitische Moses-Bezeugung, unsere einzigeQuelle über ihn ist – wie bei Jesus – die Bibel66.

Nun zweifelten einzelne schon in Antike und Mit-telalter an Mosaität und Einheitlichkeit des Penta-teuch. Man fand, daß Moses schlecht seinen eignenTod berichtet haben könne – »eine beinah so außeror-dentliche Angelegenheit«, spottet Shelley, »wie dieSchöpfung der Welt zu beschreiben«. Man entdeckteauch sonst »Postmosaica« (1. Mos. 12,6; 36,31 u.a.).Doch eine grundsätzlichere Kritik kam nur von christ-lichen »Ketzern«. Schon die frühe Kirche aber sahkeinerlei Widersprüche im Alten Testament und zudiesem weder Jesus noch die Apostel im Gegen-satz67.

In der Neuzeit stiegen zuerst A. (Bodenstein von)Karlstadt beim Bibellesen gewisse Zweifel auf(1520); einige mehr dem Holländer A. Masius, einemkatholischen Juristen (1574). Doch während sie und

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2.033 Deschner Bd. 3, 43Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

etwas Spätere, die Jesuiten B. Pereira und J. Bonfrère,immer nur einzelnes nachmosaisch nannten, an Mosesals Verfasser des Ganzen aber festhielten, erklärte derenglische Philosoph Thomas Hobbes jetzt einzelnesim Pentateuch mosaisch, das Ganze jedoch nachmo-saisch (Leviathan, 1651). Noch weiter ging kurz dar-auf, 1655, der französische reformierte SchriftstellerI. de Peyrère. Und 1670 gab Spinoza in seinem»Tractatus theologico-politicus« das Ganze preis68.

Im 20. Jahrhundert bestritten einige Religionswis-senschaftler, darunter Eduard Meyer (es ist »nichtAufgabe der Geschichtsforschung, Romane zu erfin-den«), und die Schule des Prager Gelehrten Daněk,die historische Existenz von Moses überhaupt, wur-den von ihren Gegnern aber abgewiesen.

Es ist merkwürdig: selbst die klarsten Köpfe, diegrößten Skeptiker, Forscher, unter deren unerschrok-kenen Zugriffen das Quellenmaterial nur so hinweg-schmilzt, die eine bibelkritische Subtraktion nach deranderen vornehmen, so daß für eine Moses-Gestaltkaum noch Raum bleibt, weder im Vorder- noch Hin-tergrund noch dazwischen – selbst diese Unbestechli-chen präsentieren dann doch wieder wie Taschentrick-spieler Moses in voller Größe, ja, als die dominieren-de Figur der ganzen israelitischen Geschichte. Istauch alles um ihn herum allzu farbenreich oder allzudunkel, der Held selbst kann nicht erdichtet sein. Wie

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2.034 Deschner Bd. 3, 43Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

sehr die Quellenkritik den historischen Wert dieserBücher beschnitten, immer mehr eingeengt, fast auf-gehoben hat- »es bleibt ein weiter Spielraum (!) desMöglichen ...« (Jaspers). Kein Wunder, wirklich,wenn Moses bei Konservativen noch bedeutender er-scheint als in der Bibel!69

Überhaupt: nach Auschwitz wird die christlicheTheologie wieder judenfreundlicher. »Heute ist wiedereine positivere Vorstellung vom ältesten Israel undseiner Religion möglich«. Dennoch bleibt auchMoses für die Forscher »ein Problem«, fällt »kein un-mittelbares Licht auf die Mosesgestalt selbst«, stehendie entsprechenden Überlieferungen »jenseits histori-scher Kontrollierbarkeit« (Bibl.-Hist. Handwörter-buch). Diese Gelehrten wehren sich zwar scharf dage-gen, Moses »auf eine nebelhafte, nur aus der Legendebekannte Figur zu reduzieren« – und müssen dochgleichzeitig zugeben, daß »Moses selbst schattenhaftbleibt«. Sie schreiben, daß »sich die Einzigartigkeitdes Sinai-Ereignisses nicht leugnen läßt« – und fügenim selben Atemzug hinzu, »wenn der historischeNachweis auch schwierig ist«. Sie finden in den »Er-zählungen über Moses einen beträchtlichen histori-schen Kern« – und in den nächsten Sätzen finden sie,daß sich dieser Kern »nicht mit Tatsachen belegen«,daß er »sich nicht mit historischen Tatsachen bewei-sen läßt« (Cornfeld/Botterweck)70.

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2.035 Deschner Bd. 3, 44Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

Nach dieser Methode verfahren viele jener, dienicht gleich das Blaue vom Himmel lügen, aber auchnicht alles ganz sausenlassen wollen. Nur das nicht!

Für M.A. Beek beispielsweise sind die Patriarchenzweifellos »historische Gestalten«. Zwar sieht er sienur »im halbdunklen Hintergrund«, doch erkennt ersie als »Menschen von hoher Bedeutung«. Dabeiräumt er selbst ein: »Es ist bisher nicht gelungen, dieGestalt Josephs in der ägyptischen Literatur urkund-lich nachzuweisen«. Weiter auch: daß man außerhalbder Bibel »keine einzige Urkunde« kenne, »die ir-gendeinen selbständigen und historisch zuverlässigenHinweis auf Moses enthielte«. Weiter auch: daß, wie-der abgesehen von der Bibel, »keine Quelle für denAuszug aus Ägypten bekannt« sei. »Die reichhaltigeLiteratur der ägyptischen Historiographen schweigtmit einer geradezu beunruhigenden Hartnäckigkeitüber Ereignisse, die doch Ägypten tief beeindruckthaben müssen, wenn die Erzählung des Exodus aufTatsachen beruht«.

Beek wundert sich auch, daß das Alte Testament»merkwürdigerweise jede Angabe« verweigere, »dieeine chronologische Fixierung des Auszugs ausÄgypten ermöglichen könnte. Wir hören weder denNamen jenes Pharao, den Joseph noch gekannt hat,noch den Namen des Pharao, der Israel bedrückte.Das ist um so erstaunlicher, als die Bibel sonst viele

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2.036 Deschner Bd. 3, 44Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

ägyptische Bezeichnungen für Personen, Orte undÄmter bewahrt hat ... Noch bedenklicher als das Feh-len chronologischer Anhaltspunkte im AT ist die Tat-sache, daß in keinem uns bekannten ägyptischen Texteine Katastrophe erwähnt wird, die einen Pharao undsein Heer bei der Verfolgung flüchtender Semiten be-troffen hat. Da die historischen Urkunden gerade fürdie in Betracht kommende Zeit eine Überfülle an Ma-terial bieten, hätte man wenigstens irgendeine Anspie-lung erwarten können. Man kann das Schweigen derägyptischen Urkunden auch nicht etwa mit der Bemer-kung abtun, daß Hofhistoriographen über Niederlagennicht zu sprechen pflegen; denn die von der Bibel be-schriebenen Ereignisse sind zu einschneidend, als daßdie ägyptischen Geschichtsschreiber sie ganz hättenübergehen können«. In »der Tat merkwürdig« findetdieser Gelehrte es schließlich, »daß kein Grab desMoses bekannt ist«. So bleibt für ihn »der einzige Be-weis für die Geschichtlichkeit des Moses« (mit EliasAuerbachs »Moses«) »die Erwähnung eines Urenkelszu einem späteren Zeitpunkt«. Aber Pech auch beimeinzigen »Beweis«, sei die entscheidende Stelle (Ri18,30) doch »unsicher und unklar, weil man stattMoses ebenso gut Manasse lesen kann«. Überschrift:»Moses der Befreier«71.

»Und Mose war hundertzwanzig Jahre alt, als erstarb«, erzählt die Bibel, doch seine Augen »waren

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2.037 Deschner Bd. 3, 45Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

nicht schwach geworden, und seine Kraft war nichtverfallen«, Gott habe ihn selbst begraben und »nie-mand sein Grab erfahren bis auf den heutigen Tag«.

Schon seltsam dieser Schluß. Nach Goethe hatMoses Selbstmord verübt, nach Freud sein eignesVolk ihn ermordet. Streit gab es da nicht selten, mitallen, mit einzelnen, mit Aaron, mit Mirjam. Dochwie auch immer, der unmittelbare Schluß des fünftenund letzten Buches, der Satz mit dem alles endet, er-innert sinnigerweise noch einmal an »die großenSchreckenstaten, die Mose vollbrachte vor den Augenvon ganz Israel«72.

Mit großen Schreckenstaten geht man stets in dieGeschichte ein – ob man nun gelebt hat oder nicht.

Mag das aber im Falle Moses sein wie es will, überseine Bedeutung ist die Forschung völlig zerstritten.

Fest steht heute nur, was schon Spinoza klar er-kannte, daß die fünf Bücher Mose, die diesem das un-fehlbare Wort Gottes direkt zuschreibt, nicht von ihmstammen; es ist das übereinstimmende Ergebnis derForschung. Natürlich gibt es noch genug Leute vomSchlag des Alois Stiefvater und noch genug Traktät-chen vom Schlag seines »Schlag-Wörter-Buch für ka-tholische Christen«, die der Masse der Gläubigenweiterhin vorgaukeln (müssen), daß die fünf Bücherdes Moses »zwar nicht alle (!) direkt (!) von ihm ge-schrieben sind, aber doch auf ihn zurückgehen«. (Wie

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2.038 Deschner Bd. 3, 46Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

viele und welche direkt von ihm geschrieben sind, daswagen heute freilich nicht einmal mehr Stiefvater undKonsorten zu sagen.) Fest steht weiter, daß Gesetzes-verordnungen, die als eigenhändige Niederschriftendes Moses galten oder gar auf den »Finger Gottes«zurückgeführt wurden, natürlich ebenso unecht sind.(Übrigens: obwohl Gott selbst das Gesetz auf zweisteinerne Tafeln schreibt – »von Gott angefertigt, unddie Schrift war Gottesschrift, eingegraben auf die Ta-feln« – hat Moses so wenig Respekt davor, daß er siein seiner [heiligen] Wut über das goldne Kalb zer-schmettert!)73

Fest steht weiter, daß der Niederschrift dieser fünfBücher eine jahrhundertelange, immer wieder umge-staltende mündliche Überlieferung vorausging. Unddann waren Verfasser und Redaktoren, waren dieSchreiber, Masoreten, Punktatoren vieler Generatio-nen an der Abfassung der »Moses«-Schriften betei-ligt, was sich schon in den verschiedensten Stilenspiegelt. So ähnelt nicht wenig einer unzusammen-hängenden Materialsammlung, zum Beispiel dasganze Buch Numeri, das 4. Buch. So entstand einehöchst diffuse, unsystematische, von weitverbreitetenLegendenmotiven, von ätiologischen und folkloristi-schen Sagen überwucherte, von Widersprüchen undDubletten (die schon allein die Niederschrift durchnur einen Autor ausschließen) strotzende Sammlung.

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2.039 Deschner Bd. 3, 46Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

Dazu kommt eine Vielheit heterogener oder sich erstganz allmählich entwickelnder Auffassungen selbst inden wichtigsten Fragen. So ist die Auferstehungsvor-stellung im Alten Testament nur sehr langsam ent-standen, fehlt in den Büchern Sirach, Prediger, Sprü-che die Bezeugung eines Auferstehungsglaubensüberhaupt. Zudem haben die jeweiligen Schreiber,Bearbeiter dauernd geändert, korrigiert, interpoliert.Die Texte erhielten immer wieder sekundäre Zusätze.Und diese Prozesse erstreckten sich über ganze Epo-chen. Der Dekalog (die Zehn Gebote), von Luther alsInbegriff des Alten Testaments verstanden, stammt inseiner ältesten Form vielleicht aus dem Beginn derKönigszeit. Große Teile des Pentateuch, den der im14. oder 13. Jahrhundert lebende Mann – wenn er ge-lebt hat – verfaßt haben soll, nicht weniger als gegen60 Kapitel des 2., 3. und 4. Buches, sind sogar erstim 5. Jahrhundert von jüdischen Priestern produziertoder zusammengestellt worden. So erfolgte die Endre-daktion der dem Moses zugeschriebenen Bücher – ichzitiere den Jesuiten Norbert Lohfink – »erst etwa sie-benhundert Jahre später«. Und die Abfassung allerBücher des Alten Testaments erstreckte sich – ich zi-tiere den Katholiken Otto Stegmüller – »auf einenZeitraum von ungefähr 1200 Jahren«74.

Die alttestamentliche Forschung hat längst ein fasteinschüchterndes Ausmaß erreicht, und wir können

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2.040 Deschner Bd. 3, 47Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

hier nicht – dem Leser erspart das vieles (und mirnoch mehr) – das Gewirr von Methoden und Hypothe-sen betrachten: die ältere Urkundenhypothese des 18.Jahrhunderts, die Fragmenten-, die Ergänzungs-, dieKristallisations-, die neuere Urkundenhypothese, diewichtige Unterscheidung von einem ersten Elohisten,zweiten Elohisten, einem Jehowisten (H. Hupfeld,1853), die formgeschichtliche Methode (H. Gunkel,1901), die diversen Quellentheorien, die Zweiquellen-, Dreiquellen-, Vierquellentheorie, die Quellenschrif-ten des »Jahwisten« (J), des »Elohisten« (E), der»Priesterschrift« (P), des Deuteronomium (D), der»kombinierten« Schrift, wir können uns nicht in alldie Erzählungsfäden, Traditionen, die Fülle von Zu-sätzen, Ergänzungen, Einschaltungen, Anhängen,Wucherungen, redaktionellen Veränderungen, in dasProblem der Varianten, Parallelversionen, Dubletten,kurz den immensen »sekundären« Zuwachs, die Text-geschichte und Textkritik verlieren. Wir können nichtdie Gründe für die Ausweitung des Pentateuch ineinen Hexateuch, Heptateuch, ja Oktateuch oder auchseine Beschränkung auf einen Tetrateuch erörtern, sointeressant das auch im Zusammenhang mit unsererThematik wäre.

Schon ein flüchtiger Blick in kritische Kommenta-re, etwa in die Erklärungen der Moses-Bücher vonMartin Noth, wird dem Leser zeigen, wie fast auf

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2.041 Deschner Bd. 3, 48Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

jeder Seite von Ergänzern, Redaktoren, späteren Bear-beitern, von Zutat, Erweiterung, Nachtrag, Kombina-tionen, von verschiedenen Stadien des Hinzufügens,Umgestaltens etc. etc. die Rede ist, von einem alten,älteren, einem ziemlich jungen Stück, wie oft daetwas sekundär genannt wird, vielleicht sekundär,wahrscheinlich sekundär, sicher sekundär. Das Wortsekundär kommt hier in allen fast nur denkbaren Ver-bindungen vor, es scheint geradezu das Schlüssel-wort, ja, ich möchte, ohne eine exakte Häufigkeits-analyse gemacht zu haben, behaupten: vermutlich gibtes in all diesen Untersuchungen Noths kein anderesWort häufiger. Und sein Werk steht da für viele. Neu-erdings schrieb die »Geschichte der historisch-kriti-schen Erforschung des Alten Testaments« Hans-Joa-chim Kraus. Bahnbrechend und wegweisend für das19. Jahrhundert wurde besonders W.M.L. de Wette(gest. 1849), der die mannigfachen Erzählungssträn-ge, Traditionen dieser Bücher erkannte und »David«,»Mose«, »Salomo«, »Jesaja« nicht als »Autoren«,sondern als namentliche Symbole, als »Kollektivna-men« erklärte75.

Wegen der immensen gelehrten Arbeit im Laufedes 19. Jahrhunderts und der daraus resultierenden sy-stematischen Destruktion der biblischen Heilsge-schichte suchte Papst Leo XIII. durch seine Enzyklika»Providentissimus Deus« (1893) die Freiheit des For-

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2.042 Deschner Bd. 3, 48Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

schens zu behindern. Eine »Gegenoffensive« wurdeeröffnet und unter seinem Nachfolger Pius X. ineinem Dekret »De mosaica authentia Pentateuchi«vom 27. Juni 1906 an Moses als inspiriertem Verfas-ser festgehalten. Am 16. Januar 1948 erklärte zwarder Sekretär der Päpstlichen Bibelkommission ineiner offiziellen Antwort an Kardinal Suhard, die Ent-scheidungen der Kommission »widersetzten sich nichteiner weiteren wahrhaft wissenschaftlichen Untersu-chung dieser Fragen ...«. Doch »wahrhaft« bedeutetim römischen Katholizismus immer: im Sinne des rö-mischen Katholizismus. Ebenso zu verstehen ist dieabschließende Aufforderung: »Daher laden wir diekatholischen Gelehrten ein, diese Probleme unvorein-genommen zu studieren, im Lichte einer gesundenKritik ...« Denn »unvoreingenommen« heißt da wie-der: voreingenommen für die Interessen des Papst-tums. Und mit der »gesunden Kritik« ist wieder nichtsanderes gemeint als eine Kritik zugunsten Roms76.

Nun hat die historisch-wissenschaftliche Analyseder alttestamentlichen Schriften gewiß keine sichereEntscheidung darüber erbracht, wann die Texte ent-standen sind, wenn auch bei manchen Teilen, etwa derprophetischen Literatur, die Sicherheit über das Altergrößer ist als bei anderen, etwa bei der Kultlyrik, oderwenn vom Alter der Gesetze die Rede ist, wo die ge-ringste diesbezügliche Sicherheit besteht. Doch

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2.043 Deschner Bd. 3, 49Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

spricht die religionsgeschichtliche Forschung ange-sichts des Tetrateuch (1.-4. Mose) und des deuterono-mistischen Geschichtswerks (5. Mose, Josua, Richter,Samuels- und Königsbücher) mit allem Grund von»epischen Werken«, »mythologischen Erzählungen«,»Legenden«, »Heldensagen« (Nielsen)77.

Welcher Wirrwarr da herrscht, zeige einmal, umnur diesen Aspekt anzudeuten, die Fülle der Wieder-holungen: ein doppelter Schöpfungsbericht, eine dop-pelte Genealogie Adams, eine doppelte Sintflut(wobei einmal die Flut nach 150 Tagen sich verläuft),einmal ein Jahr und zehn Tage dauert, einmal nacheinem vierzigtägigen Regen und weiteren drei malsieben Tagen endet; wobei Noe – er war damals 600Jahre alt – nach Genesis 7,2 je sieben Paar reinerTiere und je ein Paar unreiner mit in die Arche nimmt,nach Genesis 6,19 und 7,16 je zwei Stück reiner undunreiner Tiere – doch hätten wir viel zu tun, alle Wi-dersprüche, Unvereinbarkeiten, Abweichungen einesvon Gott inspirierten Buches aufzuzählen, in dem ins-gesamt 250000 Textvarianten stehen. Weiter kennendie fünf Bücher des Moses einen doppelten Dekalog,eine sich wiederholende Gesetzgebung über die Skla-ven, das Passah, das Leihen, eine doppelte über denSabbat, zweimal wird das Betreten der Arche durchNoe erzählt, zweimal die Verjagung der Hagar durchAbraham, zweimal das Wachtel- und Mannawunder,

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2.044 Deschner Bd. 3, 49Die fünf Bücher Mose, die Moses nicht ...

die Berufung des Moses, dreimal wird vom Vergehengegen Leib und Leben gehandelt, fünfmal vom Fest-katalog, mindestens fünf Gesetzgebungen gibt es überdie Zehnten usw.78

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2.045 Deschner Bd. 3, 50Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

Weitere Fälschungen im Alten Testament (undin seinem Umkreis)

Ähnlich wie mit dem Pentateuch verhält es sich mitdem, was die »Heilige Schrift« David und seinemSohn Salomo unterjubelt. Beide sollen um das Jahr1000 gelebt, regiert und gedichtet haben, ihre angebli-chen Werke aber sind meist Jahrhunderte jünger.

Die jüdische und die christliche Tradition der Bibelschreiben den ganzen Psalter, das Psalmen-Buch, im-merhin 150 Psalmen, König David zu. Höchstwahr-scheinlich jedoch stammt kein einziger Psalm vonihm. Laut Bibel aber hat David alles geschrieben.

Nun gibt es Methoden, die Sache plausibler zu ma-chen. So schildert eine »Sachkunde zur BiblischenGeschichte« unter dem Stichwort »David als Sänger«verhältnismäßig ausführlich »Harfen« der damaligenZeit. Das bringt uns der königlichen Autorschaft etwaebenso nahe wie M.A. Beeks Behauptung, die Tradi-tion, die David als Psalmen-Dichter in die Geschichteeingehen ließ, habe »sicherlich einen historischenHintergrund« – zumal wenn wir Beeks nur wenigeZeilen vordem gemachte Versicherung erwägen, »daßwir außerhalb der Bibel noch immer keine Texte ken-nen, die auf die Regierungszeit Davids Licht werfenoder auch nur seinen Namen erwähnen«. Was nunKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.046 Deschner Bd. 3, 50Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

wieder sehr an Beeks historischen Moses erinnert!Von David freilich weiß er: »David spielte ein Saiten-instrument, das man besser als Leier denn als Harfebezeichnen könnte. Die Abbildung einer solchenLeier findet sich auf einem um das Jahr 1000 v. Chr.gefertigten Gefäß ...«79

Nun, wenn es um das Jahr 1000 eine Leier gab,wenn man die sogar noch abgebildet sehen kann, soll-te dann nicht auch David eine solche Leier gehabt,sollte er nicht mit ihr gespielt und – zwischen seinenRaubzügen, Abschlachtungen, Vorhaut- und Verbren-nungsofen-Aktionen (I 85 ff) das biblische Buch ver-faßt haben können? Der Schluß scheint beinah zwin-gend! Zumal David ja als Poet und Musiker tatsäch-lich im Alten Testament erscheint, nämlich in den bei-den Büchern seines älteren Zeitgenossen, des Prophe-ten und Richters Samuel (I 85), eines Augen- und Oh-renzeugen gleichsam. Allerdings sind »Samuels« Bü-cher nach Auskunft der Forschung in einem Zeitraumzwischen frühestens etwa 100, spätestens 400 Jahrenach Samuels Tod entstanden – wie viele der Psalmen»Davids« oft erst in der Zeit des Zweiten Tempels(nach 516 v. Chr.), ein halbes Jahrtausend und mehrnach Davids Tod. Mittlerweile gesammelte Psalmenwurden immer wieder ergänzt, redigiert, interpoliert(alle Überschriften u.a.). Die Auswahl und Zusam-menstellung kann bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. ge-

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2.047 Deschner Bd. 3, 51Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

dauert haben. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daßnoch im 1. nachchristlichen Jahrhundert Hinzufügun-gen kamen80.

Nichts als Sexismus aber ist es, die Sphärenklängeam biblischen Königshof um das Jahr 1000 ganz an-ders zu deuten, wie einige deutsche Dichter, KollegenDavids, dies dreitausend Jahre später tun, darunterRilke, nicht ohne starke Stütze durch die Bibel. Ja,einer behauptet geradezu, weniger Davids Musik»denn sein Hinterer« habe König Saul »Erleichterungverschafft«81.

Wie man aus David, dem »Bluthund« (I 88), den»lieblichen Psalmisten« machte, so aus seinem Sohn(mit Bathseba gezeugt, deren Mann David hatte um-bringen lassen) den »weisen König Salomo«, wo-durch dieser erst berühmt geworden ist: der Schöpferreligiöser Gesänge. Ob Salomo jedoch jemals litera-risch tätig war, ist völlig unbeweisbar. Fest steht da-gegen, daß er durch einen Staatsstreich im Bund mitseiner Mutter, mit dem Priester Sadok, dem ProphetenNathan und dem Heerführer Benaja sich des Thronesbemächtigt, daß er seine Gegner teilweise hingerich-tet, teilweise abgesetzt, verbannt, dann von seinenUntertanen drückende Steuern, Zwangsarbeit (Fron)verlangt hat, was zu wachsender Unzufriedenheit undallgemeinem Verfall führte – während er, laut Bibel,700 Haupt- und 300 Nebenfrauen zu befriedigen hatte

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(»und seine Frauen verleiteten sein Herz«: 1. Kön.11,3), was zumindest nicht gerade auf eine großedichterische Produktion schließen läßt82.

Die »Heilige Schrift« aber erkennt ihm drei Bücherzu: den »Prediger Salomo«, die »Sprüche Salomos«,die »Weisheit Salomos«. »Ich glaube, daß dies größ-tenteils absichtliche Täuschung sein sollte und esauch war« (S.B. Frost)83.

Das Buch »Prediger Salomo« oder »Ecclesiastes«(im Hebräischen »Kohelet«) behauptet ausdrücklich,»die Worte des Predigers, des Sohnes Davids, desKönigs zu Jerusalem« wiederzugeben, und allgemeinwurde Salomo früher als Autor angesehen. Nur des-halb kam das lang umstrittene Opus überhaupt in dieBibel. Doch den tatsächlichen Verfasser kennt mannicht, weder seinen Namen noch seine Lebenszeit.Sicher ist nur, daß es – erstmals klar von H. Grotius1644 erkannt – nicht Salomo geschrieben hat, vondem es im ersten Vers herrühren will. Vielmehrstrotzt dies, nach Sprache, Geistesart, Anspielungenvermutlich im 3. vorchristlichen Jahrhundert entstan-dene Werk von stoischer, epikuräischer Philosophie,von den Einflüssen hellenistischer Zeit und Umwelt.Und kein Buch der Bibel, das so nonkonformistisch,so fatalistisch ist, das so eindringlich die Eitelkeitalles Irdischen beschwört: »Nichts als eitel, nichts alseitel, alles ist eitel« (hebel), Reichtum, Weisheit, alles

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2.049 Deschner Bd. 3, 52Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

»unter der Sonne«. Ein Buch, das kaum ein Ende fin-det, die Kürze des Lebens zu beklagen, seine Enttäu-schungen, wobei Gott selbst reichlich nebulos in wei-ter Ferne thront. Kein Wunder, daß man es mehrfachinterpoliert, mehrfach abgeschwächt hat, daß seineKanonizität erst 96 n. Chr. endgültig gesichert war.Eine beeindruckende jüdische Fälschung jedenfalls,das »Hohelied der Skeptiker«, das auch keine Aufer-stehung kennt und durch dessen letzte Verse ich michimmer besonders (vergeblich) angesprochen fühle:»Und über dem allen, mein Sohn, laß dich warnen;denn des vielen Büchermachens ist kein Ende, undviel Studieren macht den Leib müde«. Ergo: »Genie-ße das Leben mit deinem Weibe, das du liebhast ...;denn bei den Toten, zu denen du fährst, gibt es wederTun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit«.(Niemand sage, ich fände in der Bibel nichts lesens-wert.)84

Nach dem Redaktor der Königs-Bücher hat Salomoauch dreitausend Sprüche sowie eintausendundfünf –nach anderer Überlieferung fünftausend – Lieder ver-faßt: »... von den Bäumen, von der Zeder an auf demLibanon bis zum Ysop, der aus der Wand wächst.Auch dichtete er von den Tieren des Landes, von Vö-geln, vom Gewürm und von Fischen«. So wurde auchdas Buch der »Sprüche« lange König Salomo zuge-schrieben. Die Kapitel 1 bis 9 stehen ja noch heute

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2.050 Deschner Bd. 3, 53Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

unter der Gesamtüberschrift »Sprüche Salomos« inder Bibel, und auch die Kapitel 25 bis 29 werden ein-deutig als »Sprüche Salomos« erklärt. In Wirklichkeitaber bekundet die Struktur des Buches verschiedeneVerfasser, die es in ganz verschiedenen Epochen er-stellt haben, die Kapitel 1 bis 9 nach dem 5. Jahrhun-dert. Und insgesamt erstreckt sich die Entstehung dereinzelnen Sprüche fast über die gesamte alttestament-liche Zeit, könnte die endgültige Zusammenstellungum 200 v. Chr. erfolgt sein85.

Auch die »Weisheit Salomos«, nicht nur von derfrühen Christenheit bewundert, galt ihr als sein Werk,zumal sich der Autor auch ausdrücklich Salomo undauserwählter König des Gottesvolkes nennt, galt alsprophetisches und inspiriertes Buch. Clemens vonAlexandrien, Origenes, Tertullian, der hl. Hippolytbezeugen die Kanonizität ebenso wie der hl. Cyprian,der es wiederholt als Heilige Schrift zitiert. Die mei-sten alten Exegeten hielten es dafür. Und war einMann wie Hieronymus auch kritischer, ließ er dochdie öffentliche Lesung daraus weiter zu. Schließlichprangt das Buch noch heute in der Bibel der Papstkir-che.

In Wirklichkeit aber ist die »Weisheit Salomos«(fast) ein rundes Jahrtausend jünger als Salomo, wardie Ursprache der Fälschung das hellenistische Grie-chisch, lebte der Verfasser (manche Kritiker nehmen

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2.051 Deschner Bd. 3, 53Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

zwei an) in Ägypten, wahrscheinlich in der hellenisti-schen Gelehrtenstadt Alexandrien, und schrieb seinOpus, das er dem (angeblich) Weisesten der Israelitenin den Mund legt, entweder im 1. vor- oder im 1.nachchristlichen Jahrhundert. Die Fortwirkung dieserFälschung war groß86.

An Salomo knüpfen noch zwei jüngere »Apokry-phen« an. Einmal die erst im 17. Jahrhundert wieder-entdeckten »Psalmen Salomos«. In keinem der 18Psalmen selbst namentlich erwähnt, wurden sie demberühmten König wohl aus Prestigegründen unter-schoben, um Aufmerksamkeit und die Erhaltung desWerkes zu erreichen – eine Anknüpfung an den Davidzugeschriebenen kanonischen Psalter, dessen Formauch (schlecht) imitiert wird. Zunächst hebräisch ver-faßt, stammen diese Psalmen von einem (oder mehre-ren) orthodoxen Juden, und mit Sicherheit erst aus derMitte des 1. vorchristlichen Jahrhunderts.

Die »Oden Salomos«, eine Sammlung von 42 Lie-dern, syrisch überliefert (außer Ode 2), doch ur-sprünglich griechisch geschrieben, kommen auschristlichen Kreisen des 2. Jahrhunderts, ohne daß derAbfassungsort auszumachen wäre. Offenbar um sei-nem Machwerk den Anschein der Echtheit zu geben,hat der Autor den Parallelismus membrorum aus derhebräischen Poesie nachgeahmt. Bemerkenswerter-weise ist die Fälschung die älteste uns bekannte

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2.052 Deschner Bd. 3, 54Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

christliche Hymnensammlung. »Die Lieder, die allemit ›Halleluja‹ schließen, dienen dem jubelnden Lob-preis Gottes« (Nauck)87.

Außer den Moses, David und Salomo zu Unrechtzugeschriebenen Büchern des Alten Testaments sindauch dessen weitere frühe Teile – Richter, Könige,Chronik u.a. – Produkte viel späterer Zeit und an-onym, sind sie sämtlich lange nach den Ereignissen,die sie schildern, endgültig zusammengestellt worden.

Dem Buch Josua, das der Talmud, viele Kirchenvä-ter und noch jüngere Autoren Josua selbst zuschrei-ben, sprechen manche Bibelwissenschaftler jede hi-storische Verläßlichkeit ab. Doch auch für wohlwol-lendere Betrachter ist es als Geschichtsquelle »nur mitVorsicht ... zu benutzen« (Hentschke). Zu offensicht-lich setzt es sich aus einer Vielfalt von Legenden,ätiologischen Sagen, lokalen Überlieferungen zusam-men, die man in verschiedenen Zeiten ergänzt, will-kürlich verknüpft und mit Josua in Verbindung ge-bracht hat, von dem schon Calvin klar erkannte, daßer das Buch nicht geschrieben haben kann. Die Endre-daktion stammt erst aus dem 6. Jahrhundert aus derZeit des babylonischen Exils (das nach der Bibel ein-mal etwa 67, einmal 73, einmal 49 Jahre gedauerthat). Ganz ähnlich verdanken die Bücher Samuel ihreEntstehung einer losen Überlieferung, sehr verschie-denen Traditionen und Kreisen, sehr verschiedenen

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2.053 Deschner Bd. 3, 54Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

Redaktoren oder Editoren, sehr verschiedenen Epo-chen88.

Sogar ein großer Teil der prophetischen Literaturist, bewußt oder durch Zufall, pseudonym, auch wennandere Teile von dem Propheten stammen, unter des-sen Namen sie stehen und die Visionen, die Auditio-nen, subjektiv durchaus wahr, »echt« gewesen seinkönnen (die spätere literarische Arbeit daran einmalbeiseite). Das läßt sich mit Sicherheit weder beweisennoch bestreiten. Vieles aber ist selbst in den propheti-schen Büchern, die zu Recht den Namen ihres Verfas-sers tragen, schwer abgrenzbar, ist in späterer Zeitstark redigiert, also erst nachher hinzugefügt, erheb-lich verändert, aus dem Zusammenhang gerissen, vie-les interpoliert worden, ohne daß man gewöhnlichweiß, wann und von wem.

Ganz besonders gilt das auch für das Jesaja-Buch,eines der längsten und berühmtesten Bücher derBibel, von dem bereits Luther erkannte, daß es Jesajaben Amos nicht herausgegeben hat. Die sogenanntegroße Jesaja-Apokalypse (Kapitel 24–27), eineSammlung von Weissagungen, Liedern, Hymnen, isterst verhältnismäßig spät dazu geschwindelt worden(ihre letzte Gestalt erhielt sie im 3. oder frühen 2.Jahrhundert), anscheinend in absichtlicher Nachah-mung des jesajanischen Stils. Und gerade das beson-ders bekannte und folgenreiche 53. Kapitel stammt,

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2.054 Deschner Bd. 3, 55Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

wie alles andere von Kapitel 40–55, nicht von Jesaja,den man lange (bis zu Eichhorn, 1783) für den Autorhielt. Vielmehr schrieb es ein unbekannter, zwei Jahr-hunderte jüngerer Verfasser aus der Zeit des babyloni-schen Exils, ein Mann, der wahrscheinlich in den Kla-gefeiern der verbannten Juden zwischen 546 und 538aufgetreten ist, meist Deuterojesaja (zweiter Jesaja)genannt wird und in mancher Hinsicht bedeutender er-scheint als Jesaja selbst.

Gerade dieser Einschub aber – in dem Bestreiterder Geschichtlichkeit Jesu (neben dem Gerechten inder gleichfalls gefälschten »Weisheit Salomos«) dieKeimzelle für die Ausschmückung des evangelischenJesusbildes und des Christentums erblicken – wurdein umfassender und eindeutiger Weise das Vorbild fürdie Leidensgeschichte Jesu. Erzählt das 53. Kapiteldoch, wie der Gottesknecht, der »Ebed-Jahve«, ver-achtet und gemartert wurde und zur Vergebung derSünden sein Blut vergoß. Das Neue Testament enthältmehr als hundertfünfzig Anspielungen und Hinweisedarauf. Und viele frühchristliche Schriftsteller zitierendas 53. Kapitel ganz oder auszugsweise. Auch Lutherdeutete diese »Weissagung«, das schuldlose Leidendes jesajanischen Gottesknechtes (das ja schon ge-schehen war!), noch auf Jesus. Und selbstverständlichbestätigt auch die Päpstliche Bibelkommission nocham 29. Juni 1908 den traditionellen Standpunkt.

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2.055 Deschner Bd. 3, 56Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

Doch nehmen inzwischen auch (fast) alle katholischenExegeten die babylonische Datierung an. Und dieletzten Kapitel des »Jesaja« (56 bis 66) sind aus aber-mals jüngerer Zeit. Man spricht etwas irreführend(seit Duhm, 1892) von einem Tritojesaja (dritter Jesa-ja), von der Forschung mit einem ironischen vivat se-quens begrüßt; wahrscheinlich stammen diese Kapitelvon mehreren nachexilischen Verfassern. Jedenfallssind u.a. Jes. 56,2–8 und 66,16–24 auch nicht von»Tritojesaja«, sondern wieder später eingefügt. Erstum 180 v. Chr. lag das Jesaja-Buch »im wesentlichenin seiner heutigen Gestalt vor« (Biblisch-HistorischesHandwörterbuch)89.

Dem Propheten Jesaja werden auch einige »Apo-kryphen« zugewiesen: das jüdische »Martyrium desJesaja«, wahrscheinlich aus dem 1. vorchristlichenJahrhundert und später noch einmal christlich bear-beitet; die »Himmelfahrt des Jesaja«, wahrscheinlichaus dem 2. Jahrhundert, ein auf christlicher Seite ge-fälschtes Opus mit jüdischem Einschlag, worin »Jesa-ja« berichtet, wie er zum siebten Himmel reist unddas ganze Christusdrama schaut; endlich die »Visiondes Jesaja«, eine zusätzliche christliche Fälschungzum »Martyrium des Jesaja«, der jüdischen Fäl-schung90.

Nicht viel anders als mit dem biblischen Jesaja-Buch steht es mit dem Buch des Propheten Sacharja,

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2.056 Deschner Bd. 3, 56Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

an den im Jahr 521 »das Wort des Herrn« erging.Seine gleichfalls ins Alte Testament aufgenommeneSchrift enthält 14 Kapitel. Doch nur die ersten achtsind von ihm. Der ganze Rest, die Kapitel 9 bis 14,wurden, wie sich aus vielen Gründen ergibt, erst hin-zugefügt; nach vielen Bibelwissenschaftlern währendder Feldzüge Alexanders des Großen (336–323 v.Chr.)91.

Wie das Jesaja-Werk verbindet auch das Buch Eze-chiel, so gut wie durchweg in der Ich-Form geschrie-ben, Unheil- und Heilsprophetie, Scheit- und Drohre-den mit Hymnen und verlockenden Verheißungen.Lange galt es unangefochten als Schrift des wohlsymbolstärksten jüdischen Propheten, des Mannes,der 597 v. Chr. mit König Jojachin (196) von Jerusa-lem nach Babylon ins Exil zog. Ja, bis zum Beginndes 20. Jahrhunderts erblickte man im Buch Ezechielfast allgemein ein Werk des Propheten selbst und einegänzlich authentische Einheit. Seit den literarkriti-schen Untersuchungen R. Kraetzschmars (1900) undmehr noch J. Herrmanns (1908, 1924) setzte sich je-doch die Überzeugung durch, daß dies angeblich soeinheitliche Buch sukzessiv entstanden ist und einespätere Hand es überarbeitet hat. Einige Forscherschreiben Ezechiel sogar bloß noch die poetischenPartien zu, die prosaischen aber dem Bearbeiter, derdemnach zumindest umfangmäßig den Hauptteil, im-

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2.057 Deschner Bd. 3, 57Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

merhin rund fünf Sechstel, fabriziert hätte. NachW.A. Irwin stammen von den insgesamt 1273 Versennur 251 von Ezechiel, nach G. Hölscher gar nur 170.Andere Forscher halten zwar an der Authentizität derSchrift fest, nehmen aber mehrere Redaktionen undRedaktoren an, die zwischen die für echt gehaltenenStücke gefälschte einschoben und auch sonst allerleimanipulierten. Bezeichnenderweise schreibt die jüdi-sche Tradition das Werk nicht dem Propheten Ezechi-el zu, sondern den »Männern der großen Synago-ge«92.

Ganz eindeutig und durchgehend gefälscht wurdedas Buch Daniel, was bereits der große Christengeg-ner Porphyrios (I 210 ff) bewundernswert klar erkannthat. Zwar fielen seine eigenen fünfzehn Bücher»Gegen die Christen« den Vernichtungsbefehlenschon der ersten christlichen Kaiser zum Opfer. Docheiniges blieb durch Auszüge und Zitate erhalten, dar-unter auch die folgenden Sätze des Hieronymus imProlog seines Daniel-Kommentars: »Gegen den Pro-pheten Daniel hat Porphyrios das XII. Buch (seinesWerkes) gerichtet; er will nicht anerkennen, daß dasBuch Daniel von dem, dessen Namen es im Titelträgt, verfaßt worden sei, sondern von jemandem, derzur Zeit des Antiochos Epiphanes (d.h. ca. 400 Jahrespäter) in Judäa lebte, und er meint, daß Daniel nichtetwa Zukünftiges vorausgesagt, sondern jener ledig-

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2.058 Deschner Bd. 3, 57Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

lich Vergangenes nacherzählt habe. Was er über dieZeit bis zu Antiochos gesagt habe, entspreche derWahrheit; wenn er aber darüber Hinausliegendes inBetracht gezogen habe, so habe er, da ihm dieZukunft ja unbekannt gewesen sei, falsche Angabengemacht«93.

Das Buch Daniel soll von dem angeblich im 6.Jahrhundert am babylonischen Königshof lebendenPropheten Daniel stammen, dessen Autorschaft in derNeuzeit auch Thomas Hobbes schon bezweifelte. In-zwischen wurde sie von der kritischen Forschunglängst preisgegeben. Das katholische »Lexikon fürTheologie und Kirche« aber schreibt noch 1931: »Dieeinzelnen Episoden können in ihrem Kern in sehrfrühe Zeit zurückreichen, auch in die des Daniel ...Die katholischen Exegeten halten zum großen Teil anDaniel als Verfasser des Buches im wesentlichenfest«. Hauptsächlich die Ich-Form der Visionen Kapi-tel 7–12 (und selbstverständlich sein Platz in der»Heiligen Schrift«) ließ die christliche Tradition solange an »Daniels« Urheberschaft glauben, von des-sen Leben und Wirken wir nur durch sein eigenesWerk wissen. Es kam wahrscheinlich als letztes inden Kanon des Alten Testaments und muß somit alsauthentisch verteidigt werden. In Wirklichkeit stammtdie »Offenbarungsschrift« aus der Zeit des Syrerkö-nigs Antiochos IV. Epiphanes (I 105 ff), vermutlich

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2.059 Deschner Bd. 3, 58Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

aus dem Jahr des Makkabäer-Aufstands 164 v. Chr.Ergo lebte der Autor lange nach den Ereignissen, dieer im historischen Teil seines Buches in der drittenPerson beschreibt (Kap. 1–6). So aber kann »ProphetDaniel«, der vier Jahrhunderte früher als Diener desKönigs Nebukadnezar in »Babel« wirkt und sich »aufGesichte und Träume jeder Art« versteht, leicht pro-phezeien; das hat Porphyrios schon aufgedeckt. Dage-gen gerät dem »Propheten« im historischen Teil derSchrift, in der Zeit, in der er angeblich lebte und die erschildert, verständlicherweise allerlei durcheinander.So ist Belsazar, der Veranstalter des berühmten Gast-mahls, zwar zeitweise Regent, doch nicht »König«gewesen. Belsazar war auch nicht der Sohn Nebukad-nezars, sondern der Nabonids, des letzten babyloni-schen Königs (555–539). Artaxerxes kam nicht vorXerxes, sondern nach ihm. »Darius, der Meder« istüberhaupt keine geschichtliche Gestalt. Kurz, »Dani-el« war im Visionären weit besser zu Hause als in derZeit, in der er gelebt haben soll. Sonderfälschungensozusagen in der Fälschung sind einige besonders be-kannte (von den Katholiken deuterokanonisch, vonden Protestanten apokryph genannte) Stücke in derSeptuaginta, wie die Geschichte von den drei Jünglin-gen im Feuerofen, von der Susanna, die Erzählungenvom Bei und vom Drachen. Auch diese Sonderfäl-schungen stehen somit noch heute in der katholischen

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2.060 Deschner Bd. 3, 58Weitere Fälschungen im Alten Testament (und in ...

Bibel94.Das Buch Daniel ist die älteste Apokalypse und

unter all den anderen Apokalypsen die einzige, die insAlte Testament gelangt und damit kanonisch gewor-den ist. In die katholische Bibel kam allerdings eineweitere eindeutige Fälschung, das »deuterokanoni-sche« Buch Baruch, womit wir uns einer speziellen,aus lauter Fälschungen bestehenden Literaturgattungzuwenden, die dann ganz organisch, geradezu bruch-los ins Christentum übergeht.

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2.061 Deschner Bd. 3, 59Die jüdische Apokalyptik

Die jüdische Apokalyptik

Die Apokalyptik (von griech. apokálypsis, »Enthül-lung«) spielt eine wichtige Rolle, eine Art Übergangs-rolle zwischen dem Alten und Neuen Testament, be-sonders in der Zeit vom 2. Jahrhundert v. Chr. biszum 2. Jahrhundert n. Chr. Man kann in der Apoka-lyptik eine Abart der jüdischen Eschatologie sehen,sozusagen eine inoffizielle, ins Kosmische, Jenseitigeausufernde Eschatologie neben der offiziellen nationa-len der Rabbinen. Im Gegensatz zu dieser war dieapokalyptische Literatur universalistisch; sie umfaßteErde, Himmel und Hölle. Doch ihr Anhang führteeher ein Konventikeldasein (nicht unähnlich vielenSekten heute und ihrem Verhältnis zu den Kirchen).

Die Forschung sieht in diesem Schrifttum ein »Bin-deglied« zwischen dem Alten und Neuen Testamentund zählt die Apokalyptik zur zwischentestamentli-chen Periode. Dies erscheint um so sinnvoller, als(auch und gerade) die Apokalyptiker – Juden, derengenauere Herkunft (Essener, Pharisäer, Chasidäer)sich nur schwer feststellen läßt – Fälscher sind, Leute,die nicht unter ihrem Namen, sondern pseudonymschreiben; die ihre Enthüllungen göttlicher Geheim-nisse, der Urzeit, Endzeit, des Jenseits, ihre mysteriö-sen Offenbarungen der Zukunft auf Träume, ekstati-

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2.062 Deschner Bd. 3, 60Die jüdische Apokalyptik

sche Entrückungen (gelegentlich bis in den Himmel,u.a. Henoch, auch der christliche Apokalyptiker Jo-hannes), auf »Visionen« zurückführen, während diePropheten sich meist auf »Auditionen« berufen. Häu-fig werden die Erleuchteten und zu Erleuchtenden voneinem Offenbarungsmittler, Deuteengel, einem »ange-lus interpres« begleitet, der ihnen das Geschehenedeutet – und uns natürlich.

Typisch für die oft nur so gebetsüberschwemmtenFälschungen ist ihr stark von iranischen Vorstellun-gen geprägtes dualistisches Weltbild, ihre Lehre vonden zwei Äonen, einem vorläufigen und einem ewigenÄon. Typisch ist, daß sie die geschauten endzeitlichenEreignisse, die »Wehen des Messias«, als in Kürzebevorstehend schildern. All das reicht von grauenhaf-ten menschlichen und kosmischen Katastrophen (dieWeiber gebären nicht mehr, die Erde wird unfrucht-bar, die Gestirne geraten durcheinander) bis zum gött-lichen Gericht und phantastisch ausgemalter messia-nischer Herrlichkeit; wozu nicht zuletzt die Qualender Gottlosen gehören, woran man sich weidlich er-baute, verbunden mit eindringlichen Mahnungen zuBuße und Umkehr. Die Naherwartung des Endes isthier ebenso typisch wie die Jenseitshoffnung und derDeterminismus, denn von Gott ist »alles vorbedacht«(4. Esra 6), der Anfang und das Ende. »Diese Welthat der Höchste um vieler willen geschaffen, aber die

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2.063 Deschner Bd. 3, 60Die jüdische Apokalyptik

zukünftige nur für wenige« (4. Esra 8,1) – wiedereine Demonstration mehr seines Allerbarmens. Weiterist charakteristisch für die Zwischentestamentler, daßsie ihr Opus, das voller geheimnisvoller, verschlüssel-ter Bilder (Tiere, Wolken, Berge) und komplizierterZahlensymbolik steckt, einer religiösen Koryphäe derVorzeit unterschieben, es als von Adam, Henoch,Abraham, von Esra, Moses, Jesaja, Elia, Daniel stam-mend ausgeben und suggerieren, ihre Schrift sei langeverborgen oder bloß einem Gremium Auserwählterbekannt gewesen; jetzt aber wünsche Gott die weitereVerbreitung95.

Häufig stellen die Schwindler ihre Geschichtsüber-blicke als Prophezeiungen dar, in Futur-Form. Siesagen, meist viele Jahrhunderte später schreibend alsdie »Großen« einst vielleicht gelebt haben, denen sieihre Weissagungen in den Mund legen, natürlich allessehr präzis voraus. Ihre Leser sind verblüfft und glau-ben jetzt bereitwillig auch das, was sie für die fernereZukunft prophezeien an endzeitlichen Schrecken undHerrlichkeiten. Diese »pia fraus«, diese »Geschichts-darstellung als vaticinium ex eventu« (Vielhauer), hatentferntere alttestamentliche Parallelen schon im Pen-tateuch (1. Mos. 49; 4. Mos. 23 f; 5. Mos. 33), ihr ei-gentliches Vorbild aber vielleicht in der sibyllinischenOrakelliteratur der hellenistisch-römischen Zeit (S. 64ff)96.

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2.064 Deschner Bd. 3, 61Die jüdische Apokalyptik

Neben der schon vorgestellten biblischen Fäl-schung »Daniel« gehört auch das Buch Baruch hier-her, das angeblich von Baruch ben Nerija, demSchreiber, Begleiter und Freund des Propheten Jere-mia stammt, dessen Weissagungen er im Jahr 605niederschrieb. Sein eigenes Buch will »Baruch«, derals Gottesbote auftritt und umfangreiche Schauungenempfängt, nach der Zerstörung Jerusalems in Babylonverfaßt haben. Auch will er vieles mehr und besserwissen und auch sagen als die Propheten – und noch1931 sah das katholische »Lexikon für Theologie undKirche« »keinen Anlaß, die Autorschaft des Baruchzu beanstanden«. Inzwischen wird die Echtheit dieser(wie das gefälschte »Buch Daniel«) im Alten Testa-ment stehenden Schrift nur noch von ganz wenigenbehauptet, wurde sie doch mehr als ein halbes Jahr-tausend nach Baruch verfaßt: der erste Teil vielleichtim 1. Jahrhundert v. Chr. (der früheste Zeitpunkt), derzweite Teil vielleicht erst in der Mitte des 1. Jahrhun-derts n. Chr.97

Außer dem Baruch-Buch gibt es noch andere ge-fälschte Baruchschriften, etwa die zu den Pseudepi-graphen des Alten Testaments zählende syrische Ba-ruch-Apokalypse ungefähr aus dem frühen 2. nach-christlichen Jahrhundert; ferner eine ganz dem Jen-seits geltende griechische Baruch-Apokalypse, auchin slawischer Fassung erhalten, die Baruchs Reise

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2.065 Deschner Bd. 3, 62Die jüdische Apokalyptik

durch fünf (bzw. zwei) Himmel schildert – eine ur-sprünglich jüdische Fälschung, die aber noch einmaldurch christliche Hände gefälscht und frühestens um130 n. Chr. geschrieben worden ist- um von einerReihe weiterer auf Baruchs Namen fabrizierter Bü-cher zu schweigen98.

Auch unter dem Namen des Moses wurde noch Au-ßerbiblisches erschwindelt; die »Apokalypse desMoses« erst rund eineinhalb Jahrtausende nach seinermutmaßlichen Lebenszeit durch einen begreiflicher-weise gut informierten jüdischen Verfasser. Und inder »Assumptio Mosis«, vom Judasbrief des NeuenTestaments benutzt, brilliert der Titelheld nur so alsProphet, indem er die Zukunft Israels bis zum Toddes Königs Herodes voraussagt – allerdings durchden gleichfalls jüdischen Fälscher im 1. Jahrhundertn. Chr.99

Andere jüdische Apokalypsen, an denen sichchristliche Hände noch stark vergriffen haben, sind:die Apokalypse des Elia, des Zephanja, das apokry-phe Ezechiel-Buch, das Testament des Abraham, dasauch dessen Reise in den Himmel und zurück berich-tet, die Apokalypse des Abraham, worin dieser in Vi-sionen die Zukunft seines Geschlechts und Israelsvorausschaut (in Wirklichkeit wieder der Fälscheretwa zweitausend Jahre später darauf zurückblickt)und andere mehr100.

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2.066 Deschner Bd. 3, 62Die jüdische Apokalyptik

Gerade aus der apokalyptischen, von den Christendann weitergeführten Gattung gingen die Fälschungenfast mit innerer Notwendigkeit hervor; sie wurden ty-pisch für sie. Was lag näher, war leichter, als die»Werke« alter und ältester Autoritäten, der Männerder »besseren« Vergangenheit, der zwölf Erzvätersowie der Daniel, Henoch, dessen Echtheit schon Ori-genes bezweifelte, Abraham, Noah, Moses, Jesaja,Esra, immerhin eine Liste von zwanzig Namen, justzu der Zeit aufzufinden, da ihre Prophezeiungen, ihreOffenbarungen, einzutreten begannen?!

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2.067 Deschner Bd. 3, 63Weitere Fälschungen des (Diaspora-)Judentums

Weitere Fälschungen des (Diaspora-)Judentums

Nicht wenige literarische Fälschungen der Juden aberverdanken ihr Dasein der Bemühung, einen beträchtli-chen Teil der griechischen Philosophie auf den Penta-teuch zurückzuführen, den die Griechen angeblich be-stohlen hatten. Zum Beweis dieser frechen Unterstel-lung fälschten die Juden zum Beispiel entsprechendeorphische Hymnen; schwindelten sie in die WerkeHesiods und anderer heidnischer Epiker Texte ausdem Alten Testament; machten sie Homer zum stram-men Verfechter der Sabbatvorschriften! Abraham er-schien als Vater der Astronomie, Moses nahm bereitsPlaton vorweg, ja, nach Clemens Alexandrinus ge-wann sogar Miltiades die Schlacht bei Marathon (490v. Chr.) mit christlicher Strategie: der Feldherrnkunstdes Moses. Schon der hl. Justin, der führende Apolo-get und große Judenfeind des 2. Jahrhunderts (I 127),protzte so: »Wir lehren also nicht dasselbe wie dieübrigen, sondern alle andern sprechen nur das Unsri-ge nach« – damit übrigens gestehend, was er bestrei-tet, nur in Umkehr der Abhängigkeit101.

Was hatten die Juden kulturell gegenüber den Grie-chen zu bieten? Welche großen Philosophen, Dichter?Das Alte Testament? Auch die heidnische Welt achte-te heilige Texte. Die biblischen Bücher aber schätzte

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2.068 Deschner Bd. 3, 63Weitere Fälschungen des (Diaspora-)Judentums

sie gering. Das Wesentliche darin stammte für sie ausanderen Religionen, die Weissagungen der Prophetenwaren ex eventu, die Wundergeschichten töricht, dieZeremonien lächerlich, der jüdische Nationalismuswar verhaßt102.

Die Rabbinenschulen verpflichteten nun zwar zurpeinlichen Genauigkeit bei der Überlieferung. »Ir-gendeinem Schriftgelehrten ein Wort, das er nicht ge-sagt hat, zu unterschieben, wäre schlechterdings einVerbrechen gewesen« (Torm). Und doch grassiert inder gleichzeitigen jüdischen Literatur das Phänomender Pseudonymität in der anrüchigsten Form, wird diesehr expansive jüdische Mission zur Zeit Jesu mitHilfe einer umfangreichen Propagandaliteratur betrie-ben, mit bedenkenlosen Fälschungen, gibt es »eineBlüte jüdischer Pseudepigrapha« (Syme)103.

Gerade in der Diaspora mochten die Juden, trotzdes Erfolges ihrer Proselytenmacherei, den Griechensich besonders unterlegen fühlen. Und diesem Mangelsuchten sie abzuhelfen. Sie wollten ihr Judentum,ihren Glauben aufwerten, die Überlegenheit ihrer Re-ligion dartun: indem sie durch angeblich alte Schriftenihre Superiorität bewiesen, die jüdischen Prophetenviel älter als die heidnischen Philosophen, jene gleich-sam deren Lehrer sein ließen. Indem sie selbst durchAristoteles Sympathien für den Monotheismus sugge-rierten, durch Sophokles und Euripides die Vielgötte-

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2.069 Deschner Bd. 3, 64Weitere Fälschungen des (Diaspora-)Judentums

rei angriffen. Oder indem sie Hekataios von Abdera,einem Zeitgenossen Alexanders des Großen, ein glori-fizierendes Werk über Abraham zuschrieben. Oderindem sie dem im 6. Jahrhundert lebenden Spruch-dichter Phokylides aus Milet im 1. Jahrhundert einaus 230 Hexametern verfaßtes Lehrgedicht unterju-belten, eine populäre Moralphilosophie, die Griechi-sches und Jüdisches verknüpft, mit der leiblichenAuferstehung die Fortdauer und Vergöttlichung derSeele verbindet – Selbstbehauptungsbestreben ineiner überlegenen Umwelt, ausgeklügelte Werbefeld-züge eben für das hellenistische Judentum unter heid-nischer Maske. Und gerade bei den Christen hattendiese Fälschungen viel mehr Erfolg als die pseudepi-graphen Apokalypsen und Patriarchenbücher104.

In diesen Zusammenhang gehört etwa der bekanntejüdisch-alexandrinische Aristeas-Brief, zur Anerken-nung und Verherrlichung des Septuaginta-Penta-teuchs, des jüdischen Gesetzes und des Judentumsüberhaupt geschrieben; angeblich im 3. vorchristli-chen, tatsächlich im ausgehenden 2., wenn nicht garerst im 1. Jahrhundert. Der Hofbeamte Aristeas be-richtet darin u.a. die Übersetzung des jüdischen Pen-tateuchs ins Griechische durch 72 jüdische Männer (6aus jedem Stamm) auf der Insel Pharos in 72 Tagenfür die königliche Bibliothek in Alexandrien. Die von72 auf 70 abgerundete Zahl der Übersetzer gab der äl-

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2.070 Deschner Bd. 3, 64Weitere Fälschungen des (Diaspora-)Judentums

testen und wichtigsten Übertragung des Alten Testa-ments ins Griechische den Namen (S. 35). Der from-men Sage nach arbeitete jeder Übersetzer für sich,doch brachte ein jeder, Wort für Wort, denselben Textzustande – was alle Kirchenväter, Augustin einge-schlossen, geglaubt haben105.

In diesen Problemkreis gehört ferner, daß sichJuden der heidnischen Sibyllen bedienten, indem sie,wie dann die Christen, Sibyllinen schrieben, Prophe-zeiungen, natürlich unter nichtjüdischen Verfasserna-men und natürlich vaticinia ex eventu, glatter Betrug.

Die Sibyllinen (deren Namen selber sibyllinischund bis heute nicht geklärt ist) waren heidnische Pro-phetinnen anscheinend des 8. vorchristlichen Jahrhun-derts im griechischen Kulturraum, als deren bedeu-tendste die Erythräa gilt; kaum minder berühmt dievon Cumae, die tausend Jahre alt geworden und zu-letzt nur noch als flüsternder Laut in der vulkanischenGrotte, ihrem Orakelsitz, umhergeschwebt sein soll.An diese gottbesessenen Seherinnen jedenfalls knüpf-te die griechische Sibyllenliteratur an, prophetischeGesänge in Hexametern unheilvollen Inhalts. Unddiese literarische Gattung wieder griff im 2. vorchrist-lichen Jahrhundert eben das Diaspora Juden turn aufund machte sie zu einem Mittel der Mission, zu ihremPropagandainstrument. Man fälschte in die heidni-schen Texte Attacken auf das Heidentum hinein, vor

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2.071 Deschner Bd. 3, 65Weitere Fälschungen des (Diaspora-)Judentums

allem auf den Polytheismus, und bereicherte siegleichzeitig durch Weissagungen auf Israel, auf diejüngste Vergangenheit und Gegenwart106.

Auch die »Sibyllinischen Orakel«, 14 Bücher vol-ler göttlich inspirierter Weissagungen, deren Entste-hung vom 2. vorchristlichen (3. Buch) bis ins 3. oder4. nachchristliche Jahrhundert reicht (11. bis 14.Buch), bezogen sich auf diese gottbegeisterten Pro-phetinnen der Alten, ihre geheiligte Autorität. Durcharchaisierenden Stil, gekünstelte homerische Einfach-heit, durch Verwendung paganen Orakelgutes odersonstiger Anleihen bei heidnischen Schriftstellern er-hielten sie den Anschein von Echtheit, von Originali-tät, die Glaubwürdigkeit tatsächlicher Prophezeiun-gen. Schon wegen der Ähnlichkeit der sibyllinischenDrohweissagung mit der alttestamentlichen faszinier-ten sie das Judentum und galten auch den antikenChristen ausnahmslos als echt, obwohl sie sämtlichteils jüdische, teils christliche Fälschungen sind –nicht etwa dichterischer Kunstgriff, literarisches Stil-mittel, wie in Vergils vierter Ekloge die ÜbertragungSibyllinischer Orakel auf ein römisches Kind oder dieProphezeiung Miltons gegen Ende von »ParadiseLost«.

Die Bücher 1 bis 5 wurden von hellenistischenJuden gefälscht, freilich nicht ohne daß dann Christendurch zahlreiche Einschübe weiter hineingefälscht

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2.072 Deschner Bd. 3, 66Weitere Fälschungen des (Diaspora-)Judentums

hätten. Die Bücher 6, 7 und 8 sind rein christlicheFälschungen aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhun-derts, u.a. mit einem vielgepriesenen Preislied aufChristus und das Kreuzesholz. Bei den Büchern 11bis 14 ist offenbar schwer zu sagen, wer mehr fälsch-te, Juden oder Christen. Viele Führer der letzterenhaben diese Schwindeleien auch als Autoritäten be-trachtet und entsprechend verwendet: Hermas, Justin,Athenagoras, Theophil, Tertullian, Clemens Alexan-drinus, Euseb, besonders aber Laktanz (der das 8.Buch 30mal zitiert). Doch noch ein Kirchenlehrer wieAugustinus förderte das Ansehen solcher Falsa, indenen die Sibyllen, der persische Prinz Hystaspes, derBeschützer und erste Anhänger Zarathustras, dieserselbst, der Religionsstifter, Mittler und Erlöser Her-mes Trismegistos, Orpheus zu Verkündern Christiwurden, mitunter auch der Jungfrauengeburt, der Got-tesgebärerin, und gelegentlich bekämpfte man dabeisogar die Heiden.

Der Einfluß dieser jüdisch-christlichen Sibyllistikwar groß und reicht weit über die Antike hinaus biszu Dante, Calderón, Giotto, Michelangelo107.

Seit dem 2. Jahrhundert übernahmen christlicheApologeten die jüdischen Sibyllinen, vor allem, umgegen das christenfeindliche Rom zu kämpfen. Undwie die Juden einst an die heidnische Sibyllistik ange-knüpft hatten, so knüpften die Christen nun an die jü-

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2.073 Deschner Bd. 3, 66Weitere Fälschungen des (Diaspora-)Judentums

dische an. Sie rezipierten diese auch ähnlich, sie bear-beiteten sie und erfanden neue108.

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2.074 Deschner Bd. 3, 66Jüdisch-christliche »Kooperation«

Jüdisch-christliche »Kooperation«

Vom 2. vorchristlichen bis zum 2. nachchristlichenJahrhundert ahmte man häufig kanonische Bücher desAlten Testaments nach oder fälschte sie frei weg undgab ihnen biblische Verfassernamen, wie etwa dempseudohistorischen apokryphen 3. Buch Esra (auch»griechischer Esra« genannt), dem voller altpersischerund griechischer Mythen steckenden und auch imNeuen Testament zitierten Henochbuch, das an jenenHenoch anknüpft, der in den Kainitenlisten von 1.Mos. 4,17 ff der Sohn des Kain und der Vater desIrad, in der Sethitenliste 1. Mos. 5 der Sohn des Jaredund der Vater des Methuselach ist. Und obwohl wirdurch das Zeugnis der Gräber Palästinas wissen, daßdie Lebensdauer jener Zeit nicht mehr als 50 Jahre be-trug, behauptet die Bibel (in diesem Fall noch relativbescheiden), Henochs »ganzes Alter ward 365 Jahre.Und weil er mit Gott wandelte, nahm ihn Gott hinwegund er ward nicht mehr gesehen«. Wohin Gott ihnnahm, verschweigt die »Schrift«. Dafür wurde er dannvon jüdischen und christlichen Kreisen als himmli-scher Prophet und Heiliger verehrt und taucht in wei-teren Fälschungen auf: im »Buch Jubiläen« 4,23 imGarten Eden, in der »Himmelfahrt des Jesaja« 9,9 (S.55 f) im siebten Himmel; und natürlich im äthiopi-

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2.075 Deschner Bd. 3, 67Jüdisch-christliche »Kooperation«

schen Henochbuch (von der äthiopischen Kirche ka-nonisiert) sowie im sehr ähnlichen slawischen He-nochbuch, das man im 1. oder 2. nachchristlichenJahrhundert auf jüdischer Seite gefälscht und daraufwahrscheinlich noch einmal »in christlichem Geisteüberarbeitet« hat (A. van den Born)109.

So entstanden in jenen Jahrhunderten laufend jüdi-sche »Apocrypha«, von vielen Kirchenvätern als echt,manchmal sogar als heilig anerkannt. Und zahlreichejüdisch-alttestamentliche »Apokryphen« haben Chri-sten interpoliert und erweitert, wie das gerade genann-te Buch Henoch. Einige dieser Fälschungen wurdensogar dem Kanon zugezählt: Das im 1. nachchristli-chen Jahrhundert unter dem Namen des Esra geschrie-bene 4. Buch Esra etwa. Oder das 3. Makkabäerbuch,das nichts mit den Makkabäern (I 104 ff) zu tun hat,vielmehr sehr dem gleichfalls gefälschten »Aristeas-brief« ähnelt (S. 64). Oder die 18 Psalmen Salomos(S. 53). Sahen manche Christen doch »in der Fäl-schung das wirksamste Mittel ..., die äußeren Feindedes neuen Glaubens zu widerlegen« (Speyer)110.

Auch das »Testament der zwölf Patriarchen« isteine dieser ungezählten Betrügereien und zudem einschönes Beispiel für eine produktive jüdisch-christli-che »Kooperation« über Jahrhunderte. Denn dies un-gefähr zwei Jahrtausende nach der fraglichen Lebens-zeit der Patriarchen frühestens im späteren 1. nach-

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2.076 Deschner Bd. 3, 68Jüdisch-christliche »Kooperation«

christlichen Jahrhundert erstellte »Testament« bestehtsozusagen, wie erstmals F. Schnapp 1884 in einergründlichen kritischen Analyse im wesentlichen wohlzutreffend gezeigt hat, zunächst aus einer jüdischenGrundschrift. In diese Fälschung fälschte darauf einweiterer Jude viele Einschübe hinein. Und diese dop-pelte Fälschung bereicherte dann ein Christ nochdurch entsprechende christliche Einschübe. Ja, nochnachnicaenische Christen haben hier interpoliert111.

Das »Testament der zwölf Patriarchen« besteht auszwölf Abschiedsreden der Söhne Jakobs an ihreNachkommen sowie aus Weissagungen, die sichzweitausend Jahre später gut voraussagen ließen. VonPatriarch Jakob selbst aber, den das 1. Buch Mose 27»einen gesitteten Mann« nennt, liest man schon 1,36,er heiße mit Recht Jakob, der Hinterlistige, »denn erhat mich nun zweimal betrogen. Meine Erstgeburt hater genommen, und siehe, nun nimmt er auch nochmeinen Segen«. Wenn ein solcher, übrigens schon imMutterleib von Jahwe bevorzugter Mensch durch einLinsengericht das Recht der Erstgeburt erkauft undvon seinem erblindeten Vater den Segen des Erstge-borenen erschleicht, wenn also der Stammvater Israelsbereits im ersten Buch der »Heiligen Schrift« als aus-gemachter »Betrüger« erscheint, warum sollte mandann in ihr nicht weiter betrügen, zum Beispiel durchliterarische Fälschungen112?

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2.077 Deschner Bd. 3, 68Jüdisch-christliche »Kooperation«

Als der katholische Romancier Stefan Andres die»Biblische Geschichte« kompetenterweise nacher-zählte, schloß er sein 1965 in Rom geschriebenesNachwort mit der Bemerkung, er wäre glücklich,wenn die Leser seines Buchs »die in ihm enthalteneHeilige Schrift wie einen atemberaubenden Romanläsen, und vielleicht ist sie es sogar: ein roman fleuvemit vielen Autoren ...«. Und mit vielen Fälschern, wiesich nun gleich auch im Neuen Testament zeigenwird113.

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2.078 Deschner Bd. 3, 69Fälschungen im Neuen Testament

Fälschungen im Neuen Testament

»... was das Christentum vor allen geschichtli-chen Ereignissen voraus hat, ist der Umstand,daß diese Schriftsteller nicht bloß mit ihren ei-genen Erfahrungen und mit ihrem ehrlichenNamen für die Treue und Gewissenhaftigkeitihrer Berichterstattung einstehen, sondern gleichalles, was sie sind und haben, zum Pfand ein-setzen, der Wahrheit und nur der WahrheitZeugnis gegeben zu haben. So etwas hat dieWelt noch niemals gesehen ...«

Der katholische Theologe F.X. Dieringer114

»Außerdem hat die moderne Bibelkritik dafürgesorgt, daß die Bibel wissenschaftlich exaktuntersucht wurde. Es steht heute fest: die Bibelist zu 99% in Ordnung«.

Der katholische Theologe Alois Stiefvater (mitkirchlicher Druckerlaubnis)115

»Die Alte Kirche ist in Mode gekommen. Nichtnur, weil man sich erneut bewußt ist, daß Was-ser in Quellnähe am lautersten quillt ...«

Der katholische Theologe Frits van der Meer116

»Die Fälschungen beginnen in neutestamentli-cher Zeit und haben nie aufgehört«.

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2.079 Deschner Bd. 3, 69Fälschungen im Neuen Testament

Der evangelische Theologe Carl Schneider117

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2.080 Deschner Bd. 3, 70Der Irrtum Jesu

Der Irrtum Jesu

Am Beginn des Christentums steht freilich kaum dieFälschung – vorausgesetzt: Jesus von Nazareth ist hi-storisch und nicht der ins Menschliche transponierteMythus eines Gottes. Hier wird jedoch die Geschicht-lichkeit vorausgesetzt, denn sie ist – verschwindende,beachtliche Ausnahmen beiseite – die communis opi-nio des 20. Jahrhunderts: aber noch kein Beweis.Ebenso billig wie unverschämt indes sind hundertfachkursierende apologetische Betisen, wie die des Jesui-ten F.X. Brors (mit Imprimatur): »Aber wo findet sichdenn irgend eine Persönlichkeit, deren Existenz sohistorisch verbürgt ist, wie die Person Christi? Dannkönnen wir auch einen Cicero, einen Cäsar, ja auchden ›großen Fritz‹ und einen Napoleon zur Mythe ma-chen: besser verbürgt als die Existenz Christi ist auchderen Existenz nicht«118.

Dagegen steht fest: es gibt kein beweiskräftigesZeugnis für Jesu Geschichtlichkeit aus der sogenann-ten Profanliteratur. Jedes dieser Zeugnisse hat nichtmehr Wert als die gelegentliche Bezifferung derLänge Christi auf 189 cm, die der Maria auf 186 cm.Sämtliche außerchristlichen Quellen schweigen ent-weder über Jesus: Sueton etwa, der jüngere Pliniusauf römischer Seite, Philon und, besonders eklatant,

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2.081 Deschner Bd. 3, 71Der Irrtum Jesu

Justus von Tiberias auf jüdischer. Oder sie kommennicht in Betracht, wie die »Testimonia« von Tacitusund Josephus Flavius, was heute sogar viele katholi-sche Theologen zugeben. Und ein so wohlangesehe-ner Katholik wie Romano Guardini wußte, warum erschrieb: »Das Neue Testament bildet die einzigeQuelle, die von Jesus Kunde gibt«119.

Wie es aber mit dem Neuen Testament und seinerZuverlässigkeit steht, das hat die historisch-kritischeTheologie in ebenso umfassender wie akribischerWeise gezeigt, und zwar mit weithin negativem Re-sultat. Sind die biblischen Bücher doch nach den kri-tischen christlichen Theologen »an der Historie nichtinteressiert« (M. Dibelius); »weithin nur eine Anek-dotensammlung« (M. Werner); »nur mit äußersterVorsicht (zu) benutzen« (M. Goguel); sie stecken vol-ler »Kultlegenden« (von Soden), »Erbauungs- undUnterhaltungsgeschichten« (C. Schneider), voller Pro-paganda, Apologetik, Polemik, Tendenz. Kurz, derGlaube ist hier alles, die Geschichte nichts120.

Das gilt auch und gerade von jenen Quellen, dieuns fast allein über Leben und Lehre des Nazarenersunterrichten, den Evangelien. Alle Leben-Jesu-Dar-stellungen sind, wie ihr bester Kenner, AlbertSchweitzer, schrieb, »hypothetische Konstruktionen«.Und dementsprechend sieht auch die moderne christli-che Theologie, soweit sie kritisch, dogmatisch nicht

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2.082 Deschner Bd. 3, 71Der Irrtum Jesu

geknebelt ist, die historische Glaubwürdigkeit dervier Evangelien in umfassender Weise in Frage ge-stellt, kommt sie einmütig zu dem Schluß, daß sichvom Leben Jesu so gut wie nichts mehr ermittelnlasse, daß auch die Nachrichten über seine Lehremeist sekundär, hernach hinzugedichtet seien, daßsomit die Evangelien weithin keineswegs Geschichtespiegeln, sondern Glauben: die Gemeindetheologie,die Gemeindephantasie des späten 1. Jahrhun-derts121.

Weder Geschichte steht demnach (!) am Anfangdes Christentums noch Fälschung; wohl aber als Mit-telpunkt, als sein eigentliches Motiv: der Irrtum. Unddieser Irrtum geht auf keinen Geringeren als Jesus zu-rück.

Wir wissen: der Jesus der Bibel, besonders derSynoptiker, steht ganz in der jüdischen Tradition. Erist viel mehr Jude als Christ; wie denn die Mitgliederder Urgemeinde seinerzeit auch »Hebräer« hießen –erst die neuere Forschung nennt sie »Judenchristen«.Ihr Leben aber unterschied sich kaum von dem derübrigen Juden. Sie sahen auch die jüdischen heiligenSchriften als maßgeblich an, ja, blieben noch mehrereGenerationen lang Mitglieder der Synagoge. Jesuspropagierte eine Mission auch nur unter Juden (S.111 f). Er war stark von der jüdischen Apokalyptikbeeinflußt. Und diese, besonders die apokalyptisch-

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henochitische Tradition, wirkte stark auf das Chri-stentum. Nicht von ungefähr betitelte Bultmann eineStudie: »Ist die Apokalyptik die Mutter der christli-chen Theologie?« Das Neue Testament jedenfallswird weithin von apokalyptischen Gedanken geprägt.Es verrät auf Schritt und Tritt ihren Einfluß. »Es kannkein Zweifel bestehen, daß es vorzugsweise ein apo-kalyptisches Judentum war, in dem der christlicheGlaube seine erste und grundlegende Form gewann«(Cornfeld/Botterweck)122.

Geradezu die Keimzelle dieses Glaubens aber istJesu Irrtum über das unmittelbar bevorstehende Endeder Welt. Solche Enderwartungen waren häufig. Siebedeuteten auch nicht immer das Weltende, sondernvielleicht nur den Anbruch einer neuen Weltperiode.Man kannte entsprechende Vorstellungen im Iran, inBabylonien, Assyrien, Ägypten, und vom Heidentumübernahmen sie die Juden, gingen sie als Messiasideeins Alte Testament ein. So wurde auch Jesus einer dervielen endzeitlichen Propheten, verkündete er, wie diejüdischen Apokalypsen, die Essener, Johannes derTäufer, seine Generation als die letzte; predigte er,daß die gegenwärtige Zeit abgelaufen sei und einigeseiner Jünger »den Tod nicht schmecken werden, bisdaß sie sehen das Reich Gottes kommen mit Macht«;daß sie mit der Mission in Israel nicht zu Ende seinwürden, »bis der Menschensohn kommt«; daß Gottes

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2.084 Deschner Bd. 3, 72Der Irrtum Jesu

Strafgericht sich »noch an diesem Geschlecht« voll-ziehe; daß es nicht vergehen werde, »bis dies alles ge-schehen ist«123.

Obwohl all das aber schon eineinhalb Jahrtausendelang in der Bibel stand, hat erst Hermann Samuel Rei-marus, der 1768 gestorbene Hamburger Orientalist,den Irrtum Jesu klar erkannt, dann Lessing Teile ausder unveröffentlichten, 1400 Seiten umfassenden Ar-beit des Gelehrten publiziert. Doch erst um dieWende zum 20. Jahrhundert wurde die Entdeckungdes Reimarus durch den Theologen Johannes Weißentscheidend aufgezeigt und durch den Theologen Al-bert Schweitzer besonders ausgebaut. Inzwischen giltdie Erkenntnis vom fundamentalen Irrtum Jesu als ko-pernikanische Tat der modernen Theologie und wirdvon ihren historisch-kritischen, dogmatisch ungebun-denen Repräsentanten fast allgemein vertreten. Fürden Theologen Bultmann bedarf es »keines Wortes,daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendesgetäuscht hat«. Und nach dem Theologen Heiler wird»Jesu felsenfeste Überzeugung von dem baldigenKommen des Gerichtes und der Vollendung ... vonkeinem ernsten und unbefangenen Forscher mehr be-stritten«124.

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2.085 Deschner Bd. 3, 73Vorboten der Fälscher

Vorboten der Fälscher

Doch nicht nur Jesus hat sich getäuscht, auch die ge-samte Urchristenheit, da man, wie ein nun ganz un-verdächtiger Gewährsmann zugibt, der FreiburgerErzbischof Conrad Gröber (Förderndes Mitglied derSS), »das Wiederkommen des Herrn als demnächstigansah, wie es nicht nur einzelne Stellen in den Briefendes hl. Paulus, der hll. Petrus und Jakobus und dieApokalypse, sondern auch die Literatur der apostoli-schen Väter und das urchristliche Leben bezeu-gen«125.

Marana tha – Komm, unser Herr, das war der Ge-betsruf der ersten Christen. Als aber die Zeit vergingund der Herr nicht kam, als sich Zweifel mehrten,Resignation, Spott, Lächerlichkeit, Zwist, da milderteman allmählich die Radikalität der jesuanischen Aus-sagen. Und schießlich, nach Jahrzehnten, Jahrhunder-ten, als nicht der Herr kam, sondern die Kirche, damachte diese aus der Naherwartung Jesu die Ferner-wartung, aus seinem Reich-Gottes-Gedanken den Kir-che-Gedanken, setzte sie an die Stelle des ältestenchristlichen Glaubens – das Himmelreich: eine totaleVerkehrung, im Grunde eine gigantische Fälschung,innerhalb des Christentums dogmatisch die größteüberhaupt126.

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2.086 Deschner Bd. 3, 74Vorboten der Fälscher

Der Glaube an die Naherwartung des Endes be-dingte die späte Entstehung der urchristlichen Schrif-ten entscheidend: erst in der zweiten Hälfte des 1. undim Laufe des 2. Jahrhunderts. Denn Jesus und seineJünger, die kein abstraktes Jenseits, keinen transzen-denten Seligkeitszustand erwarteten, sondern das un-mittelbar bevorstehende Eingreifen Gottes vom Him-mel her und eine völlige Verwandlung aller Dinge aufErden, hatten natürlich gar kein Interesse an Auf-zeichnungen, Niederschriften, Büchern, zu deren Ab-fassung sie auch kaum imstande waren.

Und als man schrieb, da schwächte man von An-fang an Jesu Prophezeiungen des so nah bevorstehen-den Weltendes ab. Die Christen erlebten dies Ende janicht, und so durchziehen die Fragen danach ihreganze alte Literatur, Skepsis macht sich breit, Unwil-le. »Wo ist denn seine verheißene Wiederkunft?«heißt es im 2. Petrusbrief. »Seitdem die Väter ent-schlafen sind, bleibt ja alles doch so, wie es seit Be-ginn der Schöpfung gewesen ist«. Und aus dem 1.Clemensbrief dringt die Klage: »Dies haben wir auchschon in den Tagen unsrer Väter gehört, und siehe,wir sind alt geworden, und nichts von all dem ist unswiderfahren«127.

Solche Stimmen werden bald nach Jesu Tod lautgeworden sein. Und sie mehren sich durch Jahrhun-derte. So reagiert bereits der älteste christliche Autor,

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2.087 Deschner Bd. 3, 74Vorboten der Fälscher

der Völkerapostel Paulus. Hatte er den Korinthern zu-nächst erklärt, die Frist sei »nur noch kurz bemes-sen«, die Welt »geht dem Untergang entgegen«, »Wirwerden nicht alle entschlafen, wir werden aber alleverwandelt werden«, so spiritualisierte er dann denvon Jahr zu Jahr suspekteren Endzeitglauben. Er ließnun die große Welterneuerung, den heißersehnten Äo-nenwechsel für die Gläubigen innerlich bereits durchJesu Tod und Auferstehung eingetreten sein. Paulussetzte anstelle der jesuanischen Reich-Gottes-Predigt,anstelle der Verheißung, daß dieses Reich bald aufErden anbrechen werde (S. 72), nun individualistischeJenseitsgedanken, die vita aeterna. Christus kommtjetzt nicht mehr zur Welt herab, sondern der gläubigeChrist kommt zu ihm in den Himmel! Auch die späterschreibenden Evangelisten mildern Jesu Endzeitpro-phezeiung und bringen Korrekturen im Sinne einesAufschubs an; wobei am weitesten Lukas geht, indemer den Glauben an die Naherwartung durch den Glau-ben an eine gottgewollte Heilsgeschichte mit Vorsta-dien und Zwischenstufen ersetzt128.

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2.088 Deschner Bd. 3, 75Die »Heiligen Schriften« sammeln sich

Die »Heiligen Schriften« sammeln sich oderVierhundertjähriges Nachdenken der dritten

göttlichen Person

Kein Evangelist hatte freilich die Absicht, eine ArtOffenbarungsurkunde zu schreiben, ein kanonischesBuch. Keiner hielt sich für inspiriert, auch Paulusnicht, überhaupt kein neutestamentlicher Autor. Nurdie Apokalypse, die mit knapper Not in die Bibelkam, erhebt den Anspruch, ihrem Verfasser von Gottdiktiert worden zu sein. Noch der rechtgläubige Bi-schof Papias aber hielt um 140 die Evangelien nichtfür »Heilige Schriften« und zog ihnen die mündlicheTradition vor. Noch der hl. Justin, der wichtigsteApologet des 2. Jahrhunderts, sieht in den Evangelien(die er kaum nennt, während er das Alte Testamentfortwährend bemüht) nur »Denkwürdigkeiten«.

Der erste, der von einer Inspiration des Neuen Te-staments spricht, der die Evangelien und die Paulus-briefe als »heiliges, göttliches Wort« bezeichnet, istBischof Theophilus von Antiochien im ausgehenden2. Jahrhundert – ein ganz besonderes Kirchenlicht,was schon daraus erhellt, daß er als erster Kirchen-mann von der Trinität der Gottheit spricht. Anderer-seits schrieb er, trotz der von ihm behaupteten Heilig-keit und Göttlichkeit der Evangelien, selber eineKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.089 Deschner Bd. 3, 76Die »Heiligen Schriften« sammeln sich

»Evangelienharmonie«, da jene ihm offenbar zu un-harmonisch waren (vgl. S. 76)129.

Erst in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts er-kannte man die Evangelien allmählich als autoritativan, doch längst nicht überall. Noch im ausgehenden 2.Jahrhundert wurde das Lukasevangelium nur zögernd,das Johannesevangelium nicht ohne beträchtliche Wi-derstände akzeptiert (S. 113). Ist es nicht auffallendauch, daß die Urchristenheit nicht im Plural von denEvangelien sprach, sondern nur im Singular von demEvangelium? Jedenfalls hatte man im ganzen 2. Jahr-hundert »noch keinen festen Evangelienkanon undempfand die Mehrzahl der Evangelien wohl wirklichals Problem« (Schneemelcher)130.

Deutlich demonstrieren dies zwei berühmte Unter-nehmen jener Zeit, die beide das Problem der Evange-lienvielzahl durch eine Reduktion zu lösen suchten.

Zunächst einmal die weitverbreitete Bibel Mar-kions. Denn dieser »Ketzer« (S. 439), ein wichtigeskirchenhistorisches Faktum, schuf das erste Neue Te-stament und wurde der Begründer der neutestamentli-chen Textkritik, indem er seine »Heilige Schrift« baldnach 140 zusammenstellte. Dabei schied er das blut-rünstige Alte Testament (S. 35 ff) völlig aus undnahm nur das Lukasevangelium (ohne die total legen-däre Kindheitsgeschichte) und die Paulusbriefe auf,letztere jedoch bezeichnenderweise wieder ohne die

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2.090 Deschner Bd. 3, 76Die »Heiligen Schriften« sammeln sich

gefälschten Pastoralbriefe (S. 99 ff) und den ebenfallsunpaulinischen Hebräerbrief (S. 103). Die übrigenBriefe aber reinigte er von »judaistischen« Zusätzen,und sein Tun wurde der ausschlaggebende Grunddafür, daß die katholische Kirche ihre Kanonzusam-menstellung begann bzw. beschleunigte, sich über-haupt erst als Kirche zu konstituieren anfing.

Das zweite in etwa vergleichbare Unternehmen wardas »Diatessaron« des Tatian. Dieser Schüler des hl.Justin in Rom hat das Problem der Pluralität derEvangelien anders, doch gleichfalls reduzierend ge-löst. Er verfaßte (wie Theophilus) eine Evangelien-harmonie, indem er die drei synoptischen Erzählungenfrei in den chronologischen Rahmen des ViertenEvangeliums fügte samt allerlei »apokryphen« Ge-schichten (wobei man noch immer darüber streitet, ober dies Opus in Rom oder Syrien schuf). Jedenfallshatte es großen Erfolg und wurde von der syrischenKirche als »Heilige Schrift« bis ins 5. Jahrhundert ge-braucht131.

Die Christen des 1. und weithin auch noch die desfolgenden Jahrhunderts besaßen also noch kein NeuesTestament. Als maßgebende Texte dienten zuerst, zuBeginn des 2. Jahrhunderts, die Paulusbriefe; dagegenwurden die Evangelien erst seit der Mitte dieses Jahr-hunderts im Gottesdienst als »Schrift« zitiert132.

Die eigentliche »Heilige Schrift« der Christen aberKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.091 Deschner Bd. 3, 77Die »Heiligen Schriften« sammeln sich

war vordem das heilige Buch der Juden. Noch um160 beruft sich der hl. Justin in dem bis dahin um-fangreichsten christlichen Traktat fast ausschließlichauf das Alte Testament, und zwar meist um die Judenin ungeheuerlicher, manchmal noch Streicher und Hit-ler in den Schatten stellenden Weise zu verleumden (I127). Der Namen »Neues Testament« (gr. hē kainē

diathékē, »der neue Bund«, erstmals von Tertullianmit Novum Testamentum übersetzt) taucht im Jahr192 auf. Doch damals steht der Umfang dieses»Neuen Testaments« noch lange nicht fest, streitendie Christen darüber noch durch das ganze 3. undeinen Teil des 4. Jahrhunderts, verwerfen die einen,was die anderen anerkennen. »Überall sind Gegen-sätze und Widersprüche«, schreibt der Theologe CarlSchneider. »Die einen sagen: Gültig ist ›was in allenKirchen gelesen wird‹, die anderen: ›was von denAposteln stammt‹, die dritten unterscheiden sympathi-schen oder unsympathischen Lehrgehalt«133.

Zwar gibt es um 200 als »Heilige Schrift« in derKirche ein Neues Testament neben dem Alten, wobeiden Kernbestand, wie im früheren Neuen Testamentdes verketzerten Markion, Evangelium und Paulus-briefe bilden. Doch die Apostelgeschichte, die Offen-barung und die »Katholischen Briefe« sind damalsnoch umstritten. Im Neuen Testament des hl. Irenäus,des bedeutendsten Theologen des 2. Jahrhunderts,

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2.092 Deschner Bd. 3, 77Die »Heiligen Schriften« sammeln sich

steht der »Hirt« des Hermas, der nicht zum Neuen Te-stament gehört; aber der Hebräerbrief, der dazuge-hört, steht nicht darin134.

Kirchenschriftsteller Clemens Alexandrinus (gest.um 215), immerhin in mehreren Martyrologien unterden Heiligen des 4. Dezember angeführt, kennt kaumeine auch nur halbwegs abgegrenzte Sammlung neu-testamentlicher Bücher. Er kommentiert ebenso bibli-sche wie nichtbiblische Schriften, etwa die gefälschtePetrusapokalypse (S. 125 f) oder den Barnabasbrief,den er für apostolisch hält. Hermas, dem Verfasserdes »Hirten«, attestiert er gar »ein hochbegnadigtesOrgan göttlicher Offenbarung«, die gefälschte Zwölf-apostellehre (S. 131 f) nennt er schlechthin »dieSchrift«. Er benutzt das Ägypter- oder das Hebräer-evangelium genauso wie die »kanonischen« Evangeli-en, außer»kanonische« Apostelgeschichten genausowie die apostolischen Legenden des Lukas. Er glaubtan wirkliche Offenbarungen der »Sibylle« und zögertnicht, ein Wort des »Theologen« Orpheus neben einesaus dem Pentateuch zu stellen. Warum auch nicht –war nicht das eine so echt wie das andre135?!

Selbst die römische Kirche aber zählt um 200weder den Hebräerbrief noch den 1. und 2. Petrusbriefnoch den Jakobusbrief und 3. Johannesbrief zumNeuen Testament. Und die Schwankungen in der Ein-schätzung der verschiedenen Schriften sind, die Papy-

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2.093 Deschner Bd. 3, 78Die »Heiligen Schriften« sammeln sich

rusfunde neutestamentlicher Texte zeigen es, noch im3. Jahrhundert sehr groß. Rechnet doch auch noch im4. Jahrhundert Kirchengeschichtsschreiber BischofEuseb zu den bei vielen umstrittenen Schriften: denJakobus-, den Judasbrief, den 2. Brief des Petrussowie »den sogenannten« 2. und 3. Johannesbrief. Zuden unechten Schriften zählt er, »wenn man so will«,die Offenbarung des Johannes. (Und noch fast um dieWende zum 8. Jahrhundert, 692, approbiert in dergriechischen Kirche das Trullanische Konzil Kanon-verzeichnisse mit und ohne Johannes-Offenbarung!).Für die nordafrikanische Kirche gehören um 360,nach dem Kanon Mommsenianus, der Hebräerbrief,Jakobusbrief, Judasbrief, nach einer anderen Überlie-ferung auch 2. Petrusbrief und 2. und 3. Johannesbriefnicht zur »Heiligen Schrift«. Andererseits rechnetenprominente Kirchenväter eine ganze Reihe später vonder Kirche verdammten Evangelien, Apostelgeschich-ten und Briefe zu ihrem Neuen Testament, erfreutensich im Osten noch bis ins 4. Jahrhundert hinein Bar-nabasbrief, Hermas, Petrusapokalypse, Didache u.a.großer Wertschätzung oder galten da und dort sogarals »Heilige Schrift«. Und noch im 5. Jahrhunderttrifft man »apokryphe«, das heißt »unechte« Schriftenmit »echten« in einem Codex136.

Die sogenannten Katholischen Briefe benötigtendie längste Zeit, um als Gruppe von sieben Briefen in

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2.094 Deschner Bd. 3, 79Die »Heiligen Schriften« sammeln sich

das Neue Testament zu kommen, dessen Umfang alserster der hl. Kirchenlehrer Athanasius, der »Vater derwissenschaftlichen Theologie«, von der Forschungauch der Dokumentenfälschung überführt (I 374 ff),im Jahr 367 entschieden festgelegt hat, indem er diebekannten 27 Schriften (darunter 21 Briefe) aufnahm,gleichzeitig eiskalt lügend, bereits die Apostel undLehrer der apostolischen Zeit hätten den seit je genaufeststehenden Kanon geschaffen. Der Entscheidungdes Athanasius folgte unter Augustins Einfluß derWesten und begrenzte entsprechend um die Wendezum 5. Jahrhundert den katholischen Kanon desNeuen Testaments definitiv auf den Synoden vonRom 382, Hippo Regius 393 und Karthago 397 und419137.

Der neutestamentliche Kanon (im Lateinischensynonym mit »biblia« gebraucht) wurde in Nachah-mung des heiligen Buches der Juden geschaffen. DasWort Kanon, das im Neuen Testament nur an vierStellen erscheint, erhielt in der Kirche die Bedeutungvon »Norm, Beurteilungsmaßstab«. Als kanonischgalt, was als Bestandteil dieser Norm anerkannt war;und nach dem endgültigen Abschluß des neutesta-mentlichen Sammelwerks hat das Wort »kanonisch«so viel bedeutet wie göttlich, irrtumslos. Die gegentei-lige Bedeutung bekam das Wort »apokryph«138.

Der Kanon der katholischen Kirche blieb bis zurKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.095 Deschner Bd. 3, 79Die »Heiligen Schriften« sammeln sich

Reformation allgemein in Geltung. Dann bestritt Lu-ther die Kanonizität des 2. Petrusbriefes (der manch-mal »ein wenig herunter unter den apostolischenGeist« gehe), des Jakobusbriefes (»ein recht strohernEpistel«; »stracks wider S. Paulum«), des Hebräer-briefes (»vielleicht etwa Holz, Stroh oder Heu mit un-termengt«) sowie der Apokalypse (weder »apostolischnoch prophetisch«; »mein Geist kann sich in dasBuch nicht schicken«) und erkannte nur an, was»Christum treibe«. Demgegenüber bestand das Kon-zil von Trient durch Dekret vom 8. April 1546 nocheinmal auf sämtlichen Schriften des katholischen Ka-nons, da Gott ihr »auctor« sei! In Wirklichkeit war ihr»auctor« die Entwicklung, die jahrhundertelang dau-ernde Auswahl dieser Schriften in den einzelnen Kir-chenprovinzen nach ihrem mehr oder weniger häufi-gem Gebrauch im Gottesdienst und die unwahre Be-hauptung ihres apostolischen Ursprungs139.

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2.096 Deschner Bd. 3, 80Wie die Forschung den Heiligen Geist respektiert

Wie die Forschung den Heiligen Geistrespektiert

Das Neue Testament ist das meistgedruckte und (viel-leicht) meistgelesene Buch der Neuzeit. Es wurde inmehr Sprachen übersetzt als jedes andere. Es wurdemit einer Intensität ausgelegt, sagt Katholik Schelkle,»die alles übersteigt. Wäre nicht jedes andere Buchdurch eine solche Erklärung längst erschöpft?« Schonmöglich. Denn welches andere Buch, vom jüdischenAhnen einmal abgesehn, bietet, bei manch Gutem, soviele Widersprüche, Legenden, Sagen, soviel sekun-däre Gemeindebildungen und Redaktionsarbeit, soviele Parallelen, wie etwa Bultmanns »Geschichte dersynoptischen Tradition« zeigt, zu den Märchen derWeltliteratur, angefangen von alten chinesischen Fik-tionen über Indianer-, Zigeunermärchen, Märchen derSüdsee bis zum germanischen Sagenschatz, so vieleUngereimtheiten, Unsinnigkeiten, die alle bitter ernst-genommen wurden – ja von vielen noch ernstgenom-men werden140?

Das Neue Testament ist nicht nur formal, sondernvor allem auch inhaltlich so verschiedenartig, wider-spruchsvoll, gegensätzlich, daß der Begriff einer»Theologie des Neuen Testaments« in der Forschunglängst mehr als problematisch wurde. Es gibt jeden-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.097 Deschner Bd. 3, 80Wie die Forschung den Heiligen Geist respektiert

falls keine einheitliche Lehre im Neuen Testament,aber erhebliche Abweichungen, Inkongruenzen,schreiende Diskrepanzen – sogar im Hinblick auf daseigentliche »Christuszeugnis«. Nur daß man denHerrn bezeugt, verbindet das Ganze zu einer höchstheterogenen Einheit. Was aber wurde nicht alles be-zeugt schon auf Erden, zumal in den Religionen141!

Angesichts dieses Befundes von Inspiration, Irr-tumslosigkeit zu sprechen, verschlägt noch dem Spöt-ter die Sprache. Doch die heiligen Väter müssen aufsGanze gehn, denn dafür ist das Ganze wie geschaffen,und auf dies Ganze nicht zu gehn, wäre für sie gefähr-lich, das Gefährlichste überhaupt, weshalb sie auchstets, das zeigt Konsequenz, eine grauenhafte freilich,aufs Ganze gingen und gehen.

Die römisch-katholische Kirche hat auf dem Konzilvon Florenz (Bulle »Cantate Domino« vom 4. Febru-ar 1442), auf dem Konzil von Trient (4. Sitzung vom8. April 1546) und auf dem I. Vatikanischen Konzil(3. Sitzung vom 24. April 1870) die Lehre von derInspiration der Bibel, die bekanntlich Irrtumslosigkeitin sich schließt, zu einem Glaubensdogma gemacht.Sie hat auf dieser letzteren Versammlung dekretiert,daß »die heiligen Schriften, unter Eingebung des Hei-ligen Geistes verfaßt, Gott zum Urheber haben«.Demgemäß bestritten die großkirchlichen TheologenWidersprüche oder gar die pure Möglichkeit von Fäl-

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2.098 Deschner Bd. 3, 81Wie die Forschung den Heiligen Geist respektiert

schungen in der Bibel grundsätzlich und bis ins 20.Jahrhundert hinein, wo inzwischen die »Progressi-sten« einer andren Taktik frönen, wo etwa für denfranzösischen Theologen Michel Clévenot »die un-glaubliche Freiheit, mit der die Evangelisten sich un-tereinander zu widersprechen wagen«, gerade die»Einzigartigkeit« Jesu bezeugt! Doch Widerspruchund Irrtumslosigkeit, Fälschung und Heiligkeit, Un-echtheit und Kanonizität harmonieren, bei aller Ka-tholizität, schlecht miteinander. Auch die den bibli-schen Verfassern attestierte hohe sittliche und religiö-se Würde, ihr angeblich strenges Wahrhaftigkeitsbe-wußtsein, paßt schlecht dazu. Beruhte und beruhtdoch die »Autorität« ihrer Bücher gerade darauf, »daßsie die Christus Weissagungen der Propheten und dasChristuszeugnis der Apostel zuverlässig wiederge-ben« (v. Campenhausen). So wehrten und wehren sichdie Apologeten meist beredt gegen den Vorwurf derFälschung, zumal damit auch stets eine spätere Datie-rung dieser Schriften verbunden ist, bei neutestament-licher Pseudepigraphie also keine Apostolizität mehrvorliegen kann – »das Spitzenkriterium für Ur-sprungsnähe«142.

Natürlich gibt es auch sonst genug Gelehrte, diedie Pseudepigraphie noch immer verteidigen, bedeu-tend für den Humanisten, den Juden, den Christen,und einst »determinative for the thoughts of Dante,

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2.099 Deschner Bd. 3, 82Wie die Forschung den Heiligen Geist respektiert

Bunyan, and Milton« (Charlesworth). Will dochsogar ein nicht unkritischer Kopf wie Arnold Meyeram Ende seines die Kirchen nicht eben schonendenArtikels über »Religiöse Pseudepigraphie ...« dasWort »Fälschungen« (von mir den dezenten Zungen-schlägen »seriöser« Szientifik gegenüber stets bevor-zugt) vermeiden und »eher von einer antiken Form derdichterischen Schöpfungskraft reden, die sich bemüht,alte Gestalten erneut zum Reden zu bringen, und zwarso wirklich und wirkungsvoll wie möglich, damit dieWahrheit heute wie ehemals einen würdigen Mundund erfolgreiche Vertretung fände«143.

In Wirklichkeit müssen gerade die Fälschungen derChristen (und Juden) entschieden strenger beurteiltwerden als die der Heiden. Zwar kannten auch dieAltgläubigen heilige Bücher, in der Orphik etwa, derHermetik (S. 32 f), aber diese Bücher besaßen nichtdie Bedeutung wie die einer ausgesprochenen Buch-und Offenbarungsreligion. Die jüdischen und christli-chen Offenbarungen, die Lehren der Propheten unddes Jesus, hatten verpflichtenden Charakter, warenunantastbar. Gleichwohl änderten Christen Schriftendes Neuen Testaments, aber auch der Kirchenväter,der Kirchenversammlungen, ja, sie fälschten ganzneue Traktate unter dem Namen von Jesus, seinenJüngern, den Kirchenvätern, fälschten ganze Konzils-akten144.

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2.100 Deschner Bd. 3, 82Wie die Forschung den Heiligen Geist respektiert

Angesichts der Wichtigkeit des Fälschungsphäno-mens für die Geschichte des Ur- und Frühchristen-tums überrascht es einigermaßen – vielleicht aberauch nicht –, wie sehr selbst die Forschung die Ha-giographie geschont, wie sehr sie diesen Komplex bisin die jüngste Zeit nicht thematisiert oder gar ganzignoriert hat. Wurde das prekäre Gebiet von ihr dochderart lange umgangen und übergangen, daß sie nochheute eine »beträchtliche Unwissenheit über die Fäl-schungsgeschichte bekennen muß« (Brox)145.

Es spricht wohl für sich, daß Norbert Brox (ein ka-tholischer Theologe!) noch 1973 beziehungsweise1977 die wissenschaftliche Erforschung altchristlicherPseudepigraphie »mißlich« nennt. Brox kennt bisdahin überhaupt »keine konsequent betriebene Me-thodenreflexion für dieses Phänomen auf breiterBasis«. Vielmehr sieht er die Forschung auf diesemGebiet »merkwürdig wenig kommunikativ (bzw. auchuntätig)«, jedenfalls »noch ganz überraschend wenigund halbherzig mit der Pseudepigraphie als einerForm theologischer Literatur des Christentums be-schäftigt«146.

Zwar tauchten allenthalben tausend Fragen auf,doch sei es erstaunlich, »wie rudimentär, zufällig undunzureichend die Antworten blieben ..., wie überra-schend ›genügsam‹ sich die Forschung verhielt«, wiebei aller umfassenden und repräsentativen Bestands-

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2.101 Deschner Bd. 3, 83Wie die Forschung den Heiligen Geist respektiert

aufnahme sie sich doch »sehr schnell mit oberfläch-lich gewonnenen Pauschalurteilen und improvisiertenWertungen zufriedengab«. Für die ältere klassischePhilologie war dies überhaupt »kein seriöses Thema«.Und was die Untersuchung des jüdisch-christlichenSchrifttums unter diesem Aspekt betraf, so herrschtenatürlich auch da »eine große Zurückhaltung«, be-stand nur »geringe Motivation, das Problem mögli-cher oder tatsächlicher Fälschung in der biblischenund frühchristlichen Literatur zu thematisieren«. Tatund tut man es doch, so läuft hier »bis in die jüngsteZeit hinein die Lösung dann recht unkompliziert undzielsicher ab ..., indem die Echtheit sämtlicher bibli-scher Schriften trotz allem ›nachgewiesen‹ wird undFälschung unvermittelt nach heutigen Maßstäben aufeinem moralischen Niveau angesiedelt wird, das fürjeden religiös engagierten Schriftsteller (und dann erstrecht für die Hagiographen) von vornherein als ausge-schlossen gelten muß oder jedenfalls nachträglich sichals deren moralischem Anspruch und Standard weitunterlegen erweist. Auch wo man es vermeiden will,führt Apologetik die Feder ...« Der katholische Theo-loge ferner: »Alle derartigen Bemühungen suchen derKalamität zu entkommen, daß man Autoren mit nach-weislich hohem ethischem und religiösem Anspruchdubioses Verhalten nicht glaubt nachsagen zu dürfen,und sie wollen dazu aus der ganzen Masse von Fäl-

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2.102 Deschner Bd. 3, 83Wie die Forschung den Heiligen Geist respektiert

schungen einen integren, religiös motivierten undüber Verdacht erhabenen Bereich ausgrenzen.«147

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2.103 Deschner Bd. 3, 84Die Christen fälschten bewußter als die Juden ...

Die Christen fälschten bewußter als die Judenund noch viel häufiger

Machen wir uns zunächst eine gravierende Tatsacheklar: Von keinem Evangelium, keiner neutestamentli-chen, ja, überhaupt von keiner biblischen Schrift be-sitzen wir ein Original – auch wenn man bis in dasJahrhundert der historischen Aufklärung hinein be-hauptet hat, das Original des Markusevangeliums zubesitzen, sogar zweimal, in Venedig wie in Prag; undbeide Originale in einer Sprache, die kein Evangelistje schrieb, in Latein. Doch auch die ersten Abschrif-ten fehlen. Wir haben nur Abschriften von Abschrif-ten von Abschriften, und noch immer tauchen neueauf. (1967 zählte man mehr als 1500 Handschriftendes griechischen Alten und 5236 Handschriften desgriechischen Neuen Testaments, wovon allerdings einund dieselben nicht so selten irrtümlicherweise mehr-fach sigliert worden sind. Auch enthalten bloß sehrwenige dieser Schriften das vollständige Neue Testa-ment, und die meisten sind verhältnismäßig jung. Nurdie Papyri reichen weiter zurück, manche bis ins 3.oder 2. Jahrhundert. Doch sind alle sehr fragmenta-risch; der älteste Papyrus besteht aus wenigen Wor-ten: Jh. 18,31–33 und 37–38.)148

Da man in der Antike Bücher nur handschriftlichKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.104 Deschner Bd. 3, 84Die Christen fälschten bewußter als die Juden ...

vervielfältigte, waren Falsifikate sehr erleichtert,konnte man beim Abschreiben jederzeit Textverände-rungen vornehmen, Einschübe machen, Auslassungenoder am Schluß Ergänzungen. So entstanden auch inden neutestamentlichen Handschriften unentwegt un-absichtliche und absichtliche Fehler, Abschreibfehlerdurch Achtlosigkeit oder Unkenntnis, aber auch be-wußte Verfälschungen; letztere ganz besonders in derältesten Zeit, im 1. und 2. Jahrhundert, als das NeueTestament eben noch keine kanonische Geltung besaßund man sich, das lehren ja auch die sonstigen Fäl-schungen, nicht scheute, den Wortlaut zu ändern.Fortwährend griffen Kopisten, Redaktoren und Glos-satoren in die Texte ein, hat man nach Belieben ge-strichen, erweitert, anders geordnet, gekürzt. Man hatgeglättet, poliert, hat harmonisiert und paraphrasiert,es entstand eine immer größere Verwirrung, Verwil-derung, »ein ganzer Urwald von gegeneinander ste-henden Lesarten« (Lietzmann), ein Chaos, das es unsheute unmöglich macht, an vielen Stellen den ur-sprünglichen Text »mit Sicherheit oder auch nurWahrscheinlichkeit« festzustellen (Knopf)149.

Finden sich viele Christen schon mit diesen unleug-baren Fakten schwer ab, so irritiert es ihren »Glaubenan das Neue Testament«, ihre Gefühle für die großeZeit des Urchristentums noch mehr, daß neutesta-mentliche Schriften, Bücher der »irrtumslosen« Bibel,

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2.105 Deschner Bd. 3, 85Die Christen fälschten bewußter als die Juden ...

daß Werke der frühen Kirche, theologische Traktate,Briefe, Predigten unecht sind, daß sie einen falschenoder gefälschten Namen tragen. Man nennt solche Zu-schreibung, sei es durch die Verfasser oder die Über-lieferung, Pseudepigraphie.

Mancher christliche Fälscher zwar, vor allem derältesten Zeit, mag durchaus »guten Glaubens«, in»ehrlicher Absicht« gefälscht haben und somit nichtim strengen psychologischen Sinn einer »Lüge«, einesVergehens, schuldig, sondern subjektiv leidlich ge-rechtfertigt sein; objektiv bleibt sein Tun, was esimmer war, eine Zweckfälschung, Betrug. Niemandbezweifelt natürlich, daß viele unrichtige Verfasseran-gaben durch alle möglichen Zufälle, durch Verwechs-lungen, Irrtümer zustande gekommen sind, durch Feh-ler der Abschreiber, der Herausgeber. Und niemandauch wird solche falschen Zuschreibungen als Fäl-schungen bezeichnen wollen und dürfen – wenngleichdas irrtumslosen, göttlich inspirierten Schriften selt-sam zu Gesicht steht.

Immerhin schneidet hier das Alte Testament imVergleich mit dem Neuen sowie der ur- und früh-christlichen Literatur noch besser ab. Denn den Judender alttestamentlichen, besonders der frühen alttesta-mentlichen Zeit war das Fälschungswesen und alles,was es involviert, viel weniger vertraut. Diese Men-schen hatten noch nicht den Realitätsbezug, den

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2.106 Deschner Bd. 3, 85Die Christen fälschten bewußter als die Juden ...

Wirklichkeitssinn der späteren Christen, die, wennauch nur vergleichsweise, etwas rationaler, wenigermythisch entrückt, etwas geschichtlicher dachten. DiePseudepigrapha der alten Juden entstanden noch nichtin einer durch konstante »Ketzer«-Bekämpfung ge-prägten Aura gegenseitiger Beargwöhnung, grassie-renden Mißtrauens. Sie wurden deshalb auch noch garnicht angegriffen, vielmehr begeistert begrüßt. AufFälschung waren diese Menschen kaum vorbereitetund haben darum auch viel weniger mit ihrer Mög-lichkeit gerechnet. Der Vorwurf der Fälschung warunter den Juden längst nicht so in aller Mund undaller Ohren wie dann unter den Christen, als bald jededer vielen »Sekten« fälschte, um ihre Glaubenslehrengegenüber der »Großkirche« durchzusetzen, und diesesich durch Gegenfälschungen behauptete oder danneinfach durch Vernichtung der gegnerischen Schriften.Wo man aber ständig von Fälschung sprach undhörte, kann ein Fälscher kaum noch guten Glaubensgefälscht haben. Die Abfassung echter (!) religiöserPseudepigraphie (vgl. S. 29) ist da »ziemlich unwahr-scheinlich«. Und sie nimmt offenbar auch »im christ-lichen Bereich einen wesentlich kleineren Raum« ein»als im jüdischen und heidnischen« (Speyer). Dasheißt: die Christen fälschten mehr, am meisten150.

Gewiß ist auch im Dschungel ihrer Pseudepigra-phie nicht alles bewußte Täuschung, beruht nicht jede

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2.107 Deschner Bd. 3, 86Die Christen fälschten bewußter als die Juden ...

falsche Verfasserangabe auf Absicht, wird vieles ein-fach Irrtum, Verwechslung gewesen sein. Oft bewirk-te die Gleichnamigkeit verschiedener Autoren (Homo-nymität) falsche Zuweisung, oft der identische Inhaltmehrerer Schriften. Oft überschrieb man einen – ausVersehen, Vergeßlichkeit, wegen Verlust des Na-mens – namenlos umlaufenden Traktat (Anonymität)mit einem bekannten Namen; was freilich auch mehroder weniger zufällig geschehen sein mag und dannoft genug (bewußte) Manipulation, gewollte falscheZuordnung war, methodischer Mißbrauch, eben Fäl-schung151.

Eindeutig ist solch gewollte Täuschungsabsicht,wenn man beispielsweise in längst nachapostolischerZeit für irgendeine Schrift apostolische Autorschaftbeansprucht. »Die literarische Ausführung der Täu-schung ist dabei so ungeniert exakt gemacht und sobedenkenlos ›historisch‹ gehalten, daß man mit garkeiner anderen Beschreibung auskommt als der, daßes sich um wohlüberlegte Irreführung der Leser mitHilfe literarischer Tricks handelt, um einen bestimm-ten Zweck mit dem Geschriebenen zu erreichen«(Brox)152.

In ungezählten Fällen handelt es sich so um (be-wußtes) Hintergehen, um Schwindel, Betrug. Und ge-rade dort, wo man »im Namen des Heiligen und Gro-ßen« zu reden wagte, wurde »viel und in ernster Ab-

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2.108 Deschner Bd. 3, 86Die Christen fälschten bewußter als die Juden ...

sicht gefälscht« (A. Meyer). Dies aber gilt besondersfür die christliche Pseudepigraphie. Zumindest beifast all den ungezählten apokryphen Schriften vom 3.Jahrhundert bis ins Mittelalter hinein »dürfte die fal-sche Verfasserangabe weder mit religiösem Erlebennoch mit literarischer Fiktion zu erklären sein. Siewurde bewußt angewendet, um damit zu täuschen«(Speyer)153.

Ehe wir jetzt die Evangelien unter unserem Ge-sichtspunkt betrachten, wollen wir uns im Hinblickauf sie und die altchristliche Literatur überhaupt nochder Frage nach den Motiven und Methoden der Fäl-scher zuwenden.

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2.109 Deschner Bd. 3, 87Warum und wie fälschte man?

Warum und wie fälschte man?

Nun, für das Warum gab es eine Fülle von Gründen.Ein wichtiges Motiv war die Autoritätssteigerung,wenn auch oft nur ein Begleitumstand. Man suchteAnsehen und Verbreitung für eine Schrift zu erringen,indem man einen namhaften Verfasser vortäuschteoder Alter, also durch Rückdatierung Teilnahme ander apostolischen Vergangenheit in Anspruch nahm.»Rechtgläubige« und »Ketzer« verfuhren so, wobeidie Fälscher ihre Leser irreführten über den Verfasser,über den Ort und die Niederschrift. Denn unter denwachsenden christlichen Gemeinden gab es mit fort-schreitender Zeit natürlich bald neue Probleme, Situa-tionen, Interessen, die die älteste literarische Traditi-on, die sozusagen klassische Epoche, die apostolischeFrühzeit, nicht beantwortet hatte. Da man aber derenPlazet brauchte oder doch wenigstens die legitimeKontinuität zum Ursprung vorspiegeln wollte, fabri-zierte man entsprechende Schriften und »Offenbarun-gen«, Falsa, die man vordatierte, als »Norm am An-fang«, als verläßliche Wahrheit ausgab. Man über-schrieb sie mit dem Namen eines berühmten Christen,behauptete Verfasserschaft durch Jesus, die Apostel,ihre Schüler oder prominente Kirchenväter. Derartsteigerte man nicht nur das Ansehen der Fälschung,

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2.110 Deschner Bd. 3, 88Warum und wie fälschte man?

sondern sicherte ihr auch weite Verbreitung und hoff-te zugleich, sie vor Entlarvung zu schützen154.

Die Katholiken fälschten, um neu auftauchendeProbleme der kirchlichen Disziplin, des kirchlichenRechts, der Liturgie, Moral, der Theologie angeblichim Sinne Jesu und seiner Apostel »apostolisch«, alsoautoritativ, lösen zu können. Ferner fälschten die»Rechtgläubigen«, um die oft sehr versierten und in-folge ihrer angemaßten Autorität vielgelesenen Fäl-schungen der »Ketzer«, etwa der Gnostiker, Manichä-er, Priszillianisten u.v.a., durch Gegenfälschungen zubekämpfen, zum Beispiel durch das Kerygma Petrou(S. 125), die Paulusakten (S. 136 f), die EpistulaApostolorum (S. 131). Dabei warnen solche Gegen-fälschungen gern vor »häretischen« Fälschungen, wieder 3. Korintherbrief (S. 139). Sie beschimpfen undverdammen ihre fälschenden Gegner, indem sie genaudas gleiche praktizieren, nur oft noch raffinierter, we-niger durchschaubar. Und die »Ketzer« fälschen vorallem zur erfolgreicheren Durchsetzung und Verteidi-gung ihres vom Kirchendogma abweichenden Glau-bens155.

Gefälscht wurde auch aus kirchenpolitischen undlokalpatriotischen Gründen, etwa zum Erweis der»apostolischen« Gründung eines Bischofsstuhls, dannauch zur Errichtung von Klöstern, zur Sicherung oderErweiterung ihres Besitzes, zur Propagierung eines

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2.111 Deschner Bd. 3, 88Warum und wie fälschte man?

Heiligen. Besonders seit dem 4. Jahrhundert stellteman Reliquien her, unechte Heiligenleben, Mönchsvi-ten, Urkunden um rechtlicher und finanzieller Vorteilewillen156.

Schließlich fälschte man, um durch eine Fälschungdie »Echtheit« einer anderen zu sichern. Man fälschteauch, um persönlichen Gegnern zu schaden, Rivalenin Verruf zu bringen. Sogar Freunde wurden, wennauch selten, durch eine Fälschung verteidigt, wie dievermeintlichen Briefe des Comes Bonifatius zei-gen157.

Nur selten allerdings wird uns der Name eines Fäl-schers übermittelt, wie der des Katholiken JohannesMalalas (Rhetor oder Scholasticus: II 384), über denwir sonst nichts wissen. Er soll 565 Patriarch vonKonstantinopel geworden sein und in Alexandrien dieMonophysiten durch Fälschungen bekämpft haben,und zwar unter dem Namen des monophysitischenGegenpatriarchen Theodosius von Jerusalem undunter dem Namen Petrus des Iberers, des gleichfallsmonophysitischen Bischofs von Majuma (bei Gaza).Zacharias Rhetor, ein Monophysit, berichtet darüberin seiner Kirchengeschichte, Johannes wollte derMenge, nämlich den Dyophysiten unter Patriarch Pro-terios (II 285,295), »gefallen, sich einen Namen ma-chen, Gold sammeln und wegen dieses eitlen Ruhmesgefeiert werden ... Da er es für möglich hielt, wegen

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2.112 Deschner Bd. 3, 89Warum und wie fälschte man?

des Inhaltes seiner Bücher getadelt zu werden, gab ersie nicht unter eigenem Namen heraus, sondernschrieb auf das eine Buch bald den Namen des Theo-dosios, Bischofs von Jerusalem, auf das andere baldden Namen des Petros des Iberers, damit auch dieGläubigen (d.s. die Monophysiten) durch sie ge-täuscht würden und sie annähmen«158.

Welcher Methoden bedienten sich die Fälscher?Die leichteste und wohl auch häufigste Methode

der Fälschung war die Verwendung eines falschen,doch illustren Verfassernamens der Vergangenheit –das war im heidnischen Raum schon ganz ähnlich wieim jüdischen, geschieht in christlicher Zeit aber syste-matischer. Eine alte Autorität zählte in der Spätantikeund darüber hinaus in aller Regel mehr als eine neue,zumal wenn der fälschende Autor – die übliche Vor-aussetzung für sein Tun – sich unterlegen fühlte, kei-nen »Namen« hatte. Die Berufung auf einen bekann-ten Zeitgenossen war zu riskant, konnte dieser dochdurch eine Erklärung die Fälschung jederzeit aufdek-ken und so um ihre Wirkung bringen. Zwar muß einWerk mit einem falschen Verfassernamen als solchesnoch keine Fälschung sein, doch gewöhnlich ist derFälscher auch der Verfasser des Werkes. Ungezählte»apokryphe« Bücher, aber auch neutestamentlicheSchriften sind so in betrügerischer Absicht entstan-den, sind zielbewußte Fälschungen einer in der Antike

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2.113 Deschner Bd. 3, 90Warum und wie fälschte man?

immer beliebter werdenden Literaturgattung, Mach-werke, die den Anspruch erheben, der Feder einesganz anderen Autors zu entstammen, eines Mannes,der durchaus nicht mit ihrem Verfasser identisch ist,einer Persönlichkeit, die als älter, verehrungswürdig,heilig hingestellt wird159.

Bei vielen dieser Fälscher sind schwere Mißgriffe,offenkundige Widersprüche, Anachronismen primafacie verdächtig und oft ausreichend zur Unechtheits-erklärung, besonders wenn sie von übertrieben beton-ten Echtheitsbeglaubigungen begleitet werden. SolcheFehler sind etwa: allzu auffallendes Vorher wissen,rückdatierende Konstruktionen, vaticinia ex eventu,eklatante Nachahmung eines späteren Autors oderimmer wiederkehrende literarische Muster, stilistischeKlischees. Raffinierte Fälscher aber verwenden oft diedreistesten Tricks, die verblüffendsten Details, umEchtheit, Unmittelbarkeit, Einmaligkeit vorzutäu-schen. Sie imitieren frappant den Stil. Sie machen,mit scheinbarer Autorität auftretend, die dezidierte-sten Aussagen. Sie simulieren situative und biogra-phische Daten, geben genaue Zeit- und Ortshinweise,geschickt eingebaute zeitgeschichtliche Begebenhei-ten. Sie sorgen auch für Nebensächlichkeiten, Einzel-heiten, um den Anschein der Echtheit zu erzeugen, umdie Hauptsache um so glaubwürdiger, den Erfolg derFälschung desto sicherer zu machen. Sie streuen An-

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2.114 Deschner Bd. 3, 90Warum und wie fälschte man?

spielungen auf legendäre oder auch geschichtlicheUmstände ein, die unbedingte Echtheit suggerieren,den Eindruck der Historizität. Sie steuern falsche,doch klug eingefügte Namen bei (besonders selteneNamen, die Glaubwürdigkeit suggerieren, oder ganzgewöhnliche, die unverdächtig wirken). Sie entleihengroße Namen nicht nur der Geschichte, sondern erfin-den auch passende Gewährsmänner.

Die Fälscher warnen, indem sie fälschen, ebensokaltblütig wie geschickt vor Fälschern. Sie warnenmit Fluch und Drohung davor. Sie stellen Echtheits-kriterien auf und machen derart die eigene Fälschungplausibler, deren »Authentizität« sie zudem in vielenBriefen durch den Hinweis auf ihre Unterschrift beto-nen. So schreibt der Katholikos Papa an Kaiserin He-lena: »Friedensgruß sende ich, Papa, mit meinerHandschrift deiner gläubigen königlichen Hoheit.«Manche Fälscher beteuern pathetische Augen- undOhrenzeugenschaft, manche unterschreiben und sie-geln, manche leisten am Anfang und Schluß ihrer Fäl-schung heilige Eide, nur Wahres mitzuteilen, wie derVerfasser eines Sonntagsbriefes, der sich als der Apo-stel Petrus ausgibt. Ein weiterer Fälscher, Ps. Hiero-nymus, verspricht für seine Übertragung eines angeb-lichen Matthäusevangeliums: »Ich werde den Text,wie er im hebräischen Original steht, sorgfältig Wortfür Wort übersetzen«. Andere Christen zögern auch

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2.115 Deschner Bd. 3, 91Warum und wie fälschte man?

nicht, um das Vertrauen in ihre Fälschung zu steigern,andere der Fälschung zu bezichtigen. Wieder anderesuchen ihren Betrügereien größere Wirkung durchDrohungen zu geben. »Wehe aber denjenigen«, warntder katholische Fälscher der Epistula Apostolorum,»welche dies mein Wort und mein Gebot fälschen«.Und die pseudepigraphische Apokalypse des Esradroht: »Wer aber diesem Buche keinen Glaubenschenkt, der wird verbrannt wie Sodom und Gomor-rha«160.

Zu den Methoden der Fälscher gehörte es auch, dasplötzliche Auftauchen von angeblichen Schriften alterVerfasser durch wunderbare Auffindungsgeschichtenoder durch die Entdeckung von Abschriften, von an-geblichen Übersetzungen fremdsprachiger Originalein Gräbern, in berühmten Bibliotheken oder Archivenglaubhaft zu machen, was das bisherige Unbekannt-sein sowie die späte Entdeckung wichtiger Inhalte er-klären soll. Auch »Traumoffenbarungen« führten zurAuffindung von Fälschungen oder die Berufung auf»Geheimüberlieferung«. Überhaupt gaben die Betrü-ger gern Visionen vor, Schauungen von Christus,Maria, den Aposteln, und sie beglaubigten die vorge-spiegelte Vision durch andere Falsa161.

Besonders die Fälscher vieler Heiligenleben be-nutzten den Ich-Bericht, die Augenzeugenschaft zurerfolgreichen Erhärtung ihrer Lügen. Und nicht min-

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2.116 Deschner Bd. 3, 91Warum und wie fälschte man?

der wirkungsvoll operierten vor allem die Fälscherchristlicher Offenbarungsbücher, indem sie den Le-sern und Verbreitern ihrer Produktionen das Blauevom Himmel verhießen, ihren Verächtern aber droh-ten. Die Schwindler warteten auch mit Schwurzeugenals Bürgen ihrer Betrügereien auf und sagten zur Stär-kung des Vertrauens in Nebensächlichkeiten sogareinmal etwas Wahres. Und gibt es, wie überall, auchhier wechselnde Moden und Methoden, andere techni-sche und thematische Verfahrensweisen, so doch auchstets wiederkehrende Formen, um nicht zu sagenKennzeichen, wenn auch kaum gleichbleibend Allge-meines, Typisches162.

Nun gilt das Vorstehende zwar vor allem für dienachneutestamentliche Zeit, teilweise aber bereitsauch für früher. Denn es steht fest, daß schon ältestenChristen das Problem zumal der Pseudepigraphienicht zu schaffen machte, daß sie (auch) in diesemPunkt nicht sehr skrupulös gewesen sind. Schließlichist im Christentum um Gottes willen (und der deut-sche Aufschrei »um Gottes willen!« bedeutet nieetwas Gutes) praktisch – die Geschichte lehrt es –alles erlaubt. Und in der Antike geschahen die mei-sten Fälschungen zur Stütze des – bergeversetzen-den – Glaubens. (Im Mittelalter fälscht man beson-ders zur Sicherung oder Ausdehnung von Besitz undMacht. Bereits im 9. Jahrhundert werden im ganzen

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2.117 Deschner Bd. 3, 92Warum und wie fälschte man?

Abendland päpstliche Urkunden gefälscht, natürlichvon Geistlichen.) Jedenfalls ist der Anteil der Pseud-epigrapha an der tradierten Literatur schon des Ur-christentums sehr groß, hat es eine rücksichtslose Fäl-scherpraxis im Christentum stets gegeben, auch in derFrühzeit. »Leider«, gesteht der Theologe von Cam-penhausen, »ist Wahrhaftigkeit in diesem Sinne keineGrundtugend der alten Kirche«163.

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2.118 Deschner Bd. 3, 92Weder das Matthäus- noch das ...

Weder das Matthäus- noch dasJohannesevangelium noch die Offenbarung des

Johannes (Apokalypse) stammen von denAposteln, denen sie die Kirche zuschreibt

Wegen der großen Bedeutung der »apostolischen Tra-dition« im sogenannten großkirchlichen Christentumgab die katholische Kirche alle Evangelien als Büchervon Uraposteln oder Apostelschülern aus, was ihrAnsehen gerade begründet hat. Doch ist völlig unbe-wiesen, daß Markus und Lukas, deren Namen über jeeinem Evangelium stehen, Apostelschüler sind; daßMarkus mit dem Begleiter des Petrus, Lukas mit demGefährten des Paulus identisch ist. Alle vier Evangeli-en wurden anonym überliefert. Die früheste kirchlicheBezeugung für »Markus«, den ältesten Evangelisten,rührt von Bischof Papias von Hierapolis her, aus derMitte des 2. Jahrhunderts. In neuerer Zeit aber übenimmer mehr Forscher an Papias' Zeugnis Kritik, nen-nen es »historisch wertlos« (Marxsen), und er selbstgibt zu, Markus habe »den Herrn nicht gehört und be-gleitet«. Markus scheint sogar eher Heidenchrist ge-wesen zu sein; seine scharfe antijüdische Polemik legtdies nahe. Und ob Lukas Paulusschüler war, ist zu-mindest fraglich, treten doch gerade typisch paulini-sche Vorstellungen im Lukasevangelium zurück164.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.119 Deschner Bd. 3, 93Weder das Matthäus- noch das ...

Dagegen steht fest, daß der Apostel Matthäus, derJünger Jesu, nicht der Autor des (wie meist angenom-men zwischen 70 und 90 entstandenen) Matthäusev-angeliums ist. Wir wissen noch nicht einmal, wie erin den Ruf kam, ein Evangelist zu sein. Offenbar gehtdie erste Bezeugung auf KirchengeschichtsschreiberEuseb zurück, der sich dabei wieder auf Bischof Papi-as bezieht, von dem er selber schreibt, er müsse »gei-stig sehr beschränkt gewesen sein«. Der Titel »Mat-thäusevangelium« entstammt späterer Zeit. Er findetsich zuerst bei Clemens Alexandrinus und Tertullian,beide im frühen 3. Jahrhundert gestorben. Hätte übri-gens der Apostel Matthäus, der Zeitgenosse Jesu, derAugen- und Ohrenzeuge seines Wirkens, das nachihm benannte Evangelium verfaßt, hätte er dann der-art ausführlich auf Markus sich stützen müssen? Warer so gedächtnisschwach? So wenig inspiriert?

Wie auch immer, die gesamte kritische Bibelwis-senschaft sieht den Namen des Apostels Matthäus zuUnrecht über dem Evangelium stehn, da dies nicht,wie die altkirchliche Tradition behauptet, hebräisch,sondern ursprünglich griechisch geschrieben wordenwar. Niemand ist bekannt, der das angeblich aramäi-sche Original gesehen, niemand bekannt, der es insGriechische übertragen hat, und keinerlei Reste einesaramäischen Urtextes sind in Handschriften oder auchnur Zitaten erhalten. Mit Recht zählt Wolfgang Spey-

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2.120 Deschner Bd. 3, 94Weder das Matthäus- noch das ...

er das Matthäusevangelium den »Fälschungen unterder Maske religiöser Offenbarungen« zu. K. Stendahlvermutet, es sei gar nicht das Werk eines einzelnen,sondern einer »Schule«. Jedenfalls geht es auf keinenAugenzeugen zurück – das Urteil beinah der ganzennichtkatholischen Bibelforschung165.

Jüngere katholische Theologen drücken sich oftpeinlich um diese Tatsachen herum. »Wenn (!) unse-rem griechischen Matthäusevangelium eine aramäi-sche Urschrift voranging ...«, schreibt K.H. Schelkle.Ja, wenn ... Wenn ist das deutscheste aller Worte,sagt Hebbel. (Und mein Vater quittierte Wenn-Fällegern mit einem anschaulichen, doch allenfalls in denAnmerkungen zitierbaren Spruch – ein Anreiz für dasGros meiner Leser, sich auch einmal dort umzusehn.)»Ein aramäischer Ur-Matthäus müßte Jahrzehnte vordem griechischen Matthäus geschrieben sein«. Manspürt, sie glauben's selber nicht. (Und einmal dürfensie dies vielleicht sogar schreiben, wenn es denn garnicht mehr anders geht. Als 1954 ein »Enchiridiumbiblicum« kirchliche Dokumente über Bibelfragen inzweiter Auflage gesammelt herausgab, hatten die ka-tholischen Theologen schon nicht mehr alles zu glau-ben, was ihnen noch fünfzig Jahre früher zugemutetworden war. Die Sekretäre der Bibelkommission er-klärten die einstigen Dekrete durch die Zeitumstände,in denen man sie vor fünfzig Jahren zur Abwehr einer

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2.121 Deschner Bd. 3, 94Weder das Matthäus- noch das ...

maßlos rationalistischen Kritik erließ ... Aber Zeitum-stände gibt es immer, tyrannische Hierarchen auchund Opportunisten wie Sand am Meer. Nicht erstLichtenberg wußte, doch sagte es, wie meistens, bes-ser als andere: »So viel ist ausgemacht, die christlicheReligion wird mehr von solchen Leuten verfochten,die ihr Brot von ihr haben, als von solchen, die vonihrer Wahrheit überzeugt sind.«)166

Bemerkenswert immerhin, daß sich die drei erstenEvangelien selbst überhaupt nicht als apostolisch aus-geben; ebensowenig die Apostelgeschichte, derenVerfasser wir gleichfalls nicht kennen. Wir wissennur sicher, daß der Schreiber der Apostelgeschichtealle darin mitgeteilten Reden der Apostel weder demGedankengang noch gar dem Wortlaut nach wieder-gegeben, sondern daß er alle frei erfunden, daß er sei-nen »Helden« ganz nach Bedarf – übrigens auch ganznach den Gepflogenheiten der antiken Historiogra-phie – passende Reden einfach in den Mund gelegthat. Diese freien Erfindungen aber machen nicht nurein Drittel der Apostelgeschichte aus, sondern stellenauch ihren theologisch entschieden wichtigsten Inhaltdar, und, besonders bemerkenswert, von diesem Autorstammt immerhin mehr als ein Viertel des ganzenNeuen Testaments. Denn er ist, wie man als sicherallgemein voraussetzt, mit dem Verfasser des Lukas-evangeliums identisch, dem Reisebegleiter und »ge-

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2.122 Deschner Bd. 3, 95Weder das Matthäus- noch das ...

liebten Arzt« (Kol. 4,14) des Apostels Paulus. Dochweder Lukasevangelium noch Apostelgeschichte wir-ken sehr paulinisch. Im Gegenteil. Und so kann sichdie neuere Forschung beide Werke kaum von einemPaulusschüler geschrieben denken; sie verneint diesgewöhnlich167.

Die Apostelgeschichte und die drei ersten Evange-lien waren keine orthonymen (mit ihrem wahrenNamen gezeichneten) und keine pseudonymen, son-dern anonyme Erzeugnisse, wie manch andres ur-christliche Opus, etwa der neutestamentliche Hebräer-brief. Kein Autor der kanonischen Evangelien nenntseinen Namen, nennt nicht einmal, wie spätere christ-liche Traktate so oft, Gewährsleute. Erst die Kircheschrieb diesen sämtlich anonym tradierten Schrifteneinem Apostel und Apostelschülern zu. Doch Na-mensunterschiebungen sind »Fälschung«, sind »litera-rischer Betrug« (Heinrici). »Sicher ›echt‹ aposto-lisch«, betont Arnold Meyer, »sind nur die Briefe desApostels Paulus, der kein unmittelbarer Jünger Jesuwar«. Doch auch längst nicht alle Briefe, die unterPauli Namen stehen, stammen von ihm (S. 99 ff)168.

Zu Unrecht erkennt die Kirche seit dem ausgehen-den 2.. Jahrhundert, seit Irenäus, wenn auch zunächstnoch nicht unbestritten, das Vierte Evangelium demApostel Johannes zu, dem es die gesamte kritischechristliche Bibelwissenschaft seit bald zwei Jahrhun-

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2.123 Deschner Bd. 3, 95Weder das Matthäus- noch das ...

derten abspricht, wofür es eine Reihe schwerwiegen-der Gründe gibt.

Zwar behauptet der Verfasser dieses Vierten Evan-geliums, der auffallenderweise keinen Namen nennt,an Jesu Brust gelegen zu haben und zuverlässiger Au-genzeuge zu sein, beteuert er feierlich und wiederholt,»daß sein Zeugnis wahrhaftig« sei, daß er »das gese-hen habe ... und sein Zeugnis ist wahr, und er weiß,daß er die Wahrheit sagt, damit auch ihr glaubet ...«.Entstanden aber ist dies Evangelium frühestens um100, und der Apostel Johannes war schon lange vor-her getötet worden, entweder im Jahr 44 oder, wahr-scheinlicher, 62. Auch hat Kirchenvater Irenäus, derals erster die Autorschaft des Apostels Johannes be-hauptet, diesen (den er spät noch in Ephesus lebenläßt) wohl absichtlich, wie das einem christlichenHeiligen zusteht, mit einem Presbyter Johannes vonEphesus verwechselt. Und der Verfasser des 2. und 3.Johannesbriefes, die man gleichfalls dem Apostel Jo-hannes zuerkennt, bezeichnet sich jeweils eingangsals »der Presbyter«! (Eine ähnliche Verwechslung gabes auch zwischen dem Apostel Philippus und dem»Diakon« Philippus.) Sogar Papst Damasus I. hat inseinem Kanonverzeichnis (382) zwei der Johannes-briefe nicht dem Apostel Johannes zuerkannt, sonderneinem »anderen Johannes, dem Presbyter«. Und selbstKirchenlehrer Hieronymus sprach den 2. und 3. Jo-

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2.124 Deschner Bd. 3, 96Weder das Matthäus- noch das ...

hannesbrief dem Apostel ab. Hat der hl. Bischof Ire-näus, der gegen Ende des 2. Jahrhunderts das Evange-lium dem Apostel Johannes zuschreibt, nun aber ab-sichtlich diesen Namen verwechselt oder nicht, ge-täuscht hat er sich wiederholt; etwa auch behauptet,den Evangelien und der Überlieferung des ApostelsJohannes gemäß habe Jesus zwanzig Jahre öffentlichgelehrt und sei mit fünfzig Jahren unter Kaiser Clau-dius gekreuzigt worden. Verdient ein solcher ZeugeGlauben, zumal er auch sonst von »raffinierter Un-wahrhaftigkeit« war (Eduard Schwartz: I 152; 157 f),aber lehrte: »überall predigt die Kirche die Wahrheit«(II 88)169?

Doch auch eine Reihe von inneren Gründen, derCharakter des Evangeliums selbst, spricht gegen eineAbfassung durch den »Urapostel«. Zum Beispiel hätteer, der Jude, die judenfeindlichste Schrift des ganzenNeuen Testaments geschrieben, um weiteres hier zuübergehen; ich habe es anderwärts zusammengefaßt.Die ganze historisch-kritische Forschung jedenfallsstimmt darin überein: der Autor dieses Evangeliumshat zu den zwölf Aposteln »sicher nicht gehört«(Kümmel)170.

Die Argumente gegen die Verfasserschaft des Apo-stels Johannes, des »Evangelisten«, sind so zahlreichund schlagend, daß auch katholische Theologen all-mählich Bedenken äußern. Sie, die offiziell weiter

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2.125 Deschner Bd. 3, 97Weder das Matthäus- noch das ...

diese Verfasserschaft vertreten müssen (gern vonnachlassendem Gedächtnis, der verblassenden Erinne-rung des alternden Apostels sprechen, von seiner»verklärten und höheren Wahrheit«), sie fragen etwa,ob das – auch in späteren Jahrhunderten noch interpo-lierte: Jh. 5,3 f, 8,1–8,11 – Evangelium des »Johan-nes« vielleicht »mit Benützung seiner schriftlichenAufzeichnungen und Entwürfe« (freilich nirgends er-wähnt und belegt), »zuletzt durch seine Schüler ge-staltet und geschaffen wurde« (Schelkle). Doch diefeierliche Versicherung nächster Augenzeugenschaftbleibt bestehen! Und gerade sie »ist aus dem Evange-lium schwerlich beweisbar« und deshalb auch derStandpunkt, der Autor sei ein Ohren- und Augenzeu-ge von Jesu Leben und Wirken gewesen, »heute auf-gegeben« (Bibel-Lexikon)171.

Auch die Offenbarung des Johannes, deren Verfas-ser sich wiederholt am Anfang und gegen Schluß Jo-hannes nennt, auch Knecht Gottes, Bruder der Chri-sten, allerdings gar nicht als Apostel auftritt, sondernals Prophet, wurde nach altkirchlicher Lehre von demSohn des Zebedäus, dem Apostel Johannes geschrie-ben. Denn man brauchte natürlich eine »apostolische«Tradition, um das kanonische Ansehen des Buches zusichern. Nun stand es mit diesem Ansehen lange nichtzum besten. Die christliche Apokalypse, die geradenoch auf den letzten Platz des Neuen Testaments ge-

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2.126 Deschner Bd. 3, 97Weder das Matthäus- noch das ...

langte, wurde schon im späteren 2. Jahrhundert vonden sogenannten Alogern verworfen, Bibelkritikern,die sonst kein Dogma leugneten172.

Aber auch der Origenes-Schüler Bischof Dionysvon Alexandrien (gest. 264/65), mit dem Beinamen»der Große« bedacht, bestritt entschieden die Abfas-sung der Apokalypse durch den Apostel Johannes. Ertat dies in dem zweiten seiner beiden Bücher »Überdie Verheißungen« im Kampf gegen den Chiliasmusdes Bischofs Nepos von Arsinoë, Ägypten, den ersonst durchaus schätzt »wegen seines Glaubens, sei-nes Fleißes, seiner Beschäftigung mit der Schrift undseiner zahlreichen geistlichen Lieder«173.

Leider blieben Dionys' beide Bücher, wie auchseine anderen, nicht erhalten. Doch überliefert Kir-chengeschichtsschreiber Euseb längere Auszüge dar-aus. Darin aber teilt Bischof Dionys mit, daß schonfrüher Christen die »Offenbarung des Johannes« »ver-worfen und ganz und gar abgelehnt« haben. »Sie be-anstandeten Kapitel für Kapitel und erklärten, daß derSchrift Sinn und Zusammenhang fehle und daß derTitel falsch sei. Sie behaupten nämlich, dieselbestamme nicht von Johannes und sei überhaupt keineOffenbarung, da sie in den so dichten Schleier der Un-verständlichkeit gehüllt sei. Der Verfasser dieserSchrift sei kein Apostel, ja überhaupt kein Heiligerund kein Glied der Kirche, sondern Cerinth, der auch

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2.127 Deschner Bd. 3, 98Weder das Matthäus- noch das ...

die nach ihm benannte cerinthische Sekte gestiftet undder seiner Fälschung einen glaubwürdigen Namengeben wollte«.

Der alexandrinische Bischof will nicht leugnen,daß die Apokalypse von einem Johannes verfaßt sei,einem »heiligen und gotterleuchteten Mann«. Dochbestreitet er, »daß dieser Johannes der Apostel sei, derSohn des Zebedäus, der Bruder des Jakobus, von wel-chem das Evangelium nach Johannes und der katholi-sche Brief stammen«. Er verweist darauf, daß derEvangelist nirgends seinen Namen nenne, »weder imEvangelium noch im Brief«, und auch »in dem soge-nannten zweiten und dritten Johannesbrief« stehe derName Johannes nicht an der Spitze, sondern ohne Na-mensnennung heiße es nur »der Presbyter«. Dagegensetzte der Autor der Apokalypse seinen Namen gleichan den Anfang. Und das genüge ihm noch nicht ein-mal. »Er wiederholt: ›Ich, Johannes, euer Bruder undMitgenosse in der Trübsal und im Reiche und in derGeduld Jesu war auf der Insel, welche Patmos heißt,um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu wil-len.‹ Und am Schlüsse sprach er so: ›Selig, wer dieWorte der Weissagung dieses Buches bewahrt, undich, Johannes, der dies sah und hörte.‹ Daß es ein Jo-hannes war, der diese Worte schrieb, muß man ihmglauben, weil er es sagt. Welcher Johannes es aberwar, ist nicht bekannt. Denn er bezeichnete sich nicht,

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2.128 Deschner Bd. 3, 98Weder das Matthäus- noch das ...

wie es oft im Evangelium heißt, als den Jünger, dender Herr liebte, oder als den, der an seiner Brust ge-ruht, oder als den Bruder des Jakobus, oder als den,der den Herrn mit eigenen Augen gesehen und mit ei-genen Ohren gehört. Eine dieser Bezeichnungen hätteer sich wohl beigelegt, wenn er sich deutlich hätte zuerkennen geben wollen. Doch gebraucht er keinedavon. Nur unsern Bruder und Genossen nennt er sichund den Zeugen Jesu und einen, der selig ist, da er dieOffenbarungen gesehen und gehört«174.

Kirchenvater Dionys »der Große« untersucht ge-danklich, sprachlich, stilistisch sehr aufmerksam Jo-hannesevangelium und Johannesbrief und schreibt:»Völlig anderer und fremder Art ist gegenüber diesenSchriften die Apokalypse. Es fehlt jede Verbindungund Verwandtschaft. Ja sie hat sozusagen kaum eineSilbe damit gemein. Auch enthält weder der Brief –vom Evangelium nicht zu reden – irgendeine Erwäh-nung oder einen Gedanken der Apokalypse noch dieApokalypse vom Briefe«175.

Der protestantische Theologe und Bischof EduardLohse kommentiert: »Dionys von Alexandria hat zu-treffend beobachtet, daß die Offenbarung Johannesund das vierte Evangelium ihrer Form wie ihrem In-halt nach so weit voneinander unterschieden sind, daßman sie nicht auf denselben Verfasser zurückführenkann.« Es mag dahingestellt bleiben, ob der Autor der

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2.129 Deschner Bd. 3, 99Weder das Matthäus- noch das ...

Apokalypse mit seinem Namen Johannes suggerierenwollte, der Jünger und Apostel Jesu zu sein. Er selbstnahm jedenfalls diese Gleichsetzung nicht vor. Dastat erst die Kirche, um seiner Schrift apostolische Au-torität und kanonisches Ansehen zu sichern. Unddamit beginnt die Fälschung – die Fälschung der Kir-che176.

Keines der vier Evangelien wurde somit von einem»Urapostel« geschrieben. Weder stammt das Mat-thäusevangelium von dem Apostel Matthäus noch dasJohannesevangelium von dem Apostel Johannes nochstammt die Offenbarung des Johannes von dem Apo-stel. Doch brachten es Menschen fertig, im Alten Te-stament freiweg wie Gott zu sprechen, warum solltensie im Neuen Testament nicht alles mögliche Jesus inden Mund legen und seinen Jüngern, die ja, nebendem Alten Testament und Jesus, die dritte Autoritätfür die Christen waren?

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2.130 Deschner Bd. 3, 100Sechs gefälschte »Paulusbriefe« stehen im ...

Sechs gefälschte »Paulusbriefe« stehen imNeuen Testament

Eine lange Reihe wichtiger neutestamentlicher Schrif-ten will so mehr oder weniger bestimmt von Apostelngeschrieben worden sein. Bei einigen dieser Schriftenzwar kann man zweifeln, ob eine Täuschungsabsichtwirklich vorliegt, bei anderen ist dies wahrscheinlich,bei wieder anderen sicher; wird die Echtheit doch,entgegen dem Tatbestand, ausdrücklich bezeugt. EineHauptabsicht ist dabei, das bereits Gewordene, vorallem aber auch das erst noch Erstrebte, als »aposto-lisch« zu qualifizieren und als Norm verbindlich zumachen177.

So wurden im Neuen Testament mehrere Briefe aufden Namen des ältesten christlichen Autors, des Pau-lus, gefälscht, der freilich selbst bekennt, daß es nurdarauf ankomme, Christus zu verkünden: »mit oderohne Hintergedanken«.

Völlig unecht im Corpus Paulinum sind die beidenBriefe »An Timotheus« und der »An Titus«, die soge-nannten Pastoralbriefe. Sie waren seit der Mitte des2.. Jahrhunderts in der Christenheit bekannt und wur-den als Paulinische Briefe schließlich bedenkenloszum Neuen Testament gezählt – bis ins frühe 19.Jahrhundert. 1804/05 aber bezweifelte J.E. Chr.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.131 Deschner Bd. 3, 100Sechs gefälschte »Paulusbriefe« stehen im ...

Schmidt die Echtheit des 1. Timotheus-Briefes, 1807verwarf ihn Schleiermacher ganz, und 1812 erkannteder Göttinger Gelehrte Eichhorn die Unechtheit allerdrei Briefe. Seitdem hat sich diese Erkenntnis unterden protestantischen Forschern durchgesetzt, neuer-dings auch immer mehr unter katholischen Exegeten,wenn die Echtheit oder doch partienweise Echtheit (2.Tim. 4,9–22; Tit. 3,12–15: man spricht von Frag-menten- oder Billettenhypothese) selbst heute nochvon einigen wenigen namhafteren Auslegern vertretenwird178.

In allen drei Briefen, wahrscheinlich in Kleinasienzu Beginn des 2. Jahrhunderts entstanden, bezeichnetsich der Fälscher gleich anfangs als »Paulus, ein Apo-stel Christi Jesu«. Er schreibt in der Ich-Form undprotzt, gesetzt zu sein »als Prediger und Apostel – ichsage die Wahrheit und lüge nicht –, als Lehrer derHeiden im Glauben und in der Wahrheit«. Er ziehthart gegen die »Ketzer« vom Leder, von welchen erschon einige »dem Satan übergeben«. Er geißelt »dieungeistlichen Altweiberfabeln«, »die Heuchelei derLügnerredner«, die »unnützen Schwätzer und Verfüh-rer, sonderlich die aus den Juden, welchen man mußdas Maul stopfen«. Doch er stopft es auch den Frau-en: »Einer Frau gestatte ich nicht, daß sie lehre, auchnicht, daß sie sich über den Mann erhebe, sondern siesei stille«. Und ebenso kuschen sollen die Sklaven

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2.132 Deschner Bd. 3, 101Sechs gefälschte »Paulusbriefe« stehen im ...

und »ihre Herren aller Ehre wert halten«179.Diese drei Fälschungen, die bezeichnenderweise in

den ältesten Sammlungen der Paulusbriefe fehlen,wurden bereits von dem an Paulus anknüpfendenMarkion (S. 75 f) als unecht erkannt. Ja, man schufsie sehr wahrscheinlich gerade, um Markion durchPaulus widerlegen zu können, wie dies auch mit ande-ren kirchlichen Fälschungen im 2. und 3. Jahrhundertgeschah (S. 120 ff, 128 ff). Und es spricht für sich,daß diese gegenüber Paulus viel späteren und deshalbtheologisch wie kirchenrechtlich auch viel weiter ent-wickelten gefälschten »Paulusbriefe« im Katholizis-mus sich bald besonderer Beliebtheit erfreuten; daßsie von prominenten Kirchenschriftstellern mit Vor-liebe zitiert und gegen die echten Paulusbriefe ausge-spielt worden sind; ja, daß die Fälschungen den fastverketzerten Paulus erst kirchenfähig und zu einemMann der katholischen Kirche gemacht haben. Gerademit ihnen haben dann die Päpste ungezählte Male ihre»Ketzer«verdammungen gestützt und die Anerken-nung ihrer Lehrentscheidungen verfochten180.

Gegen die Echtheit der Pastoralbriefe sprechen ge-schichtliche, mehr aber noch theologische und sprach-liche Gründe, und diese Gründe wurden inzwischennicht nur vermehrt, sondern auch sehr präzisiert. »Fürdie evangelischen Forscher«, schreibt WolfgangSpeyer, einer der besten heutigen Kenner der literari-

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2.133 Deschner Bd. 3, 101Sechs gefälschte »Paulusbriefe« stehen im ...

schen Fälschung der Antike, »gilt die Pseudepigra-phie der beiden Schreiben an Timotheus und des Brie-fes an Titus für ausgemacht«. Der Theologe vonCampenhausen spricht von einer »geistig ungewöhn-lich hochstehenden Fälschung« und erkennt sie demhl. Polykarp zu, dem »greisen Fürsten von Asien«(Euseb). Der katholische Theologe Brox, ebenfallsein Experte auf dem von der Forschung bisher so ver-nachlässigten Gebiet, nennt »die literarische Manipu-lation perfekt«, wenn auch »als Fiktion erkennbar«,eine »methodisch angelegte Täuschung, eine bewußteund künstlerisch raffiniert durchgeführte Autoritätsan-maßung«, wohl »das Kabinettstück« der Fälschunginnerhalb des Neuen Testaments. Mehr konservativeGelehrte behelfen sich angesichts der Diskrepanz zuden (sicher) echten Paulusbriefen mit der »Sekretärs-hypothese«, wonach ein Sekretär des Paulus, der ihnlängere Zeit begleitet haben müßte, der Verfasser war.(»Freilich weiß die Überlieferung von einem solchenManne nichts«: Bibel-Lexikon.) Oder man besteht aufder »Fragmentenhypothese«, der Annahme also, essteckten auch echte Teile, wirkliche Paulus-Texte, inden unechten. Selbst für Schelkle aber »scheinen« diePastoralbriefe »nicht bloß anders, sondern später alsdie echten Paulusbriefe zu sein«181.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist auch, wie man oftund mit schwerwiegenden Gründen annimmt, der 2.

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2.134 Deschner Bd. 3, 102Sechs gefälschte »Paulusbriefe« stehen im ...

Thessalonikerbrief unter dem Namen des Paulus »be-wußt als Fälschung konzipiert worden« (Lindemann).

Das erstemal wurde die Echtheit des 2. Thessaloni-kerbriefes 1801 wieder durch J.E. Chr. Schmidt (S.100) bezweifelt, dann die These der Unechtheit ent-scheidend durchgesetzt vor allem durch W. Wrede1903. Zu Beginn der dreißiger Jahre meinten Forscherwie A. Jülicher und E. Fascher, daß wir durch dieFeststellung einer nichtpaulinischen Verfasserschaftdes Briefes »ja nicht allzuviel verlieren«. Nun, wirnicht. Aber die Bibelgläubigen. Denn wie finden siesich damit ab, daß durch zwei Jahrtausende (dochnicht nur) diese Fälschung in einer, in ihrer »HeiligenSchrift« stand, ja noch steht? Daß der Fälscher, dervor allem Zweifel an der Parusie, der ausbleibendenWiederkehr des Herrn, beheben will, am Schluß sei-nes Briefes dessen Echtheit auch noch durch Beto-nung der eigenhändigen Unterschrift des Paulus be-zeugt? »Hier mein, des Paulus, eigenhändiger Gruß.Dies ist das Kennzeichen in jedem meiner Briefe: soschreibe ich ...« Wie der Fälscher, der uns weitgehendunbekannt bleibt, auch nicht versäumt, vor Fälschun-gen zu warnen, offenbar um so vom Echtheitsproblemin seinem Fall abzulenken. Niemand solle sich wan-kend machen lassen, »weder durch eine Offenbarungim Geist noch durch ein Wort noch durch einen Brief,wie von uns gesandt, als ob der Tag des Herrn schon

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da sei. Lasset euch von niemand verführen, in keiner-lei Weise ...« Er ist sich seines Betrugs also durchausbewußt. Doch nicht genug: er will mit einem ge-fälschten Paulusbrief einen echten Paulusbrief des-avouieren. So wird die Echtheit des 2. Thessaloniker-briefes »heute nur noch selten« verteidigt (W. Marx-sen)182.

Auch den Kolosserbrief hält die Mehrzahl der For-scher für »deuteropaulinisch«, für »unpaulinisch«.Und mit hoher Wahrscheinlichkeit ist auch der mitihm eng verwandte Brief an die Epheser, der von An-fang an als Paulusbrief galt, »bewußt« gefälscht. Be-zeichnenderweise finden sich hier Anklänge an allebedeutenden Paulusbriefe, besonders an den Kolos-serbrief, aus dem manche Formulierungen fast wört-lich stammen; ist der Wortschatz auffallend rheto-risch, ja, dieser Brief im Grunde kein Brief, sonderneine Art »Meditation über große christliche Themen«(Guthrie), eine »Mysterien- oder Weisheitsrede«(Schlier). Und in keinem anderen Paulusbrief wirddas Wort »Kirche« so ausschließlich im katholischenSinn gebraucht183.

Der Hebräerbrief, von einem Unbekannten viel-leicht im ausgehenden 1. Jahrhundert geschrieben,wurde zunächst auch anonym überliefert und von kei-ner alten Handschrift mit Paulus in Verbindung ge-bracht. Er enthält den Namen des Paulus auch gar

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nicht, bringt aber zuletzt »mit betonter Absichtlich-keit die Schlußformeln eines Paulusbriefes« (Lietz-mann). Doch bis um die Mitte des 4. Jahrhundertsgalt er weithin weder als apostolisch noch paulinischnoch kanonisch, kam aber nur als »Paulus«-Brief insNeue Testament, und bis zu Luther hielt man ihn fastallgemein dafür. Der Reformator jedoch bestritt dies,fand Holz, Heu und Stroh darin, »eine Epistel vonvielen Stücken zusammengesetzt«. Und heute schreibtman den Hebräerbrief sogar auf katholischer Seite nurnoch selten dem »Paulus« zu.

Seit dem 2. Jahrhundert aber wurde er ihm von derorthodoxen Überlieferung zuerkannt. Er steht in denliturgischen und amtlichen Büchern der katholischenKirche als »Brief des heiligen Apostels Paulus an dieHebräer«. Ebenso im Neuen Testament in der lateini-schen Übersetzung (nicht im griechischen Text). Tat-sächlich wissen wir weder wo noch von wem er ge-schrieben worden ist. Und alle Namen, die man alsVerfassernamen genannt hat oder nennen könnte, sindnichts als blauer Dunst. – Andere Paulusbriefe geltender kritischen Theologie als echt, doch enthalten sie,wie auch andere Bücher des Neuen Testaments, ein-zelne Fälschungen184.

Nicht weniger als sechs Briefe, die nach der Selbst-bezeugung von Paulus geschrieben sein wollen, sindin Wirklichkeit also deuteropaulinisch, nicht von Pau-

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2.137 Deschner Bd. 3, 103Sechs gefälschte »Paulusbriefe« stehen im ...

lus, stehen aber als Paulusbriefe in der Bibel. Rechnetman den Hebräerbrief hinzu, sind es sogar siebenBriefe.

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2.138 Deschner Bd. 3, 104Alle »Katholischen Briefe« des Neuen Testaments

Alle »Katholischen Briefe« des NeuenTestaments, immerhin sieben, sind Fälschungen

Zu den sogenannten Katholischen Briefen zählen: 1.und 2. Petrusbrief, 1., 2. und 3. Johannesbrief, der Ja-kobusbrief und der Judasbrief. Noch im 4. Jahrhun-dert, zur Zeit des Kirchenvaters Eusebius, wurdendiese Briefe zwar in den meisten Kirchen verlesen;doch allgemein als echt anerkannt waren nur zwei: der1. Johannes- und der 1. Petrusbrief. Erst am Ende des4. Jahrhunderts galten dann im Westen alle »Katholi-schen Briefe« als kanonisch. Inzwischen freilich siehtdas anders aus, erklärt man all diese Briefe, auchwenn sie die alte Kirche unter Verfassernamen geführthat, als »anonyme bzw. pseudepigraphische Schrei-ben« (Balz). Von den Johannesbriefen abgesehen,war auch die Briefform der ganzen Gruppe fiktiv185.

Auf den Namen des Petrus wurden durch einenrechtgläubigen Christen zwei Briefe gefälscht.

Ganz sicher gilt dies von der spätesten Schrift desNeuen Testaments, dem 2. Petrusbrief, heute sogarvon katholischen Gelehrten kaum noch bezweifelt.Doch war dieser Brief, der übrigens, schon verdächtiggenug, fast den ganzen Judasbrief oft beinah wörtlichsich einverleibt, nicht zufällig bereits in der alten Kir-che lange suspekt. Im ganzen 2. Jahrhundert wird erKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.139 Deschner Bd. 3, 105Alle »Katholischen Briefe« des Neuen Testaments

nirgends erwähnt. Zum erstenmal bezeugt ihn, als um-stritten, Origenes. Noch im 4. Jahrhundert nennt ihnBischof Euseb, der Kirchenhistoriker, unecht, Didy-mus der Blinde, ein prominenter alexandrinischer Ge-lehrter, zu dessen Schülern Rufinus (I 172 ff) und derhl. Hieronymus zählten, gefälscht.

»Simon Petrus, ein Knecht und Apostel Jesu Chri-sti«, so beginnt der Fälscher und behauptet, um sichals Augen- und Ohrenzeuge zu legitimieren, die Herr-lichkeit Jesu »selber gesehen« und auch Gottes Rufbei seiner Taufe »vom Himmel her« gehört zu haben;wobei er nicht nur die Gläubigen mahnt, »fleckenlosund unsträflich« von Gott erfunden zu werden, son-dern auch noch gegen »falsche Propheten«, »falscheLehrer« hetzt und rät, sie »wie vernunftlose Tiere« zufangen und abzutun.

Der 2. Petrusbrief, der als Testament des Petrusaufgefaßt werden will, wurde beträchtliche Zeit nachdessen Tod, vielleicht in der dritten Generation ge-schrieben und dem Apostel unterschoben, um demZweifel an der Parusie zu begegnen (S. 72 ff). DasSchriftstück strotzt von ebenso massiver wie pauscha-ler »Ketzer«polemik, attackiert aber besonders dieSpötter, »die nach ihrem eigenen Gelüst wandeln undsagen: Wo ist denn seine verheißene Wiederkunft?Seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt ja dochalles so wie es seit Beginn der Schöpfung gewesen

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2.140 Deschner Bd. 3, 105Alle »Katholischen Briefe« des Neuen Testaments

ist«. Der dreiste Fälscher, der dieselbe apostolischeAutorität wie Paulus beansprucht, täuscht die Fiktioneiner petrinischen Herkunft konsequent und nach-drücklich vor, vom Praeskript, vom üblichen Brief-eingang, bis zum Schluß. Er stützt sie durch seineAugen- und Ohrenzeugenschaft, er beansprucht, an»die lautere Gesinnung« seiner »Lieben« appellie-rend, auch den 1. Petrusbrief für sich, obwohl die gro-ßen Unterschiede der beiden Briefe die Herkunft vonein und demselben Autor ausschließen186.

Doch auch der 1. Petrusbrief, für Luther 1523»eins der edelsten Bücher im Neuen Testament unddas rechte lautere Evangelion«, ist offensichtlich ge-fälscht. Und gerade die evidente, von der modernenExegese bestätigte Verwandtschaft mit den Paulus-briefen, die Luther enthusiasmiert, macht die Verfas-serschaft des Petrus von vornherein wenig wahr-scheinlich. Hinzu kommt: der Ort der Niederschrift istangeblich Rom; denn der Autor grüßt zum Schlußausdrücklich »aus Babylon« (5,13) – ein gebräuchli-cher Deck- und Geheimname in der Apokalyptik fürdie Hauptstadt des Reiches, wo Petrus zuletzt gewe-sen und anno 64 das Martyrium erlitten haben soll.Aber der Name Babylon für Rom kam nach allerWahrscheinlichkeit erst unter dem Eindruck der Zer-störung Jerusalems auf, und die war 70 n. Chr., meh-rere Jahre nach Petri Tod. Höchst befremdlich ferner,

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2.141 Deschner Bd. 3, 106Alle »Katholischen Briefe« des Neuen Testaments

daß das berühmte Kanonverzeichnis der römischenKirche, der Kanon Muratori (um 200), ausgerechnetden 1. Petrusbrief nicht erwähnt, den Brief ihres an-geblichen Gründers (II 58 ff). Übergehen wir weitere,auch formale Kriterien, die eine petrinische Herkunftimmer unwahrscheinlicher machen.

Nun lassen Konservative das Schriftstück gern voneinem Sekretär des Apostelfürsten stammen; heißt esdoch am Ende: »Durch Silvanus, den treuen Bruder –wie ich meine – habe ich euch wenige Worte ge-schrieben ...« (5,12). Doch beiseite, daß »schreibendurch« auch den Diktat-Schreiber bezeichnen kannoder sogar bloß den Boten des Briefes, die »Sekre-tärshypothese« scheitert vor allem an der stark pauli-nischen Theologie der Epistel – »ein durchschlagen-des Argument gegen Petrus als Verfasser« (Schräge).Auch von diesem 1. Petrusbrief, dessen erstes Wort»Petrus« lautet mit dem Zusatz »ein Apostel JesuChristi«, sagt neuerdings Norbert Brox in seinemBuch »Falsche Verfasserangaben«, er zeige vom In-halt, Charakter, historischen Umständen her »keiner-lei Verbindung zur Gestalt des historischen Petrus ...nichts im Brief macht diesen Namen plausibel«. Sonimmt man auch für ihn »durchweg heute ... Pseude-pigraphie an« (Marxsen), ist er »ohne Zweifel einepseudonyme Schrift« (Kümmel), kurz, eine weitere,etwa, wie gewöhnlich angenommen, zwischen 90 und

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2.142 Deschner Bd. 3, 107Alle »Katholischen Briefe« des Neuen Testaments

95 fabrizierte Fälschung im Neuen Testament –wobei der Betrüger nicht zögert, den Christen zuzuru-fen, »in eurem ganzen Wandel heilig« zu sein, »alleBosheit und alle Falschheit« abzulegen, »nicht Trug«zu reden, nur nach der »lauteren Milch Verlangen« zuhaben187.

Drei biblische Briefe sind nach kirchlicher Lehrevon dem Apostel Johannes. Doch in keinem der dreiJohannesbriefe nennt der Schreiber seinen Namen.

Der 1. Johannesbrief wird am frühesten, schongegen Mitte des 2. Jahrhunderts erwähnt und ist dannunumstritten. Der Kanon Muratori nennt um 200 nurzwei Johannesbriefe, den 1. und einen der beiden klei-nen Johannesbriefe. Erst zu Beginn des 3. Jahrhun-derts bezeugt Clemens Alexandrinus alle drei. Dochgelten der 2. und der 3. Brief bis ins 4. Jahrhunderthinein längst nicht überall als kanonisch. Sie werden,schreibt Bischof Euseb, »nicht allgemein als echt an-erkannt«, sie sind »entweder dem Evangelisten odereinem anderen Johannes zuzuschreiben«188.

Nun ähnelt der 1. Johannesbrief in seinem Stil,Wortschatz, seiner Gedankenwelt so sehr dem Johan-nesevangelium, daß die meisten Bibelwissenschaftlerbeide Schriften demselben Verfasser zuschreiben –wie übrigens die Tradition seit je. Da aber das Johan-nesevangelium nicht von dem Apostel Johannesstammt (S. 95 ff), kann auch der 1. Johannesbrief

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2.143 Deschner Bd. 3, 107Alle »Katholischen Briefe« des Neuen Testaments

nicht von ihm sein. Und da der 2. Brief sozusageneine Kurzfassung (13 Verse) des 1. Briefes ist undman fast allgemein für beide denselben Autor an-nimmt, kann auch der 2. Johannesbrief nicht von demUrapostel sein. Und daß er den 3. Johannesbriefschrieb, war schon in der alten Kirche sehr umstrittenund schließt, neben anderen Gründen, auch dieSelbstbezeichnung »Presbyter« aus. (Beiläufig: wäh-rend der 2. Brief die »Ketzer« bekämpft, sie weder insHaus aufzunehmen noch zu grüßen heißt, streiten im3. zwei kirchliche »Würdenträger«, hetzt der Verfas-ser gegen Diotrephes, der »hochgehalten« sein wolle:»er schwätzt mit bösen Worten wider uns und läßtsich an dem nicht genügen, sondern nimmt selbst dieBrüder nicht auf und wehret denen, die es tun wollten,und stößt sie aus der Gemeinde«. Die Religion derLiebe – schon im Neuen Testament!)189

Heute nehmen sogar konservativere Bibelforscheran, daß der Schreiber der drei Johannesbriefe nicht,wie von der Kirche durch zwei Jahrtausende gelehrt,der Apostel, sondern einer seiner Schüler war und die»johanneische Überlieferung« weitergab. Und von derHauptepistel, dem seit Anbeginn unumstrittenen 1.Johannesbrief, sagt jetzt Horst Balz: »So wenig derApostel Johannes, Sohn des Zebedäus und Bruder desJakobus, als Verfasser des Johannesevangeliums gel-ten kann, so wenig kann er hinter dem 1. Joh. ste-

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2.144 Deschner Bd. 3, 108Alle »Katholischen Briefe« des Neuen Testaments

hen«190.Gefälscht wurde auch der angeblich von Jakobus

stammende Brief. Wie die meisten der »KatholischenBriefe«, täuscht auch er die Briefform nur vor; sie istbloße Einkleidung, Fiktion. Überhaupt enthält dieserzeitlich (besonders) schwer einzuordnende Text ver-hältnismäßig wenig christliche Züge. Er ist angerei-chert mit vielen Elementen kynisch-stoischer Popular-philosophie, noch mehr mit solchen aus den alttesta-mentlich-jüdischen Weisheitsbüchern, weshalb man-che eine nur leicht überarbeitete jüdische Schrift inihm sehen. Obwohl der Brief den Anspruch erhebt,vom Herrenbruder Jakobus geschrieben worden zusein, schließen das viele und gewichtige Gründe aus.So erwähnt er nur zweimal den Namen Jesu Christi,seines göttlichen Bruders. Er verliert keine Silbe überdas jüdische Ritual- und Zeremonialgesetz, benutztaber, anders als die meisten biblischen Briefeschrei-ber, zu Beginn die griechische Briefkonvention. Erschreibt überhaupt, jedenfalls für einen neutestament-lichen Autor, ein ungewöhnlich gutes Griechisch, er-staunt durch seinen reichen Wortschatz, seine vielfäl-tigen Kunstformen wie Parechese, Paronomasie, Ho-moioteleuton u.a. Das und Triftiges mehr macht deut-lich, daß dieser Brief, der den immer wieder apostro-phierten »Geliebten Brüdern« den »Glauben an JesusChristus, unsren Herrn der Herrlichkeit« verkündet,

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2.145 Deschner Bd. 3, 108Alle »Katholischen Briefe« des Neuen Testaments

nur eine noch geschicktere, eine »intensivere Versionvon literarischer Fälschung« ist (Brox) als der erstePetrusbrief.

Der Jakobusbrief, im Westen erst spät kanonisiert,fehlt bezeichnenderweise im Muratorischen Kanon,bei Tertullian, Origenes, und noch Bischof Euseb be-richtet von seiner mangelnden Anerkennung und um-strittenen Kanonizität. Auch Luther verwarf den Brief(wegen seines unleugbaren Widerspruchs zum Völ-kerapostel, zum paulinischen sola gratia und solafide) als »eyn rechte stroern Epistel«, ohne »ordonoch methodus« und versprach dem seinen Doktor-hut, der den Jakobusbrief (der »Täter des Wortes«fordert; vgl. S. 431) mit den Briefen des Paulus »zu-sammenzureimen« vermöchte. Luther drohte sogar, erwerde »einmal mit dem Jeckel den Ofen heizen« undihn »schier aus der Bibel stoßen«191.

Endlich gehört auch der kurze Judasbrief, die letzteEpistel im Neuen Testament, die im ersten Vers von»Judas, Jesu Christi Sklave, dem Bruder des Jako-bus« geschrieben sein will, zu den vielen Fälschungender »Heiligen Schrift«, ist doch ausgeschlossen, »daßdie Angabe historisch zutrifft«. Vielmehr weist auchder Judasbrief »ganz eindeutig in spätere Zeiten«(Marxsen)192.

Tatsache ist somit, »daß schon in ganz früher ZeitFälschungen auf den Namen der Apostel vorgekom-

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2.146 Deschner Bd. 3, 109Alle »Katholischen Briefe« des Neuen Testaments

men sind« (Speyer); daß dabei die Echtheit genau be-glaubigt wird, die »Apostel« ihren Namen nennen undin der ersten Person sprechen. Tatsache ist weiter,»daß wir von allen neutestamentlichen Schriften«, wieTheologe Marxsen hervorhebt, »nur zwei Verfasser-namen sicher angeben können: Paulus und Johannes(den Verfasser der Offb.)«. Und Tatsache ist schließ-lich, und zwar die bemerkenswerteste: mehr als dieHälfte aller Bücher des Neuen Testaments sind un-echt, das heißt entweder ganz gefälscht oder sie ste-hen unter einem falschen Kamen193.

Daß es daneben im »Buch der Bücher« noch eineFülle von Fälschungen in Form von Einschüben gibt,soll pars pro toto gezeigt werden.

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2.147 Deschner Bd. 3, 109Beispiele für Interpolationen im Neuen Testament

Beispiele für Interpolationen im NeuenTestament

Interpolationen waren bei den Christen sehr beliebt.Immer wieder haben sie derart Schriften verändert,verstümmelt, erweitert, und sie hatten dafür die ver-schiedensten Gründe. Sie bedienten sich der Interpo-lationen etwa zur Erhärtung der GeschichtlichkeitJesu. Oder zur Förderung und Festigung bestimmterGlaubensvorstellungen. Nicht jeder war fähig, gleichein ganzes Werk zu erschwindeln, aber er konnterecht leicht ein gegnerisches fälschen, indem er zumNutzen der eignen Sache etwas im eigenen Sinn ein-schob oder unterdrückte. Man interpolierte auch zurDurchsetzung unpopulärer Meinungen, für die manselber nicht geradestehen, doch unter dem Nameneines Berühmten mehr Erfolg haben mochte; in derZeit des religiös toleranten Heidentums war dies aller-dings weit weniger nötig und deshalb seltener alsunter den verfolgungswütigen christlichen Herrschernund Hierarchen194.

Auch potentere Autoren freilich vergingen sich. DieBriefe des Paulus hat Tatian aus ästhetischen, Mar-kion aus inhaltlichen Gründen überarbeitet. Dionysiusvon Korinth im 2. und Hieronymus im 4. Jahrhundertbeklagen das mannigfache Interpolieren der Evangeli-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.148 Deschner Bd. 3, 110Beispiele für Interpolationen im Neuen Testament

en. Der hl. Hieronymus aber, der Patron der katholi-schen Fakultäten, der selber die »gewissenlosestenVerleumdungen und Fälschungen« beging (C. Schnei-der, vgl. I 179 f), nahm im Auftrag des Mörderpap-stes Damasus (II 111 ff) eine Revision der lateini-schen Bibeln vor, von denen auch nicht zwei in länge-ren Abschnitten übereinstimmten. Dabei änderte derPatron der Gelehrten den Text der Vorlage für seine»Berichtigung« der Evangelien an etwa 3500 Stellen.Und das Konzil von Trient hat diese »Vulgata«, dieallgemein verbreitete, von der Kirche jahrhunderte-lang verworfen, im 16. Jahrhundert für authentisch er-klärt195.

Nun, hier handelt es sich sozusagen um Eingriffe»offizieller« Art. Gewöhnlich aber geschahen sie ins-geheim. Und eine der berühmtesten Interpolationenim Neuen Testament ist mit dem Trinitätsdogma ver-knüpft, das die Bibel, spätere Zutaten beiseite, ausguten Gründen nicht verkündet.

Zwar kannte das Heidentum Hunderte von Trinitä-ten, stand eine göttliche Dreieinigkeit schon seit dem4. vorchristlichen Jahrhundert an der Spitze des Welt-ganzen, hatten alle großen hellenistischen Religionenihre Götterdreiheiten, gab es die Apis-Trinitätslehre,die Sarapis-Trinitätslehre, die Dionysos-Trinitäts-lehre, gab es die kapitolinische Dreieinigkeit: Jupiter,Juno, Minerva, gab es den dreimal großen Hermes,

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2.149 Deschner Bd. 3, 111Beispiele für Interpolationen im Neuen Testament

den dreieinigen Weltgott, der »allein ganz und drei-mal einer« war etc. etc. Nur eine christliche Trinitätgab es in den ersten Jahrhunderten nicht. Denn hieltman selbst Jesus bis weit ins 3. Jahrhundert hineinmeist nicht für Gott, so dachte da an die Persönlich-keit des Heiligen Geistes, wie dezent der TheologeHarnack höhnt, »kaum einer«. (Ausgenommen, seienwir gerecht, der Valentinianer Theodot: ein »Ketzer«!Er hat im späten 2. Jahrhundert wohl als erster ChristVater, Sohn und Geist Trias genannt, wovon derkirchlichen Tradition noch nichts träumte.) Vielmehrbestand, schreibt der Theologe Weinel, »eine wilddurcheinanderwogende Masse von Vorstellungen überdiese himmlischen Gestalten«196.

So taten sich noch im 4. Jahrhundert die größtenKirchenleuchten schwer, die Einheit, Zweiheit undDreiheit der göttlichen Personen aus der Bibel zu be-weisen. Die Zweiheit etwa bewies der hl. Bischof undKirchenlehrer Basilius »der Große« aus Gen. 1,26:»Und Gott sprach: Laßt uns einen Menschen ma-chen«. Denn welcher Handwerker, sagte sich Basili-us, spreche zu sich selbst! »Wer sprach? Und werschuf?« fragte »der Große«, sichtlich vom HeiligenGeist, zu dem die katholische Vergottungschristologieinzwischen fortgeschritten war, erhellt. »Erkennst dudarin nicht die Zweiheit der Personen?« Und der jün-gere Bruder dieses Heiligen, der hl. Bischof Gregor

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2.150 Deschner Bd. 3, 111Beispiele für Interpolationen im Neuen Testament

von Nyssa, »ausgezeichnet durch große spekulativeBegabung« (Altaner/Stuiber), demonstrierte die Drei-heit der göttlichen Personen aus Psalm 36,6: »Durchdas Wort des Herrn wurden die Himmel befestigt unddurch den Odem seines Mundes all ihre Macht«.Denn das Wort, so Gregor, ist der Sohn, und derOdem der Heilige Geist197.

Doch seien wir wieder fair: Trinitäten gab es auchseinerzeit schon im Neuen Testament, ganz echte Tri-nitäten, nämlich: Gott, Christus, Engel; recht häufigsogar, denn sie hatten bereits die Juden. Und immerwieder sei betont: alles, was im Christentum nichtheidnisch war, stammt von den Juden. Auch eine wei-tere Trinität prangt in der »Heiligen Schrift«, in derOffenbarung des Johannes: Gottvater, die sieben Gei-ster und Jesus Christus. Bald darauf kennt der hl. Ju-stin gar eine Quaternität: Gottvater, Sohn, das Heerder Engel und der Heilige Geist. Wie gesagt – »einewild durcheinanderwogende Masse ...« Doch allmäh-lich wurde die ältere Lehre, die – bis ins 4. Jahrhun-dert auch in kirchlichen Kreisen weit verbreitete – En-gelchristologie, niedergerungen, verketzert, und stattihrer kreierte man das bis heute wahre Dogma, übri-gens für alle christlichen Kirchen: Vater, Sohn undHeiliger Geist198.

Nun hatte man zwar endlich die rechten Personenbeisammen, aber leider noch immer nicht – in der

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2.151 Deschner Bd. 3, 112Beispiele für Interpolationen im Neuen Testament

Bibel. Ergo fälschte man sie hinein. Um so notwendi-ger, als darin ganz falsche Sprüche standen und ste-hen, selbst von Jesus. Zum Beispiel das Logion beiMatthäus 10,5: »Den Weg zu den Heidenvölkernschlagt nicht ein und betretet auch keine Samariter-stadt, geht vielmehr (nur) zu den verlorenen Schafendes Hauses Israel«. Ach, was wäre uns erspart geblie-ben, nebenbei: auch den Juden, hätten die Christendies Jesuswort befolgt! Doch sie hatten längst das Ge-genteil getan. Im krassen Widerspruch zu Matthäus10,5 sagt deshalb ebenda der »Auferstandene« (28,28ff): »So gehet hin und lehret alle Völker und tauft sieauf den Namen des Vaters und des Sohnes und desheiligen Geistes ...« Der erste Spruch, der Befehl derJudenmission, gilt als echt, gerade weil die Christenbald die Heidenmission betrieben, das Gegenteil des(ersten) Jesusbefehls. Und gerade um diese Praxis zurechtfertigen, schmuggelte man an den Schluß desEvangeliums den Befehl zur Weltmission. Und hatte,scheinbar ganz beiläufig, auch die biblische Grundla-ge, den locus classicus, für die Trinität. Doch beiseite,daß Jesu Predigt selbst das geringste Anzeichen einertrinitarischen Vorstellung fehlt, daß auch die Apostelkeinen Taufauftrag bekamen: – wie hätte Jesus, derfordert, »nur zu den verlorenen Schafen des HausesIsrael« zu gehen, aber ausdrücklich »den Weg zu denHeidenvölkern« verbietet, wie hätte dieser Jesus die

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2.152 Deschner Bd. 3, 113Beispiele für Interpolationen im Neuen Testament

Weltmission verlangen können? Dieser Befehl, schonseit der Aufklärung immer wieder bezweifelt, giltallen kritischen Theologen als Fälschung. KirchlicheKreise schoben ihn ein, um sowohl ihre Praxis derHeidenmission wie der Taufsitte nachträglich zurechtfertigen. Und um ein biblisches Kronzeugnis zuhaben für das Dogma der Trinität199.

Eben deswegen kam es im 1. Johannesbrief zueiner weiteren, einer scheinbar geringfügigen, dochbesonders berüchtigten Fälschung, dem »Comma Jo-hanneum«.

Man änderte nämlich – und die Heilige Dreifaltig-keit mag wissen wer, wann und wo – die Stelle 1. Jh.5,7: »Drei sind es, die da zeugen: Der Geist, dasWasser und das Blut, und die drei sind eins« um in:»Drei sind, die da zeugen im Himmel, der Vater unddas Wort und der heilige Geist, und die drei sindeins«. Der Einschub fehlt in so gut wie allen griechi-schen Handschriften und so gut wie allen alten Über-setzungen. Er wird vor dem 4. Jahrhundert von kei-nem griechischen Kirchenvater benützt, wird weder,wie eine genaue Prüfung ergab, von Tertullian nochCyprian noch Hieronymus noch Augustinus je zitiert.Die Fälschung stammt wohl aus Nordafrika oder Spa-nien, wo man sie um 380 zum erstenmal anführt. Zumerstenmal bezweifelt wird sie erst 1689 durch R.Simon. Heute verwerfen sie die Exegeten so gut wie

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2.153 Deschner Bd. 3, 113Beispiele für Interpolationen im Neuen Testament

einmütig. Doch noch am 13. Januar 1897 erklärte einDekret des römischen Offiziums ihre Echtheit200.

Zahlreiche Interpolationen gibt es im Johannes-evangelium; nicht ohne Grund.

Dies Evangelium wurde zunächst nur in »Ketzer«-Kreisen geschätzt und auch zuerst kommentiert. Da-gegen führt es keiner der »Apostolischen Väter« an.Die »rechtgläubigen« Gruppen, besonders Rom, stan-den der in Kleinasien sehr bekannten und beliebtenSchrift ablehnend gegenüber. So wurde sie gegenMitte des 2. Jahrhunderts von einem Redaktor überar-beitet und kirchenfähig gemacht. Da er zwar Strei-chungen vermied, doch mit Zusätzen nicht sparte, fi-gurieren die Juden einmal als Teufelskinder, das ande-re Mal kommt das Heil von ihnen. Das 3. Kapitel ver-sichert zweimal, Jesus habe getauft, das 4. Kapitelversichert das Gegenteil. In dieser Weise lassen sichzahlreiche spätere »Zutaten« erkennen. Wie das Jo-hannesevangelium überhaupt »Spuren einer langenEntstehungs- und Redaktionsgeschichte« zeigt. Grö-ßere kirchliche Einschübe sind die bekannte Ge-schichte von der Ehebrecherin (Jh. 8,1 ff) und dasganze 21. Kapitel. Es ist »ohne jeden Zweifel ein spä-terer Nachtrag« (Cornfeld/Botterweck)201.

Nun gibt es neben den Fälschungen im Neuen Te-stament auch und sehr viel mehr christliche Fälschun-gen außerhalb; Fälschungen,, die den literarischen

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2.154 Deschner Bd. 3, 113Beispiele für Interpolationen im Neuen Testament

Formen der biblischen Schriften mehr oder wenigerähneln: den Evangelien, der Apostelgeschichte, derApokalypse, den Briefen. Sie knüpfen auch meist andie neutestamentlichen Gattungen an, strukturell, for-mal, inhaltlich, und sind in der Antike ungemein häu-fig, womit wir uns den Fälschungen der nachneutesta-mentlichen, der frühpatristischen und altkirchlichenZeit zuwenden.

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2.155 Deschner Bd. 3, 115Fälschungen in der nachneutestamentlichen und ...

Fälschungen in der nachneutestamentlichen undaltkirchlichen Zeit

»Aus der nachneutestamentlichen und altkirchli-chen Epoche ist eine große Menge literarischerFälschungen bekannt. Sie gehören bei weitemnicht alle der häretischen Literatur an, sondernkonnten genau so gut im orthodoxen Milieu ent-stehen und akzeptiert werden ...«

Norbert Brox202

»Die Christen verfemten die Fälschung des Geg-ners und fälschten selbst.« »Viele Fälschungenhaben entscheidend auf die Entwicklung derkirchlichen Dogmatik, die Kirchenpolitik, dieGeschichte und Kunst eingewirkt.« »Alle christ-lichen Fälscher, die zumeist Kleriker waren,rechneten mit der Hilfe Gottes«.

W. Speyer203

»Nachdem die Fälschung einmal in die Kircheeingedrungen war, wuchs sie fast ins Unbe-grenzte. Die Bedeutung der auf dem Spiel ste-henden Interessen, der Wetteifer der einzelnenLehren und Kirchen riefen für die unersättlicheNachfrage einen unbeschränkten Vorrat von ge-fälschten Dokumenten hervor«.

J.A. Farrer204

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2.156 Deschner Bd. 3, 116Alle Seiten fälschten - am meisten die Priester

Alle Seiten fälschten – am meisten die Priester

Nachdem im Westen zu Beginn des 5. Jahrhundertsder Umfang des Neuen Testaments offiziell anerkanntwar, unterschied die Kirche streng zwischen kanoni-scher und nichtkanonischer Literatur. Alles, was nichtals kanonisch galt, was man nicht brauchen konnteoder brauchen wollte, wurde »apokryph« genannt undals »ketzerisch« scharf bekämpft, gelegentlich schonmit dem Scheiterhaufen; obwohl es ja, da es langekeinen (festumrissenen) Kanon gab, lange ganz an-ders gewesen war. Die meisten alten Theologen hiel-ten viele »Apokryphen« für apostolisch, völlig echt,wahr, für Glaubenszeugnisse, einige zog man denneutestamentlichen Büchern zeitweise vor – ganz bei-seite, daß die Kirche selbst mit der ihr eigenen Will-kür »apokryphe« Bücher anerkannte, nämlich imAlten Testament. Lange stand so ein Teil des dannverteufelten »apokryphen« Schrifttums »gleichwertigneben den später als kanonisch angesehenen Werken«(Schneemelcher). Und zumal alle alten »apokryphen«Evangelien, Apostelgeschichten, Apokalypsen, wovones wimmelte, wovon ein kleiner Teil sogar erhaltenblieb, wenn auch meist nur in Fetzen, in Zitaten, wur-den in manchen Gegenden mit derselben Selbstver-ständlichkeit gelesen, geachtet, wie in anderen die ka-

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nonischen Schriften205.Erinnern wir uns daran, daß das Christentum keine

einheitliche Größe war, daß bereits anfangs keine»Rechtgläubigkeit« bestand (I 144 ff), sondern einegroße Vielfalt der Lehren und des Glaubens. Somitgab es auch eine Fülle verschiedener Evangelien,Apostelgeschichten, Apokalypsen, wie sie den Vor-stellungen der Gemeinden entsprachen. Erst als man,freilich recht früh, dazu überging, einander zu be-kämpfen und stets mehr zu bekämpfen (I 3. Kap.), alsbesonders die sogenannte Großkirche immer mächti-ger wurde, verteufelte sie auch immer mehr alle Chri-sten außer ihren Reihen, drängte ihr Schrifttum in denUntergrund und erklärte es als unecht, gefälscht, ebenals »apokryph« (vom griech. apokrýptein, verbergen).Dieser Sprachgebrauch ist aber relativ jung, nochnicht in den alten Kanonverzeichnissen üblich, zu-nächst überhaupt nicht in Verbindung mit der Kanon-geschichte, sondern eben mit der »Ketzer«-Bekämp-fung verwendet worden; bei Irenäus etwa oder Tertul-lian, dem späteren Parade-»Ketzer«, der »apocrypha«und »falsa« synonym gebraucht206.

In »häretischen« Zirkeln, wo man Geheimschriftensehr schätzte und »verborgen« nannte, hatte das Worteine durchaus positive Bedeutung. Sogar Origenesstuft noch die Pseudepigraphen als »kirchliche« Apo-kryphen gegenüber den »häretischen« Geheimbüchern

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positiv ein. Doch für die Kirchenväter bekam dasWort in ihrem Kampf gegen die »Irrlehrer« baldetwas Negatives, Absprechendes. »Apokryph« wurdefür sie gleichbedeutend mit unterschoben, gefälscht,wenn auch erst nach rund 400 Jahren Christentum dieAusscheidung der »Apokryphen« aus dem Kanon de-finitiv feststand. Man kann sich aber kaum bewußtgenug machen, daß der Begriff »Apokryphen« und»apokryph« nie einheitlich, immer mehrdeutig warund daß er dies auch literarisch wie theologisch in derKirchengeschichte immer geblieben ist207.

Ein weiteres wichtiges Faktum, das die Apologetenseit je ebenso wortreich wie gedankenschwach be-streiten: zwischen dem neutestamentlichen und dem»apokryphen« Schrifttum bestehen zwar Unterschie-de, sie sind aber sachlich nicht schwerwiegend208.

Schließlich: alle nachneutestamentlichen »Apokry-phen« schrieben natürlich ausnahmslos Christen. Essind somit sämtlich christliche Traktate. Sie knüpfenin Form und Anlage auch mehr oder minder an dieneutestamentlichen Bücher an. Und alle, ob groß-kirchlicher, ob sektiererischer Herkunft, sind »durch-gängig Fälschungen« (Bardenhewer)209.

Am wichtigsten ist jedoch: Die »Apokryphen« tru-gen zur Verbreitung des Christentums genauso beiwie die kanonischen Schriften, vielleicht sogar mehr.Mit allen hat man missioniert, Anhänger geworben

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und gewonnen. Viele »Apokryphen« wurden in zahl-reiche Sprachen übersetzt und weithin verbreitet. Sielagen in ungezählten und mannigfaltigen Überarbei-tungen, Erweiterungen, Kürzungen vor. Nicht seltenweiß man kaum oder gar nicht, ob man es mit einerkirchlichen oder »ketzerischen« Fälschung zu tun hat,weil genaue Grenzlinien nicht zu ziehen, die Überre-ste zu klein, die Überformungen, Verfremdungen,Entstellungen zu häufig, die Entstehungsverhältnisse,dies ist die Regel, zu dunkel, gewöhnlich undurch-dringbar dunkel sind. Es kommt dazu, daß auch dieKirche sehr wohl und sehr lang, noch im Mittelalter,durch die »Apokryphen« profitierte. Nicht nur schufman solche in altkirchlichen Kreisen selber eifrig (S.119 ff, 128 ff), sondern die Kirche hat auch nachweis-lich sehr früh »häretische Apokryphen« revidiert undretouchiert; ja, »nahezu alles«, was von diesen über-haupt noch vorliegt, »ist nicht im echten Wortlaut,sondern in katholischer Bearbeitung überliefert« (Ka-tholik Bardenhewer), das heißt, die »Ketzer«-Fäl-schungen wurden im kirchlichen Lager noch einmalgefälscht. Und während der ursprüngliche Text fastdurchweg für immer verschwand, wurde ein Teil die-ser »Überarbeitungen«, dieser doppelt, oft vielfachverfälschten Schriften noch durch das Mittelalter gele-sen, verschlungen, besonders anscheinend die Apoka-lypsen und Pilatusakten (S. 125 ff, 150 f)210.

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Man wird die Verbreitung und Wirksamkeit ge-fälschter Literatur – ein heute noch sehr ungeklärtesProblem – nicht gering einschätzen können. Ihre Aus-strahlung, ihre Anerkennung muß um so größer gewe-sen sein, als die Arglosigkeit beträchtlich war, gerade,doch nicht nur, bei den Massen, wo überdies undzumal auf religiösem Gebiet eine gierige Bereitschaftfür das Ungewöhnliche, Unwahrscheinliche, Wunder-bare bestand, ein starkes Faible für Verborgenes, Ge-heimnishaftes; eine Leichtgläubigkeit, die mutatismutandis ja jetzt wieder grassiert zum Vorteil aller,die im Trüben fischen. Deshalb reagierte die früheKirche gewöhnlich auch nicht ungehalten auf Fäl-schungen, sie trat für ihre Echtheit ein, freilich nur so-lange sie ihr nützten und ihren Lehren nicht wider-sprachen: die entscheidenden Kriterien für Tolerie-rung oder Propaganda gar. Der Inhalt einer Schrift be-deutete offenbar mehr als ihre Authentizität211.

Dagegen galten die Fälschungen der »Ketzer«, zudenen man häufig Gegenfälschungen fabrizierte, alsTeufelsdienst, als moralische Ungeheuerlichkeit. Sobereitwillig die Kirche bei eigenen Betrügereien oftund verhältnismäßig lange durch die Finger sah, soempört geißelte sie die der Gegner. Gewiß bezichtigtesie die »Häretiker«, besonders die Gnostiker, oft zuRecht des Betrugs. Gewiß hat sie auch die Apollinari-sten als Fälscher entlarvt; wie sie überhaupt versuch-

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te, unter dem Namen von »rechtgläubigen« Autorenkursierende »Ketzer«-Traktate zu verbrennen. Dochdie Katholiken fälschten eben gleichfalls. Und sie be-antworteten die Fälschungen andersgläubiger Christennicht nur durch gefälschte Gegenschriften, wobei dereine Fälschungstyp so alt ist wie der andere, sondernein weiterer Teil ihrer Schwindeleien diente der Er-bauung – wie letzten Endes ja auch der (erste) Teil,der dem »Glauben« diente. Das hängt untrennbar zu-sammen, und keinesfalls nur beim Volk. Ein ganzneuartiger – und sehr wirksamer – Betrug der Chri-sten aber war es, unter dem Namen des Gegners Fäl-schungen zu verbreiten und darin dessen »Häresie«übertrieben darzustellen, um sie desto leichter wider-legen zu können212.

Nicht zu vergessen: die meisten christlichen Gau-ner, gleich auf welcher Seite, waren Priester. Ja, dieKirchenführer selber warfen einander Fälschungenvor. So bezichtigte der hl. Hieronymus den Kirchen-schriftsteller Rufinus – mit dem er eine der übelsten»Väter«-Fehden führte (I 172 ff) – wiederholt und äu-ßerst gehässig des literarischen Betrugs. Bischof Jo-hannes von Jersualem aber klagte den hl. Hieronymusder Fälschung an. Der hl. Kirchenlehrer Kyrill vonAlexandrien soll bei seiner Attacke gegen Nestorios(II 156 ff) Zitate desselben gefälscht haben. BischofEustathios von Antiochien, ein wilder Bekämpfer der

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Arianer, bezichtigte Bischof Euseb von Caesarea, den»Vater der Kirchengeschichte«, der Verfälschung desNicaenischen Glaubensbekenntnisses213.

Kurz, jede Seite fälschte. Zwar hatten nach moder-nen älteren Katholiken nur die nichtkatholischenChristen die »Frechheit«, in »außerordentlich« großerZahl »die Erzeugnisse ihrer Phantasie für göttlicheOffenbarungen« auszugeben und ihnen »apostoli-schen Ursprung« zu vindizieren (Kober). Tatsächlichaber fälschten alle: nicht bloß Gnostiker, Enkratiten,Manichäer, Novatianer, Mazedonier, Arianer, Luzife-rianer, Donatisten, Pelagianer, Nestorianer, Apollina-risten, Monophysiten, sondern selbstverständlich auchdie Katholiken; im Kampf gegen die Gnosis bei-spielsweise verfaßten sie auch »unechte« Evangelien.Der Apostolische Protonotar Otto Bardenhewer (gest.1935) führt in seinem vierbändigen Standardwerk»Geschichte der altkirchlichen Literatur« zwar (undwahrscheinlich mit Recht) die »Mehrzahl« der neute-stamentlichen »Apokryphen« auf »häretische Sonder-lehren«, doch eine weitere »große Gruppe« auf »or-thodoxe Hände« zurück. Also noch einmal: alle Sei-ten fälschten. Und alle, die fälschten, waren Christen!Und viele davon waren Christen innerhalb der Kirche.Der Tübinger Rechtshistoriker Friedrich Thudichum(gest. 1913) sammelte »Kirchliche Fälschungen« indrei umfangreichen Bänden und plante noch einen

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vierten, allerdings nicht erschienenen Band214.

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2.164 Deschner Bd. 3, 121Auch in kirchlichen Kreisen waren zeitweise ...

Auch in kirchlichen Kreisen waren zeitweise»apokryphe« Evangelien in Gebrauch

Wie man schon in neutestamentlicher Zeit gründlichgefälscht hatte, besonders durch Angabe eines fal-schen Verfassernamens, aber auch durch jede Mengesonstiger Eingriffe in echte oder bereits gefälschteTexte, so fälschte man nun in nachneutestamentlicherZeit fort. Ja, es ist durchaus möglich, sogar wahr-scheinlich, daß manche der von der Kirche als »apo-kryph« verketzerten Texte älter sind als die neutesta-mentlichen. Und es ist, darf man dem Evangeliumglauben, sicher, daß es auch ältere Evangelien gab alsdie vier »kanonischen«. Berichtet doch das Lukas-evangelium gleich in seinem ersten Vers, daß »schonviele es unternommen haben, Bericht zu geben vonden Geschichten, die unter uns geschehen sind«.

Ein Teil der »apokryphen« Evangelien ist offen-sichtlich mit den synoptischen eng verwandt. Da aberviele jener Evangelien nur (sehr) fragmentarisch vor-liegen, läßt sich oft schwer sagen, ob sie auf vorsyn-optische Tradition oder auf die synoptische zurückge-hen, ob sie also älter oder jünger sind als die kanoni-schen Evangelien. Und gerade bei den ältesten »apo-kryphen« Evangelien werden sich auch mündlicheund schriftliche Tradition überschneiden. Man siehtKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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jedenfalls, daß der geschichtlich Denkende all diesnicht einfach durch das Schema »kanonisch« oder»apokryph« betrachten kann – ganz beiseite eben, daßüberall gefälscht worden ist215.

Sogenannte apokryphe Evangelien sind mehr alsfünfzig namentlich bekannt, wenn auch meist bloßbruchstückhaft und nur ganz selten in ihrem vollenText überliefert. Von vielen wissen wir außer demTitel nichts oder fast nichts mehr. Etwa von demgänzlich verlorenen, vielleicht um die Mitte des 2.Jahrhunderts entstandenen »Evangelium des Judas«,das die Kainiten gebrauchten, »Gnostici«, die in Kon-sequenz ihrer Lehre vom bösen Gott des Alten Testa-ments alle darin schlechtgemachten, verteufelten Fi-guren verehrt haben sollen, besonders Kain und dieSchlange. Und Judas, sagten sie, verstand als einzigerApostel den Herrn. Wenig oder nichts wissen wir vondem »Evangelium der Vollendung« oder dem»Evangelium der Eva«, das die Nikolaiten hatten,eine schon Ende des 2. Jahrhunderts verschwundeneangeblich libertinistische gnostische Sekte, der dieKirchenväter, im Anschluß an Irenäus, sexuelle Ex-zesse nachsagten, weshalb man im Mittelalter die Zö-libatsgegner Nikolaiten nannte216!

Gleichwohl gab es Zeiten und Gegenden, wo Ka-tholisches und Gnostisches (noch) nicht streng ge-trennt war. Gleichwohl gebrauchten auch kirchliche

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Gruppen sogenannte apokryphe Evangelien anstelleder sogenannten kanonischen. Besonders die juden-christlichen – Nazaräer-, Ebionäer- und Hebräer-evangelium – erhielten sich lang und wurden noch im14. Jahrhundert zitiert217.

Das Nazaräerevangelium stammt vermutlich ausder ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts und war, wieFragmente zeigen, ein Evangelium synoptischenTyps, war vor allem eng mit dem biblischen Mat-thäusevangelium verwandt, wenn auch kein »Urmat-thäus«, gegenüber dem neutestamentlichen Matthäus-evangelium meist sekundär, von »epigonenhaftemCharakter« (Dibelius), nach Inhalt und Art aber»nicht judenchristlicher als Matthäus« (Waitz). Sinddoch überhaupt die syrischen Judenchristen (Nazarä-er), aus denen dies Evangelium hervorging, keine»Ketzer« gewesen, sondern »großkirchlich« (Vielhau-er)218.

Wie das Nazaräerevangelium ist auch das vermut-lich gleichaltrige Ebionäerevangelium mit Matthäusverwandt. Doch war es »ketzerischer« Herkunft. DieEbionäer (Ebioniten) bestritten die jungfräuliche Ge-burt Jesu, weshalb ihr Evangelium die Vorgeschichtedes Matthäus (1 und 2), wo der Heilige Geist dieJungfrau Maria schwängert, strichen. Die Ebionäer,die unmittelbaren Nachkommen der Urgemeinde (!),waren antikultisch eingestellt und Vegetarier.219

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Im »Ebionäerevangelium« erzählt Jesus manchmalin der Ichform. »Als ich am See Tiberias entlangging, erwählte ich Johannes und Jakobus ... und dich,Matthäus, der du am Zoll saßest, berief ich, und dufolgtest mir ...« Doch berichten auch die Jünger im»Wir«-Stil, und es besteht kein Zweifel, daß der Wir-Bericht die Fälschung unter die Autorität aller Apo-stel stellen und die Hervorhebung des Matthäus die-sen als den Verfasser erscheinen lassen sollte220.

Auch im »Hebräerevangelium«, das sich stark vonallen kanonischen und den anderen judenchristlichenEvangelien unterscheidet, erzählt Jesus gelegentlichselbst. Wie er im »Ebionäerevangelium« die Wahl derApostel mitteilt, so hier die Versuchungs- und Entrük-kungslegende, wobei der Heilige Geist, echt semi-tisch, als weibliche Größe figuriert: »Sogleich ergriffmich meine Mutter, der heilige Geist, an einem mei-ner Haare und trug mich weg auf den großen BergThabor«. Daß die Auferstehung des Herrn in den»Apokryphen« gern etwas drastischer gezeigt wird,um sie glaubhafter zu machen, läßt Jesu Aushändi-gung des Leinentuchs an den »Knecht des Priesters«(des Hohenpriesters wohl) erkennen. Und wirkt esnicht sehr christlich, wenn diese Fälschung – das Fäl-schen zu den schwersten Verbrechen zählt221?

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2.168 Deschner Bd. 3, 123Evangelienfälschungen unter dem Namen Jesu

Evangelienfälschungen unter dem Namen Jesu

Mehrere der fiktiven Evangelien laufen direkt oder in-direkt unter dem Namen Jesu, zum Beispiel die »Pi-stis Sophia«.

Im 3. Jahrhundert in Ägypten gefälscht, »protokol-liert« die Sammlung der drei ersten Bücher Unterre-dungen Jesu mit Jüngern und Jüngerinnen im zwölf-ten Jahr nach seiner Auferstehung, das vierte, etwasspätere und selbständige Buch, bereits am Tag da-nach. Jesus, hier auch Aberamentho genannt, berichtetin der Ichform. »Du Vater aller Vaterschaft der Un-endlichkeiten, erhöre mich um meiner Jünger wil-len ..., damit sie an alle Worte Deiner Wahrheit glau-ben ...« Oder ein anderes Mal: »Vortrefflich, Philip-pus, Du Geliebter. Jetzt nun komm, setze Dich undschreibe ... Und sofort setzte sich Philippus niederund schrieb«. Derart sollte die Sache wohl aktenkun-dig werden222.

Wie die »Pistis Sophia« laufen weitere Evangelienoder evangelienartige Schriften direkt oder indirektunter Jesu Namen: die »Sophia Jesu Christi«, der»Dialog des Erlösers«, »Die beiden Bücher des Jeû«.Jesus spricht auch hier in der Ichform, hält gelegent-lich längere Reden, wird von den Aposteln unterbro-chen, auch von den »heiligen Frauen«, den »Jüngerin-

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2.169 Deschner Bd. 3, 124Evangelienfälschungen unter dem Namen Jesu

nen«, Maria, Maria Magdalena u.a. Im »Dialog desErlösers« werden alle Fragen der Wißbegierigen nachbestem Können beantwortet und Jesu Erklärungen je-desmal mit der Formel eingeleitet: »Und der Herrsagte« oder »antwortete«. In den gefälschten beiden»Bücher des Jeû« appelliert er an die Jünger, seineOffenbarungen geheimzuhalten, sie nur jenen weiter-zugeben, die ihrer würdig sind. »Nicht gebet sie Vaternoch Mutter, noch Bruder, noch Schwester, noch Ver-wandten, nicht für Speise noch Trank, nicht für eineWeibsperson, nicht für Gold noch Silber, noch über-haupt für irgend etwas dieser Welt. Bewahret sie undgebet sie überhaupt niemandem um der Güte dieserganzen Welt willen«223.

Erst aus dem 5. Jahrhundert stammt das »Testa-mentum Domini nostri Jesu Christi«. In zwei Bücherndokumentieren darin die Apostel Johannes, Petrusund Matthäus – mit Unterschrift und Siegel – wörtli-che Instruktionen ihres Herrn, die dieser aber auchgleich selbst erteilt; über die Zeiten des Weltendesetwa oder über die Beschaffenheit eines Kirchenvor-stehers: »Jesus sagte zu uns: Weil ihr Fragen gestellthabt über eine kirchliche Bestimmung, übergebe underkläre ich euch, wie ihr denjenigen ordinieren undeinsetzen sollt, der Kirchenvorsteher ist, und wie ihrdie Bestimmung vollkommen, richtig und ganz be-währt bewahren müßt, woran mein Vater, der mich

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2.170 Deschner Bd. 3, 124Evangelienfälschungen unter dem Namen Jesu

gesandt hat, sein Gefallen hat«224.

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2.171 Deschner Bd. 3, 124Unter dem Namen eines einzigen Apostels ...

Unter dem Namen eines einzigen Apostelsgefälschte Evangelien oder andere Schriften

Zu diesen Produktionen gehören das »Evangeliumnach Mattias«, das »Evangelium des Judas«, das»Thomas-Evangelium« oder das nach dem ZweitenWeltkrieg in Ägypten entdeckte »Buch von Thomasdem Athleten, das er geschrieben hat den Vollkomme-nen«, worin der Fälscher auch behauptet: »Die gehei-men Worte, die vom Erlöser Judas Thomas gesagtwurden, und die ich aufgeschrieben habe, ich, Matthä-us, der ich sie gehört habe, während sie beide mitein-ander redeten«. Eine Fälschung ist das Philippus-Evangelium, worin eine Personengruppe Erklärungenabgibt, die sich »hebräische Apostel« nennt; auch»drei« heilige Frauen »ständig mit dem Herrn« wan-deln: »seine Mutter Maria und deren Schwestern ...und Magdalena, die man seine Gefährtin (koinōnós)nennt«.

Gefälscht ist das ebenso alte wie erfolgreiche»Apokryphon des Johannes« aus dem früheren 2.Jahrhundert. Es blieb in vielen Exemplaren erhaltenund war in einigen gnostischen Gemeinschaften biszum 8. Jahrhundert in Gebrauch. Weiter gehört dasgleichfalls dem 2. Jahrhundert entstammende »Apo-kryphon des Jakobus« hierher mit Belehrungen desKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.172 Deschner Bd. 3, 125Unter dem Namen eines einzigen Apostels ...

Auferstandenen, mit langen Ermahnungen, drohendenWarnungen, bis zu der Ankündigung: »Hier muß ichaufhören ... Und jetzt steige ich wieder auf ...« Dabeisollen Jakobus und Petrus die Hymnen hören, »diemich in den Himmeln erwarten. In der Tat, ich mußheute mich an die Rechte des Vaters begeben ...« Unddie Apostel versichern, »mit unseren Ohren gehörtund mit unseren Augen gesehen« zu haben »den Lärmdes Krieges ... die Stimme der Trompete ... und einegroße Verwirrung«, doch auch »Hymnen und Gebeteder Engel. Und die Engel und die Hoheiten der Him-mel freuten sich«225.

Vom »Petrusevangelium« kannte man bis zumFund eines Fragments in Akhmim/Oberägypten 1886kein einziges Zitat. Dann lag es (mit Fragmenten dergriechischen Petrusapokalypse und des griechischenHenochbuches) im Grab eines christlichen Mönchsaus dem früheren Mittelalter.

Auch dies Evangelium ist klar auf den Namen desPetrus gefälscht, und zwar, wie man annimmt, Mittedes 2. Jahrhunderts in Syrien. Es weidet nach Belie-ben die kanonischen Ahnen aus, bürdet den Juden undHerodes alle Schuld am Tod des Herrn auf, entlastetganz Pilatus, ja, macht ihn zum Zeugen von JesuGottheit und beschreibt, im Unterschied zu sämtli-chen christlichen Darstellungen, wunderreich die Auf-erstehung in aller Öffentlichkeit, vor den heidnischen

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2.173 Deschner Bd. 3, 126Unter dem Namen eines einzigen Apostels ...

Soldaten und den jüdischen Oberen. Der Verfasserbesteht auf Augenzeugenschaft, spricht in dem sehrknappen Bruchstück zweimal in der Ichform undnennt sich namentlich: »Ich aber, Simon Petrus, undmein Bruder Andreas nahmen unsere Netze und gin-gen ans Meer«226.

Doch einen so bedeutenden Mann wie den Apostel-fürsten ehrten die Christen mit vielen Fälschungen.Zum Beispiel auch mit dem in freilich nur kümmerli-chen Resten erhaltenen »Kerygma Petrou«, das die jü-dische Gottesverehrung ebenso wie die heidnischeVielgötterei bekämpft. Es steht allerdings nicht ganzfest, ob das Opus von Petrus selbst stammen wollte.Clemens Alexandrinus jedenfalls hat dies um dieWende zum 3. Jahrhundert so verstanden. Zweifel ander Echtheit der Schrift kannte er kaum. Er zitiertganz selbstverständlich daraus227.

Weiter fälschte man auf den Namen des princepsapostolorum die sogenannte Petrusapokalypse; nebenden Apokalypsen des Paulus, Johannes, Thomas, Ste-phanus, der Maria eine der wichtigsten »apokryphen«Apokalypsen. In der ersten Hälfte des 2. Jahrhundertsentstanden, liegt die pseudopetrinische Schrift seit1910 vollständig vor; wobei der äthiopische Text sehrstark abweicht von dem 1886/87 im Grab des er-wähnten Mönchs gefundenen griechischen Fragment.

Pseudo-Petrus wendet sich gleich mit seinen erstenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Worten wider die vielen »Pseudopropheten«, die»mannigfache Lehren des Verderbens predigen ...«.Und da er selbstverständlich das Gegenteil tut, darf erauch samt den übrigen elf Jüngern bald den HerrnJesus schauen. Sie bitten ihn, er möge ihnen »einenvon unseren gerechten Brüdern, welche aus der Weltgegangen, zeigen«. Und der Herr läßt sie gleich zweiin ihrer ganzen Glorie sehen. »Wir waren nicht im-stande«, erzählen die Zwölf, »dieselben geradeaus an-zuschauen; denn ein Strahl ging von ihrem Antlitz auswie von der Sonne und leuchtend war ihr Gewand,wie es niemals eines Menschen Auge sah ... ihre Lei-ber waren weißer als jeder Schnee und röter als jedeRose«.

Petrus darf sogar einen Blick in den Himmel selberschicken, kurz nur, hat aber das Vergnügen, die Hölleviel länger genießen zu können. Auf der »rechtenHandfläche« des Petrus illustriert Jesus, »was sich amjüngsten Tage erfüllen wird ... und wie die Übeltäterfür alle Ewigkeit ausgerottet werden« – stets einestarke Hoffnung vieler Christen. Der Erlöser schildertdenn auch recht anschaulich die künftigen Greuel(noch in der Hölle muß Ordnung sein) nach Sünder-gruppen: »Einige waren dort, welche an der Zungeaufgehängt waren. Das waren die, welche den Wegder Gerechtigkeit lästerten, und ein Feuer brannteunter ihnen und peinigte sie. Und es war dort ein gro-

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ßer See, angefüllt mit brennendem Schlamme, in wel-chem sich solche Menschen befanden, die die Gerech-tigkeit verdrehten, und Engel bedräuten und foltertensie. Es waren aber auch andere dort: Weiber, welchean den Haaren aufgehängt waren über jenem brodeln-den Schlamme. Das waren die, welche sich zum Ehe-bruch geschmückt hatten. Und die, welche sich mitihnen vermischt hatten in der Schande des Ehebruchs,waren an den Füßen aufgehängt und hatten die Köpfein dem Schlamme stecken ...«

In dieser informativen Art fährt die Offenbarungfort bis zum Schluß des Fragments. Der Schwindelstand einst in hohem Ansehen, auch in geistlichenKreisen. Die »Apokalypse des Petrus« wurde in derOst- und Westkirche verbreitet, von Clemens Alexan-drinus anerkannt und sogar kommentiert, von Metho-dius als inspiriert betrachtet, im Kanon Muratori derneutestamentlichen Johannesapokalypse an die Seitegestellt, auch in sonstige biblische Bücherverzeichnis-se aufgenommen und noch im 5. Jahrhundert in denKirchen Palästinas am Karfreitag vorgelesen. Siewirkte in vielen christlichen Opera fort, ja, sie übtenoch auf das Mittelalter einen großen Einfluß aus,u.a. auf Dantes »Divina Commedia«.228

Wie man eine Petrusapokalypse fälschte, so auch,vielleicht um die Wende zum 5. Jahrhundert, eine»Apokalypse des Paulus«, wobei dieser Fälscher auch

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2.176 Deschner Bd. 3, 128Unter dem Namen eines einzigen Apostels ...

jene Fälschung gekannt und benutzt hat und dieseFälschung auch noch mehrfach interpoliert wordenist. Der phantasievolle Autor knüpft an 2. Kor. 12 an,wo Paulus erzählt, daß er »entrückt ward bis an dendritten Himmel«, »entrückt in das Paradies«, das erauch wiederholt betritt, von zahlreicher jenseitigerProminenz begrüßt. Er sieht die von Herodes gemor-deten bethlehemitischen Kinder, sieht und hört auchDavid vor einem hohen Altar Halleluja singen. Nichtzuletzt unternimmt er, viele Kapitel lang, eine Besich-tigung der Hölle und ihrer verschiedenen Folterstät-ten. Schon wer in der Kirche schwätzte, muß sich dieZunge zerbeißen. In Strömen aus Feuer stehen dieGottlosen, Männer und Weiber, je nach Sünden-schwere bis zu den Knien, zum Nabel, ja zum Schei-tel in den Feuerstrom getaucht. In einem anderenbüßen sogar Kleriker, Lektoren, Diakone, Presbyter,Bischöfe. Ob der Anblick der Geistlichkeit den »Pau-lus« mitleidig stimmte? Um seinetwillen und auf Bit-ten der Engel gesteht der gute Christus den Verdamm-ten Freiheit von allen Qualen am Sonntag zu! Und zu-letzt sucht Paulus noch das Paradies auf, wo Adamund Eva einst sündigten ...229

Durch Augustinus wurde die Fälschung verdammt,da sie »von der nüchternen (!) Kirche nicht anerkanntwird und voll ist von ich weiß nicht welchen Fabeln«.Doch wie schwört dieser Augustin selbst auf die Fa-

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2.177 Deschner Bd. 3, 128Unter dem Namen eines einzigen Apostels ...

beln des Alten und Neuen Testaments! Wie glaubt eran Wunder, an Totenauferweckungen gar – und anjede Menge böser Geister! Und die gefälschte Paulus-apokalypse ist doch gut katholisch. Sie hat – nach derAnnahme Bardenhewers –»einen wohlmeinendenMönch in einem Kloster bei Jerusalem zum Verfas-ser«. Sie fand auch bei sehr vielen Mönchen Glaubenund lebhaften Beifall, war noch im Mittelalter hoch-beliebt, erlebte zahlreiche Neubearbeitungen, Über-setzungen. Und nach Ansicht hervorragender Dante-forscher hat der Dichter der »Divina Commedia« dieFälschung – die man, laut einer kurzen Vorbzw.Schlußbemerkung, zur Zeit des Kaisers Theodosiusauf Weisung eines Engels unter dem einstigen Wohn-haus des Paulus in Tarsus in einer Marmorkapsel ent-deckte – nicht nur gekannt, sondern ausdrücklich (In-ferno 2,28) auf sie hingewiesen230.

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2.178 Deschner Bd. 3, 129Fälschungen zu Ehren der Hl. Jungfrau

Fälschungen zu Ehren der Hl. Jungfrau

Gefälscht wurde im großkirchlichen Lager auch zurgrößeren Ehre Mariens. Sie, die in ältester Zeit argvernachlässigte Gottesmutter, galt es in der ausgehen-den Antike und im Frühmittelalter immer mehr durch-zusetzen. So erschienen Marienevangelien und anderemariologische Fiktionen unter den Namen der ApostelJakobus, Matthäus, des Evangelisten Johannes, desJohannesschülers Melito, des Petrusschülers Evodius,des Joseph von Arimathia u.a. Auch eine unter demNamen Kyrills von Alexandrien gefälschte Predigt ge-hört hierher, ein koptisches Evangelium der zwölfApostel und weitere Marien»apokryphen«, deren Ein-fluß auf die Theologie zwar nicht sehr groß war, aufVolksfrömmigkeit und Kunst aber desto mehr. Dochstützten diese Falsa auch die besonders im 5. Jahr-hundert gemachten dogmatischen Aussagen überMaria und ihren immer hysterischer herausgestelltenRang231.

Das »Prot(o)evangelium Jacobi«, im 2. Jahrhundertauf »rechtgläubiger« Seite gefälscht, will kein Gerin-gerer verfaßt haben als Jakobus der Jüngere, der Bru-der des Herrn und Heilands und »Bischof« von Jeru-salem. Das Selbstzeugnis ist eindeutig: »Ich aber, Ja-kobus, welcher diese Geschichte in Jerusalem schrieb,

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2.179 Deschner Bd. 3, 129Fälschungen zu Ehren der Hl. Jungfrau

zog mich, als beim Tode des Herodes Unruhen ent-standen, in die Wüste zurück, bis die Unruhen in Je-rusalem ein Ende genommen hatten, Gott den Herrnpreisend, welcher mir die Gabe und die Weisheit ver-lieh, diese Geschichte zu schreiben«.

Vor allem geht es dem Betrüger um einen »wahrenBericht« über die Jugend Mariens, worüber man ab-solut nichts wußte, sowie um Propagierung ihrer dau-ernden Jungfräulichkeit. Schon gleich nach der Geburtverschwindet das Baby in einem Hausheiligtum fürunbefleckte Töchter, empfängt vom vierten Jahr an imTempel seine Nahrung aus der Hand eines Engels,wird mit zwölf Jahren, auf einen Wink des Himmels,dem hl. Joseph anvertraut (einem Witwer, der sicher-heitshalber schon Greis ist) und mit sechzehn Jahrendurch den Heiligen Geist schwanger. Zudem stelltnach der Geburt des Heilands Hebammenkunst Mari-ens ganz unverletztes Jungfernhäutchen fest. EinerFrau Salome, die an Mariens Jungfräulichkeit zweifeltund ihren Zustand »unter Anlegens ihres Fingers« un-tersucht, fällt sogleich die Hand ab, wächst aber,nachdem Salome auf Weisung eines Engels das göttli-che Kind getragen, ebenso rasch wieder an. Die Kir-chenväter Clemens Alexandrinus und Zeno von Vero-na haben das Dogma von Mariens immerwährenderJungfräulichkeit unter Berufung auf diesen »histori-schen Bericht« propagiert232.

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2.180 Deschner Bd. 3, 130Fälschungen zu Ehren der Hl. Jungfrau

Während die Fälschung, in die man mehrere Kapi-tel offenbar später noch zusätzlich schmuggelte, sichim Osten großer Beliebtheit erfreute, ins Syrische, Ar-menische, Georgische, Koptische, Äthiopische über-setzt und auch in kirchlichen Kreisen weit verbreitetworden ist, verwarf man sie im Westen. Gleichwohlwirkte die von Legenden und Wundern strotzende»Mariologie« nicht nur ikonographisch und liturgisch,sondern sogar dogmengeschichtlich (virginitas inpartu!) fort, ja, spielt im Erbauungsschrifttum wie inder bildenden Kunst noch des 20. Jahrhunderts einegewisse Rolle233.

Nicht zuletzt den katholischen Marienmythus för-derte auch ein gefälschtes Matthäusevangelium miteinem (als Beglaubigung dienenden!) Briefwechselder Bischöfe Chromatius und Heliodorus, eine Korre-spondenz, die gleichfalls gefälscht war, sowie eine ge-fälschte Schrift »De nativitate Sanctae Mariae« miteinem gefälschten Hieronymus-Brief, ein Schwindeldes Paschasius Radbertus erst, Mitte des 9. Jahrhun-derts Abt von Corbie und Heiliger der katholischenKirche. (Er wußte sich »in besonderer Weise« demMarienkloster von Soissons verbunden, dessen Äbtis-sin Theodora eine leibliche Tochter Imma hatte, diedort wieder Äbtissin wurde.)234

Ja, fromme Damen. Es gibt auch einige Evangelienunter dem Namen heiliger Frauen, wie das »Evange-

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2.181 Deschner Bd. 3, 130Fälschungen zu Ehren der Hl. Jungfrau

lium nach Maria«, »Die ›Genna‹ Marias« oder »DieFragen Marias«, welch letztere der Herr offenbar mitobszönen Praktiken beantwortet. Jedenfalls hat Jesushier, nach dem erfahrenen »Ketzer«bekämpfer Erzbi-schof Epiphanius (I 163 f), der Heiligen Jungfrauauch folgende Offenbarung vermittelt: er habe sie bei-seite genommen auf den Berg, gebetet, dann eine Frauaus seiner Seite hervorgebracht und begonnen, sichmit ihr zu vereinigen, und so habe er dann, indem erseinen (Samen-)Ausfluß nahm, gezeigt, daß »man sohandeln müsse, auf daß wir leben«. Maria, überraschtanscheinend, bestürzt, fiel zu Boden; doch richtete sie(wie immer) der Herr wieder auf und sprach: »Wes-wegen hast du gezweifelt, Kleingläubige?«235

Die gelehrte Forschung gewinnt hier den Eindruck,daß derartige »Fragen« zum »gewöhnlichen Typ gno-stischer Evangelien gehörten«, zu Spezialoffenbarun-gen sozusagen, die der Erlöser bevorzugten Gläubi-gen zuteil werden ließ, wenn man auch annimmt, die»Gesprächspartnerin des Erlösers« sei da, wie »in an-deren Werken der gleichen Gattung«, weniger dieMutter des Herrn als Maria Magdalena gewesen(Puech)236.

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2.182 Deschner Bd. 3, 131Fälschungen im Namen aller Apostel

Fälschungen im Namen aller Apostel

Mehrere gefälschte Evangelien oder verwandte Doku-mente werden der Gesamtheit der Apostel zugeschrie-ben. Man fingierte sie, um gleich durch die Autoritätaller Jünger gedeckt zu sein. Doch es sind Schriften,von denen wir wenig, und das wenige nur unsicherund entsprechend umstritten wissen. Hierher gehören»Das Evangelium der Zwölf«, »Die Memoria Aposto-lorum«, »Das (manichäische) Evangelium der zwölfApostel«, »Das Evangelium der Siebzig« sowie eini-ge weitere »Evangelien der zwölf Apostel«, die be-sonders späte Fälschungen sind237.

Ein seltsames »Apokryphon« ist die »EpistulaApostolorum«, von deren Existenz bis 1895, bis zuihrer Entdeckung durch Carl Schmidt (in einer kopti-schen Fassung) überhaupt nichts bekannt war.

Die elf Apostel verkünden in dem offenbar katholi-schen Machwerk ihre Gespräche über diverse Themenmit Jesus nach dessen Auferstehung und vor allemüber diese. Wie andere christliche Fälschungen, etwader 2. Petrusbrief, betont das Schreiben die Augen-zeugenschaft, wurde aber erst im Lauf des 2. Jahrhun-derts (nach Harnack zwischen 150 und 180) verfaßt.»(Wir) Johannes und Thomas und Petrus und Andreasund Jakobus und Philippus und Bartholomäus und

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2.183 Deschner Bd. 3, 132Fälschungen im Namen aller Apostel

Matthäus und Nathanael und Judas Zelotes und Ke-phas, wir haben geschrieben (= schreiben) an die Kir-chen des Ostens und des Westens, gen Norden undSüden, indem wir euch erzählen und verkünden dasvon unserm Herrn Jesus Christus, wie wir + geschrie-ben + und ihn gehört und betastet haben, nachdem erauferstanden war von den Toten, und wie er uns of-fenbart hat Großes, Staunenerregendes, Wirkliches«.Unter den elf Aposteln ist (wem fiel es auf?) nicht nurPetrus, sondern auch – Kephas! Und das Ende derGesprächsrunde, ein würdiger Abschluß, bildet JesuHimmelfahrt238.

Die »Didache« oder »Zwölfapostellehre«, derenEntdeckung 1883 in der konstantinopolitanischen Bi-bliothek des griechischen Patriarchen von Jerusaleminternationales Aufsehen erregte, gibt sich als Lehredes Herrn durch die zwölf Apostel an die Heiden aus,obwohl auch sie erst aus dem 2. Jahrhundert stammt,als kein »Urapostel« mehr lebte. Und diese Fälschungzog mehrere andere Fälschungen nach sich oder be-einflußte sie zumindest stark, wie die Syrische oderApostolische Didaskalia – »Katholische Lehre derzwölf Apostel und heiligen Jünger unseres Erlösers«.Das Opus, 1854 von de Lagarde in syrischer Spracheveröffentlicht, ist eine Kirchenordnung des 3. Jahr-hunderts und will dennoch auf dem Apostelkonzil inJerusalem erstellt worden sein. »Da nun die ganze

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2.184 Deschner Bd. 3, 132Fälschungen im Namen aller Apostel

Kirche in Gefahr stand, in Häresie zu verfallen, soversammelten wir zwölf Apostel uns allesamt in Jeru-salem und berieten, was geschehen solle, und be-schlossen alle einmütig, diese katholische Didaskaliazu schreiben zu euer aller Befestigung«239.

Nun, das glaubt heute nicht einmal die katholischeSeite, auf der sich ein Experte der altkirchlichen Lite-ratur wie Otto Bardenhewer offenbar gar nicht derIronie bewußt ist, wenn er schreibt, die Fälschung(die »unter der Maske der Apostel auftretende Samm-lung«) sei »der älteste uns bekannte Versuch eines›corpus iuris canonici‹«, worunter man die Zusam-menfassung der hauptsächlichsten kirchlichen Rechts-quellen des Mittelalters versteht240.

Immer wieder, am Anfang, am Schluß und währenddes Machwerks (das u.v.a. eine ganz neue Chronolo-gie der Leidensgeschichte enthält), erinnert der Betrü-ger, ein katholischer Bischof, daran, daß hier dieApostel persönlich sprechen; die Fiktion der apostoli-schen Verfasserschaft ist »ständig durchgehalten«(Strecker). Partien der Passions- und Apostelge-schichte werden in Ich- und Wirform erzählt. Ein-zelne, Matthäus, Petrus und Jakobus, treten nament-lich hervor. Sogar die eigene Entstehung der Schriftwird geschildert, wobei es etwa heißt, daß »wir unteruns die zwölf Zwölftel der Welt verteilt hatten und zuden Völkern auszogen, um in aller Welt das Wort zu

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2.185 Deschner Bd. 3, 133Fälschungen im Namen aller Apostel

predigen ...«.Wie so viele Fälschungen stützt sichauch die »Apostolische Didaskalia« wieder auf eineReihe von Fälschungen, auf die »Didache«, das »Pe-trusevangelium«, die »Paulusakten«241.

Eine angebliche, seit 1843 bekannte »ApostolischeKirchenordnung« (Canones apostolorum ecclesiastici)schrieb man im früheren 4. Jahrhundert wahrschein-lich in Ägypten. Der Reihe nach reden hier die Apo-stel und erteilen ihre Anweisungen unter dem wohl äl-testen Titel: »Kirchliche Kanones der heiligen Apo-stel«.

Die »Apostolischen Konstitutionen«, die aus achtBüchern bestehende umfangreichste Kirchenordnungder Antike, mit Vorschriften über Sitte, Recht, Litur-gie, fabrizierte man um 400 in Syrien oder Konstanti-nopel. Die ersten sechs Bücher werden als Brief derApostel hingestellt. Diese sprechen in der Ichformoder im Wir-Stil, und das ganze Opus will in ihremAuftrag von dem angeblichen römischen Bischof Cle-mens, »durch unsern Amtsgenossen Klemens«, ver-faßt beziehungsweise verbreitet worden sein, den diechristliche Legende zum Konsul und Mitglied des fla-vischen Kaiserhauses machte. Das 7. Buch offeriertunter vielem anderen sogar ein Verzeichnis der vonden Aposteln geweihten Oberhirten. Das 8. Buch ent-hält die älteste vollständige Messe und vergißt auchnicht die Zehnten! Eiskalt lügt der Fälscher durch den

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2.186 Deschner Bd. 3, 134Fälschungen im Namen aller Apostel

Mund von Pseudo-Clemens: »Deshalb (nämlich weiles ›Häresien‹ gab) haben wir: Petrus und Andreas, Ja-kobus und Johannes ...y Philippus und Bartholomäus,Thomas und Matthäus, Jakobus und ... Thaddäus undSimon, der Kananäer, und Matthias ... und Paulus ...uns alle zugleich jetzt versammelt und haben diesekatholische Lehre zu eurer Bestärkung aufgeschrie-ben«. Ja, der Schwindler gibt seine ganze Schwindeleials Schrift des Neuen Testaments aus. Und den imletzten Buch und letzten Kapitel stehenden 85 »Apo-stolischen Kanones« hat das 692 tagende Konzil vonKonstantinopel (Quinisextum) Gesetzeskraft zuer-kannt: »Die heilige Synode beschließt, daß die unterdem Namen der heiligen und ehrwürdigen Aposteluns überlieferten 85 Kanones ... auch in Zukunft festund unverrückt in Geltung bleiben sollen« (c. 2).

Länger als ein Jahrtausend war der Betrug erfolg-reich, galt er als Werk der Apostel und des in ihremAuftrag schreibenden Clemens von Rom. Dabei warntder Verfasser, Pseudo-Clemens, ein Arianer, auchnoch ausdrücklich vor den Fälschungen der »Ketzer«unter Apostelnamen. »Denn wir wissen, daß die, wel-che in Begleitung des Simon und Kleobius waren,vergiftete Bücher angefertigt haben auf den NamenJesu und seiner Jünger«. Indem der Fälscher selberfälscht, kritisiert er das Fälschen der andern; indem ersein Gift verspritzt, warnt er vor dem Gift der »Ket-

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2.187 Deschner Bd. 3, 134Fälschungen im Namen aller Apostel

zer«. Er empfiehlt die Kindertaufe (ohne die heute dieKirchen in zwei Generationen zu unbedeutenden Sek-ten zusammenschrumpften). Er verlangt ein vierzigtä-giges Fasten vor Ostern und verbietet gänzlich dasLesen heidnischer Literatur. Immerhin propagiert erbereits die Fünftagewoche. »Ich, Petrus, und ich, Pau-lus, ordnen an, daß die Unfreien fünf Tage arbeitenund den Sabbat und den Herrentag frei haben sol-len«242.

Gleichfalls gefälscht sind die Kanones einer apo-stolischen Synode von Antiochien, die überhaupt nieeinberufen worden ist. (Der 2., 4. und 5. Kanon attak-kieren die Juden.) Und wie man zunächst Kanones-sammlungen unter dem Namen der Apostel erschwin-delte, so später entsprechende Sammlungen auchunter dem Namen prominenter Kirchenväter, wie dieKanones des Pseudo-Athanasius, Pseudo-Basiliusund anderer243.

Nun enthalten zwar manche dieser Kirchenordnun-gen größtenteils echtes älteres »Gut«. Doch habenihre Fälscher Jesus und seine Jünger persönlich spre-chen lassen. Sie haben ebenfalls die Einkleidung hin-zugeschwindelt, das Beiwerk, komplette »Entste-hungslegenden«; sogar ganze Abschnitte im Haupt-teil. Und schließlich ist das echte ältere »Gut« nochlange nicht das älteste, wie durch die angeblichenReden Jesu und der Apostel unterstellt wird. Und ist

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2.188 Deschner Bd. 3, 135Fälschungen im Namen aller Apostel

es denn, selbst im ältesten, im kanonischen Fall – einGut?244

Auf Fälschung läuft auch das sogenannte Apostoli-sche Glaubensbekenntnis hinaus, seit dem 4. Jahrhun-dert »Symbolum Apostolorum« genannt.

Nicht anders als irgendwelche den Aposteln langenachher zugewiesenen »apostolischen« Kirchenord-nungen, machte man auch das großkirchliche Glau-bensbekenntnis zu einem Text der Apostel. Sie hattenes aber nicht nur nicht verfaßt, sondern es gibt auchgar nicht ihre Glaubensüberzeugungen wieder. Seinursprünglicher Wortlaut entstand höchstwahrschein-lich zwischen 150 und 175 in Rom, war jedoch im 3.Jahrhundert noch überall in Fluß. Die Kirche aber be-hauptete die Abfassung ihrer Bekenntnisformel durchdie Apostel und verbreitete dies seit dem ausgehenden2. Jahrhundert. Zweihundert Jahre später erklärt bei-spielsweise der hl. Ambrosius: »Die heiligen Apostelkamen also an einem Ort zusammen und machteneinen kurzen Auszug aus der Glaubenslehre, damitwir die Folge des ganzen Glaubens in Kürze begrei-fen«. Erstunken und erlogen. Die heiligen Apostel,die an das unmittelbar hereinbrechende Weltendeglaubten, dachten überhaupt nicht an eine »Kirchen-geschichte« – und der Text des angeblich von ihnenherrührenden »apostolischen« Glaubensbekenntnissesstand endgültig erst im Mittelalter fest245.

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2.189 Deschner Bd. 3, 136Gefälschte Apostelakten

Gefälschte Apostelakten

Neben oft sehr heterogenen »apokryphen« Evangeli-en, evangelienähnlichen Texten, Apokalypsen, »apo-stolischen« Kirchenordnungen etc. gibt es auch nocheine beachtliche Reihe unechter Apostelgeschichten,die u.a. das neutestamentliche Pendant »vervollständi-gen«246.

Die Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts,aus ganz verschiedenen Gegenden stammend, mitganz verschiedenen Tendenzen, wurden, wie die übri-gen »Apokrypha«, meist nur bruchstückhaft überlie-fert und später noch vielfach nachgeahmt, weiter ver-fälscht. Bei allen Unterschieden indes ist für viele, be-merkenswert genug, die sexuelle Askese der eigentli-che Inhalt des Christentums, was zweifellos auf Pau-lus zurückgeht. (Hier hat man also altes, ältestes»Gut«!) Viele Apostelgeschichten enthalten jedochkatholische und »ketzerische« (gnostische) Elementezugleich, denn das alles war damals eben noch nichtso klar getrennt, die Grenze fließend (S. 167).

Der Hauptzweck dieser Fälschungen aber ist dieErbauung, besonders die der sogenannten kleinenLeute, der breiten Schichten. Die »apokryphen« Apo-stelakten, von der modernen Apologetik stets als Un-terhaltungslektüre verharmlost, waren freilich nicht

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2.190 Deschner Bd. 3, 136Gefälschte Apostelakten

nur regelrechte Volksliteratur, wahrscheinlich diewichtigste, sondern sie wurden von den Christen nochbis in das Frühmittelalter hinein als echte Geschichts-quellen betrachtet und bewertet, wie die neueste For-schung belegt. Hielten doch die meisten Leser der An-tike und des Mittelalters selbst den historischenRoman für Geschichtsschreibung247.

Wohl am Anfang dieser Apostelliteratur stehen dieim Stil heidnischer Wunderromane verfaßten Johan-nesakten. Sie entstanden nach 150 in Kleinasien, wur-den dann von Kirchengeschichtsschreiber Euseb, zu-sammen mit vielen anderen Schriften, »als völlig fehlund als religionswidrig« verworfen, auch von Augu-stinus abgelehnt und vom Ökumenischen Konzil 787für reif erklärt, »dem Feuer übergeben zu werden«.Sie sind denn auch als Ganzes zugrunde gegangen.Gleichwohl hat man noch mit ihnen emsig missio-niert. Sie wurden kirchlich überarbeitet und fanden»in Übersetzungen weite Verbreitung« (Opitz)248.

Auch die »Akten des Petrus«, wahrscheinlich imspäteren 2. Jahrhundert gefälscht, liegen in mannigfa-chen Bearbeitungen und Sprachen vor; sie wolltenwohl die kanonische Apostelgeschichte ergänzen.Vom Herrn gerufen, eilt Petrus hier nach Rom undfährt dem Simon Magus, einem ganz üblen Patron,versteht sich, und seinen Zauberkünsten auf demForum in die Parade, indem er einerseits die unglaub-

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2.191 Deschner Bd. 3, 137Gefälschte Apostelakten

lichsten Mirakel tut, auch den Widersacher in diver-sen Wunderwettkämpfen schlägt und schließlich ganzerledigt. Bereits auf seiner Himmelfahrt begriffen,stürzt er durch Petri Gebet ab, bricht sich dreifach dasBein und gibt bald danach seinen unguten Geist auf.Auch Petri Tage jedoch sind gezählt. Denn nachdemer so virtuos die Keuschheit gepredigt, daß viele Rö-merinnen den ehelichen Umgang verweigern, demStadtpräfekten Agrippa gleich vier Konkubinen aufeinmal entspringen, bringt dieser ihn wegen »Atheis-mus« ans Kreuz. Die Fälschung ist »häretischer« Her-kunft, wurde aber offenbar ganz katholisch überarbei-tet, um sie kirchenfähig zu machen249.

Dagegen sind die gleichfalls im späteren 2. Jahr-hundert erschwindelten »Akten des Paulus« von vorn-herein katholischen Ursprungs, das Werk eines groß-kirchlichen und deshalb auch abgesetzten, doch nichtausgeschlossenen Priesters; eines Mannes, der dieketzerischen »Akten des Petrus« benutzt und ausge-schrieben hat (wenn auch einige Forscher eine umge-kehrte Abhängigkeit behaupten). Sowohl der hl. Hip-polyt als auch Origenes haben die Paulusakten ge-kannt und sie nicht abgelehnt. Auch Bischof Euseberschienen sie weit besser als die gnostischen »Aktendes Petrus«, ja, er zählte die Paulusakten zu den Anti-legomena, den umstrittenen Schriften des Neuen Te-staments. Und Otto Bardenhewer erblickt noch im 20.

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2.192 Deschner Bd. 3, 137Gefälschte Apostelakten

Jahrhundert in der Produktion des frühkatholischenFälschers »eine jedenfalls glänzende Probe seinesschriftstellerischen Talentes«250.

Gefälscht ist die »Predigt des Petrus« von einemKatholiken und die »Predigt des Paulus« gefälschtvon einem »Ketzer«. Gefälscht sind die »Akten desPetrus und des Paulus« (nicht zu verwechseln mit dengleichfalls gefälschten Petrusakten und Paulusakten)von einem Katholiken, gefälscht sind die »Akten desAndreas« von Gnostikern. Eine katholische Fäl-schung sind die »Akten des Philippus«, eine »ketzeri-sche« die »Akten des Thomas«. Eine katholische Fäl-schung die »Akten des Matthäus«251.

Unter all den »apokryphen« Evangelien, Apostel-geschichten, Offenbarungen fand J.S. Candlish wenigmoralisch Gutes, viel Kindisches aber, Absurdes,Verderbliches. Vergeblich wäre es, »unter ihnen nacheinem Beispiel für einen hohen moralischen Charaktereines pseudonymen Buches zu suchen«. Vielmehrseien sie nichts als »ein frommer Betrug ..., den mananwandte, weil man glaubte, er diene der Religi-on ...«252.

Von der alten Kirche aber wurde allmählich immermehr als »apostolisch« ausgegeben. Alles, was ihrwichtig war, führte man hemmungslos auf die Apostelzurück.

Man tat so, als habe Jesus die Apostel, zu denenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.193 Deschner Bd. 3, 138Gefälschte Apostelakten

man spätestens seit etwa 120 auch Paulus zählt, überdie kirchliche Zukunft genau informiert und die Jün-gerschar bereits das Unglaublichste mit divinatori-schem Scharfsinn verordnet, was groteske Geschichts-anachronismen ergab. Doch noch und gerade diegrößten Kirchenlehrer beteiligten sich an dieser »piafraus«, Augustinus ebenso wie Papst Leo I. oderselbst der in sozialer Hinsicht so achtbare Basilius –selbstverständlich in fast allen Fällen ohne die Spureines Nachweises. Da stammt dann nicht nur daschristliche Glaubensbekenntnis von den Aposteln,hatten sie nicht nur die wichtigsten Kirchen der Weltgegründet, sondern es wurden auch die Gebetshorender Mönche auf sie zurückgeführt, die Gebetshaltung,das Kreuzzeichen, die Salbung mit öl, die Kindertau-fe, die Segnung des Taufwassers, die Tauffeier anOstern und Pfingsten, die liturgischen Feste, die Bi-schofsweihe am Freitag, der Brauch, dem Priester nureine Frau zu erlauben, das Quatemberfasten und soweiter und so fort253.

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2.194 Deschner Bd. 3, 139Erschwindelte Briefe und erschwindelte Personen

Erschwindelte Briefe und erschwindeltePersonen

Auch die neutestamentliche Gattung der Briefe wurdeim »apokryphen« Schrifttum der Christen kopiert, be-stand allerdings schon im Neuen Testament zum gro-ßen Teil aus Fälschungen. Und wie man dort unterdem Namen des Paulus bereits verschiedene Briefegefälscht hatte (S. 99 ff), so fälschte man im späten 2.Jahrhundert in markionitischen Kreisen einen Brief andie Laodiceer (der nach Kol. 4,16 verlorenging). Manerfand, vielleicht als Gegenfälschung zu der markion-itischen, aus lauter Wörtern und Sätzen mehr oderminder echter Paulusbriefe einen weiteren Laodiceer-brief auf »rechtgläubiger« Seite, der immerhin vom 6.bis zum 15. Jahrhundert (in greulicher Sprache) invielen lateinischen Bibelhandschriften stand. Der Fäl-scher appelliert darin an die Laodiceer, alles zu tun,»was lauter, wahr, sittsam, gerecht« ist ... Die Mar-kioniten fälschten weiter unter dem Namen des Pauluseinen Brief an die Alexandriner. Und um 180 fabri-zierte ein katholischer Priester in Kleinasien einen 3.Korintherbrief, worin er auch warnt: »Denn mein HerrJesus Christus wird schnell kommen, da er verworfenwird von denen, die seine Worte verfälschen« – frei-lich ein häufiger Brauch der Fälscher. So droht JesusKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.195 Deschner Bd. 3, 139Erschwindelte Briefe und erschwindelte Personen

in der gefälschten »Epistula Apostolorum«: »Weheaber denjenigen, welche dies mein Wort und meinGebot fälschen«.

Der 3. Korintherbrief gehört zu den unechten Pau-lusakten, die der kleinasiatische Priester »aus Liebezu Paulus« verfaßt hatte. Bald entlarvt, wurde der Be-trüger von der Kirche zwar abgesetzt (S. 136 f), dochstand der fingierte Briefwechsel zwischen den Korin-thern und »Paulus« bis zum Ende des 4. Jahrhundertsin den syrischen (und dann jahrhundertelang in denarmenischen) Ausgaben des Neuen Testaments; keinGeringerer als Kirchenlehrer Ephräm kommentierteihn um 360 als kanonisches, den übrigen Paulinengleichwertiges Schreiben. Überhaupt sind die ge-fälschten Paulusakten »nur langsam aus dem kirchli-chen Gebrauch ausgeschieden worden« (Kraft)254.

Immer ungehemmter gaben sich Christen als Apo-stel Jesu aus. Und schrieben sie nicht unter demNamen von Aposteln – die in vielen Apostelakten,den Pilatusschriften, das Christentum bereits vor denprominentesten Würdenträgern und an den Höfen derKaiser predigen –, dann traten sie mit Vorliebe alsJünger oder Schüler von Aposteln auf. So werden einLeukios, ein Prochoros zum Schüler des Johannes ge-macht, ein Evodius von Antiochien und ein Marcelluszu einem Schüler des Petrus, ein Euripos zu einemSchüler des Täufers usw. Auch die Katholiken Gra-

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2.196 Deschner Bd. 3, 140Erschwindelte Briefe und erschwindelte Personen

thon, Linus, Clemens, Melito fälschten noch in späte-ren Jahrhunderten Apostelakten unter dem Namenvon Apostelschülern. Weiter wurden Figuren der älte-sten christlichen Zeit, über deren literarische Arbeitennichts bekannt ist, noch erhaltene Fälschungen, Apo-stelakten und sonstige Schriften unterschoben: Nico-demus, Gamaliel, Joseph von Arimathia, einem Luci-us, Charinus, Rhodon, Zenas, Polykrates. Ferner er-setzten Christen im ausgehenden Altertum nicht seltenvordem verlorengegangene oder nur angekündigteTraktate durch literarischen Trug. Ja, sie erschwindel-ten ganze Figuren, unter deren Namen sie dann ir-gendwelche Opera produzierten. So sind im patristi-schen Schrifttum frei erfunden: Eusebius von Alexan-drien, der Bischof Agathonicus von Tarsus, BischofAmbrosius von Chalkedon sowie diverse Oberhirten,die Briefe an Petrus Fullo, den Patriarchen von Antio-chien, geschrieben haben sollen255.

Doch auch unter dem Namen bekannter Personender Kirchengeschichte fälschte man freiweg.

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2.197 Deschner Bd. 3, 140Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

Fälschungen unter dem Namen vonKirchenvätern

Vom 3. Jahrhundert an fälschen sogenannte Recht-gläubige und sogenannte Ketzer unter den Namen re-nommierter Kirchenautoren. Je bekannter sie sind,desto mehr wird ihre Autorität mißbraucht. Ja, dieAnzahl der in ihrem Namen begangenen Fälschungensignalisiert geradezu ihr Prestige.

Von Clemens Romanus, dem angeblich drittenNachfolger des Petrus, der Clemens noch selbst fürRom ordiniert haben soll, gibt es eine einzige echteSchrift; alle Pseudo-Clementinen wurden mit demZiel, für wahr gehalten zu werden, gefälscht – »eineganze Bibliothek« (Bardy). Darunter der sogenannte2. Clemensbrief – »die älteste uns erhaltene christli-che Predigt«, wie Altaners »Patrologie« im Sperr-druck hervorhebt; »eine Mahnrede zur Besserung derSitten im Blick auf die Nähe des Endes der Dinge«,wie Kraft von der Fälschung schreibt. Ferner: zwan-zig gefälschte Homilien, angebliche (umfangreiche)Predigten des Petrus, worin Jesus, gemäß der juden-christlichen Tendenz, einmal sagt: »Es ist nicht ge-stattet, die Heiden zu heilen, die den Hunden glei-chen ...«; zehn gefälschte Bücher Recognitiones, überdie Reisen, die Clemens mit dem hl. Petrus gemachtKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.198 Deschner Bd. 3, 141Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

haben will; zwei pseudoclementinische Briefe »Advirgines«, ein christlicher Knigge sozusagen für Jung-frauen und Asketen, wonach sich Jesus aus Gründender Keuschheit die Berührung der Maria verbetenhabe: lauter Falsa, die fast alle erst im 3. und 4. Jahr-hundert entstanden.

Mit der herrschenden sozialen Ordnung ist derchristliche Fälscher, der immerhin im Zeitalter derSklaverei, der schlimmsten Form der Ausbeutung,schreibt (vgl. S. 413 ff), offensichtlich sehr zufrieden.Alle auftretenden Reichen sind die Güte in Person,der Kaiser wird in den höchsten Tönen gefeiert, derPolytheismus natürlich verworfen, doch manch heid-nischer Brauch zur Beibehaltung empfohlen, wie dasBad nach dem Koitus. Während (der echte) Clemensvon Rom nach den einen ein Freigelassener oder Sohneines Freigelassenen war, stammt er nach anderenFälschungen »aus senatorischem Geschlecht und vomStamme der Cäsaren« (Hennecke). Man weiß nichtsvon ihm, was auch nur halbwegs sicher wäre. Aber erist sehr berühmt256.

Von dem antiochenischen Bischof Ignatius (I 155ff), im frühen 2. Jahrhundert verstorben, sind uns sie-ben Briefe überliefert, deren Echtheit sich immer wie-der einmal begründet bestreiten ließ. Im späten 4.Jahrhundert jedenfalls wurden die (echten) Briefedurch tendenziöse Einschübe überarbeitet und er-

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2.199 Deschner Bd. 3, 142Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

gänzt. Und wieder einmal hat dieser Fälscher eine an-dere Fälschung, die »Apostolischen Konstitutionen«(S. 133) zitiert und ausgiebig geplündert. DerselbeBetrüger, ein Katholik, hat damals sechs Briefe abernoch dazugeschwindelt. Pseudo-Ignatius mischte sierecht geschickt unter die echten und edierte sie alle,wobei er, mit zwei Fälschungen beginnend, abwech-selte »im Verhältnis 2 : 2 : 2 : 3 : 2 : 2« (Brox). Undvier weitere lateinische Falsa, in denen Maria im Mit-telpunkt steht, kommen im Mittelalter dazu – auch einBrief an die Hl. Jungfrau nebst einer Antwort vonihr! –, und diese Fälschungen wurden »allgemein fürecht gehalten« (Altaner/Stuiber)257.

Jahrhundertelang fälschte man auch unter demNamen des hl. Justin, des wichtigsten Apologeten undgroßen Antijudaisten (I 127) aus dem 2. Jahrhundert.Wir besitzen von ihm drei echte, doch nicht ganzvollständige, vermutlich verstümmelte, und neun ge-fälschte Schriften, letztere wohl im 4. und 5. Jahrhun-dert abgefaßt. Drei unechte Apologien, deren Titelsich mit denen echter, aber verlorener Opera Justinsdecken, sind vielleicht noch im 3. Jahrhundert ent-standen: eine »Mahnrede«, eine »Rede« (beide an dieHeiden gerichtet, die entsprechend abgekanzelt wer-den, da sie nur Wahres bieten, wenn sie aus Mosesoder den Propheten schöpfen, den allein zuverlässigenLehrern der Wahrheit), sowie »De monarchia« (Über

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2.200 Deschner Bd. 3, 142Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

die Einheit Gottes). Die letzte Fälschung will dieWahrheit des Monotheismus mit Zitaten griechischerDichter beweisen, wobei auch die Zitate zum Teil ge-fälscht sind258.

Unter dem Namen des etwa um 150 in Karthagogeborenen späteren »Ketzers« Tertullian fälschte manden Traktat »De exsecrandis gentium diis«, der dieunwürdigen Gottes Vorstellungen der Heiden geißelt;ferner, in fünf Büchern und schlechtem Latein, das»Carmen ad versus Marcionitas«, wohl aus dem 4.Jahrhundert; sowie eine Zusammenstellung von 32»Ketzereien« unter dem Titel »Adversus omnes haere-ses«, eine Fälschung, die Papst Zephyrin (199–217)oder einen seiner Kleriker zum Verfasser hat259.

Dutzende von Schriften wurden unter den Namendes hl. Cyprian von Karthago gestellt, Traktate, Brie-fe, Gedichte, Gebete; auch ein Buch »Gegen dieJuden«. Mehrere der Fälschungen stammen sicheroder wahrscheinlich von katholischen Bischöfen ausAfrika, wie »Ad Novatianum«, »De singularitate cle-ricorum«, »Epistula ad Turasium«, »Adversus aleato-res«. Andererseits erklärte man – 150 Jahre nachCyprians Tod – alle seine (echten) Briefe über dieKetzertaufe auf katholischer Seite für Fälschungen, dasie nicht der katholischen Lehre entsprachen260.

Die Anhänger des Pelagius (I 492 ff) verbreitetennach dessen Verketzerung seine Schriften unter den

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2.201 Deschner Bd. 3, 143Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

Namen von »Rechtgläubigen«, von Hieronymus,Papst Xystus, Athanasius, Augustinus, Sulpicius Se-verus, Paulinus von Nola. Der sogenannte Praedesti-natus, ein unbekannter Pelagianer – vielleicht derMönch Arnobius (der jüngere) oder Bischof Julianvon Aeclanum (I 501 ff) –, suchte sein ausgemachtesSchwindelopus (in drei Büchern) dadurch zu schüt-zen, daß er unter dem Anschein der Rechtgläubigkeitals Verteidiger Augustins auftrat, dessen Praedestina-tions- und Gnadenlehre er in Wirklichkeit systema-tisch treffen wollte261.

Je mehr Autorität ein Heiliger genoß, desto lieberfälschten Christen unter seinem Namen. Doch so ge-waltig die Masse dieser Fälschungen ist, die Namender Fälscher sind gewöhnlich so selten bekannt, wiesie es vermutlich schon ihren Zeitgenossen waren.

Durch riesige Mengen gefälschter Schriften ehrteman den hl. Kirchenlehrer Athanasius, selber ein gro-ßer Fälscher vor dem Herrn (I 374 ff). Luziferaner,Apollinaristen, Nestorianer haben sowohl echte Bü-cher des Athanasius »bearbeitet«, interpoliert, als ihmauch fremde völlig unterschoben. Und manche dieserletzteren wurden fast bekannter als die echten. Diestark antijüdische unechte »Historia imaginis Bery-tensis« beispielsweise hat man auf dem zweiten Ni-caenum (787) verlesen und im Mittelalter mehr ver-vielfältigt als irgendeine echte.

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2.202 Deschner Bd. 3, 143Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

Da der »Vater der Rechtgläubigkeit« ein Fels dernicaenischen Orthodoxie war, schrieb man ihm mitVorliebe Bücher zum Thema der Trinität zu oder derChristologie, überhaupt eine ganze Flut dogmatischerSchriften. Man fälschte unter seinem Namen einen»Sermo maior de fide«, eine »Expositio fidei«, »Inter-pretatio in symbolum«, zwei »Dialogi contra Macedo-nianos«, fünf »Dialogi de sancta trinitate«. Von allseinen kurzen Abrissen des katholischen Glaubenssind bestenfalls zwei echt. Allein sechs pseudoathana-sianische Predigten haben den Metropoliten Basiliusvon Seleukia (gest. um 468) zum Verfasser (S. 314 f),unter dessen von Migne gebotenen 41 Predigten sel-ber wieder einige unecht sind. Doch können die Fäl-scher nur selten benannt werden. Schon die sogenann-ten Mauriner, der 1618 gegründete, 1621 päpstlichbestätigte französische Zweig des Benediktinerordens,deren Hauptkloster St.-Germain-des-Prés bei Pariswar, haben sämtliche Athanasius handschriftlich zu-geeigneten Predigten entweder als Dubia oder Falsaerklärt262.

Auch das berühmte »Symbolum Athanasianum«,das großes Ansehen gewann und in die Liturgie ein-ging, hat man im 17. Jahrhundert als unecht erkannt,ohne bis heute den wirklichen Autor zu kennen. Ziem-lich sicher ist nur, daß dieses »Symbolum Athanasia-num« (nach seinem Anfang auch »Cuicunque« ge-

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2.203 Deschner Bd. 3, 144Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

nannt) gegen Ende des 5. Jahrhunderts in Südgallienentstand263.

Ein Freund des Athanasius, der verketzerte BischofApollinaris von Laodicea (gest. um 390), »eine her-vorragende Persönlichkeit, ein Mann von Geist undWissen, Schriftkenner ersten Ranges« (Bardenhewer),hat mit beachtlichem Erfolg eine ganze Reihe von Bü-chern gefälscht, die der hl. Kyrill als echte Zeugnissebenutzte (vgl. S. 321 ff). Bischof Apollinaris schriebunter den Namen von Athanasius, Gregor Thaumatur-gos, Papst Julius I. Auch die Schüler des Apollinarisfälschten unter dem Namen des Athanasius sowie derBischöfe Julius und Felix von Rom, sie fälschteneinen Brief des Bischofs Dionysius von Alexandrienan Bischof Paul von Samosata und weitere Dokumen-te ganz sowie einen Brief an Athanasius zum Teil,ferner einen kompletten Briefwechsel zwischen Kir-chenlehrer Basilius und Apollinaris, auch ein Glau-bensbekenntnis, das als Symbol der Synode von An-tiochien (268) oder von Nicaea ausgegeben wurdeund in den Akten des Konzils von Ephesus steht264.

Die Monophysiten, die viele apollinaristische Fäl-schungen in ihre Florilegien aufnahmen, fälschtenauch selber häufig; etwa Episteln auf den Namen desSimeon Stylites, eine Korrespondenz zwischen PetrusMongus und Acacius über das Henoticon, eine zwi-schen Theodoret von Kyros und Nestorios. Sie fälsch-

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2.204 Deschner Bd. 3, 145Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

ten (arabisch und äthiopisch tradierte) Auszüge ausBriefen des Ignatius von Antiochien. Sie bekämpftendie Nestorianer mit erschwindelten Schriften undsogar sich selber. Auch interpolierten sie zahlreichekatholische Traktate265.

Unter dem Namen des Kirchenlehrers Ambrosiusgibt es gleichfalls viele unechte Schriften, etwa einelateinische Übersetzung »Hegesippus sive de belloIudaico« (auch Sextus Julius Africanus, Eusebius undHieronymus wurden Übersetzungen angedichtet); dierechtsgeschichtlich wichtige »Lex Dei sive Mosaica-rum et Romanarum legum collatio«, die eine Abhän-gigkeit des römischen Rechts vom Alten Testamentnachweisen möchte; eine Reihe unter seinem Namengefälschter Versinschriften, »Tituli«, ferner Hymnen.Der sogenannte berühmte Ambrosianische Lobgesang»Te Deum laudamus« stammt ebenfalls nicht vonAmbrosius. Auf seinen Namen erschwindelt ist fernerein unter Papst Damasus (366–384) in Rom entstan-dener Kommentar zu 13 Paulusbriefen, den man seitErasmus »Ambrosiaster« nennt (= Pseudo-Ambrosi-us), ohne daß, wie so oft, die Verfasserfrage gelöstwäre; jedenfalls eine »hervorragende Leistung« (Alta-ner/Stuiber) – aber sicher nicht von Ambrosius. Eingefälschter Ambrosiusbrief (ep. 2. PL 17,821 ff) ent-hält die gleichfalls gefälschte Passio der MärtyrerGervasius und Protasius, deren Gebeine freilich schon

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2.205 Deschner Bd. 3, 145Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

Ambrosius selbst auf so begnadete Weise entdeckthatte, daß manche Forscher (in Übereinstimmung mitdem damaligen christlichen Kaiserhof) von »frommenBetrug« und »großangelegten Betrug« sprechen –nicht der einzige, den sich der Kirchenlehrer geleistet(I 431 ff)266.

Eine gewaltige Anzahl fiktiver Schriften schriebman dem hl. Hieronymus zu. Allein in der Sammlungseiner 150 Briefe sind mehrere Dutzend unecht. Ge-fälscht ist auch eine Korrespondenz zwischen Hiero-nymus und Papst Damasus I., die sinnigerweise den»Liber Pontificalis«, das offizielle Papstbuch, einlei-tet, das seinerseits wieder derart von Fälschungenstrotzt, daß es bis um die Wende zum 6. Jahrhunderthistorisch so gut wie wertlos ist (II 70 f). Einen weite-ren gefälschten Briefwechsel zwischen dem Mörder-papst und dem Kirchenlehrer bietet Pseudo-Isidor.Die häufigen Fälschungen zeigen indes nur, »wiegroß das Ansehen war, das er als rechtgläubiger Ver-fasser von gelehrten Abhandlungen genoß« (Kraft).

Doch dieser Heilige ist (wie Ambrosius oder Atha-nasius) auch selber Fälscher. Verdanken wir dem Pa-tron der Gelehrten ja eine ganze gefälschte Biogra-phie, die »Vita sancti Pauli monachi«, die das wahr-haft wunderbare Leben des angeblich ersten christli-chen Mönchs, des Paulus von Theben, schildert, desVorgängers des hl. Antonius. Dieser buchstäblich fa-

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2.206 Deschner Bd. 3, 146Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

belhafte »Ureremit«, der laut Hieronymus neunzigJahre lang, ohne einen Menschen zu sehen, doch voneinem Raben täglich mit einem halben Brot versorgt,in einer Höhle gehaust haben soll, bis ihm schließlichzwei Löwen das Grab gruben, wurde schon zu Leb-zeiten seines Schöpfers angezweifelt. Auf katholi-scher Seite aber wird die Lügengeschichte noch heutezu den »historischen Schriften« (Altaner/Stuiber) desHeiligen gerechnet; ebenso seine »Vita sancti Hilario-nis« und seine »Vita Malchi«, gleichfalls hochlegen-däre Mönchsbiographien, die von unglaublichen Mi-rakeln wimmeln267.

Jede Menge Schriften fälschten Christen unter demNamen des Augustinus, und nicht etwa nur, besondersnaheliegend, zum Thema Gnade. Mit einer (echten)Schrift Augustins »Gegen die Juden« (vgl. I 511 ff),wollte man sich nicht begnügen und stellte noch zweiunechte unter seinen Namen: »Sermo contra Judaeos,Paganos et Arianos de symbolo« sowie die »Alterca-tio Ecclesiae et Synagogae«. Ein ebenfalls Augustinzugeschriebenes asketisches Werk »Soliloquia« ent-stammt wahrscheinlich erst dem 13. Jahrhundert,wurde aber viel gelesen und auch in neuerer Zeit nochwiederholt gedruckt, meist zusammen mit zwei weite-ren Augustinus unterschobenen Erbauungsbüchern,»Meditationes« und »Manuale«. Der »Sermo de Ru-sticiano subdiacono a Donatistis rebaptizato et in dia-

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2.207 Deschner Bd. 3, 146Fälschungen unter dem Namen von Kirchenvätern

conum ordinato« ist offenbar sogar eine moderne Fäl-schung. Er wurde erstmals, ohne daß eine Handschrifthätte aufgetrieben werden können, durch HieronymusVignier (gest. 1661) herausgegeben, einen »als Ur-kundenfälscher bekannten Oratorianer« (Bardenhe-wer), das heißt Mitglied eines von dem hl. PhilippNeri 1575 in Rom gegründeten Oratoriums, einerPriester und Laien zusammenfassenden klosterähnli-chen Gemeinschaft. Doch noch 1842 hat in ParisA.B. Caillau 164 unedierte Predigten Augustins vor-gelegt, wovon kaum eine echt ist. Und genau so oderganz ähnlich verhält es sich mit den (angeblichen)Augustinuspredigten »S. Augustini sermones ex codi-cibus vaticanis«, die Kardinal A. Mai zehn Jahre spä-ter, 1852, in Rom edierte. Von den weit über sechs-hundert Predigten, die unter Augustins Namen stehen,wurden immerhin weit über hundert gefälscht268.

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2.208 Deschner Bd. 3, 147Ein christlicher Fälscher: »für Jahrhunderte der ...

Ein christlicher Fälscher: »für Jahrhunderte derLehrmeister der westlichen Welt ...«

Besonders berühmte Fälschungen verdankt die Chri-stenheit einem Syrer, der um 500 vier große Abhand-lungen und zehn meist kurze Briefe verfaßte, miteinem so durchschlagenden und dauerhaften Erfolg,wie er einem literarischen Fälscher »niemals wieder«(Bardy) beschieden war.

Dieser Christ gibt sich als der von Paulus in Athenbekehrte Ratsherr Dionysius Areopagita aus (Apg.17,34), weshalb er seine Schreiben auch an Apostelund Apostelschüler adressiert, Einzelheiten bietet,häuft, die den Leser täuschen, ihn glauben machensollen, das Werk eines Zeitgenossen der Apostel vorsich zu haben. Er will Zeuge der Sonnenfinsternis beiJesu Tod, will mit Petrus und Jakobus beim Begräb-nis der Hl. Jungfrau gewesen sein. Tatsächlich abersind seine Schwindeleien frühestens gegen Ende des5., wenn nicht erst Anfang des 6. Jahrhunderts ent-standen269.

Das Römische Martyrologium – »aus sicherenQuellen gesammelt, geprüft ...« – verzeichnet dengottbegnadeten Fälscher unter dem 9. Oktober als hei-ligen Märtyrer. Er, der fast ein halbes Jahrtausendnach Paulus lebte, wurde »von dem heil. Apostel Pau-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.209 Deschner Bd. 3, 148Ein christlicher Fälscher: »für Jahrhunderte der ...

lus getauft«, heißt es da, zum ersten Bischof vonAthen geweiht, dann in Rom »von dem heil. Römi-schen Papste Clemens, das Evangelium zu predigen,nach Frankreich gesandt, und gelangte auf solcheWeise nach Paris, wo er das ihm übertragene Amt ei-nige Jahre hindurch treulich verwaltet, und zuletztunter dem Pfleger Fescennin nach grausamen Peinensammt seinen Genossen durch Enthauptung die Mar-ter vollendete«270.

Der fälschende Dionysios, der übrigens auch dieFigur seines Lehrers Hierotheus frei erfand, wurdealso auch offiziell als Bischof von Athen und vonParis ausgegeben. Nicht zuletzt dadurch wirkte dasgloriose Corpus der Areopagitica – eine Mixtur ausantiker Philosophie und Christentum, doch bis in diePolitik hinein ausstrahlend – nach anfänglicher Ab-lehnung durch die Katholiken länger als ein Jahrtau-send in gar nicht abzuschätzender Weise auf dasAbendland. Der Betrüger wurde »für Jahrhunderte derLehrmeister der westlichen Welt«, indem er deren(angeblich) Denkenden deutlich machte, daß »dasChristentum nicht mehr als ›barbarische‹ und in ihrerWunderlichkeit einem kultivierten Geist unannehmba-re Offenbarung zu gelten brauchte« (Roques). Bereitsim frühen 6. Jahrhundert zitiert Erzbischof Andreasvon Cäsarea die Bücher »des seligen großen Diony-sius«. Ein Jahrhundert später bewundert sie der hl.

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2.210 Deschner Bd. 3, 148Ein christlicher Fälscher: »für Jahrhunderte der ...

Maximus und verteidigt ihre Echtheit. Im 9. Jahrhun-dert eroberten sie das gläubige Abendland vor alleminfolge ihrer Übertragung ins Lateinische durch Joh.Scotus (Eriugena) und den zweifellos dafür prädesti-nierten Abt Hilduin von St. Denis (814–840), der sel-ber eine Reihe gefälschter Urkunden verfaßte, wie dieConscriptio des Vispius, einen Brief des Aristarchosan Onesiphoros, Hymnen des Venantius Fortunatus,des Eugenius Toletanus, und der auch die gefälschtenBriefe des Areopagiten durch ein eigenes Falsum, die»Epistula ad Apollophanium«, bereicherte.

Das Machwerk des Pseudo-Dionysius aber wurdevon den berühmtesten Theologen, Maximus Confes-sor, Hugo von St. Viktor, Albertus Magnus, Thomasvon Aquin, wie die Bibel studiert, ausgelegt und fürein Werk des Heiligen Geistes gehalten. Es genoß»fast kanonisches Ansehen« (Bihlmeyer). Thomasschrieb einen eigenen Kommentar zu den »NamenGottes« (De divinis nominibus) und hat in seinem üb-rigen Werk rund 1700 Zitate aus der Fälschung auf-genommen. Die Universität von Paris feierte im 13.Jahrhundert den Fälscher – kurioserweise der einzigeAutor des Ostens, der im Abendland lebendig blieb –als Apostel Frankreichs und großen Lehrer der Chri-stenheit. Die Echtheit seiner Schriften, erstmals vondem kritischen Humanisten Laurentius Valla (gest.1457), dann von Erasmus (1504) bezweifelt, wurde

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2.211 Deschner Bd. 3, 149Ein christlicher Fälscher: »für Jahrhunderte der ...

noch im 19., ja im 20. Jahrhundert verteidigt, nach-dem freilich schon früh, bald nach der Entstehung die-ses gewaltigen Schwindels, der Bischof Hypatios vonEphesus, zeitweilig Vertrauensmann Kaiser Justi-nians, die Echtheit bestritten hatte: »Wenn keiner deralten Schriftsteller jene (Schriften) erwähnt, so weißich nicht, wie ihr jetzt beweisen könnt, daß sie Diony-sios gehören«.

Wer dieser hl. Pseudo-Dionysius war, ist bis heutefraglich: möglicherweise ein »Ketzer«, ein Monophy-sit. Etwa einer der beiden Patriarchen von Antiochien,Petrus Fullo (gest. 488: II 305 ff) oder Severus vonAntiochien (512–518: II 346 ff), der zumindest auchden Verteidigern des Chalcedonense mehrfach Fäl-schungen nachgewiesen. Kaum verwundern dürfte,daß zu dem großangelegten Betrug des Pseudo-Dio-nysius noch deutero-dionysische Fälschungen kamen,vor allem am Anfang des Mittelalters; daß sichschließlich die »Legende« seiner bemächtigte und derMärtyrer St. Dionys oder vielmehr seine bildlicheDarstellung, ein Pariser Produkt, zum weitverbreite-ten Motiv der Legende vom Kopftragen führt. Nachseinem Vorgang tragen Märtyrer und Heilige ihr edlesHaupt in der Hand: Lucianus trägt sein abgeschlage-nes Haupt, Jonius von Chartres, Lukanus von Char-tres, Nicasius von Rouen, Maximus und Venerandusvon Evreux, Clarus der Eremit in der Normandie, die

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2.212 Deschner Bd. 3, 150Ein christlicher Fälscher: »für Jahrhunderte der ...

Jungfrau Saturnina im Artois. St. Chrysolius, demman beim Martyrium den Kopf spaltet, daß das Ge-hirn durch die Gegend spritzt, sammelt es wieder undträgt Hirnschale nebst Inhalt von Urelenghem nachComines. Fuscianus und Victoricus tragen ihre Häup-ter meilenweit. Der enthauptete Knabe Justus von Au-xerre trägt seinen Schädel, während sein Rumpf, zumEntsetzen der Verfolger, betet. Die Heiligen Fronta-sius, Severinus, Severianus, Silanus von Perigueux,Papulus von Toulouse, Marcell von Le Puy (Ani-tium), Bischöfe und Erzbischöfe, Jungfrauen undPrinzen vom Süden bis zum Norden tragen ihr Haupt,der Donauprinz Severus, der Merowinger Adalbald,Erzbischof Leo von Rouen, der Preußenapostel Adal-bert, der Königssohn Fingar in Cornwall, die König-stocher Ositha im Norden ... Nein, fast kein Endehaupttragender christlicher Blutzeugen – und alles soecht wie »Dionysius Areopagita«271.

Eine ganze christliche Fälscherwerkstatt gab es im7. Jahrhundert in Alexandrien. Unter Leitung des Prä-fekten von Ägypten, Severianus, fälschten hier vier-zehn Schönschreiber kirchenväterliche Schriften, be-sonders des Kyrills von Alexandrien, im monophysiti-schen Sinn272.

Da gerade in der ältesten Geschichte des Christen-tums fast alles halt- und bodenlos, historisch höchstunsicher, kaum begründet war und ist, sollten manche

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2.213 Deschner Bd. 3, 150Ein christlicher Fälscher: »für Jahrhunderte der ...

Fälschungen auch geschichtliche Fundamente schaf-fen.

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2.214 Deschner Bd. 3, 150Fälschungen zur Begründung der Historizität Jesu

Fälschungen zur Begründung der HistorizitätJesu

Eine Reihe von Schriften fälschten Christen, um bes-sere Zeugnisse für die – bis heute unbewiesene, aberauch nicht widerlegte – Historizität Jesu (S. 70 f), fürsein Leben und seine Auferstehung zu erhalten. Dennin der sogenannten profanen Literatur stand darübernichts273.

So schuf man unechte Dokumente nichtchristlicherSchriftsteller zum Leben Jesu, indem man beispiels-weise nicht nur die »Jüdischen Altertümer« des JudenJosephus interpolierte, das sogenannte TestimoniumFlavianum, sondern Josephus sogar zum Autor ganzerchristlicher Bücher machte. Analoge Ziele verfochtendie christlichen Pilatusschriften; während die heidni-schen Pilatusakten, zu denen die Christen wieder eineentsprechende Gegenfälschung erstellten, im frühen 4.Jahrhundert zu einem auch in der Schule eingesetztenPropagandainstrument der Heiden gegen die Christenwurden274.

Es kam zu einem gefälschten Brief des Pilatus anKaiser Tiberius, zu einer Fälschung, die wieder weite-re Fälschungen dann als Urkunde anführen in eindeu-tig apologetischer Absicht. Vor allem gewann mandurch das Falsum Pilatus als namhaften heidnischenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.215 Deschner Bd. 3, 151Fälschungen zur Begründung der Historizität Jesu

Zeugen für die, mit Kirchenhistoriker Euseb, »wun-derbare Auferstehung und Himmelfahrt unseres Erlö-sers«. Nicht unerwähnt blieb auch die Jungfrauenge-burt. Ebensowenig fehlten, bei wohlwollender Be-handlung der Römer, antijüdische Attacken. »So er-leuchtete mit einem Mal durch das machtvolle Waltendes Himmels das erlösende Wort gleich einem Son-nenstrahl die ganze Welt« (Euseb)275.

Es gibt eine ganze Reihe weiterer »Pilatusschrif-ten«, die durch viele Jahrhunderte entstehen. Sie zei-gen immer mehr »legendenhafte« Züge mit einergleichfalls meist römerfreundlichen und judenfeindli-chen Tendenz. Einmal sagt Nicodemus geradezu vonPilatus: »Er führt das Wort für Jesus«, und der Statt-halter bestätigt es. Man fälschte eine Korrespondenzzwischen einem Theodoros und Pilatus, einen »Briefdes Pilatus an Claudius«, worin Pilatus von der Jung-frauengeburt spricht, die vielen Wunder Jesu aufzählt,die Hohenpriester bezichtigt: »und Lüge auf Lügehäufend erklärten sie, er sei ein Magier und handleihrem Gesetz zuwider«. Pilatus erwähnt noch Tod undAuferstehung Jesu und schließt: »Dieses aber habeich deshalb deiner Majestät vorgetragen, damit nichtein andrer lüge und du den Trugreden der Juden glau-ben zu sollen vermeinst«. Indem man selber lügt,wirft man, wie so oft, den andern Lügen vor. Manfälschte einen Briefwechsel des Pilatus mit Herodes,

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2.216 Deschner Bd. 3, 151Fälschungen zur Begründung der Historizität Jesu

ja mit Augustus, der bei Jesu Kreuzigung bereits zweiJahrzehnte tot war. Man fälschte auch ein Gamaliel-evangelium, worin Pilatus Jesu Auferstehung bezeugt.Und die Christen jener Zeit (darunter ein Gregor vonTours) hielten »allgemein derartige ... Schriften fürgeschichtliche Quellen« (Speyer). Die »Paradosis«des Pilatus macht den Landpfleger gar zum christli-chen Märtyrer. Die koptische, die äthiopische Kircheverehren ihn als Heiligen. Dagegen muß er in der»Cura sanitatis Tiberii«, in der dieser Kaiser als gläu-biger Christ figuriert, in der »Mors Pilati«, für seineSchuld an der Kreuzigung büßen276.

Die Zeit von Geburt und Taufe Jesu sollte ein wohlim 6. Jahrhundert gefälschter Briefwechsel zwischendem (dreimal abgesetzten und verbannten) BischofKyrill von Jerusalem (348–386) und Papst Julius vonRom bestimmen. Man wollte damit allerdings nichtdie Geschichtlichkeit Jesu, sondern das neue abend-ländische Datum seiner Geburt im Osten, besondersin Palästina, akzeptabel machen. Ebenso erstelltenrechtgläubige Christen Falsa im Streit um die Berech-nung des Osterfestes277.

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2.217 Deschner Bd. 3, 152Fälschungen zur Hebung des christlichen ...

Fälschungen zur Hebung des christlichenAnsehens gegenüber Juden und Heiden

Häufig haben sich Christen den Kampf mit den Judendurch Fälschungen erleichtert, haben sie deren Vor-würfe durch literarischen Betrug entkräftet, um den ei-genen Glauben desto heller leuchten zu lassen, nichtzuletzt, um Jesus deutlicher als den verheißenen Mes-sias zu erweisen, auch als Jungfrauensohn.

Das geschah zunächst in zahlreichen Einschüben,wobei die jüdischen Pseudepigrapha den Christen be-sonders zustatten kamen. So interpolierten diese dieSibyllinischen Weissagungen, das 4. Esra-Buch, diemeistverbreitete Apokalypse des Altertums, das Mar-tyrium Iesaiae, den griechischen Baruch, die Apoka-lypsen des Abraham, Elias, Sophonias, die Paralipo-mena Ieremiae, die Prophetenleben, die TestamenteAdams, Abrahams, Isaaks, des Ezechias, des Salo-mon, der Zwölf Patriarchen usw. Die Christen fälsch-ten Prophetensprüche, mit deren Hilfe sie bis ins Mit-telalter die Juden zu bekehren suchten. Sie fälschtenaber auch ganze Schriften unter den Namen von Per-sonen des Alten Testaments, die Himmelfahrt des Je-saia etwa, die Apokalypse des Zacharias, verschie-dene Danielapokalypsen, die Apokalypse des Esra,das 5. und 6. Esra-Buch, Fälschungen, in denen nichtKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.218 Deschner Bd. 3, 153Fälschungen zur Hebung des christlichen ...

nur immer wieder Esra, sondern auch Gott, der Herr,in der Ichform spricht, Fälschungen, aus denen sogardie Stelle 5. Esra 2,42–48 in vollem Wortlaut im 11.Jahrhundert in die offizielle römisch-katholische Li-turgie einging.

Häufig fälschten Christen, um die von den Judenund »ketzerischen« Judenchristen (die Joseph selbst-verständlich den leiblichen Vater Jesu nannten) be-strittene Jungfrauengeburt urkundlich zu erhärten,etwa in den christlichen Sibyllinischen Orakeln, imProtevangelium Jacobi oder, wohl zur Zeit Kaiser Ju-stinians, in der Schrift »Das Priestertum Christi«,einem jüdisch-christlichen Dialog. Statt eines verstor-benen jüdischen Priesters soll hier Jesus in das Kolle-gium kommen. So holt man genaue Personalangabenvon seiner Mutter ein und schreibt sie in den Tempel-kodex. Die Christen fälschten die Werke jüdischerProfanschriftsteller, wie die des Philon und Josephus.Nicht selten haben Christen verschiedener Jahrhun-derte dieselben Schriften interpoliert. Die Forschungder letzten Jahrzehnte hat freilich kaum zufällig gera-de die Erhellung dieses Gebietes vernachlässigt, undeine Geschichte der entsprechenden »Interpolations-Literatur« fehlt überhaupt278.

Gefälscht wurde im 3. und 4. Jahrhundert auch einganzer Briefwechsel zwischen dem Apostel Paulusund dem Stoiker Seneca (4 v. Chr. – 65 n. Chr.).

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2.219 Deschner Bd. 3, 153Fälschungen zur Hebung des christlichen ...

Verfaßt in einem grauenhaften Latein, war ausge-rechnet dies Machwerk wohl eine Werbeschrift, dieden Gebildeten Roms die Briefe des Paulus empfeh-len sollte, die man dort ihres Stiles wegen mißachtethat. Die kaum glaublich primitive Korrespondenz,acht Briefe des »Seneca« und sechs des »Paulus« (dieals erster Gelehrte erst Erasmus von Rotterdam mitgroßem Nachdruck Fälschung nannte), sollte das An-sehen des Paulus festigen. Denn viele seiner Gedan-ken stimmten derart mit der stoischen Philosophie derKaiserzeit überein, daß Tertullian sagen konnte: »Se-neca saepe noster«. So vertauscht das Falsum das Ab-hängigkeitsverhältnis, verherrlicht Seneca den Apo-stel (»Heil dir mein liebster Paulus ...«) als Sprach-rohr des Himmels, als einen »von Gott auf jede Weisegeliebten Mann«, ja attestiert ihm, »der heilige Geistist in dir«, während Paulus nur gelegentlich und reich-lich von oben herab den Philosophen ermuntert, inseinen Bestrebungen fortzufahren. Die Fälschungen,wie der hl. Hieronymus bezeugt, selbst ein großerFälscher vor dem Herrn, »a plurimis leguntur«. Undsie wurde von ihm selbst nicht nur für echt gehalten,und im Anschluß an ihn auch von Augustinus, son-dern Hieronymus hat den Heiden Seneca aufgrunddieses Schwindels offensichtlich zu den christlichenHeiligen gerechnet. Der Kirchenlehrer schreibt näm-lich: »L. Annaeus Seneca aus Corduba ... führte ein

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2.220 Deschner Bd. 3, 154Fälschungen zur Hebung des christlichen ...

sehr enthaltsames Leben. Ich würde ihn nicht in dasVerzeichnis der Heiligen aufnehmen, wenn mich nichtjene Briefe dazu veranlaßten, die von sehr vielen gele-sen werden, (die Briefe) des Paulus an Seneca bzw.des Seneca an Paulus«279.

Der gefälschte Briefwechsel, in einer ungewöhnli-chen Fülle von Handschriften erhalten, lebte im Mit-telalter fort, wirkte auf Petrus Cluniacensis, PetrusAbaelard, sogar noch auf Petrarca280.

Manchmal erfanden Christen nicht nur Briefe undKorrespondenzen, sondern auch ganze öffentlicheDisputationen, beispielsweise das sogenannte Reli-gionsgespräch am Hof der Sassaniden.

Der Verfasser gibt sein Opus gleichsam als Proto-koll einer in Persien veranstalteten Debatte über Chri-stus und das Christentum aus, als die Niederschrifteines Augen- und Ohrenzeugen. Vor dem glanzvollenHintergrund des Hofes und dem Höhepunkt sassanidi-scher Macht sowie unter dem Ehrenpräsidium einesSassaniden erproben die Vertreter der Kirche ihre –natürlich auf der ganzen Linie siegreichen – Waffengegen Griechen, christliche »Ketzer«, das persischeMagiertum und die Juden. Gelegentlich werden auchdie Samaritaner, die Buddhisten und der römischeStaat attackiert; am mildesten, fast liberal, die Helle-nen, die Wegbereiter sozusagen des Christentums, amgiftigsten die Juden.

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2.221 Deschner Bd. 3, 154Fälschungen zur Hebung des christlichen ...

Der Fälscher ist Katholik. Er feiert die volle Gott-heit und Menschheit Jesu, die Herrlichkeit Mariens,den Triumph der christlichen Bischöfe über die persi-schen Zauberer durch jede Menge Wunder, durch dieHeilung von Aussätzigen, die Auferweckung einerToten, einen Habicht aus Lehm, der lebendig wird.Wen wundern da noch geschichtliche Anachronismen,fingierte Quellen, die Auftritte des persischen KönigsArrinatus, nach dem schon der Bollandist G. Hen-schen im 17. Jahrhundert vergeblich fahndete, ein(auch anderswo figurierender) Fabelkönig, unter demdas Religionsgespräch stattfindet, der christliche Mi-rakel beglaubigt und die Verhandlungen feierlichdurch ein Diplom. Wohlweislich ist nicht alles erfun-den, auch Historisches eingestreut. Der Verfasserselbst aber bleibt anonym. Er schweigt über sich,über die Zeit – und beutete schamlos die den meistenunbekannten Schriften des Philippus von Side aus,entweder noch im 5. oder 6. Jahrhundert281.

Zu einer ganzen Flut von Fälschungen kam es imZusammenhang mit den antiken Christenverfolgun-gen: je weniger echte Märtyrer, desto mehr gefälschteMärtyrerakten.

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2.222 Deschner Bd. 3, 155Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht, galtenaber sämtlich als vollwertige historische

Urkunden

Zunächst fälschten die Christen vom 2. Jahrhundertan Toleranzedikte der Kaiser: so das Edikt des Anto-ninus Pius (um 180). Oder ein Schreiben Mark Aurelsan den Senat, in dem der Imperator die Rettung römi-scher Truppen vor dem Verdursten durch Christen be-zeugt. Gefälscht haben Christen auch eine Epistel desStatthalters Tiberianus an Trajan mit dem angebli-chen Kaiserbefehl, die blutige Verfolgung zu been-den; gefälscht ein Edikt des Nerva, das Domitiansharte Maßnahmen gegen den Apostel Johannes wider-ruft. Ja, Domitian selbst, berichtet KirchenhistorikerEuseb (sich auf den orientalischen Christen Hegesip-pos stützend, den Verfasser von fünf Büchern »Erin-nerungen«), Domitian selbst habe »die Verwandt-schaft des Herrn«, nachdem man sie als NachkommenDavids verhaftet hatte, in Freiheit gesetzt und befoh-len, »die Verfolgung der Kirche einzustellen«282.

Fälschten die Christen aber zunächst Dokumentezu ihrer Entlastung durch die Kaiser, so fälschten sieschließlich, als ihre Verfolgung vorüber war und sieselbst, viel schlimmer, die Heiden zu verfolgen be-gannen, Dokumente zur Belastung der heidnischenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.223 Deschner Bd. 3, 156Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

Herrscher; fälschten sie am laufenden Band einerseitseine große Zahl christenfeindlicher Edikte und Briefeder Regenten und Statthalter (besonders des späten 3.Jahrhunderts), angebliche Urkunden, die meist in denungeschichtlichen Märtyrerakten stehn, andererseitsjede Menge Martyrien. Die Christen, die sich bei allden glatt erschwindelten Passionen oder Lebensbe-richten als Augenzeugen ausgeben, sind kaum zu zäh-len283.

Schon die erste angebliche Verfolgung unter Nero,die diesen Kaiser durch zwei Jahrtausende zu einemChristen schindenden Scheusal sondergleichen mach-te, ist gar keine Christenverfolgung gewesen, sondernein Brandstifterprozeß. Selbst die Nero feindlichenHistoriker Tacitus und Sueton beurteilten den Prozeßals gerecht und vernünftig – »das Christentum selbststand dabei überhaupt nicht zur Diskussion«, schreibtder evangelische Theologe Carl Schneider. Und auchdie Christentumsgeschichte des katholischen Theolo-gen Michel Clévenot hält fest, »daß weder Nero nochseine Polizei noch die Römer gewußt haben dürften,daß es sich um Christen handelte. Sie bewegen sichnoch zu sehr im Dunkeln und sind zu gering an Zahl,als daß ihre Hinrichtung eine Angelegenheit des öf-fentlichen Interesses gebildet hätte ...«284.

Doch da es mit der Logik katholischer Theologenselten zum besten steht, nicht stehen darf, schließt

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2.224 Deschner Bd. 3, 156Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

Clévenot sein Kapitel über den Brand Roms im Juli64 – nicht ohne unmittelbar zuvor das »verblüffend«gute Andenken des Kaisers Nero bei den Römern re-gistriert zu haben: bei den Christen lebe er als blut-triefender Narr fort bis heute. Und dies sei »vielleicht(!) doch der beste Beweis dafür, daß die Christenwirklich zu den Opfern des schrecklichen Massakersvom Juli des Jahres 64 zu rechnen sind«285.

Bezeichnenderweise spielten religiöse Motive beidem Prozeß keine oder eine ganz nebensächlicheRolle. Bezeichnenderweise beschränkte sich NerosVorgehen auf die Christen in Rom. Zwar fälschte manspäter Akten, die Martyrien auch anderwärts in Italienund in Gallien lokalisieren. Doch, so der katholischeTheologe Ehrhard: »Alle diese Märtyrerakten sind ge-schichtlich ohne Wert«286.

Die Duldsamkeit der Römer war in religiöser Hin-sicht gewöhnlich groß. Sie übten Toleranz noch ge-genüber den Juden, garantierten ihnen volle Glau-bensfreiheit, forderten selbst nach dem JüdischenKrieg keine Verehrung der Staatsgötter und befreitensie auch vom obligatorischen Opfer für den Kaiser.Bis ins frühe 3. Jahrhundert ging der Haß gegen dieChristen, die sich hochexklusiv gebärdeten, die sich,bei aller Demut!, als etwas ganz Besonderes, als »Is-rael Gottes«, »Auserwähltes Geschlecht«, »HeiligesVolk«, als den »goldenen Teil« fühlten, vor allem

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2.225 Deschner Bd. 3, 157Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

vom Volk aus. Die Kaiser wähnten sich gegenüberder obskuren Kleinleutesekte lange viel zu stark, umernsthaft einzuschreiten. Sie gingen den Christenpro-zessen »so viel wie möglich aus dem Wege« (EduardSchwartz). Zwei Jahrhunderte lang ließen sie dieChristen überhaupt nicht »verfolgen«. Kaiser Com-modus hatte eine christliche Mätresse. Und in Niko-medien stand die christliche Hauptkirche gegenüberder Residenz Diokletians. Auch dessen Rhetorikpro-fessor, Kirchenvater Laktanz, blieb während desschärfsten Christenpogroms in der nächsten Umge-bung des Herrschers völlig unbehelligt. Laktanz kamweder vor Gericht noch gar in den Kerker. Fast jeder-mann kannte die Christen, aber man machte sich mitihrer Verfolgung nicht gern die Finger schmutzig.War es doch einmal nötig, weil das Heidenvolk zusehr tobte, taten die Beamten alles, um Verhaftetewieder freilassen zu können. Die Christen brauchtenbloß vom Glauben abzufallen – und sie fielen mas-senweise ab, es war überall die Regel – und niemandbelästigte sie mehr. Noch während der strengsten Ver-folgung, der Diokletians, bestand der Staat nur aufErfüllung der für jeden Bürger gesetzlich vorgeschrie-benen Opferpflicht. Bloß deren Verweigerung wurdebestraft, in keinem Fall die Ausübung der christlichenReligion. Blieben die Kirchen doch sogar währendder diokletianischen Verfolgung vermögensfähig287.

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2.226 Deschner Bd. 3, 158Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

Von einer allgemeinen und planmäßigen Christen-verfolgung kann erst unter Kaiser Decius im Jahr 250gesprochen werden. Damals starb, als erster römi-scher Bischof Opfer einer Verfolgung, Fabian – under starb im Gefängnis; man hatte über ihn gar keineTodesstrafe verhängt. Bis dahin aber gab die alte Kir-che von siebzehn römischen Bischöfen bereits elf als»Märtyrer« aus, obwohl keiner von ihnen Märtyrerwar! Dabei hatten sie bereits zweihundert Jahre langSeite an Seite mit den Kaisern residiert. Und dochlügt man auf katholischer Seite – mit kirchlicherDruckerlaubnis (und Widmung: »Der lieben Gottes-mutter«) – noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts:»Die meisten Päpste sterben in jener Zeit als Märty-rer« (Rüger).

Der 253 friedlich in Civitavecchia verschiedene»Papst« Kornelius (II 100 ff) wird in den kirchlichenMärtyrerakten enthauptet. Ebenso gefälscht sind dieAkten, die den römischen Bischof Stephan I.(254–257) zum Opfer der valerianischen Verfolgun-gen machen. Der hl. Papst Eutychian (275–283) sollgar 342 Märtyrer »mit eigener Hand« begrabenhaben, bevor er sich ihnen selber beigesellte. Den Ab-fall mehrerer Päpste im frühen 4. Jahrhundert suchteman gleichfalls durch Aktenfälschungen zu verdek-ken. Der Liber Pontificalis, die offizielle Papstliste,läßt den römischen Bischof Marcellinus (296–304),

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2.227 Deschner Bd. 3, 158Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

der den Göttern geopfert und die »heiligen« Bücherausgeliefert hat, alsbald bereuen und den Märtyrertodsterben, eine glatte Fälschung. Im römischen Martyro-logium erringt ein Papst nach dem andern die Märty-rerkrone – fast alles erstunken und erlogen. (Bezeich-nenderweise ist der Märtyrerkult in Rom überhaupterst im späteren 3. Jahrhundert aufgekommen.)288

Gerade Bischöfe – deren Martyrium selbstverständ-lich als »etwas Höheres« gegenüber dem der einfa-chen Christen galt, rangieren sie ja noch im Jenseitshöher – gerade Bischöfe wurden besonders seltenMärtyrer. In Haufen flohen sie, manchmal von Landzu Land, ja, bis an die Grenzen des Römischen Rei-ches, von Gott natürlich eigens dazu beauftragt undohne zu vergessen, aus sicherem Versteck Durchhalte-briefe an eingekerkerte Gläubige geringeren Gradeszu schicken. In der alten Kirche war dies so bekannt,daß sogar in den zahlreichen gefälschten Märtyrerbe-richten wenig Bischöfe als Märtyrer figurieren! (DemPatriarchen von Alexandrien, Dionysius, pressierte esbei Ausbruch eines lokalen Pogroms derart, daß er aufeinem sattellosen Reittier entfloh – mit Recht trägt erden Beinamen »der Große«.)289

So gut wie alle »Heiligen« der ersten Jahrhunderteaber wurden noch nachträglich zu »Märtyrern« er-klärt, »selbst wenn sie in Frieden gestorben waren.Jeder Verehrungswürdige aus der Zeit vor Konstantin

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2.228 Deschner Bd. 3, 159Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

mußte eben Blutzeuge gewesen sein« (Kötting).Dabei sind »nur wenige« der sogenannten Acta Mar-tyrum »echt oder beruhen auf echtem Dokumentarma-terial« (Syme). Und vor allem vom 4. Jahrhundert anhaben katholische Christen Akten und Märtyrerbe-richte, die ihnen von »Ketzern« verfälscht schienen,durch Gegenfälschungen »gereinigt«. Sie erkanntenzwar die mitgeteilten Wunder der Apostel an, wolltenindes die gleichfalls dastehenden »falschen Lehren«nicht gelten lassen. So warteten rechtgläubige Fäl-scher wie Pseudo-Melito, Pseudo-Hieronymus, Pseu-do-Abdias und andere mit Gegenfälschungen auf290.

Die christlichen »Märtyrerakten« schrecken vorkeiner Übertreibung, keiner Unwahrheit, keinemKitsch zurück.

Da die Kirche vom Martyrium der Gattin des Apo-stelfürsten und ersten Papstes, des hl. Petrus, das einKirchenvater überliefert, keinen Gebrauch gemachthat, gilt als erste Märtyrerin die hl. Thekla (S. 308 ff),obwohl sie durch ein Wunder entkommen sein soll.

Streng aktenkundig aber wird die katholische Blut-zeugenschaft durch das Martyrium Polycarpi, dessenTodesstunde man sogar kennt – fast einmalig in derfrühchristlichen Literatur. Das Datum jedoch ist un-bekannt; man weiß nicht einmal, ob unter Mark Aureloder Antoninus Pius. In diesem ältesten Augenzeu-genbericht über den Tod eines christlichen Märtyrers,

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2.229 Deschner Bd. 3, 159Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

einem Text, in den allerdings vorn und hinten und da-zwischen hineingefälscht wurde, in dem es Bearbei-tungen und Interpolationen, voreusebianische undnacheusebianische Einschübe sowie einen unechtenAnhang gibt, kennt der hl. Bischof im voraus seineTodesart. Beim Betreten des Stadions ermutigt ihneine Stimme vom Himmel: »Polykarp sei standhaft!«Er verbrennt nicht auf dem Scheiterhaufen, zu dem»besonders die Juden« Holz herbeigeschleppt haben,alle Flammen lodern vergeblich. So muß der Scharf-richter ihm den Todesstoß versetzen, worauf sein Blutdas Feuer löscht und aus der Wunde eine Taube zumHimmel steigt ... Diese Akten sind nämlich nur »lang-sam und stückweise gewachsen« (Kraft). Und nochim 20. Jahrhundert glänzt im katholischen »Lexikonfür Theologie und Kirche« der Bericht als »der kost-barste Zeuge für die katholische Heiligen- und Reli-quienverehrung«. Noch heute auch wird der wackereMärtyrer, der übrigens, wie das einem Bischof zu-steht, mehrmals zuvor geflohen war, mehrmals seinVersteck gewechselt hatte, als Heiliger gefeiert: vonder byzantinischen und syrischen Kirche am 23. Fe-bruar, von den Melchiten am 25., von den Katholikenam 26. Januar, und fungiert auch noch immer als »Pa-tron gegen Ohrenweh«291.

Blicken wir einmal, nur beispielsweise, in die»Akten persischer Märtyrer«.

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2.230 Deschner Bd. 3, 160Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

Da laufen die Christen gleich scharenweise ihrerHinrichtung zu, »die Psalmen Davids jubelnd«. Dalachen sie nur, während der Henker schon dasSchwert wetzt. Da haut man ihnen alle Zähne ein undzerdrischt ihnen alle Knochen. Man kauft eigens neuePeitschen, um sie zu Brei zu machen. Man schlägt sie,bis sie bloß noch eine Beule sind. Man reißt ihnen dieGelenke auseinander, man schindet sie von Kopf bisFuß, schneidet langsam von der Nackenmitte bis zumHirnschädel, schneidet ihnen Nasen und Ohren ab,stößt glühende Nägel in ihre Augen, man steinigt,zersägt sie, man läßt sie hungern, bis die Haut vonden Knochen fällt. Einmal bietet man auch 16 Elefan-ten auf, um die Helden zu zertreten ... Doch was auchimmer, fast alles ertragen sie erstaunlich lang undguten Mutes, pudelmunter sozusagen. Vielfach zer-stückelt, nur noch Blut und Eiter, halten sie die erbau-lichsten Reden. Sie jauchzen: »Mein Herz freut sichim Herrn und meine Seele frohlockt in seinem Heile«.Oder sie bekennen: »Diese Pein ist nur Erquik-kung«292.

Mâr Jakob, der Zerschnittene, stellt, nachdem manihm schon zehn Finger abgenommen und drei Zehen,lachend tiefsinnige Vergleiche an: »Folge auch du,dritte Zehe, deinen Genossinnen und sei unbesorgt.Denn wie Weizen, der in die Erde fällt und im Früh-ling seine Genossen hervorbringt, so auch verbindest

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2.231 Deschner Bd. 3, 161Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

du dich am Tage der Auferstehung in einem Augen-blick mit deinen Genossinnen«. Ist das nicht schöngesagt? Nach dem Fall des fünften Zehs freilichschreit er nach Rache: »Richte, o Gott, mein Gerichtund räche meine Rache an dem erbarmungslosenVolke«293.

Überhaupt werden diese Heiligen oft ruppig undbeschimpfen ihre ja auch gar gottlosen Peiniger oderRichter nach allen Regeln der Religion der Liebe; ver-heißen ihnen »Zähneknirschen in Ewigkeit«, schmä-hen sie »unrein, schmutzig, Blut leckend«, »einen fre-chen Raben, der sich auf Leichen niederläßt«, »eineZauberschlange, die zu beißen dürstet«, »grün ge-färbt« vor Haß »wie eine böse Viper«, einen geilenKerl, der sich mit »Frauen im Schlaf gemach« herum-treibt, einen »unreinen Hund«. Der »heilige Aitillâhâ«apostrophiert seinen Henker: »Wahrlich, du bist einunvernünftiges Tier«. Und der heilige Joseph denktoffenbar nicht daran, seinen Feind zu lieben, ihm dieandere Backe hinzuhalten, o nein, trefflich heißt es:»Joseph nahm den Mund voll Speichel, spie ihmplötzlich das Gesicht voll und sprach: ›Du Unreinerund Befleckter, schämst du dich nicht ...‹«294

Nachdem man Mâr Jakob bereits alle Finger undZehen einzeln abgeschnitten hat, stets von ihm mit jeeinem edlen oder auch giftigen Spruch gegen »die rei-ßenden Wölfe« begleitet, wird er immer fester im

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2.232 Deschner Bd. 3, 161Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

Glauben und folterungssüchtiger. »Was steht ihrmüßig?« ruft er ungeduldig. »Nicht mögen eureAugen schonen. Denn mein Herz frohlockt im Herrnund meine Seele ist zu dem erhoben, der die Demüti-gen liebt«. So säbeln denn die Henkersknechte, nachallen zehn Zehen und allen zehn Fingern, zähneknir-schend weitere Glieder ab, ganz systematisch, undjedes fallende Glied kommentiert der heilige Mannwieder mit einem frommen Spruch. Nach Verlust desrechten Fußes sagt er: »›Jedes Glied, das ihr mir ab-schneidet, wird als Opfer dem König des Himmelsdargebracht.‹ – Sie schnitten ihm den linken Fuß abund er sprach: ›Erhöre mich, o Herr, denn Du bist gutund groß ist Deine Güte allen, die Dich anrufen.‹ –Sie schnitten ihm die rechte Hand ab und er rief: ›DieGnade Gottes war groß über mir; befreie meine Seelevon dem tiefen Scheol.‹ – Sie schnitten ihm die linkeHand ab und er sprach: ›Siehe, den Toten tust duWunder.‹ – Sie traten hinzu und trennten seinen rech-ten Arm ab und er sprach wieder: ›Ich will loben denHerrn in meinem Leben und lobsingen meinem Gott,solange ich bestehe. Es gefalle ihm mein Lob; ich willmich freuen im Herrn.‹«

Die bösen Heiden entfernen weiter den linken Arm,lösen den rechten Schenkel aus dem Kniegelenk ...und schließlich liegt »der Herrliche« nur noch mit»Kopf, Brust und Unterleib« da, bedenkt kurz die

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2.233 Deschner Bd. 3, 162Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

Lage und öffnet »wieder den Mund«, um Gott in einerkleinen Rede – schon bravourös in diesem reduziertenZustand – genau aufzuzählen, was er schließlich allesum seinetwillen schon verloren hat: »Herr, Gott,Barmherziger und Erbarmer, ich bitte Dich, höre meinGebet und nimm mein Flehen an. Ich liege hier mei-ner Glieder beraubt; zur Hälfte liege ich hier undschweige. Nicht habe ich, Herr, Finger, mit ihnenDich anzuflehen; noch haben mir die Verfolger Händegelassen, sie zu Dir auszustrecken. Die Füße, sie sindabgeschnitten; die Kniee, sie sind abgetrennt; dieArme, sie sind losgelöst; die Schenkel sind abge-schnitten. Jetzt liege ich vor Dir wie ein zerstörtesHaus, von dem nur ein Stück Dachkranz gebliebenist. Ich flehe Dich an, Herr, Gott ...« etc. etc.

Und am Abend, das übliche, stahlen die Christendie Leiche oder vielmehr »sammelten sie alle achtund-zwanzig abgeschnittenen Glieder« samt Rest – und dafiel Feuer vom Himmel, »leckte das Blut aus derStreu ... bis die Glieder des Heiligen sich röteten undwie eine reife Rose wurden«295.

Märtyrerakten!Nach solchen Mustern konnte man fast beliebig

viele christliche Helden sterben lassen.Man vergleiche einmal mit dem Martyrium des

Mâr Jakob in Persien das des (auch im RömischenMartyrologium prangenden) hl. Arkadius in Nordafri-

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2.234 Deschner Bd. 3, 163Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

ka, dessen Gedächtnis die katholische Kirche nochheute am 12. Januar begeht296.

Wie der hl. Jakob ist der hl. Arkadius Held undChrist vom Scheitel bis zur Sohle, also buchstäblichdurch nichts aus der Fassung zu bringen. Vom wüten-den Statthalter schließlich mit den Marterwerkzeugenkonfrontiert, höhnt er nur: »Befiehlst du, daß ich michentkleiden soll?« Und auch das Urteil, ihm ein Gliednach dem andern vom Leib zu säbeln, aber langsam,hört er »mit heiterem Gemüte«. »Jetzt stürzten dieHenker auf ihn los, und schnitten von ihm die Gelen-ke der Finger, der Arme und Schultern, und zerstük-kelten die Zehen, die Füße und die Schenkel. DerBlutzeuge gab willig ein Glied nach dem andernhin ... Schwimmend in seinem Blute betete er laut:›Herr, mein Gott! alle diese Glieder hast Du mir gege-ben, alle opfere ich Dir wieder ...‹« etc. Und alle An-wesenden schwimmen in Tränen wie der Heilige imBlute. Selbst die Henker verfluchen den Tag ihrer Ge-burt. Nur der böse heidnische Statthalter bleibt unge-rührt. »Als dem heiligen Bekenner alle kleinern Glie-der abgeschnitten waren, befahl er mit stumpfen Bei-len auch die größern vom Leibe zu hauen, so, daß nurder bloße Rumpf mehr übrig blieb. Da brachte derheilige Arkadius noch lebend (!) seine umherliegen-den Glieder Gott zum Opfer, und rief: ›GlücklicheGlieder!‹«, worauf – alles, wie erwähnt, mit

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2.235 Deschner Bd. 3, 163Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

»bloße(m) Rumpf« – auch noch eine flammende Reli-gionspredigt an die Heiden folgt ...

Der Herausgeber des zitierten katholischen Mam-mutwerks, der im Vorwort versichert, er wolle »Be-gründetes an die (!) Stelle der sogenannten Legendenbieten«, »nur geschichtlich Begründetes und Wah-res«, offeriert in dieser Weise ungezählte Schauerge-schichten297.

Und die katholische Seelsorge zieht aus solch grau-enhaftem Kitsch noch im 20. Jahrhundert – mehrfachobrigkeitlich genehmigt – die »Lehre« mit den Wor-ten des hl. Arkadius: »Für Ihn sterben, heißt leben.Für Ihn leiden ist die größte Freude! – Ertrage, oChrist! die Leiden und Widerwärtigkeiten dieses Le-bens und laß dich durch nichts vom Dienste Gottesabwendig machen. Der Himmel ist alles wert«298.

Zurück noch kurz zu den »Persischen Märtyrerak-ten«.

Wem selbst das Martyrium des Mâr Jakob nichtwunderbar genug ist: es geschieht natürlich oder über-natürlich Großes zusätzlich. Einen Christen, der einenChristen töten soll und will, erhebt die »Kraft Gottes«zweimal und zerschmettert ihn beinah am Boden; dreiStunden liegt er wie tot. Den seligen Narsê konnteman das Haupt, das standhafte, nicht einmal mit acht-zehn Schwertern abschlagen; dann tat's ein Messer.Und dort, wo diese Heroen, da sie doch einmal enden

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2.236 Deschner Bd. 3, 164Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

müssen, enden, steigen »oft nachts ... Heere von En-geln auf und ab ...«. Ja, einmal, kein Zweifel, sahensogar heidnische Hirten, daß »drei Nächte Heere vonEngeln« über »dem Mordplatz der Heiligen auf undab schwebten und Gott lobten«299.

Märtyrerakten!Bleibt nur noch zu sagen, daß es sich hier nicht um

fromme Legenden, sondern eben um Akten, um histo-rische Berichte handelt; daß zudem diese Dokumenteselber noch einmal die »korrekten Aufzeichnungen«ausdrücklich betonen; daß sie schreiben: »Die genaueGeschichte derer, die vor uns waren, haben wir ausdem Munde greiser, wahrheitsliebender und vertrau-enswürdiger Bischöfe und Priester niedergeschrieben.Diese sahen sie nämlich mit ihren Augen und lebtenin ihren Tagen«300.

Es versteht sich von selbst, daß die Christen inimmer größeren Scharen ihren Glauben mit ihremBlut bezeugen, daß sie in solchen Mengen und auf soheldenhafte Weise unter- oder hinübergehen, daß dieHenker vom vielen Schlachten ermüden. Einmal ster-ben mit ihrem Bischof sechzehn, dann hundertacht-undzwanzig Märtyrer, dann einhundertelf Männer undneun Frauen, dann zweihundertfünfundsiebzig, dannachttausendneunhundertvierzig, dann sind sie garnicht mehr zu zählen, da »ihre Zahl die von vielenTausenden übersteigt«301.

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2.237 Deschner Bd. 3, 164Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

In Wirklichkeit gab es sehr, sehr viel wenigerchristliche Märtyrer als man der Welt durch alle Jahr-hunderte weisgemacht hat. Mancher echte war über-dies spurlos verschwunden, seine Asche in die Flüssegeworfen worden, in alle Winde verstreut. Es gabweite märtyrerarme oder -leere Gegenden. Und daman begann, Reliquien in den Altar einzuschließen,pilgerte man oft weithin, unternahm strapaziöseTranslationen, was immer man auch in Wirklichkeitüberführt haben mochte. Reste bekannter Blutzeugenstanden hoch im Kurs, doch auch große Mengenwaren gefragt, Teile vieler Märtyrer, ob man ihrenNamen nun kannte oder nicht.

Immer beliebter wurden deshalb Gruppenmärtyrer:die 18 von Saragossa, die 40 von Sebaste, sämtlich»Kriegsknechte«, die 70 Genossen des hl. MönchsAnastasius, die man im Fluß ertränkte, die 99 mitdem hl. Nicon in Casarea/Palästina Hingerichteten,die 128, die mit dem hl. Bischof Sadoth unter dempersischen König Šāpūr starben; die rund zwei Dut-zend Bischöfe und 250 Kleriker, die das Martyriumebenfalls in Persien errangen, die 200 Männer und 70Frauen, die unter Diokletian auf der Insel Palmariaheroisch ihre Marter vollendeten, die von Prudentius(dem im Mittelalter am meisten bewunderten und ge-lesenen christlichen Dichter) erfundenen 300 Selbst-mörder, die sich angeblich, um nicht opfern zu müs-

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2.238 Deschner Bd. 3, 165Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

sen, unter Valerian in eine Grube ungelöschten Kal-kes stürzten, die – weitere Lügengeschichten – hl.1525 Märtyrer in Umbrien, die Thebäische Legion,nicht weniger als 6600 Mann, die angeblich in derSchweiz den Märtyrertod starben (schon allein wahr-scheinlich sehr viel mehr als es überhaupt christlicheMärtyrer in der ganzen Antike gegeben hat), die vie-len tausend Märtyrer, die Kaiser Diokletian, da siealle das »Götzenopfer« verweigerten, zu Nikomedienin einer Kirche lebendig verbrennen ließ – ausgerech-net »am heil. Weihnachtstage« und beim »heil. Meß-amte ...« (Römisches Martyrologium), weiter die10000 auf dem Berg Ararat gekreuzigten Christenoder die 24000 katholischen Gefährten des hl. Pap-pus, die unter Licinius in Antiochien in fünf Tagenauf einem einzigen Felsen für Christus verbluten.Immer wieder nennt man gar keine Zahlen, sondernläßt »eine unzählbare Menge von Gläubigen« sterben,spricht von »unzählbaren« Märtyrern, behauptet nurganz stereotyp den Tod »sehr vieler heil. Märtyrer«,oder prahlt auch, daß »fast die ganze Heerde« ihremBischof in den Tod gefolgt sei, oder berichtet »dasLeiden sehr vieler heil. Weiber, welche ... um deschristlichen Glaubens willen auf das qualvollste ge-peiniget und getödtet wurden« (Römisches Martyrolo-gum oder »Verzeichniß aller jener durch Heiligkeitund Martertod gekrönten Christgläubigen, deren

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2.239 Deschner Bd. 3, 166Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

Leben, Wirken und Heldentod die römisch-katholi-sche Kirche aus sicheren Quellen gesammelt, geprüftund zur ewigen feierlichen Gedächtniß derselben ver-zeichnet und aufbewahret hat. Mit beigefügtem kur-zen Abriß der vorzüglichen Momente ihres Lebens,Veranlassung ihrer Bekehrung, ihres Wirkens undschmerzvollen Todes «.) Begreiflicherweise war dieBezeichnung der Reliquien mit der Formel: »DerenNamen Gott kennt« häufig302.

Und obwohl die Zahl aller christlichen Märtyrer inden ersten drei Jahrhunderten auf 1500 geschätzt wer-den konnte (eine gewiß problematische Zahl); obwohlunter angeblich 250 griechischen Martyrien in immer-hin 250 Jahren nur etwa 20 als historisch erwiesenwurden; obwohl überhaupt eine schriftliche Kundevon nur ein paar Dutzend Märtyrern erhalten blieb;und obwohl der größte Theologe der vorkonstantini-schen Zeit, der in so vielem Respekt abnötigende Ori-genes, die Zahl der christlichen Blutzeugen »klein undleicht zu zählen« nennt, schreibt noch 1959 der katho-lische Theologe Stockmeier: »Drei Jahrhunderte langhetzte man sie zu Tode ...«; schreibt, ebenfalls nochMitte des 20. Jahrhunderts, Jesuit Hertling: »Einesechsstellige Zahl wird man wohl annehmen müssen«.Müssen? Warum? Er sagt es selbst: »Der Historiker,der die Quellen kritisch untersucht und die Dinge sodarstellen will, wie sie gewesen sind, läuft ständig

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2.240 Deschner Bd. 3, 166Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

Gefahr, fromme Gefühle zu verletzen. Schon wenn erzu dem Ergebnis kommt, daß es nicht Millionen vonMärtyrern waren ...«303

Die Kirche hat aber nicht nur die Zahl der Martyri-en kriminell übertrieben, sondern auch deren Schilde-rung. Noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts prahltKatholik Johannes Schuck (mit doppeltem Imprima-tur), als setzte er die eusebianische Kirchengeschichteaus dem 4. Jahrhundert fort: »Das war ein Kampf!Auf der einen Seite die Bestien der Arena, der um diezuckenden Glieder aufzüngelnde Feuerbrand, Folter,Kreuz und all die Quälereien, die wie eine schmutzigeGosse aus der Hölle zu kommen schienen – auf deranderen Seite die unerschütterliche Kraft, womit dieChristen gegen eine ganze Welt standen, hilflos unddoch von einer Hilfe gestützt, an der jeder Sturm,wenn auch mit rasendem Wüten zerbrach – Menschenmit dem Fuß noch auf der dunklen Erde, mit dem Her-zen schon im ersten Lichtglanz der Ewigkeit ...«304

Dabei frohlockt Schuck selbst darüber, daß die sograuenhaften Christenverfolgungen, »so widersinnigsich das anhören mag, dem Reich Gottes auch großenGewinn brachten«, daß »die Kirche nur gewonnen«hatte, bis »hoch in den Himmel hinauf« und »auchweit in die Welt hinaus«. Brachte doch das »Blutihrer Märtyrer« gerade »die wertvollsten Seelen au-ßerhalb der Kirche« herein, wurden just diese Besten

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2.241 Deschner Bd. 3, 166Die meisten Märtyrerakten sind gefälscht

»durch den Glauben und den Opfermut, die Liebe undden sittlichen Adel der Christen in die Hürde desHerrn gezogen ...«.305

Und durch eine Flut von Fälschungen.Solche Fälschungen gab es auch auf einem ganz

anderen, freilich damit zusammenhängenden Gebiet,dem kirchenpolitischen. Denn wie man zur Mehrungdes Glaubens unechte Märtyrerakten schuf, so zurMehrung klerikaler Macht unechte Bischofskataloge.Das heißt, man dichtete allmählich allen Bischofssit-zen eine apostolische Abkunft an.

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2.242 Deschner Bd. 3, 167So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis derapostolischen Tradition sind gefälscht

Mit Geschichts-Fiktionen Führungsansprüche zu stüt-zen, war natürlich wieder eine alte Sache. Ein frühesBeispiel: der griechische Historiker und Leibarzt desPerserkönigs Artaxerxes II. (404–358 v. Chr.), Ktesi-as. In seinen 23 Büchern »Persika« – als Hauptquellefür die Geschichte des Orients viel benutzt, nachweis-lich auch von Isokrates, Platon, Aristoteles – er-schwindelte er aus den Archiven der Perser eine ganzeDynastie ihrer Herrscher über das 550 v. Chr. annek-tierte Meder-Reich306.

Man kannte Sukzessionen und Traditionsketten inden Philosophenschulen, bei Platonikern, Stoikern,Peripatetikern, kannte sie in der ägyptischen, römi-schen, griechischen Religion, wo sie manchmal bisauf Gott selbst zurückgingen, man kannte auch diesalso längst, ehe dann in fast allen christlichen Län-dern die Behauptung einer ununterbrochenen rechtmä-ßigen Amtsnachfolge der Bischöfe seit den Tagen derApostel, die angebliche apostolische Sukzession, zugroßen Betrugsmanövern führte. Denn gerade weilman sich dogmatisch stets mehr vom Ursprung ent-fernte, suchte man den Schein des semper idem zuwahren, täuschte man mit drastischen FälschungenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.243 Deschner Bd. 3, 168So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

überall eine apostolische Tradition vor, die so gut wienirgends bestand.

Die Lehre von der »successio apostolica« an jedemalten Bischofssitz scheitert schon daran, daß in vielenGegenden, soweit sich das noch ermitteln läßt, zu Be-ginn des Christentums gar kein »rechtgläubiges«Christentum bestand (I 144 ff). In einem großen Teilder alten Welt, im mittleren und östlichen Kleinasien,in Edessa, Alexandrien, Ägypten, Syrien, im gesetzes-treuen Judenchristentum sind die ersten christlichenGruppen nicht sogenannte Rechtgläubige, sondern»Andersgläubige« gewesen. Sie vertraten dort aberkeine Sektensituation, keine »ketzerische« Minder-heit, sondern das vorgegebene »rechtgläubige« Chri-stentum307.

Doch um der Fiktion der apostolischen Überliefe-rung willen, um überall das Bischofsamt durch unun-terbrochene rechtmäßige Sukzession legitimieren zukönnen, fälschte man selbst und gerade an den be-rühmtesten Bischofssitzen der alten Kirche. So gutwie alles ist da bare Willkür, ist nachträglich erfun-den und mit lauter handgreiflichen Konstruktionen ge-stützt. Und natürlich konnten auch die meisten »Häre-tiker« mit entsprechenden Falsa aufwarten, die Arte-moniten, die Arianer, Gnostiker wie Basilides, Valen-tin oder der Valentinianer Ptolemäus. Beriefen sichdie Gnostiker doch sogar früher auf eine feste Lehr-

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2.244 Deschner Bd. 3, 168So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

überlieferung als die werdende katholische Kirche, dieihren Traditionsbegriff erst schuf, um den älteren der»Ketzer« zu bestreiten – und dabei noch das gnosti-sche Beweisverfahren genau übernahm!308

Was Rom betrifft, wurde die Fälschung der dorti-gen Bischofsreihe – bis 235 sind die Namen sämtlichunsicher und für die ersten Jahrzehnte reine Willkür –bereits im Zusammenhang mit der Entstehung desPapsttums besprochen (II 69 ff; ebenfalls die aller-dings ganz anders geartete ausgedehnte Symmachi-anische Fälschung II 341 ff). Und da Rom sich durchden Petrusgedanken und die darauf basierende unech-te Bischofsliste kolossale Vorteile verschuf, setztesich Byzanz gegen die römische Fälschung entspre-chend zur Wehr, allerdings recht spät, erst im 9. Jahr-hundert. Damals gab sich ein Fälscher als ein im 6.Jahrhundert lebender Herausgeber Prokopios aus underfand die Verzeichnisse eines angeblich im 4. Jahr-hundert lebenden Literaten Dorotheos von Tyros. DerBetrüger versuchte das Patriarchat von Byzanz alsGründung des Apostels Andreas zu erweisen. Da erdie erhobenen Ansprüche aber nicht von einem Apo-stel ableiten konnte, ließ er den Apostel Andreas aufeiner Reise nach Byzanz kommen und dort einen ge-wissen Stachys als ersten Bischof einsetzen – einesehr plumpe Täuschung, die ganze Apostel- und Apo-stelschüler-Verzeichnisse sowie Bischofsnamen fin-

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2.245 Deschner Bd. 3, 169So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

gierte, um Byzanz die gleiche Würde wie Rom zuvindizieren, um behaupten zu können, Andreas sei dererste Bischof Konstantinopels gewesen und dort auchgestorben309.

Die christliche Kirche in Alexandrien wollte vonMarkus, dem angeblichen Schüler und Begleiter desPetrus, gegründet worden sein. Doch die alexandrini-sche Bischofsliste, die zehn Bischöfe von Markus bisin das ausgehende 2. Jahrhundert anführt, hat der Kir-chenautor Julius Africanus offensichtlich frei erfun-den, ein Christ, der in seinen »Stickereien« (Kestoi)höchstwahrscheinlich auch Homer in unverschämterWeise verfälscht. Im 4. Jahrhundert wurde die alexan-drinische Liste dann von Euseb übernommen, wennnicht erst durch ihn erstellt. Jedenfalls fehlt »jede be-gleitende Tradition«, haben wir »eine fast vollständi-ge Unkenntnis der Geschichte des Christentums inAlexandrien und Ägypten ... bis zum Jahre c. 180«(Harnack); sind die ersten zehn Namen dieser Bi-schofsliste nach dem Apostelbegleiter Markus »füruns Schall und Rauch. Und sie sind schwerlich jemalsetwas anderes gewesen« (W. Bauer). Markus soll diechristliche Gemeinde Alexandriens gegründet haben.Doch trotz ungezählter Papyrus-Texte aus dem 1. und2. Jahrhundert fanden sich keine Spuren von Christendort. Der erste, historisch wirklich faßbare BischofAlexandriens war Demetrius (189–231), und er ist, so

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2.246 Deschner Bd. 3, 170So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

wenig »rechtgläubige« Christen gab es seinerzeit inÄgypten, der einzige Bischof des ganzen Landes ge-wesen, der dann allerdings drei weitere eingesetzthat310.

Die Kirche in Korinth und Antiochien wollte vonPetrus herrühren; auch als erster Bischof galt Petrushier. Doch was man nachträglich von der Gemeinde-gründung in apostolischer Zeit berichtet, »beruht zumallergrößten Teil, wenn nicht ganz auf Erfindung«(Haller). Auch die Namen der antiochenischen Bi-schöfe bis zur Mitte des 2.. Jahrhunderts hat Kirchen-vater Julius Africanus zu Beginn des 3. Jahrhundertswieder frei aus der Luft gegriffen. Und als der Patri-arch Petrus Fullo, infolge der älteren »apostolischen«Gründung Antiochiens, die Gewalt über Zypern er-strebte, konterte Erzbischof Anthemios damit, daß er,gerade noch rechtzeitig, die Gebeine des hl. Barnabasfand, unter einem Johannisbrotbaum: auf seiner Brustdas Matthäusevangelium, und in eigenhändiger Ab-schrift des Barnabas! »Aufgrund dieses Vorwandeserreichten die Zyprer, daß ihre Metropole unabhängigwurde und nicht mehr unter Antiochien stand« (Theo-doros Anagnostes). Dagegen wollte ein anderer Fäl-scher das Bistum Tamasos zum ältesten BischofssitzZyperns machen311.

Der Bischof Juvenalis von Jerusalem suchte 431auf dem Konzil von Ephesus (II 172 ff) durch ge-

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2.247 Deschner Bd. 3, 170So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

fälschte Urkunden seine Ansprüche auf Palästina,Phönizien, Arabien – zwar nicht unentlarvt, dochnicht ganz erfolglos – gegen den Patriarchen Maxi-mos von Antiochien durchzusetzen, der seinerseits of-fenbar die Konzilsakten von Chalkedon zu seinenGunsten fälschte312.

Alles wollte und sollte eben »apostolisch« sein.Die Armenier nahmen apostolischen Ursprung in An-spruch durch die Apostel Thaddäus und Bartholomä-us, ja, Gründung durch Christus selbst313.

Ein berüchtigter, wohl um 300 gefälschter Brief-wechsel zwischen dem Toparchen (Fürsten) AbgarUkkama von Edessa (gemeint ist Abgar V., 9–46 n.Chr.), und Jesus, der eigenhändig unterschrieb undsiegelte (!), bezweckte wieder nichts anderes als dieZurückdatierung der edessenischen Kirchenstiftung inapostolische Zeit314.

Der »Vater der Kirchengeschichte«, Bischof Eusebvon Caesarea, hat uns die denkwürdige Korrespon-denz erhalten, die in »den Archiven« Edessas unterden »dortigen amtlichen Urkunden ... bis auf den heu-tigen Tag aufbewahrt« worden sei. Ja, der berühmteHistoriker will den Briefwechsel selbst dem Staatsar-chiv von Edessa entnommen und wörtlich aus demSyrischen übersetzt haben. »Abgar Ukkama, derFürst, entbietet Jesus, dem guten Heiland, der in Jeru-salem erschienen ist, seinen Gruß. Ich habe von dir

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2.248 Deschner Bd. 3, 171So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

und deinen Heilungen Kunde erhalten und erfahren,daß diese ohne Arznei und Kräuter von dir gewirktwerden. Du machst nämlich, wie erzählt wird, Blindesehend, Lahme gehend, Aussätzige rein, treibst un-reine Geister und Dämonen aus, heilst die, welcheschon lange von Krankheiten gequält werden, und er-weckst Tote. Auf alle diese Nachrichten hin sagte ichmir: entweder bist du Gott und wirkst diese Wunder,weil du vom Himmel herabgestiegen bist, oder dubist, weil du dieses wirkst, der Sohn Gottes. Daherwende ich mich in diesem Brief an dich mit der Bitte,dich zu mir zu bemühen und mich von meinem Lei-den zu heilen. Ich habe nämlich auch gehört, daß dieJuden wider dich murren und dir Böses tun wollen.Ich habe eine sehr kleine, würdige Stadt, welche füruns beide ausreicht«315.

Jesus nimmt das Schreiben gut auf. Er repliziertund schickt dann durch Ananias, den Kurier des Für-sten, seine Antwort ab: »Selig bist du, weil du anmich glaubst, ohne mich gesehen zu haben. Es istnämlich über mich geschrieben, daß die, welche michgesehen haben, nicht an mich glauben, und daß die,welche mich nicht gesehen haben, glauben und lebensollen. Bezüglich deiner schriftlichen Einladung, zudir zu kommen, mußt du wissen: es ist notwendig,daß ich zuerst all das, wozu ich auf Erden gesandtworden bin, erfülle und dann, wenn es erfüllt ist, wie-

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2.249 Deschner Bd. 3, 171So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

der zu dem zurückkehre, der mich gesandt hat. Nachder Himmelfahrt werde ich dir einen meiner Jüngersenden, damit er dich von deinem Leiden heile und dirund den Deinigen das Leben verleihe«316.

Tatsächlich, meldet Euseb, kommt nach der Him-melfahrt der Apostel Thaddäus und heilt den Fürsten,der so sehr an den Herrn glaubte, daß er »bereit gewe-sen wäre, mit einem Heere die Juden, welche ihn ge-kreuzigt hatten, niederzuhauen«, hätte nicht die Herr-schaft der Römer ihn gehindert. Natürlich heilteThaddäus auch »noch viele andere Bürger ..., wirktegroße Wunder und predigte das Wort Gottes ...«.317

Der ganze »Fall Thaddäus«, Briefwechsel und an-schließender Wunderbericht, entstand offenbar erstzur Zeit Eusebs und geht vermutlich auf den Kreis umBischof K. ûnê von Edessa zurück, der damit wohlstarke »häretische« Kreise in die Schranken weisen,aber auch an die Apostel anknüpfen wollte, um seinerKirche apostolisches Ansehen zu verleihen. Die Edes-senische Chronik nennt K. ûnê den ersten Bischof vonEdessa (gest. 313), und es ist nicht unwahrscheinlich,daß K. ûnê die »Akten« Bischof Euseb selbst in dieHände gespielt hat. Dank dieser Fiktion jedenfallswar Edessa schon im 4. Jahrhundert ein weithin be-rühmter Wallfahrtsort. Lange prangte das aus demArchiv gezauberte Machwerk als Palladium, alsschützendes Heiligtum, über dem Tor der Stadt. Doch

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2.250 Deschner Bd. 3, 172So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

zur Zeit des Euseb, der als erster den mysteriösenBriefwechsel auftischt, wußte die edessenische Öf-fentlichkeit noch gar nichts davon318.

Ferner fälschte man zugunsten Edessas die »ActaThaddaei«, worin der Auferstandene mit den Zwölfen»viele« Tage ißt und trinkt, die syrische »DoctrinaAddai« (von der Wende des 4. zum 5. Jahrhundert),um eine apostolische Gründung der Stadt durch denApostel Thaddäus beziehungsweise durch Addaios,einen der 70 oder 72 Jünger, zu sichern. In Wirklich-keit läßt sich selbst um 200 in Edessa, sooft auch dasGegenteil behauptet wird, noch kein kirchlich organi-siertes Christentum nachweisen. In der EdessinischenChronik beginnt die Reihe der dortigen Bischöfe erstim 4. Jahrhundert319.

In den Thaddäusakten, die man immer wieder neu»bearbeitet«, wird u.v.a. erzählt, wie man in EdessaKirchen baut, Priester weiht und »Götzenaltäre« nie-derreißt: Ja, auf briefliches Ersuchen Abgars läßt Kai-ser Tiberius einige Anführer der Juden zur Strafe fürJesu Kreuzigung hinrichten. Auch liest man hier dieGeschichte von der Auffindung des heiligen Kreuzes,aber nicht durch die hl. Helena, die Mutter Konstan-tins, die übliche Version (S. 281 f), sondern durchProtonike, die Gattin des Kaisers Claudius. Eine vieljüngere »Bearbeitung« berichtet dann, vielleicht umden Widerspruch zu beseitigen, die Kreuzauffindung

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durch Protonike und Helena320.Der wunderbare Brief Christi wurde indes ganz

verdunkelt, fast vergessen durch ein wunderbar ent-standenes Christusbild, ebenfalls in Edessa. Währendder Belagerung der Stadt 544 durch die Perser rettetsie in höchster Not »das gottgemachte Bild, das Men-schenhände nicht gefertigt hatten, vielmehr Christus,der Gott, dem Abgar, da dieser ihn zu sehen begehrte,gesandt hatte« (Euagrios); und die Feinde unterKhosrev, kurz vor dem Sieg stehend, ziehen ruhmlosab321.

Nun gab es Götterbilder aus dem Jenseits längstbei den Griechen, wie das vielbesungene Palladionvon Troja, das Bild der Pallas Athene, das als Diipe-tes galt, von Zeus herabgeworfen. Der Glaube an sol-che Diipete war weit verbreitet. In Rom kannte manzum Beispiel die Geschichte von dem kraft NumasGebet vom Himmel gefallenen Schild, dem ancile –und erst das Verschwinden der Götterbilder rotteteauch den Glauben an die vom Himmel stammendenBilder aus322.

Aber auch »Himmelsbriefe« fielen in der vorchrist-lichen und christlichen Welt weithin herab; anschei-nend fast überall, wo es Schriftkulturen gab. Und auf-fallend sind die Übereinstimmungen zwischen denheidnischen und christlichen »Himmelsbriefen«, dieauf christlicher Seite göttliche Befehle zur Sonntags-

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2.252 Deschner Bd. 3, 173So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

heiligung, zum Lesen des Rosenkranzes enthalten, zurGründung eines Klosters etc. Seit dem 4. oder 5. Jahr-hundert kolportierte man in griechischen, lateinischen,syrischen, äthiopischen, arabischen Handschrifteneinen vom Himmel gefallenen Brief Jesu Christi. Einegriechische Fassung, die beteuert, der Brief sei nichtvon Menschenhand, sondern von der unsichtbarenHand des Vaters geschrieben, verflucht jeden Schwät-zer und Feind des Heiligen Geistes (pneumatoma-chos), der dies bezweifelt. Zweck der Fälschung wares, den Glauben an Jesu Auferstehung zu festigen, dieErlaubtheit des Eides darzutun, die Notwendigkeitdes Sonntags, der Enthaltung von Fleischspeisen (amdie Veneris, laut einer lateinischen Version, nur Ge-müse und Öl: Botschaften aus dem Jenseits). Undnicht zuletzt befiehlt der Herr bei furchtbaren Strafan-drohungen, den Bischöfen den Zehnten zu entrich-ten323!

Später fallen die »Himmelsbriefe« immer öfter her-unter. Sie werden zu Fälschungszwecken im Mittelal-ter benutzt, von Mystikern zur Dokumentation ihrerBegegnung mit Jesus. Sie erlangen eine großeZukunft als Schutzmittel gegen Feuer und Krieg, sodaß sie noch in den Kriegen des 19. Jahrhunderts ihreBedeutung haben324.

Kehren wir zu der überall in Schwang kommendenErschleichung der apostolischen Tradition zurück.

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2.253 Deschner Bd. 3, 174So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

Vom 5. Jahrhundert an fälscht man auch in vielenBistumsstädten von Spanien, Italien, Dalmatien, denDonauländern und Gallien bis nach Britannien, umdie apostolische Gründung der jeweiligen Bischofs-stühle zu beweisen; wegen des Vorrangs sehr wich-tig325.

So war der Kampf zwischen den Bistümern Aqui-leja und Ravenna sowie Aquileja und Grado um dieMetropolitanrechte von kirchenpolitischen Fälschun-gen begleitet.

Durch die Marcus- oder Hermagoraslegende bean-spruchte das Erzbistum Aquileja apostolischen Ur-sprung und den Patriarchentitel, was zu einem langenSchisma mit Rom führt. Mit einer Fälschung suchtAquileja auch seinen Führungsanspruch gegenüberden Bischöfen von Ravenna durchzusetzen. Doch inRavenna fälscht man ebenfalls, und Erzbischof Mau-rus (642–671) erreicht die Selbständigkeit Ravennasim Streit mit Rom durch ein gefälschtes Privileg an-geblich Valentinians III. und der gleichfalls gefälsch-ten Passio des vermeintlichen Petrusjüngers Apollina-ris. Ebenso kommt es im Rechtsstreit zwischen denBistümern Aquileja und Grado um die Metropolitan-gewalt zu Fälschungen. Und durch Fälschungen wirdauch Barnabas zum Gründer des Bistums Mailand,der Petrusschüler Domnius zum Gründer des BistumsSalona in Dalmatien gemacht326.

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2.254 Deschner Bd. 3, 174So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

Im frühen 5. Jahrhundert erstrebte Bischof Patro-clus von Arles (II 250 f) durch noch verhältnismäßigharmlos erfundene historische Fakten den Primat inGallien.

Patroclus (412–426), zweifellos ein ebenso gewief-ter wie machtgeiler Kirchenfürst, war der Nutznießereines Regierungswechsels in Gallien, der seinen Vor-gänger, Bischof Heros von Arles, in die Verbannungund ihn selbst auf den Bischofsstuhl der reichen, blü-henden Stadt gebracht. Da Trier bereits zu gefährdetwar, wurde Arles, das »gallische Rom« (gallulaRoma), die Reichspräfektur Galliens, eine Art zweiteHauptstadt des Westens, und Patroclus Metropolit,zwar wohl auf krummem, doch nicht unüblichemWeg.

Durch Patroclus nämlich hatte in Rom Zosimusden Papstthron bestiegen, und schon vier Tage spätererhob Zosimus den Patroclus zum Metropoliten überdie drei gallischen Provinzen Viennensis sowie Nar-bonensis I und II (die heutige Provence und Dauphi-né). Die Bischöfe von Marseille, Narbonne und Vi-enne protestierten, und in dem ausbrechenden Kampfberief sich Patroclus auf die apostolische Gründungseines Sitzes durch den hl. Trophimus (II 250 f). Einespätere Eingabe des gallischen Episkopats an PapstLeo I. im Jahr 449 nennt den hl. Trophimus von Arlesausdrücklich einen Schüler des hl. Petrus selbst. Dies

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2.255 Deschner Bd. 3, 175So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

war er freilich erst durch Bischof Patroclus geworden.Er hatte den Trophimus, den bis dahin niemand kann-te, frei erfunden – noch im 9. Jahrhundert stand des-sen Name nicht im Arler Bischofskatalog. Und wiehier Patroclus und Arles, so suchten auch andere Bis-tümer sich über viele Jahrhunderte durch Fälschun-gen, zunächst durch hagiographische Falsa, soge-nannte Legenden, dann durch gefälschte Urkunden,apostolischen Ursprung, ihren Anspruch auf Metropo-litan- und Primatrechte zu sichern327.

Wie fast alle Diözesen, besaßen auch die rheini-schen keine »Apostolizität«, keine entsprechende Tra-dition. Deshalb fälschte man sie für die ersten dreiJahrhunderte durch jeweils aus der Luft gegriffene Le-bensbeschreibungen – stets mit Erfolg. Metz beriefsich auf Clemens, Trier beanspruchte die PetrusjüngerValerius, Eucharius, Maternus für sich, Mainz denPaulusschüler Crescens. Gefälscht wurde auch die Bi-schofsliste von Speyer samt den ganzen Akten einesKonzils, das angeblich im Jahr 346 gegen den Aria-nismus in Köln tagte. Tatsächlich aber entstandendiese Akten erst 400 Jahre später in Trier, das mitallen Mitteln Kölns Aufstieg zum Metropolitansitz zuverhindern trachtete328.

Diese Gaunereien, in der Antike begonnen, setzensich im Mittelalter durch viele Jahrhunderte fast ufer-los fort, am Rhein ebenso wie in Österreich, in Spani-

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2.256 Deschner Bd. 3, 176So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

en, Italien, Dalmatien, Frankreich oder England.Dabei greift der literarische Betrug, zuerst nur in dengrößten Bistumssitzen, den alten Patriarchaten üblich,allmählich auch auf kleine und kleinste Bistümer,sogar auf zahlreiche Klöster über – »in allen Ländernder christlichen Welt«, »überall sieht man Fälscheram Werk, die aus kirchenpolitischer Machtgier ihreUrkunden anfertigen« (Speyer), überall »fälschte manohne Hemmungen um des Traditionsprinzips willen«(C. Schneider)329.

Doch noch im 20. Jahrhundert lügt ein katholischerTheologe – mit kirchlicher Druckerlaubnis – »für dasChristenvolk«!: »Wo immer ein Bischofssitz ist, kannich nachweisen, daß der erste Bischof daselbst entwe-der ein Apostel oder der Schüler eines Apostels war,oder doch von einem rechtmäßigen Nachfolger derApostel die Weihe und Sendung zu seinem Amt er-halten hat«330.

Eine Menge Fälschungen entstanden während derdogmatischen Wirren des 5., 6., 7. Jahrhunderts331.

Die christologischen Querelen führten zu Betrugauf allen Seiten und auf jede Weise.

Im 4. Jahrhundert begann man, die eigenen echten,aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit, das heißt derLehrentwicklung stehenden früheren Schriften zu fäl-schen, nämlich die »Väter« des 2. Jahrhunderts zu in-terpolieren. Sogenannte Rechtgläubige und sogenann-

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2.257 Deschner Bd. 3, 176So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

te Ketzer erfanden während der nicht mehr abreißen-den dogmatischen Kämpfe auch Konzilsakten. Undvom 5. Jahrhundert an wurde es immer beliebter, des»richtigen« Glaubens wegen gefälschte Zitate in dieaufkommenden Florilegien zu setzen. Allein im Streitum das berühmte Konzil von Chalkedon (451) erstell-ten »Rechtgläubige« und Monophysiten Fälschungenin Menge, was man schon in der Antike wußte. DerAbt Anastasius Sinaita, ein eifriger Fechter wider die»Ketzer«, besonders gegen Monophysiten und Juden,bezeugt ein von ihm selbst auf den Namen des Flavia-nus gefälschtes Florilegium an Papst Leo. Im Kampfgegen die Monophysiten fabrizierte man acht Briefemeist fingierter Figuren an Petrus Fullo (II 301). Jo-hannes Rhetor, der Patriarch von Konstantinopel(gest. 577), edierte Texte unter dem Namen von Pe-trus Iberus und Theodosius von Jerusalem332.

Auch der Streit mit dem im 4. Jahrhundert entste-henden Ordensklerus, das Gerangel zwischen Klosterund Bistum, führte zu stets neuen Betrügereien, vorallem im Mittelalter zu unübersehbaren Urkundenma-nipulationen. Und ebenfalls förderte man vom 4. Jahr-hundert an das Aufkommen des Heiligenkultes durchviele lokalpatriotische und liturgisch-kultische Falsa.Mehrere Orte Ägyptens erhoben den Anspruch, dieZufluchtsstätte der heiligen Familie gewesen zu sein,was dortige Klöster durch frei erfundene Lügenge-

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2.258 Deschner Bd. 3, 177So gut wie alle Bischofslisten zum Erweis der ...

schichten belegten, feiner gesagt: durch Tendenzle-genden. Auch wurden diverse Fassungen des Transi-tus Mariae, der Tod und Aufnahme Marias in denHimmel erzählt, vermutlich zugunsten Jerusalems ge-fälscht. Im Interesse Lyddas erschwindelte man einenBericht, der Joseph von Arimathia zum Verfasserhaben sollte, tatsächlich aber erst sechshundert Jahredanach entstand. »Die spätantiken Überlieferungenüber das Leben syrischer Heiliger, besonders der gro-ßen Mönchsheiligen des vierten und fünften Jahrhun-derts, sind voller Erfindungen, die auch der Verherrli-chung einzelner Klöster gedient haben« (Speyer)333.

Wie man erlogene Heiligenviten schuf, erlogeneapostolische Traditionen, erlogene Himmelsbriefeoder erlogene Martyrien, so auch, ebenfalls in Analo-gie zu entsprechenden heidnischen Bräuchen in vor-christlicher Zeit, jede Menge Wunder und Reliquien,was das nächste Kapitel zeigt.

Zuvor aber wollen wir noch die altchristlichen Fäl-schungen im Spiegel der modernen Apologetik be-trachten sowie die Erlaubnis des »frommen« Betrugsim Christentum bis heute.

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Wie die Apologetik die altchristlichenFälschungen zu rechtfertigen sucht

Die Kirche hat nichts unterlassen, um den altchristli-chen Dschungel von Fälschungen, soweit sie ihnüberhaupt zur Kenntnis nahm, zu bagatellisieren, be-schönigen, zu entschärfen. Ihre Literatur strotzt vonVerharmlosungen, schiefen Erklärungen, Lügen.

Bis in die jüngste Zeit wurde häufig behauptet, dasBewußtsein des geistigen Eigentums (vgl. S. 14 ff) imjüdisch-hellenistischen Bereich sei »gegenüber dergriechisch-römischen Welt unterentwickelt« gewesen(Hengel). In Wirklichkeit war es eher umgekehrt, er-fuhr offenbar der literarische Eigentumsbegriff in derspäthellenistischen Ära bei Juden und Christen »nocheine gewisse Verschärfung« (Speyer)334.

Bis in die jüngste Zeit war es beinah Mode derTheologen, das Fälschen als fast übliche Gepflogen-heit der Antike hinzustellen, als etwas nahezu Alltäg-liches, somit als moralisch unbedenklich. Immer wie-der bezeichnete man insbesondere die so verbreitetefrühchristliche Pseudepigraphie als Sektor einer Lite-raturgattung, der im Altertum selbstverständlich, un-anstößig, auch psychologisch ganz plausibel war.Immer wieder betonen die Verteidiger der Kirche, diePseudonymität sei in den ersten christlichen Jahrhun-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.260 Deschner Bd. 3, 178Wie die Apologetik die altchristlichen ...

derten nicht nur eine literarische Form gewesen, son-dern auch von den Lesern als solche aufgefaßt wor-den335.

Vor allem »göttliche« Schriften konnte oder wollteman sich nicht durch Betrug entstanden denken, Bü-cher, die kanonische Verbindlichkeit beanspruchen,Inspirationscharakter! Um so wenigstens das NeueTestament zu salvieren, nahm August Bludau, Bi-schof von Ermland, in seinen »Schriftfälschungen derHäretiker« sogar die »Ketzer« in Schutz; und dies,obwohl sie schon die Kirchenväter deshalb vielfachbeschuldigt hatten. Sieht Bischof Bludau aber vonMarkion ab, laufen »die den Ketzern vorgehaltenenabsichtlichen Verfälschungen auf Kleinigkeiten hin-aus«; können ihre »vermeintlichen Fälschungen ...unser Vertrauen zur Tradition des Bibeltextes nichtim mindesten erschüttern«336.

Wurde freilich eine falsche Zuschreibung erwiesen,so entschuldigte man den falschen Verfassernameneben mit der Erklärung, im antiken Schrifttum sei das,was heute als fraudulös gelte, ein anerkannter Litera-tenbrauch, ein geläufiges Hilfsmittel gewesen. Manhabe solche Erfindungen guten Glaubens machenkönnen, habe solchen Autoren keine unehrenhaftenAbsichten unterstellt, nichts Anstößiges darin gese-hen, vielmehr ihr Handeln als zulässigen Kunstgriffempfunden337.

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2.261 Deschner Bd. 3, 179Wie die Apologetik die altchristlichen ...

Aber konnte man, wo so viel nicht nur gefälscht,sondern auch Gefälschtes so oft getadelt und ver-dammt worden ist, wirklich guten Glaubens fälschen?»Ketzer« wie »Rechtgläubige« warfen einander dochfortwährend Betrügereien vor – der beste Beweis, daßdiese auch und gerade auf christlicher Seite zumindestnach außen streng verpönt und gleichwohl in allenLagern in Schwang gewesen sind. Die Christen be-kämpften durch Fälschungen ja auch Heiden undJuden, um deren Einwände zu entkräften und den ei-genen Glauben zu propagieren. Und sie kritisiertenauch die jüdische Literatur im Hinblick auf ihre Echt-heit. Die immer erneut erhobenen Fälschungsvorwürfebestätigen ebenso wie die nicht selten angewandteEchtheitskritik, daß das Gewissen der damaligenMenschen durchaus geschärft war für das Phänomender Fälschung, des Plagiats, der Pseudepigraphie.Noch die Fälscher, meint Norbert Brox, seien sich derUnzulässigkeit ihres Tuns bewußt gewesen, insofernsie durch Gegenfälschungen die primären Fälschun-gen inkriminierten338.

Nur zu begreiflich also, daß man sich um den Be-weis für die Behauptung, das Fälschen in der Antikesei ein anerkannter Literaturbrauch, ein tolerierterKunstgriff gewesen, wohlweislich herumgedrückt hat.Ahnte man doch spätestens im frühen 19. Jahrhundertziemlich deutlich den Sachverhalt. Denn tatsächlich

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2.262 Deschner Bd. 3, 179Wie die Apologetik die altchristlichen ...

war selbst Pseudonymität, wie oft sie auch vorkam,immer das Ungewöhnliche, nie das Gewöhnliche,immer die Ausnahme, nie die Regel, auch in der »sa-kralen« Literatur, von den Fälschungen der Apokalyp-tiker abgesehen. Und wenn im übrigen religiösenSchrifttum die Pseudonymität nicht überwog, so kaumdeshalb, wie manche meinen könnten, weil religiöseMenschen Unwahrhaftigkeit besonders scheuen; dennschließlich herrscht diese auch in der nichtreligiösenoder antireligiösen Literatur nicht vor. War sie abergerade in der religiösen häufiger als sonst, so wohldeshalb, weil gerade hier der Zweck die Mittel heiligt,das Sendungsbewußtsein den Schwindel, weil manvermutlich glaubte, durch Fälschungen der »Wahr-heit« zu dienen339.

Auch im frühen Christentum aber, wo die Pseudo-nymität geläufig war, galt sie nicht als berechtigt. Beialler Leichtgläubigkeit verfolgte man wenigstensmanchmal die Frage der Abfassung genau und miß-billigte erwiesene Pseudonymität entschieden. Sowurde der kleinasiatische Presbyter, der die »ActaPauli« fälschte (S. 136 f), seines Amtes entsetzt, undzwar nicht, wie man zuweilen behauptet, wegen »Hä-resie«; sie liegt nach »keiner Seite hin« vor (C.Schmidt). Und die christliche Gemeinde hätte damals»unmöglich ihre Verurteilung jeder literarischen Fäl-schung deutlicher an den Tag legen können«, betont

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2.263 Deschner Bd. 3, 180Wie die Apologetik die altchristlichen ...

der Kopenhagener Gelehrte Frederik Torm undschreibt: »Die pseudonymen religiösen Schriftstellermüssen also in den nüchternen (!) Augenblicken ihresLebens gewußt haben, daß ihre Zeitgenossen ihrpseudonymes Vorgehen nicht als eine Anwendungeiner literarischen Form auffassen und es daher alsmoralisch verwerflich ansehen würden«340.

Nicht selten sucht man die christlichen Schwinde-leien auch insofern abzuschwächen, als man unter-stellt, die Fälscher selber hätten ihr Tun gar nicht soernst genommen, gar nicht den Erfolg ihrer Täu-schungsmanöver wirklich erzwingen wollen. Ja, siesollen damit gerechnet haben, schadlos von ihren Le-sern durchschaut zu werden; obwohl doch jede Ent-deckung einer Fälschung den Fälscher um seine Ab-sicht brachte341.

Zumal für die samt und sonders gefälschte apoka-lyptische Literatur führte die Apologetik und sogardie Forschung Gründe an, die all jene entlasten sollen,die ihre Offenbarungen unter dem Namen von He-noch, Moses, Elias, Esra, Baruch, Daniel und andererpublizierten. Man gestand ihnen einen grundsätzlichanderen »Rahmen« zu, angeblich jüdisch-christlicheBesonderheiten des Denkens, religiös »echte« unddarum moralisch »legitime« Motive, vermutete diesel-be »psychologische Situation«, eine ganz ähnliche In-spiriertheit und visionäre Erfahrung, wie bei den ur-

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2.264 Deschner Bd. 3, 181Wie die Apologetik die altchristlichen ...

sprünglichen »Offenbarungsträgern«. Das alles magvielleicht mehr oder weniger zutreffen, mag von Fallzu Fall mehr oder weniger plausibel sein, ist aber nurVermutung, nicht wirklich beweiskräftig und zudemkein fundamentaler Unterschied zur nichtapokalypti-schen Verfasserfälschung. Überdies wurden Apoka-lypsen, wie andere Bücher, auch aus ganz »gewöhnli-chen« Gründen gefälscht, zur Autorisierung eben,speziellen Beglaubigung342.

Richtig und wichtig ist allerdings, daß gerade inchristlichen Kreisen – und hier kaum zufällig – diekritische Sensibilität abgestumpft und eine gewisse»Großzügigkeit« in der Hinnahme von Fälschungenauffallend war. Richtig und wichtig ist weiter, daß fürdie Annahme oder Ablehnung von Texten in keinerWeise das uns selbstverständliche Kriterium literari-scher Echtheit entschied, sondern daß der Inhalt zumMaßstab kirchlicher »Wahrheit« wurde, das heißtzum Maßstab dessen, was man brauchen konnte oderwollte und was nicht! Statt um literarische Echtheitging es also der entstehenden Kirche um die Überein-stimmung einer Aussage mit der katholischen Lehre.Nicht die Verfasserschaftsfrage, nicht Authentizitätwar der Prüfstein für die Aufnahme in den neutesta-mentlichen Kanon, sondern die angebliche Apostoli-zität, das heißt in Wahrheit: die Verwendbarkeit fürdie eigene Praxis und das eigene Dogma (S. 87). Sie

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2.265 Deschner Bd. 3, 181Wie die Apologetik die altchristlichen ...

wurde die »apostolische Autorität« – ohne Apostel!Die tatsächliche Herkunft war zweitrangig, die Echt-heitsfrage nicht entscheidend. Durch falsche Namens-zuweisung konnten Evangelien, Briefe, sonstige Trak-tate gleichsam echt, nämlich »apostolisch« gemachtwerden – und so wurde es gemacht343.

Doch nicht genug damit.Es gab viele Christen, die Betrug nicht nur betrie-

ben, sondern ausdrücklich erlaubten, ja, es gab einigegerade unter den Prominentesten, die ihn priesen! Hatdoch der kriminelle Satz: »Der Zweck heiligt die Mit-tel« selten eine schlimmere Rolle gespielt als in derGeschichte der christlichen Kirche344.

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2.266 Deschner Bd. 3, 182Der Zweck heiligt die Mittel

Der Zweck heiligt die Mittel – Frommer Betrugist im Christentum von Anfang an erlaubt

Neu freilich war auch dies so wenig wie alles andere.Die Meinung, daß der Zweck die Mittel heilige, daßFiktion und Unwahrheit im Dienst der Religion, desHeiligsten, der Glaubensverteidigung, erlaubt seien,daß es sich da eher um »Notlügen« oder, bei Gegen-fälschungen, um eine Art »Notwehr« handle, dieLehre, daß die Masse »wie Kinder oder Geistes-schwache« zu ihrem eignen Besten getäuscht werdenmüßte, ist bereits in vorchristlicher Zeit geläufig ge-wesen, besonders unter Pythagoräern und Platoni-kern345.

Schon Platon, der Unwahrhaftigkeit so schroff ver-warf, erlaubte doch in gewissen Fällen Irreführung,Lüge sowohl gegen Feinde wie Freunde als »nützli-ches Mittel«, als »untadelig und heilsam«. WelcheBedenken er auch grundsätzlich dagegen hat, Kundi-gen, Berufenen sozusagen, gestattete er, Menschen zuihrem Heil zu hintergehen, um sie vor Fatalerem zuschützen oder um einer Stadt zu nützen. Platon kenntalso zur Rechtfertigung des Betrugs private und poli-tische Gründe. Ähnlich rät der jüdische Gelehrte Phi-lon von Alexandrien – der Jesus um zwanzig Jahreüberlebte, doch in seinen rund fünfzig Schriften wederKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.267 Deschner Bd. 3, 182Der Zweck heiligt die Mittel

ihn noch Paulus erwähnt – zur Unwahrheit zum Heileinzelner oder des Vaterlandes346.

An solche und analoge Auffassungen konnten Chri-sten anknüpfen und knüpften viele an. Die Tatsacheeiner ganzen derartigen patristischen Tradition ist un-bestreitbar. Handelt es sich vielleicht auch nicht umdie Mehrheit der Kirchenführer, so doch um eine be-trächtliche Gruppe und um weithin im Christentumgrassierende Ansichten347.

Wie später praktisch Krieg um des Glaubens wil-len gebilligt wird, Ausbeutung, Gewalttat, so von An-fang an Betrug – der dadurch, daß man ihn »fromm«nennt, nicht besser wird.

Eine lange Reihe antiker Kirchenväter hat die Fäl-schung, die Lüge, zumindest die »Notlüge«, die eines»guten« oder »frommen« Zweckes wegen, beredt ver-teidigt, u.a.: Clemens von Alexandrien, Hilarius vonPoitiers, Didymos der Blinde, Synesios, Cassian,Theodoret von Kyros, Prokopios von Gaza, Martinvon Braga, Johannes Klimakos, Germanos von Kon-stantinopel. Und Nietzsche wußte schon, warum erschrieb: »Der Christ, diese ultima ratio der Lüge, istder Jude noch einmal – dreimal selbst«348.

Bereits der älteste Autor des Neuen Testaments,der hl. Paulus, steht unter dem Verdacht, die christli-che »Wahrheit« durch Lügen erhärtet zu haben, meinter doch: »Wenn aber Gottes Wahrhaftigkeit infolge

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2.268 Deschner Bd. 3, 183Der Zweck heiligt die Mittel

meines Lügens um so stärker zu seiner Verherrli-chung hervorgetreten ist, warum werde ich dann nochals Sünder gerichtet?«349

Für Clemens von Alexandrien (gest. vor 215) sindLüge und Täuschung unter bestimmten Umständen er-laubt, in strategischem Zusammenhang etwa oder desSeelenheiles, der Heilsgeschichte wegen. Hier wird,nach Clemens, auch und gerade der vollkommeneChrist, der »wahre Gnostiker«, lügen; doch dann istes überhaupt keine Lüge, keine Täuschung mehr. SindLügner ja für diesen Kirchenvater »tatsächlich alsonicht diejenigen, die um der Heilsökonomie willennachgeben, auch nicht die, die in einer Einzelheitirren, sondern diejenigen, die in den entscheidendenFragen in die Irre gehen«350.

Dementsprechend waren Christen in der Antikebeim Tolerieren von Fälschungen oder falschen Zu-schreibungen oft besonders generös. Zum Beispielhielt Origenes den Hebräerbrief für sicher unpauli-nisch, rechtfertigte aber dessen Zuschreibung an Pau-lus, weil ihm die Rückführung des Briefinhaltes aufPaulus möglich schien. Ganz »offen« gestand er, »daßdie Gedanken vom Apostel stammen, Ausdruck undStil dagegen einem Manne angehören, der die Wortedes Apostels im Gedächtnis hatte und die Lehren desMeisters umschrieb. Wenn daher eine Gemeinde die-sen Brief für paulinisch erklärt, so mag man ihr hierin

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2.269 Deschner Bd. 3, 183Der Zweck heiligt die Mittel

zustimmen ... Wer indes tatsächlich den Brief ge-schrieben hat, weiß Gott«351.

Origenes, der größte christliche Theologe der er-sten drei Jahrhunderte, schränkt zwar das Lügen sehrein, erlaubt aber gleichwohl nicht nur die zweideutigeRede, nicht nur »Rätselworte« (aenigmata), sondernmit aller Entschiedenheit auch Betrug, die »Notwen-digkeit einer Lüge« (necessitas mentiendi) als »Ge-würz und Heilmittel« (condimentum atque medica-men). Sogar Gott kann, nach Origenes, lügen, entwik-kelt dieser doch eine ganze Theorie der »ökonomi-schen« oder »pädagogischen Lüge« zugunsten desgöttlichen Heilsplanes. Von Gott getäuscht zu wer-den, ist, so Origenes, geradezu das Glück des Men-schen352.

Auch andere hochgeachtete Theologen, Bischöfeund Heilige übernehmen den Gedanken vom BetrugGottes, Gregor von Nyssa etwa oder KirchenlehrerGregor von Nazianz, auch wenn er jenen kriti-siert353.

Ebenso plädiert Kirchenlehrer Johannes Chrysosto-mos energisch für die Notwendigkeit der Lüge zumZweck des Seelenheils. Ein listiger Kunstgriff seidurchaus nicht stets zu verwerfen; nur die Absichtmache ihn gut oder schlecht. Eine rechtzeitige und inrichtigem Bedacht vorgebrachte Finte habe »großenGewinn zur Folge«, und derartige Taktiken erwiesen

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2.270 Deschner Bd. 3, 184Der Zweck heiligt die Mittel

sich als heilsam nicht nur für die, »welche sie in An-wendung bringen, sondern auch für die Überlistetenselbst ...«. Wie so viele verweist auch Chrysostomosauf den schon von Platon stammenden Topos der Me-dizinerlüge, das Irreführen der Kranken durch dieÄrzte. Unmoral und Gift sonst werde so zur Arznei,die »Maske der Täuschung« unter gewissen Umstän-den legitim. Krasse Lügen im Alten Testament deutetder Patron der Prediger (»Das Predigen macht michgesund«) jubelnd in Tugenden um. »O schöne Lüge!«ruft er entzückt angesichts des biblischen Lügen-stücks der Dirne Rahab – und wird noch heute ge-rühmt als »auch für die nachfolgenden Jahrhunderteder hauptsächlichste moralische Erzieher seines Vol-kes ... Gott allein weiß, wie viel Gutes für ungezählteSeelen aus diesem immer sprudelnden Born seitdemgeflossen ist und noch fließen mag«354.

Auch eine Fülle anderer alttestamentlicher Gaune-reien wurden von den Kirchenvätern aufgegriffen, ge-sammelt und stets von neuem vorgebracht, um denChristen – in bestimmter Absicht – alle Bedenkengegen Betrug und Doppelzüngigkeit zu nehmen: dieVerstellung Davids vor Achis, dem König von Gath;die Hinterlist der Judith gegenüber Holofernes; Ja-kobs massiven Schwindel bei der Erschleichung desSegens von Isaak; die Täuschung des Pharao durchdie israelitischen Hebammen in Ägypten; Jehus Nie-

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2.271 Deschner Bd. 3, 185Der Zweck heiligt die Mittel

dermetzelung sämtlicher Baals-Priester durch eine»nützliche Hinterlist« (utilis simulatio: KirchenlehrerHieronymus). Und ebendieser Heilige und Patron derGelehrten, der die Realinspiration, die absolute Irr-tumslosigkeit der Bibel vertritt, pries die »simulatio«auch im Neuen Testament, die Verstellung des Petrusin Antiochien oder die des Paulus, der »allen alles ge-worden, um wenigstens einige zu retten« – und konn-te doch Origenes tadeln wegen seiner Gedanken überden legitimen Betrug355!

Nach Johannes Cassianus, den Johannes Chryso-stomos in Konstantinopel zum Diakon ordinierte, eheer dann maßgeblichen Einfluß auf die Ausbreitungdes abendländischen Mönchtums gewann, ist einChrist zur Lüge sogar verpflichtet, wenn er, um ande-ren beizustehen, sich selber an seiner moralischen In-tegrität schadet. Unter gewissen Bedingungen istLüge, an sich ein tödliches Gift, wie Pharmaka heil-sam und unentbehrlich – »sine dubio subeunda estnobis necessitas mentiendi«. Bezeichnenderweise tau-chen Lüge und Betrug in Cassians Achtlasterlehre,seiner Geißelung der acht Hauptlaster (Unmäßigkeit,Unkeuschheit, Habsucht, Zorn, Traurigkeit, Über-druß, Ruhmsucht, Hochmut) gar nicht auf356!

Durch derartige Maxime von Kirchen- wie Sekten-führern war das gute Gewissen betrügender, lügender,gleisnerischer Christen auf allen Seiten gut gedeckt.

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2.272 Deschner Bd. 3, 185Der Zweck heiligt die Mittel

Schlicht rechtfertigt der Monothelet Makarios vonAntiochien (um 650/81) seine Fälschung mit demSatz: »Ich habe so gehandelt, um meine Absichtdurchsetzen zu können«. Und um dieselbe Zeit beruftsich Kirchenvater Anastasius Sinaita, Abt auf demSinai, bei seinem schurkischen Vorgehen gegen dieMonophysiten auf Paulus, 2. Kor. 12,16: »Doch ge-wandt wie ich bin, habe ich euch mit List gefan-gen«357.

Norbert Brox, der die verbreitete Vorstellung be-tont, wonach um der »Wahrheit« und ihrer wirksamenVermittlung willen List, Tricks, Täuschung im Chri-stentum ausdrücklich gestattet, ja, gelegentlich gebo-ten waren, nimmt doch die meisten Kirchenväter vondieser patristischen Tradition aus und zählt zu ihrenentschiedensten Gegnern Augustinus358.

Doch sollte ausgerechnet Augustin, der schon inseiner heidnischen Zeit, nach eigenem Bekenntnis,viel log, gerade als Christ nicht mehr gelogen und ge-täuscht haben? Ein Jahr vor seiner Konversion, 33-jährig, hielt er in Mailand eine flammende Lobredeauf Kaiser Valentinian II. – der Herrscher war damals14 Jahre alt! Dabei zögerte Augustin nicht, mit allemrhetorischen Glanz »viel zu lügen und mir den Beifallsolcher, die wußten, daß ich log, zu verschaffen«, wasihn später nicht hinderte, »all die hochtönendenSchmeicheleien und die kriechende Dienstfertigkeit«

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2.273 Deschner Bd. 3, 186Der Zweck heiligt die Mittel

in der Umgebung der Kaiser zu geißeln. Doch auchfür den Bischof Augustinus ist eine Lüge in der Bibel,etwa die Jakobs im Alten Testament, »keine Lüge,sondern Mysterium«. Ausdrücklich erlaubt Augustinfromme Erfindungen zum Vorteil der Kirche. Denn»wird unsere Erdichtung (fictio) auf irgendeinen Sinnbezogen, ist sie keine Lüge mehr, sondern Ausdruck(figura) der Wahrheit«359.

Ein Christ mußte also keinesfalls mit schlechtemGewissen, er konnte skrupellos lügen und fälschen,wenn er es in »guter« Absicht tat. Auch KatholikBrox attestiert seinen »Vätern«: »Die patristischenGedankengänge zeigen eine Findigkeit und Flexibili-tät in etlichen der rechtfertigenden Argumentereihen,die ein Terrain altkirchlichen Denkens widerspiegeln,das – noch einmal sei's gesagt – zwar nicht von allen(!) toleriert und betreten wurde, das aber immerhin inrespektabler Breite der Tradition auf uns gekommenist. Und es dokumentiert eben die eigentümliche Men-talität, nach welcher eine Fälschung Fälschung undBetrug Betrug ist und auch genannt wird, trotzdemaber durch das Merkmal der Angemessenheit, desNützlichen oder des Heilsamen positiv eingeordnetwerden konnte«360.

Auf Kirchenlehrer Augustinus stützt sich Kirchen-lehrer Thomas von Aquin. Denn weil es nach ihm»die größte Wohltat« ist, »jemand vom Irrtum zur

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2.274 Deschner Bd. 3, 187Der Zweck heiligt die Mittel

Wahrheit« zu führen, erlaubt er auch großzügig Fik-tionen, die sich auf eine »res significata« beziehen,eine »Heilswahrheit«; also: um des Katholizismuswillen darf gelogen werden und betrogen361.

Später wurde diese Art der Unwahrhaftigkeit kei-nesfalls eingeschränkt, sondern immer mehr ausge-dehnt. Besonders die hervorragendsten Theologen deshervorragendsten katholischen Ordens, die Jesuiten,haben eine wahre Virtuosität im Lehren der Täu-schung entwickelt und eine Fülle von Exempeln dazugeliefert. So nennt es der Jesuit Cardeñas in seiner1710 erschienenen »Crisis theologica« keine Lüge,äußere jemand, der einen Franzosen (hominem natio-ne gallum) getötet habe, »er habe keinen Hahn (gal-lum) getötet, indem er dasselbe Wort in der Bedeu-tung von ›Hahn‹ nimmt«. Ebenso sei es keine Lüge,von einem Anwesenden zu sagen, »er ist nicht hier«,wenn man meine, »er ißt nicht hier«. Auch leiste derkeinen Meineid, der schwört 20 Krüge Öl zu haben,selbst wenn er mehr hat; denn er leugne »dadurchnicht, daß er noch mehr habe, zugleich sagt er dieWahrheit, da er ja 20 Krüge besitzt« etc. etc.362

Über diese Jesuitenmoral und -praxis mokierte sichDostojewski: »Der Jesuit lügt und ist überzeugt, daßlügen um eines guten Zweckes willen nützlich und gutsei. Sie loben es, daß er seiner Überzeugung gemäßhandelt, das heißt: er lügt, und das ist schlecht, da er

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2.275 Deschner Bd. 3, 187Der Zweck heiligt die Mittel

aber aus Überzeugung lügt, so ist das gut. Also einer-seits ist lügen gut, andererseits schlecht. Wunder-bar!«363

Angesichts solcher Wahrheits- und Moralbegriffeerklärt es der Jesuit Lehmkuhl, dessen »Theologiamoralis« noch um die Wende zum 20. Jahrhundert anden Priesterseminaren Europas weit verbreitet war,zwar für Todsünde, »einen Priester oder frommen Or-densmann als Lügner zu bezeichnen«. Andererseitsaber schreibt Lehmkuhl: »Wer würde es für eineschwere Verleumdung halten, zu sagen, man halteeinen Atheisten fähig, jedes Verbrechen (quaelibetcrimina) heimlich zu begehen?«364

Selbstverständlich gilt das, was die ersten Autoritä-ten der Kirche in Antike und Mittelalter, im 18., 19.Jahrhundert verfochten, auch heute noch. Es wird vonden Theologen nur sorgsamer umschrieben. Einer derführenden Moralisten der Gegenwart, Bernhard Hä-ring, bezeichnet das, was Johannes Chrysostomosnoch freiweg Lüge, was Augustinus (und analog derAquinate) Fiktion nennt, als »verhüllende Rede« (dengeistigen Vorbehalt) und rät, zunächst einmal »indis-krete Frager« durch »überhaupt keine Antwort« abzu-speisen. Sie können aber auch »eine Zurückweisungerhalten oder durch eine Gegenfrage abgelenkt wer-den«. Und schließlich, wenn alles versagt, darf der»Jünger Christi« auch weiterhin die »verhüllende

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2.276 Deschner Bd. 3, 187Der Zweck heiligt die Mittel

Rede« als Notweg »in der argen Welt« (!) anwenden,wenn auch nicht gerade »wegen jeder Kleinigkeit«.(Da Dinge des Glaubens, der Kirche, aber nie Klei-nigkeiten sind, kann diesbezüglich auch stets »ver-hüllt« gesprochen werden.)365

Hier dagegen wird stets deutlich gesprochen, zudeutlich für alle kirchlichen und christgläubigenOhren, auch in den nächsten Kapiteln, immer.

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2.277 Deschner Bd. 3, 1892. Kapitel

2. Kapitel

Wunder- und Reliquienbetrug

»Ohne Wunder wäre ich kein Christ«. »Ohnedie Wunder wäre es keine Sünde gewesen,wenn man nicht an Jesus Christus geglaubthätte«.

Blaise Pascal1

»Warum sind die Wunder Jesu Christi wahr unddie Wunder des Äskulap, des Apollonius vonTyana und des Mohammed unwahr?«

Denis Diderot2

»Daß die Lehre göttlich ist, sollen mir die Wun-der beweisen; daß aber diese selbst göttlich undnicht vielmehr teuflisch sind, soll ich aus derLehre ersehen«.

David Friedrich Strauß3

»Nachrichten von Wundern sind nicht Wun-der«.

Gotthold Ephraim Lessing4

»Je mehr ein Wunder der Vernunft wider-spricht, desto mehr entspricht es dem Begriffdes Wunders«.

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2.278 Deschner Bd. 3, 1892. Kapitel

Pierre Bayle5

»Ein eigentliches Wunder wäre überall ein De-menti, welches die Natur sich selber gäbe«.

Arthur Schopenhauer6

»Ein höherer Bildungsgrad ist für die Fest-stellung eines Wunders auch nicht erforderlich:ein offenes Auge und gesunder Menschenver-stand sind vollständig ausreichend«.

Der katholische Theologe Brunsmann7

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2.279 Deschner Bd. 3, 191Wunderbetrug

Wunderbetrug

In seiner »Theologie des Wunders« schreibt Jesuit L.Monden: »Die Tatsache des ›großen Wunders‹ in derkatholischen Kirche muß für den unvoreingenomme-nen Untersucher unleugbar feststehen ... Einer so be-trächtlichen Zahl von Wundern gegenüber, die sichimmer auf glaubwürdige Zeugnisse und objektiveWahrnehmungen stützen, die unter den verschieden-sten Umständen des Ortes, der Zeit und der Kultur ge-schehen ..., ist jeder ehrliche Zweifel an der Realitätder Geschehnisse ausgeschlossen«8.

Als wäre es nicht genug des Lächerlichen, erlaubtsich Monden sogar die Lüge: »Das wiederholte, un-vorhersehbare, aber doch regelmäßige Vorkommendes ›großen Wunders‹ in der katholischen Kirchekontrastiert nur um so deutlicher zu dessen Fehlen beianderen christlichen Bekenntnissen und in den nicht-christlichen Religionen«9.

Wunder, das heißt hier natürlich nicht: die »SiebenWeltwunder«, »Wunder der Technik«, das »Wunderan der Marne«, »an der Weichsel«, das »Wunder vonDünkirchen«, das Wunder des »20. Juli 1944«. Ge-meint sind auch nicht Wunder jenes Schlags, wie sieGott, nach Bertrand Russell, an den Erbauungspredi-gern Toplady und Borrow wirkte. Toplady sei von

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2.280 Deschner Bd. 3, 192Wunderbetrug

einem Pfarrhaus zum anderen gezogen, eine Wochespäter das Pfarrhaus, das er gerade bewohnt hatte, mitgroßem Schaden für den neuen Pfarrer niederge-brannt. »Daraufhin dankte Toplady Gott; aber wasder neue Pfarrer tat, ist nicht bekannt«. Borrow, derandere Gottesmann, habe unbehelligt einen von Ban-diten belagerten Bergpaß durchquert. Schon die näch-ste Reisegesellschaft freilich wurde an diesem Paßausgeraubt und zum Teil erschlagen; »als Borrowdavon hörte, dankte er, wie Toplady, Gott«10.

Gemeint sind hier vielmehr sogenannte übernatürli-che Wunder, Wunder wider die Naturgesetze (oderdoch von ihnen abweichend) scholastisch gesagt:Wunder supra, contra, praeter naturam. Gemeint istdas religiöse Mirakel im Zwielicht magischer Weltan-schauung, das die frühe Menschheit umfängt, auchnoch das Christentum, dessen Glauben nicht einmalein Aberglaube sui generis ist, wie gerade dieses Ka-pitel zeigen wird11.

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2.281 Deschner Bd. 3, 192Die meisten Wunder in der Bibel sind ...

Die meisten Wunder in der Bibel sind sophantastisch wie die meisten anderen Wunder

Nun gibt es Wunder nicht nur im Christentum. DieGeschichte der Religionen wimmelt davon. Doch daalle Kirchenväter den katholischen Wundern Beweis-kraft zuschrieben für die Glaubwürdigkeit der eigenenSache, und die mittelalterlichen und nachmittelalterli-chen (katholischen) Theologen mit verschwindendenAusnahmen desgleichen, kann man die nichtchristli-chen, ja, alle nichtkatholischen Wunder kaum geltenlassen. Man disqualifiziert sie meist kurzerhand sämt-lich als Schwindel, satanisch, als allzu phantastisch,um glaubwürdig zu sein – und ignoriert, wie nichtminder phantastisch die Wunder der eigenen »Offen-barungsquellen« sind, etwa im Alten Testament.

Welche Wunder wirkt da allein Elia! Er erwecktden Sohn einer Witwe zum Leben. Mit Hilfe seinesMantels teilen sich die Wasser des Jordan. Und als erstirbt, brilliert er durch eine Himmelfahrt. Immerhin.Und Moses erst! »Der Herr sprach zu Moses: Was istdas, was du in der Hand hast? Und er antwortete: einStab. Und der Herr sprach: Wirf ihn auf die Erde!Und er warf ihn hin, da ward er zur Schlange, also,daß Moses floh. Und der Herr sprach: Strecke deineHand aus und fasse sie am Schwänze! Und er streckteKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.282 Deschner Bd. 3, 193Die meisten Wunder in der Bibel sind ...

seine Hand aus, und faßte sie: da ward sie wieder zumStabe. Damit sie glauben, sprach er, daß dir der Herrerschienen ... Und abermals sprach der Herr: Steckedeine Hand in deinen Busen. Und da er sie nun in denBusen steckte und wieder hervorzog, war sie aussät-zig wie Schnee. Und er sprach: Stecke deine Handwieder in deinen Busen! Und er steckte sie hinein,und zog sie wieder heraus, da ward sie gleich dem an-deren Fleische«. Geht's noch phantastischer? Und bil-liger? Es geht: die ägyptischen Plagen, das Manna inder Wüste, Feuer vom Himmel für das Brandopfer aufdem Karmel, Balaams redende Eselin, die Rettungdes Judas Makkabäus durch fünf himmlische Reiter,der Durchzug durch das Rote Meer, der Durchzugdurch den Jordan – und bei Gibeon steht sogar dieSonne fast einen ganzen Tag am Himmel still, ja,wenn das nicht phantastisch ist! Ein hybrides Grusel-kabinett – »Heilige Schrift«12!

Dabei lehrt schon das Alte Testament, wie danndas Neue: Wunder wachsen im Lauf der Zeit; die jün-geren Traditionen steigern das Mirakel. Bei demgroßartigen »Meerwunder« weiß die J-Überlieferungnoch gar nichts vom Durchzug der Israeliten durchdas Meer. Die verfolgenden Ägypter ertrinken einfachdarin. In der P-Überlieferung aber spalten sich dieWassermassen und stehen zu beiden Seiten wie eineMauer13.

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2.283 Deschner Bd. 3, 193Die meisten Wunder in der Bibel sind ...

Und sind nicht auch im Neuen Testament (wo dieWunder dýnamis, érgon, sēmeîon, thaûma, thaumaśi-on, téras heißen) viele Taten Jesu phantastisch? DasWeinwunder zu Kana? Die Stillung des Sturms? DasWandeln auf dem See? Die grandiose Brotproduk-tion? Oder immerhin drei Totenerweckungen, wobeider arme Lazarus vor Verwesung schon stinkt!? Oderselbst ein scheinbar so unscheinbares, fast beiläufigberichtetes Mirakel wie die mangels Münze aus demMeer gefischte Tempelsteuer: »und den ersten Fisch,der heraufkommt, den nimm; und wenn du sein Maulaufmachst, wirst du ein Zweigroschenstück finden ...«Ist das nicht phantastisch? Zu schweigen vom Gipfeldes Ganzen: der eignen Auferstehung14.

Doch selbst sie hat damals viel weniger überzeugtals heute. Die Juden jedenfalls blieben »ungläubig«,als wäre nichts gewesen – weshalb Diderot auchhöhnt: »Also muß man dieses ›Wunder‹, die Ungläu-bigkeit der Juden, geltend machen – und nicht dasWunder der Auferstehung«. (Und Goethe: »Offen ste-het das Grab. Welch herrlich Wunder, der Herr istAuferstanden! Wer's glaubt! Schelmen, ihr trugt ihnja weg«.)15

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2.284 Deschner Bd. 3, 194Jesus bedient sich allbekannter Praktiken

Jesus bedient sich allbekannter Praktiken

Die Evangelisten lassen Jesus 38 Wunder wirken;wobei freilich, bemerkenswert genug, 19 Wunder, dieHälfte, nur jeweils ein einziger Verfasser erzählt:zwei Markus, zwei Matthäus, acht Lukas und siebenJohannes. Diese Mirakel aber, »als geschichtlicheTaten durch die vier Evangelien sichergestellt«(Zwettler), beweisen den Katholiken Jesu göttlicheWürde. Und weil sie auf Gott zurückgingen, seien sieeben nicht Zauber, Schwindel, wie alle sonst, seiensie vielmehr echt, die anderen falsch16.

Um die Originalität, die »Einzigartigkeit« Jesu her-auszustellen, hat die katholische Theologie ihn seit jevon den übrigen Weisen, Sehern, Mystagogen, Thau-maturgen abgehoben, die seinerzeit im ganzen Römi-schen Reich umherzogen, die wie er predigten undWunder wirkten, ja, man hob ihn ab von allen Wun-dertätern überhaupt, von archaischen wie Orpheus,Abaris, Aristeas von Prokonnesos, Hermotimos, Epi-menides, Euklos oder von späteren wie Pythagoras,Empedokles, Apollonios von Tyana, Plotin, Iamblichaus Chalkis, Sosipatra, Proklos, Asklepiodotos vonAlexandrien, Heraiskos etc. etc. So schreibt der be-kannte »Holländische Katechismus«: »Man brauchtdas Auftreten Jesu nur mit dem vieler Magier, Wun-

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2.285 Deschner Bd. 3, 195Jesus bedient sich allbekannter Praktiken

dertäter und Anhänger okkulter Wissenschaften zuvergleichen, um von der Einfachheit, Reinheit und derehrfurchtgebietenden Würde seines Auftretens betrof-fen zu werden«17.

Doch benimmt sich Jesus mitunter nicht wie andereantike Quacksalber auch? Bedient er sich nicht übli-cher Praktiken? Gebraucht er nicht das Zauberwort»Hephata« (»Tu dich auf!«)? Berührt er nicht Zungeund Ohren eines Taubstummen mit seinem Finger,benetzt sie mit Speichel? Knetet er nicht einen Teigaus Speichel und Erde und legt diesen einem Blindenauf? Spuckt er einem nicht in die Augen? Aber das,belehrt uns der Theologe Gnilka, ruft nicht die Hei-lung hervor. Es soll nur zeigen, »daß das Wunder derMacht Jesu verdankt ist«. Dann wußte man dies alsogar nicht, wirkte Jesus Wunder ohne solche Metho-den? Doch warum wirkte er sie dann? Und signali-sierte Analoges anderer Wundertäter nicht auch, daßdas Mirakel ihrer Macht entsprang18?

Im strikten Widerspruch zu zahlreichen Bibelstel-len betonen freilich viele Kirchenväter, Justin, Irenä-us, Arnobius, Eusebius, Jesus habe ohne alle äußerenMittel, allein durch bloßen Befehl, allein durch seinWort Wunder gewirkt. Auch in Fälschungen insistiertman darauf, etwa in dem Brief, den Fürst Abgar Uk-kama von Edessa »dem guten Heiland, der in Jerusa-lem erschienen ist«, geschrieben haben soll (S. 170 f).

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2.286 Deschner Bd. 3, 195Jesus bedient sich allbekannter Praktiken

Ebenso heilt der Apostel Thaddäus, der, laut einerweiteren Fälschung, in Edessa erscheint, »ohne Arz-nei und ohne Kräuter«. Ja, er heilte, prahlt Kirchenge-schichtsschreiber Euseb, »jede Krankheit«19!

Wunder wachsen in der Überlieferung, sie werdengesteigert und vermehrt.

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2.287 Deschner Bd. 3, 196Das evangelische Wunderarsenal - nichts ist ...

Das evangelische Wunderarsenal – nichts istoriginell

Die Wunderherstellung des Neuen Testaments läßtsich gut verfolgen. Wie nämlich die jüngeren Evange-listen den ältesten, Markus, in vieler Hinsicht fast sy-stematisch verbessern, das Jesusbild steigern, wie sie,ganz konsequent, auch die Apostel immer mehr vonSchwächen reinigen und erhöhen – »Alle Mängel, dieihnen bei Markus noch anhaften, sind beseitigt«: derTheologe Wagenmann –, so steigern die vermehrtenund verbesserten Auflagen des Markus, Matthäus undLukas auch dessen Wunderüberlieferung, indem sieetwa statt einer Heilung wiederholt zwei Heilungenberichten. Oder statt der Heilung »vieler« die »aller«melden. Oder aus der »Speisung der Viertausend«bzw. »Fünftausend« eine doppelt so große Mengemachen. Oder indem sie die Totenerweckungen dra-matisieren, gegenüber Markus ganz neue Taten einfü-gen. Wie ja auch Johannes, der vierte Evangelist, vierweitere, von keinem seiner Vorgänger erwähnte grö-ßere Wunder hinzubringt: erst die Weinverwandlungzu Kana, wobei sein Christus immerhin sechs- bissiebenhundert Liter erzeugt, und zuletzt, die Krönungdes Ganzen, die Auferweckung des bereits in Verwe-sung übergehenden Lazarus – »er riecht schon«20.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.288 Deschner Bd. 3, 196Das evangelische Wunderarsenal - nichts ist ...

Zur Zeit Jesu waren Wunder üblich, fast alltäglich.Man lebte, so der Theologe Trede, »denkend undglaubend in einer Wunderwelt, wie der Fisch im Was-ser«. Schlechthin jedes Wunder hat man gewirkt undfür möglich gehalten. Auch das Wunder des Gegnerswurde nicht bezweifelt, doch gern auf den Teufel zu-rückgeführt. Auch jede Menge Weissagungen gras-sierte. Selbst Teile der oberen Schichten waren so un-kritisch wie die Massen. Das scheint zu allen Zeitenähnlich zu sein. Was Thomas Münzer während derReformation schrieb: »Das Volk glaubet jetzt soleichthin, wie eine Sau ins Wasser brunzet«, das galtjedenfalls schon bei der Entstehung der evangelischenWundermären und gilt, was die gläubige Masse be-trifft, doch fast noch heute21.

Der »Holländische Katechismus« nun behauptetwieder, die Wunder Jesu hätten »einen so eigenen undoriginellen Charakter, daß man sagen muß, es ist nureine Erklärung möglich: Er hat in der Tat selbst Wun-der gewirkt«. Doch originell ist da nichts; wenn auchnicht alles Geflunker sein muß. Manche Wunder imNeuen Testament – das gewöhnlich, aber nicht stereo-typ, dem klassischen Schema der Wundererzählungenfolgt: Exposition, Vorbereitung, Aufschub, Technik,Feststellung etc. – lassen sich durchaus als Heilungenpsychogener Krankheiten, als Heilungen neurastheni-scher, hysterischer, schizophrener Naturen erklären,

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2.289 Deschner Bd. 3, 197Das evangelische Wunderarsenal - nichts ist ...

das ist selbstverständlich22.Im übrigen aber sind diese Wunder ausnahmslos

Plagiate. Die religionsgeschichtliche Forschung hatlängst erwiesen: alle in den Evangelien Jesus zuge-schriebenen Wunder wurden schon in vorchristlicherZeit vollbracht. Wunderbare Heilungen von Tauben,Blinden, Krüppeln, Dämonenbannungen, Wandel aufdem Wasser, Stillung von Seestürmen, mirakulöseSpeisevermehrungen, Verwandlung von Wasser inWein, Totenerweckungen, Höllen- und Himmelfahr-ten, all dies und mehr war wohlbekannt. Sie alle sindStandardwunder nichtchristlicher Religionen gewesenund wurden in den Evangelien auf Jesus übertragenund mit geläufigen Mirakelmotiven ausgeschmückt.Die frappantesten Parallelen dazu – alle fabriziert of-fenbar nach dem von Ovid überlieferten Rezept:»Wunder erzähl ich, das Wunder geschah« – begeg-nen bei Buddha, Pythagoras, Herakles, Asklepios,Dionysos, um nur sie zu nennen. Doch hat auch Altte-stamentliches auf die evangelische Wunderproduktioneingewirkt23.

Eine besonders frappierende Parallele zu JesuWandel auf dem See gibt es bei Buddha. Auch dieStillung von Seestürmen zählt zu den typischen Wun-dertaten. Man kannte sie aus der Asklepios-, der Sara-pisreligion. Ebenso geläufig waren Geschichten vonwunderbaren Speisungen im Heiden- wie im Juden-

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2.290 Deschner Bd. 3, 197Das evangelische Wunderarsenal - nichts ist ...

tum; der evangelischen Legende auffallend ähnlich istder alte Bericht einer indischen wunderbaren Brotver-mehrung. Selbst Totenerweckungen waren nicht unge-wöhnlich – es gab sogar eigene Formeln dafür, und inBabylonien hießen viele Götter geradezu »Totenbele-ber«. Asklepios, von dem Jesus auch die Titulaturen»Arzt«, »Herr«, »Heiland« übernimmt, weckte sechsTote auf, wobei die Einzelheiten dieselben sind wiebei den Toten, die Jesus auferweckt. Auch Höllen-und Himmelfahrten waren wohlbekannt, gleichfallssterbende und nach drei Tagen wiederauferstehendeGottheiten. Ja, das Schwanken der Evangelien zwi-schen dem dritten und dem vierten Tag (nach dreiTagen!) hat seine Ursache offenbar darin, daß man dieAuferstehung des Osiris am dritten, die des Attis amvierten Tag nach seinem Tod beging. »Dies Wunder«,sagt Origenes von Jesu Auferstehung, »bringt denHeiden nichts Neues und kann ihnen nicht anstößigsein«24.

Längst vor Jesus kamen schon andere Gottheitenvom Himmel: vom Vater gesandt, von Engeln ver-kündet, als Jungfrauensöhne in der Krippe geborenund schon in der Wiege verfolgt. Sie heißen Erwek-ker, Herr aller Herren, König der Könige, Heiland,Erlöser, Wohltäter, Gottessohn, der gute Hirte. Siezeichnen sich mit zwölf Jahren aus, beginnen manch-mal mit etwa dreißig zu lehren, werden vom Teufel

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2.291 Deschner Bd. 3, 198Das evangelische Wunderarsenal - nichts ist ...

versucht, haben einen Lieblingsjünger, einen Verräter,machen Kranke gesund, Blinde sehend, Taube hö-rend, Krüppel gerade, heilen nicht nur den Leib, auchdie Seele. Sie wirken, Jahrhunderte früher, ein Wein-wunder, wie auf der Hochzeit in Kana. Sie verkünden:»Wer Ohren hat, zu hören, der glaube«. Doch sollihre Sendung keine Schaustellung sein. Sie werdengemartert, gegeißelt, sterben, einige am Kreuz, auchmit einem Verbrecher, während ein anderer Verbre-cher freikommt, eine Frau wischt das Herzblut desGottes ab, das aus einer Speerwunde quillt. Sterbendsagen sie: »Es ist vollbracht«, »Nimm meinen Geist,ich bitte dich, zu den Sternen auf ... Siehe, mein Vaterruft mich und öffnet den Himmel«; sogar Sühnecha-rakter hat manchmal ihr Tod. Sie überwinden ihn, er-lösen die armen Seelen in der Hölle, fahren zum Him-mel auf – um nur einiges von dem zu skizzieren, wasdann die Bibel wieder offeriert, wobei es in ihr gera-de, aber nicht nur, beim größten Wunder, der Aufer-stehung, von Widersprüchen wimmelt25.

Was ist im »Leben Jesu« religionsgeschichtlich be-trachtet originell? Nichts. Es ist viel, wenn die Histo-rizität bleibt (S. 70 f). Und wenn nicht, die Welt gehtdeshalb nicht unter. Die Wunder jedenfalls gehörenwesentlich zum Christusbild. Ohne sie wäre der Herr»ein blutloses Schemen«. Seine Wunder leugnen undablehnen, betont Katholik I. Klug, »heißt Jesus Chri-

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2.292 Deschner Bd. 3, 198Das evangelische Wunderarsenal - nichts ist ...

stus selbst leugnen und ablehnen«. »Christus, einBetrüger! Ein Betrüger!« ruft er rhetorisch. »Er, derReine, der Heilige, den auch seine Todfeinde keinerSünde zu beschuldigen wagten – ein Betrüger! EinGaukler, der mit der Majestät eines Königs einherzu-schreiten vermochte!« Nun, dies besagt gewiß nichtviel, wenn man bedenkt, wie viele falsche Majestätenschon wie Könige dahergekommen sind – und wieviele echte nicht! Und wer zeiht denn Jesus des Be-trugs? Selbst für den von der Kirche vielgeschmähtenAlfred Rosenberg war Jesus »die große Persönlich-keit«. Doch die Schreiber der Evangelien, der übrigenneutestamentlichen und urchristlichen Traktate – dassteht auf einem ganz anderen Blatt!26

Nun sieht die Kirche den Beweis für Jesu Gottheitnicht nur in den Wundern erbracht, sondern auch inder vermeintlichen Erfüllung der Prophezeiungen desAlten Testaments. Wie aber steht es damit?

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2.293 Deschner Bd. 3, 199Der Schwindel des christlichen ...

Der Schwindel des christlichen»Weissagungsbeweises«

Wie die Wunder, so waren auch die Weissagungennicht Neues, vielmehr der ganzen Antike wiederwohlvertraut. Bereits unter Augustus gab es so vieleWeissagungsbücher, daß der Kaiser zweitausend vonihnen, die ungenügend beglaubigt umliefen, verbren-nen ließ. Weissagungen wurden von Buddha, Pytha-goras, Sokrates überliefert, wurden von den Stoikern,Neupythagoräern, den Neuplatonikern verteidigt, ja,von Männern wie Plinius dem Älteren oder Cicero,die nicht an Wunder glaubten. Weissagungen schätz-ten die Heiden sogar höher als Wunder27.

Mit Wundern nämlich konnte man weder die jüdi-sche noch die griechisch-römische Welt sehr beein-drucken. Das Wunderbare grassierte, war normal, fastalltäglich, der Mirakelglaube grenzenlos. Auch dieGegner der Christen haben deren Wunder geglaubt,nur unterstellt, sie geschähen mit Hilfe der Dämonen.Schon Jesu Taten hielten die Juden für Zauberei undführten sie auf den Teufel zurück. So bedurften dieChristen eines Kriteriums, das ihre Wunder sozusa-gen stützte, legitimierte, und dies Kriterium wurde derWeissagungsbeweis, das Hauptanliegen ihrer Schrift-interpretation. Erst in Verbindung mit ihm bekamenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.294 Deschner Bd. 3, 200Der Schwindel des christlichen ...

die Wunder ihr besonderes Gewicht. Der Weissa-gungsbeweis galt, wie die Traktate von Pseudo-Bar-nabas, Justin, Irenäus, Origenes und anderen zeigen,mehr als die Wunder – wenn es auch alte christlicheSchriftsteller gibt, Melito von Sardes, Hippolyt, No-vatian, Victorinus von Pettau, Origenes selbst, denendie Wunder des Herrn der beste Beweis für seineGöttlichkeit sind28.

So sieht man es ja auch heute wieder. Denn seit derEntlarvung des Weissagungsbeweises insistiert manviel lieber auf dem Wunder. Zwar erblickt der Katho-lizismus weiter durch Wunder und Weissagung JesuGottheit bestätigt. Doch besonders das Wunder isttheologisch jetzt Zeichen der Offenbarung und Grundihrer Glaubwürdigkeit. Auf das Wunder legt nun diekatholische Theologie »als objektives Kriterium be-sonderes Gewicht« (Fries)29.

Bereits Paulus, der älteste christliche Autor, ver-wendet die Floskel »gemäß der Schrift« (1. Kor. 15,3f). Bereits für Paulus ist Jesu Leiden, Tod und Aufer-stehung das ganze Erlösungswerk, ist das Evangeliumüberhaupt im Alten Testament bezeugt. Doch auchdas älteste Evangelium, das des Markus – und nochmehr, am häufigsten, das des Matthäus –, zeigt ein-dringlich, wie sehr man darauf aus war, Jesu Lebenmit allen Details aus den heiligen Büchern der Judenherzuleiten, wie man da alles geweissagt finden woll-

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2.295 Deschner Bd. 3, 200Der Schwindel des christlichen ...

te. Systematisch haben die Christen diese Schriftendurchforscht, haben sie alle Lücken der Überlieferungdes jesuanischen Lebens mit Hilfe des Alten Testa-ments gestopft und vieles, was dort stand, einfach aufihn bezogen. »Wir aber«, heißt es bei Clemens Ale-xandrinus, »schlugen die in unserem Besitz befindli-chen Bücher der Propheten auf, die teils durch Para-beln, teils durch Rätsel, teils zuverlässig und ausdrük-klich den Christus Jesus nennen, und fanden seineAnkunft und den Tod und das Kreuz und alle übrigenPeinigungen, die ihm die Juden angetan haben, unddie Auferweckung und die Himmelfahrt vor dem Ge-richt (?) über Jerusalem, wie dieses alles aufgeschrie-ben war, was er erleiden mußte und was nach ihmsein werde. Als wir dieses nun erkannt hatten, kamenwir zum Glauben an Gott durch das, was auf ihn hingeschrieben ist ... Denn wir haben erkannt, daß Gottes wirklich angeordnet hat, und sagen nichts ohneSchrift«30.

Nicht nur in den Evangelien aber, nicht nur imNeuen Testament, sondern weit darüber hinaus span-nen die Christen den Weissagungsbeweis immer mehraus, vom Barnabasbrief etwa, der in den 318 Knech-ten Abrahams den Kreuzestod Jesu erkennt (S. 378),bis zu Gregor I., den »Großen«, der die sieben SöhneHiobs als Weissagung auf die zwölf Apostel auslegt.Besonders bei Justin, dem bedeutendsten Verteidiger

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2.296 Deschner Bd. 3, 201Der Schwindel des christlichen ...

des Christentums seiner Zeit, tritt der Beweis aus denWundern völlig zurück, wird jedoch der Weissa-gungsbeweis ständig strapaziert, zumal ja auch dieangeblich in Christus erfüllten Prophezeiungen denchristlichen Anspruch auf das Alte Testament zweifel-los am besten legitimierten.

Wenn man aber keine »beweiskräftigen« Prophe-tensprüche fand, fälschte man sie bei der so beliebten»Überarbeitung« jüdischer Texte kurzerhand in diesehinein. Das war besonders nötig bei der Geburt Jesuaus einer Jungfrau. So stehen in den gefälschten »Pe-trusakten« die beiden angeblichen Prophetenworte:»In den letzten Zeiten wird ein Knabe geboren werdenvom heiligen Geist; seine Mutter kennt keinen Mann,noch sagt jemand, daß er sein Vater sei«. Und: »Nichtaus der Gebärmutter eines Weibes ist er geboren, son-dern von einem himmlischen Ort ist er herabgestie-gen«. Harnack nennt diese Prophezeiungen »plumpechristliche Fälschungen«. Sie finden sich nirgends imAlten Testament. Und ebensowenig weitere, etwa Sa-lomo oder Ezechiel nachträglich zugeschriebeneSprüche31.

Die jesuanischen Wunder allein hatten, wie gesagt,wenig Beweiskraft. Man bestritt sie kaum, aberschrieb sie Zauberkräften des Galiläers zu. Das alleskannte man von vielen Wundertätern. Erst in Verbin-dung mit den Weissagungen gewannen Jesu Mirakel

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2.297 Deschner Bd. 3, 202Der Schwindel des christlichen ...

an Bedeutung. Kein Geringerer als der hl. Irenäusstützte sie dadurch. Sah die alte Kirche doch über-haupt gern die Echtheit der Wunder durch die Weis-sagungen bestätigt. Diese hatten jene vorausgesagt,also waren sie wahr. So wurden die angeblichen Pro-phezeiungen ein Hauptmittel der christlichen Missionund galten, wie Origenes bezeugt, »als der stärksteBeweis« für die Wahrheit ihrer Lehre. Zählte er ja sel-ber »tausend Stellen«, an denen die Propheten vonChristus reden. Und wirklich stehen allein im NeuenTestament zirka zweihundertfünfzig Zitate aus demAlten und über neunhundert Anspielungen darauf.Denn die Evangelisten hatten ihm viele vermeintli-che Fakten von Jesu Leben entnommen und bewußtin seine Geschichte hineingeschrieben – jeder konn-te sie leicht als »erfüllt« herauslesen32.

Warum aber ließen diese Christen Jesus »nach derSchrift« sterben? Weil sie nur so das Fiasko seinesWirkens verschleiern, nur so dem Spott der Welt überden gekreuzigten Messias wirksam begegnen konnten.Jesus mußte nach der »Schrift« sterben, es war vor-hergesagt. Und die Welt sollte es wissen, sollte sichüberzeugen. Ergo gab man, in Zitaten, in Anspielun-gen, all dies Schmähliche, den Verrat, die Jünger-flucht, das Ärgernis der Passion, den Tod am Kreuzals Erfüllung alttestamentlicher Prophezeiungen aus.Das feige Verhalten der Jünger wird nach Sacharja

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2.298 Deschner Bd. 3, 202Der Schwindel des christlichen ...

13,7 vorhergesagt; die Bestechung (»dreißig Silber-stücke«) für den Verrat des Judas nach Sacharja11,12; die Rückerstattung dieses Geldes nach Sachar-ja 11,13; der Kauf des Töpferackers nach Jeremia32,6; Jesu Wort vor dem Hohen Rat über sein Sitzenzur Rechten der Macht und sein Erscheinen auf denWolken nach Daniel 7,13 und Psalm 110,1; seinWort »Mich dürstet« nach Psalm 22,16; sein Tränkenmit Essig nach Psalm 69,22; sein Ruf der Gottverlas-senheit nach Psalm 22,2, die Sonnenfinsternis – amPassafest (bei Vollmond) zumindest astronomisch un-möglich – nach Amos 8,9 usw. usw.33

Besonders schwer war die »Prophezeiung« desKreuzestodes aus dem Alten Testament zu erweisen,heißt es doch dort: »Denn wer am Holz hängt, der istvon Gott verflucht« (5. Mos. 21,23). Um so wichtigerwurde gerade diese »Vorhersage«. Dabei verfielen dieältesten Christen auf die absurdesten Kombinationen,was ich anderwärts gezeigt habe. Das besondere Vor-bild aber für die evangelische Passionsgeschichte lie-ferte, neben den klassischen Leidenszeugnissen vonPsalm 22 und 69, vor allem das unechte 53. Kapiteldes Jesaja (S. 54 f)34.

Das Groteske an all diesen »Prophezeiungen« ist:die Propheten hatten sie, Jahrhunderte früher, nicht imFutur, sondern in der Vergangenheitsform niederge-schrieben. All dies war also schon geschehen, noch

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2.299 Deschner Bd. 3, 202Der Schwindel des christlichen ...

bevor es geschah, ein wirklich wunderbares Phäno-men. Und die Leidensvoraussagen Jesu selbst hatschon Celsus (I 207 ff) als nachträgliche Erfindungenenthüllt. Markus, der älteste Evangelist, konnte, als erJahrzehnte nach Jesu mutmaßlicher Kreuzigung, seinEvangelium schrieb, leicht dessen Tod in allen De-tails voraussagen lassen. Kurz, mit dem TheologenHirsch: »Der Weissagungsbeweis ist für uns abgetan.Wir wissen alle, daß er nicht stimmt«35.

Natürlich wissen wir dies auch – die erwähntenAusnahmen beiseite – von den Wundern, womit wiruns den sogenannten Apokryphen zuwenden wollen.

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2.300 Deschner Bd. 3, 203Wunder in den »Apokryphen«

Wunder in den »Apokryphen« oder Eingeräucherter Thunfisch wird wieder lebendig

Wie die »Apokryphen« die Erzählungsgattungen desNeuen Testaments in der älteren Zeit als Parallelent-wicklung begleiten, dann weiterbilden, ergänzen (S.120 ff), so auch die darin berichteten Wunder36.

In Weiterführung der kanonischen Geschichten er-scheinen ganze Wunder-Listen, nicht ohne die häufigeVersicherung, Jesus habe noch viel mehr Wundergetan. Die Tendenz neigt zur Steigerung, zum Super-lativ. Auch die Tendenz von »er heilte viele« beim äl-testen Evangelisten Markus bis »er heilte alle« beimjüngeren Matthäus setzt sich fort. Und heißt es in derApostelgeschichte, Jesus habe »Gutes getan und allegeheilt, die vom Teufel überwältigt waren«, so läßtPs.-Clemens Jesus »jede Krankheit« heilen. Derkaum mehr überbietbare Gipfel steht in den Johannes-akten: »Seine großartigen und wunderbaren Taten sol-len für jetzt verschwiegen bleiben, da sie unaus-sprechlich sind und vielleicht überhaupt weder erzähltnoch gehört werden können«37.

Viele früheren Wunder waren den Späteren zu sim-pel. Sie schmückten sie also aus, erweiterten, berei-cherten sie.

So findet bei Jesu Taufe, wo ursprünglich, immer-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.301 Deschner Bd. 3, 204Wunder in den »Apokryphen«

hin, die Himmel sich auftun, eine Geistestaube herab-schwebt und Gottes Stimme erschallt, jetzt auch nocheine Lichterscheinung statt, der Jordan weicht zurück,wirft erregt sein Wasser empor, selbst die Sterne hul-digen dem Herrn und Engel assistieren. Eine früh-christliche Schrift meldet: »Und über dem Jordan la-gerten (breiteten) sich weiße Wolken, und es erschie-nen viele Geisterheere, die in der Luft Gloria sangen,und der Jordan stand still von seinem Lauf, indemseine Wasser Rast hielten und ein Duft von Wohlge-rüchen duftete von dorther«38.

Und wie Jesu Taufe wunderbar ist und alles da-nach, so selbstverständlich auch noch das Ende.

Im Bartholomäusevangelium sieht Bartholomäusbei der Kreuzigung die Engel vom Himmel steigenund den Herrn anbeten. Nicht genug, der Jünger ver-mag gleich darauf, auch bis in die Hölle zu hören.Denn »als die Finsternis eintrat, da schaute ich hinund sah, daß du vom Kreuz verschwunden warst; nurdeine Stimme hörte ich in der Unterwelt, und wie dortplötzlich ein gewaltiges Jammern und Zähneknirschenanhub ...«. Immer die schönste Musik für christlicheOhren39.

Besonders entfaltet sich die gläubige Phantasie inden außerordentlich zahlreichen Kindheitsevangelien.Die Zeit der Geburt, des Heranwachsens, der JugendJesu war von Markus und Johannes gar nicht, von

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2.302 Deschner Bd. 3, 204Wunder in den »Apokryphen«

Matthäus und Lukas nur knapp beleuchtet worden,wenn auch bereits reichlich mirakulös mit Parallelenvor allem zur indischen, ägyptischen, persischen Lite-ratur. Diese Übernahme fremder Legenden aberwächst in den späteren Kindheitsgeschichten gewal-tig. Was immer man über Götter- und Wunderknabenwußte, übertrug man jetzt eifrig auf Jesus. Selbstdurch das ganze Mittelalter setzte sich die üppig wu-chernde Legendenbildung fort. Ja, dies ganze, von derKirche offiziell verurteilte Schrifttum übte über Pru-dentius, die Nonne Roswitha und viele andere bis zurRenaissance einen stärkeren Einfluß auf Literatur undKunst aus als die Bibel. Sogar Päpste griffen Motivedaraus auf, wie Leo III., der im 9. Jahrhundert in derSt.-Pauls-Kirche zu Rom die gesamte Geschichte vonJoachim und Anna darstellen ließ. Im 16. Jahrhundertwurde zwar unter Pius V. das Offizium des hl. Joa-chim, des nur durch ein »Apokryphon« bekannten Va-ters der hl. Maria, im römischen Brevier getilgt undder Text ihrer Darstellung im Tempel abgeschafft,doch beides dann wiederhergestellt. – Wenn übrigensdie Kirche die »legendenhaften Apokryphen« kritisiertund abgelehnt hat, so nicht wegen ihrer Wunderge-schichten, wie unglaubhaft immer sie uns erscheinen,sondern wegen moralischer, dogmatischer Bedenken,wegen gewisser asketischen oder doketischen Tenden-zen. Wurde doch gerade der Wunderglaube »selbst

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2.303 Deschner Bd. 3, 205Wunder in den »Apokryphen«

von den aufgeklärtesten Kirchenmännern gehegt undgepflegt« (Lucius)40.

Das Thomasevangelium berichtet eine Reihe be-merkenswerter Taten Jesu von seinem fünften bis zumzwölften Jahr. Das göttliche Kind wirkt Wunderdurch seine Windeln, sein Waschwasser, seinenSchweiß. Es läßt einen schmutzigen Bach mit einemeinzigen Wort sauber werden, läßt Vögel aus Lehmauf und davon fliegen, einen bösen Spielgenossen wieeinen Baum verdorren und einen weiteren sterben,weil dieser an seine Schulter stieß. Doch zeigt derjunge Meister sich auch menschenfreundlich und er-weckt mehrere Tote wieder zum Leben41.

Wie der Herr, so brillieren natürlich auch seineApostel, Jünger und viele andere Christen in den»Apokryphen«.

Auch dazu gab das Neue Testament den Anlaß. Be-reits Paulus tut »Zeichen und Wunder«. Und auch imMarkusevangelium steht schon: »Sie zogen aus undpredigten, man solle Buße tun. Auch trieben sie vieleGeister aus, salbten viele Kranke mit Öl und heiltensie«. Ebenso meldet die Apostelgeschichte »viel Zei-chen und Wunder im Volk durch der Apostel Hände«.Sie berichtet sogar Wunder der Jünger durch derenSchürzen, Schweißtuch oder Schatten42.

Die Apologeten betonen stets das Fehlen von Über-treibungen bei den neutestamentlichen Wundern.

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2.304 Deschner Bd. 3, 206Wunder in den »Apokryphen«

Doch jedes Wunder, gewisse Heilungswunder, dieeben keine Wunder sind, ausgenommen, beruht aufÜbertreibung, sei es nun »kanonisch« abgesegnetoder »apokryph«. Und sind durch Schatten vollbrach-te Wunder nicht übertrieben, darum glaubhaft, warumsollten andere übertrieben und unglaubhaft sein?Etwa wenn der Apostelfürst Petrus einen Hund zumSprechen bringt? Oder wenn er ein Kamel, und gleichmehrere Male, durch ein Nadelöhr gehen, wenn ereinen Thunfisch, der schon geräuchert am Fensterhing, wieder lebendig im Wasser schwimmen läßt?Schließlich ist bei Gott kein Ding unmöglich. Undwenn er einen Fluß, ja, die Sonne in ihrem Lauf an-halten kann, wird er auch einen simplen Räucherfischlebendig machen können. Oder ginge das gegen sei-nen »Geschmack«? Doch woher kennen diesen dieTheologen? Wie auch immer: mit all solchen Ge-schichten wurde missioniert, wurde das Christentumverbreitet. Die bekanntesten Kirchenväter traten alsZeugen für solche Texte ein und die meisten altenTheologen hielten sie für völlig wahr. Immer wiederauch sei daran erinnert: selbst mit solchem Schund –und nicht zuletzt mit solchem! – wurde das Christen-tum propagiert, selbst mit solchen Schund seine gei-stige und physische Barbarei ausgedehnt, gefestigt; erwurde geduldet, gefördert, ganze Bibliotheken ließensich mit ihm füllen, nein – er füllt sie!43

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2.305 Deschner Bd. 3, 206Alles in den Schatten stellen die Blutzeugen

Alles in den Schatten stellen die Blutzeugen

Die kühnsten Wunder vollbrachten in der vorkonstan-tinischen Kirche die Märtyrer. Die Akten über siesind zwar meist gefälscht, galten aber sämtlich alsvollwertige historische Urkunden (S. 155 ff). Und derÜbergang zu den reinen Märtyrerlegenden und -roma-nen, worin »der vollständige Mangel an geschichtli-chem Sinn« (Lucius) triumphiert, war fast natürlich,wie wunderbar auch immer. Stimmen schallen vomHimmel, Tauben entsteigen dem Märtyrerblut, wildeTiere verenden durch das Gebet der frommen Heroenoder durchbeißen deren Fessel. Götzenbilder, ganzeTempel stürzen vor ihnen zusammen. Der hl. Lauren-tius, fast schon verschmort auf seinem Rost, philoso-phiert gelassen über das heidnische und christlicheRom. Halbverkohlt schmettern andere zündende Mis-sionsreden. Der Märtyrer Romanus, dessen Fest diekatholische Kirche noch immer am 9. August begeht,attackiert in 260 Versen das Heidentum und dekla-miert nach abgeschnittener Zunge noch 100. Für deneinstigen Bonner Theologieprofessor Franz JosephPeters liegt – mit Imprimatur –»die volle Beglaubi-gung« durch »zwei Augen- und Ohrenzeugen« auchdafür vor, daß der Vandalenkönig Heinrich – offen-sichtlich: Hunerich – »im Jahr 483 den Katholiken

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von Tipasa in Nordafrika die rechte Hand abhauenund die Zunge abschneiden ließ, weil sie den ariani-schen Bischof nicht anerkennen wollten. Durch einWunder blieben sie im Gebrauch der Sprache«44.

Der unter Kaiser Antoninus gemarterte hl. Pontia-nus geht mit bloßen Füßen unverletzt über heiße Koh-len, wird vergeblich gefoltert, vergeblich den Löwenvorgeworfen, vergeblich mit siedend heißem BleiÜbergossen. Weshalb ihn auf einmal das Schwert er-ledigt, ist kaum zu begreifen. Doch fragt man sich oft,warum diese Helden die tollsten Torturen überstehn –und dann einem ganz banalen Schwerthieb erliegenoder einem simplen Würgegriff, wie der hl. BischofEleutherius von Illyrien samt Mutter Anthia unterKaiser Hadrian.

Denn wenn auch so mancher in einem Fluß, einemBrunnen, im Meer die Märtyrerpalme gewinnt,manchmal mit schweren Steinen am Hals oder ineinem Sack mit Schlange und Hund, wenn mancherdurch den Hungertod, am Galgen »gekrönt«, wenn ergepfählt, gekreuzigt, durch Brechung der Gebeineoder langsames Braten für den Himmel »geboren«,wenn er durch brennendes Pech erstickt, als lebendeFackel oder im Feuerofen verbrannt, wenn er durchwilde Tiere zerrissen, gesteinigt, mit einer Säge zer-fleischt wird oder wenn Quiricus, ein Knäblein vondrei Jahren, an den Stufen des Richter Stuhles zer-

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schmettert »die Krone des ewigen Lebens« erringt –weitaus die meisten enden doch ganz einfach enthaup-tet. Das hilft fast immer. Die Frage aber bleibt:warum haben die bösen Heiden dann so lange erst sovergebliche Todesarten an den Christen ausprobiert,und warum diese selbst die wohlersonnensten, raffi-niertesten Martern überstanden, doch so gut wie niedas primitive Köpfen?45

Wunder über Wunder jedenfalls.Die christlichen Helden, wiewohl ganz scharf dar-

auf zu sterben, um den Lohn zu empfangen, den höch-sten, das Himmelreich, sterben oft lange nicht, nein,sie entgehen nicht nur gewöhnlichem Feuer, wieApollonius, Philemon und ungezählte, sie überdauernsogar im Feuerofen, ganz unverletzt, versteht sich, derhl. Neophytus zum Beispiel. (Warum auch nicht,wenn in der »Heiligen Schrift« Daniel und seine Ge-nossen im glühenden, »siebenmal heißer« als sonstgeschürten Feuerofen »unversehrt« überleben! Sinddie »Apokryphen« übertrieben, ist es die Bibel auch.)Der hl. Mönch Benedikt hält die Prozedur im Feuer-ofen eine ganze Nacht heile aus. Und der hl. Lucillia-nus, ein ehemaliger »Götzenpriester«, entkommt dembrennenden Kamin gleich mit vier Knaben, wennauch nur infolge eines einsetzenden Regens. Immer-hin. Denn schließlich sind die meisten dieser Blutzeu-gen schon vorher auf den Tod geschunden worden,

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häufig allerdings vergebens. Erscheinen doch immerwieder Engel – es gibt sehr viele –, und im Märtyrer-beistand mögen sie eine Lebensaufgabe gefundenhaben. Den hl. Priester Felix befreit ein Engel einesNachts sogar. (Warum auch nicht, wenn im NeuenTestament den Aposteln ein Engel nachts die Gefäng-nistür öffnet! Sind die »Apokryphen« übertrieben, istes die Bibel auch.) Den hl. Eustathius holt ein Engelaus einem Fluß und dann eine Taube vom Himmel»zur Glorie der ewigen Freude«. Bei Stephanus, demvielgeprüften Abt, sind wenigstens bei seinem Tod»die heil. Engel« zugegen; kein Geringerer als PapstGregor I., »der Große«, bezeugt dies, und sie wurden»auch von den andern gesehen«. Wer wollte da nochzweifeln! Der hl. Kerkermeister Apronianus siehtzwar keine Engel, nicht jeder kann Engel sehn, hörtaber, als er den hl. Sisinius aus dem Gefängnis führt,eine Stimme vom Himmel: »Kommet, ihr Gebenedei-te meines Vaters ...« etc., worauf er gläubig wird undfür den Herrn stirbt. Ja, dieser selbst sozusagen erlei-det den Bekennertod, eines der tollsten Martyrien, inSyrien geschehen, das Martyrium »eines Bildes unse-res Heilandes«, welches von den Juden gekreuzigetward, und so viel Blut dabei vergoß, »daß die orienta-lischen und occidentalischen Kirchen reichlich davonempfingen«46.

Und natürlich prallen alle Verlockungen an denKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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christlichen Heroen ab. Keiner verrät seinen Glauben.Was immer man bietet, nichts macht sie wankend,keine Vorteile, Geschenke, Ehren. Umsonst offeriertein Richter die eigene Tochter zur Ehe. Umsonst ver-spricht gar ein Kaiser, eine Christin zu heiraten, um-sonst verspricht er ihr die Mitherrschaft und Ehren-säulen im ganzen Reich ...47

Die bekanntesten antiken Kirchenväter haben sichan den widerlichen Übertreibungen dieser Heldensageschamlos beteiligt. Das ganze achte Buch der Euse-bianischen Kirchengeschichte strotzt davon. Auf dereinen Seite die unausdenkliche Bosheit der christen-schändenden »Dämonendiener«, auf der anderen dieRuhmestaten der »wahrhaft wunderbaren Streiter«,über die alles hereinbricht, »Feuer, Schwert, Annage-lung, wilde Tiere, Meerestiefen, Abschlagen der Glie-der, Brenneisen, Ausstechen und Ausreißen derAugen, Verstümmelungen am ganzen Körper ...«. Bi-schof Euseb lügt »zahllose« Opfer zusammen »nebstkleinen Kindern«, auch jede Menge unglaublicher De-tails: »Und wenn die Bestien je zum Sprunge gegendie ansetzten, wichen sie, wie von einer göttlichenKraft angehalten, immer wieder zurück ...« »Ja, siejubelten und sangen dem Gott des Alls Lob- undDanklieder bis zum letzten Atemzuge«. Es sei ihm, sosagt der »Vater der Kirchengeschichte«, »unmöglich,die Zahl und die Größe der Märtyrer Gottes in Worte

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zu fassen«. Und gleich zu Beginn bekennt er, es»übersteigt unsere Kräfte, in würdiger Weise« diesalles zu schildern – wie wahr48.

Euseb selbst starb übrigens nicht den Heldentod.Ja, seine christlichen Gegner warfen ihm vor, er habein der Verfolgung geopfert oder wenigstens zu opfernversprochen; vielleicht eine Verleumdung. Doch hatteder große Blutzeugenbesinger, als es gefährlichwurde, sich abgesetzt und sogar die Christenverfol-gung Diokletians unversehrt überstanden. So vieleZehntausende von Märtyrern er gepriesen und er-schwindelt hat, er, der »Vater der Kirchengeschichte«,gehört nicht zu ihnen. Und warum sollte er auch?Kein einziger Bischof Palästinas starb den Märtyrer-tod49.

Dabei spürten die Märtyrer nach KirchenlehrerEphräm, dem wüsten Antisemiten (I 131 f), nach Kir-chenlehrer Gregor von Nazianz u.a. gar keine Peini-gungen. Nach den Kirchenlehrern Basilius und Augu-stin bereiteten ihnen die Foltern Genuß. Sie gehen,schreibt Kirchenlehrer Chrysostomos, über glühendeKohlen, als wären es Rosen, und stürzen sich insFeuer wie in ein frisches Bad. Prudentius, der größtealtchristliche Dichter des Abendlandes, im Mittelaltermehr als alle bewundert, berichtet das Martyriumeines kaum der Mutterbrust entwöhnten Kindes, daslächelnd die Streiche ertragen habe, die seinen kleinen

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Körper zerrissen. Natürlich nicht das einzige Fast-Säuglings-Opfer in der katholischen Glorienfabel!Auch von der schon etwas älteren hl. Agnes schreibtKirchenlehrer Ambrosius, der begnadete Auffinder sovieler Märtyrer (I 431 ff): »Bot denn überhaupt desKindes zarter Leib Raum für eine Todeswunde?« FürAmbrosius wie für alle seinesgleichen konnte kaumein Wunder wunderbar genug sein. »Hat doch selbsteine Eselin geredet, da Gott es wollte«. Andererseitsfreilich war das alles in den Schatten stellende Blut-zeugnis des hl. Georg dermaßen unsinnig, durch soverrückte Mirakel geprägt, daß es Kirchenmänner desOstens wie Westens in »Bearbeitungen« abge-schwächt haben, um es glaubhafter zu machen50.

Heilige wären keine Heiligen, wirkten sie nichtauch post mortem noch Wunder und gerade dann. Sowird der unfruchtbare Baum, an dem Papas nachüblen Folterungen stirbt, darauf fruchtbar. Das Hauptdes Mönchs Anastasius, samt seinem ehrwürdigenBildnis aus Persien nach Rom gesandt, vertreibt beiseinem bloßen Anblick die bösen Geister und heiltKrankheiten. Auch die Garderobefetzen des hl. Abra-ham bewirken wunderbare Errettungen, ebenso diezerteilte Decke, auf der Martin von Tours gelegen.Aus dem Leib des hl. Beichtigers Theodorus, eineswunderbaren Dämonenbanners, quillt Öl, das sie Sie-chen gesunden läßt. Das Wasser des Brunnens, in

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dem der hl. Isidor gar glorreich »gekrönt« wurde, ku-riert die Kranken wenigstens »zum öftern«. Doch sindjene, die, wie die Jungfer Agnes, »auch im Grabenoch mit vielfacher Gnadenwirkung« leuchten, garnicht zu zählen51.

Überhaupt brillieren auch Frauen, meist Jungfrauennatürlich, wobei auffällt, wie oft die Chronisten derChristen die schlimmen Heiden die katholischenJungfrauenbrüste abschneiden lassen: der hl. JungfrauAgatha werden die Brüste abgeschnitten, der hl. Jung-frau Macra, der hl. Jungfrau Febronia, der hl. Jung-frau Encratis, der hl. Märtyrerin Helconis, der hl. Cal-liopa usw. Von der hl. Jungfrau Anastasia der Älterenberichtet das Römische Martyrologium anschaulich:»Anastasia ward in der Verfolgung des Valerian unterdem Pfleger Probus mit Stricken und Banden gekne-belt, mit Backenstreichen, Feuer und Schlägen gepei-niget, und, als sie gleichwohl im Bekenntnisse Christiunbeweglich verharrte, wurden ihr die Brüste abge-schnitten, die Nägel ausgerissen, die Zähne einge-schlagen, Hände und Füße abgehauen, und zuletzt dasHaupt vom Rumpfe abgeschlagen, und eilte so zuihrem himmlischen Bräutigam«. Ein eindrucksvollerSchluß, fürwahr. Unter Konstantius läßt der »KetzerMacedonius«, also ein Christ, »den gläubigen Wei-bern« offenbar ganz systematisch die Brüste absäbelnund sie noch mit glühenden Eisen brennen. Und

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wachsen die Brüste auch nicht immer wieder an, oftsogar nicht, geschehen doch andere bemerkenswerteDinge durch die Damen.

Die hl. Jungfrau Agnes wird ins Feuer geworfen,ihr Gebet aber löscht es. Die hl. Jungfrau Juliana ver-schmäht den Landpfleger Evilasius als Ehegatten undübersteht sowohl Feuerflammen wie ein siedendhei-ßes Tropfbad. Auch die hl. Erotis überwindet, »vonLiebe zu Christo entzündet«, die Gluten. Ebenso blei-ben die unter Diokletian gepeinigten hl. JungfrauenAgape und Chionia mitten im Feuer heil. Die hl.Jungfrau Encratis überlebt (vorerst) trotz abgeschnit-tener Brüste und herausgerissener Leber, von anderenMartern zu schweigen. Auch die hl. Helconis, unterdem Kaiser Gordianus vielfachen Qualen ausgesetzt,überdauert die Amputation ihres Busens, den Wurfins Feuer und unter die wilden Tiere, bis sie endlichdoch dem Schwert erliegt. Die hl. Jungfrau Christina,schon schwer zerfetzt, rettet ein Engel aus einem See,in einem brennenden Ofen bleibt sie fünf Tage »un-verletzt«, übersteht auch giftige Schlangen, das Aus-schneiden ihrer Zunge, worauf sie freilich »den Laufihrer glorwürdigen Marter« (Römisches Martyrologi-um) beschließt52.

Bei der Christenverfolgung in Gallien 177 unterMark Aurel – die nach KirchengeschichtsschreiberEuseb »zehntausende von Märtyrern« kostete, wäh-

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rend nun im katholischen »Lexikon für Theologie undKirche« noch acht übrigbleiben! (I 200 ff, bes. 202) –»hatten die heiligen Märtyrer Qualen zu ertragen, diejeder Beschreibung spotten« (Euseb)53.

Besonders die hl. Blandina (Fest 2. Juni), einezarte Dienstmagd, sticht mit Kraftleistungen hervor.Vom Morgen bis zum Abend gefoltert, erschlafftnicht sie, sondern die Meute ihrer Peiniger. Bereitsam ganzen Körper zerfleischt, wird sie den wildenTieren vorgeworfen, gegeißelt, geröstet, und dies der-art, daß das Braten ihrer Glieder »sie in Fettdampfhüllte«. Nachdem man sie dann noch einmal gegei-ßelt, den wilden Tieren vorgeworfen, geröstet hat,segnet sie schließlich »das Zeitliche«54.

Der katholische Kirchenhistoriker Michel Cléve-not, der zwar betont, man habe damals gemäß den seitTrajan gültigen Gesetzen »nicht nach den Christen›gefahndet‹«, sondern sich damit begnügt, lediglichdie Angezeigten festzunehmen (für ihn, mit Recht, einerneuter Beweis dafür, »falls es dessen noch bedurfthätte, daß die römische Obrigkeit gegen die Christenkeineswegs feindselig eingestellt war«), spricht danndoch vom »Blutbad von Lyon« und singt einen länge-ren Hymnus auf die hl. Blandina. »Blandina, du Lieb-reizende, du arme Kleine, die von gebildeten Beam-ten, Humanisten, geschmückt mit Diplomen und Eh-rungen, der stumpfsinnigen Grausamkeit einer entfes-

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selten Masse zum Fräße vorgeworfen wurde, du bistdas Symbol all jener Opfer dieser entsetzlichenStaatsräson ... Du sorgtest dich wohl kaum um deinenKörper, Blandina, und du beklagtest nicht deineSeele. Du warst ganz, mit Leib und Seele, diesemJesus ergeben ...«55

Fast noch großartiger als die Heilige hielt sich dermit ihr gefolterte Diakon Sanktus. Nachdem man ihnschon jeder Art von Tortur unterzogen, zuletzt auchnoch die zartesten, empfindlichsten Teile seines Kör-pers mit glühenden Eisenplatten beschwert hatte, sodaß er eine einzige Wunde, gänzlich zerstoßen, ver-brannt, entstellt war, voller Geschwüre, Entzündun-gen, Blut, wurde er zwei Tage später wieder torturiert,alles erneut aufgerissen, doch auf wunderbarste Weiseauch alles wieder heil. Pumperlmunter, gesund undkräftig stand er von der Folter auf. »Wer in der Kirchedie Großen waren? Ausschließlich die Märtyrer« (Ka-tholik van der Meer)56.

Sanktus, Blandina und Genossen verbrannte manund warf ihre Asche, nach dem Zeugnis des hl. Bi-schofs Gregor von Tours, in die Rhone, wo sie frei-lich auf wunderbare Weise – das kann man sagen –wieder gefunden und zu Lyon beigesetzt wurde. Derweitaus berühmteste Christ dort, der hl. Irenäus, zuBeginn der Verfolgung noch in der Stadt, befand sichdann rasch auf einer Dienstreise in Rom, wurde aber

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später noch Märtyrer – auf dem Papier57.

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Die »Erzmärtyrerin«

Als erste Märtyrerin überhaupt, als »Erzmärtyrerin«,gilt die hl. Thekla, obgleich sie durch ein Wunder ent-kommen sein soll – so fürchterlichen Peinigungen,wie die von einem Katholiken gefälschten und denganzen christlichen Erdkreis erbauenden »Akten desPaulus und der Thekla« beweisen, daß man sich fragt,wer all dies heute selbst von den Gläubigen nochglaubt. Doch die größten Kirchenlehrer, Gregor vonNazianz, Johannes Chrysostomos, Ambrosius, Hiero-nymus, Augustinus und andere haben über sie berich-tet, sie gerühmt.

Als schöne Tochter eines reichen »Götzenprie-sters« zu Ikonium geboren, öffnet Gott durch die Ent-haltsamkeits-Predigt des hl. Paulus ihr Herz. Er ent-flammt sie für Keuschheit, so daß sie sich ihrem Ver-lobten Thamyris verweigert, dafür aber, in Männer-kleidern, mit dem hl. Völkerapostel durchbrennt. Zu-rückgebracht bieten der Bräutigam und die ganze göt-zendienerische Verwandtschaft alles zur Wiederge-winnung der christlichen Gottesbraut auf – vergeb-lich. Paulus wird gegeißelt, verjagt, Thekla, vonihrem Bräutigam und der eigenen Mutter als Christinverklagt, splitternackt fürchterlich brüllenden Leopar-den, Löwen, Tigern vorgeworfen. Doch die Bestien

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lagern sich wie Lämmer zu ihren Füßen und beleckensie ganz lieb. »So wunderbarer Zauber liegt über derJungfräulichkeit«, schwärmt Kirchenlehrer Ambrosi-us, »daß ihr selbst Löwen ihre Bewunderung bezeu-gen: ob auch hungrig, der Fraß verleitete sie nicht; obgereizt, das Ungestüm riß sie nicht fort; ob aufgesta-chelt, die Wut entflammte sie nicht; ob daran ge-wöhnt, die Gepflogenheit beirrte sie nicht; ob wild,die Natur hatte sie nicht mehr in ihrer Gewalt. Siewurden Lehrer der Frömmigkeit, indem sie der Märty-rerin huldigten, ebenso Lehrer der Keuschheit, indemsie der Jungfrau nur die Füße kosten, die Augengleichsam aus Schamhaftigkeit zur Erde gesenkt, daßnichts Männliches, und wäre es auch tierischer Art,die entblößte Jungfrau anblicke«. Ogottogottogott!

Nun kommt die Gottesbraut in Rom auf den Schei-terhaufen. Doch inmitten der lodernden Flammenbleibt sie unversehrt. Sie landet in einer Schlangen-grube, wo aber die gräßlichen Nattern, noch ehe sieThekla wieder zärtlich belecken können, aus sprich-wörtlich heitrem Himmel ein Blitz erschlägt. Auchspäter entgeht sie allen Nachstellungen Satans. Ein-mal zwar stürzt sie sich schon mit dem Ruf: »ImNamen Jesu Christi empfange ich am letzten Tage dieTaufe« in ein Bassin voller Seehunde. Doch ist's auchjetzt nicht aller Tage Abend. Die Seehunde tötet einweiterer Blitzstrahl, und von zwei wilden Stieren, an

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die man sie fesselt, wird sie wunderbar befreit. DerBräutigam stirbt, sie begleitet den hl. Paulus noch aufmehreren apostolischen Reisen, versammelt anderefromme Jungfrauen um sich und predigt bis ins höch-ste Alter. Und wenn sie nicht gestorben ist, lebt sienoch heute.

Wer's nicht glaubt: die meisten Kirchenväter, dar-unter der hl. Chrysostomos, der hl. Augustin, feiernThekla um der vielen Leiden willen, derer sie gewür-digt ward, als Märtyrerin und rühmen ihre jungfräuli-che Reinheit; der Dom zu Mailand, wo man sie alsSchutzheilige verehrt, besitzt auch Reliquien von ihr,hatte sie zumindest im 19. Jahrhundert noch, und diehl. katholische Kirche begeht das Fest der hl. Theklaweiter am 23. September58.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird voneinem katholischen Theologen (mit Imprimatur) ineiner »Kirchengeschichte für Schule und Haus« diesMartyrium mit all den Wundern, durch die Gott seineDienerin schützte, als bare Münze ausgegeben. Undauch die katholische »Forschung« findet hier »Körnergeschichtlicher Wahrheit«. Wie Otto Bardenhewer,einst Doktor der Theologie und der Philosophie, Apo-stolischer Protonotar und Professor der Theologie ander Universität München, denn auch weiter betont:»Die reichen Zeugnisse der späteren kirchlichen Lite-ratur über Thekla können nicht in Bausch und Bogen

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auf die Akten zurückgeführt werden. Bedenklichersteht es um den historischen Wert des Porträts desApostels. Gegen Eingang wird Paulus beschrieben als›ein Mann klein von Statur, kahlen Kopfes, mit krum-men Schienbeinen, gewandt in seinen Bewegungen(euektikós), mit zusammengewachsenen Augenbrau-en, ziemlich langer Nase, voller Anmut; bald nämlicherschien er wie ein Mensch, bald hatte er das Ausse-hen eines Engels‹«59.

Die katholische Seelsorge aber steuert dazu das»Kirchengebet« bei: »Wir bitten dich, allmächtigerGott! verleihe uns, die wir das Andenken deiner hl.Jungfrau und Martyrin Thecla feiern, daß wir beiihrem jährlich wiederkehrenden Feste für die wahrehimmlische Wonne stets empfänglicher und zur Nach-ahmung ihres heldenmütigen Glaubens immermehrentzündet werden. Amen.« Übrigens: »Mit Approba-tion des Hoch würdigsten Bischöflichen OrdinariatesAugsburg und mit Erlaubnis der Obern«, nämlich derdes Kapuzinerordens. Motto dieses Hausschatzes (mit»Lehre und Gebet für jeden Tag des Jahres«): »Nimmund lies! ›Wer vermag es würdig auszudrücken undnur zu denken, welch einen mächtigen Antrieb zumHeile das Leben der Heiligen Gottes und ihre Tugen-den frommen Gemütern, die sie betrachten, verschaf-fen? Der Glaube wird dadurch befestigt, die Gottes-furcht genährt, die Verachtung der Welt (!) erzeugt,

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das Verlangen nach den überirdischen Dingen er-weckt.‹ Hl. Paschasius«60.

Welch edle katholische Form all dies annehmenkann, machen Ludwig Donin deutlich und sein Stan-dardwerk »Leben und Thaten der Heiligen Gottesoder: Der Triumph des wahren Glaubens in allenJahrhunderten. Mit Angabe der vorzüglichsten Ge-schichtsquellen und praktischer Anwendung nach denbewährtesten Geistesmännern« und »Mit Genehmi-gung des hochwürdigsten fürsterzbischöflichen Ordi-nariates von Wien«. Zeigt es doch folgende»Anwendung« aus dem Leben der hl. Thekla: »Unse-re Hausgenossen, unsere Eltern, unsere Freunde sindoft unsere grausamsten Feinde. Die fleischliche undunordentliche Liebe (!), die sie zu uns haben, verursa-chen mehr Übel, als der Haß der Teufel. Sie setzensich unseren guten Absichten entgegen, die wir haben,uns Gott hinzugeben; und ihre Schmeicheleien habenoft mehr Macht, uns entweder vom Guten abzuhaltenoder zum Bösen zu verleiten, als die Drohungen undPeinen der Tyrannen«. Dazu, im Sperrdruck, ein Wortdes hl. Cyprian: »Fremde Treulosigkeit hat uns zuGrunde gerichtet, unsere Eltern sind Mörder«. Die-sen Haß auf Freunde, Nächste, selbst die eigenen El-tern, stehn sie kirchlichen Zwecken im Weg, lehrt dasChristentum seit fast zweitausend Jahren (vgl. I 152ff) und hat vielleicht allein dadurch mehr Unglück

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2.322 Deschner Bd. 3, 216Die »Erzmärtyrerin«

heraufbeschworen als mit allen Scheiterhaufen61.Als die Märtyrer ausstarben, jedenfalls auf katholi-

scher Seite, begannen besonders die Mönche, aberauch jede Menge Bischöfe, eine wunderbare Rolle zuspielen.

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Mönche und Bischöfe als Wundermänner

In nachkonstantinischer Zeit lebte der Wunderglaubein der Kirche stark auf und, kein Zweifel, was sie vor-dem an den Heiden verdammte, pflegte sie jetztselbst, ja, suchte sie noch »durch die forsche Behaup-tung größeren und durchschlagenderen Erfolges zuübertreffen« (Speigl). Alle Welt, Laien, Kleriker,sogar Kaiser glaubten im 4., 5. Jahrhundert immerschrankenloser an Wunder, und noch an die seltsam-sten. Keinerlei Kritik ist mehr spürbar, man denkt un-selbständig, steril, jede geistige Kraft erlahmt. DieMärtyrer zwar büßen jetzt, da es keine mehr gibt, ihreAusnahmestellung ein. Doch dafür präsentiert manden Gläubigen neue »Vorbilder«: Mönche, Asketen,Wüstenheilige, die »Athleten des Exils«, die »Ring-kämpfer Christi« (S. 345 ff), die man noch unge-hemmter verehrt als die Märtyrer, von denen manmanche, wie einen gewissen Paphnutius, »eher füreinen Engel als für einen Menschen« hält (Rufinus).Und obwohl schon ihr Dasein an sich wirklich wun-derlich genug ist, tun sie Wunder obendrein. »Dennnoch heute«, behauptet um 420 Bischof Palladius,Verfasser der »Historia Lausiaca«, einer vielzitiertenSammlung von Mönchsgeschichten, »erwecken sieTote und gehen wie der heilige Petrus auf dem Was-

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ser ...« Ein leibhaftiger Beweis gleich: der weinendeWandereremit Bessarion. Gelassen spaziert er überdie Fluten des Nils, und er erweckt Tote, wenn auchnur versehentlich, weil er sie für Kranke hielt – dasTränenwasser in seinen Augen hat ihn wohl ge-täuscht; sonst hätte ihm seine Bescheidenheit dasWunder verboten!62

Dabei konzentriert sich das Interesse der Christendoch gerade wieder auf das Wunder, das diese ideali-sierten, verhimmelten Existenzen ja erst zu Heiligenmacht; einen Heiligen ohne Wunder gibt es nicht; zu-mindest erfordert dies die populäre Vorstellung. Dochauch offiziell sind seit einem Jahrtausend wenigstenszwei oder drei vom Papst beglaubigte Wunder Vor-aussetzung einer Kanonisation. In der Antike aber istohne Wunder überhaupt keine Heiligen-»Biographie«denkbar. Die Wunder sind ihr »eindeutiges Kennzei-chen« (Puzicha). Und in der gängigen Vitenliteraturwerden die historisch-individuellen Züge des Heiligen»stark stilisiert, verzeichnet oder gar frei erfunden«(Schreiner). Ohne Zögern übertragen christliche Le-gendenfabrikanten auch Wunder des einen Heiligenauf andere Heilige, obwohl sie von diesen nie »be-zeugt« worden waren, ihnen freilich ebenso heilig zuGesicht stehen wie irgendeinem sonst63.

Die christlichen Mönchshistoriker sind etwa so zu-verlässig wie die christlichen Martyriumshersteller.

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Daß sie feierlich beteuern, nur die Wahrheit zu schrei-ben, nichts erfunden, alles vielmehr selbst gesehen,gehört oder doch von Augen- und Ohrenzeugen über-nommen zu haben, all das ist in der Regel »reine Fik-tion« (Lucius). Ebenso erschwindelt sind gewöhnlichdie Reisen, die sie oder ihre Gewährsmänner zu vielenWüstenheiligen gemacht haben wollen. Die meistendieser Berichte entstammen irgendwelchen Büchernoder ihrer Phantasie und waren literarische Gepflo-genheiten, denen schon die Heiden ausgiebig gehul-digt hatten64.

Die abseitige Existenz der Mönche, der Reklusenwar für den Wunderglauben wie geschaffen. Beson-ders mit dem ägyptischen Mönchtum im 4. Jahrhun-dert wird der christliche Mirakel- und Dämonenwahnimmer aberwitziger und überallhin verbreitet. Räuberwerden auf der Stelle festgebannt, Tote wieder leben-dig, Dämonen brüllen und winden sich vor einer Reli-quie. Leibhaftige Engel verpflegen Asketen in Mini-maldiät, die christlichen Helden überqueren den Nilzu Fuß oder auf dem Rücken eines Krokodils, ja, aufihr Geheiß steht die Sonne wieder einmal stundenlangstill65.

Diese demütigen Mönchswundertäter wurden fastwie Götter verehrt, wie Engel im Himmel. Ihre Besu-cher näherten sich voller Scheu, sanken vor ihnen zuBoden, umfaßten ihre Knie. Man begehrte ihren Rat

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in Glaubensfragen, gestand ihnen bereitwillig tyranni-sche Gewalt zu, selbst Kaiser sollen sich glücklichgeschätzt haben, sie an ihrer Tafel bewirten zu dürfen.Einigen errichtete man noch bei Lebzeiten Kirchen –meist ein aufwendiger Bestechungsversuch, der denHeiligenleib als Reliquie sichern sollte, da manglaubte, die Wunderkräfte des Lebenden wirkten auchin den toten Gebeinen fort66.

Herrliche Wohlgerüche dieser Verstorbenen sindfast obligatorisch. Sogleich nach dem Verscheidendes Säulenheiligen Symeon und des hl. Johannes vonEleemos verströmen die Leichen köstliche Düfte. Undder Leib des hl. Hilarion verbreitet bei der Überfüh-rung von Cypern nach Syrien ein Aroma, als wäre ermit Salben bestrichen worden67!

Angeblich der erste christliche Mönch, der hl. Pau-lus Eremita (Fest 15. Januar), der »Ureremit«, wirdähnlich wie bereits der Prophet Elia ernährt: sechzigJahre lang läßt ihm Gott durch einen Raben täglichein (halbes) Brot servieren. Beim Besuch des hl. An-tonius aber bringt der Rabe zwei Brote. Und als An-tonius, schon wieder auf dem Heimweg, den Tod desPaulus »schaut«, umkehrt und nicht weiß, wie er den(113Jährig) Entschlafenen bestatten soll, kommenzwei jämmerlich heulende Löwen und scharren ihmein Grab. 97 Jahre lebte dieser Heilige »allein in derWüste« (Römisches Martyrologium) – wenn er gelebt

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hat, was höchst unwahrscheinlich ist. Erklärte dochsogar ein Papst, Benedikt XIV. (1740–1758), dieEintragung ins Römische Martyrologium beweise kei-nesfalls die Heiligkeit, ja, nicht einmal unbedingt dieExistenz einer bestimmten Person68!

Dem hl. Antonius gehorchen in seinem von Dämo-nenkämpfen und Teufelsvisionen durchtobten Lebendie wilden Tiere wie heute den Dompteuren im Zir-kus. Er heilt Kranke, eine Jungfrau darunter, derenAbsonderungen aus Augen, Nase, Ohren auf der Erdesofort zu Würmern wurden. Die Seele eines Mönchs-kollegen Ammun, des Gründers der (südöstlich vonAlexandrien gelegenen) nitrischen Mönchskolonie,sieht er stracks zum Himmel fahren, war Ammundoch gleichfalls ein großer Wundertäter (und hatteauch mit seiner Frau seit ihrem Hochzeitstag achtzehnJahre lang ganz keusch und rein zusammengelebt)69.

Der Einsiedler Zosimus verlor einst sein Lasttierdurch einen Löwen. Darauf belud Zosimus denLöwen, der, freundlich schweifwedelnd und ihm dieHände leckend, offenbar nur darauf gewartet hatte undsetzte mit ihm seine Reise nach Caesarea fort. DieSache wird noch in einer Kirchengeschichte (mit Im-primatur) des frühen 20. Jahrhunderts als Faktum an-geführt. Der Mönch Eugenios der Ägypter blieb –wieder einmal (vgl. S. 211) – in der Glut des Back-ofens unversehrt und verhalf seinem bischöflichen

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Freund Jakob von Nisibis, berühmter Wundertäterseinerseits und als »Moses Mesopotamiens« gefeiert,zum Auffinden einer kostbaren Reliquie, einer Plankevon der Arche Noahs, ausgegraben auch noch mitHilfe eines Engels. Der hl. Makarios heilt einen Dra-chen, der vor seinem Helfer dankbar aufs Knie sinkt,sich verneigt und ihm die Kniescheibe küßt; währendein weiterer Drache, den der hl. Symeon heilt, zweiStunden lang das Kloster seines Wohltäters anbe-tet70!

Diese antiken Mönche können einfach alles. Mitgeweihtem Wasser oder Öl kurieren sie kranke Tiereebenso wie »verhexte« Ehemänner. Sie heilen dieschlimmsten Formen von Besessenheit, darunterFrauen, die auf einmal dreißig Hühner verspeisen.Einen das Land heimsuchenden Heuschrecken-schwarm läßt etwas Weihwasser wie vor einer Mauerstehn. Räuber streckt schon eine Geste der Asketen zuBoden, Tote erwecken sie zum Leben. Fehlt es anTrinkbarem, zaubern sie es per Gebet herbei oder sieverwandeln Meerwasser in Süßwasser. Delikates Broterhalten sie täglich oder am Sonntag direkt aus demJenseits. Einige beziehen von dort zum Wochenendauch Leib und Blut des Herrn, unter ihnen der hl.Onophrius. Und sind sie verwirrt, weisen ihnen vomHimmel hängende Hände den Weg. Bekannt durchseine Heilwunder in der Sketis ist der Mönch Benja-

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min – ihn selbst aber quält eine so üble Wassersucht,daß man zuletzt die Türpfosten seiner Zelle abbrechenmuß, um seine Leiche entfernen zu können. Kirchen-lehrer Hieronymus berichtet detailreich die glücklicheVertreibung eines Dämons aus einem Kamel. BischofPalladius, ein Freund des hl. Chrysostomos, meldet inseiner »Historia Lausiaca« (die, trotz allem, so Ka-tholik Kraft 1966, »der wirklichen Geschichte sehrnahe« komme) die Verwandlung einer Frau in eineStute71.

Die prominentesten Kirchenväter stehen diesemBlödsinn so unkritisch gegenüber wie die christlichenMassen. Zumindest tun sie so. Noch die krassestenAlbernheiten verteidigen sie. Ja, sie nennen die Mön-che Engel in Menschengestalt, wahre Söhne des Lich-tes, vollkommene Tugendhelden. Athanasius, Ambro-sius, Hieronymus, Augustin stimmen da überein. Weraber diese Mönchswunder nicht glaubt, der ist für dieKirchenführer geistig verkommen, glaube er dochauch nicht an das Evangelium, glaube auch nicht andie großen Wunder im Alten Testament. Es sei diesel-be Gnade, die in allen wirke – was ja wohl stimmt.Zweifler brandmarken sie als »Ketzer«, Heiden oderJuden72.

Auch wenn die (christliche) Forschung nun dazuneigt, Wunder – welche?! – nicht mehr als pure Erfin-dung, Betrug abzutun, wenn sie davon ausgeht, daß

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Hagiographen die Mirakel als Realität ansehen, sosind sie doch schwerlich Realität gewesen! Und diemeisten dieser hanebüchenen Stücke, die uns diefrommen Fabelmeister zumuten, haben sie doch selbstnicht geglaubt73.

Nach den Märtyrern und Asketen gewannen auchdie Bischöfe die Verehrung der Gläubigen. Zumindestin manchen sah man die Repräsentanten des Kampfesgegen das Böse, zumal gegen die »Ketzerei« (desArianismus), womit ja neue Zeiten der Verfolgungausbrachen. Katholische Bischöfe wurden gefangen-gesetzt, verbannt, gelegentlich getötet. Also erblickteman nun in den Kirchenführern – und gewiß nichtohne ihr eigenes Zutun – die neuen Bekenner, dieVerwirklicher christlicher Tugenden und feierte siewie die Asketen, die es ja auch unter ihnen gab. Gera-de asketische Oberhirten, die »Engel im Fleische«,ließ man Teufel austreiben, Kranke heilen, sogar zahl-reiche Naturwunder tun. Den Bischöfen Barses vonEdessa, Epiphanius von Salamis, Akakius von Beröasagte man Wunder nach. Der Bischof Porphyrius vonGaza erlangt Regen durch sein Gebet und stillt einenSturm. Der Bischof Donatus von Euröa tötet einenDrachen, indem er ihn anspuckt74.

Ein beachtliches Mirakel berichtet Faustus von By-zanz vom hl. »Oberbischof« Nerses. Durch den aria-nischen Kaiser Valens mit 72 Bischöfen und Priestern

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auf eine wüste, wasserlose Insel exiliert, droht ihnenallen der Hungertod. Doch der Mann Gottes weißHilfe. Nach einer langatmigen Predigt, in der er vieleWunder des Alten Testaments herzählt, an die Wohl-taten und Macht des Herrn erinnert und endlich allenbefohlen hatte, das Knie zu beugen, um der Men-schenliebe Christi würdig zu werden, da »entstand aufdem Meere ein gewaltiger Sturm, und begann diesersehr viele Fische auf die Insel zu werfen, bis Haufenzu Haufen auf dem Boden der Insel sich sammelte,und zugleich auch viel Holz. Als die Verbannten dasHolz aufgelesen und gesammelt hatten, dachten sie,daß Feuer nötig sei, mit welchem sie das Holz ver-brennen könnten. Plötzlich flammte das Holz vonselbst entzündet in Feuer auf ... Als sie gespeist hat-ten, satt geworden waren, und ihnen das BedürfnisWasser zu trinken kam, stand der hl. Nerses auf undhöhlte den Sand auf der Insel aus, und es entsprangeine Quelle, süßes angenehmes Wasser, und es tran-ken dort beständig alle, die auf der Insel waren.«

Dies aber wiederholte sich nun dauernd. Stets vonneuem warf die See den Verbannten die »vom Herrngeschenkte Speise« zu, gab der hl. Nerses, der selbstnur sonntags etwas aß, »ihnen Stärkung die neunJahre, die sie auf der Insel waren«75.

Auch der Stellvertreter des Katholikos, der hl. Bi-schof Chad von Bagravand, stand kaum hinter seinem

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Herrn zurück. Er wirkte, schreibt Faustus, »gar vielesehr große Wunder. Wenn er die Armen bediente, soleerte er alle ganz und frisch gefüllten Weingefäßeund ließ er allen Kellervorrat an die Armen verteilen;wenn er wieder kam, sah er Gefäße und Keller vonselbst, wie auf Befehl Gottes, gefüllt; er kehrte Tagfür Tag zurück und versorgte die Armen, und jenewaren stets gefüllt. Derartige sehr große Zeichen ge-schahen durch jenen Mann; er war bewundert, be-rühmt und geehrt in ganz Armenien. Er wanderteumher, beriet und belehrte die Kirchen Armeniens anallen Orten, wie sein Lehrer Nerses. Eines Tageskamen Diebe und stahlen die Rinder der Kirche des h.Bischofs Chad, nahmen dieselben und gingen weg.Jedoch an einem Tage waren die Augen der Diebe ge-blendet. Diese kamen nun in sinnlosem Tappen undbrachten alle Rinder an die Türe des h. Chad. Dieserging hinaus, sah sie und pries den Herrn, daß er einsolcher Leiter und Fürseher seiner Gläubigen sei. DerBischof Chad betete und heilte die Augen der Diebe;er befahl ihnen, sich zu waschen, stellte ihnen Essenvor und erfreute sie gar sehr. Dann segnete er sie, gabihnen die Rinder, die sie gestohlen hatten, und ließ sieihres Weges ziehen«76.

Ach, die guten, guten Kirchenfürsten. Genau sokennen wir sie aus der Geschichte! (Im Mittelaltermußten entwendete Kirchenschätze vierfach, nach

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dem alemannischen Recht siebenundzwanzigfach zu-rückerstattet werden.) Doch um die Menschen zu gän-geln, war jedes fromme Gefasel recht – im Osten wieim Westen.

Martin von Tours, »seit seiner frühesten Jugend ...›heilig‹« (Goosen), dann vom Bischof Hilarius vonPoitiers zum Exorzisten ernannt, vollbringt im späten4. Jahrhundert ein Wunder nach dem anderen; selbstdie Kaiserin reicht ihm so das Handwasser »und dien-te ihm bei Tische wie eine Magd« (Walterscheid).Eine bereits fallende, vom Heidentum hochverehrteFichte hielt Martin durch ein bloßes Kreuzeszeichenvon sich ab und lenkte sie auf die andere Seite, wo sie»vernichtend« niederfiel. In Trier heilt der Heiligeeinen »besessenen« Koch, auch eine junge Gelähmtedurch einen Öltrank. Er heilt auch durch bloße Berüh-rung, ja, schon sein Name hat oft wunderbare Kraft.In Vienne erlöst er Paulinus von Nola von einer Au-genkrankheit. Einmal befreit er eine Kuh von einembösen Geist. Die Kuh sinkt danach aufs Knie undküßt dem Heiligen die Füße (vgl. S. 219). Ein andresMal läßt er eine ganze Prozession, die er für eine»Götzenprozession« hält, versteinern, bis er seinenIrrtum erkennt und sie wieder in Bewegung setzt. Alser eines Tages einen Katechumenen aus einem Anfallvon Starrsucht reanimiert, spricht man gleich voneiner Auferstehung. Und nachdem er gar einen Ge-

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hängten wieder lebendig gemacht, ist er berühmt. DreiMenschen erweckte er vom Tod – doch war er »keinScharlatan« (Clévenot). Er hinterließ keine Zeile –nur Wunder. Nähme man sie ihm, wäre es nicht an-ders, als nähme man »von Mozart die Musik« (Katho-lik Mohr)77.

Ein großer Wundertäter im Westen ist der hl. Be-nedikt, den versiertesten Spezialisten des Alten Testa-ments ebenbürtig, ja beinah Jesus. Wie Moses läßtBenedikt für seine Brüder Wasser aus dem Felsenströmen. Wie der Prophet Elia wirkt er ein Ölwunderzur Zeit einer Hungersnot. Gleichwohl ist der Heiligenicht recht beliebt. Doch als ihn seine Mönche durchGift im Wein umbringen wollen, erkennt er den Gift-trank ebenso wie er das vergiftete Brot als solches er-kennt, das ihm der Priester Florentinus schickt. Auseinem »besessenen« Kleriker treibt er einen Dämonaus, zwei Menschen erweckt er vom Tod. Am ambi-tiösesten aber ist wohl das Wunder, das sehr an einevangelisches erinnert. Denn wie Jesus den Petrusübers Wasser gehen ließ, so läßt Benedikt seinen Jün-ger, den hl. Maurus, »mit trockenen Füßen auf demWasser« wandeln (Römisches Martyrologium). »OWunder, nicht gehört seit Petrus, dem Apostel!« ruftKirchenlehrer Papst Gregor I., »der Große«, der alldies Wunderbare überliefert und noch neue Mirakeleinführt, Benedikts Gabe des Fernwissens, der Weis-

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sagung. So prophezeit Benedikt u.a. Aufstieg undTod des Königs Totila (gest. 552), was Gregor »derGroße« (gest. 604) Benedikt freilich leicht voraussa-gen lassen kann – der alte Schwindel78.

Da im Christentum – das durch alle Ewigkeitenstraft für ein kurzes Erdenleben – zumindest praktischdie Strafe eine viel größere Rolle spielt als die »Erlö-sung«, wurden Strafwunder bald sehr beliebt, wennauch hierbei natürlich das Heidentum (u.v.a. mit sei-ner »mala manus«) vorausgegangen war. SelbstMaria, die barmherzige Jungfrau und Gottesmutter,wirkt eine ganze Reihe wunderbarer Strafen. Sie läßtRäuber erblinden, verweigert einer »Ketzerin« denZugang zur Grabeskirche, bis die Böse sich bekehrt.Oder sie schneidet einem Schauspieler, der sie auf derBühne – trotz ihrer wiederholten, warnenden, drohen-den Traumerscheinungen – immer weiter gelästerthatte, Hände und Füße ab, indem sie diese mit demFinger berührt79.

Durch Strafwunder glänzen auch schon die Apostelim Neuen Testament. Elymas etwa wurde ein Opferapostolischer Nächstenliebe und Wunderkunst; war erdoch ein Mann, der »die geraden Wege des Herrn«krumm machte, ein »falscher Prophet«, »ein Jude«,»Kind des Teufels, voll aller List und aller Bosheit,Feind aller Gerechtigkeit« – Paulus, »voll heiligenGeistes«, läßt ihn erblinden. Und Petrus schickt den

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armen Ananias, samt Gattin Saphira, weil sie nichtihr ganzes Geld gegeben, gleich in die Hölle (S.436)80.

Als vor Jakob von Nisibis einst bei einem Brunnenwaschende Mädchen weder flohen noch ihre ge-schürzten Kleider herunterließen, verfluchte er sie,daß sie mit einemmal zu alten Weibern wurden.Kaum minder eindrucksvoll straft der hl. Apollonius.Zur Zeit des »abtrünnigen« Kaisers Julian (I 325 ff)läßt er eine ganze Versammlung von Heiden, dieihren Gottesdienst zelebrierten, in Unbeweglichkeiterstarren, »so daß sie, nachdem sie unter der unerträg-lichen Hitze gelitten hatten, von den Strahlen derSonne wie verbrannt waren ...«. Dies Wunder an denverdammten Heiden – die übrigens, wie dann dieChristen, auch ihren »Götzen« in einer Prozessiondurch die Flur trugen, »um vom Himmel Regen zu er-langen« (Rufinus) – war sicher von hohem Symbol-wert und zukunftsweisend, nichts anderes nämlich alseine sinnbildliche Niedermetzelung der Altgläubigen.Es glich, schreibt Jacques Lacarrière, »zu sehr dem,was später geschichtliche Wirklichkeit wird, um nichtschlicht und einfach der literarische Ausdruck unbe-wußter christlicher Wünsche zu sein«. Und wer weiß,ob es unbewußte waren! Bei dem Schreiber der Vitades hl. Pachomius (S. 227 f) jedenfalls nicht. Trat dadoch, als Gegner eine seiner Bauten verhindern woll-

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ten, »plötzlich ein Engel des Herrn hinzu und ver-brannte sie alle«81.

Nicht immer ruiniert man »nur« Menschen. In vie-len Wundergeschichten werden vor allem Göttersta-tuen zerschmettert, zum Verschwinden gebracht. Derhl. Thomas befiehlt einem Dämon in einem Götterbilddessen Zerstörung im Namen des Herrn Jesus Chri-stus – »und es zerfloß wie Wachs«. Johannes zer-bricht durch sein Gebet im ephesinischen Artemistem-pel mehr als sieben Götterfiguren. Nach dem Gebetdes hl. Theodoros, Bischofs von Paphos, nickt Gott,und schon fallen die Götzenbilder um. In anderen Le-genden wird die Statue Julians von einem Blitz ver-nichtet oder das Aphrodite-Idol in Gaza beim Einzugdes Kreuzes in den Tempel82.

Der hl. Maurilius, Bischof zu Angers (gest. 417),beseitigt mittels eines Strafwunders – Feuer vomHimmel – einen ganzen Tempel. Er befreit einenSklaven, indem er betend den Sklavenhändler tötet.Dann aber erweckt er ihn wieder; schließlich mußtenicht immer, wenn auch auf noch so wunderbareWeise, gestraft werden. Ein krankes Kind aber, dasdessen Mutter bringt, stirbt, weil Maurilius geradeMesse liest und die hl. Handlung nicht unterbrechenwill. So fühlt er sich schuldig und entschließt sich zueinem Büßerleben. Heimlich fährt er zu Schiff nachEngland. Da fallen ihm auf hoher See die Schlüssel

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zum heimischen Reliquienschatz ins tiefe Meer. Ergelobt, nicht ohne die Schlüssel zurückzukehren.Während er drüben als Gärtner lebt, folgen ihm Botenseines Bistums. Bei der Überfahrt springt ein großerFisch in ihr Schiff – im Bauch den verlorenen Schlüs-sel des Oberhirten. In England finden sie auch diesenselbst, er kehrt zurück, läßt das während seiner Messegestorbene Kind exhumieren und erweckt es augen-blicklich zum Leben. Noch manche Wunder wirkt derhl. Bischof so. Noch bei seiner Beerdigung gesundetein seit Jahrzehnten Bettlägeriger und zwei Blindewerden sehend durch seine Fürbitte83.

Seit dem 5. Jahrhundert wuchert die Heiligenlitera-tur in der ganzen christlichen Welt. Allein der hl. Bi-schof Gregor von Tours berichtet im nächsten Säku-lum mehr als zweihundert Wunder: über vierzig Hei-lungen von Gichtbrüchigen und Gelähmten, über drei-ßig Blindenheilungen, ferner Heilungen von Besesse-nen, Stummen, auch mehrere Totenerweckungen. Manschrieb, gut erzogen, aufgeklärt, wie man schon war,den Heiligen sogar Briefe, deponierte sie nebst Blattfür Rückantwort auf ihren Gräbern oder einem Altar –und nach kurzer Zeit bereits, o Wunder, fand mandort die Mitteilung des Heiligen in ganz irdischenSchriftzeichen vor. Mit Engeln verkehrt man häufig.Visionen, vor allem in der Nacht, waren fast gewöhn-lich84.

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2.339 Deschner Bd. 3, 226Visionen wie Bienenschwärme

Visionen wie Bienenschwärme

Die Echtheit der Visionen sieht der Katholizismusdurch die Visionen des Alten und Neuen Testamentsgesichert. Darüber hinaus aber hat es an Visionen,Offenbarungen, Schauungen im Christentum bis indie Neuzeit nie gemangelt – auf allen Seiten! So sehrman einander befehdet, zerfleischt oft – der Himmelwar ganz gerecht und teilte sich allen mit. Doch Vi-sionen der Gegner konnten natürlich nicht echte Vi-sionen sein. »Wenn sie etwas Neues behaupten«, sagtTertullian von den Valentinianern, »nennen sie ihreDreistigkeit sogleich eine Offenbarung und ihren Ein-fall ein Gnadengeschenk«. Das war in der Tat dieTaktik aller Christen85.

Paulus hat seine berühmten Gesichte – nach ge-nauen religionsgeschichtlichen Vorbildern, mit Paral-lelen bei Homer, Sophokles, Vergil, vor allem abermit verblüffenden Ähnlichkeiten in den »Bakchen«des Euripides und in der alttestamentlichen Heliodor-legende. Einer bekannten montanistischen Prophetinerscheint, mit glänzenden Gewändern geschmückt,Christus als Frau und legt »die Weisheit« in sie. ZumValentinianer Markus steigt, ebenfalls in femininerForm, gleich die allerhöchste Vierheit von unsichtba-ren, unnennbaren Orten herab und offenbart ihm, was

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sie bisher weder Göttern noch Menschen enthüllt, ihreigenes Wesen und die Entstehung des Alls86.

Besonders den Asketen fliegen die Visionen zu wiedie Bienen dem Bienenschlag. Die irrsinnige Kastei-ung (vgl. S. 345 ff), durch die sie Geist und Körpermalträtieren, anhaltendes Fasten, Wachen, ein hypo-tropher Gespensterwahn inmitten oft entsetzlicherEinsamkeit machen sie von vornherein anfällig für»Erscheinungen«. Je mehr Selbstpeinigungen, Dä-monenkämpfe aber, je mehr Halluzinationen, Visio-nen, Auditionen, desto weniger Sinn für die übrigeWelt.

Der hl. Antonius, so asketisch, daß er sich wederwäscht noch badet, hat derart dauernd Kontakt mitüberirdischen bzw. unterirdischen Mächten, daß erdie berühmte »Stimme von oben« vernimmt, wie wirdas Radio, ohne jede Irritation, da eben »gewohnt soangeredet zu werden«. Und zu den Auditionen kom-men Visionen. Einmal wird sein eigener Aufstieg zumHimmel gefährdet durch allerlei infames Gelichter inder Luft. Ein andres Mal sieht er, wie ein fürchterli-cher, bis zu den Wolken reichender Dämon andereemporsteigende (geflügelte) Seelen aufzuhalten sucht;doch kann der Teufel »die, die ihm nicht gehorchthaben, nicht überwältigen«. Sehr vieles aus der be-rühmt-berüchtigten Vita des Antonius, aus der Federdes hl. Fälschers Athanasius –»ein Stück Weltlitera-

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tur« (Staats), »eines der einflußreichsten Bücher allerZeiten« (Momigliano), vermutlich das erfolgreichsteHeiligenmärchen überhaupt – kehrt in anderen Heili-genleben wieder, auch Visionäres. Wie zum BeispielAntonius die Seele des Mönches Amun bei dessenTod in den Himmel auffahren sieht, so sieht auch derhl. Abt Benedikt die Seele seiner Schwester bei derenTod in Gestalt einer Taube zum Himmel schweben.Das Machwerk des alexandrinischen Patriarchenwurde der christliche Bestseller des 4. Jahrhundertsund verdummte die Menschheit wie wenig andere bisheute (S. 349 ff)87.

Auch Pachomius, der Begründer des cönobitischenMönchtums, schaut die Himmelfahrt eines Gerechtenund die Höllenfahrt eines Sünders, welch letzteremzwei erbarmungslose Engel die (schwarze) Seele mitHilfe eines Angelhakens durch den Mund ziehn unddann auf »ein schwarzes geistiges Roß« setzen. Dennso realistisch, ja diktatorisch dieser Gründer von achtMänner- und zwei Frauenklöstern ist, der Schöpferferner einer Schule machenden Mönchsregel, so warer doch auch »eine adlerhafte Erscheinung, die mitihren Geistesflügeln dem Höchsten entgegengeflo-gen«, ein Mann, »der mit Engeln im Gesprächstand« – ein »erschauernde(s) Erlebnis« (Nigg).Überall provozieren ihn Satan und seine Gehilfen. Sieumbellen ihn als Hunde, er lauscht den Unterhaltun-

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gen der bösen Geister, halluziniert auch eine TochterBeelzebubs, ein wunderschönes Weib, der Himmelund nicht zuletzt die Hölle werden ihm mit allen herr-lichen bzw. fürchterlichen Einzelheiten offenbar.Kurz, alles um Pachomius ist voller Teufel und Dä-monen, die Luft, die Wüste, sogar die FingerspitzenBesessener, vor allem natürlich sein eigener christli-cher Kopf. Denn während der gefeierte Klostergrün-der klug organisiert und mit Härte herrscht, qualmtihm gleichwohl, so scheint es zumindest, der Schädelvon »Metaphysik«, von Engel-, von Dämonenvisio-nen88.

Auch Päpste erscheinen manchmal. So soll der hl.Papst Felix III. (483–492) seiner Enkelin, der hl.Tharsilla, erschienen sein – berichtet wenigstens derhl. Papst Gregor I., »der Große«, der Urenkel des hl.Felix, und selber, versteht sich, ein großer Wundertä-ter. Und ganz alltäglich war es, daß die Märtyrer aufihren Gräbern den Pilgern sich zeigten. Auch Augu-stinus ist – in direktem Widerspruch zu einer afrikani-schen Kirchensynode – von der Echtheit dieser Vor-gänge überzeugt und legt deren Möglichkeit undArten ausführlich schriftlich dar89.

Ungezählte Male trat Maria in Erscheinung. Aller-dings meist erst in späterer Zeit, als sie die Katholi-ken sozusagen zu entdecken begannen. Denn im gan-zen Neuen Testament wird sie nur äußerst selten und

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ohne sonderliche Teilnahme genannt. Noch im 4.Jahrhundert ist ihr Kult nicht offiziell anerkannt, ver-ehrt man ganz gewöhnliche Märtyrer oder Asketenweit mehr als sie. Noch im 5. Jahrhundert kennt manzur Zeit Augustins keine Marienfeste in Afrika. Wäh-rend es im ganzen Reich schon Hunderte von Kirchenfür Heilige gibt, gibt es noch keine einzige Marienkir-che.

Gleichwohl präsentiert sich Maria bereits Gregordem Wundertäter, gest. um 270, was freilich erst derhl. Gregor von Nyssa im späten 4. Jahrhundert be-richtet, einer von vier Biographen des Wundertäters.Eines Nachts, als dieser kniffelige Glaubensproblemebedenkt, taucht vor ihm ein Greis auf: der EvangelistJohannes. Er beruhigt Gregor, zeigt ins andere Eck:dort steht die hl. Maria, eine Frau von übermenschli-cher Majestät. Sie informiert Gregor, und alles wirdschönstens geklärt. »Nach einem bündigen und klarenGespräch«, meldet Kirchenvater Gregor von Nyssahundert Jahre danach, »verschwanden sie«.

Gregor der Wundertäter war Bischof von Neocae-sarea, wo es bei seinem Amtsantritt nur 17 Christen,bei seinem Tod aber nur noch 17 Heiden gegebenhaben soll – das heißt, er hat aus einer heidnischeneine christliche Stadt gemacht und sicher auch mitHilfe jener Wundertaten, derentwegen er seinen Bei-namen erhielt. Mirakel fördern die Mission. In einem

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Eck der Evangelist, im andern die hl. Jungfrau, da-zwischen der Wundermann, was kann da schiefgehn?

Im übrigen: immer wenn es Probleme gibt, gibt esauch Marienvisionen, die zwar, nach einem modernenTheologen, dadurch gekennzeichnet sind, »daß siesich meist den Anforderungen einer kritischen Analy-se entziehen, jedoch dadurch beglaubigt werden, daßsie« – und dies hebt er, um den Zynismus ganz zu of-fenbaren, selbst hervor – »bewirken, was sie verkün-den«90.

Auch beim hl. Martin hat sich – außer dem Teufelund jeder Menge böser Geister – Maria wiederholteingefunden. Ebenso verkehrte Martin mit weiterenhimmlischen Persönlichkeiten, mit Paulus, Petrus,Agnes, Thekla. Sein Biograph bemerkt dazu, man-chem könne dies unglaublich erscheinen. »Aber Chri-stus ist mein Zeuge, daß ich nicht lüge«. Und der AbtSchenute, ein großer Räuber und Mörder vor demHerrn (II 203 ff), traf sich mit David und Jeremias,mit Elias und Elisa, mit Johannes dem Täufer und mitChristus91.

Mit all dem stehen wir natürlich längst und tief imBereich der Legende – im Grunde freilich schon mitdem Alten, dem Neuen Testament, besonders mit denEvangelien, wenn es auch begründet genug ist, daßman noch eine spezielle Gattung der Legende kennt,der Lüge mit Heiligenschein, die Erbauungsdichtung,

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vor allem die Heiligengeschichte, das Heiligenleben.

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Die Legende – »die geistliche Nahrung desVolkes« oder »grosse, unverschempte, feiste,wolgemeste, erstunckene papistische Lügen«

Schon in der alten Kirche traten an die Stelle der mehrund mehr verteufelten und verdrängten »Apokryphen«volkstümliche Erbauungsbücher, beliebte Unterhal-tungstexte, reine Legenden, traten reichlich trivialeRomane, eine vom Klerus scheinbar distanziert be-trachtete, doch insgeheim begünstigte, eine immer un-glaublichere, aber gleichwohl geglaubte Literatur, die»eine große geschichtliche Bedeutung« erlangt hat, ja,»die geistliche Nahrung des Volkes« geworden ist(Katholik Bardenhewer)92.

Legenden gab es bereits in den vorchristlichen Re-ligionen. Im Christentum grassierten sie nur so.

Etymologisch kommt das Wort von legenda (»daszu Lesende«). Es ist zunächst das, was dem Volkbeim Gottesdienst aus dem Lectionarium oder Episto-larium vorgelesen werden soll. Später versteht mandarunter vor allem Lebensbeschreibungen katholi-scher Heiliger. Im 6. Jahrhundert wurde das gesamteantike Legendensystem verchristlicht, wurde der Hei-lige der neue Träger der Legende. Seit dem frühenMittelalter werden dann Texte aus den Heiligenge-schichten des jeweiligen Tagesheiligen für die Kleri-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.347 Deschner Bd. 3, 231Die Legende - »die geistliche Nahrung des ...

ker Pflichtlesung, wird die Heiligengeschichte ebenzur »legenda«. Doch sprach man auch von der »vita«oder beim Märtyrer von der »passio«93.

Das unrühmliche Ende von Papst Johannes I. unterKönig Theoderich (II 365 f) wird von der katholi-schen Legende zusehends verklärt. Bereits als manzum Totenbett des Papstes strömt, Senatoren undVolk sich um seine Reliquien, seine Kleidung reißen,ereignet sich eine Wunderheilung. Bei seiner Bestat-tung geschieht abermals ein Mirakel. Und da Wunderwachsen, verzeichnet Papst Gregor I. am Ende desJahrhunderts Wunder, die Johannes schon zu Lebzei-ten gewirkt, nämlich auf seiner Reise nach Konstanti-nopel, wo er auch einen Blinden sehend gemacht.»Der Glaube an Wunderbezeugungen Lebender undJüngstverstorbener ... brach jetzt im Zeitalter einerneu emporkommenden Geistigkeit, die sich immermehr von antiker Verstandeshelle entfernte, mächtigund unmittelbar in aller Öffentlichkeit hervor« (Cas-par)94.

Die Lebensbeschreibungen der christlichen Heili-gen, von denen man, so Wetzer/Weltes katholischesKirchenlexikon, im 2. Jahrhundert »schon das Merk-würdigste« aufzeichnete, wurden allmählich immerausführlicher, legendärer, lügenhafter. Ihre Hauptauf-gabe, wozu nach dem genannten alten Standardwerk»eine edle lebensfrische Darstellung der großen Cha-

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2.348 Deschner Bd. 3, 231Die Legende - »die geistliche Nahrung des ...

raktere der Heiligen« und »richtige Resultate« gehör-ten, war »darauf berechnet, die edelsten und heiligstenGefühle und Gesinnungen im Volke zu wecken, undihm so die Macht und Größe des Christentums in deneinzelnen Heiligen in der mannigfaltigsten Form vorAugen zu stellen«. Und noch das neuere »Lexikon fürTheologie und Kirche« räumt ein: »Tendenz der Le-gende in altchristlicher Zeit und im ganzen Mittelalterist die religiöse Erbauung ... Im späteren Mittelalterwar die Legende äußerst beliebt und ein mächtigesMittel der religiösen Volkserziehung, in ihrer Bedeu-tung für Kirchen-, Kultur-, Kunstgeschichte undSprachforschung jetzt allgemein anerkannt; währenddie Aufklärungszeit sie als ›Priesterbetrug‹ verachte-te« (A. Zimmermann) – womit sie völlig rechthatte95.

Denn mit diesen weitgehend erlogenen, durchausals Geschichte ausgegebenen Erzählungen wurden dieMassen nachhaltig beeinflußt, wahrscheinlich vielmehr als mit allen sonstigen »Glaubensgütern«. »Ausder Legende wuchsen die Heiligen sozusagen zuFleisch und Blut in das Gefühlsleben des Volkes hin-ein« (Katholik Schauerte). Die Legenden waren einhochgradiger »erzieherischer Faktor« (Günter), unddies sind sie im Katholizismus bis tief in die Neuzeit,wenn nicht in vielen Gegenden noch heute. In der üb-rigen Christenheit blieben sie bis zur Reformation in

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2.349 Deschner Bd. 3, 232Die Legende - »die geistliche Nahrung des ...

Geltung; bis Luther von der »Lügende« sprach und1562 der pfalzgräflich-neuburgische Hofprediger Hie-ronymus Rauscher eine schon viel aggressiver betitel-te Auswahl zu Papier brachte: »Hundert außerwelte,grosse, unverschempte, feiste, wolgemeste, erstunk-kene papistische Lügen«96.

Viele dieser Fälschungen erinnern in der Art derDarstellung an heidnische Romane. Doch das üblicheUrteil, besser: die häufige Ausrede, um nicht zu sagenStandard-Lüge katholischer Apologeten, daß diechristliche Romanliteratur nicht einfach Geschichtebieten wollte, daß die Gläubigen solche Produktionenals fromme Dichtung, als literarische Fiktionen be-trachteten, entschuldigt, verharmlost, rechtfertigt ganzunzulässig, ist indiskutabel. Denn diese Erbauungs-bücher wollten keine künstlerischen Erfindungen sein,sie wollten nicht dem Amüsement, der Unterhaltungdienen, sondern der Belehrung, Werbung, Mission,sie waren theologische Tendenzliteratur. Und wieschon den Juden, so galten auch den Christen solcheErdichtungen für historisch wahr, da man in der gan-zen Antike zwischen Geschichtsroman und Geschich-te kaum unterschied. Haben doch alle Kirchenautorenderartige Texte »als geschichtliche Zeugnisse betrach-tet und sie vielfach aufgrund ihres Inhaltes für echt –bei übereinstimmender Lehre – oder im gegenteiligenFall als gefälscht beurteilt« (Speyer)97.

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2.350 Deschner Bd. 3, 233Die Legende - »die geistliche Nahrung des ...

Die Legenden waren somit alles andere als harm-los. Diese dreist unwahren Erfindungen, Glorifikatio-nen waren katholische Propaganda, geschrieben in derAbsicht, geglaubt zu werden. Sie waren Bekehrungs-und Festigungsmittel, »Glaubenszeugnisse«. Und siewurden geglaubt, wurden keinesfalls als »frommer«Trug betrachtet. Da hätten sie ja ihren Zweck verfehlt!Nein, von Jahrhundert zu Jahrhundert, durch dieganze Antike, das ganze Mittelalter und darüber hin-aus hat man mit Legenden Geschichte gemacht, nichtnur Glaubensgeschichte, sondern auch, das hing injenen Zeiten immer eng zusammen, politische Ge-schichte, hat man mit Legenden nicht minder Ge-schichte gemacht als mit dem Schwert. Um so mehr,als – dank der katholischen Erziehung – gerade dasMittelalter »zwischen Legende und Geschichte nichtunterschied« (Günter). »Legenden«, schreibt auch einmoderner Jesuit, »wurden geglaubt und wirkten ent-scheidend (!) mit, die Anziehungskraft und das Ver-trauen zu mehren«. »Viele nahmen ohne Bedenken (!)jede (!) Erzählung als wahr hin, welche sie in Werkenangesehener Schriftsteller lasen« (Beissel). Gilt dasindes schon für die Gebildeteren, was galt dann erstfür die große Masse christlicher Analphabeten? Mankonnte ihnen alles vormachen – und man hat esgetan98!

Die Legenden aber entstanden jahrhundertelang,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.351 Deschner Bd. 3, 233Die Legende - »die geistliche Nahrung des ...

bis ins Spätmittelalter, nicht etwa, wie oft behauptetwurde, durch das Volk, sondern durch den Klerus fürdas Volk, entstanden besonders in Klöstern und anBischofssitzen, dort eben, wo man den größten Nut-zen daraus zog. Denn anders als durch Mirakelhistör-chen konnte man dem Gros der Gläubigen wederetwas erklären noch es beeindrucken, von Folterkam-mern, Scheiterhaufen abgesehen. Doch ob man auspurer Profitgier fälscht oder ob man »guten Glau-bens«, zur höheren Ehre des Herrn oder eines Heili-gen diesen allerlei »miracula« und »virtutes« andich-tet, ist faktisch, in seinen Auswirkungen, und nurdarum geht es hier, völlig gleich. Der Wunderschwin-del in den Heiligenlegenden, die im Christentum mitdem Neuen Testament beginnen, eigentlich schon mitdem Alten, mag der Kirche weit mehr Gold undMacht eingebracht haben, als all die ungezählten Fäl-schungen, die allein aus Geldgier erfolgten. Und derAutoritätsglaube »überwand alle kritischen Anwand-lungen« (Günter)99.

Schon der älteste Evangelist warnt vor falschenPropheten, die »Zeichen und Wunder tun, um wo-möglich die Erwählten irrezuführen«. Dann beschul-digten Arianer und Katholiken sich gegenseitig desWunderbetrugs. Auch bei Exorzismen bezichtigtendie Gegner im Herrn einander der Täuschung. Undwirklich hatte, entsprechend der direkten Betrugs-

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2.352 Deschner Bd. 3, 234Die Legende - »die geistliche Nahrung des ...

praktik von Priestern und Magiern, auch im Christen-tum schon im 2., mehr noch im 3. Jahrhundert derpraktische Wunderschwindel, der unmittelbare, dannim Mittelalter, in der Neuzeit enorme Ausmaße errei-chende Pfaffenhokuspokus begonnen, in gnostischenKreisen und in der katholischen Kirche. Gibt es dochzwischen dem Typus »Zauberer« und »Priester« aller-lei Gemeinsamkeiten100.

Einen beredten Hinweis darauf verdanken wir demhl. Epiphanius, Erzbischof von Salamis auf Cypern,einem Kirchenvater mit großem Eifer, aber, unbestrit-ten, wenig Verstand (I 163 f, II 149 f). »An vielenOrten«, meldet Epiphanius, wiederhole sich das Wun-der auf der Hochzeit zu Kana, die Verwandlung vonWasser in Wein, »bis auf den heutigen Tag ... zumZeugnis für die Ungläubigen«, wie »an vielen StellenQuellen und Flüsse« bekundeten, und zwar am Jah-restag jener Hochzeit. Es versteht sich fast von selbst,daß Epiphanius aus einem solchen Brunnen Wein ge-trunken, übrigens auch seine Gemeinde (aus einemanderen). Da aber der erwähnte Jahrestag in der alt-christlichen Liturgie der 6. Januar war und dieser wie-der das Datum eines Festes des Dionysos, der schonein halbes Jahrtausend vor Jesus die wunderbare Ver-wandlung von Wasser in Wein vollbrachte, wie Euri-pides (ca. 480–406) bezeugt, wird offensichtlich: diechristlichen Priester setzten den Betrug der dionysi-

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2.353 Deschner Bd. 3, 234Die Legende - »die geistliche Nahrung des ...

schen fort, u.a. auch auf den Überresten ehemaligerDionysostempel101.

An analogen Gauner-Praktiken waren offenbarselbst die berühmtesten Heiligen des Katholizismusbeteiligt, zumal allmählich ein gewisser Wunder-schwund einzutreten begann.

Der hl. Ambrosius erweckte den Sohn eines vor-nehmen Florentiners von den Toten und leistete sichauch sonst eine Reihe sinistrer, im Grunde aberhöchst eindeutiger Kunststückchen im wunderbarenAuffinden heiligen Märtyrergebeins (I 431 ff). DieArianer verdächtigten ihn zudem der Inszenierung vonBesessenenheilungen102.

Augustinus meint, Wunder seien nicht mehr so ver-breitet wie früher, jedoch noch häufig genug – die derHeiden bewirkt natürlich der Teufel. Augustin ermun-tert seine Nachbarbischöfe, auf alle mirakulösen Er-eignisse zu achten, sie aufzuschreiben und apologe-tisch sowie missionarisch zu verwerten. Er selber ver-fährt nicht anders, läßt ein »Wunderverzeichnis« (Li-bellus Miraculorum) anlegen, das nur aus den Jahren424 bis 426 siebzig Wunder dokumentiert – das gibtes heute nicht in Lourdes. Auch das längste Kapitelseines Hauptwerkes »De civitate Dei« renommiert mitfünfundzwanzig überaus erbaulichen, zum Teil vonihm selbst miterlebten Mirakeln, wobei die Skala voneiner herrlichen Hämorrhoidenheilung bis zur Aufer-

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2.354 Deschner Bd. 3, 235Die Legende - »die geistliche Nahrung des ...

weckung von den Toten reicht. Allein die schon ihrer-seits durch ein Wunder – eine dem Priester Lucianuswiderfahrene Traumoffenbarung – gefundenen Kno-chen des hl. Stephanus erweckten, feierlich in Augu-stins Bischofssprengel überführt, in Hippo fünf Totezum Leben103!

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2.355 Deschner Bd. 3, 235Vom miraculum sigillum mendacii zu den ...

Vom miraculum sigillum mendacii zu denkatholischen Apologeten

Im ersten Jahrtausend wurden viele Heilige »gleich-sam durch die allgemeine Übereinstimmung des Vol-kes kanonisiert« (Naegle). Die Kritiklosigkeit gingaber im Lauf der Zeit so weit, daß die Päpste sich dasRecht der Selig- und Heiligsprechung reservierten.Das heißt gewiß nicht, sie seien kritisch vorgegangen.Hier Selbstkritik zu erwarten, wäre der Gipfel desGrotesken in einem Bereich, in dem alles grotesk ist.Zum Beispiel auch die Tatsache, daß noch heute oderheute wieder sogar hochzuschätzende Menschen (dar-unter Autoren wie Canetti, ja Cioran) das Wort »hei-lig« bloß mit numinosen Schauern aussprechen kön-nen, obwohl sich fast stets das Schlimmste dahinterverbirgt; und je leuchtender die Gloriole um das Kri-minelle, desto schrecklicher. Erwägt man den verhee-renden Einfluß all dieser »Heiligenleben« auf die Er-ziehung der menschlichen Gesellschaft zum Vorteil(nicht nur!) der römischen Hierarchen, so klingt esnicht bloß wie Hohn, behauptet Papst Pius XI. – derentscheidende Förderer des Faschismus in allen sei-nen Varianten! – in einem Rundschreiben vom 31.Dezember 1929 über die christliche Erziehung der Ju-gend: »Die Heiligen haben in vollkommenstem GradeKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.356 Deschner Bd. 3, 236Vom miraculum sigillum mendacii zu den ...

das Ziel der christlichen Erziehung erreicht und dabeidie menschliche Gemeinschaft mit allen Arten vonGütern veredelt und beglückt. Die Heiligen waren,sind und werden in der Tat immer die größten Wohl-täter und vollendetsten Vorbilder der menschlichenGesellschaft bleiben, für jede Klasse und jeden Beruf,für jeden Stand und jede Lebenslage«104.

Nachdem wir im Vorstehenden schon ausführlichdas miraculum sigillum mendacii, wie Schopenhauerzu sagen liebte, betrachtet haben, erwartet hoffentlichniemand, daß wir nun das mirum quoad nos betrach-ten, das mirum in se, das absolute und das relativeWunder, das substantielle (quoad substantiam) undmodale (quoad modum), das übernatürliche (supranaturam), das widernatürliche (contra naturam), dasaußernatürliche (praeter naturam), das kosmologi-sche, anthropologische, historische, das Natur- undGeisteswunder, das intellektuelle und moralische, etc.etc. – wir müßten denn noch verrückter sein als alljene, die vor fast zweitausend Jahren oder noch vorzweihundert Jahren daran geglaubt haben oder dievielleicht heute noch daran glauben. (Ich glaube, daßsehr vieles möglich ist, wovon unsrer Schulweisheitnichts träumt; aber an ausgemachten Blödsinn glaubeich nicht.) Kaum zu glauben, daß noch ein LudwigFeuerbach das Wunder als solches so ernst genom-men und auseinandergenommen hat. Schon Louis

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2.357 Deschner Bd. 3, 237Vom miraculum sigillum mendacii zu den ...

Büchner staunte darüber und fand es seinerseits»wunderbar, wie ein so klarer und scharfsinnigerKopf ... so viele Dialektik aufzuwenden für nötighielt, um die christlichen Wunder zu widerlegen«105.

Als wäre die entscheidende Wunderkritik nichtschon geleistet gewesen! Durch Spinoza etwa, nachdessen berühmtem Satz das Beweisen einer Religiondurch Wunder nichts anderes heißt als »eine dunkleSache durch eine noch dunklere aufhellen zu wollen«.Durch Bayle, der den Glauben an das Wunder dasWesen des Wunders nennt und treffend definiert, »jemehr ein Wunder der Vernunft widerspricht, destomehr entspricht es dem Begriff des Wunders«. DurchLessing, demzufolge zufällige Geschichtswahrheitender Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten niewerden können. Der schrieb: »Ein anderes sind Wun-der, die ich mit meinen eigenen Augen sehe und selbstzu prüfen Gelegenheit habe, ein anderes sind Wunder,von denen ich nur historisch weiß, daß sie anderewollen gesehen und geprüft haben. Nachrichten vonWundern sind nicht Wunder«106.

Auch Voltaire natürlich und Hume gehören hierher.Und im 19., im 20. Jahrhundert gaben dann selbst die(evangelischen) Theologen das Wunder preis. War esdie »vollkommenste Überzeugung« Schleiermachers,»daß alles in der Gesamtheit des Naturzusammen-hangs vollständig bedingt und begründet ist«. War es

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2.358 Deschner Bd. 3, 237Vom miraculum sigillum mendacii zu den ...

ebenso die Überzeugung Harnacks, daß es »alsDurchbrechung des Naturzusammenhangs keineWunder geben kann«. »Jedes einzelne Wunder«,schreibt Harnack, »bleibt geschichtlich völlig zweifel-haft und die Summation des zweifelhaften führt nie-mals zur Gewißheit«. War auch für den TheologenBultmann ein Wunder eine den Menschen nicht mehrnachvollziehbare Zumutung, da es unmöglich sei, sichWunder als Ereignisse contra naturam zu denken107.

Aber hat nicht die Quantenphysik diese Argumen-tation hinweggefegt? Ist die Naturgesetzlichkeit seit-her nicht völlig anders? Seit sie Werner Heisenbergnicht mehr als ein Bild der Natur erklärte, sondern alsein Bild unserer Beziehung zur Natur (vgl. I 49)? Seitseine »definitive Widerlegung des Kausalitätsprin-zips« in der Quantenphysik die Naturgesetzlichkeitnicht mehr (wie die klassische Mechanik) als determi-nierende Gesetze verstand, sondern als statistischeGesetzlichkeit? Ah, was für eine Gelegenheit für alleApologeten, den Indeterminismus der Quantenmecha-nik theologisch auszubeuten! Und was für ein Miß-verständnis. Widerlegt doch die Makrophysik dieklassische Theorie nicht, sondern bestätigt sie. Kon-zediere doch, betont Protestant Sigurd Daecke, selbstPascual Jordan, auf den sich all jene Theologen nunberiefen, die das Wunder retten wollten, »daß imsichtbaren Bereich alles Geschehen den Naturgeset-

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2.359 Deschner Bd. 3, 238Vom miraculum sigillum mendacii zu den ...

zen unterworfen ist, und versucht nicht, aus der bloßstatistischen Gesetzlichkeit im subatomaren Bereich,die Möglichkeit von Wundern zu postulieren«108.

Ich behaupte übrigens gar nicht, denn ich bin sehrvorsichtig mit nicht einwandfrei erweisbaren Behaup-tungen: Wunder sind unmöglich. Doch mit dem Theo-logen Renan sage auch ich: »Bis jetzt ist noch keinWunder konstatiert worden«. Jedenfalls gibt es keineinziges, in keiner Hinsicht anfechtbares, absolutsicher bezeugtes Wunder. Nämlich bezeugt von hin-reichend vielen, hinreichend kritischen und hinrei-chend redlichen Menschen109.

Wozu überhaupt Wunder?In seinen »Antworten auf die Einwürfe gegen die

Religion« schreibt Monseigneur von Ségur, geradedeshalb wirke Gott Wunder, »um zu zeigen, daß Erder Herr der Welt ist«. Doch geht es darum, warumwirkt er dann nicht viel größere, ganz unbezweifel-bare, alle überzeugende Wunder – statt nur solcherWunder, die bloß seine Anhänger befriedigen, stattnur so kleiner Wunder oder großer in ferner Vorzeit,die sich jeder Kontrolle entziehen? Braucht er über-haupt Wunder? Oder brauchen die Religionen undihre Priester sie? Wären ihre Glaubenslehren ein-leuchtend genug, bedürften sie dann noch der Wun-der? Ja, warum ist der Glaube so wenig überzeugendan sich, daß Gott diese Umwege wählt? Warum

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2.360 Deschner Bd. 3, 238Vom miraculum sigillum mendacii zu den ...

mußte er »aus empirischen, noch dazu höchst dürfti-gen Faktis die Göttlichkeit der Religion ... beweisen«(Schelling)? Hätte er nicht klarere, evidente Religio-nen schaffen, hätte er, der Allmächtige, die Menschennicht einfach überzeugen können? Er brauchte dochnur zu wollen, schrieb Baron von Holbach, daß sieüberzeugt sind, und sie wären es. Er brauchte undbraucht ihnen »nur klare, deutliche, beweiskräftigeDinge zu zeigen, und sie werden durch die Evidenzüberzeugt werden; hierzu braucht er weder Wundernoch Dolmetscher«110.

Doch solche Attacken setzen Katholiken nicht inVerlegenheit. Überall dort, wo die Logik nichtstimmt, die Rechnung nicht aufgeht, führen sie »Got-tes Unerforschlichkeit« ins Feld und kontern mit demVorwurf des »Rationalismus« (selten ohne das Bei-wort »platt«), während bei ihnen alles »tief« ist und»wahr« obendrein. So kann sie auch Diderots Frage,warum die Wunder Jesu wahr, die Wunder des Äsku-lap, des Apollonius von Tyana, des Mohammed un-wahr seien, nicht erschüttern. Ihre Antwort lautet ein-fach: Die Wunder Jesu sind wahr, weil es die WunderJesu sind und die katholische Kirche sich darauf be-ruft. Die Wunder aller anderen sind unwahr, weil esdie Wunder eben der anderen sind und der Katholizis-mus sie nicht brauchen kann. Er würde mit ihrer »An-erkennung« die eigenen entwerten. Also unterscheidet

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2.361 Deschner Bd. 3, 239Vom miraculum sigillum mendacii zu den ...

man zwischen »Wunder« und »Scheinwunder«, wobeidie Wunder, die echten, eben immer die der eigenenSeite, die Schein- und Schwindelwunder immer dieder anderen sind. Wunder außerhalb des Christentumsgibt es überhaupt nicht, und da auch bloß innerhalbder christkatholischen Kirche. Nur ihre Wunder sindecht, sind »Gotteswunder im Unterschiede von denunwahren, lügenhaften Wundern als außerordentli-chen Wirkungen Satans und seiner Organe« (v.Schmid). Diese »Scheinwunder« sind nicht einmal»geschichtliche Tatsachen« oder, falls doch, so nur»Betrügereien« und »natürliche Wirkungen«(Specht/Bauer). Das gilt im allgemeinen auch für dieWunder christlicher »Ketzer«. Ja, bei einer »Häresie«liegt um so weniger ein »wirkliches Wunder« vor, »jeweiter sie sich von der Wahrheit entfernt hat« (Faß-binder)111.

Dürfen wir nach dieser Logik schließen: je wenigersich eine »Ketzerei« von der Wahrheit entfernt, destomehr liegt ein »wirkliches Wunder« vor?

Wie auch immer: die Wunder Buddhas etwa oderKrischnas findet der katholische Theologe Zwettler»derart phantastisch ausgeschmückt, daß sie von An-fang an keine Glaubwürdigkeit finden können« – unddoch glauben sie viele Millionen Buddhisten undHinduisten, wie die Christen die der Bibel glauben.Katholik Brunsmann konzediert zwar, Buddhas Per-

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sönlichkeit stehe »in sittlicher Hinsicht fleckenlos«da, aber Buddhas Wunder erscheinen (auch) ihm als»zum großen Teil so phantastischer Art, daß sie unsanmuten wie die Märchen aus ›Tausend und einerNacht‹«. Daß sie »nichts sind als Schöpfungenmenschlicher Phantasietätigkeit, bedarf keines Bewei-ses mehr«. Bei den Wundern des Äskulap und des Sa-rapis »können wir nicht mehr zweifeln, daß wir es mitdämonischen Machtwirkungen zu tun haben«. Bei denWundern des Apollonius von Tyana gehört vieles»unbedingt in das Reich der Fabel«. Manches dage-gen scheint hier Brunsmann »der Wahrheit zu ent-sprechen«, wie die Teufelsaustreibungen des Apollo-nius, seine plötzliche Beseitigung der Pest in Ephesusu.a. Freilich wirkte auch dieser Mann »im Bunde mitden Dämonen seine ›Wunder‹«, was der Katholik da-durch bestätigt sieht, daß Apollonius »die Beförde-rung des heidnischen Götterkultes als seine Lebens-aufgabe betrachtete«. Und was die ungemeine Häufig-keit »ketzerischer« Mirakel betrifft, ist klar: »auf gött-liche Ursächlichkeit deutet kein einziges dieser ›Wun-der‹ hin«. Wo Brunsmann, wie beim Jansenismus,nicht »Suggestion« am Werk sieht, »sind dämonischeEinflüsse anzunehmen«112.

Ja, wenn die Wunder der Nichtkatholiken keineScheinwunder sind, dann sind es Wunder des Teufels.Das wußten schon die alten Theologen. Schon nach

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dem hl. Justin vollbrachten die Gegner ihre Wundermit Hilfe böser Geister. Und auch nach Irenäus expe-rimentierten die Feinde der Christen auf frevlerischeWeise, riefen sie die Engel an, gebrauchten Zauber-mittel, Zaubersprüche. Sie wollten die Menschen bloßauf ihre Seite ziehn – was bei den Katholiken ja ganzanders war und ist. Ebenso sind für Augustinus – derjeden Wunderbericht notieren und seinen Schäfchenverlesen läßt – Wunder außerhalb der katholischenKirche, zumal die der Heiden, nur schändliche Prakti-ken, schmutzige Reinigung, Betrug, ist da »alles einBlendwerk trügerischer Dämonen«; während die eige-nen Wunder »durch Engel oder sonstwie durch göttli-che Kraft geschehen« und man nicht auf jene hörendürfe, »die bestreiten, daß der unsichtbare Gott, sicht-bare Wunder wirke«113.

Die Wunder, wie unglaublich inzwischen selbst fürbreitere Kreise, können auch heute nicht preisgegebenwerden; nicht nur, weil man sie seit je behauptet hat,sondern weil die Wunder im Katholizismus der Be-weis sind für den (aus begreiflichen Gründen) un-sichtbaren Gott und die göttliche Offenbarung – unddie göttliche Offenbarung und der unsichtbare Gottder Beweis für die Echtheit der Wunder. Mit anderenWorten: daß die Wunder Jesu wahr, echt sind, be-weist ihre Mitteilung in der Bibel, und die Göttlich-keit der Bibel beweisen ihre Wunder. Dem ist nichts

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2.364 Deschner Bd. 3, 240Vom miraculum sigillum mendacii zu den ...

hinzuzufügen. Es sei denn ein letztes, ein untrüglichentscheidendes Kriterium: der »Zweck«. Dient dochjedes echte Wunder (im Gegensatz zum dämonischen)»einem bestimmten guten Zweck«. So KatholikBrunsmann mit dreifacher kirchlicher Druckerlaubnis.Und der bestimmte gute Zweck ist immer derselbe:der Nutzen der katholischen Kirche. Dient es ihr,stimmt die Sache, wenn nicht, nicht114.

Und genauso simpel verhält es sich mit dem Reli-quienschwindel, der mit dem Wunderbetrug untrenn-bar zusammenhängt.

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2.365 Deschner Bd. 3, 241Reliquienbetrug

Reliquienbetrug

»Im vorausgehenden hoffe ich klar gemacht zuhaben, daß das allgemeine Wesen des christli-chen und des antiken Reliquienkultes das glei-che ist«.

Friedrich Pfister115

»Vor allem durch die Kreuzzüge wurden das Hl.Land und der christliche Orient dem Abendlandals Reliquienschatzkammer erschlossen«.

Lexikon für Theologie und Kirche116

»Daß bei dem Erwerb dieser Schätze manchesmit unterlief, was ins Gebiet des Kriminellen ge-hört, ist selbstverständlich. Reliquienverkaufund -diebstahl waren nicht selten«.

Bernhard Kötting117

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2.366 Deschner Bd. 3, 242Reliquienbetrug

Wie nichts im Christentum neu ist, so auch der Reli-quienkult nicht, der als ein Teil des Märtyrer- undHeiligenkults den »Überbleibseln« (lat. reliquiae) derBlutzeugen und Heiligen gilt und eine große Rolle imGlaubensleben der Christen durch zwei Jahrtausendespielt.

Reliquien gab es auch von Göttern und Heroen. Ja,schon die »Primitiven« bewahrten Reste besonderskrafterfüllter Menschen auf, von Verwandten, Häupt-lingen, Kriegern, Feinden, etwa bei der Kopfjagd er-beutete Schädel. Oder man trug Überbleibsel alsAmulette. Die Verehrung von Reliquien gründet aufdem Glauben, daß in Heroen, Propheten, Heilanden,Heiligen eine spezielle Kraft wirksam sei und auchnach dem Tode wirksam bleibe118.

Einen ausgedehnten Reliquienkult gibt es in eini-gen vorchristlichen »Hochreligionen«.

Im Hinduismus zwar haben nur einige Reformsek-ten Reliquien, die Radhasvamis die Gewänder einsti-ger Gurus, die Kabirpanthis die Pantoffeln ihres Mei-sters. Im Jainismus, im Buddhismus dagegen ist die-ser Kult hochentwickelt. Von buddhistischen Heiligenverehrt man körperliche Überreste (sharirika) und Ge-brauchsgegenstände (paribhogika). Auch BuddhasAsche und Knochen wurden, wie später die vielerchristlicher Heiligen, bereits unter seine Laienanhän-

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2.367 Deschner Bd. 3, 243Reliquienbetrug

ger verteilt, seine Zähne, Haare, der Stab, der Wasser-seiher in vielen Orten Indiens gezeigt, ebenso Relikteseiner Jünger. Noch heute will Kandy in Ceylon einen(5 cm langen) Buddha-Zahn, die Shve-Dagon-Pagodein Rangoon (Burma) acht Haare Gautamas besitzensamt Hinterlassenschaften seiner mythischen Vorläu-fer. (Mohammeds Barthaare bewahren mehrere Mo-scheen in Glasflaschen auf.) Und auch im chinesi-schen Buddhismus hegt man heilige Knochen nebsteiner Menge anderer Dinge bis hin zu winzigen Körn-chen von Leichen119.

Das Judentum kennt keinen Reliquienkult. Wiehätte er sich entfalten können in einem Volk, dem die»Heilige Schrift«, 4. Mos. 19,11 ff, gebietet: »Wer ir-gendeinen toten Menschen anrührt, der wird siebenTage unrein sein«. Ja, wer sich am dritten und siebtenTag nicht entsündigt, wer auch »die Wohnung desHERRN unrein« macht, »soll ausgerottet werden ausIsrael«. Die katholische Theologie freilich findet, wieso vieles Christliche, im Alten Testament auch denReliquienkult, etwa in den Stellen: »Die Gebeine Jo-sephs, die die Kinder Israels aus Ägypten gebrachthatten, begruben sie zu Sichern ...« Oder: »Ihre (derGerechten) Gebeine mögen hervorgrünen an ihremOrt«120.

Mit dem Judentum also hat der christliche Reliqui-enzauber so wenig zu tun wie mit Jesus und seinen

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2.368 Deschner Bd. 3, 243Der christliche Reliquienkult setzt nur den ...

Aposteln. Dagegen bestehen frappierende Gemein-samkeiten mit einem weitverbreiteten heidnischenKult.

Der christliche Reliquienkult setzt nur denHeroenkult der Griechen fort

Heroen, das waren für die Griechen Helden der ural-ten Vorzeit, Sieger in Schlachten, in Wettkämpfen,waren Fürsten, Könige, mythische Gestalten meist,die man aber fast allgemein für wirkliche Menschenhielt. Die Gründung von Tempeln und Städten, allewichtigen Einrichtungen führte man auf sie zurück;Adelsgeschlechter leiteten ihre Abstammung vonihnen ab; Homer besang sie und überall glaubte man,ihre Reliquien zu besitzen. Da man sogar die Gräbervon Göttern kannte, von Zeus, Uranos, Dionysos,Apollon u.a., kannte und verehrte man natürlich aucheine Fülle von Erinnerungsstätten der Heroen, legen-denumrankte Gräber, Quellen, Bäume, Steine, Höh-len, die von den Fremdenführern gezeigt wordensind121.

Es gab aber auch Heroa für historische Personen.Schließlich hatte man längst Menschen vergottet: Phi-lippos etwa, den Vater Alexanders d. Gr., Alexandersgleichaltrigen Jugendfreund Hephaistion; hatte manKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.369 Deschner Bd. 3, 244Der christliche Reliquienkult setzt nur den ...

längst auch Lebenden schon göttliche Verehrung ent-gegengebracht, Alexander selbst, Demetrios Poliorke-tes, den Diadochen, dann auch den römischen Kai-sern. So wurden im antiken Heroenkult auf Siziliender Dichter Aischylos in Gela verehrt, der Olympioni-ke Philippos in Egesta, die sizilianischen TyrannenGelon in Syrakus, Hieron in Katana, Theron in Akra-gas. Ja, den Syrakusaner Dion vergötterte man bereitsals Lebenden heroisch beim Einzug in seine befreiteVaterstadt122.

Die Reliquien der Heroen verwahrte man gewöhn-lich im Grab, häufig der einzige Ort des Heroenheilig-tums, wovon es Hunderte gab. Und wie später dieChristen ihre Heiligen, so hatten schon die Griechendie Heroengebeine auf einem hervorragenden Platzbeigesetzt, etwa mitten in der Stadt, obwohl mansonst Tote in der Stadt wegen Verunreinigung kaumbegraben ließ. Und obwohl man es noch weniger dul-dete, sie innerhalb eines Heiligtums zu bestatten,waren wieder die Heroen ausgenommen, gab es vieleTempel oder Tempelbezirke mit Heroengräbern meistvon mythischen, doch auch von historischen Gestal-ten123.

Der leibliche Reliquienkult aber war im heidni-schen Altertum fast immer ein Grabkult; nur in weni-gen Ausnahmefällen wurde Heroengebein außerhalbdes Grabes in einem Reliquiar aufbewahrt, zum Bei-

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spiel bei Europa auf Kreta. Auch die Gebeine des Pe-lops in Olympia und des Tantalos in Argos ruhten ineiner ehernen Truhe. Ebenso lagen die Reliquienparti-kel meist im Grab. Und wie der Heroenkult, war auchder christliche Reliquienkult zunächst ein Grabkult.Die Märtyrer der ersten Jahrhunderte wurden auch beiden Christen im Grab beigesetzt und dort verehrt.Ohne Märtyrergrab gab es keinen Kult. Wie bei denHeiden, war auch bei den Christen der Behälter derReliquien zunächst der Sarg. Entweder ruhte dieserim Grab oder er stand sichtbar im Grabgewölbe undkonnte dann immer vorübergehend, wie in manchheidnischen Heroa, gesehen und berührt werden.Selbst die nächste Phase im Reliquienkult, die Her-aushebung des Sargs und seine Aufstellung auf glei-cher Höhe mit dem Altar, hatte es schon im Heroonvon Thera gegeben. Ebenfalls das Herumtragen vonReliquien in der Prozession, nämlich, ein allerdingswohl singulärer Fall, im Kult der Europa, die man aufKreta als Hellotis verehrte. Und auch der äußereSchmuck des Märtyrergrabs ähnelte den Heroa derspäteren Zeit124.

Bei den Griechen waren auch bereits Reliquien-translationen sehr bekannt, vor allem mythische. Esgab aber auch historische Überführungen, etwa dieTranslation Alexanders d. Gr., dessen Leiche, wohl-einbalsamiert, in einem Sarkophag aus getriebenem

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2.371 Deschner Bd. 3, 245Der christliche Reliquienkult setzt nur den ...

Gold, mit einer golddurchwirkten Purpurdecke dar-über, fast zwei Jahre in Babylon lag, ehe man sie 321,in einem von 64 Maultieren gezogenen Gefährt, mitgroßem Geleit bis Syrien brachte und zuerst in Mem-phis, später in Alexandrien beigesetzt hat125.

Wie man nachher Reliquien der Heiligen aus vielenGründen überführte, um Schutz- und Heilmittel imLeben und im Tod zu haben, Hilfe nicht zuletzt imKrieg, so waren schon die – gewöhnlich vom Orakelin Delphi angeregten – Reliquientranslationen derHeiden meist zu einem bestimmten Zweck erfolgt:durch die Überführung der Gebeine des Orestes nachSparta gewann Sparta im Krieg wieder die Oberhand.Ähnlich half den Athenern im Kampf gegen die »Bar-baren« das überführte Schulterblatt des Pelops. Undwie nachmals bei den Christen, so geschahen schondie Translationen der Griechen häufig heimlich, mitList oder Gewalt. Und wie in den christlichen Über-führungslegenden der Heilige gelegentlich seinerÜberführung widersteht, so setzte sich dagegen zu-weilen schon der Heros zur Wehr126.

Den Heroen huldigte man, wie den Heiligen, nichtselbstlos. Die Hilfe aber, die man erwartete, hingnicht von der Verehrung des Grabes ab. Es gab über-haupt viele Heroa ohne Reliquien. Denn die Heroenwaren ungebunden, konnten überall wirken, konntentätig werden, wo man sie um Hilfe bat und opferte.

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2.372 Deschner Bd. 3, 246Der christliche Reliquienkult setzt nur den ...

Am meisten erflehte man ihren Beistand in Kampfund Krieg. Doch ging ihre Wirksamkeit weit darüberhinaus, halfen sie auch gegen Pest und Hungersnot,Hektor etwa, Hesiod, das Schulterblatt des Pelops.Auch gab es Heroengräber, die dauernd Stätten vonHeilungen, von Weissagungen waren, wie das Grabdes Machaon in Gerenia, ferner Heroa, die man beibestimmten Anlässen und zu bestimmten Zweckenaufsuchte, zu denen zum Beispiel Liebende gingenoder entlaufene Sklaven; das Theseion in Athen galtals Asyl für Flüchtlinge. Solche Spezifikationen gibtes bekanntlich noch heute im Katholizismus. Schließ-lich kam es an Heroengräbern auch zu Wundern, zuErscheinungen, ja, die Tätigkeit der Heroen war»ebenso vielseitig, wie die der christlichen Heilis-gen« (Pfister). Und, ebenfalls da und dort: je größerdie Wirkung, desto größer der Kreis der Verehrer127.

Die Heroenfeste wurden, von vielen Heroengräbernbezeugt, durchweg jährlich begangen, u.a. mit Hym-nen, prosaischen Reden, wie dann auch die Heiligenan ihren Gedächtnisfesten mit Gesängen und Predig-ten gefeiert werden; auch Prozessionen waren hier wiedort üblich. Im Heroen- wie im Heiligenkult hat mandie Verehrten häufig auf Münzen abgebildet, wennauch die Heiligen erst im Mittelalter. Und wie sich dieChristen, besonders seit dem ausgehenden 3. Jahrhun-dert, oft nach einem Heiligen nannten, so wurde schon

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2.373 Deschner Bd. 3, 246Der christliche Reliquienkult setzt nur den ...

für Heiden die Namenswahl oft durch einen Heroenbestimmt128.

Besondere Kraft geht gelegentlich auch auf die Ge-genstände über, die von den Heroen gebraucht wordensind. Und diese Kraft kann weiter übertragen werden.Im allgemeinen aber wirkt der Heros selbst die Wun-der, während nach christlichem Glauben auch die Re-liquien Wunder tun, indem sie die ihnen eigene Kraftweiterleiten. Das gilt sogar für Reliquienteile. Werdie Gebeine eines Märtyrers berührt, lehrt der hl. Ba-silius, gewinnt durch ihre Kraft Anteil an der Heili-gung129.

Geteilt hatten die Alten Reliquien allerdings nicht.Reliquienpartikel wurden nicht abgetreten. Es gabauch keine Erzeugung künstlicher Reliquien – eineundenkbare Vorstellung für die Griechen. Und schongar nicht kannte man einen Reliquienhandel, wie ihndie Christen seit dem 4. Jahrhundert treiben. Die Hei-den verehrten die leiblichen Reste mit verschwinden-den Ausnahmen im Grab. Sie hätten es für pietätlosgehalten, die Ruhe des Toten zu stören. Zwar zerlegteman im alten Ägypten die Gebeine des Gottes Osirisund verstreute sie über das Land – aber nur im My-thos. Die wohl einzige historische Ausnahme in vor-christlicher Zeit, die Verteilung der Überreste desMenandros, eines der hellenistischen Herrscher in In-dien, eines Buddhisten, betraf nicht das Skelett, son-

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2.374 Deschner Bd. 3, 246Der christliche Reliquienkult setzt nur den ...

dern die Asche130.

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2.375 Deschner Bd. 3, 247Hierarchische Abstufung auch im Reliquienreich

Hierarchische Abstufung auch imReliquienreich: von den Kapitalstücken derHeiligenleiche bis zu Barthaar und Staub

Die biblische Begründung des Reliquienkultes siehtder Katholizismus in der wunderbaren Wasserteilungdes Jordan durch den Mantel des Elisa oder in der To-tenerweckung durch Elisas Knochen im Alten Testa-ment. »Und als er die Gebeine Elisas berührte, wurdeer lebendig und trat auf seine Füße«. Auch verweistman auf Mt. 9,20 ff und die Apostelgeschichte 5,15und 19,12. Aber all dies sind nur allzu durchsichtigeScheinbegründungen. Nirgends ruft Jesus: BewahrtReliquien auf, verehrt sie, teilt sie, überführt und ver-hökert sie, baut Altäre darum und lest hl. Messen dar-auf! Das wäre ein klares, die Entwicklung rechtferti-gendes Wort gewesen – doch es fehlt, wie so vieleWorte fehlen in so vieler Hinsicht. Und zeigt Jesu Ge-wand, zeigen die Schweißtücher, die Binden Paulieine heilende Wirkung, so ist das noch längst nichtdas, was in der Kirche aufkommen sollte131.

Das erste Zeugnis für den beginnenden christlichenReliquienkult ist der vielfach verfälschte Bericht überdas Martyrium des Polykarp (S. 159), und dieser Kultbeginnt am Grab des Märtyrers. Zu ihm führen die äl-testen Spuren – »wie beim Heroenkult an das GrabKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.376 Deschner Bd. 3, 248Hierarchische Abstufung auch im Reliquienreich

des Heros« (Pfister). Seit der Mitte des 3. Jahrhun-derts wird das Märtyrergrab aber nicht nur die Stättedes neuen alten Kultes, sondern es wird selbst Kult-objekt, wird vor der Entstehung des damals noch ver-pönten christlichen Bilderkultes der Kristallisations-punkt der Heiligenverehrung. Am Grab ruft man denHeiligen an, sucht seine Vermittlung, glaubt Hilfe zuerhalten und bedankt sich bereits durch Votivtafeln.Ja, über einige dieser Gräber der Meistverehrten bautman auch schon Kirchen, womit die Ansatzpunkte derkünftigen Wallfahrtsbewegung entstehen132.

Die Christen glaubten jetzt, daß die im lebendigenHeiligen tätige Kraft auch noch in seinem toten Kör-per wirksam sei. Verübten die Kleider des ApostelsPaulus Wunder, schloß man, dann der Leib der Heili-gen erst recht. Wer diese Reliquien berühre, auf dengehe ihre Kraft über. Und vermöge ihrer besonderenKraft (cháris), so glaubte man, vermöge ihrer überna-türlichen »dýnamis«, wirken die Reliquien Wunder,vertreiben sie die Dämonen der Heiden; weshalb manReliquien auch beim Exorzismus angewandt, beiFlurumgängen mitgeführt oder in den Altären depo-niert hat133.

Doch wie im Katholizismus alles hierarchisch ab-gestuft ist, wie der Papst mehr gilt als der Bischof, einBischof mehr als der Pfarrer, dieser mehr als der Laie,so haben auch Reliquien, so heilig sie sind, einen un-

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2.377 Deschner Bd. 3, 248Hierarchische Abstufung auch im Reliquienreich

terschiedlichen Wert, gelten Kapitalstücke (Reliquiaeinsignes), die komplette Leiche, der Kopf, der Arm,das Bein, mehr als die Reliquiae non insignes, beidenen man noch einmal »notabiles« (beachtliche), wieHand und Fuß, unterscheidet, und »exiguae« (gerin-ge), Finger etwa, Zähne. Neben diesen sogenanntenprimären Reliquien gibt es sekundäre, die wieder inSachreliquien zerfallen, wie Kleider, Marterwerkzeu-ge etc., und in Berührungsreliquien, nämlich Gegen-stände, mit denen die Heiligenleichen oder ihre Resteberührt worden sind134.

Nach dem Heiligen selbst, dem Primärobjekt, neh-men die Berührungsgegenstände, mit denen er zuLebzeiten in Kontakt gekommen war, den größtenWert ein, und unter diesen wieder den größten dieMarterwerkzeuge. (Der hl. Laurentius wurde wohlenthauptet. Das war den späteren Christen zu simpel.Um 400 ließ man ihn auf dem Rost braten, und nunhatte man natürlich auch bald das berühmte Marter-werkzeug wieder und verehrte es als Reliquie; übri-gens nicht der einzige verehrte Rost.) Nach den Fol-terinstrumenten folgte die Garderobe heiliger Perso-nen, etwa der Maria. (In Byzanz stritten zwei Kirchendarüber, welchem ihrer Kleidungsstücke der Mariader Vorrang gebühre.) Zu den Reliquien zweiten Ran-ges zählen aber auch Gegenstände, die durch nach-trägliche Berührung geheiligt wurden, Gegenstände

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2.378 Deschner Bd. 3, 249Hierarchische Abstufung auch im Reliquienreich

aus der Nähe der Heiligengräber: Blumen, Staub, denman verzehrte, Öl vom Grab, von den dort brennen-den Lampen, oder auch mit dem Grab in Kontakt ge-brachte Dinge, abgelegte Tücher, Devotionalien. Imweiteren und höheren Sinn galt und gilt auch als Reli-quie alles, was angeblich zu Jesus in näherer Bezie-hung stand und so gleichermaßen geheiligt wordenist, die Krippe, das Kreuz, die Dornenkrone, dieNägel, seine Kleider usw.135

Auch das gesunde Volksempfinden wußte fein zuunterscheiden. Handfeste Leichenhappen zählten na-türlich mehr als ein Zahn oder Barthaare. Doch ran-gierten diese noch immer höher als Gewänder oderandere Dinge, womit der Verehrte in Berührung ge-kommen war. Auch stufte man die Wundertäter sehrwohl ab und baute den größeren auch größere Kir-chen oder Grabstätten, den kleineren nur kleinere, undjene feierte man natürlich auch durch größereFeste136.

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2.379 Deschner Bd. 3, 249Steigende »Nachfrage« nach toten Heiligen

Steigende »Nachfrage« nach toten Heiligen, ihreAuffindung und ihre Wunder

Mit der wachsenden Verehrung der Märtyrer und ihrerReliquien brauchte man natürlich immer mehr Märty-rerleichen. Nun waren aber die Ruhestätten der Be-kenner des 1. und 2. Jahrhunderts völlig verschollen.Doch auch bei späteren kannte man oft den Bestat-tungsort nicht. So mußte man sie aufspüren und dort-hin überführen, wo man sie haben wollte. SolcheTranslationen sind im Christentum seit dem 4. Jahr-hundert bezeugt. Sie setzen gewöhnlich die Auffin-dung (inventio) sowie die Erhebung (elevatio) vorausund enden jeweils mit der Niederlegung (deposi-tio)137.

Die erste Translation einer (unzerteilten) Märtyrer-leiche erfolgte 354 in Antiochien, als man den hl. Ba-bylas nach Daphne brachte, um den dortigen Apollon-kult zu vernichten. Später transportierte der berüch-tigte Kyrill die Märtyrer Kyros und Johannes vonAlexandrien nach Menuthis, um dort den Isiskult zuzerstören. Beim hl. Stephanus, dessen Märtyrergrab –die berühmteste Entdeckung auf diesem Gebiet – 415in Kaphargamala auftauchte, fand man jetzt sogar dieSteine wieder, mit denen man ihn gesteinigt hatte –und verehrte sie natürlich gleichfalls als Reliquien, daKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.380 Deschner Bd. 3, 250Steigende »Nachfrage« nach toten Heiligen

sie ja mit dem Märtyrer in Kontakt gekommen waren,das ist nur konsequent; denn ist's auch Tollheit, hat esdoch Methode138.

Eine sehr große Rolle in den Translationsberichtenspielen die Wunder, die sich bei Auffindung und Er-hebung des Heiligen einstellen, bei der Überführungselbst und kurz nach der Ankunft. War doch über-haupt die Voraussetzung für eine kirchliche Anerken-nung der Reliquien der Beweis durch Wunder und Vi-sionen. Wo immer darum ein Märtyrergrab ist, ge-schehen Wunder, werden Kranke geheilt, Teufel aus-getrieben. Und seit der zweiten Hälfte des 4. Jahrhun-derts entdeckte man ein bisher unbekanntes Märtyrer-grab nach dem andern. Auch Asketenleiber und -kno-chen waren hochbegehrt. Sobald ein besonders geach-teter Mönch starb, eilte man herzu, um seine Leichezu ergattern. Mehrere suchten sich vor dem Reliquien-schicksal zu schützen, indem sie ein Begräbnis aneinem geheimen Ort erbaten. Als man den ohnmächtiggewordenen Mönch Jakob – fast wäre ein Kampf zwi-schen Bauern und Städtern um ihn entbrannt –schließlich in die Stadt trug, wollte man den wiederzu Bewußtsein Gekommenen kaum noch zurückge-ben. Beim Tod des Säulenheiligen Symeon mußtensogar Soldaten zum Schutz seiner Leiche aufgebotenwerden. Und nach der Ermordung einiger Mönche imJahr 395 durch arabische Räuber lieferten sich zwei

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2.381 Deschner Bd. 3, 251Steigende »Nachfrage« nach toten Heiligen

Städte um die Leichen eine förmliche Schlacht; nichtder einzige derartige Fall139.

Reliquiendiebstähle waren für Liebhaber fast Eh-rensache. So stahl man u.a. die Leiche des hl. Hila-rion, des hl. Martin von Tours, des hl. Makarius. DieGebeine des hl. Chrysostomos raubte man mit denenanderer Heiliger noch beim berüchtigten Kreuzzugdes Jahres 1204 in Konstantinopel und »überführte«sie in die Vatikanische Basilika nach Rom140.

Die Christen scheuten keine Mühe, kein Opfer undkeinen Betrug, um zu Reliquien zu kommen. Wäh-rend der Verfolgung suchten manche angeblich die hl.Leiber sogar den Händen ihrer Verfolger zu entreißen,um »Gemeinschaft« zu haben mit dem »heiligen Flei-sche«. Auch in der Verfolgung abgefallene Christenbegehrten Märtyrerreste, um ihre Schwäche wettzu-machen! Und als es keine Märtyrer mehr gab, suchteman nach ihren Gräbern, witterte sie mit untrüglicherSpürnase und grub sie aus. Selbst berühmteste Kir-chenfürsten taten dies, wie der hl. Ambrosius, dem ein»bestimmtes, brennendes Gefühl« Märtyrergebein si-gnalisierte. Er wurde Anno Domini 386 zum Finderund Erfinder bisher völlig unbekannter Bekenner, »hl.Schlachtopfer«, wie er sie nannte, »triumphierenderSchlachtopfer« (victimae), der Heiligen »Gervasius«und »Protasius« – die erste bekannte Erhebung »ge-fundener« Märtyrer –, wobei er auch eine Blindenhei-

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2.382 Deschner Bd. 3, 251Steigende »Nachfrage« nach toten Heiligen

lung inszenierte, die ihm selbst unter seinem Anhangviel Skepsis eintrug. Er (er)fand ferner die Heiligen»Agricola« und »Vitalis«, »Nazarius« und »Celsus«und behauptete, »wenn auch ihre Asche auf der gan-zen Welt zerstreut wird (seminetur), so bleibt dochdie volle Kraft«. Noch der christliche Kaiserhof abersah in diesen ambrosianischen Aktivitäten ein abge-kartetes Spiel (I 431 ff)141.

Im selben Jahr 386, in dem Ambrosius die beidenMärtyrer »Gervasius« und »Protasius« in Mailandwunderbarerweise hervorgezaubert hatte, verbot einEdikt die Herstellung und Verteilung von Reliquien.Der Kirchenlehrer, der auf dem Höhepunkt seinesKampfes gegen den Hof (I 428 ff) seine Errungen-schaften als »Verteidiger« und »Soldaten« gefeiert,als »patroni«, und ihren machtvollen Schutz (praesi-dia, patrocinia) angepriesen hatte, kümmert sich umdas Edikt nicht im geringsten. Großzügig schickte erkleinere Stücke von »Gervasius« und »Protasius« inalle Welt; am meisten aber überschwemmten sie Gal-lien. Die Märtyrerportiönchen reisten nach Tours, Vi-enne, Rouen, wo der hl. Bischof Victricius (Fest 7.August) – ein ehemaliger Soldat, der dem Militär-dienst »durch ein gut beglaubigtes Wunder« entrann(Lexikon für Theologie und Kirche) und dann alsstrammer Heidenbekehrer bis nach Britannien hinüberwirkte – sich hohe Verdienste um alle möglichen Re-

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2.383 Deschner Bd. 3, 252Steigende »Nachfrage« nach toten Heiligen

liquien erwarb. Victricius hatte bereits eine besondersaus Italien bezogene Sammlung im Einsatz, deren Ef-fizienz er unermüdlich propagierte, seien die Stück-chen auch noch so klein: »Wir dürfen uns nicht überdie Kleinheit dieser Reliquien beklagen ... Die Heili-gen erleiden keinen Schaden, wenn man ihre Überre-ste aufteilt. In jedem Stück steckt die gleiche Heilkraftwie im Ganzen« – eine »granitene Figur«, rühmt Je-suit E. de Moreau, hervorragend »unter den Edelstenseiner Zeit«142.

Doch nicht allen glückte alles, und selbst ein so ab-gebrühter, mit allen Wassern gewaschener Patron wieder hl. Martin mußte einmal einen frisch aufblühen-den Märtyrerkult einstellen, weil der von der gläubi-gen Gemeinde Geehrte und Verehrte – ein ehemaligerStraßenräuber war143.

Wie Ambrosius, so traten auch die anderen Kir-chenlehrer für den Reliquienkult ein, Basilius, Gregorvon Nazianz, Chrysostomos, Hieronymus, Augusti-nus. Ohne Zaudern bezeugen sie Wunder. »Viele«wurden, laut Ambrosius, »wie durch einen Schatten(umbra quadam) der hl. Leiber geheilt«. »Ein wenigStaub hat so große Menge Volks versammelt. DieAsche ist verborgen, die Wohltaten sind offenkundig«(Augustinus). »Nicht nur die Leiber der Heiligen,auch ihre Grabstätten sind mit geistiger Gnade er-füllt« (Chrysostomos)144.

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2.384 Deschner Bd. 3, 253Steigende »Nachfrage« nach toten Heiligen

Zum Beispiel mit Öl. Viele Reliquien schwitztenwunderbarerweise Öl aus. Und Johannes von Damas-kus, der »als Gelehrter, Dichter und Prediger ... derKirche große Dienste« geleistet (Altaner/Stuiber) dendas Konzil von Nizäa (787) hoch gelobt hat, be-schwichtigte Bezweifler des ausgeschwitzten Heili-genöls: »Als heilbringende Quelle gab uns der HerrChristus die Reliquien der Heiligen, die auf mannig-fache Weise die Wohltaten ausströmen, wohlriechen-de öle hervorquellen lassen. Und niemand sei ungläu-big! Denn wenn aus hartem Fels in der Wüste Wasserquoll ..., ist es dann unglaublich, daß aus Märtyrerre-liquien wohlriechendes Öl quelle?«145

So stützt ein Blödsinn den anderen.Dem hochverehrten vermeintlichen Grab des Apo-

stels Andreas in Patras, wo er angeblich das Martyri-um am Kreuz erlitten, von dem herab er noch zweiTage die erbaulichsten Predigten gehalten, »die Lehrevom Kreuz« verkündet hatte, das »den Ungläubigenzum ewigen Verderben dient« (»das liest sich wie einEvangelium«: Kapuziner Maschek), entquoll Öl undManna. (Andreas avancierte denn auch zum PatronRußlands, Schottlands, Griechenlands, zum Schirm-herrn des Ordens vom Goldenen Vlies, Beschützerder Metzger u.a., und wird gerne angerufen bei Rot-lauf, Krämpfen sowie als Vermittler in Liebesdin-gen.)146

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2.385 Deschner Bd. 3, 253Steigende »Nachfrage« nach toten Heiligen

Als berühmtester Ölausschwitzer galt der – viel-leicht historische – hl. Demetrius, dessen Kult indesnur den des heidnischen Kabir fortsetzt. Die (angebli-che) Ruhestätte des Demetrius in Thessalonike, wo erhochgefeierter Stadtpatron wurde, brachte durch dieKraft des Toten das Öl in Wallung. Doch auch beiBerührung mit seinen Reliquien wallte es auf – wieanderwärts, kam das Öl in die Hände der richtigenMänner, etwa in die des hl. Martin von Tours. DessenFreund Sulpicius Severus schreibt: »Der Priester Ar-pagius bezeugt, er habe gesehen, wie das Öl unterdem Segen des Martinus zunahm, bis es über denRand des übervollen Gefäßes herabrann«. Die gleicheWirkung erzielte natürlich erst recht die Segnung des»Öles vom hl. Holze«, dessen Splitter in die ganze(rechtgläubige) Welt wanderten (S. 282 f). Der Pilgervon Piacenza berichtet: »Während der Verehrung desKreuzes im Atrium der Grabeskirche wird Öl ge-bracht zur Weihe der Ampullen, die halb gefüllt sind.In dem Moment, in dem das Holz die Öffnung derAmpulle berührt, wallt das Öl auf, und wenn sie nichtsofort geschlossen wird, fließt das ganze Öl her-aus«147.

Im 4. Jahrhundert bürgerte sich allmählich derBrauch ein, unter dem Altar (im Heidentum längst üb-lich) Märtyrer-Überreste zu bergen. Man legte sieunter die Altarplatte oder in eine Höhlung derselben,

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2.386 Deschner Bd. 3, 253Steigende »Nachfrage« nach toten Heiligen

das »sepulcrum« – der Altar wurde zum Heiligen-grab. Wie geschmacklos die Sache, sosehr man sichdaran gewöhnt hat, auch ist – ganz beiseite, daß sehrviele, vermutlich die meisten Knochen, über denenman das eucharistische Opfer, das Herrenmahl, dieMesse »feierte«, nicht die dessen waren, dem man siezuschrieb –, es entstand nun eine »starke Nachfrage«(Lexikon für Ikonographie) nach hl. Leichen oder Lei-chenteilen, der »Bedarf« war bald buchstäblich unge-heuer. Und das Problem gleichfalls. Und die Samm-lerpassion auch. Es gab leidenschaftliche Liebhaberchristlicher Leichenreste. Auch wollte allmählich jedeKirche ihre Märtyrerreliquien haben, und im ausge-henden 6. Jahrhundert hatte sie auch fast jede148.

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2.387 Deschner Bd. 3, 254Von den Reichsinsignien bis zum Bärenfett

Von den Reichsinsignien bis zum Bärenfett oder»Am Anfang steht die natürliche Pietät ...«

Nun brauchte man Reliquien aber nicht nur für die»Ehre der Altäre«. Heilige Leichen schützten auch vorallerlei Teufelszeug, wehrten jede Menge Übel ab. Sobegehrten sie Herrscher, Kommunen und einzelne.

Die christlichen Kaiser hatten gleich großes Inter-esse an der Sache. Schon Konstantin-Sohn Konstanti-us ließ im Jahr 357 drei Heilige oder vielmehr ihreKnochen komplett in die oströmische Hauptstadtüberführen, die angeblichen Gebeine der Heiligen An-dreas, Lukas und Timotheus. Eudokia-Athenais, dieFrau von Theodosius II., dem Erfüller »aller Vor-schriften des Christentums« (II 46 ff), brachte 438von einer Jerusalem-Wallfahrt die Reliquien des hl.Stephanus und die Ketten des hl. Petrus nach Kon-stantinopel. Nachdem König Sigismund von Burgunddie bei seinem Rombesuch erhaltenen Reliquien »auf-gebraucht« hatte, schickte er seinen Diakon Julianuszu Papst Symmachus (498–514) – berüchtigt durchStraßenkämpfe, Kirchenschlachten und die Symma-chianischen Fälschungen (II 337 ff) –, um neue inEmpfang zu nehmen. Wiederholt wurde auch KönigChildebert mit Reliquienschätzen durch Papst Pelagi-us I. (556–561) beglückt, den man für mitschuldigKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.388 Deschner Bd. 3, 255Von den Reichsinsignien bis zum Bärenfett

am Tod seines Vorgängers hielt, des MörderpapstesVigilius (II 446 ff). Und als Kaiser Justinian in Kon-stantinopel eine Kirche zu Ehren der hl. Apostel er-bauen wollte, erbat er von Papst Hormisdas (II 349 ff,356 ff) entsprechende Reliquien, verdiene er es doch,»auch solche Heiligtümer zu empfangen, wie sie alleWelt besitze«. Er wünschte »sanctuaria beatorumPetri et Pauli«, ferner etwas von den Ketten der hl.Apostel sowie, »wenn es möglich wäre«, auch einigeTeilchen vom Rost des hl. Laurentius149.

Herrscher waren auch oft bei der Ankunft einer Re-liquientranslation zugegen, und dies Interesse erhielt,steigerte sich noch in den folgenden Jahrhunderten.Reliquien gehörten gleichsam zum Staatshaushalt, zueinem Symbol »offizieller« Herrschaftsausübung bisins Hochmittelalter hinein. Der fromme Wahn (oderdie Heuchelei) der Herren, ihr Machtgehabe, ging biszu der Ausstattung von Königsgrabkirchen mit Reli-quien, der Verbindung der Reichsinsignien mit Reli-quien und der Schaffung von »Reichsheiligen«, patro-ni peculiares der Könige. Reliquien spielten auchbeim Abschluß von Verträgen eine Rolle, in der An-wesenheit von Reliquien wurde geschworen, vorallem aber führte man sie mit im Krieg. König Hein-rich I. (919–936) scheute kaum einen Feldzug, umeine der diversen »Heiligen Lanzen« zu rauben150.

Gerade zur Zeit der Völkerwanderung, als dieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.389 Deschner Bd. 3, 255Von den Reichsinsignien bis zum Bärenfett

Macht des Reiches schrumpfte, das weströmische Im-perium zusammenbrach, die Städte auf sich selbst ge-stellt waren, schauten sich auch die Kommunen nachreligiösen Beschützern um. So sprangen gewisserma-ßen die heiligen Leichen auch hier in die Bresche, dieMärtyrerleiber und -knochen und sonstigen Teile,zumal in besonders gefährdeten Städten. Die großenWallfahrtsheiligen, die Apostel und Märtyrer in Rom,der hl. Felix in Nola, der hl. Vincentius in Saragossafigurierten ebenso als Stadtpatrone wie Sergios in Ru-safa, Theodor in Euchaita, Thomas in Edessa, Deme-trius in Thessalonike oder Bischof Jakob in Nisibis –der »Schützer und Feldherr« (Theodoret. Vgl. I 301f)151.

Bei Krieg und Pestilenz, immer waren heilige Lei-chen, heilige Gerippe, heilige Relikte hilfreich. DieBürger von Reims prozessierten während einer Seu-che im Jahr 543 mit einer Decke vom Grab des hl.Remigius feierlich um die Stadt152.

Doch nicht nur Fürsten und Städte – die meistenChristen waren angesteckt von der Sitte. Es gab unge-zählte einzelne, die Märtyrerreste (oder das, was siedafür hielten), die vor allem Asche oder »Blutreli-quien«, mit Tüchern aufgesaugtes Blut, ins trauteHeim mitnahmen, in Ägypten gelegentlich auch dieganze Märtyrerleiche, die Reliquien auf Schritt undTritt mit sich herumtrugen oder doch zeitweilig zum

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2.390 Deschner Bd. 3, 256Von den Reichsinsignien bis zum Bärenfett

Einsatz brachten. Auch derart glaubte man, alle Artenvon Unheil ab- und »Kraft« (dýnamis), jenseitigeFürsprache, sich zuzuwenden. (Bis ins 13. Jahrhun-dert war das private Aneignen von Reliquien ohnejede Kontrolle der Kirche zugelassen.)153

Eines der ersten belegten Beispiele für diesenGlauben bietet die reiche karthagische Witwe Lucillaim frühen 4. Jahrhundert. Sie küßte jedesmal vor derKommunion Märtyrerknochen (ossa) – und das auchnoch, ohne daß diese als solche anerkannt waren (I274). Ganz anders suchte sich König Chilperich zuschützen. Als er 583 in Paris einzog, ließ er die Über-reste vieler Heiligen voraustragen, um einen Bann-fluch zuschanden zu machen. Doch sollten die Kno-chen der Märtyrer nicht nur in diesem, sondern auchin jenem Leben helfen. War es ja ein weiterer christli-cher Aberglaube oder Glaube – was stets auf dasselbehinausläuft –, Reliquien ins Grab mitzunehmen, »umdadurch den Finsternissen der Unterwelt zu entgehen«(Bischof Maximus von Turin). Wallfahrts- und Reli-quienexperte Kötting erkennt auch in solchen »Blü-ten« einen echten religiösen Kern »der gesundenchristlichen Reliquienverehrung«. Wenn alles faul istrundum, ist für die Apologeten immer noch der»Kern« nützlich154.

Bereits im späten 4. Jahrhundert kam im Osten diepietätvolle Übung auf, zur Vermehrung und Vertei-

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2.391 Deschner Bd. 3, 257Von den Reichsinsignien bis zum Bärenfett

lung der mirakulösen Märtyrerkräfte diese Leiber zuexhumieren und zu zerstückeln. Heidnische undchristliche Kaiser hatten zwar die Unantastbarkeit derGräber gesetzlich garantiert und neu eingeschärft.Doch das konnte die christliche Kirche nicht abhalten.Schon Kirchenvater Theodoret, der erste Theologe deschristlichen Reliquienkultes, schrieb der kleinstenTeilreliquie dieselbe Wirkung wie einer komplettenzu. Geteilter Körper – ungeteilte Gnadenwirkung! Einschwungvolles Geschäft begann, Tausch und Verkauf,man feilschte mit echten und noch öfter mit falschenReliquien, gelegentlich kamen als heilige Märtyrerre-ste auch Maulwurfszähne, Mäuseknochen, Bärenfettin Umlauf. Kurz, die Transaktionen nahmen schondamals solche Ausmaße an, daß Kaiser Theodosius386 ein eigenes Gesetz gegen Reliquienverschleude-rung und Reliquienhandel erließ. Gleichwohl floriertedieser fort und fort, zumal man nicht nur die Leichen(reliquiae de corpore) scheußlich zerfleischt, sondernebenso andere heilige Überbleibsel zerlegt, auseinan-dergenommen, abgeschabt hat, wie Marterwerkzeuge,das angebliche Kreuz Christi, Ketten, Bratroste, Klei-der, da in ihnen, wie Papst Gregor I., »der Große«,lehrte, die gleiche »Kraft« sei. So blühte das Geschäftvom 4. Jahrhundert bis zur Reformation, »denn einewundertätige Reliquie brachte viel ein« (Schlesinger),wobei der Umsatz im 9., mehr noch im 12. und 13.

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2.392 Deschner Bd. 3, 257Von den Reichsinsignien bis zum Bärenfett

Jahrhundert kulminierte, mit den Kreuzzügen, derPlünderung Konstantinopels, und der Klerus zuletzt,als die Sache am einträglichsten war, den teuren Zwi-schenhandel auszuschalten suchte. Ist Reliquien Ver-ehrung doch »ein einfaches menschliches Bedürfnisdes Respekts vor der Person des heiligen Menschen«.»Am Anfang steht die natürliche Pietät gegenüber denÜberresten ...« (Lexikon für Theologie und Kir-che)155.

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2.393 Deschner Bd. 3, 257»Berührungsreliquien« und reisende Gerippe

»Berührungsreliquien« und reisende Gerippe

Durch Teilung der Reliquien konnte man jedenfallsviele Wünsche der Christen erfüllen und ihr Glau-bensleben aktivieren. Denn auch wenn man eine nochso kleine Teilreliquie erhalten hatte, man sprach, alseinzelner oder als Kirche, aus Renommiersucht oderwas immer, nur davon, den und den Heiligen zu besit-zen. Und da man quantitativ dachte und mehrerenHeiligen einen größeren Schutz zutraute als nureinem, auch durch Addition selbst kleinster Teile grö-ßeren Segen zu gewinnen glaubte, so strebte man denBesitz von mehreren, von vielen an. Derart kamenwohl ganze Reliquiensammlungen zustande156.

Die Reliquienteilung wurde vor allem im christli-chen Osten schrankenlos praktiziert. Man sägte,schnitt und spaltete, was immer an Heiligem teilbar,zu verkleinern, zu vervielfachen war. Der Westenübte bis ins 7., 8. Jahrhundert mehr Zurückhaltung,aber keine völlige Enthaltung, wie man noch im 20.Jahrhundert lange geglaubt hatte. Ein strenges römi-sches Gesetz garantierte zwar die Unantastbarkeit derGräber, doch wurde es offenbar oft übertreten. Auchteilte man hier schon geteilte oder leicht teilbare Kör-perreliquien, wie Blut, Asche, Zähne, Haare, weiter,ebenso aus dem Orient importierte bereits geteilte

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2.394 Deschner Bd. 3, 258»Berührungsreliquien« und reisende Gerippe

Leichen. Nach Gregor von Tours befand sich im Rei-segepäck einer Jerusalem-Pilgerin ein Überrest Johan-nes des Täufers, den drei gallische Bischöfe weitertranchieren wollten157.

In Tours kannte man auch viele Translationen.Ebenso verteilte man in Norditalien unter dem genia-len Märtyrerfinder und -erfinder Ambrosius (I 431 ff)Märtyrerleiber. Vor allem Blutreliquien der von ihm»entdeckten« Bekenner »Gervasius« und »Protasius«überfluteten das Abendland. Ambrosius-Freund Bi-schof Victricius von Rouen (S. 251 f) erwarb eifrigReste oberitalienischer und orientalischer Blutzeugen.Und auch in Nordafrika verkauften Mönche echtesund unechtes Märtyrergebein158.

Doch bei aller Zerteilung und Vertreibung kleinerund kleinster Partikel reichte der Vorrat nicht, zumalRom anscheinend lange keine Zerteilungen vornahm,freilich nicht zögerte, von den Griechen geteilte Reli-quien anzunehmen. Mit der Herausgabe eigener,zumal solcher der »Hauptheiligen«, knauserten diePäpste indes, spendierten aber um so großzügiger Re-liquien, die sie ungemein preiswert kraft eines Trickserzeugten. Sie kreierten nämlich die Kategorie der Be-rührungsreliquien, wobei jeder Gegenstand, der miteiner Reliquie, vor allem mit dem Heiligengrab, etwadem angeblichen Petersgrab (oder dann auch in Toursmit dem Martinsgrab) in Kontakt kam, selber zur Re-

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2.395 Deschner Bd. 3, 259»Berührungsreliquien« und reisende Gerippe

liquie wurde, indem die übernatürliche Kraft der»echten« Reliquie auf die jetzt gleichfalls »echte«überging. Man legte einfach Tücher in Büchsen ausHolz, Elfenbein oder Edelmetall neben die Heiligen-leiber und behauptete, sie hätten die gleiche Wirkungwie die anderen Reliquien – was zweifellos zutraf.Auch haben dies die großen Theologen des Katholi-zismus im 4. und 5. Jahrhundert, die KirchenlehrerHilarius, Basilius, Gregor von Nazianz, JohannesChrysostomos, Augustinus und andere, ausdrücklichbekräftigt. Reliquie konnte nun vieles, um nicht zusagen alles werden, der kleinste Teil einer Heiligenlei-che nicht nur, auch ein Schwamm etwa, mit dem manMärtyrerblut aufgesaugt oder schon ein Tuchlappen,war er mit Reliquien in Berührung gekommen; denndie »Kraft« der echten Reliquie hatte sich damit aufdie neue übertragen – im 4. Jahrhundert bereits eineIdee fixe des ganzen christlichen Erdkreises159.

Mittels der Berührungsreliquien, die Rom über dasAbendland verstreute, festigte es nicht zuletzt seinenkirchenpolitischen Einfluß. Generös verteilten diePäpste nach allen Richtungen ihre Gaben, die sienichts kosteten und unter vielen Namen in die »Fröm-migkeitsgeschichte« eingingen: brandea, palliola,sanctuaria, memoriae, benedictiones, eulogiae, patro-cinia. Papst Gregor I. (590–604), der sogenannteGroße, betrieb einen schwunghaften Reliquienver-

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2.396 Deschner Bd. 3, 259»Berührungsreliquien« und reisende Gerippe

sand. Raritäten waren darunter wie (an Könige ge-schickte) Kruzifixe mit eingelegten Splittern vomKreuz Jesu oder mit Haaren von Johannes dem Täu-fer, der ja wunderbarerweise gleich zwei Köpfe hin-terlassen. Auch versandte dieser Papst Schlüssel zumAnhängen gegen Zauberei mit Feilspänen von denKetten des Apostelfürsten. Und nun scheute man auchin Rom nicht mehr vor den Gräbern zurück. So ließPapst Bonifatius IV. (608–615) viele Gebeine nachRom überführen, vor allem in die von ihm der Jung-frau Maria und allen Märtyrern geweihte Kirche SantaMaria ad martyres, in die er das Pantheon, das »Hei-ligtum aller Götter«, umgemodelt hatte. Seit Paul I.(757–767) wurden viele »Heiligenleiber« (später nurnoch kleine Teile) ins Frankenreich geliefert; wandtesich dieser Papst doch wiederholt auch an Pippin umHilfe gegen die Langobarden und Byzanz – alsokonnte man schon einige Leichen, von wem immer,dafür springen lassen160.

Die meisten Skelette, Knochen und Knöchleinführten ein bewegteres, berühmteres Dasein als je zuLebzeiten.

Die Reliquien des hl. Vinzenz von Saragossa etwa,des spanischen Erzmärtyrers und Patrons von Portu-gal, sind eine Geschichte für sich, mag sein legenden-reicher Tod historisch sein oder nicht. Bis zum 6.Jahrhundert ruhten alle seine Gebeine angeblich in

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2.397 Deschner Bd. 3, 260»Berührungsreliquien« und reisende Gerippe

Valencia; ein halbes Jahrtausend später ist dort abernichts mehr. Dafür bekommt bereits 542 St.-Ger-main-des-Prés bei Paris die Stola und Dalmatik desHeiligen, die Benediktinerabtei Castres 864 die Ge-beine, Le Mans den Kopf, die Laurentiuskirche inKöln ebenfalls den Kopf (schon das Haupt des Or-pheus lag nach der einen Tradition in Lesbos, nachder anderen bei Smyrna begraben), Bari bekommt»die Armreliquie« des christlichen Heroen, Gebeineauch die Vinzenzkirche der Benediktiner in Metz, Ge-beine auch Breslau, wo Vinzenz im n. Jahrhundertzum Patron des Domkapitels und zweiten Bistumshei-ligen aufsteigt, den Leib auch Algarve, Portugal, denLeib ebenfalls Lissabon, Reliquien auch Saragossa(855), Cortona, der Dom von Lausanne (bis 1529).Endlich gelangt der aus Köln gestohlene Kopf 1463ins Berner Münster, wo der hl. Vinzenz Stadtpatronwird und sein Bild auf Münzen und Wappen er-scheint161.

Ein eigenes Kapitel, ein ganzes Buch ließe sichleicht über die groteske Geschichte der »Gottesmut-ter« schreiben, zumal über ihre Reliquien.

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2.398 Deschner Bd. 3, 261Marienrückstände oder »der Menschheit ganzer ...

Marienrückstände oder »der Menschheit ganzerJammer ...«

Es bedarf wohl keines Wortes, daß man von Marianichts besaß, nicht das geringste. Die Einwohner Na-zareths hatten an ihr nichts Ungewöhnliches bemerkt.Das ganze Neue Testament nennt sie sehr selten undohne besondere Verehrung. Noch Kirchenväter des 3.Jahrhunderts werfen ihr Eitelkeit, Stolz, Unglaubenan Christus und anderes mehr vor. Auch die offiziel-len Führer der Kirche bewahrten zunächst eine ge-wisse Zurückhaltung gegenüber dem Marienkult,suchten ihn zumindest in den Schranken des Heiligen-kultes zu halten. Ja, während man seit dem 4. Jahr-hundert die Heiligen durch ihre Nennung in den litur-gischen Gebeten beim Gottesdienst ehrte, blieb Mariabis zur Mitte des 5. Jahrhunderts davon ausgeschlos-sen. Noch ein Jahrhundert früher achtete man sie we-niger als selbst die geringsten Märtyrer. Erst im späte-ren 4. Jahrhundert baut man die erste Marienkirche inRom, das heute etwa achtzig Marienkirchen hat. Dochkannte man damals noch nirgends eine Marienwall-fahrt. Mindestens vier Jahrhunderte kam die Christen-heit ohne sie aus. Erst seit dem 5. Jahrhundert feiertman Marienfeste. Doch gibt es in Afrika noch zur ZeitAugustins kein Marienfest. Und erst seit dem KonzilKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.399 Deschner Bd. 3, 261Marienrückstände oder »der Menschheit ganzer ...

von Ephesus, auf dem Kirchenlehrer Kyrill mit Hilfegigantischer Bestechungen das Dogma der Gottesmut-terschaft Mariens durchsetzt (II 172 ff), wetteifern Bi-schöfe, Kaiser und wer es sich sonst leisten konnteund wollte in der Errichtung von Marienkirchen162.

Über das Aussehen der Maria war nichts bekannt,wie noch Augustin bezeugt. Aber bei ihrer Pilgerfahrtnach Jerusalem gelang Kaiserin Eudokia ein glückli-cher Fund. Sie entdeckte um 435 ein Bild Marias,überdies vom Apostel Lukas gemalt! Im 6., 7. Jahr-hundert stellte man dann Marienkonterfeis »geradezufabrikmäßig« her, und im 8. kamen die nicht vonMenschenhänden gemachten Bilder der Gottesmutter,die Achiropoiiten, noch dazu. Die gewöhnlicherenMarienbilder standen im späteren 6. Jahrhundert wohlin den Häusern der meisten orientalischen Christensowie in den Mönchszellen, wo man sie fast angebetethaben soll. Marienbilder wurden nun mehr als alle an-deren Heiligenbilder, wurden wie Reliquien verehrt,der Grund wahrscheinlich, weshalb man mit Marien-reliquien noch keinen schwunghaften Handel trieb: ihrBild bot zunächst genügend Ersatz. Es wurde schließ-lich der häufigste Gegenstand der christlichen Kunst.Es prangte aber auch bereits zu Beginn des 7. Jahr-hunderts (610) an den Schlachtschiffen des KaisersHeraklius – und durch alle Jahrhunderte ist Maria»Maienkönigin« auch die große Kriegs- und Blutgöt-

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2.400 Deschner Bd. 3, 262Marienrückstände oder »der Menschheit ganzer ...

tin geblieben, die ihre größten Triumphe wohl imAbendland erlebt, bis in den Zweiten Weltkrieg hin-ein163.

Seit dem späteren 5., dem 6. Jahrhundert wird esüblich, vor allem in Palästina, mit Marienreliquienden Glauben und das Geschäft zu mobilisieren. Mankannte plötzlich den Stein, auf dem die Jungfrau, nachBethlehem reisend, gerastet hatte. Um 530 stand die-ser Stein, wie ein Wallfahrer bezeugt, als Altar in derGrabeskirche von Jerusalem. Jahrzehnte später jedochfand ihn ein anderer Pilger wieder an der ursprüngli-chen Stelle; das wohlschmeckendste Quellwassersprudelte jetzt aus ihm.

Noch im 6. Jahrhundert aber gibt es relativ wenigÜberreste der marianischen Garderobe. In Diocaesa-rea verehren um 570 Wallfahrer aus dem Westeneinen Krug und ein Körbchen der Maria, in NazarethWunder wirkende Kleidungsstücke Marias, in Jerusa-lem zeigt man ihren Gürtel, ihr Kopfband. Zumal derGürtel genießt anscheinend bald großes Ansehen undwird später in Hymnen und Predigten besungen. (Gibtes doch Gürtel-Reliquien der Maria nun in Limburg,Aachen, Chartres, in Prato bei Florenz. In der Toska-na wird eine Gürtel-Reliquie besonders geschätzt, imOsten feiert man ihr zu Ehren ein eigenes Fest am 31.August.) Kirchen und Privatleute streiten jetzt um denBesitz dieser und anderer Marienreliquien. Die mei-

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2.401 Deschner Bd. 3, 262Marienrückstände oder »der Menschheit ganzer ...

sten ergattert Konstantinopel: die Schweißtücher, indie Marias Leiche gehüllt war, und ein Kleid, das siewährend ihrer Schwangerschaft getragen. Zu Ehrenvon Kleid und Gürtel begeht Konstantinopel Feste,man trägt das Kleid auch in Bittprozessionen herum,und dies mit großem Erfolg, beschützt es doch wie-derholt, im 7., im 9. Jahrhundert, die Stadt vorKriegsfeinden und Erdbeben. Nun befinden sich Klei-derreliquien Mariens in Aachen (aus dem karolingi-schen »Reliquienschatz«), in Chartres (als GeschenkKarls des Kahlen), in Sens, in Rom, in Limburgusw.164

Schließlich verbreitet sich alles mögliche der hl.Gottesmutter über die Welt.

Im Mittelalter verehrt man in Gaming etwas »vondem Stein, über den Milch der seligsten Jungfraufloß«, etwas »von ihren Haaren, von ihrem Hemd,von ihren Schuhen« u.a. Die Wittenberger Schloßkir-che besitzt 1509 »von der Milch der Jungfrawen Ma-riae 5 Partickel, von den Haaren Mariae 4 Partickel,von dem Hembd Mariae drey Partickel« usw. Man be-denke: Wittenberg besaß in jenem Jahr immerhin5005 Reliquien, die meisten von Kurfürst Friedrichdem Weisen (!) aus dem »Heiligen Land« importiert;bis 1522 war für den weisen Fürsten ein eigener Ein-käufer in Venedig tätig, Doch noch inmitten des Jahr-hunderts der historischen Aufklärung führten die bis

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2.402 Deschner Bd. 3, 263Marienrückstände oder »der Menschheit ganzer ...

heute in München wirkenden Jesuiten eine eigene»Andacht zum Haarkamm der Jungfrau Maria« ein,behaupteten sie, die Verehrung der Haare Mariensmache kugelsicher: »Als hing ein Wollensack überdich, wirst mitten im Kugelregen stehen ...« Und ver-herrlichten die haarige Mariengeschichte auch ineinem Gedicht, dessen erste Strophe genügen dürfte:

»Gott der alle Häärlein zählet,Hat ihm diese auserwählet,Mir seynd diese wenig HäärleinWerther drum als alle Perlein«165.

Nur unter einem winzigen Aspekt kann dieser kurzeVorausblick die Verdummung der Christenheit durchzwei Jahrtausende andeuten. Bietet doch gerade derMarienkult historisch gesehen – und anders sehen wirhier nicht! – einen Anblick dar, bei dem einen, wieArthur Drews klagt, »der Menschheit ganzer Jammeranfaßt. Es ist eine Geschichte des kindlichsten Aber-glaubens, der kecksten Fälschungen, Verdrehungen,Auslegungen, Einbildungen und Machenschaften, ausmenschlicher Kläglichkeit und Bedürftigkeit, jesuiti-scher Schlauheit und kirchlichem Machtwillen zusam-mengewoben, ein Schauspiel, gleich geschickt zumWeinen wie zum Lachen: die wahre göttliche Komö-die ...«166

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2.403 Deschner Bd. 3, 264Raritäten und Proteste

Raritäten und Proteste

Es gibt da freilich Groteskes, Kurioses genug, geradeauch unter den Reliquien. Noch größere Raritätensind vielleicht Federn und Eier des Heiligen Geistesim ehrwürdigen Erzbistum Mainz. Oder die Reliquiendes Palmesels, worauf Verona insistierte. (Im from-men Mittelalter gab es sogar mehrere Eselsfeste, wiedas festum asinorum von Rouen, das allerdings Bile-ams Esel, dem sprechenden Tier des Alten Testa-ments, galt; während das Eselsfest von Beauvais inErinnerung an die vermeintliche Flucht nach Ägyptenbegangen wurde.)167

Zu Reliquien konnten sogar Gebäude werden. So inRom ein Privathaus, in dem der Apostel Paulus an-geblich zwei Jahre lang gewohnt und gepredigt hat;der Saal wurde noch im 20. Jahrhundert gezeigt. Dieberüchtigtste Reliquie dieser Art aber ist ohne Zweifeldie Casa Santa in Loreto, das vermeintliche Eigen-heim der Maria in Nazareth, einst dort von ungezähl-ten Pilgern besucht. Doch als man 1291 die letzte Ba-stion in Palästina verlor, trugen Engel das »HeiligeHaus« nach Italien; zuerst in die Nähe von Fiume,dann nach Loreto, wo es noch im 20. Jahrhundert einWallfahrerziel ist168.

Sehr ausgeweitet wurde der Reliquienkult durchKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.404 Deschner Bd. 3, 264Raritäten und Proteste

das Phylakterienwesen, das nichts war als eine Fort-setzung der im Heidentum vielgebrauchten Amulette,orendaerfüllte, meist um den Hals getragene Objektejeder Art, die besondere übernatürliche Kräfte vermit-teln und Übel von ihren Trägern abwehren sollten.Die Kirche verbot zwar die Amulette, segnete aber diePhylakterien, und bald stieg das Verlangen der Chri-sten nach Phylakterien »ins Ungemessene« (Kör-ting)169.

Das Ganze jedoch war so abscheulich, daß sichauch innerhalb der Kirche Protest erhob gegen die»Aschenverehrer und Götzendiener« (cinerarios etidolatras). Wohl am vehementesten geschah dies zuBeginn des 5. Jahrhunderts durch den gallischen Prie-ster Vigilantius, den auch Bischöfe seiner Heimat un-terstützten, Kirchenlehrer Hieronymus aber, offenbaraus ganz persönlichen Gründen, mit seiner berüchtig-ten Dreckschleuder angriff (I 176 f) und in Mißkreditbrachte. Doch auch im Mittelalter erwuchsen demgräßlichen Kult immer wieder Gegner, beispielsweisein dem Erzbischof Agobard von Lyon (gest. 840)oder, noch mehr, in seinem Zeitgenossen BischofClaudius von Turin, der dafür eintrat, die Reliquienlieber im Grab, in der Erde zu lassen, wohin sie ge-hörten; der gegnerische Bischöfe »eine Versammlungvon Eseln« schimpfte; der nichts von Pilgerreisenzum angeblichen Petrusgrab hielt; der auch alle Bil-

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2.405 Deschner Bd. 3, 265Raritäten und Proteste

der, selbst Kreuze aus den Kirchen seiner Diözeseentfernen ließ und, trotz Verurteilung, unbehelligt imBischofsamt blieb bis zu seinem Tod. Erst durch dieReformation wurde jede Reliquienverehrung rigorosverworfen170.

Das Konzil von Trient aber hat noch einmal denalten christlichen Brauch ausdrücklich befohlen underklärt, daß alle, welche behaupten, die Reliquien derHeiligen würden ohne Nutzen verehrt, ihre Grabmäler(memoriae) vergebens besucht, durch sie keine Hilfeerlangt, »gänzlich zu verdammen seien, wie sie schonfrüher die Kirche verdammt hat und jetzt wiedertut«171.

Der christliche Reliquienkult hängt untrennbar mitdem Märtyrer- und Heiligenkult zusammen; kaum we-niger aber mit dem Pilgertum. Denn um zu Märtyrer-und Heiligenleibern zu kommen (denen man oft, zuallen Mirakeln, noch Unverweslichkeit angedichtethat, das Ausströmen lieblichsten Wohlgeruches),machten Fürsten, Bischöfe und deren Gesandte garweite Wege. Doch auch die einfachen Gläubigen triebder Wunsch, Reliquien oder Eulogien (»Pilgeranden-ken«), die jeder antike Wallfahrtsort hatte, mit nachHause zu bringen. Und zwischen Reliquien und Eulo-gien wurde damals kaum unterschieden. Sehr, wall-fahrtsfördernd wirkte sich auch der Aberglaube (oderGlaube) aus, der Heilige helfe dort, wo er begraben

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2.406 Deschner Bd. 3, 265Raritäten und Proteste

liege oder zumindest ein Teil von ihm, Kopf, Hand,Fuß, Zehe, sonst ein Knochen, mehr als woanders.Hinzu kam endlich der Glaube (oder Aberglaube),daß die wunderbare Kraft des lebendigen Heiligennoch ebenso in seinen Überresten stecke und mandiese Kraft auch selber durch bloße Berührung erlan-ge oder doch erlangen könne172.

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2.407 Deschner Bd. 3, 2673. Kapitel

3. Kapitel

Wallfahrtsschwindel

»Was lag näher, als dem Verlangen zu sehenentgegenzukommen und die Pilger nun auchleibhaftig schauen zu lassen, was das Auge desGlaubens ihnen nur in stiller Betrachtung verge-genwärtigte?«

Bernhard Kötting1

»Und da die heilige ›Topomanie‹ keine Grenzenkannte, zeigten ihr« – der berühmten PilgerinAetheria – »die Mönche das Grab des Moses,den Palast des Melchisedech und das GrabmalJobs. Es fehlte gerade, daß man ihr den SchädelAdams, den Knüttel Kains vorführte oder sieden Wein Noes kosten ließ!«

J. Steinmann2

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2.408 Deschner Bd. 3, 268Pilgern - eine Idée fixe schon in vorchristlicher ...

Pilgern – eine Idée fixe schon in vorchristlicherZeit

In den meisten Religionen waren Wallfahrten, dasheißt Reisen zu sogenannten heiligen Stätten aus reli-giösen Gründen, des Glaubensbekenntnisses, der Er-bauung, Buße, des Gebetes, der Danksagung wegen,schon in vorchristlicher Zeit üblich. Es gab das Pil-gertum mit vielen Wunderheilungen, Votivgaben etcetera bei Heiden, Juden, auch bei den Arabern be-reits in vorislamischer Ära. Im ganzen griechischenund römischen Kulturbereich, ja darüber hinaus,stand das Wallfahrten zur Zeit »Christi«, als die Chri-sten noch gar nicht ans Wallfahrten dachten, in vollerBlüte. Und wie bei den Heiden, spielte auch dann beiden Christen das Verlangen nach Heilung eine Haupt-rolle, was zahlreiche Mirakelberichte aus den erstenJahrhunderten beweisen.

Das Wallfahrten hing eng mit dem Wahn zusam-men, die Gottheit offenbare sich an bestimmten Plät-zen lieber als an anderen, an dem Sammelpunkt»übernatürlicher« Kräfte, des »Numinosen«, beieinem wundertätigen Kultbild, einer Reliquie odersonst einem religionsgeschichtlich bedeutsamen Ort,bekannt durch das Wirken eines Religionsgründers,eines Heros, eines Heiligen. Ebenso spielte dabei derKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.409 Deschner Bd. 3, 269Pilgern - eine Idée fixe schon in vorchristlicher ...

Glaube eine Rolle, die Gottheit werde da und da lie-ber verehrt, gewähre da und da Flehenden geneigteresGehör für das Erlangen dringlicher oder geistigerGüter, befreie da bevorzugt aus leiblicher und seeli-scher Not – fixe Ideen, die auch dem Glauben an dieAllgegenwart (eines allmächtigen) Gottes widerstrei-ten3.

Auch in Prozessionen kamen die Frommen schon;bei den Juden zum Beispiel, doch ebenso bereits inaltarabischer Zeit, dann wieder im Islam. Und aucham Wahllfahrtsort selbst waren Prozessionen beiJuden am Laubhüttenfest üblich, besonders häufig je-doch im Heidentum, mit Götterstatuen, mit anderenKultsymbolen, weshalb sie die Christen als »pompadiaboli«, als Prozessionen des Teufels und Ausdruckdes Götzendienstes verwarfen, jedenfalls jahrhunder-telang. Dann hatten auch sie, mit den »wahren« Sym-bolen freilich, Prozessionen; statt Götter jetzt Heili-ge4.

Heidentum, Judentum und Kelten kannten fernerdie Festwallfahrt. Dabei strömten die Menschen vonüberall her zusammen, wie später wieder die Christen,deren Wallfahrtsorte wenigstens einmal im Jahr ihrengroßen Festtag haben. Ebenso kannten Heiden undJuden das Devotionspilgern, eine Wallfahrt aufgrundeines Gelübdes. Die Religion Jesu zwar bot dafürkaum Raum, so wenig wie für den Eid; ja, das Wort

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2.410 Deschner Bd. 3, 269Pilgern - eine Idée fixe schon in vorchristlicher ...

gegen das Schwören traf auch das Gelübde mit. DieChristen aber legten dann, wie schon die alttestament-lichen Juden, häufig Gelübde ab, und sie entferntensich bei dieser Praxis weder von der jüdischen nochheidnischen. »Die Motive für die Gelübde bleiben diegleichen ... Ebensowenig tritt ein Wandel ein, wasden Inhalt der Gelübde angeht ... Es ändert sich nurder Gelübdeadressat: Christus ..., die Trinität ... undvor allem die Märtyrer und andere Heilige« (Reallexi-kon für Antike und Christentum). Ungezählte Chri-sten machten Gelübde, aber, wie eine alte Quelleweiß, »bei vielen dauert der Wille zum Gelübde nurso lange, wie er Kopfschmerzen hat«. Freilich lassenHeilige, warnt Paulinus, Bischof von Nola, sich einenGelübdebetrug nicht gefallen – ein Topos an fastallen heidnischen wie christlichen Pilgerstätten. Undwie der Heide ein Votum durch Darbringung einesOpfers erfüllt oder vollendet hat, so auch der Christ5.

Votivgaben gab es in den frühesten Kulturen beiNatur- und Kulturvölkern, gab es an Wallfahrtsortender Kelten und Germanen ebenso wie in Italien, Grie-chenland, Mesopotamien oder Ägypten. In Kölnbrachten die Heiden hölzerne Glieder als Weihega-ben. In Süditalien fanden sich an der Mündung desSilarus in einer Hera-Wallfahrtsstätte viele Votive derKurotrophos mit dem Kind. Die Asklepieia von Epi-dauros, Athen u.a. füllten zahlreiche Weihetafeln6.

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Die dona votiva, donaria machten die Tempelreich. Selbst für den Tempel der Juden in Jerusalemstifteten sie heidnische Herrscher, Augustus, Agrippa,Claudius. Und durch Votive vermehrten sich die Tem-pelschätze von Mesopotamien bis Rom. Das Artemis-heiligtum in Ephesus nannte Aristophanes das »ganzgoldene Haus«. Man brachte Weihegaben aller Artendar: kostbare Gewänder, Stoffe, Gold, Silber, Götter-figuren, Kriegsbeute, Viehherden, am meisten aberNachbildungen geheilter Glieder, man stiftete ganzeTempel. Diese donaria konnten einfach Gunstbezei-gungen, sie konnten Ersatzopfer, Bitt- oder Dankvoti-ve sein, Gaben für erwartete oder erlangte Hilfe. Undall das praktizierten die Christen weiter, bloß nichtmehr für die heidnischen Helfer jetzt und Götter, son-dern für die Heiligen und Gott. »Es wechseln fast nurdie Namen« (Weinreich). Katholisch gesagt: »DasChristentum blieb von früh an diesen Formen derGottesehrung und des Gottvertrauens treu ...« (PrälatSauer)7

Auch die Inkubation, das Schlafen an heiliger Stät-te zur Erlangung göttlicher Träume, Verkündigungen,Visionen, stammt aus dem Heidentum. Die Inkubati-on, ursprünglich mit den Offenbarungsorten chthoni-scher Gottheiten verbunden, war besonders im grie-chischen Kulturraum verbreitet. Oft nach bestimmtenVorbereitungen, Enthaltung gewisser Speisen, auch

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2.412 Deschner Bd. 3, 271Pilgern - eine Idée fixe schon in vorchristlicher ...

des Beischlafs, legten sich Männer und Frauen ge-trennt in einen Kultraum und erwarteten das Erschei-nen des Gottes in seiner, in anderer Gestalt. Erwarte-ten Traumoffenbarungen, Orakel, die dann meist am-tierende Priester zu deuten hatten. Erwarteten nichtzuletzt Heilung, weshalb Inkubation vor allem vonKranken geübt worden ist; zumal in den Tempeln derHeilheroen und -götter, am meisten vielleicht in denHeiligtümern des Asklepios von Ägypten bis Grie-chenland und Rom; später in denen der hellenistisch-ägyptischen Gottheiten Isis und Sarapis, bei denenviele, die die Ärzte schon aufgegeben, Erhörung fan-den. Doch waren diese Inkubationsstätten, wie danndie christlichen, auch Hospitäler8.

Im Christentum flehte man bei der Inkubation (inGriechenland angeblich noch im 20. Jahrhundertpraktiziert) statt der Heidengötter die Heiligen an:Thekla, Michael, Therapon, Kyros und Johannes,Kosmas und Damian – allerdings nicht nur um Hilfefür den Leib zu erlangen, sondern auch für die Seele,was die christliche Inkubation unterschieden habensoll von den paganen Inkubationsorten und Hospitä-lern. In Wirklichkeit suchte man selbstverständlichauch für die Seele schon Hilfe im Heidentum. Obmanche Kirchenväter (Eusebius, Chrysostomos, Hie-ronymus, Kyrill von Alexandrien u.a.) die christlicheInkubation als Aberglauben bekämpften, ist nicht

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2.413 Deschner Bd. 3, 271Pilgern - eine Idée fixe schon in vorchristlicher ...

immer eindeutig und umstritten; die heidnische ver-dammten sie natürlich. In den Eliasthermen am Jor-dan wurden die Kranken abends durch eine Hintertürin den Baderaum gelassen. Doch hat Kaiser Justinianin schwerer Krankheit die Heiligen Kosmas und Da-mian zum Heilschlaf bestimmt nicht heimlich aufge-sucht, ihre Kirche vielmehr erweitert und ausge-schmückt. Auch berichtet der Bischof Basilius vonSeleukia ganz ungeniert und billigend über die Inku-bation von Christen, und weit ausführlicher noch So-phronius, im 7. Jahrhundert Patriarch von Jerusalem9.

Der Buddhismus kannte zunächst vier heilige Stät-ten, von denen Buddha prophezeite, man werde zuihnen pilgern und wer dabei sterbe, im Himmel wie-dergeboren: Lumbinī (Nepal), wo Buddha geboren,Bodhgayā, wo er erleuchtet wurde, Sārnāth, wo er zupredigen begann, und Kushinagara, wo er ins Nirvān. aeinging. Später kamen viele weitere Wallfahrtsortedazu, Kōyasan etwa in Japan, Kandy auf Ceylon, woman den Buddha-Zahn verehrte. Auch im Hinduismus(Hauptheiligtum Benares) gab und gibt es zahlreicheheilige Städte, pilgern die Sādhu von Wallfahrtsort zuWallfahrtsort. Und im (allerdings erst nachchristli-chen) Lamaismus, dem tibetischen Buddhismus, mitdem Kult- und Pilgerzentrum Lhasa, läuft das Volk –jeder vierte ist geistlichen Berufes! – auch scharen-weise zu den Klöstern, Zentren des kultischen und

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2.414 Deschner Bd. 3, 271Pilgern - eine Idée fixe schon in vorchristlicher ...

wirtschaftlichen Lebens, huldigt den Reliquien, kauftAmulette, Götterbilder, setzt die Gebetsmühlen inSchwung. Gepilgert wird im Shintoismus, in der japa-nischen Ur- und Nationalreligion (kami no michi), diesogar ein erbliches, gleichfalls sehr geschäftstüchtigesPriestertum kannte, wobei einzelne Familien dasTempeleinkommen als Familieneinnahmen ansahen.Wallfahrten gab es bei Konfuzianern, den alten Ägyp-tern und nicht zuletzt im antiken Griechenland10.

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2.415 Deschner Bd. 3, 272Asklepios, der Gott der »milden Hände«

Asklepios, der Gott der »milden Hände«, undEpidauros, das heidnische Lourdes

In der ägäisch-kretischen Religion übte man die wall-fahrtsähnliche Verehrung von ländlichen »Kultschrei-nen«, Bergheiligtümern, heiligen Grotten – teilweisenoch im neugriechischen Volksglauben Wallfahrtsor-te. Und etwa vom ausgehenden 5. Jahrhundert an be-gann Asklepios seinen Siegeszug. Er stellte alle an-dern Heilgottheiten in den Schatten, nicht nur für dieklassische Zeit, für das ganze Altertum. Er wurde derbedeutendste, fast allein allgemein anerkannte Heil-gott, ein milder, vergebender, beliebter Helfer, einHeiland, der ursprünglich vielleicht ein Heilheroswar, in dem man einen berühmten thessalischen Arztheroisiert hatte (vgl. S. 243). Noch Pindar sah um475 v. Chr. in Asklepios einen heroisierten Sterbli-chen – und die alte Welt verehrte in ihm einen Gott,der Mensch gewesen, verehrte ihn wohl gerade des-halb als den menschlichsten, den menschenfreundlich-sten Gott, den Gott der »milden Hände«, den Gott,»der mit seiner milden Hand Heilung bringt«11.

Man vergötterte ihn als Wundertäter, der Lahme,Stumme, Blinde geheilt, auch Haare erzeugt, der Stür-me gestillt hat und Tote auferweckt, der Kranke wie-der gesunden ließ, aber auch seelische GebrechenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.416 Deschner Bd. 3, 273Asklepios, der Gott der »milden Hände«

behob. Viele behaupteten, ihn gesehen zu haben undverbürgten sich für seine Taten. Zahlreiche Wunderdes Asklepios, des Retters in allen Lebensnöten, derauch durch Handauflegen heilte, »Arzt« genanntwurde, der »wahre Arzt«, »Herr« über die Krank-heitsmächte, »Heiland«, gingen in der Bibel auf Jesusüber, nicht selten mit den frappierendsten Details. As-klepios, der Sohn eines Gottes, erleidet nicht nur denTod als Strafe, sondern fährt auch in den Himmel auf.Kurz, Leben und literarische Motive in der Lebensge-schichte der beiden Gottheiten ähneln einander, undgerade die Wunderheilungen des Asklepios stimmennoch in Einzelheiten »in auffallender Weise mit denWunderheilungen Jesu überein« (Croon)12.

Die Christen konnten all dies nicht ganz leugnen;es war zu bekannt. »Wenn wir sagen«, schreibt Ju-stin, »daß Christus Krüppel, Lahme und von Geburtan Kranke geheilt und Tote auferweckt habe, dannscheinen wir damit Dinge zu erzählen, die dem ähn-lich sind, was man von Asklepios berichtet«. Aber ge-rade die Analogien provozierten die Kirchenväter zuscharfen Attacken. Und natürlich fehlt da nicht dieBehauptung, daß Asklepios ein gefährlicher Dämonsei, daß Christus ihn weit übertreffe13.

Die Asklepieia verbreiteten sich über den ganzenMittelmeerraum. Mehr als zweihundert Heilstättendes Gottes wurden durch die Forschung nachgewie-

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2.417 Deschner Bd. 3, 273Asklepios, der Gott der »milden Hände«

sen, die sämtlich Wallfahrtsorte waren. Zu den größ-ten gehörten Kos, Pergamon, Athen, Trikka, Lebena,Aigai in Kilikien, Rom. Ungezählte suchten in denJahrhunderten um die »Zeitenwende« hier Heilungund Hilfe. Im Asklepieion von Athen fehlte unter denVotivgaben der Dankbaren – wie dann in so vielenkatholischen Pilgerorten – kaum ein Körperglied. Ausden verschiedensten Materialien prangten da Hals,Ohr, Auge, Zahn, Hand, Fuß, Brust u.a. ZahlreicheAthener Weihereliefs aus dem 5. vorchristlichen Jahr-hundert zeigen aber auch noch die milde, helfendeHand des Asklepios. Auf vielerlei Weise sollte ebendas Vertrauen in den Heilgott wachsen und der Ruhmdes Heiligtums dazu14.

Die berühmteste Wallfahrtsstätte, der innerhalb desKultes selbst freilich viele Konkurrentinnen erwuch-sen, war Epidauros, eine Art Lourdes der Antike: ro-mantisch im Nordosten des Peloponnes, neun Kilo-meter südwestlich der Stadt in einer weiten, quellen-reichen Talmulde gelegen und in sechsstündiger See-fahrt von Athen aus zu erreichen. Der Kult setzte im7. vorchristlichen Jahrhundert ein, wurde wahrschein-lich von Trikka in Thessalien aus nach Epidaurosübertragen und begann im 5. Jahrhundert zu florieren.Er machte Epidauros weltbekannt und zog die Pilgeraus allen Schichten, hauptsächlich zur Heilung inTraumorakeln und Wasserkuren, von weit her an:

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2.418 Deschner Bd. 3, 274Asklepios, der Gott der »milden Hände«

Einäugige, Blinde, Stumme, Gelähmte, Schwindsüch-tige, Schußverletzte. Auch Leute, die wichtige Dingeverloren hatten. Und besonders häufig Frauen, diesich Kinder wünschten. (Auch andere Asklepiostem-pel waren in solchen Fällen gefragt sowie Delphi –und später wallfahrten Christinnen aus dem gleichenGrund zu den Kirchen.) Über eine Gebührenordnungist nichts bekannt; doch verstand man die Gebefreu-digkeit »psychologisch klug zu nutzen« (Reallexikonfür Antike und Christentum). Manche besuchten Epi-dauros sogar nur, um einfach dort zu beten. Außerdem künstlerisch bedeutenden Hauptheiligtum gab esnoch Tempel anderer Gottheiten, vor allem der Arte-mis, Themis, Aphrodite, gab es so viele Altäre diver-ser Götter, daß sie – wie in Olympia – numeriert wer-den mußten. Und natürlich standen auch große Ge-bäude da für die Unterbringung der Pilger.

Viele blieben wochen- und monatelang, mancheJahre, wovon am meisten die Priester profitierten. Sienahmen auch die Opfergaben an sich, von Geheiltenaußerdem Geld, Edelmetall, gelegentlich ganze Statu-en aus Gold. Sie sorgten dafür, daß Gesundete, dieder Gottheit den schuldigen Dank verweigerten, inWunderaufzeichnungen mit neuer Krankheit geschla-gen wurden. Sie sorgten für Berichte über Kranke, dieerst auf dem Heimweg oder daheim durch den gütigenAsklepios genasen. Und offenbar verbreiteten auch

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2.419 Deschner Bd. 3, 275Asklepios, der Gott der »milden Hände«

die Priester den Glauben, daß mit der Größe der ge-lobten Gabe die Wahrscheinlichkeit der Heilungwachse. Im ausgehenden Altertum gab es in den As-klepios-Heilstätten vielleicht sogar eine Art Kurbe-trieb mit regelrechten Taxen; wie überhaupt an man-chen Wallfahrtsorten Ärzte und Asklepiospriesteridentisch waren15.

Aus propagandistischen Gründen schrieb man inEpidauros schon im 4. Jahrhundert v. Chr., in der Zeitseiner ersten Hochblüte, wunderbare Heilungen aufViereckstelen, die zum Teil erhalten sind, und die sichvon entsprechenden Berichten christlicher Wallfahrts-orte nicht unterscheiden. Aufgrund solcher und ande-rer Inschriften in Epidauros sowie aus literarischenQuellen lassen sich dort zwischen 300 v. Chr. und200 n. Chr. etwa 80 wunderbare Erhörungen nach-weisen. In Wirklichkeit werden es viel mehr gewesensein. Auch suchte man schon die Nichterhörung derPilgerbitten zu begründen. Die christlichen Wall-fahrtsorte standen dann vor demselben Problem undnannten als Ursache häufig die Sündhaftigkeit der Be-sucher16.

Die genaue Abfolge des täglichen Gottesdienstesist für Epidauros nicht mehr festzustellen. Abgesehendavon, daß man, wie im Heidentum üblich, zu ver-schiedenen Gottheiten beten konnte, so erinnert man-ches an spätere christliche Riten, Zeremonien: die

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2.420 Deschner Bd. 3, 275Asklepios, der Gott der »milden Hände«

starke Verwendung des Lichts und der Lampen, derGebrauch des Weihrauchs, besonders die Tagzeiten-hymnen, feierliche Prozessionen zu Ehren des Apol-lon, des Asklepios, nicht zuletzt die Spenden. Im 3.und 4. nachchristlichen Jahrhundert nimmt die Häu-figkeit der Dedikationen zunächst nicht ab, die Zahlder Pilger steigt eher noch, auch die Weihungen neh-men zu. Der Epidaurier, wie der Heilgott hier heißt,überflügelt nun selbst so berühmte Kulte wie die inEleusis und Delphi17.

Epidauros, bereits im 4. vorchristlichen Jahrhun-dert sehr reich, wurde im 1. von Sulla (S. 418), dannvon Seeräubern geplündert und war um 400 n. Chr.zerstört. Die Christen mieden es lang. Erst Jahrhun-derte danach begann dort der Kult zweier Heiligen zuflorieren, der kaum zufällig an Asklepios und seinWirken erinnert und kaum nur die alten äußeren For-men übernimmt. Zu unbekannter Zeit errichtete mandann eine fünfschiffige Basilika und machte sieschließlich zu einer Festung18.

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2.421 Deschner Bd. 3, 276Sarapis, Isis und die Jungfrau Maria

Sarapis, Isis und die Jungfrau Maria

Was Asklepios im Bereich der griechischen Kulturgewesen, war Sarapis in Ägypten. Mitte des 2. nach-christlichen Jahrhunderts werden dort immerhin 42Tempel des – neben der Isis – populärsten ägypti-schen Gottes genannt. In Alexandrien und Kanapossind seine Heilstätten stark besucht. Und mit der Got-tes Verehrung verband sich die fortschreitende medi-zinische Wissenschaft – von der das Christentum baldwenig hält, ja, die es oft bekämpft. Wie Asklepios giltSarapis als Universalhelfer, pantheistischer Allgott.Es gibt auch eine Sarapis-Trinitätslehre: Isis, Sarapis,Horus. Sarapis trägt ferner – mit anderen Göttern undgeschichtlichen Persönlichkeiten, den Seleukiden inSyrien, den Ptolemäern in Ägypten – die sakrale Titu-latur »Heiland«, wie später der biblische Jesus. Auchgeht man zum »Tisch des Herrn Sarapis«, wie nach-her zum »Tisch des Herrn«. Sarapis kannte bereitsMönche, und es ist wohl der Erwähnung wert, daßPachomius, der Gründer der ersten christlichen Klö-ster (S. 227 f), vorher Mönch des Sarapis war. In hel-lenistischer Zeit konnte Sarapis mit Asklepios ver-schmelzen, doch wurde sein Kult auch mit dem derIsis verbunden. In Korinth, Sparta, Patrai, Kopai inBöotien standen seine Tempel, drei allein (seit 220 v.

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2.422 Deschner Bd. 3, 276Sarapis, Isis und die Jungfrau Maria

Chr.) auf der Insel Delos, mehrere in Rom. Und mitTraumdeutung, Orakelauslegung etc. hatten seineHeiligtümer den gleichen Pilgerbetrieb wie dieAsklepieen19.

Ein bedeutendes antikes Wallfahrtszentrum warEphesus, die Hauptstadt der Provinz Asien und einHauptsitz der heidnischen Muttergöttin. Denn hier,wo kleinasiatische Religiosität mit griechischer Fröm-migkeit sich vermischte, kulminierte der Artemiskult,verschmolz die von Zeus mit ewiger Jungfräulichkeitbegnadete Artemis Ephesia eng mit der Isis, der be-rühmtesten Göttin Ägyptens.

Die Religon der Isis kannte eine Offenbarung, hei-lige Schriften, eine Kirchenorganisation mit hierarchi-scher Gliederung und so viele Wunder, daß dieKünstler dadurch reich geworden sind. Isisfeste gin-gen in den erst verhältnismäßig spät aufkommendenMarienkult ein. (Das navigium Isidis feiert man ander südfranzösischen Küste bis heute für Maria.) Isisaber, da und dort auch als Heilgottheit, Orakelspende-rin bewährt, umwarb man auf der Nilinsel Philae mitWallfahrt, Prozessionen, Weihegeschenken bis ins 6.Jahrhundert n. Chr. Lange vor Maria aus Nazarethverherrlichte man die göttliche Jungfrau Isis mit demGotteskind, die heidnische Madonna, die besondersMädchen und Frauen anflehten, durch Litaneien, An-dachten, Fasten, Exerzitien, pries sie als Allmutter,

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2.423 Deschner Bd. 3, 277Sarapis, Isis und die Jungfrau Maria

Schützerin des Lebens, Herrin der Natur, Helferin inNöten der Geburt, als Segenspenderin »von der allesGute kommt«, als »liebe Herrin«, »liebreiche Mut-ter«, »Himmelskönigin«, »Meereskönigin«, »Rette-rin«, »Unbefleckte«, »sancta regina«, »mater doloro-sa«, als »Mutter des Grünens und Blühens«. Undnicht zufällig mußte Isis ihren Titel »Mutter Gottes«(mwt ntr), den sie schon im alten Ägypten trug, nachlangen dogmatischen Kämpfen 431 auf dem Konzilvon Ephesus (II 172 ff) endgültig der Mutter Jesuüberlassen, die nun geradezu an ihre Stelle tritt20.

Wie in allen Wallfahrtsorten und Heilstätten dervorchristlichen Welt ereigneten sich auch in Ephesus»Wunder und Zeichen«. Man fand Votivgaben, etwa800 in der Nähe des alten Altars, Abbilder allermenschlichen Glieder, Dankesbezeugungen für jegli-che »Erhörung«. Es gab sogar ein Bankinstitut imTempel – die größte Bank der Provinz – und offenbareine eigene lokale Fabrik, die Weihegaben und An-denken zum Verkauf an die Pilger herstellte. Es gabein ganzes Heer von Tempelangestellten, nicht nur dieHändler, die Verkäufer von Talismanen, Amuletten,auch Opferdiener, Wächter, Musiker, Chorsänger,Magier, Wahrsager und natürlich den Klerus, die Ho-hepriesterin mit ihren Akoluthen, den »Bienen«. Undwie heute noch die zahlreichen Lourdesgrotten in derkatholischen Welt die Attraktion von Lourdes nicht

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2.424 Deschner Bd. 3, 277Sarapis, Isis und die Jungfrau Maria

schmälern, so schwächten auch nicht die vielen Filial-gründungen, die der ephesinischen Göttin weithin er-wuchsen, die Anziehung der Ephesia. Im Westenreichten ihre Heiligtümer bis nach Marseille, ja, nachPausanias verehrte man sie überall auf Erden21.

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2.425 Deschner Bd. 3, 278Wallfahrt im vorchristlichen Judentum

Wallfahrt im vorchristlichen Judentum

Auch im alten Israel blühte das Wallfahrtswesen.Beliebte Pilgerziele waren Silo, Betel, Gilgal,

Beerseba. Man betete und spendete, opferte Mehl,Wein, Rinder. Es kam häufig zu Freßgelagen undTrunkenheit (wie heute noch auf ungezählten katholi-schen Kirchweihfesten, wenn da auch nicht gerade inden Kirchen, aber gleich daneben). Zeitweise gab es,wie häufig an phönizischen und syrischen Pilgerstät-ten, sogar kultische Prostitution. »Ja, kommt her nachBethel und treibt Sünde, und nach Gilgal, um nochviel mehr zu sündigen«, eifert der Prophet Amos undwarnt: »Besucht nicht Bethel! Wallfahret nicht nachGilgal! Und zieht nicht nach Beerseba«. (Manche Bi-beln gaben freilich Amos 2,7 wieder: »der Mann gehtmit seinem Vater zum üppigen Mahle«, wo statt des-sen Mädchen, Dienerin stehen müßte und gewöhnlichauch steht.)22

Der Hauptwallfahrtsort war selbstverständlich dasZentralheiligtum Jerusalem, wo sich die jüdische Prie-ster macht ballte (vgl. I 100 ff, bes. 102 f).

Die Wallfahrt nach Jerusalem wurde für männlicheIsraeliten – bei Frauen stand es in deren Belieben –vom 13. Lebensjahr an lange Zeit obligatorisch. (Spä-ter machte der Islam auch die Wallfahrt nach Mekka,

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2.426 Deschner Bd. 3, 278Wallfahrt im vorchristlichen Judentum

die berühmteste, rituell genau geregelte, zur Pflicht,meist damit verbunden die allerdings freiwillige nachMedina, zum Grab Mohammeds.) Bei weiter Entfer-nung mußten die Israeliten wenigstens einmal im Jahrzum Passa, Osterfest, erscheinen, bei näherem Woh-nen außerdem noch zu Pfingsten, Laubhütten, sowiezum Versöhnungstag. Alle anderen Jahwetempel au-ßerhalb Jerusalems erkannten die dortigen Priesternicht an. Darf es doch, schreibt Philon von Alexandri-en, der jüdisch-hellenistische Philosoph, nur ein Hei-ligtum geben, »da es auch nur einen Gott gibt. Er hatauch denen, die zu Hause opfern wollen, dieses nichtgestattet, gebietet ihnen vielmehr, sich aufzumachenvon den Enden der Erde her und dies Heiligtum auf-zusuchen«. Fast überall gipfelt Religion eben auch imGeschäft23.

Wochenlang besserte man in Palästina, bevor sichdie Hauptmasse der Pilger heranwälzte, die Wegeaus, setzte die Brücken instand, öffnete die Brunnen.Erst recht richtete man in Jerusalem Straßen und Plät-ze her. Und strömten auch nicht, wie Flavius Jose-phus gewaltig übertreibend behauptet, 2700000Juden zur Zeit Neros zum Passa herbei, darf man dadoch, bei 55000 Einwohnern, normal mit beträchtlichmehr als doppelt so vielen Pilgern rechnen. Sie kamenaus fast allen Provinzen des Oströmischen Reichesund niemand durfte mit leeren Händen erscheinen.

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2.427 Deschner Bd. 3, 279Wallfahrt im vorchristlichen Judentum

Denn rückte man auch die Religion in den Mittel-punkt, kamen da täglich viele Tausende zu Wasserund zu Land aus allen Himmelsrichtungen, wie Phi-lon überliefert, um sich »in Frömmigkeit und Gottes-verehrung unentbehrlicher Erholung« hinzugeben –der hohe Klerus kassierte: aus den vorgeschriebenenSpenden, aus manchen Opfern, aus Lizenzgebührenfür das Errichten von Gewerbeständen sowie aus an-deren Quellen. Er unterhielt Banken und zog noch dieRäuber, einschließlich römischer Gouverneure, aufsich. Kaum zufällig wählte man die Tage der Fest-wallfahrten auch zur Liquidierung von Verbre-chern24.

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2.428 Deschner Bd. 3, 279Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

Der Beginn der christlichenJerusalem-Wallfahrt – von der

»Kreuzerfindung« bis zum hochheiligenVorhautkult

Die Christen dachten immerhin zwei, drei Jahrhunder-te lang nicht daran zu wallfahrten. Schließlich hatteJesus wieder nicht gerufen: Strömt nach Jerusalem,wenn ich tot bin! Bestaunt die Garderobe meiner seli-gen Mutter! Pilgert zu ihrer Milch, zu den Federn desHeiligen Geistes! Der Jesus der Bibel und gar der erstder historisch-kritischen Theologie hatte ganz anderesgelehrt (S. 71 f).

Noch im 2. Jahrhundert kümmerte sich offenbarniemand um die Stätten der biblischen Geschichten.Erst um die Mitte des nächsten suchte man sie auf,vereinzelt nur, ein regulärer Wallfahrtsbetrieb bestandnicht. Auch waren die ersten, die von außerhalb Palä-stinas zu den Orten der alttestamentlichen »Heilser-eignisse« pilgerten und zu jenen, wo sich die Haupt-geschehnisse des Lebens Jesu »abgespielt« (Lexikonfür Theologie und Kirche), ausschließlich Priester undBischöfe, und zwar aus Kleinasien und Ägypten. Ei-gentliche Palästinapilger »gibt es erst seit dem 4.Jahrhundert« (Altaner/Stuiber). Und im ganzen 4.Jahrhundert herrschte die Wallfahrt nach PalästinaKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.429 Deschner Bd. 3, 280Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

auch vor25.Sie entwickelte sich im übrigen »als vollständiges

Analogon zur vorchristlichen heidnischen Pilgerfahrtzu den Heroengräbern und der jüdischen zu denWeli's der Patriarchen, Propheten und Könige«. Daßsie zugleich, wie Kötting hinzufügt, »durchaus selb-ständig« aus bereits neutestamentlichen Gedankensich entwickelte, ist nichts als apologetische Schaum-schlägerei. Denn die Histörchen von den Kranken, diein der Apostelgeschichte Petri Schatten heilen sollteoder heilte oder auch die Schweißgarderobe des Pau-lus, das war im Prinzip so wenig neu wie die Pilge-rei26.

Die Motive werden vielfältig gewesen sein. Abersicher herrschte das religiöse »Bedürfnis« vor, beson-ders der Wunsch eben, die »heiligen Stätten« zusehen, sich zu überzeugen, sozusagen Beweise für dieWahrheit der Bibel, die Überlieferungstreue zu be-kommen und den Glauben zu stärken.

Erstmals nachweislich erwähnt wird das Gebeteines Palästinapilgers an den Stätten der »Heilsereig-nisse« bei Kirchengeschichtsschreiber Euseb. Er be-richtet, daß Bischof Alexander aus Kappadokien »aufgöttliche Weisung hin ... nach Jerusalem reiste, umhier zu beten«. Dies geschah um 212. Ein Jahrzehntspäter wurde Alexander Bischof von Jerusalem, tratals Beschützer des »Ketzers« Origenes auf und starb

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2.430 Deschner Bd. 3, 281Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

250 als Märtyrer27.Der eigentliche Pilgerstrom setzt erst im 4. Jahr-

hundert ein, als die Religionspolitik Konstantins denWeg dafür geebnet hatte. Vorher lassen sich nur Prie-ster und Bischöfe als Jerusalem-Wallfahrer nachwei-sen. Nun kamen auch Laien, es kam vor allem derWesten hinzu, von dem in vorkonstantinischer ZeitZeugnisse fehlen. Die meisten kirchengeschichtlichenHandbücher lassen die Jerusalem-Wallfahrt auch erstmit Konstantin beginnen. Doch von jetzt an wirkte Je-rusalem »zu allen Jahrhunderten wie ein Magnet aufdie christlichen Herzen« (Mader)28.

Nun kommt es auf einmal zur Auffindung allermöglichen »Christus-Reliquien«: Marterwerkzeuge,Kleider und »sonstiger Sach-Reliquien Christi« (Le-xikon der Ikonographie). Die Verehrung der Dornen-krone beginnt erst im 5., die der Lanze erst im 6.Jahrhundert. 614 wird die Lanzenspitze nach Kon-stantinopel gebracht und im 10. Jahrhundert folgt ihrder Lanzenschaft, Ende des 15. Jahrhunderts gelangter unter Papst Innozenz VIII. nach Rom in St. Peter.Hl. Nägel sind noch im Domschatz zu Trier. Der Hl.Rock stellt sich dort um 1100 ein. Doch gibt es Neu-auffindungen von »Christus-Reliquien« bis ins 15.Jahrhundert! Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts istdie Welt bereits mit weit mehr als zehntausend Schrif-ten gesegnet über die in Palästina lokalisierten christ-

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2.431 Deschner Bd. 3, 281Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

lichen Traditionen29.Die eigentliche Wallfahrtsbewegung wurde, wenn

nicht initiiert, so doch hoffähig vor allem durch die hl.Helena.

Die bedenkenlose Intrigantin, die mit KonstantinsVater erst länger im Konkubinat, dann in Bigamie ge-lebt (I 215), wird von modernen Katholiken zum rein-sten Engel gemacht, zu einer »Christin aus Gnade undGlauben« (Hümmeler), »sehr schlicht und einfach,unermüdlich im Besuche der Gottesdienste, stets be-reit in jeder Not zu helfen« (Schamoni), stets für dieGefangenen, die Verbannten, die in den BergwerkenVerurteilten tätig. Und so wird sie denn noch heutealljährlich gefeiert, noch heute angerufen zur Entdek-kung von Diebstählen und gegen Blitzschlag. (InRom beigesetzt – blicken wir kurz voraus –, kommtsie nach Konstantinopel, dann gelangt ihr prächtigerPorphyrsarg, offenbar leer, ins Vatikanische Museum.Ihr Haupt wird in der Benediktinerabtei Hautvillers[Altum Villare], später im Dom von Trier verehrt.Und auch durch all ihre Überreste, echt oder nicht, ge-schehen, die gelehrten Bollandisten verbürgen sichdafür, Wunder über Wunder, zwölf Blätter füllendund in zwölf Klassen eingeteilt, bis hin zu jener uner-hörten Rettung des Grafen Astaldus, der in Otinus beieinem Sturz vom Pferd sich das Genick hätte brechenkönnen, aber nach dem Stoßgebet »Heilige Helena,

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2.432 Deschner Bd. 3, 282Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

stehe mir bei!« es sich nicht brach.)Gemeinsam mit dem hl. Makarius soll Helena die

Auffindung von Jesu Kreuz (samt Nägeln) auf demKalvarienberg gelungen sein – eine der ungezähltenfaustdicken Lügen des Katholizismus, daher nunmeist als Legende bezeichnet. Bis tief ins 19. Jahr-hundert aber gaben katholische Standardwerke dieSache als echt aus! Ja, es kommt noch im 20. Jahr-hundert vor, daß dieselben Bücher die »Kreuzauffin-dung« oder »Kreuzerfindung«, wie es sinnigerweiseauch heißt, als Tatsache hinstellen und als Legendezugleich30.

Die Heilige (Fest 18. August) fand das Kreuz, alssie 326 zu den »heiligen Stätten« wallfahrtete. Undder gleichfalls hl. Bischof von Jerusalem, Makarius I.(Fest 10. März), bezeugte die »Kreuzauffindung«oder »Kreuzerfindung«; als Fest am 3. Mai begangen.Ja, Helena fand, nach einer göttlichen Offenbarung,gleich alle drei Kreuze auf Golgatha und konnte daswahre durch eine Totenerweckung zuverlässig ermit-teln. Die Leiche der christlichen Witwe Libaniawurde nämlich vom hl. Makarius zunächst vergeblichmit zwei Kreuzen berührt, beim Kontakt mit dem drit-ten Kreuz aber »ward sie lebendig und pries vollFreude den Herrn« (Donin). Ein weiterer Ortsbischof,der nicht von ungefähr mit dem höchsten Titel der Ca-tholica gebrandmarkte Kirchenlehrer Kyrill von Jeru-

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2.433 Deschner Bd. 3, 282Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

salem (348–386; Fest 18. März) bezeugt gleichfallsdas wahre Kreuz, das er allerdings, anders als die Le-gende, bei einer weiteren hl. Auffindung, der des Hl.Grabes, ans (trübe) Licht der Geschichte kommenläßt. Und bald verbreiten sich prominente Kirchen-schriftsteller, -väter und -lehrer über die großartigeErfindung: Sokrates, Rufin, der hl. Ambrosius, derBischof Paulinus von Nola. Und diese ungezähltenKreuzreliquien, die Frucht eines völlig erlogenen Ge-fasels, »haben in der Kirchengeschichte ... eine großeRolle gespielt« (Bertholet)31.

Nach Kyrill von Jerusalem war nun die Welt be-reits um 350 voller Kreuzpartikeln. Man verschick-te – als besonderes Zeichen der Verehrung! – Splitter,größere und kleinere, an ungezählte Kirchen und Ein-zelpersonen. In allen Ländern gehen die vielen Heilig-Kreuz-Kirchen, zu denen man oft noch heute wall-fahrtet, auf eine Partikel vom »echten« falschen Kreuzzurück. Manche Frommen trugen davon Kleinstporti-önchen am Hals, wie die hl. Makrina. Man schickteKreuzesteilchen nach Konstantinopel, Rom, an Leo I.,Sulpicius Severus, an die hl. Königin Radegundenach Poitiers, wo man den Splitter noch jetzt verehrt,nachdem schon im 6. Jahrhundert ihr (geistlicher)Freund Venantius Fortunatus, Bischof von Poitiers,den berühmten, im römischen Brevier gebrauchtenHymnus »Vexilla regis prodeunt« (Des Königs Fähn-

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lein rücken vor) gedichtet hatte. Papst Gregor I. sand-te Kreuzteile an die Langobardenkönigin Theodelindeund den Westgotenkönig Rekkared. Und sie, dieTeile, wanderten mit ungezählten Pilgern in die entle-gensten Orte der christlichen Welt32.

Mit dieser bekanntesten Ausschüttung von Phylak-terien, von »Pilgerandenken«, war übrigens ein ersterSchritt getan zu der eigentlichen Reliquienteilung, derZerstückelung von Märtyrerleichen, auch wenn jenerVorgang, die Verteilung des Kreuzes, diesen, die Zer-teilung von Toten, noch nicht ahnen läßt.

Obwohl es aber, wie gesagt, schon früh in allerWelt – und später immer mehr – Kreuzreliquien gab,nahm das Kreuz nicht ab! Die heute noch kursieren-den Spreißel gibt man freilich nicht mehr als echt aus,behauptet aber, sie seien mit dem echten Kreuz in Be-rührung gebracht worden und darum gleichfalls vollerübernatürlicher Kräfte. Die »Kreuzerfindung« war je-denfalls ein historisches Ereignis ersten Ranges; nichtnur weil sie der Wallfahrt nach Palästina einen unge-ahnten Auftrieb gab, sondern auch weil man sonst garnichts Greifbares von dem zum Vater Aufgefahrenenbesaß. Erst viel später gelangte die Christenheit auchzu einem Teil seines (bei der Passion) vergossenenBlutes, ja, zu seiner Vorhaut in italienischen, franzö-sischen, belgischen, deutschen Städten, so daß ein re-gelrechter Vorhautkult entstand mit feierlichen Hoch-

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2.435 Deschner Bd. 3, 284Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

ämtern zu Ehren der heiligen Vorhaut und sogar mitspeziellen Präputiumkaplänen33.

Blicken wir – nicht nur der Kuriosität halber – wie-der kurz voraus. Denn mit all diesen hl. VorhäutenJesu wurde eine gewaltige Propaganda gemacht,wurde missioniert, wurde der Glauben gestärkt, dieMacht vermehrt – und das Kapital.

Eine berühmte Vorhaut des Herrn war seit 1112oder 1114 in Antwerpen. Und bezeichnenderweisezog sie dort ein, mit allem Pomp und aller Feierlich-keit, als gerade die »Ketzerei« Tanchelms grassierte,eines wahrscheinlich 1115 von einem Priester erschla-genen christlichen Rigoristen. Sinnigerweise in der»Frauenkirche« aufbewahrt, wirkte die Vorhaut baldein Wunder, sah der Bischof von Cambray doch dreiBlutstropfen von ihr fallen. So stand sie in höchstemAnsehen. Sie erhielt eine prächtige Kapelle, einenkunstvollen Marmoraltar in der Kathedrale und wurdein feierlicher Prozession herumgeführt. Und obwohlsie beim Bildersturm 1566 angeblich verschwand,verehrte man sie noch im späten 18. Jahrhundert34.

Nun bekam aber diese Vorhaut Christi in Antwer-pen eine mächtige Konkurrenz durch die VorhautChristi in Rom, ja, sie wurde fast diskreditiert, alssich keine Geringere als die (1373 in Rom gestor-bene) hl. Birgitta, die Nationalheilige Schwedens,entschieden für die Echtheit der römischen Vorhaut

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2.436 Deschner Bd. 3, 284Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

verbürgte, wobei sie selbst die hl. Muttergottes alsZeugin auftreten ließ. So sehr dies der Pilgerei nachRom zugute kam, so abträglich war es der nach Ant-werpen, wo jetzt der Klerus erklärte, zwar nicht dieganze Vorhaut zu besitzen, doch »ein beträchtlichesStück« davon (notandam portiunculam). Darauf kamauch die Wallfahrt nach Antwerpen wieder in Bewe-gung, zumal die Kanoniker von Unserer Lieben Frau(und der hochheiligen Vorhaut Jesu) deren Echtheit ineiner längeren Denkschrift »erwiesen«, teils aus derTradition alter Urkunden, teils durch das »Blutwun-der«, das dem Bischof von Cambray widerfahren war,sowie durch weitere Wunder35.

1426 gründete man in Antwerpen eine Bruder-schaft »van der heiliger Besnidenissen ons liefs Hee-ren Jhesu Cristi in onser liever Vrouwen kercke t'Ant-werpen«. 24 der vornehmsten Priester und Laien ge-hörten ihr an, und Papst Eugen IV. (jener HeiligeVater, der verkleidet und unter Steinhageln aus Romfliehen mußte und 1438 durch das Allgemeine Konzilvon Basel für abgesetzt erklärt worden ist) stattete dieMitglieder der Hl. Vorhaut-Bruderschaft durch einenreichen Ablaß und bedeutende Privilegien aus, ohneübrigens die Echtheit des Antwerpeners Präputiumszu erklären. So dumm waren die Päpste nicht. Auchdie hl. Vorhaut in Rom haben sie mit Ablässen ausge-stattet: Sixtus V. 1585, Urban VIII. 1640, Innozenz

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2.437 Deschner Bd. 3, 285Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

X. 1647, Alexander VII. 1661, Benedikt XII. 1724 –und auch diese Päpste haben sich nicht für die Echt-heit des römischen Stückes verbürgt. Aber reichenSegen konnten die Gläubigen daraus gewinnen. Unddie Päpste auch36.

Wie aus der »Kreuzerfindung« in Jerusalem. Siesoll Kaiser Konstantin veranlaßt haben, dort Kirchenbauen zu lassen. Schrieb man doch Helena selbst einGotteshaus über Gethsemane zu, von ihr als immerhin79jährige Pilgerin gegründet. Jedenfalls standen inder Stadt und in Palästina nun prächtige Christentem-pel. Außer Bischöfen und Priestern strömten allmäh-lich immer mehr Mönche und Laien herbei. Und als-bald wußte man deren Bedürfnisse nach Erbauungund Stärkung ihres Glaubes bestens, ja, in umfassen-der Weise zu befriedigen. Sogar dem wachsenden In-teresse an den »unbekannten« Ereignissen im Lebendes Nazareners trug man Rechnung. Die »Erinne-rungsgegenstände« aus seinem Leben wurden in denfolgenden zweihundert Jahren »bis ins Ungemessenevermehrt« (Kötting). Und nicht viel anders verfuhrman mit der alttestamentlichen Tradition, zumal dieseChristen und Juden in gleicher Weise betraf37.

Zwar stand das hl. Kreuz, das »echte«, das man vorder Verehrungswut der Frommen schützen mußte –ein Pilger soll davon beim Kuß einen Splitter heraus-gebissen haben –, während des 4. Jahrhunderts im

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2.438 Deschner Bd. 3, 285Der Beginn der christlichen Jerusalem-Wallfahrt

Mittelpunkt der Liturgie und des allgemeinen Interes-ses; zwar kam es hier zu Heilungswundern, wie in denTempeln des Asklepios und anderer Heidengötter,wurden anscheinend besonders Besessene kuriert (zit-terten doch, nach dem hl. Hieronymus, nirgendwo sodie Dämonen, da sie vor Christi Richterstuhl zu ste-hen meinten). Doch wußte man den aus allen Him-melsrichtungen, aus Mesopotamien, Syrien, Ägypten,der Thebais, herbeiströmenden Wallfahrern auch allemöglichen Schätze sonst zu zeigen, eine Fülle vonalttestamentlichen Erinnerungsstätten wie von evan-gelischen Lokaltraditionen38.

Begleiten wir einmal eine der berühmtesten Pilge-rinnen der christlichen Antike etwas auf ihrer Wall-fahrt durchs »Heilige Land«.

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2.439 Deschner Bd. 3, 286Die Pilgerin Aetheria

Die Pilgerin Aetheria – ihre »naive Art ... undleichtgläubige Einfalt ... hat etwas ungemeinAnziehendes und Gewinnendes« (Bischof

August Bludau von Ermland)

Man weiß nicht viel über sie selbst. Sogar ihr Nameist in der Gelehrtenwelt umstritten. Vermutlich warsie eine Verwandte des zeitweise fast allmächtigenPraefectus praetorio Orientis, des Galliers FlaviusRufinus, eines ebenso entschiedenen Christen wie wi-derlichen Scheusals (II 14 f), der 395, als Aetherianach Palästina pilgerte, faktisch das Ostreich regierte.Also umdienerte und segnete sie die Klerisei, eiltenselbst die unentwegtesten Anachoreten herbei, obwohlAetheria allenfalls Vorsteherin eines Klosters, wennnicht gar nur gewöhnliche Nonne war, die währendihrer fast vierjährigen Abwesenheit den Schwesterngeziemend erbaulich ihre Reise geschildert hat39.

Das Journal, schlicht, doch anschaulich auf derRückkehr in Konstantinopel erstellt, wurde erst 1884entdeckt und ist unvollständig. Außer dem Titel feh-len Anfang und Schluß sowie in der Mitte einige Blät-ter. Weder wird in dem erhaltenen Teil gesagt, wanndiese ausführliche Epistel an die Nonnen ihres abend-ländischen Klosters geschrieben wurde, noch wohin.Mehrheitlich nimmt man als Abfassungszeit das aus-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.440 Deschner Bd. 3, 287Die Pilgerin Aetheria

gehende 4. Jahrhundert an und vermutet als Heimatder Pilgerin Südfrankreich oder Nordspanien. Jeden-falls hatte sie ihre große Orientreise nach der Sinai-halbinsel, Ägypten, Palästina, Mesopotamien undKleinasien weder aus Studiengründen noch zum Ver-gnügen unternommen, sondern aus Frömmigkeit,»gratia religiosa«, wie der Bischof von Edessa sagt –und das freut Bischöfe immer, ob sie in der Antikeleben oder im 20. Jahrhundert. Für sie können dieGläubigen gar nicht (leicht)gläubig genug sein. Undso rühmt 1927 auch der Bischof von Ermland, AugustBludau, in seinem Buch über Aetheria: »Die naiveArt und Weise, mit der diese Reiseschilderung abge-faßt ist, die Treuherzigkeit und leichtgläubige Einfalt,die aus ihr spricht, hat etwas ungemein Anziehendesund Gewinnendes«40.

Unsere Deo vota ist zwar durchaus bibelkundigund voller Wissensdrang, aber Skepsis kennt siekaum. Zweifel an der Echtheit oder Identität des Ge-zeigten würden von ihr vermutlich schon als Sünde,wenn nicht als Krypto-Blasphemie empfunden wor-den sein. Allenfalls erlaubt sie sich ein behutsames»man sagt« (dicunt, dicuntur), das freilich immernoch eher andächtig als bedächtig klingt. Und dasÄußerste, was sie sich an Einschränkung gestattet,dürfte der vorsichtige Satz sein, »wie wenigstens derheilige Bischof sagte«. Zu jeder biblischen Legende

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2.441 Deschner Bd. 3, 287Die Pilgerin Aetheria

will sie unerschrocken die entsprechende Örtlichkeitsehen – »ohne dadurch die ortskundigen Mönche je-mals in Verlegenheit zu bringen. Die alte Zeit freutesich unbefangen der Dinge, die sie vorfand«, meintBischof Bludau von Ermland41.

Wenn aber schon die keinesfalls ungebildete Frauvornehmer Abkunft sich so gut wie alles und jedesvon den sie führenden Bischöfen, Priestern und Mön-chen vormachen ließ, wie gläubig mag dann all dieserst von dem wallfahrenden Massen bestaunt und ver-ehrt worden sein!

Aetheria sieht den Berg, auf dem Moses betete,während Josua die Amalekiter besiegte. Sie sieht denStein, auf dem Moses die ersten Gesetzestafeln zer-schmetterte, und auf dem Sinai die Grotte, worin erzum zweitenmal von Gott selber die Steinernen Ta-feln empfing. Sie sieht den brennenden Dornbusch,wo Moses stand, und gewahrt deutlich, daß der Dorn-busch »noch heute grünt und Triebe hervorbringt«.Fromme Mönche, die jede in der Bibel bezeichneteÖrtlichkeit kennen, offenbaren ihr, wo das GoldeneKalb gegossen wurde, wo Moses dem sakrilegischenTreiben der Kinder Israels zuschaute, die Stelle, wo erden Leviten befahl, die Götzendiener zu töten, woman das Goldene Kalb verbrannte, es Manna regnete.Bischof August Bludau: »Die fromme Pilgerin freutsich innig dessen, was man ihr zeigt, und nur selten

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2.442 Deschner Bd. 3, 288Die Pilgerin Aetheria

bricht durch ihren Bericht ein leiser Zweifeldurch«42.

In der Stadt Ramses zeigt ihr der heilige, ehrwürdi-ge Bischof zwei große Standbilder des Moses undAron, einst durch die Israeliten zu ihrem Ruhm errich-tet; eine von den Patriarchen gesetzte Sykomore, dieauch noch »dendros alethiae« (Baum der Wahrheit)heißt und deren Zweige gegen Unpäßlichkeit helfen.Bei Livias sieht sie die Fundamente des Lagers, indem man dreißig Tage lang Moses beweinte, auch dieStätten, wo er das Deuteronomium schrieb, wo er vorseinem Tod zum letztenmal sein Volk segnete. Manführt sie weiter zu einem köstlichen Wasser, aus demer die Kinder Israel in der Wüste getränkt. Auf demBerg Nebo zeigen ihr Mönche und der Bischof vonSegor die Stelle, wo Moses Engel bestatteten: unddies, obwohl in der Bibel steht, »niemand kennt seinGrab« (Deut. 34,6)43.

Die Salzsäule, zu der Lots armes Weib wurde amToten Meer, von den meisten Palästinapilgern be-sucht, war allerdings nicht mehr zu sehn, »und darumkann ich euch über diese Sache nicht täuschen«, be-kennt Aetheria den Schwestern – trotz der Worte, wiesie betont, der »Heiligen Schrift«. Doch war die ganzversalzene Frau Lot, so sagt wenigstens der Bischofvon Sengor, erst seit einigen Jahren nicht mehr prä-sent. Nach Klemens von Rom, dem hl. Justin, dem hl.

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2.443 Deschner Bd. 3, 289Die Pilgerin Aetheria

Irenäus stand sie zu ihrer Zeit noch, und August Blu-dau, der Bischof von Ermland, verweist in einer Fuß-note auf die wissenschaftliche Arbeit M. Abels »inRev. bibl. 1910, 217–233« über »die Wanderungenund Wandlungen, die ›Lots Weib‹ im Laufe der Zeiterlebt hat«. Und obwohl sie im ausgehenden 4. Jahr-hundert durch Abwesenheit glänzte, steht sie im 6.Jahrhundert, so der Führer (520–530) des Archidia-kons Theodosius, wieder da, mit zunehmendem Mondwachsend, mit abnehmendem sich vermindernd. Auchein Pilger von Piacenza bezeugt um 570 ihre Exi-stenz; sie hatte nicht einmal, wie er gehört, durch dasBelecken der Tiere abgenommen – Wunder überWunder44!

Dann besucht Aetheria, von Mönchen beredet, dieGrabstätte Jobs von Hauran, eine »beschwerlicheReise von acht Tagesmärschen (per octo mansiones),wenn Mühe genannt werden darf, wo man seinenWunsch in Erfüllung gehen sieht«. Unterwegs schautsie die Stadt des Königs Melchisedech, das Wasser,wo Johannes der Täufer gewirkt, das Tal, wo denElias in den Tagen König Achabs die Raben speisten.Bei Jobs Grab endlich bittet sie, wie übrigens an allenbesonders ehrwürdigen Stätten, den Bischof um dieKommunion und empfängt auch seinen Segen. Über-haupt stehen an den meisten dieser hochberühmtenOrte Kirchen, heilige Männer, wird jedesmal gebetet,

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2.444 Deschner Bd. 3, 289Die Pilgerin Aetheria

gelegentlich gesegnet, oft ein passender Psalm, eineDanksagung gesprochen und stets die dazugehörigePerikope gelesen, der einschlägige Bibelpassus, sozu-sagen als authentischer Beleg. Und nie spricht diefromme Jungfrau über »profane Dinge« mit ihren hei-ligen Begleitern, sondern führt stets »gottselige Ge-spräche«45.

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2.445 Deschner Bd. 3, 289O wunderbares Jerusalem!

O wunderbares Jerusalem!

Natürlich sah Aetheria auch Jerusalem, wo aber schonein anderer, von der Forschung stark beachteter Palä-stinabesucher aus dem Westen, der sogenannte Pilgervon Bordeaux, Anno Domini 333 bereits Erstaunli-ches vorfand. Zum Beispiel auf dem Sion – nach is-raelitischer Tradition der Nabel der Welt – inmittender Ruinen des Kaiphaspalastes die Geißelsäule Chri-sti. Ein wirklich unglaublicher Fund, und zwar selbstdann, wenn Jerusalem inzwischen nicht zweimal demErdboden gleichgemacht worden wäre: durch Titus imJahr 70, wobei der Tempel zu einem Schutthaufenwurde und auf dem ganze Osthügel »keine Spur ir-gendwelcher Bauwerke« erhalten blieb (Cornfeld/Bot-terweck); und ein zweites Mal durch Hadrian 135 imKrieg gegen Bar-Kochba (I 112 ff, 115 f). Begreifli-cherweise wurde die Geißelsäule, wie Aetheria mel-det, besonders verehrt. Um so mehr als man schließ-lich darauf die wie in Wachs geprägten Spuren vonden die Säule umklammernden Herrenhänden sah, ja,auch die Abdrücke des Kinns, der Nase, der Augenselbst, seines ganzen Gesichts. Kein Wunder, daßman das verkleinerte Abbild dieser Säule als Amulettum den Hals trug zur Abwehr aller Übel46.

Die Sionskirche ward im Lauf der Zeit ein förmli-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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ches Reliquienarsenal. Im 5. und 6. Jahrhundert fandsich dort noch Jesu Dornenkrone ein, die Lanze, mitder man seine Seite durchbohrt, der Kelch, aus demdie Apostel nach seiner Himmelfahrt getrunken, undsogar die Steine, mit denen das böse Volk den hl. Ste-phanus getötet, samt dem großen Stein, auf dem erdabei stand. Alles authentisch! Und bald präsentiertedie Sionskirche so viele Schätze, daß sie ein weiterer,inzwischen vielbeachteter Jerusalembesucher, der (an-onyme) Pilger von Piacenza (um 570), gar nicht mehraufzählen kann. Auch berichtet dieser Christ, dieÄrzte ließen in den Xenodochien der Stadt die Spei-sen in dem Tau zubereiten, der nachts auf die Sion-,die Grabeskirche und andere Christentempel fiel. Werverstünde nicht, daß der Mann angesichts all des Un-glaublichen sich stärken mußte und, wie die andrenWallfahrer, in der Sionskirche aus dem Schädel einerMärtyrerin Theodate trank47.

Der Pilger von Bordeaux sah auch das Haus desHohenpriesters Kaiphas; die Zinne des Tempels, woder Teufel zu Jesus sprach: »Bist du Gottes Sohn, sowirf dich hinab ...«; die Palme am Ölberg, die bei sei-nem Einzug in Jerusalem die Zweige lieferte. (Späterbewahrte Verona, wir wissen es schon, die Reliquiendes Palmesels auf – dessen Kot, dies wissen wir nochnicht, zum Reliquienschatz des Klosters Gräfrath beiKöln gehörte.) Der Pilger sah den Stein, wo Judas

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den Herrn verriet – aber zweihundert Jahre später, um530, hatte sich der Stein, wie die Geißelsäule, verän-dert; denn nun drückten sich darin Jesu Schultern wie-der ab wie in weichem Wachs.

Der Mann aus Bordeaux sah sogar den Eckstein,den die Bauleute verworfen hatten! Und am Ölbergden Fleck, wo Christus zum Himmel auffuhr. (ImHeiden- wie im Judentum waren Himmelfahrten be-kannte Geschichten. Der hl. Justin, der oft renom-miert, daß das Christentum so vieles besitze undlehre, was auch die Heiden schon besessen und ge-lehrt, zählt in einem ganzen Kapitelchen die zumHimmel aufgestiegenen Göttersöhne her. Hermes, As-klepios, Dionysos, Ledas Söhne, die Dioskuren,Danaes Sohn Perseus, den von Menschen abstammen-den Bellerophon etc. und vergißt nicht hinzuzufügen,»daß derartige Dinge zu Nutz und Frommen der her-anwachsenden Jugend aufgeschrieben sind ...«) DerPilger von Bordeaux sah den Platz von Christi Him-melfahrt auf dem Ölberg. Später zeigte man diesenPlatz auf dem Berg Tabor in Galiläa! Nur konse-quent. Denn auch im Neuen Testament fährt Jesus,laut Apostelgeschichte, vom Ölberg zum Himmel auf,laut Lukasevangelium in der Nähe von Bethanien.(Wie die Himmelfahrt, nach Lukas, ja auch noch amTag der Auferstehung erfolgt, am Ostersonntagabend,in der Apostelgeschichte aber vierzig Tage später.)48

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2.448 Deschner Bd. 3, 291O wunderbares Jerusalem!

Zu all dem Wunderbaren gehört auch, daß der Ver-klärte »nach den zuverlässigen Überlieferungen« gött-liche Fußspuren hinterließ. Das kannte man freilichschon aus der Herakles- und Dionysosreligion. Hiero-nymus, der mehr als alle das Wallfahrtfieber in denKöpfen seiner Leser im fernen Westen angefacht hat,Hieronymus, mit dem höchsten Titel seiner Kirchesowie als Patron ihrer theologischen Fakultäten geehrtund gleichzeitig einer der gewissenlosesten heiligenVerleumder, Dokumentenfälscher, geistigen Diebe,Intriganten, Denunzianten (I 169 ff, bes. 180), Hiero-nymus beteuert, man habe diese Fußspuren Jesu nochzu seiner Zeit, im 5. Jahrhundert, gesehn. Und BedaVenerabilis, der Ehrwürdige, ein derart nüchternerGeschichts- und Naturforscher, »daß man heute nochseine Werke über diese Wissensgebiete bewundert«(Kapuziner Salvator Maschek), bezeugt Christi Fuß-spuren noch im 8. Jahrhundert. (Nicht umsonst wurdeBeda der »Lehrer des Mittelalters«, ja, er lehrt unsnoch heute, so der Erzbischof von Canterbury bei derZwölfhundertjahrfeier des Heiligen 1934, »die Ver-bindung von Glauben und Wissen« – wie schonBedas Fußspuren-Zeugnis beweist.) Ein um so ein-drucksvolleres Wunder übrigens, als jeder Jerusalem-wallfahrer sich eindeckte mit der Erde, die der Herrbeim Rückflug zuletzt berührt hatte.

Es ging mit den Fußspuren also wie mit denKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.449 Deschner Bd. 3, 292O wunderbares Jerusalem!

Kreuzpartikeln49.Erde aus dem »Heiligen Land« war hochgeschätzt;

auch ein Bericht von Augustinus bezeugt es. Herr He-sperius aus Hippo hatte nämlich etwas Erde vomGrab Christi erhalten und in seinem Schlafzimmer de-poniert, um Schlimmes abzuwehren! Dann aberschien ihm (vermutlich seinem Bischof) dieser Platzzu wenig ehrerbietig: man vergrub die Erde mit Ge-nehmigung des Oberhirten und baute ein Bethaus dar-über. – In Jerusalem trugen die Christen bald so vielErde fort, daß man auf den Gedanken kam, der Ölbergmüsse allmählich schrumpfen. In Wirklichkeitschrumpfte etwas anderes. Doch auf diesen Gedankenkamen die Christen nicht50.

Nun gab es nicht nur dort, sondern weitum Wall-fahrtsstätten, und ihrer wurden ständig mehr. Suchtendie Frommen doch jede Bibelepisode in Palästina undUmgebung »örtlich zu fixieren, auch wenn keine alteTradition vorlag, und die gläubige Phantasie des Vol-kes kam dem weit entgegen« (Kötting). Anders ge-sagt: wie in der »Heiligen Stadt«, so schwindelte manauch im »Heiligen Land« und darum herum auf Teu-fel komm raus. Und natürlich viel weniger kraft der»Phantasie des Volkes« als kraft der des Klerus. Bi-schöfe, Priester und Mönche waren es doch, die häu-fig die Wallfahrer führten – und anführten; letztereslaufend51.

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2.450 Deschner Bd. 3, 293Weitere palästinensische Pilgerattraktionen

Weitere palästinensische Pilgerattraktionen

Eine große Sehenswürdigkeit war Bethlehem, der Ge-burtsort des Herrn, und das kostbarste Requisit dortdie Krippe. In einer solchen lagen vor Jesus freilichschon andere göttliche Babys. Zeus etwa oder Hermeswerden in der Krippe in Windeln liegend geschildert.Auch Dionysos, Lieblingsgott der antiken Welt und ineiner Fülle von frappanten Zügen an das christlicheIdol erinnernd, steckte zunächst in einem heiligenKorb (liknon). Die Krippe des Armen Menschensoh-nes war durch Pilgerspenden inzwischen reich mitGold und Silber ausgestattet. Und nach immerhineinem halben Jahrtausend, im 6. Jahrhundert, konnteman in Bethlehem auch schon die Gebeine der vonHerodes getöteten Unschuldigen Kinder bestaunensamt einem weiteren Schaustück, dem Tisch, an demdie hl. Muttergottes saß mit den Heiligen Drei Köni-gen aus dem Morgenland – 1164 kommen ihre Reli-quien in den Kölner Dom, den Hildesheimer Dom,nach Kloster Ottobeuren, 1238/39 nach Aachen ...52

Nazareth besuchten offenbar weder der Pilger vonBordeaux noch Aetheria. Man kannte da kaum Se-henswertes. Doch um 570 sah der Pilger von Piacenzain Nazareth sogar den Balken in der Synagoge, derJesus als Sitzbank gedient, ja, noch sein Abc. Und

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aus Mariens angeblichem Wohnhaus hatte man eineKirche gemacht, die eine Fülle wunderwirkenderKleider der Gottesbraut barg53.

Der Jordan, wo Johannes der Täufer getauft, wurdeschon wegen seines »heilkräftigen« Wassers oft auf-gesucht. Und derartiges Wasser spielte bald an vielenWallfahrtsorten eine Rolle, die größte wohl beim hl.Menas (S. 317 ff), wo man es von ungezähltenSchöpf stellen in alle Welt trug, jedenfalls soweit siechristlich gebildet war. Doch auch von Seleukia (S.308 ff) und Ephesus holte man sich weithin das wun-derkräftige Naß, nicht zuletzt von Thessalonike, vonNola, von Tours. Und auch in Palästina gab es »heil-kräftiges« Wasser nicht nur am Jordan. Man besuchtemehrere Teiche in Jerusalem oder die Eliasthermenam See Genezareth, auch eine Quelle bei Emmaus, inder sich Jesus die Füße gewaschen, eine Quelle beiBethlehem, aus der Maria auf der Flucht nach Ägyp-ten getrunken – und alles zahlte sich buchstäblichaus.

Am Jordan beging man feierlich das Epiphaniefest,den Gedächtnistag der Taufe des Herrn, an demimmer viele Wunder geschahen. Die Taufstelle imFlußbett war durch ein Holzkreuz genau bezeichnet.Kaiser Anastasius ließ dort eine Kirche errichten. Undnatürlich gab es hier auch mehrere Pilgerherbergen.Den Leib des durch Herodes getöteten Täufers verehr-

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te man in Sebaste in Samaria, sein Haupt in Emesa;doch wollte man es auch in Damaskus besitzen, inAskalon und einen Teil in Amiens. Auch kennt maninzwischen 60 Finger von ihm. Bezeugt wurden baldeinstimmig jede Menge Mirakel. Der hl. Hieronymus,der größte Gelehrte der Kirche in der Antike, berichtetausführlich von dem Tumult, den die bösen Geisteram Grab des Täufers inszenierten, weil sie aus denBesessenen nicht ausfahren wollten54.

Für Dämonenaustreibungen, das heißt für die Be-handlung psychisch Kranker, die man sich damalsvon bösen Geistern besessen dachte, hatte man spezi-elle Wallfahrtsstätten; vor allem das Grab des Täufersin Sebaste, den Golgathafelsen, die Pilgerstätten Eu-chaita, Nola, Tours, wenngleich Epileptiker, Nerven-,Geisteskranke natürlich auch an anderen Orten Hilfesuchten. Im übrigen steht fest, daß man im Christen-tum seit dem 3. Jahrhundert geweihtes Wasser nichtnur zur Krankenbetreuung verwendete, sondern auchzur Abwehr der bösen Geister55.

Selbstverständlich verehrte man außer Maria oderdem Täufer weitere Heilige in Palästina und förderteihren Kult, u.a. Georg, Pelagia, Isicius, Victor, Hila-rion, Jakobus, Simeon, Menas, Julian, Thekla, Kos-mas, Damian, die 40 Märtyrer. Weil man aber vonden frühen Märtyrern gewöhnlich gar keine Reliquienhatte, als diese sozusagen Mode wurden, in Schwang

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kamen, mußten solche Reliquien »erst wieder ›gefun-den‹ werden« (Kötting). Und da eigentliche Reliqui-en, ob echt oder nicht, nur wenige bekommen konn-ten, schuf man für die Massen Pilgerandenken, soge-nannte Eulogien oder Hagiasmata, die es an jedemWallfahrtsort der Antike gab56.

Der Phantasie waren dabei kaum Grenzen gesetzt.Man wickelte zum Beispiel um die »Geißelsäule«eine Schnur und trug die Schnur dann als »Phylakteri-on« – ein feineres Wort für Amulett –, als Anhängselalso gegen Zauberei oder zum Glückbringen. Solcheschützenden und übelabwehrenden Mittel gab es imChristentum wie Sand am Meer. Und wie schon dieHeiden Wiedergaben des Tempels mit heimbrachten,eines Götterbildes: aus Ephesus die Darstellung derEphesia, von der Wallfahrt nach Delphi Apollofigür-chen (auch Sulla und Plutarch trugen diese), aus syri-schen Wallfahrtsorten Bleifigürchen der Atargatisoder Asche vom Opferaltar in Lebena, und all diesund mehr als Schutzmittel gebrauchten, als Phylakte-rion gegen Unheil unterwegs und im Haus, so nuneben auch die Christen. Vom Jordan sicherte man sichetwas Wasser (wie dann auch die Araber von Mekkadas Wasser des Zamzambrunnens mitnahmen); manhielt Tücher in den Fluß, um sie später als Leichentü-cher zu gebrauchen, da sie Leichen offenbar beson-ders bekömmlich waren. Vom Berg Sinai trug man

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2.454 Deschner Bd. 3, 295Weitere palästinensische Pilgerattraktionen

»Tau vom Himmel« heim oder auch »Manna«; undaus Caesarea sogar Spreißel vom vermeintlichen Bettdes Kornelius57.

Daß man diese »Pilgerandenken« im Heidentumangeblich ganz anders verstand, daß die Kirche ihreneuen »Segensmittel« aus der Verbindung mit magi-schen Praktiken löste, indem der Christ nicht mehr,wie der Heide, vom Bild selbst Hilfe erwartete, auchnicht von Göttern, sondern von der Gottheit, vonGott, dieser Unterschied ist so weltumwälzend nicht,wie man uns einreden möchte – ganz beiseite, daß jaauch das Heidentum damals diese Bilder gar nichtmehr mit den Göttern identifiziert, sondern schonsymbolisch verstanden hatte (I 186 ff, bes. 188).

Neben den neutestamentlichen Attraktivitäten –längst nicht alle, die bereits eine Rolle spielten, wur-den genannt – gab es natürlich eine Fülle von Erinne-rungsstätten und -stücken auch aus der vorchristlichenjüdischen Zeit. Ja, die alttestamentliche Traditionwurde von den christlichen Wallfahrern zunächstnoch viel stärker erlebt. Und sie überwog auch dieneutestamentliche zumindest im frühen 4. Jahrhundertin ganz Palästina gewaltig58.

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Vom Grab Abrahams bis zum Misthaufen Jobs

Der Pilger von Bordeaux besucht 333 noch viel mehralttestamentlich-jüdische Lokaltraditionen als neutes-tamentliche, und er sieht buchstäblich wieder das Un-glaublichste. Plötzlich kannte man, nahe Bethlehem,»dem Geburtsort des Herrn Jesus Christus«, die Grä-ber von Ezechiel, Jesse, David, Salomon und anderer,wobei über jedem der Name »in hebräischen Buchsta-ben« stand. Ja, man zeigte jetzt sogar bei Hebron dasGrab Abrahams, dessen Lebenszeit, wenn er gelebthat, etwa in das ausgehende 3. Jahrtausend v. Chr.fällt. (Das Neue Testament rechnet von Abraham bisJesus 42 Generationen bei Matthäus, bei Lukas 56.Und die beiden Stammbäume Jesu von Joseph – an-geblich ja gar nicht sein Vater! – bis David, immerhinein rundes Jahrtausend, haben zwei Namen gemein-sam!) Laut Bibel starb Abraham, von dem, »theolo-gisch« gesehen, ganz Israel abstammt, in dem »gutenAlter« von »hundertfünfundsiebzig Jahren«. DasZeugnis palästinensischer Gräber zeigt allerdings, daßin der Zeit »Abrahams« die Lebensdauer in der Regelnicht über fünfzig Jahre betrug. Und natürlich kannteman das auch von Kirchenlehrern wie Basilius, Am-brosius, Hieronymus bezeugte Grab Abrahams, wennes ihn denn und es je gegeben hat, 333 n. Chr., fast

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zweieinhalb Jahrtausende später, so wenig wie dieGräber von Isaak, Jakob, Sara, Rebecca und Lea, dieunser Pilger ebenfalls ergriffen bestaunen durfte59.

Der Mann aus Bordeaux besichtigte auch die be-rühmte Terebinthe bei Bethsor, unter der ErzvaterAbraham mit Engeln beredet, gespeist hatte, schon invorchristlicher Zeit ein vielbesuchter Wallfahrtsort.Kaiser Konstantin versäumte nicht, diese ehr- unddenkwürdige Stätte, wie so viele andere, mit einer Ba-silika zu schmücken. Und nun strömte es weiter her-bei, Juden, Heiden, Christen, man betete zu Gott oderrief die Engel an, man opferte Wein, Weihrauch, Och-sen, Schafe, Böcke, Hähne. »Ein jeder Festpilgerbringt sein Liebstes (!), das er schon das ganze Jahrhindurch gepflegt hat, um es als Votivgabe für sichund die Seinen zu opfern. Alle enthalten sich währenddes Festes von ihren Frauen ...« (Sozomenos)60

Der Pilger von Bordeaux bewunderte bei Bethardie Stelle, wo Jakob mit dem Engel gerungen, beiSichar die von Jakob gepflanzten Platanen, bei Si-chern das Grab des Joseph, in Betanien »das Grab desLazarus, in das man Lazarus gelegt hatte und aus demer wieder auferweckt wurde«. In Jericho bestaunte er»die Sykomore des Zachäus«, auf die dieser reiche jü-dische Oberzöllner stieg, um Jesus zu sehen. Bei Jeri-cho fesselte den Gallier eine Quelle, die ursprünglichFrauen unfruchtbar gemacht, sobald der Prophet Eli-

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säus aber Salz hineingestreut hatte, Kindersegen be-wirkte. Eine Quelle mit derselben Effizienz konnteunser Pilgersmann bei Caesarea besichtigen. Manzeigte ihm ferner den Ort, wo David gegen Goliathgekämpft, den Hügel, von dem aus Elias in den Him-mel gefahren und viel Wunderbares mehr61.

Eine besondere Anziehungskraft für die Christenbesaß der Misthaufen Jobs. Er war das Ziel, wie Kir-chenlehrer Johannes Chrysostomos versichert, eines»von den Enden der Erde nach Arabien sich bewegen-den Wallfahrtsverkehrs, weil der Anblick des MistesJobs ... Weisheit mehret und zur Tugend der Geduldermuntert«. Das Grab des Job sah der Pilger aus Bor-deaux bei Bethlehem, die Pilgerin Aetheria sah es inCarneas im Ostjordanland62.

In Jerusalem endlich zeigte man den Palast Salo-mos mit einem Zimmer, worin der König einst die»Weisheit« schrieb (S. 52 f). Der Altar des salomoni-schen Tempels trug noch die Blutreste des getötetenZacharias samt den wieder wie in Wachs eingedrück-ten Nagelspuren der mordenden Soldaten. Besondersbestaunte man auch die vielen heilkräftigen Quellen,deren eine sogar an jedem siebten Tag, am Tag desHerrn, ruhte. Und überall gab es Schöpfstellen für diewunderwirkenden Wasser63.

Der hl. Hieronymus hatte, als er sich um 395 nachBethlehem zurückgezogen, immerhin Glaubenskraft,

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Einsicht, Zynismus oder was immer genug, um demaus Bordeaux stammenden Bischof Paulinus zuschreiben: »Denke nicht, es fehlte Deinem Glaubenetwas, nur weil Du Jerusalem noch nicht besuchthast!«64

Nun grassierte das Pilgern aber allmählich überallin der christlichen Welt. Und eine ganz neue alte Di-mension erreichte es in Syrien durch die Wallfahrt zunoch lebenden Menschen.

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Auf dem Weg zum Gipfel: von den»Maulwurfsheiligen« zu den »Stehern«

Auch die Wallfahrt zu noch lebenden Personen ge-schah in Nachahmung paganer Sitten. Überall im Rö-mischen Reich zogen von »Gott« Besessene, Predigerund Wundertäter, zogen Weise, Seher, Heilsverkün-der, Mystagogen, Inspirierte die Menge an. Und dieselebenden »divi«, Begnadete, die man sich voll vonGottes Geist und Kraft dachte, die man als Gottge-sandte ansah, setzten ganze Scharen in Bewegung.Denn zur Zeit des Hellenismus, des religiösen Syn-kretismus, liebten die Volksmassen die »nahen« Göt-ter, die »nahen« Helfer, sie besuchten, bestaunten sie;die »divi« traten sozusagen an die Stelle der Philoso-phen und Dichter der klassischen Zeit65.

Zu den berühmtesten dieser Heiden zählt ein Zeit-genosse Jesu, Apollonios von Tyana, dessen von Phi-lostratos aufgezeichnete Vita so viele und frappieren-de Parallelen zum biblischen Jesusbild bietet, daßman sie streckenweise beinah wie einen Evangelien-text liest. Und ein eher noch dubioserer Vertreter die-ser göttlichen Zunft ist Peregrinus Proteus, ein Kyni-ker, der sich 167 n. Chr. in einer spektakulären Schauzu Olympia vor vielen Gaffern selbst verbrennt, undzuvor, als er im Gefängnis sitzt, zum ChristentumKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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sich bekennt – laut Lukian bloß, um reiche Liebesga-ben einzuheimsen66.

Nach den Apologeten besteht freilich ein großerUnterschied zwischen der Wallfahrt zu lebenden Hei-den und der zu lebenden Christen, ein großer Unter-schied überhaupt zwischen jeder heidnischen undchristlichen Wallfahrt. Zwar äußerlich konzediert mandie frappante Ähnlichkeit, ja, Gleichheit der Formen.Doch der heidnische Helfer wirke aus sich, der christ-liche durch Gott, jener sei Quelle, dieser Werkzeug,die eine Hilfe magisch beeinflußt, theurgische Prak-tik, die andere echt und wirklich religiös. Christusselbst freilich sei Quelle, wie der heidnische Heros:doch Christus »hier eine Ausnahme, er ist nicht mitanderen zu vergleichen« (Kötting)67.

Nun, das kennen wir (S. 195 ff) und können derar-tig Spitzfindiges, pfäffisch Unwahres, können pseu-dogelehrte Differenzierungen, die im Grunde nichtsals plumpe, seit Jahrhunderten gepredigte Täuschun-gen sind, auf sich beruhen lassen. Es geht in jedemFall auf der einen Seite um Sehnsucht nach Hilfe, Be-friedigung der Neugier, Mirakelglauben; auf der ande-ren um die renommistische Exzentrik der Schaustellersowie um das Bestreben, aus dem Elend, der Verdum-mung Kapital zu schlagen; kurz, es geht jedesmal ummenschliche Not, Wundersucht und Geschäft.

Wir sahen bereits, welch große AnziehungskraftKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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die Asketen hatten (S. 216 ff). Zwar wollten viele garnicht Objekte frommer Schaulust sein. Sie verkrochensich beim Nahen eines Zweibeiners wie Wild in derHöhle, verschwanden in der Erde gleich Maulwürfen,so daß man auch von »Maulwurfsheiligen« gespro-chen hat. Viele flohen noch »den Geruch der Men-schen«. Und manche Kasteiung war auch gar nicht fürBewunderer geschaffen, die gewisser Reklusen etwaoder der Weidenden (S. 345 ff).

Andere Asketen aber liebten die »Publizität«, um-gaben sich haufenweise mit Schülern; der hl. Apollo-nius, wie Kirchenschriftsteller Rufin bezeugt, mitmehr als fünfhundert. Wieder andere glichen eher Ex-hibitionisten der extremsten Art. Zwar verhüllten sieihr »Unkeuschestes«, sei es durch lange Haare, langeBärte, durch Blätter oder sei es auch bloß indem sieschnell die Beine zusammenzwickten. Doch sonststellten sie ihr Heldentum, ihr heroisches Sich-Aufop-fern im Dienst des sacro egoismo, zur Erlangung desHimmelreiches, stellten sie ihre Kasteiungen und alleSorten denkbarer Verrücktheiten bedenkenlos zurSchau. Dann spielte sich in diesen Wüsteneien »einbeispielloses Theater ab, ein Theater, in dem jederden Eindruck erweckt, voll Eifer und peinlicher Ge-nauigkeit eine ewige Rolle zu spielen«, und dies der-art, daß es sehr schwer, wenn nicht unmöglich wäre,da die »wahren Narren von den vorgeblichen, die

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wahren Heiligen von den falschen zu unterschei-den ...« (Lacarrière)68.

All dieser christliche Schwachsinn in den WüstenÄgyptens, Arabiens, Syriens machte die Gläubigenneugierig. Ein »zweites Heiliges Land« (RaymondRuyer) war entstanden, quasi kommunistische Ge-meinschaften und Exzentriker jeder Art, und so setzteauch dorthin die Pilgerschaft ein, zumal das Pharao-nenland für viele nur ein Abstecher auf ihrer Wall-fahrt ins »Heilige Land« war. Seit der zweiten Hälftedes 4. Jahrhunderts suchen bereits Ungezählte, auswelchen Motiven immer, da die bekanntesten Ana-choreten, dort die wichtigsten Mönchszentren, dieKlöster auf, in Pispir, Kolzim, Arsinoë, Oxyrhynchos,Aphroditopolis, Babylon, Memphis u.a. Sogenannteeinfache Menschen kamen und »Leute von Welt«,Adlige, Würdenträger des Reiches, vermögendeDamen, wie die reiche Hieronymus-Freundin Paula.Auch die Pilgerin Aetheria war darunter und nach-mals illustre Figuren der Kirchengeschichte aus demOsten und Westen, Palladius, Johannes, Cassian oderRufinus von Aquileja (I 172 ff). Und selbstverständ-lich sorgten wieder große Herbergen bei den Klösternfür einen längeren Pilgeraufenthalt69.

Zu den diversen Gattungen asketischer Verrückt-heit und theatralischen Kasteiens gehörten die soge-nannten Steher. Und diese Gattung, die ja inmitten

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und vor aller Welt auftrat, lenkte auch deren Auge aufsich, zog die Gaffer, die Wallfahrer an, die die Bra-vouren jener bewunderten, die stunden-, tagelang wiePfähle unbeweglich aufrecht standen, bei jedem Wet-ter, in prallster Sonne, strömendem Regen, die Armegekreuzt oder zum göttlichen Vater erhoben, schwei-gend, betend, singend. Der hl. Jakobus, nachmals Bi-schof von Nisibis und Lehrer des hl. JudenfeindesEphräm, hatte »nur den Himmel zu seiner Bedek-kung« und übte die »stasis« so selbstvergessen, daßer einst gänzlich vom Schnee begraben wurde, ohnees angeblich zu merken. Und noch heute feiern dieGriechen sein Fest am 13. Januar oder 31. Oktober,die Katholiken am 15. Juli, die Syrer am 12. Mai, dieMaroniten und Kopten am 13. Januar, die Armenieram 15. Dezember. Ein Kollege des gefeierten Stehers,Johannes von Sardes, hält sich nachts, während erschläft, durch ein Seil unter den Achselhöhlen auf-recht. Die hl. Domnina, gleichfalls Steherin von Berufund »den Augen aller Welt« ausgesetzt, »spricht nie«,berichtet Kirchenvater Theodoret, »ohne Tränen zuvergießen, was ich aus Erfahrung weiß, denn oftnahm sie meine Hand und führte sie an ihre Augenund benetzte sie so, daß sie ganz naß wurde«70.

Doch hat selbst diese Schwachsinnigen ein Kastei-ungs- und Zurschaustellungswahn in den Schatten ge-stellt, der ihren eigenen gleichsam auf höherer, um

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nicht zu sagen höchster Ebene fortsetzte, der buch-stäblich den Gipfel asketischer Bravouren bildet, diePraxis der Styliten (von stylos, Säule).

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Näher, mein Gott, zu dir ...

Die Styliten oder Säulenheiligen – die eine ausgespro-chene Pilgerbewegung bewirkten, die nicht einmalnach ihrem Tod endete, sondern am Ort ihres ebensoambitionierten wie schwachköpfigen und eben darumso aufsehenerregenden Spleens florierte – standen aufSäulen aus Stein oder Holz, und natürlich nur, umsich von der Erde, den Menschen zu entfernen. Nichtzufällig begann dieser zumindest äußerliche Höhe-punkt christlicher Absurditäten in Syrien, wo schondie Heiden glaubten, ein Mensch könne desto bessermit den Göttern sprechen, je höher er stehe71.

Dementsprechend hatte das christliche StylitentumSyriens dort schon einen Vorläufer im Kult der syri-schen Göttin Atargatis, der auch sonst bemerkenswer-te Parallelen zum Christentum bietet. Vor allem ge-nossen die syrischen Priester die Gottheit beim Essenvon Fischen, die der Fisch-Göttin Atargatis heiligwaren, von der ein Tempel in Karnion stand, westlichdes Sees Genezareth. Atargatiskult und Fischvereh-rung gab es also in nächster Nähe des Urchristentums.Und kaum zufällig wurde der Fisch, Sinnbild weitver-breiteter heidnischer Fischmysterien, das Symbol desheiligsten Geheimnisses der Christenheit, der Eucha-ristie – nun »das wahre Fischmysterium«, »der eine

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reine Fisch« – wurde der Fisch als Kultsymbol zuerstdurch die Christen Syriens übernommen und das grie-chische Wort für Fisch, ichthys, bildete ein Ana-gramm für den Namen »Jesus Christus, Gottes Sohn,Heiland«72.

Einen seinerzeit in Syrien gefeierten Ritus zu Ehrender Göttin Atargatis überliefert Lukian von Samosata(um 120–180 n. Chr.), der große syrische Spötter, derKultpraktiken, Mythologie, Aberglauben bekämpfen-de Voltaire des 2. Jahrhunderts. In seiner Schrift »Dedea Syria« erzählt er von einem Brauch, bei dem einZelebrant jährlich zweimal einen zweiundfünfzigMeter hohen, im Vorhof des Tempels stehenden Phal-lus aus Stein besteigen und jeweils eine Woche obenbleiben mußte. Die Pilger legten dann Münzen ausErz, Silber und Gold am Fuß des Phallus nieder.Denn die Menge glaubt, schreibt Lukian, »daß dieserMensch von seinem erhöhten Ort aus mit den Götternspricht, sie für ganz Syrien um Fruchtbarkeit bittet,und daß die Götter sein Gebet aus größerer Nähehören«. Fast wörtlich gleich charakterisieren dann dieKirchenväter Theodoret von Kyros und EuagriosScholastikos den Sinn der Askese des christlichenSäulenstehers Simeon73.

Simeon Stylites der Ältere, um 390 bei Nikopolisgeboren, beginnt seine Laufbahn gleich so vielenchristlichen Größen als Viehhüter. Im Kloster von

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Teleda büßt er ein Jahrzehnt so überspannt, daß ihndie Mönche nicht mehr ertragen und seinen Abschiedverlangen. Nun singt er erst fünf Tage in einem aus-getrockneten Brunnen »das Lob Gottes«. Dann läßt ersich, gegen 412, nördlich von Antiochien, währendder Fastenzeit einmauern, insgesamt 28mal, ohne jedeNahrung. Darauf hängt er dort angeschmiedet aneinem Felsen und betrachtet »mit den Augen desGlaubens und des Geistes die Dinge, die oben imHimmel sind«; ein so nützliches Tun, daß sich Scha-ren von zu Hause losreißen und – nicht minder nütz-lich, gewiß – zu Simeon pilgern. Selbst Heiden brin-gen ihm angeblich Geschenke. Doch die Frommenwollen ihn berühren, Fetzen seiner Kleidung, nur einHärchen seines Fellgewands ergattern. Also steigt er,auch um sich »spirituell« zu erheben, dem Himmelnäher zu sein, auf eine Säule und wird zum Begründerdes (christlichen) Stylitentums74.

Erst nähert sich Simeon dem Allerhöchsten nur umeinen, dann um fünf, sechs, um elf Meter – aber dieTradition schwankt, wie hier wohl so vieles. Zuletztsteht er zwanzig oder fünfundzwanzig Meter hoch,ungefähr dreißig Jahre lang, »denn das Verlangen, daser trug, sich zum Himmel zu erheben, bewirkte, daßer sich immer weiter von der Erde entfernte«. Dabeiist er jedem Sturm, jeder Sonne ausgesetzt (erst späterhaben manche Styliten eine Hütte, ein Dach auf ihrer

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Säule). Schreiben konnte der Heilige kaum, war aberzungenfertig genug, um zweimal täglich den Pilgernzu predigen und sie jederzeit, stritten sie seinetwegen,»Hunde« zu schimpfen. An hohen Festtagen streckteer während der ganzen Nacht die Arme zu Gottempor, nach einer anderen Quelle auch in allen übri-gen Nächten, »ohne auch nur jemals die Lider zuschließen«. Er stand dabei aufrecht oder verneigtesich zum Gebet bis zu den Zehen, »denn, da er nureinmal in der Woche ißt, ist sein Bauch so flach, daßes ihm keinerlei Mühe macht, sich zu bücken«. Bi-schof Theodoret berichtet auch, diese »Anbetungen«Simeons seien so zahlreich gewesen, daß viele siemitzählten. Einer seiner Begleiter habe eines Tagesbis zu 1244 »Anbetungen« gezählt, worauf der Zähleraber ermüdete und aufgab75.

Der Berühmte erwog auch, sein Leben auf bloßeinem Bein stehend zu verbringen. Dabei hatte »derLeuchter der christlichen Welt« (Kyrill von Scythopo-lis) ohnedies versteifte, von Wunden und Geschwürenvolle Glieder, die schnell in Fäulnis übergingen. Ineinem Winter, behauptet zumindest Simeon-SchülerAntonius, Verfasser einer phantastischen Vita desMeisters, verfaulte dessen Schenkel so, »daß eine An-zahl Würmer herauskroch, die von seinem Leib aufseine Füße fielen, von seinen Füßen auf die Säule undvon der Säule auf die Erde, wo ein junger Mann na-

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mens Antonius, der ihm diente und all dies gesehenund aufgeschrieben hat, auf seinen Befehl die herun-tergefallenen Würmer auflas und sie ihm nach obenzurückgab, wo Symeon sie wieder auf seine Wundesetzte und sagte: ›Eßt doch, was Gott euch gegebenhat‹«76.

Sage einer, das Christentum sei nicht tierfreund-lich!

Obwohl quicklebendig, galt Simeon schon als Mär-tyrer. Ja, er überragte als Lebender die verstorbenenHeiligen, war für viele Zeitgenossen beinah bedeuten-der als Petrus und Paulus, übertrumpfte, nach ihrerMeinung, im Fasten Moses, Elias, sogar Jesus. Sime-on heilte nicht durch Fetzen seiner Kleidung, durchSpeichel, nein, sein bloßes Gebet bewirkte noch infernsten Gegenden Wunder. Man riß Haare seinesFelles aus, nahm Linsen seiner Mahlzeit, Erde seinesStandorts mit. Und schließlich gab es alles sozusagengebrauchsfertig verpackt, Eulogien, Naturkost, ge-sundmachendes Öl, gesegneten Staub, »Gnaden-staub«; erst mit einem Kreuz gestempelt, dann mit Si-meons Konterfei, zuletzt ganze kleine Figuren vonihm77.

Staub war überhaupt ein »ganz natürliches Segens-mittel«, nichts billiger, nichts näherliegend; dabeikostbar »wie Edelstein«: besonders heilkräftig beiMagen- und Darmerkrankungen. In kleinen Kapseln

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trug man ihn fort, nicht nur als Medikament, auch alsPhylakterion gebraucht und begehrt – nirgendwomehr als in Tours; doch auch in Euchaita etwa odereben bei Simeon, wo die Pilger damit zwar keine neueÄra der Medizin, aber »eine neue Ära der Wallfahrtenund der Volksfrömmigkeit eingeleitet haben« (Köt-ting). Später nahm man auch Staub von der Säule mit,die dadurch im Mittelalter, ein Verlust für die Kultur-welt, ganz abgeschabt wurde78.

So blühte die allein wahre Religion. Haufen vonChristen strömten aus allen Himmelsrichtungen her-bei. Auch viele Frauen kamen, nicht wenige offenbar,weil ihnen Gott Nachkommenschaft versagte. Anderepilgerten deshalb zum hl. Menas oder nach Menuthisoder, wie die Partherkönigin Sira, zum hl. Sergiosnach Rusafa. Die Heidinnen bevorzugten in solchenFällen besonders Delphi und die Tempel des Asklepi-os (S. 272 ff). Bei Simeon wurden Frauen freilich be-nachteiligt, wie fast immer und überall in der langenGeschichte des Christentums. Frauen war der Zutrittin die nächste Umgebung des Heiligen verboten. Siemußten außerhalb der »Mandra« bleiben und durftennur durch Mittler ihre Wünsche vorbringen lassen.Sogar seiner eigenen Mutter soll Simeon den Eintrittin die Umfriedung verweigert, ja, sie zeitlebens ausasketischen Gründen nicht angeblickt haben – totamulier sexus (die Frau ist ganz und gar Geschlecht),

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eine alte christliche Weisheit. Auch nach dem Tod desHeiligen war es, wie Euagrios Scholastikos bezeugt,Frauen verboten, die Wallfahrtskirche zu betreten79.

Doch die Weiblein strömten wie die Männlein. Bi-schof Theodoret, Simeons Landsmann, der einmalvon der Menge der Simeonbewunderer fast erdrücktworden wäre, sah geradezu einen »menschlichenOzean« am Fuß der Säule wogen. Nicht nur ringsumaus dem Orient kamen sie, rühmt Theodoret, Juden,Perser, Armenier, Iberer, Äthiopier, nein, noch vomäußersten Westen: Spanier, Gallier, Briten, ja, selbst»in dem großen Rom« habe man in allen Vorräumender Werkstätten kleine Bilder Simeons aufgestellt»zur Übelabwehr und als Schutzmittel«80.

Einzeln und gemeinsam pilgerte man zu ihm, sei-nen Segen, seinen Rat zu bekommen, vor allem aber,um von mancherlei Gebrechen befreit zu werden.Zumal zur Zeit der großen Dürre war sein Gebet be-gehrt, zogen die Syrer in großen Prozessionen heran.Kamen doch sogar die Heiden und bekehrten sich,zermalmten »vor dem großen Lichte die von ihnenverehrten Götzenbilder« und entsagten »den Aus-schweifungen der Aphrodite« (Theodoret). GanzeStämme sollen auf einmal »die hl. Taufe« genommen,vorsichtigere immerhin durch schriftlichen Vertrag»die hl. Taufe« versprochen haben, falls SimeonsGebet ihre Not behebe. »Wollüstige kamen und bes-

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serten sich, Dirnen traten ins Kloster ein, Araber, dienoch nicht einmal Brot kannten, dienten Gott« (Syr.Vita). Und da selbst die gewöhnlichen Wallfahrer ihrScherflein in den Korb warfen, der ständig am Säu-lenfuß hing, was mögen erst die Abgesandten der Kö-nige gespendet haben, die angeblich oft erschienen,um den Segen für ihre Herrschaft, ja, Regierungsan-weisungen zu empfangen81.

Seit es das christliche Wallfahrtswesen gibt, nah-men und nehmen geistliche Kreise auch dadurch Ein-fluß auf das Weltgeschehen bis heute – bekanntestesBeispiel im 20. Jahrhundert: Fatima und seine mili-tant antikommunistische und antisowjetische Agitati-on. Und in der Antike suchten Potentaten häufiger anPilgerzentren oder bei Anachoreten Rat. Kaiser Theo-dosius I. befragte vor seinen Kriegszügen gegen Ma-ximus 388 und Eugenius 394 – die entscheidendeZerschlagung des Heidentums – den ägyptischen Ein-siedler Johannes (I 444, 456 f). Die FrankenfürstenChilperich und Merovech wandten sich an das Grabdes hl. Martin in Tours. (Chilperichs Diakon legteeine prekäre Anfrage des Königs in Form eines Brie-fes aufs Grab samt einem leeren Blatt für die Ant-wort! Doch in diesem Fall schwieg sich der Himmelaus.)82

Bei Simeon aber hatte auch die Wallfahrt selbst,wie freilich wieder nicht selten, politische Hintergrün-

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de. Der Bericht eines Beduinenhäuptlings läßt dies er-kennen, der schreibt: »sie werden Christen, hängenden Römern an und werden aufsässig. Wer hinauf-zieht, dem werde ich das Haupt abschlagen, und sei-ner ganzen Familie«. Allerdings wird der Häuptlingnachts »in einem Gesichte« – und wie leibhaftig dieseGesichte oft gewesen sein mögen, falls sie nicht, wieüblich, erstunken und erlogen sind – mit dem Tod be-droht und erlaubt nun: »Wer auch immer hinaufziehenwill zu dem Herrn Simeon, um dort die Taufe anzu-nehmen und Christ zu werden, der möge es tun, ohneAngst und Furcht. Wenn ich nicht dem König derPerser Untertan wäre, so würde auch ich hinaufziehenund Christ werden«83.

Kurz, die Wirkung des Heiligen war außerordent-lich, und damit natürlich auch der Wallfahrtsbetrieb.Die Schüler Simeons, angeblich über zweihundertund dann noch mehr, bekamen Zellen: die Anfängedes späteren Klosters. Eine Kirche bestand bereits zuseinen Lebzeiten, offenbar auch ein Baptisterium, fer-ner Unterkünfte, Herbergen; blieben manche Pilgerdoch acht, ja vierzehn Tage. Und als Simeon 459siebzigjährig starb – sechshundert Soldaten aus An-tiochien mußten seinen Leichnam gegen Sarazenenund reliquiengierige Gläubige schützen – lockte seineSäule die Massen weiter durch Jahrhunderte. Wäh-rend sein Leib, von Kaiser Leo, zum Unwillen der

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Antiochener, für die Hauptstadt erworben, wenigVolk anzog, strömte es zur Säule, die als kostbarsteReliquie galt und allmählich einen Gebäudekomplexum sich erhielt, der selbst für Wallfahrtsorte unge-wöhnlich war. Besonders zu den Gedächtnistagen pil-gerte man aus allen Richtungen und Entfernungenheran und beging diese Feste »mit einer an Ekstasegrenzenden religiösen Inbrunst ... Die Leitung derWallfahrtskirche wußte an solchen Tagen der gläubi-gen Phantasie der Pilger durch geschickte Kunststük-ke reiche Nahrung zu geben, so daß die Erinnerung anden großen Heiligen im Volke recht lebendig blieb«(Kötting). Um 560 sah Euagrios Scholastikos nurnoch Simeons Kopf in Antiochien, um einige Zähnedurch Verehrer beraubt84.

Diese jahrzehntelange Säulensteherei war verrücktgenug, um durch viele Jahrhunderte christlicher Heils-geschichte Nachfolge zu finden. Simeons Schüler, derhl. Mönch Daniel, stand seit etwa 460 dreiunddreißigJahre auf einer Säule in Anaplus, trotz seines Wider-strebens vom Patriarchen Gennadius zum Priester ge-weiht, sogar von Kaiser Leo I., der Kaiserin Eudoxiaaufgesucht und natürlich von gewaltigen Pilgerscha-ren, selbst von »Ketzern«. (Wegen seiner »außeror-dentlichen Austrocknung«, wird überliefert, war seinStuhlgang »wie der von Ziegen«.) Die reichen Ge-schenke für den Umschwärmten kassierte die Kirche

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daneben. Titus, ein Offizier des kaiserlichen Palastes,verließ die Armee und baumelte mittels unter seinenAchseln durchgeführter Seile ohne den Boden zu be-rühren frei in der Luft. Im 6. Jahrhundert lebt ein ehe-maliger Präfekt von Konstantinopel achtundvierzigJahre auf einer Säule bei Edessa. Im 7. Jahrhunderterklimmt der hl. Simeon der Jüngere seine Säule»noch so jung, daß ihm die Milchzähne ausfielen,nachdem er hinaufgestiegen war« (vgl. I 152 ff). Ererhält mit dreiunddreißig Jahren die Priesterweihe undwirkt so viele Mirakel, daß die Christenheit wiederhaufenweise herbeieilt, um den »neuen Simeon« zusehen, und der Hügel mit seiner letzten und höchstenSäule schließlich »Wunderberg« heißt. Nicht minderberühmt wurde der hl. Alypius, der insgesamt »67Jahre auf einer Säule« verbrachte, »die meiste Zeitstehend, in den letzten Jahren liegend« (Lexikon fürTheologie und Kirche); er ist einer der am häufigstenauf Ikonen, Fresken, byzantinischen Miniaturen abge-bildeten Asketen des Orients. All diese christlichDurchgedrehten aber hatten enormen Zulauf und wur-den von Volksmassen umlagert. Und selbstverständ-lich dauerte die Pilgerei nach ihrem Tod fort85.

Trotz der Strapazen scheint das Leben in der fri-schen Luft den Styliten bekommen zu sein. Obwohlsie dreißig, fünfzig Jahre, ja mehr auf ihren Säulen einheiliges, hochbewundertes asketisches Ideal zelebrier-

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2.476 Deschner Bd. 3, 308Näher, mein Gott, zu dir ...

ten und Gott nicht früh genug nahe genug kommenkonnten, mußten gerade sie meist lange darauf war-ten. Simeon der Ältere wurde siebzig, Daniel vierund-achtzig, Alypius neunundneunzig, Lukas, ein Stylitdes 9. Jahrhunderts, hundert Jahre alt. Auch starbendiese Heiligen gewöhnlich eines sozusagen natürli-chen Todes, wenn sie nicht, wie ein Stylit aus Meso-potamien auf seiner Gipssäule, in Gottes Unerforsch-lichkeit vom Blitz oder, wie der hl. Nicetus, von Räu-bern erschlagen wurden. Im übrigen sind bei einer soaußergewöhnlichen Sache weitere Besonderheitenwohl kaum erstaunlich. Etwa der von Johannes Mo-schus, einem 619 in Rom gestorbenen orientalischenMönch, beschriebene Religionsdisput zwischen einemkatholischen und einem monophysitischen Säulenste-her, Nachbarn sozusagen, die sich von ihren Säulenaus Beschimpfungen zuschrieen. Oder jene seltsameVersammlung von hundert Styliten, die in Gethsema-ne, in Palästina, wie ein ganzer Säulenwald um einenSuperior stand86.

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2.477 Deschner Bd. 3, 308Die Wallfahrt zu einer Heiligen, die es ...

Die Wallfahrt zu einer Heiligen, die esvermutlich nie gab

Von großer Bedeutung für die Wallfahrtsgeschichtewurde Kleinasien, wo zunächst die Pilgerstätten zahl-reicher waren als anderswo. Es gab da viele »heilige«Orte von mehr lokaler Bedeutung. Etwa die Kirchedes Märtyrers Polyeuctes bei Melitene. In Sinope amSchwarzen Meer avancierte der hl. Phokas zum Pa-tron der Seefahrer. In Caesarea in Kappadokien ver-ehrte man den hl. Märtyrer Mamas; noch mehr dievielgerühmten 40 hl. Märtyrer, die auch an anderenOrten vor allem Kleinasiens ihre Heiligtümer hattenund deren Reliquien hochbegehrte Pilgerandenkenwaren87.

Weit aber überflügelte solche Stätten Seleukia amKalykadnos, das Ziel wohl der frühesten aller bekann-ten Heiligen wallfahrten. Ungewohnterweise zog hiereine heilige Frau die Pilger an, wobei wohl die Vor-liebe der Kleinasiaten für weibliche Gottheiten nach-wirkte. (Auch in Chalkedon florierte ja das Heiligtumder Euphemia, das seinen weltweiten Ruf zwei Haupt-wundern verdankte: dem unbeschreiblich süßen Duft,der, erst nur nachts, dann ununterbrochen, dem Grabder Märtyrerin entquoll. Und einem Schwamm, dersich, nach Traumoffenbarungen der Heiligen an denKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.478 Deschner Bd. 3, 309Die Wallfahrt zu einer Heiligen, die es ...

Bischof oder sonst würdigen Männern, beim Berüh-ren der hl. Reliquien mit Blut füllte – in Anwesenheitdes Kaisers, der Behörden, des Volks, das dannimmer in lauten Jubel ausbrach, zumal danach sovielBlut floß, daß nicht nur jeder Anwesende sich mit hl.Blut eindecken, sondern dies durch eine Art Versand-geschäft noch in alle Welt vertrieben werden konn-te.)88

Im Mittelpunkt des Kults in Seleukia stand die hl.Thekla (S. 213 ff), die als erste Märtyrerin, als »Erz-martyrin« gilt, obwohl sie, durch ein Wunder entkom-men, »in schönem Schlaf« entschlief. Auch so kannman Blutzeugin werden. Die Katholiken feiern nochheute ihr Fest am 23., die Orientalen am 24. Septem-ber, die Kopten am 19. Juli. In Rom stand bereits in»uralter Zeit« (Holzhey) eine Theklakirche beim Vati-kan; auch gab es dort weitere Theklaheiligtümer.Ebenso verehrte man sie in Lyon und Tarragona, spä-ter in der Domstiftskirche von Augsburg, nahebei ineiner prachtvollen Wallfahrtskirche, auf der Höhe vonWeiden, auch München besaß eine Theklakapelle. ImJahrhundert Humes, Voltaires, Kants verbreiteten sichvon Spanien aus Thekla-Bruderschaften u.a. in Wien,Prag, München, Regensburg, Mainz, Paderborn, hiersogar, päpstlich bestätigt, 1757 als »Erzbruder-schaft«. Ein spezielles »Theklabrot«, zur Erinnerungan das der Heiligen bei Seleukia täglich von einem

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2.479 Deschner Bd. 3, 310Die Wallfahrt zu einer Heiligen, die es ...

Engel servierte Gebäck, verbürgte nun Schutz, Gene-sung und wurde in Spanien, Österreich, Deutschland,besonders im frommen Paderborner Land verzehrt89.

Dabei ist Thekla, die angebliche Schülerin des hl.Paulus, über die »zuverlässige Nachrichten« in »nurgelegentlichen und unbestimmten (!) Andeutungen derKirchenväter« vorliegen (Wetzer/Welte), offenbar garnicht historisch. Sie entsprang den Thekla-Akten,einem Bestandteil der Acta Pauli et Theclae, jenerrein romanhaften Geschichte, die um 180 ein katholi-scher Priester Kleinasiens gefälscht hat, der dann auchüberführt und abgesetzt worden ist (S. 136 f). Tertul-lian, später freilich ein »Ketzer«, und KirchenlehrerHieronymus, freilich selber ein Fälscher, ein heiligge-wissenloser Verleumder (I 169 ff), beurteilten das ka-tholische Machwerk vernichtend. Ebenso hat dasPapst Gelasius I. zugeschriebene berühmte DecretumGelasianum, ein angeblich 494 auf einer römischenSynode erlassenes Dokument, die Paulus- und The-kla-Akten verdammt, ist allerdings selber eine Fäl-schung90.

In Seleukia, wo der Theklakult wohl zuerst zu blü-hen begann, mußte die Heilige zwei Konkurrenten be-kämpfen. Sie bezog da »eine Kampffront«, so dieweitschweifige, geschichtlich gänzlich wertloseSchrift »De vita et miraculis s. Theclae« des Erzbi-schofs Basilius von Seleukia (gest. um 468), »gegen-

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2.480 Deschner Bd. 3, 310Die Wallfahrt zu einer Heiligen, die es ...

über dem Dämon Sarpedon, der in einer Erdspalte amMeer haust und durch einen Orakeldienst viele vomGlauben abspenstig macht, und ebenso gegenüber derBurggöttin Athene, die auf der Höhe der Stadt ihrHeiligtum hat«. Als die Pilgerin Aetheria in Seleukiaerschien, lag dort der ganze Roman der Thekla, dieFälschung des katholischen Presbyters, in ihrem Mar-tyrion auf als Beglaubigung der Authentizität desWallfahrtsortes. Aetheria las diese »Akten der Theklaund dankte Christus unserm Gott, der mich ohne meinVerdienst würdigte, alle meine Wünsche zu erfül-len«91.

Im ausgehenden 2. Jahrhundert kennt man denRoman von Kleinasien bis Karthago, und weithinnimmt man ihn, wie so ungemein vieles im Christen-tum, für bare Münze – und jahrhundertelang bringt erbare Münze ein. Der Kult griff immer weiter um sich.Im 4. Jahrhundert ist Thekla im Orient da und dortfast so populär wie Maria. Es kommt schon zu einemregelrechten Pilgerverkehr. Das eigentliche Wall-fahrtszentrum lag etwas außerhalb der Stadt aufeinem Hochplateau, wo noch Aetheria bei »der Kircheder Heiligen ... nichts anderes als zahllose Zellen vonMännern und Frauen« fand, »hl. Einsiedler oder Apo-taktiten«. Dies Wohnen von Kultdienern und -diene-rinnen bei einem Heiligtum setzte offensichtlich einenheidnischen Religionsbrauch fort, wie er gerade in

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2.481 Deschner Bd. 3, 311Die Wallfahrt zu einer Heiligen, die es ...

Vorderasien üblich war.Um 500 aber, als der Theklabetrieb in Seleukia

kulminierte, stand da ein »heiliger Bezirk« (temenos)voller Kirchen und Annexbauten, offenbar auch mitPilgerherbergen, wie an allen Wallfahrtsorten, häufigin Klosterkomplexen, in der nitrischen Wüste, in Pa-lästina, Syrien, Alexandrien, dann auch im Abend-land, besonders in Gallien. Überall gab es Unterkünf-te für die Pilger, Fremdenhospize, von den Kaisern,von anderen hochgestellten Persönlichkeiten, reichenChristen finanziert, was mitunter einen großen Auf-wand erforderte, zumal die Herbergen in der Wüstezum Schutz vor Räubern, Sarazenen, mehr Kastellenglichen und überhaupt die Mönchsregeln der altenKirche nicht nur zur Betreuung der »peregrini«, son-dern auch der »pauperes« verpflichteten, die Kloster-xenodochien auch Armen- und Krankenhäuser waren.In Seleukia hatte man dreimal eine immer größere Ba-silika in verhältnismäßig kurzer Zeit errichtet (von derletzten, der Wallfahrtskirche der Blütezeit, stehenheute nur noch kümmerliche Ruinen). Damals gab esdort insgesamt fünf Kirchen, eine Fülle von Priester-und sonstigen Kirchendienerwohnungen sowie einenInkubationsraum, wo Wallfahrer schliefen, um imTraum Rat oder Heilung von der Heiligen zu erhalten(vgl. S. 270 f)92.

Der Theklakult in Seleukia gedieh um so mehr, alsKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.482 Deschner Bd. 3, 311Die Wallfahrt zu einer Heiligen, die es ...

ihn eine äußerst verkehrsgünstige Lage, die Kreuzungvon vier Straßen, von vornherein gefördert hat. Immermehr eilten herbei, aus der Nähe, der Ferne, Soldaten,Bauern, Gelehrte, Beamte, zumal bei dem tagelanggefeierten Theklafest. Man amüsierte sich, man trank,man tanzte, und die Jungfrauen waren noch in näch-ster Nähe des Heiligtums ihrer Keuschheit nicht sich-er – und weiß der Himmel, wie viele gerade dies er-hofft haben mögen. Auch die Bischöfe genossen wohldas Bad in der Menge, und war der Radau in derHauptkirche zu lästig, konnte man ausweichen in den»Myrtenhain«, die »Stille« der Thekla-Grotte, wo»auch Thekla sich gern aufhielt«, bis einen dasSchluchzen und Heulen der Frommen selbst dort ver-trieb93.

Ein Grab der »Thekla« kannte man nicht; begreif-lich genug. Auch keine Reliquien gab es zunächst.Dann fand man doch allerlei, auch den eingeklemmtenZipfel ihres Gewandes, der zurückblieb, als sie in dieErdspalte entschwand. Selbstverständlich konnten dieWallfahrer »Eulogien« beziehen, vermutlich wunder-bares Wasser. Auch wunderbares Lampenöl gab es.Sogar Seife bot die Kirche zum Kauf an. Viele Pilgerbrachten Tiere als Weihegaben mit, von den Uferndes Schwarzen Meeres bis nach Ägypten: Kraniche,Gänse, Tauben, Fasane, Schweine. Manchmal wirkte»Thekla« auch durch sie ein Mirakel – wie nicht sel-

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2.483 Deschner Bd. 3, 312Die Wallfahrt zu einer Heiligen, die es ...

ten schon die Heidengötter; Sarapis etwa, als Lenaiosinständig für sein jäh erblindetes Pferd gebeten hatte»wie für einen Bruder oder Sohn«. Und natürlichkamen noch viel kostbarere Gaben. Die Kirchenschwammen in Gold und Schätzen – nicht nur beiThekla94.

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2.484 Deschner Bd. 3, 312Die christlichen Wallfahrtsstätten

Die christlichen Wallfahrtsstätten wurden durchWeihegaben rasch immer reicher

Ex voto erstanden ganze Christentempel. Zum Bei-spiel durch Galla Placidia für Errettung aus Seenotdie Kirche zum Hl. Johannes in Ravenna. Auch dasInnere solcher Sakralbauten wurde mit großen Spen-den gefördert. Manchmal stattete ein einziger Pilgereinen Teil der Kirche aus. Und vor allem an den ei-gentlichen Wallfahrtsorten, am Grab des hl. Felix inNola, am Menasheiligtum in Ägypten, am Phokashei-ligtum in Sinope etc. etc. häuften sich nahezu endlosreiche Weihegeschenke. »Ornamenta infinita«,schreibt der Anonymus von Piacenza über die Pilger-gaben in Golgatha. Die übliche Skala reicht vonNachbildungen geheilter Glieder in Silber oder Goldüber kostbare Vorhänge, Leuchter, Kreuze aller Art,über Felle, Prachtgewänder, goldne Kronen (etwawestgotischer Könige), Decken und Seide des Perser-königs, bis zu Schlachtvieh, Geld und Landbesitz.Der Brauch blieb erhalten »durch alle Jahrhunderte«(Prälat Sauer). Nicht erhalten blieben meistens, be-greiflicherweise, gerade die kostbaren Stücke, wäh-rend (wertlose) Votivstelen, -tafeln, -säulchen, In-schriften um so zahlreicher, auch Hunderte von Am-pullen für Öl und Wasser noch heute vorhandenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.485 Deschner Bd. 3, 313Die christlichen Wallfahrtsstätten

sind – die Dummheit der Gläubigen ebenso demon-strierend wie die Klugheit des Klerus. Denn Weihega-ben dürfen veräußert werden; spätestens im 20. Jahr-hundert allerdings bloß mit Erlaubnis des »HeiligenStuhles«95.

Die Pilger spendeten gewiß nicht nur aus Dankbar-keit, sondern auch weil sie Hilfe erhofften. Die Theo-logen erwähnten aber meist nur Dankvotive; das zahl-te sich besser aus. Die Geheilten brachten Bilder derFüße, der Hände, der Augen dar, Plastiken von nahe-zu allen Körperteilen, aus Holz manchmal, doch auchaus Gold. In Gold und Silber ließ bei einer Erkran-kung des Erbprinzen von Galicien der Vater am Grabdes hl. Martin das Gewicht seines kranken Sohnesaufwiegen. Solche Ersatzopfer werden im Mittelalterhäufig. Weniger Aufwand machte der ExkonsulKyros; zum Dank für die Heilung seiner Tochter setz-te er bloß eine Inschrift in die Säule des Styliten Da-niel96.

Immer wieder wurden den Wallfahrtsstätten Tiereals Weihegaben mitgebracht – übrigens abermals einegenaue Parallele zu den paganen Pilgerzentren. Undwie an diesen der Tierpark gewöhnlich war, so ebenauch an den christlichen, jedenfalls im Orient, wo diedargebrachten Tiere stets von neuem ergänzt wordensind. Thekla scheint gerne Vögel genossen zu haben:Gänse, Schwäne, Kraniche, Fasanen, Tauben usw. In

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2.486 Deschner Bd. 3, 314Die christlichen Wallfahrtsstätten

Ägypten bevorzugte man Schweine. Bei Menas standanscheinend eine ganze Herde herum und lockte zu-weilen (bedürftige) Diebe an97.

Wenn auch der Tierpark ein Spezifikum östlicherPilgerorte war, schenkte man doch auch im Abend-land den Wallfahrtskirchen Schafe, Kälber, Schweine,Pferde. Und während heute oft Aufkleber mit einemHundebild an Christentempeln verkünden: Wir dürfennicht hinein ..., wurden einst die (dann freilich auchder Kirche verbleibenden) Tiere bis vor den Altar ge-führt und dort geweiht. Und schon auf dem Weg dort-hin galt ihr Entwenden als Sakrileg, als »Tempel-«,als »Gottesraub«. Andere Tiere – nach alter christli-cher Ansicht ja Sachen nur, ohne Seele – schlachteteman, tischte sie bei Pilgerschmäusen auf und gab,wohl in Erinnerung an das Gebot, den Nächsten wiesich selbst zu lieben, den Armen den Rest98.

Seleukia war mit Tieren gesegnet, doch übervollauch von dem Gold und andren Schätzen reicher Pil-ger, weshalb immer wieder Isaurier und Räuber dasfast festungsartige Heiligtum heimsuchten. Und ob-wohl Thekla selbst ihre Schätze hütete, auch Bitten-den wieder zum geraubten Eigentum verhalf, schufman noch ein kleines Kastell und eine Tempelwache,die der Bischof kommandierte. Dennoch barg man beidrohendem Überfall das Wertvollste mitunter in derStadt und ließ manchmal auch die Bürger das Kir-

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2.487 Deschner Bd. 3, 314Die christlichen Wallfahrtsstätten

chengut verteidigen – wie im Grunde freilich meist,hatte die Kirche entsprechende Befehlsgewalt. Jagteman den Räubern die Beute wieder ab, führte man sieunter feierlichen Hymnen zurück99.

Bei Thekla zeigt sich nun, wie der Ortsbischofeinen Kult propagiert. Denn damit »eine Wallfahrt inFlor bleibe und weiter blühe«, so Jesuit Beissel,»mußte das Volk durch sichtbare Erfolge, durchWunder und Gebetserhörungen zum Vertrauen ange-regt und im Vertrauen gefördert werden«100.

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2.488 Deschner Bd. 3, 314Wallfahrt und Wunder - zum Marketing von ...

Wallfahrt und Wunder – zum Marketing von»Gnadenstätten«

Der Metropolit von Seleukia, Erzbischof Basilius,war zweifellos der richtige Mann, um Vertrauen zuwecken. Im eutychianischen Streit (II 213 ff) taucht er448 als gutkatholischer Gegner des Eutyches auf,eines extremen Monophysiten. Ein Jahr danach, aufder »Räubersynode« von Ephesus (II 220 ff), wech-selt er schnell zu den siegreichen »Ketzern« unterDioskur über und wird Monophysit. Doch zwei Jahrespäter, auf dem Konzil von Chalkedon (II 229 ff),schlägt er sich abermals zu den neuen Siegern, wirdwieder katholisch, nur um auch weiter Bischof zubleiben101.

Die Glaubwürdigkeit dieses Mannes illustrierenauch seine zwei Bücher »Über das Leben und dieWunder der heiligen Thecla«: neue Lügen gleichsam,die den Thekla-Roman ergänzen, fortsetzen, dieHauptquelle für den Kult. Denn Basilius hatte natür-lich das größte Interesse, die »Heilige« seines Bi-schofssitzes in jeder Weise zu fördern. »Von ihremHeiligtum«, schreibt er, »sendet sie nun Hilfe gegenjedes Leiden und gegen jede Krankheit allen, die derHeilung bedürfen und die darum bitten, so daß derOrt eine öffentliche Heilstätte geworden ist und einKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.489 Deschner Bd. 3, 315Wallfahrt und Wunder - zum Marketing von ...

Zufluchtsort für das ganze Land. Ihre Kirche findetman nie ohne Pilger, die von allen Seiten herbeiströ-men, die einen um der Erhabenheit des Ortes willenund um zu beten, und um ihre Weihegaben zu brin-gen, die anderen, um Heilung und Hilfe gegen Krank-heiten, Schmerzen und Dämonen zu erhalten«102.

Erzbischof Basilius sieht sich außerstande, alledurch Thekla gewirkten Wunder – 31 teilt er immer-hin mit – zu sammeln. Sie seien teils schon früher vonwahrheitsliebenden Männern und Frauen überliefertworden, teils zu seiner Zeit geschehen. Auch er habesie erlebt, sei von starken Ohrenschmerzen, der So-phist Aretarchus von seinem Nierenleiden geheiltworden, ein ehebrecherischer Mann zu seiner Frau zu-rückgekehrt. Die ehrbare Kallista, die der Zaubertrankeiner Dirne – später tun das »Hexen« – entstellt, er-hält durch Thekla Anmut und Schönheit und so auchihren ehebrecherischen Gatten wieder. Die »Heilige«kuriert, gewährt selbst den Juden Hilfe, behebt eineViehseuche. Und als die ganze Gegend eine schlimmeAugenkrankheit geißelt, die Ärzte machtlos sind, daziehen die Menschen in Massen, weinend, jubelnd,zum Wasser der »Thekla« und werden in drei, vierTagen alle, alle gesund – bis auf wenige, »Ungläubi-ge« wohl, »Sünder«, die denn auch ganz erblindenjetzt103.

Ging es um ihre Wallfahrt, schreckte Thekla auchKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.490 Deschner Bd. 3, 316Wallfahrt und Wunder - zum Marketing von ...

vor einem Strafwunder, sogar in den eigenen Reihen,nicht zurück, wie gegenüber jenem Kirchenfürsten,der das Pilgern zu ihr aus seinem Sprengel unterband.Als nämlich der Bischof von Tarsus, Marianus, mitdem Bischof Dexianus von Seleukia ein Hühnchen zurupfen hatte, verbot Marianus kurzerhand die Wall-fahrt zur hl. Thekla, zu der man aus Tarsus in mehre-ren tagelangen Prozessionen zog. Dies konnte die »hl.Thekla« jedoch nicht dulden. Eines Nachts – einMann namens Kastor sah dies – stürmte sie wütendgegen Marianus durch die Stadt, und schon wenigeTage danach traf den Bischof der Tod104.

Wie bei den Heiden, spielte eben auch bei denChristen das Wunder eine Hauptrolle. Also mußtedamit, um die Attraktivität einer Gnadenstätte zu stei-gern, kräftig geworben werden, vor allem mit Heilun-gen. Sie beanspruchen in den vielen Mirakelbüchernden größten Raum, bei Kosmas und Damian, Kyrosund Johannes, bei Artemius nahezu den ganzen. Wei-tere Hauptsammlungen solcher Mirakelbücher, dieformal den entsprechenden heidnischen Erzeugnissenfast aufs Haar gleichen, gelten den Taten der HeiligenThekla, Therapon, Theodor, Menas, Demetrius imOsten oder Sammlungen von Wundern der HeiligenStephanus, Julianus, Martinus im Westen. Für einenZeitraum von mehreren Jahrhunderten, den dieseSchriften umfassen, bieten sie verhältnismäßig wenig

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2.491 Deschner Bd. 3, 316Wallfahrt und Wunder - zum Marketing von ...

Wunder, doch wird die kleine Auswahl unter zahllo-sen betont. Und einige Mirakelbücher, die der Heili-gen Thekla, Kyros, Johannes und Stephanus, renom-mieren mit »genauen« Angaben über die Geheil-ten105.

Eine weitere Aufgabe war die psychologische Vor-bereitung der Wallfahrer, ihre seelische Einstimmungauf eine potentielle Heilung. Die Wunder sollten vor-gelesen werden, um das Vertrauen der Pilger zu stär-ken. Es gab, wie an den paganen Heiligtümern, unterder Masse der Gläubigen, Zuversichtlichen, nochgenug Skeptiker, und deren Sinneswandlung hattegewiß größeres Gewicht, mehr Überzeugungskraft alsdie Wundergläubigkeit der übrigen. So berichten dieMirakelbücher ab und zu, übrigens ganz wieder wieheidnische Inschriften in Epidauros, auch von Un-gläubigen, die durch das Erlebnis einer Heilung um-gestimmt wurden106.

Dennoch, die allermeisten zogen ungeheilt fort, un-getröstet, wie ja heute noch an den Wallfahrtsstätten,was dem Glauben schadet wie dem Geschäft. Undauch wenn man von den wenigen Geheilten immermehr Wesens machte und macht als von den vielenUngeheilten, die Wundersammlungen durften diesenPunkt nicht völlig verschweigen. So erklärten sie dieNichterhörten kurzerhand für Sünder, und da alleMenschen »Sünder« sind, konnte man kaum daneben-

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2.492 Deschner Bd. 3, 317Wallfahrt und Wunder - zum Marketing von ...

treffen107.Ein anderer, freilich nicht minder plumper Trick

bestand darin, daß man die Pilger tröstete, mancherwerde erst auf dem Heimweg oder daheim geheilt.Derart suchte man auch die unsicheren Kandidaten inder Hand zu behalten. Und schließlich betonen dieMirakelbücher immer wieder, daß die Wallfahrer Hei-lung nicht nur am Leib erführen, sondern auch an derSeele. Eine solche Prozedur aber sah ein Außenste-hender oder gar Fremder einem Pilger nicht an. Unge-zählte konnten somit als geheilt gelten, ohne daß siees waren108.

Bekannte Kirchenväter haben sich an der Übermitt-lung von wunderbaren Heilungen an Wallfahrtsortenbeteiligt. So schrieb Sozomenus gegen Mitte des 5.Jahrhunderts über das mirakulöse Wirken des Erzen-gels Michael in Anaplus. Paulinus von Nola besangin Gedichten die Mirakel in seiner Bischofsstadt. Undder hl. Augustinus erstrebte sogar eine aktenmäßigeErfassung der Wunder und gab deshalb die »libelli«in Auftrag109.

Wir können all die Stätten gnadenreichen Wall-fahrtsegens nicht betrachten. Doch drei, vier der gna-denreichsten seien noch erfaßt.

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2.493 Deschner Bd. 3, 318Das altchristliche Lourdes

Das altchristliche Lourdes

Einer der berühmtesten Pilgerorte der Antike, ein»altchristliches Lourdes«, lag in Ägypten am Randder libyschen Wüste: das Heiligtum des hl. Menas.Viele einschlägige Lexika freilich schweigen darüber.Sogar das katholische »Lexikon für Theologie undKirche« konstatiert ein »Fehlen aller geschichtlichenNachrichten« über Menas, statt dessen aber »einenüppigen Legendenkranz«, doch sei auch dieser »ohnegeschichtlichen Wert«. Der Leib dieses seltsamenHeiligen (Fest in fast allen Martyrologien, Synaxari-en, Menaen am 11. November) fand nach einer Versi-on gleich am Ort seines Martyriums die ewige Ruhe,nach anderen Märchen in seiner Heimat110.

Der hl. Menas, mit dessen Historizität es ähnlichsteht wie mit der Theklas, wurde der populärste Na-tionalheilige Ägyptens, ja erhielt »europäischen Ruf«(Andresen). Er rückte auch, als die plötzlich militär-freundliche Catholica aus ihren Heiligenkalendern dieNamen der christlichen Militärdienstverweigererstrich und durch »Soldatengötter« (Christus, Maria,Victor, Georg, Martin von Tours u.a.) ersetzte, inderen (Schlacht-)Reihe auf, die auch genau die Funk-tion der heidnischen Soldatengötter übernahm. Undschon im 4., 5. Jahrhundert huldigt die ganze christli-

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2.494 Deschner Bd. 3, 318Das altchristliche Lourdes

che Welt dem mysteriösen Wüstenheiligen. Bald gibtes Menaskirchen nicht nur in Alexandrien, Alt-Kairo,in Tura, Taha, Kus, Luxor, Assuan, sondern ebensoin Palästina, Konstantinopel, Nordafrika, Salona,Rom (wo Papst Gregor I. in der Menaskirche an derStraße nach Ostia predigt), in Arles, am Rhein, an derMosel und anderwärts. Der ägyptische Legendenkranzerzeugt wieder weitere außerägyptische Legenden-kränze. Menas wird vor allem Schutzpatron der Kauf-leute, wird als »Helfer in schwerer Not« angerufen,»zur Wiedererlangung verlorener Gegenstände«(Sauer), wird Retter in Todesgefahr, Rächer desMeineids, wofür in Rom auch St. Pankratius tätig ist.Menas vollbringt Wunder über Wunder, an Menschund, auffallend oft, an Tieren, er bewahrt die Keusch-heit von Pilgerinnen, rettet verdurstende Pilger, be-wirkt Siechenheilungen, Totenerweckungen, doch fastdurchweg Wunder, die man schon aus heidnischenMirakelgeschichten kannte. Kurz, mit einem altenäthiopischen Text: »Und alles Volk, das an verschie-denen Krankheiten litt, kam zum Grabe des AbbaMînâs, und sie wurden geheilt durch die Macht Gottesund durch die Fürbitte des hl. Mînâs«111.

In der Auladaliwüste, zwischen Alexandrien etwaund dem Natrontal, entstand in einer einst reich be-wässerten Oase eine ganze Menasstadt mit Kirchen,großen Klosteranlagen (sie umfaßten allein 40000

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2.495 Deschner Bd. 3, 319Das altchristliche Lourdes

qm), Nekropolen und natürlich Herbergen, um die ausaller Herren Länder herbeiströmenden Christen unter-zubringen. Tag und Nacht brannten da die Lampender Frommen vor dem Heiligengrab. »Und wenn je-mand von diesem Lampenöl nahm«, behauptet derkoptische Text der Menasvita, »und eine kranke Per-son damit einrieb, wurde dieser Kranke von demÜbel, an dem er gelitten, geheilt«. – Öl war überhauptin jenen frühen Jahrhunderten als »Pilgereulogie«hochbegehrt; das Öl der Lampen, das Wachs der Ker-zen, die am Märtyrergrab brannten, galten im ganzenchristlichen Morgen- wie Abendland als das Bestevom Besten sozusagen der »Pastoral-Medizin«. DieHeiligen verschrieben sie in »Traumanweisungen«häufiger als irgendein anderes »Medikament« – undviele Gläubige trugen als Prophylaktikum ständigsolch heilkräftiges Wachs und Öl mit sich112.

Weit mehr noch aber schätzte man im »altchristli-chen Lourdes« das Wasser, war doch die Wasserver-ehrung im antiken Ägypten seit je sehr groß. (Manwallfahrtete dann auch zur hl. Quelle des Klosters ElMuharrakah in Südägypten, die der »Heiland« selbstgesegnet haben soll.) In der Menasstadt bewässerteein ausgebauter heilbringender Quell Badezellen imInnern einer dreischiffigen Bäderbasilika. Und selbst-verständlich prosperierte da eine ganze Devotionali-enindustrie, gab es zahlreiche Töpferöfen, die (in drei

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2.496 Deschner Bd. 3, 319Das altchristliche Lourdes

verschiedenen Größen) die doppelhenkeligen »Me-nasampullen« lieferten, meist beschriftet und mit demangeblichen Konterfei des Heiligen, sinnigerweisezwischen zwei Kamelen – und für Pilger aus demSudan: im Negertypus! Ampullen, die Menas auch alsSchwarzen zeigen, sind noch vorhanden. (Anderwei-tig, in Italien etwa, stellten ganze christliche Industri-en Ampullen mit dem Bild der hl. Maria, des Petrus,Andreas, der Thekla her.) Diese Ampullen wurdenebenso wie die von Elfenbeinschnitzern gefertigtenMenasfiguren und sonstiges »Heiliges« auf das an-gebliche Grab des Heroen gelegt, wonach sie vor Un-heil bewahrten, Schaden. Und auch das »heilbringen-de Wasser« nahm man mit in alle Welt hinaus – nochan der dalmatinischen Küste, in Salona-Spalato(Split) vermutete man ein eigenes Eulogiendepot,noch in Köln fanden sich Menasampullen –, was dannaus aller Welt wieder Geld hereinbrachte, reiche Stif-tungen, kostspielige Votivgaben, von der prachtvollenAusstattung der Kirchen zu schweigen. Überdieserhob man, da offenbar die Freiwilligkeit des Sich-schröpfenlassens ihre Grenze hatte, noch regelrechtePilgertaxen zugunsten der Gnadenstätte. Ausgrabun-gen der Kloster-Schlächtereiabfälle förderten unge-wöhnlich zahlreiche Schweineschädel zutage, wes-halb man annimmt, daß auch viele Schweine zumHeiligtum gehörten, die »Menas« vor klauenden Pil-

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2.497 Deschner Bd. 3, 320Das altchristliche Lourdes

gern schützen mußte113.Das »altchristliche Lourdes« war so reich, daß Kai-

ser Zenon, ein dem Volk verhaßter ehemaliger isauri-scher Räuberhäuptling (II 299 ff), doch als Potentatselber ein beflissener Menaspilger, den Wallfahrtsortzu einer Garnison von 1200 Mann machte, um ihn –vor Räubern zu schützen. Und seine Nachfolger er-richteten noch im 6. Jahrhundert entlang den Straßendurch die Wüste Hospize, Einkaufszentren, Gepäckla-ger, Rastplätze, Wasserstellen, alles zur größeren Be-quemlichkeit der wallfahrenden Christen – und zumReichtum des Heiligtums. Es hatte damals seineHauptblütezeit. Im 8. Jahrhundert raubten es wieder-holt Muslime aus, schließlich suchten es nur noch Be-duinen im Winter heim, zuletzt bedeckte es ganz undgar der Wüstensand ...114

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2.498 Deschner Bd. 3, 320Die erschwindelten Heiligen »Kyros« und ...

Die erschwindelten Heiligen »Kyros« und»Johannes«

Ein weiterer großer ägyptischer Wallfahrtsort wurdeMenuthis, wenn auch erst seit dem 5. Jahrhundert. Eslag nahe der Hauptstadt Alexandrien und war einVorort von Kanobos – einst schon eine heidnischePilgerstätte durch den »hochverehrten Tempel des Sa-rapis, welcher auch Heilung bewirkt; übrigens glau-ben auch die angesehensten Männer daran und schla-fen für sich und für andere darin. Einige schreiben dieHeilungen auf, andere den Nutzen der dortigen Ora-kel« (Strabo). Das glich also sehr den christlichen Pil-gerzentren. Auch der schlechte Ruf von Kanobos, dieAusgelassenheit der Pilger, Spiel und Tanz Tag undNacht, verband sich später mit so manch christlichemWallfahrtstreiben115.

Das Sarapeum von Kanobos fiel im späten 4. Jahr-hundert den Tempelstürmen des Patriarchen Theophi-los zum Opfer (S. 566 ff). Er ließ es völlig zerstören,modelte den seit langem verehrten Isistempel von Me-nuthis zu einer Kirche um und weihte ihn den Evan-gelisten. Dort wie hier mußten eben mächtige alte Re-ligionen sterben. Das ging den klerikalen Rabaukenfreilich nicht schnell genug. Die Gebildeten hingenhäufig noch dem Neuplatonismus an und weite Be-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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völkerungsgruppen der (besonders von den Frauen)so geliebten Göttin Isis, deren fast haargenaues Ab-bild Maria wurde. Der Nachfolger des rabiaten Theo-philos, Kirchenlehrer Kyrill, der Vollstrecker der er-sten großen »Endlösung« (II 195 ff) und eigentlicheMörder der weltbekannten Philosophin Hypatia (II200 f), beschloß daher, die Isisverehrung endgültig zuvernichten116.

Dabei bediente er sich der ebenso plumpen wie er-folgreichen Betrugs-Methode seines Mailänder Kolle-gen Ambrosius. Wie dieser in einer kirchenpolitischschwierigen Situation die vordem aller Welt Unbe-kannten Märtyrer »Gervasius« und »Protasius« zurMehrung der Glaubensinbrunst seiner Schäfchen ineiner Kirche ausgrub, sogar unverwest und die Erdenoch rot vom Blut der Helden (I 431 ff), so hob jetztKyrill in der Markuskirche Alexandriens die Gebeinezweier angeblichen Märtyrer, des Mönchs »Kyros«und des Soldaten »Johannes«, und brachte sie in dieEvangelistenkirche von Menuthis, in das geraubteHeiligtum, den Wallfahrtsort der Göttin Isis Medica.Wie wir die entdeckten »Märtyrer« des Ambrosiusnur durch ihn kennen, so die entdeckten »Märtyrer«des Kyrill nur durch diesen. Und wie Ambrosius seinebeiden »Blutzeugen« in Festpredigten würdigte, sonatürlich auch Kollege Kyrill. Seine Homilien sinddie einzigen Quellen über die Heiligen »Kyros« und

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»Johannes«, alle späteren Viten, das heißt Legenden,das heißt Lügen, knüpfen daran an. Es ist genau wiebei Ambrosius. Und wie dieser damit Erfolg hatte, soauch Kyrill117.

Freilich, wie man auch schon damals dem Schwin-del des Mailänders nicht glaubte, und zwar auf christ-licher Seite, so glaubten jetzt auch viele nicht demKyrill. Sogar sein späterer Amtsbruder Sophronius,seit 634 Patriarch von Jerusalem und stets ein Streiterfür den »wahren« Glauben, findet Kyrills »Beweise«schwach und seine Bürgschaft nicht so überzeugend.Dabei wurde Sophronius selbst durch »Kyros« und»Johannes« von einer Augenerkrankung geheilt; of-fenbar kein schlimmer Fall: eine Erweiterung der Pu-pille, die ihn in Alexandrien befiel; er eilte zum nahenMenuthis, genas nach wenigen Tagen – und schriebeinen Panegyrikus auf »Kyros« und »Johannes«, eine»laudatio Sanctorum«. Nicht genug: er stellte diegrößte aller tradierten Wundersammlungen her undüberflügelte mit 70 Miracula noch die Zahl der Iama-ta von Epidauros: 35 wunderbar geheilte Alexandri-ner, 15 wunderbar geheilte Ägypter und 20 wunder-bar Geheilte aus fremden Ländern – »alle Völkerkommen ...«. Die Aufzählung im einzelnen: langwei-lig, gespreizt, jeder Fall nach demselben rhetorischenSchema. Manche seiner Wunder, er gibt es selber zu,hätten auch Ärzte vollbringen können; manche spann

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2.501 Deschner Bd. 3, 322Die erschwindelten Heiligen »Kyros« und ...

er phantastisch aus Votivtafeln heraus; manchescheint er einfach aus anderen Sammlungen geklautzu haben; bei einigen Mirakeln war er »Augenzeuge«oder wurde von »Augenzeugen« informiert118.

Erzschuft und -bischof Kyrill aber hatte nach seinerEntdeckung der beiden »Märtyrer« gleich erklärt, daßsie nun die Rolle des heidnischen »Dämons« spielten;man solle sich ihnen mit »demselben Vertrauen«nahen. Isis wurde denn auch verdrängt, ihr Kult nurnoch insgeheim fortgesetzt. Die kyrillischen Kreatu-ren jedoch kamen in Schwang, wobei allerdings »Jo-hannes« schnell in den Schatten des volkstümlicheren»Kyros« geriet, der schließlich, wie »Johannes«, vonKyrill als himmlischer Arzt in Kurs gebracht, alswirklicher Arzt galt; und dies so sehr, daß man in derägyptischen Hauptstadt sein »Behandlungszimmer«zeigte, Hilfesuchende bei (anderen) Ärzten verspotteteund die Äskulapjünger selber »Ärztlein« höhnte.Ärzte empfand das Heiligtum offenbar als Konkur-renz.

In und außerhalb des Landes wurde Kyrills Schöp-fung zum hilfreichen »Abba Kyros«, wurde noch aufdem Peloponnes, in Epidauros verehrt, wo er dieHeilpraxis des Asklepios wieder aufnahm, fortführteund, wie der heidnische Gott, Wunder wirkte. In Romwar ihm seit dem 7./8. Jahrhundert eine Kirche ge-weiht, und noch heute lebt sein Name in der Ortsbe-

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2.502 Deschner Bd. 3, 323Die erschwindelten Heiligen »Kyros« und ...

zeichnung Aboukir fort. Menuthis aber entwickeltesich nun aus dem ehemaligen heidnischen zu einemblühenden christlichen Unternehmen, das, nach So-phronius, alle Völker hier anpilgern ließ: »Römer,Galater und Kilikier, Asiaten, Insulaner und Phönizi-er, Bewohner aus Konstantinopel, Bithynien undÄthiopien, Thrakien, Medien, Syrien, Elam ...«119.

Die arabische Invasion scheint dann der Kirche(von der ein Weg direkt zum Meer führte), scheintden Knochen des »Kyros«, des »Johannes«, nicht be-kommen zu sein. Und heute steht von dieser, einstteilweise in Marmor prunkenden Wallfahrtsstätte keinStein mehr. Sie ist vom Erdboden verschwunden120.

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2.503 Deschner Bd. 3, 323Das hl. Ärztepaar Kosmas und Damian

Das hl. Ärztepaar Kosmas und Damian –Kerzenwachs, Lampenöl und Potenzsteigerndes

Sicher nicht geringer an Bedeutung als Menuthis, alsdie Menasstadt, als das Heiligtum der Thekla war inder Königin am Bosporus der Kult der beiden heili-gen Ärzte Kosmas und Damian, von denen das Römi-sche Martyrologium, »aus sicheren Quellen gesam-melt, geprüft ...«, unter dem 27. September berichtet:»Zu Aegaea: der Geburtstag der heil. Märtyrer undBrüder Cosmas und Damian, welche in der Verfol-gung des Diocletian nach vielen Peinen, nach Kerkerund Banden, nach Wassers- und Feuersqualen, nachKreuzigung, Steinigung und Pfeilschüssen, welchesalles sie durch göttliche Hülfe überwanden, zuletztenthauptet wurden«121.

Die Reliquien der beiden Dulderhelden verehrt mannoch heute in der Michaelskirche in München. Um somehr mit Recht, als sie ihre ärztliche Kunst unentgelt-lich übten. »Wir werben nicht um zeitlich Gut, dennwir sind Christen«, sagten sie in der stolzbescheide-nen Art dieser Leute dem heidnischen Richter – aufdem Papier. (Und der Schweizer Kapuziner Maschekkennt auch jetzt »gottlob noch viele ... menschen-freundliche Vertreter der Heilkunst«, die zumindestbedürftigen Patienten »die Rechnung ganz oder teil-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.504 Deschner Bd. 3, 324Das hl. Ärztepaar Kosmas und Damian

weise« erlassen. Doch seien gerade gottesfürchtigeÄrzte »leider ziemlich selten«. Darum: »Bete für dieÄrzte, besonders für deinen Hausarzt!«)122

Die christliche Überlieferung berichtet von dreiBrüderpaaren (zwei als Märtyrer gestorben), und dieGriechen feiern auch drei verschiedene Feste dieserHeiligen, historisch ist aber allenfalls, doch auch diessehr umstritten, eines: Kosmas und Damian. Und diebeiden sollten, an derselben Stelle, die Kultstättensamt dem Kult der helfenden und heilenden heidni-schen Dioskuren Kastor und Pollux überwinden,deren christliche Ausgeburten sie sind. »Castor undPollux verwandeln sich in Kosmas und Damian«(Dassmann). Nur wenige Kirchen stehen irgendwoauf Erden, wo nicht zuvor ein Heidentempel stand.Die hl. Ärzte – ihr Grab befand sich im Wallfahrts-zentrum, ein weiteres Grab von ihnen in Pherman beiCyrus – siegten natürlich, zogen die Pilger von weither an und heilten. Häufigstes Medikament: Kerzen-wachs und Lampenöl. Selbst Juden nahmen daraufdie Taufe. Nachts erschienen die hl. Ärzte, machtenihren Rundgang; meistens in ihrer eigenen Gestalt,wie man sie in Bildern an den Wänden sah, doch ge-legentlich auch in der Gestalt bediensteter Klerikeroder Badediener. In dieser oder jener Verkörperungsprachen sie mit den Kranken, erkundigten sich, tra-fen ihre Anordnungen: und gleich neben der Kirche

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2.505 Deschner Bd. 3, 325Das hl. Ärztepaar Kosmas und Damian

standen Apotheke und Hospital123.Der Kult von Kosmas und Damian expandierte

früh und weithin, über den Balkan, nach Rußland hin-ein. In den deutschen Hansestädten feierte man sie biszur Reformation. In Bremen beschaffte sich im 10.Jahrhundert Erzbischof Adaldag, kaum ohne politi-sche Nebengedanken, Reliquien aus Rom, »wodurchdieses Bisthum jetzt und ewig triumphirt«; noch im14. Jahrhundert entströmte ihnen der »allersüßesteGeruch«, bei Festlichkeiten opferte man ihnen Ge-schmeide, Gold und Silber. Die Deutschen scheinenzu den größten Verehrern der beiden Heiligen gehörtzu haben; annähernd dreihundert Kultstätten gab eshier von Aachen bis Bamberg, vom Bodensee bisFlensburg. Und selbst in der Neuzeit feiert man sie,vor allem in Sizilien, wo sie noch um die Wende zum20. Jahrhundert »il più popolare dei santi messinesi«,die populärsten Heiligen Messinas sind. In Sferraca-vallo, Palermo, Taormina gibt es noch immer Prozes-sionen zu Ehren des hl. Ärztepaares, noch immer be-deckt man die Kultfiguren mit geopferten Geldschei-nen, noch immer führt man die Tanzprozession, den»Ballo dei Santi« vor, das Drehen der »Gnadenbil-der«, und noch immer ertönt, wenn auch dünnerschon, das Geschrei »Viva, viva S. Cosimu«124.

Kosmas und Damian, von den Jesuiten besondersbegünstigt, spielen eine Rolle in der hohen Kunst, im

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2.506 Deschner Bd. 3, 325Das hl. Ärztepaar Kosmas und Damian

Andachtsbild, im geistlichen Schauspiel bis zur Ba-rockzeit. Sie erhielten das Patronat über Zünfte undBruderschaften. Man pilgerte zu ihren Quellheiligtü-mern und anderen Reliquien. Der Handel mit allenmöglichen Weihegeschenken florierte, auch mitWachsvotiven in Phallusform. In Isernia, ProvinzCampobasso (Molise), überwogen die Phalliopferga-ben, »große Zehen« genannt, und von den Händlernin Körben herumgetragen mit dem Ruf: »Der hl. Kos-mas und Damian«. Kein fester Preis galt für diewächsernen Priapen. Je mehr man zahlte, hieß es,desto wirksamer. Die Frauen küßten diese Votive,bevor sie neben das Geld kamen für Messestiftungenund Litaneien. Auch Kosmasöl gab es zur Stärkungder Potenz. Man rieb kranke Körperteile am Hauptal-tar ein und der Pfarrer rief: »Mögen sie von allerKrankheit freiwerden durch die Fürbitte des hl. Kos-mas«125.

All diese diversen Heiligen, Thekla, Menas, Kyrosund Johannes, Kosmas und Damian, haben zumindestzwei Dinge gemeinsam: sie standen alle im Mittel-punkt eines höchst erfolgreichen Pilgerbetriebs – undsie haben alle wahrscheinlich nie gelebt.

Wenden wir uns zum Abschluß des Kapitels nochkurz dem Abendland zu, wo Rom das wichtigsteWallfahrtszentrum wurde.

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2.507 Deschner Bd. 3, 326Römische Raritäten

Römische Raritäten

Aus dem Orient, der selber so gloriose Gnadenortehatte, werden wohl erst im 6. Jahrhundert, mit demstark wachsenden byzantinischen Einfluß, mehr Pilgernach Rom gekommen sein; und noch mehr im 7., alsfast alle Päpste Griechen oder Syrer waren. Im We-sten freilich hatte längst das Wallfahrten nach Rombegonnen, besonders aus Norditalien und von denBritischen Inseln; die meisten Gläubigen aber kamenaus Gallien, im 5. und 6. Jahrhundert Roms eigentli-ches Wallfahrtshinterland126.

Die größten Attraktionen waren offensichtlich dievermeintlichen Gräber von Petrus und Paulus, auchwenn bis ins 3. Jahrhundert hinein erstaunlicherweiseniemand bekannt ist, der ihretwegen eine Wallfahrtunternommen hätte. Der Tod des Paulus in Rom, wor-über die Apostelgeschichte schweigt, wird kaum be-stritten. Doch ist er legendenumringt, die Bezeugungerst spät und Pauli Enthauptung nicht mit Sicherheitzu erweisen. Auch sein Todesjahr steht nicht fest;vielleicht zwischen 64 und 68. Und schon gar nichtkennt man sein Grab. Zunächst verehrte man es in derKatakombe S. Sebastiano, Ende des 4. Jahrhundertsjedoch an anderer Stelle und errichtete darüber dieBasilika S. Paolo fuori le mura. Reliquien des Paulus

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2.508 Deschner Bd. 3, 326Römische Raritäten

sind angeblich aber auch in St. Peter, und sein Kopfist angeblich im Lateran. In Wirklichkeit liegt derStaub Pauli, wenn er in Rom liegt, »mit dem Staubvon Bauern und Cäsaren irgendwo unter der Erde«(Bradford)127.

Ob Petrus je hier gewesen, da gestorben ist, bleibtvöllig unbeweisbar (II 58 ff). Die angebliche Auffin-dung seines Grabes: nichts als ein Märchen (II 61 ff).Gleichwohl standen die Apostelgräber und -reliquienim Mittelpunkt des Interesses. Die prachtstrotzendenBasiliken St. Peter und St. Paul wölbten sich darüber.Briticus, der vertriebene Nachfolger des hl. Martin,pilgerte in die Ewige Stadt. Der hl. Gregor von Toursschickte seinen Diakon Agiulf 590 zum Grab des Pe-trus, neben Martin, dem Nationalheiligen, dann derpopulärste Patron der Franken.

Auch andere Zelebritäten wallten schon in der An-tike nach Rom: der spanische Dichter Prüdentius402/403. Ein Jahrhundert später klapperte dort derBischof Fulgentius von Ruspe, ein ehemaliger Steuer-einnehmer, der sich zum wilden Bekämpfer des Aria-nismus und Semipelagianismus gemausert hatte, nachPilgersitte sämtliche Stätten »der Märtyrer« ab. Derwortreiche, doch gedankenarme Schwiegersohn desrömischen Kaisers Avitus, Si-donius Apollinaris, seit469 widerstrebend Oberhirte von Arverna (Clermont-Ferrand), kam zweimal nach Rom. Paulinus, Bischof

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2.509 Deschner Bd. 3, 327Römische Raritäten

von Nola, wanderte jährlich dorthin. Dabei hatte Nolaselbst einen berühmten Wallfahrtskult um das Grabseines (von Paulinus in 14 Gedichten besungenen)Schutzpatrons, des hl. Felix, entwickelt128.

Aber nicht nur Bischöfe und Heilige pilgerten indie Ewige Stadt, auch Fürsten, Könige, Kaiser. Theo-dosisus I. vielleicht. Sicher seine Tochter Galla Placi-dia und ihr Sohn Valentinian III. Auf den BritischenInseln legten Ceadwalla, Ina u.a. ihre Kronen niederund reisten nach Rom. Man schuf sogar im eigenenLand Peterskirchen, damit alle, wie 656 in der Grün-dungsurkunde für die Kathedrale von Peterboroughsteht, hier St. Peter aufsuchen, die nicht nach Romgehen können129.

Wahre Wallfahrtsmassen zog das gemeinsame Festvon Peter und Paul an, wobei es dann, wie wir vonAugustin wissen, recht locker zuging, man offenbartäglich in der Petersbasilika Mahle und Trinkgelageveranstaltet hat. Doch bot die »corona sanctorummartyrum« neben den Apostelfürsten noch eine Füllevon Attraktivitäten an Märtyrern und Heiligen130.

Sehr aufwendig wurde auch das Jahresgedächtnisdes hl. Hippolyt (13. August) begangen – groteskgenug, erinnert man sich, mit wieviel Geifer, Gift undGalle dieser römische Bischof einst einen anderen rö-mischen Bischof, den hl. Kallist, bekämpft hatte (II94 ff). Bereits im 4./5. Jahrhundert aber zogen an

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2.510 Deschner Bd. 3, 328Römische Raritäten

Hippolyts Fest die Prozessionen aus allen Richtungenheran, Patrizier und Plebejer Roms, Picener, Etrusker,Samniter, Fromme aus Capua, Nola. Und ähnlich wieHippolyt feierte man auch andere römische Heilige.Etwa, kurioserweise, seinen Gegner Papst Kallist, fer-ner Pontianus, Pankratius, Agnes, Sebastian oderLaurentius, der am bekanntesten wurde131.

Dabei pilgerten um so mehr Christen nach Rom,als man dort, wenngleich wohl etwas später als imOsten, mehr mit Märtyrergräbern renommierte dennirgendwo auf der Welt; und man pflegte da »alle Stät-ten der Märtyrer aufzusuchen«. Häufig waren Hinwei-se: Hier ruht der Leib des Märtyrers (ubi martyr incorpore requiescit). So heißt es zum Beispiel von derhl. Thekla, obschon es kaum eine solche römischeHeilige gab. Man war recht großzügig in dieser Hin-sicht. Denn »daß so manche Märtyrer ›gemacht‹ wur-den, ist selbstverständlich« (Kötting). Einer, der be-sonders »viele Leiber der Heiligen« aufgespürt undmit grauenvoll unbegabten, immer wieder auch vonVergil entlehnten Wendungen verherrlicht hat (II 121f), war der Mörderpapst Damasus. Und gerade seineErgüsse bildeten »die Grundlage der wichtigen Ein-richtung von Wallfahrten zu den Märtyrergräbern«(Katholik Clévenot)132.

Im 6. Jahrhundert besuchten die Pilger in Rommehr als ein ganzes Schock wirklicher oder angebli-

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2.511 Deschner Bd. 3, 328Römische Raritäten

cher Märtyrergräber. Wir wissen dies aus einem Kata-log, der angefertigt wurde, als die Langobardenköni-gin Theodelinde, eine katholische bayerische Prinzes-sin, von Papst Gregor I. Reliquien erbat. Ihr Abge-sandter erhielt Ampullen, Metallfläschchen aus Palä-stina, mit Öl aus den Lampen vor den Märtyrergrä-bern. Alle Fläschchen (ursprünglich für. hl. Erde undhl. Öl aus dem »Heiligen Land« bestimmt, zum Bei-spiel für »öl vom Holze des Lebens«) wurden etiket-tiert und in einem eigenen Katalog 65 Märtyrergrab-stätten genannt, von denen man jeweils einige Trop-fen des kostbaren Öls genommen hatte. Doch warenlängst nicht alle damals verehrten römischen Blutzeu-gengräber berücksichtigt worden133.

Wie aber über St. Peter, St. Paul, erhoben sich übervielen Märtyrern und Heiligen prächtige und nicht nurbuchstäblich steinreiche Kirchen: die Erlöserkirche imLateran, die Basilika zu Ehren des hl. Kreuzes imSessorianischen Palast, St. Sebastian, St. Laurentius,St. Agnes, die gewaltige Marienkirche auf dem Esqui-lin, die Basilika der Märtyrer Johannes und Paulusauf dem Caelius u.a. Auch »fremde« Heilige erhieltenschließlich Kirchen, St. Stephanus etwa, vor allem je-doch die Wundertäter Kosmas und Damian (S. 323ff), denen schon Papst Symmachus ein Oratorium beiS. Maria ad praesepe erbaute und bald darauf FelixIV. (526–530) eine Basilika am Forum Romanum

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2.512 Deschner Bd. 3, 329Römische Raritäten

weihte, die auf zwei alten Heidentempeln ruhte. VielePilger stifteten hier Votivgaben. Und nicht wenigeBasiliken warteten schon damals mit den tollsten Ra-ritäten auf. So S. Maria mit der Krippe Jesu, St. Peterin Vinculis mit den hier stark verehrten Ketten Petri.Es gab Feilstaub davon und Nachbildungen desSchlüssels zum angeblichen Grab des »Schlüsselhal-ters«. Sie wurden von den Frommen mitgenommen,von den Päpsten aber auch versandt, auch aus Edel-metall verfertigt und am Hals getragen. Ferner gabman solche Schlüssel von der Confessio Pauli und derdes Laurentius ab. Vom Rost des letzteren konnteman ebenfalls Eisenfeilstaub beziehen. Auch erhieltman Imitationen des angeblichen Kreuznagels Christi,den man in Santa Croce hütete. Selbstverständlichkonnten die Pilger in Rom mit Öl von den Lampen anden Märtyrergräbern rechnen134.

Dafür gaben sie freilich oft her, was sie hergebenkonnten, manche ihr ganzes Vermögen, und lebtendann als Kleriker der Wallfahrtskirche oder sonstigerKirchen. Andere schenkten riesige Ländereien odergelobten eine genau festgesetzte jährliche Lieferungvon Waren, von Wein etwa, Wachs. Leute, die garnichts hatten, betreuten ersatzweise die Kranken; inMenuthis verpflichteten sich die Geheilten regelmäßigdazu. Gewiß einen beträchtlichen, wenn nicht dengrößten Teil dieser Wallfahrtsorte hatten Herrscher-

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2.513 Deschner Bd. 3, 330Römische Raritäten

häuser und andere »Große« gestiftet, ohne daß sieimmer selbst dort als Pilger gewesen sind. Doch auchihre Stiftungen stammten aus dem Vermögen aller,aus der Arbeit des Volkes, waren sein Geld, ihm ab-gepreßt durch Steuern, Bedrückung, Gewalt – undalles für einen Wahn hinausgeworfen.

Und freilich auch für den Profit der Fürsten, derPriester. Konstantin I., Justinus, Belisar spendetenriesige Summen. Lange Teile des offiziellen Papstbu-ches, des Liber Pontificalis, erscheinen »wie ein Ver-zeichnis aller Geschenke und Stiftungen, welche denverschiedensten Heiligtümern Roms gemacht wurden.Sie legen Zeugnis ab, welches Prunkgerät in Gold,Edelsteinen, gestickten Seidendecken und anderenStoffen an den Verehrungsstätten der altchristlichenBlutzeugen sich sammelten ... Rom wurde im 4. Jh.die an Kirchen und an kirchlicher Pracht reichsteStadt der Christenheit« (Kötting). Um 400 gab es dortallein 25 Titelkirchen. Und der Pomp des christlichenRom war bereits so groß, daß Bischof Fulgentius vonRuspe, der um 500 hierher pilgerte, eine Parallelezum Himmelreich zog: »Wie erhaben muß erst dashimmlische Jerusalem sein, wenn das irdische Rom insolchem Glanz strahlt«135.

Sprechen wir von fernen Tagen?Erst im Jahr des Herrn 1989 strömten fast eine

Million Pilger allein zu der »Gnadenkapelle« desKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.514 Deschner Bd. 3, 330Römische Raritäten

bayerischen Wallfahrtsortes Altötting136.Der Grund aber zu dieser gigantischen Verdum-

mung der (christlichen) Welt wurde in der Antike ge-legt; in umfassender Weise, wie schon die bisherigenKapitel beweisen, doch nun spezieller belegt werdensoll.

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2.515 Deschner Bd. 3, 3314. Kapitel

4. Kapitel

Verdummung

»Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind dieWeltweisen? Hat nicht Gott die Weisheit dieserWelt zur Torheit gemacht?«

1. Kor. 1,20

»Mit dem Geschwätz bei euch haben dieSchulmeister begonnen und da ihr die Wissen-schaft einteiltet, habt ihr euch von der wahrenWissenschaft abgeschnitten«.

Tatian1

»Nach Jesus Christus bedürfen wir des For-schens nicht mehr. Wenn wir glauben, verlan-gen wir über den Glauben hinaus weiternichts ...«

Tertullian2

»Wenn du Geschichtsberichte lesen willst, dannhast du das Buch der Könige, wenn aber Weiseund Philosophen, dann hast du die Propheten ...Und wenn du Hymnen begehrst, so hast du diePsalmen Davids«.»Apostolische Kirchenordnung« (3. Jahrhundert)3

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2.516 Deschner Bd. 3, 3314. Kapitel

»Religion ist darum das Kernstück des ganzenErziehungsprozesses und muß alle Erziehungs-maßnahmen durchdringen«.

Lexikon des katholischen Lebens (1952)4

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2.517 Deschner Bd. 3, 333Der Ruin der antiken Bildung

Der Ruin der antiken Bildung

»Das klassische Ideal der griechischen Erzie-hung hatte auf einer tiefen Gesamtauffassungvom Menschen, seinem tiefen Wert und seinemZiel geruht«. »Aber wir hören nichts von derGründung christlicher Elementar-, geschweigedenn christlicher Grammatikerschulen«.

Hans von Schubert5

»Die gesamte Erziehung wird der Christianisie-rung eingeordnet«.

Ballauff6

»Für den gesamten Bildungsstand der antikenWelt im 5. Jahrhundert bleibt es charakteri-stisch, daß es ein wissenschaftliches Forschenmit dem klaren Ziel, einen bestimmten Fort-schritt zu erreichen, nicht mehr gab«.

J. Vogt7

»Aber diese Verachtung von Vernunft und Wis-senschaft, die jetzt zur Herrschaft kam, sie führ-te immer weiter weg von der Kultur der altenWelt. Sie führte in Aberglauben und Unbildung,und am Ende des Weges drohte der Rückfall indie Barbarei«.

Heinrich Dannenbauer8

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2.518 Deschner Bd. 3, 334Erziehung bei Griechen, Römern und Juden

Erziehung bei Griechen, Römern und Juden

In hellenistischer Zeit hatten Erziehung und Bildungunter griechischem Einfluß einen hohen Stand er-reicht. Die Griechen, in deren Schulen die Jugend jeneAutoren, die dichterische Größe mit pädagogischerNützlichkeit verbanden, schon seit dem 5. vorchristli-chen Jahrhundert kennenlernten, haben den Begriffder Bildung sowohl freier wie systematischer Betäti-gung des Geistes in die Geschichte eingeführt und fürEuropa entscheidend geprägt. Noch vor der Schaffungständiger Lehrinstitute wurden die Sophisten, die»Weisheitslehrer« des 5. und 4. Jahrhunderts, die Trä-ger der antiken Aufklärung. Sie erstrebten eine viel-seitige Erziehung, ein möglichst reiches, verschieden-artiges, doch geordnetes Wissen, das der Lebensbe-hauptung, besonders der politischen »Tüchtigkeit«(aretē), dienen sollte, wodurch sie die Pädagogik re-volutionierten9.

Sokrates, der sich kritisch mit den Sophisten, be-sonders mit deren Subjektivismus auseinandersetzteund die »sokratische Methode« des fortgesetzten Fra-gens lehrte, suchte die Menschen durch seine geistigeHebammenkunst (Mäeutik) zu selbständigem Denkenund eigener ethischen Entscheidung zu führen. Er ent-larvte bloße Spekulationen, Scheinwissen, die soge-

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2.519 Deschner Bd. 3, 335Erziehung bei Griechen, Römern und Juden

nannten objektiven Ordnungen, Sitte, Staat, Religion,und gründete das Sittliche erstmalig nicht mehr aufsie, sondern auf die Mündigkeit des einzelnen, die ei-gene Selbstgewißheit, das »Daimonion«, was zumTodesurteil gegen ihn führte10.

Stark auf die antike Erziehung wirkte Isokrates, derAntipode Platons. Und auch Isokrates suchte die Be-währung des Menschen im praktischen, politischenLeben zu fördern, suchte eine ausgedehnte Belesen-heit mit syntaktischem Schliff und mathematisch ge-schulter Klarheit des Denkens zu verbinden und hatmit seinem Erziehungs-, seinem Bildungsbegriff diePädagogik, die geistige Betätigung über das Altertumhinaus mitgeprägt11.

Die Kinder werden in hellenistischer Zeit im allge-meinen bis zum siebten Jahr von der Mutter odereiner Kinderfrau betreut, dann einem langen schulmä-ßigen Unterricht zugeführt. Er besteht aus Lesen,Schreiben, Rechnen, der Einführung in die klassi-schen Schriftsteller, umfaßt aber stets auch Gesang,Musik, dazu gymnastische, militärische Übungen,und endet mit der rhetorischen Ausbildung, der uner-läßlichen Schulung im Sprechen und Denken. DiePhilosophie kam hinzu, oft als Gegensatz. Ein eigent-liches Fachstudium – außer Medizin, später auchRechtswesen – gab es nicht. Selten war Unterricht fürMädchen. Auf sittliche Werte wurde zwar beständig

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2.520 Deschner Bd. 3, 335Erziehung bei Griechen, Römern und Juden

hingewiesen, wie überhaupt der ganze Mensch, seinekörperliche und geistige Kraft, sein ethisches und äs-thetisches Empfinden, zu einer möglichst vollkomme-nen Persönlichkeit geformt werden sollte, doch eine»eigentliche religiöse Unterweisung fehlte« (Blomen-kamp)12.

Das römische Kind stand in Altrom zunächst unterder Obhut der hochgeachteten Mutter, dann erzog derVater den Knaben. Mit etwa sechzehn Jahren bekamdieser eine gewisse allgemeine politische Ausbildung(tirocinium fori). Entsprechend seiner künftigen Ver-wendung im Staatsdienst, galt seine Erziehung ganzdem praktischen Leben, war seine körperliche Ertüch-tigung vormilitärischer Art und seine geistige auf kon-kret verwertbare Kenntnisse, etwa des Rechts, be-schränkt. Unter griechischem Einfluß glichen die la-teinischen Schulen strukturell, stofflich, methodischdann immer mehr den hellenistischen. Durch die Um-schichtung der gesellschaftlichen Verhältnisse ver-breiteten sich, von den Kaisern gefördert, im spätrö-mischen Imperium Elementarschulen beinah im gan-zen Reich, Grammatikerschulen in allen halbwegs be-deutenden Städten, wobei offenbar auch Mädchen dieElementar- und, die Mädchen der oberen Schicht, dieGrammatikerschulen besuchten. Der Stoiker Muso-nius (ca. 30–108) forderte, wie schon einige seinerBuchtitel zeigen (»Daß auch die Frauen philosophie-

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2.521 Deschner Bd. 3, 336Erziehung bei Griechen, Römern und Juden

ren sollen«, »Ob man die Töchter gleich erziehen sollwie die Söhne«) für Mädchen eine ähnliche Schulungwie für Knaben, bewertete überhaupt Mann und Fraugleich13.

Insgesamt sollte das griechisch-römische Unter-richtswesen alle menschlichen Kräfte entwickeln. DieKaiser haben die Ausbreitung höherer Schulen begün-stigt. Das Bildungsprogramm war so umfassend wiemöglich, Bildung geradezu eine Großmacht in derSpätantike. Sie erfreute sich in der ganzen sogenann-ten guten Gesellschaft rings um das Mittelmeer fastreligiöser Verehrung, war eng mit dem Heidentumverknüpft, doch ausgesprochen diesseitsgerichtet,nicht von einer Gottheit, die zwar einbezogen wird,bestimmt, sondern vom Menschen14.

Ein ganz anderes pädagogisches Ideal hatte das Ju-dentum, das die Erziehung eng mit der Religion ver-band.

Im Alten Testament tritt Gott selbst immer wiederals Vater und Erzieher auf, und selten erzieht er ohneZüchtigung (vgl. I 73 ff). Wie denn das hebräischeAlte Testament den Begriff des Erziehens gewöhnlichmit »jisser« oder dem Substantiv »musar« wiedergibt,was zunächst Züchtigung heißt, dann auch Zucht, Bil-dung bedeuten kann. Die Züchtigung dient der Erzie-hung und Erziehung läuft häufig – ein Zeichen derVaterliebe – auf Züchtigung hinaus. Der Mensch ist

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2.522 Deschner Bd. 3, 337Erziehung bei Griechen, Römern und Juden

in Sünden empfangen, in Schuld geboren und bösevon Jugend auf; »wer die Rute schont, haßt seinenSohn«; züchtigen soll man ihn, nicht auf sein Gejam-mer hören; Schläge und Zucht zeugen immer vonWeisheit15.

Demgemäß gehörten auch im rabbinischen Juden-tum Erziehung und Religion eng zusammen, war Gottauch hier Erzieher und Züchtiger. Schon mit fünf Jah-ren soll man nach Aboth 5,24 dem Studium derSchrift, mit zehn der Mischna, mit fünfzehn dem Tal-mud zugeführt werden. (Auf Unterweisung der Mäd-chen legte man kaum Wert; sie durften keine öffentli-chen Schulen besuchen und heirateten in der talmu-dischen Epoche gewöhnlich mit knapp dreizehn Jah-ren.) Ein eigentlicher Schulzwang bestand nicht.Doch waren die Schulen häufig mit den Synagogenverbunden und die hl. Texte Grundlagen des ganzenUnterrichts; schon Lesen lernte man anhand derBibel. (Auch nach dem Erziehungsprogramm des Kir-chenlehrers Hieronymus soll man lesen lernen an denNamen der Apostel, der Propheten und am Stamm-baum Christi, vgl. S. 295.) Weltliche Wissenschaftwar nicht gefragt. Als Vermittler göttlichen Wissensgalt der Lehrer aber mehr als bei Griechen und Rö-mern. Die Ehrfurcht vor ihm sollte der vor dem Him-mel gleichen16!

Vieles an dieser jüdischen Erziehung erinnert anKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.523 Deschner Bd. 3, 337Erziehung bei Griechen, Römern und Juden

die frühchristliche, die jedoch auch von der hellenisti-schen geprägt wird.

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2.524 Deschner Bd. 3, 337Das Christentum lehrt - seit Jesus -, alles zu ...

Das Christentum lehrt – seit Jesus –, alles zuhassen, was nicht Gott dient

Das Evangelium war ursprünglich eine apokalypti-sche, eine eschatologische Botschaft, eine Predigtvom nah bevorstehenden Ende der Welt (S. 71 f).Jesus und seine Jünger sind davon felsenfest über-zeugt, deshalb pädagogische Probleme für sie nichtrelevant; sie sind gänzlich desinteressiert an Bildungund Kultur. Sie kümmern sich um Wissenschaft undPhilosophie so wenig wie um Kunst. Immerhin dreiJahrhunderte lang wird es überhaupt keine christlicheKunst geben. Kirchenrechtliche Verfügungen noch inspäterer Zeit stellen Künstler in der Kirche mit Schau-spielern (vgl. S. 355 ff), Bordellwirten und ähnlichenTypen auf eine Stufe. Bald wird die biblische »Fi-schersprache« (anscheinend besonders die der lateini-schen Bibeln) durch alle Jahrhunderte verhöhnt, vonden Christen freilich ostentativ verteidigt – obwohlselbst und gerade Hieronymus und Augustin nicht nureinmal gestanden, wie sehr sie der fremde, unbehol-fene und oft falsche Stil der Bibel abgeschreckt habe.Augustin erschien sie überdies wie ein Ammenmär-chen! (Im 4. Jahrhundert formte man biblische Stoffegelegentlich in vergilsche Hexameter um, ohne daß essie erträglicher machte.) »Homines sine litteris etKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.525 Deschner Bd. 3, 338Das Christentum lehrt - seit Jesus -, alles zu ...

idiotae« nennen in der lateinischen Übertragung diejüdischen Priester die Apostel Jesu17.

Da aber das Gottesreich auf Erden ausblieb, setztedie Kirche an seine Stelle das Himmelreich, und dieGläubigen sollten ganz auf dieses hin leben, das heißtganz im Sinne der Kirche, das heißt ganz zum Nutzender Kirche, das heißt ganz für die Interessen deshohen Klerus. Denn wann und wo immer dieser Kle-rus Kirche sagt, Christus, Gott, Ewigkeit, da dient dasihm und nur ihm allein. Während er das Seelenheildes Gläubigen vorgibt, denkt er an sein eignes Heil.Und hat er dies in der Frühzeit vielleicht auch nichtimmer identifiziert, er wußte doch, all das nützt ihm.

Im Christentum war die Entwicklung geistigerKräfte kein Selbstzweck, wie in der Pädagogik derhellenistischen Welt, sondern nur ein Mittel zur reli-giösen Erziehung, zur angeblichen Verähnlichung mitGott. Zwar mußte natürlich auch die christliche Erzie-hung auf das Berufsleben, die Erwerbstätigkeit vorbe-reiten, doch entscheidend war das Endziel, die Vorbe-reitung aufs Jenseits. Erst von daher bekam die übrigeErziehung überhaupt Bedeutung. Alle vom Christen-tum besonders propagierten Tugenden, wie Demut,Glaube, Hoffnung, Liebe, doch auch alle von dernichtchristlichen Ethik so großzügig übernommenenWerte wurden viel weniger um ihrer selbst willen ge-schätzt, als wegen ihrer Hinführung zum letzten Ziel.

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2.526 Deschner Bd. 3, 339Das Christentum lehrt - seit Jesus -, alles zu ...

Christus, Gott, die ewige Seligkeit, der Glaube, daßder Christ im Jenseits »unaufhörliche Wonne empfin-det« (Athenagoras), bildeten das Zentrum dieser gan-zen Dressur18.

Schon im Neuen Testament geht es nicht um diemenschliche Pädagogik, die bloß gestreift wird, son-dern um die Heilspädagogik Gottes, wozu es, Ansatz-punkte in der Stoa beiseite, in der griechisch-römi-schen Umwelt kaum eine Parallele gibt. Vielmehrsind die kyrio- oder christozentrischen Erziehungsge-danken der Bibel und die anthropozentrische Paideiader Hellenen von vornherein Gegensätze. Auch trittim Neuen Testament, wie schon im Alten, das Züchti-gungsdenken stärker hervor. »Wir leben als die Ge-züchtigten und doch nicht zu Tode gepeinigt«,schreibt Paulus. Und der auf seinen Namen gefälschte1. Brief an Timotheus spricht von zwei »Ketzern«,Hymenäus und Alexander, »die ich dem Satan über-geben habe, damit sie durch seine Züchtigung das Lä-stern verlernen«. »Denn auch unser Gott«, wie es hin-sichtlich 5. Mos. 4,24 im Hebräerbrief heißt, »ist einverzehrendes Feuer«. (Sieben Verse weiter liest manbei Moses: »Denn der HERR, dein Gott, ist ein barm-herziger Gott« – wie man's braucht.)19

Die Kirchenväter führen diese biblische Tendenzfort. Bei Irenäus, dem Schöpfer einer ersten eigentli-chen Erziehungstheologie, bei Clemens Alexandrinus,

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2.527 Deschner Bd. 3, 339Das Christentum lehrt - seit Jesus -, alles zu ...

Origenes, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssawird der Gedanke einer göttlichen Paidagogia häufigerörtert, wird Gott zum eigentlichen Erzieher. Ergomuß auch alle Erziehung in erster und letzter Liniewieder Gott gelten, muß er ihre Aufgabe sein. So lehrtOrigenes, »daß wir alles Sinnliche und Zeitliche undSichtbare gering achten und alles tun müssen, um ...zum Leben mit Gott und mit den Freunden Gottes zukommen«. So fordert Johannes Chrysostomos von denEltern, »Kämpfer für Christus« zu erziehen und ver-langt das frühzeitige und dauernde Lesen der Bibel.So schreibt Hieronymus, der einmal ein Kind kleineRekrutin Gottes und Streiterin Christi nennt: »Wirwollen uns nicht zwischen Christus und der Weltgleichmäßig aufteilen. Statt der kurzen und hinfälli-gen Güter soll uns vielmehr ewiges Glück zuteil wer-den«. Und sein wichtigster pädagogischer Gesichts-punkt: »Lasset uns die Dinge auf Erden kennen, derenKenntnis für uns im Himmel fortdauert«. Die »gesam-te Erziehung wird der Christianisierung eingeordnet«(Ballauff). Auch Kirchenlehrer Basilius hält »nichtfür ein wirkliches Gut, was nur weltliche Freude ein-bringt«. Nur was »die Erlangung eines anderen Le-bens« fördere, »das muß man unseres Erachtens lie-ben und mit aller Kraft anstreben, alles aber, wasnicht auf jenes Leben abzielt, als wertlos außer Be-tracht lassen«20.

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2.528 Deschner Bd. 3, 340Das Christentum lehrt - seit Jesus -, alles zu ...

Solche Erziehungsgrundsätze, die »alles«, wasnicht einem vermeintlichen Leben nach dem Tod gilt,einem Wahn – und wenn es kein Wahn wäre! –, als»wertlos« erklären, sind sogar biblisch, sogar durchJesus selbst begründet: »So jemand zu mir kommtund hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder,Brüder, Schwestern, und auch dazu sein eigen Leben,der kann nicht mein Jünger sein«! Man erwäge dasUnheil, das seit zweitausend Jahren allein dies Wortbewirkt hat – es ist unausdenkbar grauenvoll.

Wie im Alten, im Neuen Testament, so spielt auchbei den Kirchenvätern der Gedanke der Züchtigungimmer wieder eine wichtige Rolle, und er wird sie inder christlichen Erziehung durch zweitausend Jahrespielen – mit den bekannten Folgen.

Clemens Alexandrinus betont unermüdlich die päd-agogische Bedeutung der Strafe: ein Erziehungswerkdes lieben Gottes, das noch im Jenseits fortgesetztwird; wobei Clemens eine förmliche Stufenleiter gött-licher Zurechtweisungen entwirft, beginnend beim gü-tigen Zuspruch und endend beim Feuer. Auch für Ori-genes ist die Strafe stets ein Erziehungsmittel, eineWohltat geradezu. Der Sünder verdankt sie der GüteGottes, der derart den Menschen heilen will. Auch fürKirchenlehrer Johannes Chrysostomos sind GottesStrafen und Gerichte nichts weiter als Arzneien.»Merket auf: ich will euch echte Weisheit lehren!

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2.529 Deschner Bd. 3, 340Das Christentum lehrt - seit Jesus -, alles zu ...

Warum beklagen wir die Gezüchtigten, aber nicht dieSünder? ... Denn was die Arzneien, was das Schnei-den und Brennen von Seiten des Arztes, das sind dieZüchtigungen von Seiten Gottes«21.

Kirchenlehrer Augustinus, ein versierter Zyniker,um nicht zu sagen Sadist (vgl. I 480 ff, bes. 483 ff),empfindet auch den Tod von Kindern für die Elternnur als nützlich, als heilsame Züchtigung. »Warumsoll das nicht geschehen?« fragt der gute Hirte. »Ein-mal vorüber, trifft es die Kinder nicht mehr, den El-tern aber kann es nur nützen, wenn sie durch zeitlicheNiederlagen verbessert werden und sich entschließen,richtiger zu leben«. Etwas erinnert dies an die augu-stinische Rechtfertigung des Krieges: »Es ist ja, dasweiß ich, noch niemand gestorben, der nicht irgend-wann einmal hätte sterben müssen«. Oder: »Was hatman denn gegen den Krieg? Etwa daß Menschen, diedoch einmal sterben müssen, dabei umkommen?«(Vgl. I 514 ff, bes. 522 ff) »In den Schriften überKindererziehung«, schreibt P. Blomenkamp mit be-sonderem Bezug auf die Kirchenlehrer Hieronymus,Johannes Chrysostomos und Augustinus, »wird diegöttliche Erziehung den Eltern als Vorbild vor Augengestellt«22.

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2.530 Deschner Bd. 3, 341Das Christentum suchte die Kinder zu ...

Das Christentum suchte von Anfang an – undsucht noch heute –, die Kinder durch die Eltern

zu beherrschen

Schon das Neue Testament lehrt: »Ihr Kinder, seideuren Eltern in allen Stücken gehorsam, denn das istwohlgefällig im Herrn«. Und die Väter müssen ihreKinder erziehen »in der Zucht und Vermahnung desHerrn«! Tausend und Abertausende von Schriften die-nen bis heute diesem Thema, rücken ganz in den Mit-telpunkt der elterlichen Erziehung das Seelenheil desKindes, das heißt das Interesse der Kirche, das heißtdes Klerus (S. 337 f). Ihm ist alles andere unterzu-ordnen. Und demgemäß muß auch das eigene Lebender Eltern beispielhaft sein, müssen sie den Umgangihrer Kinder sorgfältig überwachen, unter strengenKriterien ein geeignetes Dienstpersonal wählen; denndiese Überwachung ist perfekt, total! Verstoßen El-tern aber gegen die klerikale Selbstsucht, drohenihnen die schwersten Strafen, sind sie, die ihre Kinderja ins Höllenfeuer schicken, schlimmer als Kindsmör-der23.

Die entscheidende Aufgabe erhält der Vater, dieoberste Instanz in der Familie. Nach Augustinus soller zu Hause ein kirchliches, ja, gleichsam bischöfli-ches Amt einnehmen. Und Johannes ChrysostomosKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.531 Deschner Bd. 3, 342Das Christentum suchte die Kinder zu ...

apostrophiert den pater familias: »Du bist der Lehrerdes ganzen Hauses; deine Frau und deine Kinderschickt Gott zu dir in die Schule«. Die Frau muß demMann ja schon nach der »Heiligen Schrift« Untertansein »in allen Dingen«! Sie darf ihn nicht bevormun-den, nicht beherrschen, darf keine Lehrvorträge haltenund hat auch in der Kirche zu schweigen. »Sie soll instiller Zurückhaltung verbleiben. Denn Adam ist zu-erst geschaffen worden, danach erst Eva; auch hatnicht Adam sich verführen lassen, sondern dieFrau ...«24

Unentwegt wird die Frau schon in der alten Kircheherabgesetzt; wird sie zur »Einfallspforte des Teu-fels« (Tertullian); wird ihr die Ebenbildlichkeit Gottesabgesprochen – »mulier non est facta ad imaginemDei« (Augustinus); behauptet ein »apokryphes« Pe-truswort: »Die Frauen sind des Lebens nicht würdig«;ja, brilliert 585 auf der Synode von Mâcon ein Bi-schof mit der Erklärung, Weiber seien keine Men-schen (mulierem hominem vocitari non posse). Dasalles führt auf den Scheiterhaufen25.

Die Frau kann allerdings »dadurch gerettet werden,daß sie Kindern das Leben gibt«, vorausgesetzt frei-lich, sie verharrt in Glaube, Liebe und Heiligung.Von Anfang an erscheint die Frau gerechtfertigt alsGebärmaschine – und dies ist noch bei Luther (undlang darüber hinaus) so, der mit dem typischen Pfaf-

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2.532 Deschner Bd. 3, 342Das Christentum suchte die Kinder zu ...

fenzynismus lehrt: »Gib das Kind her und tue dazumit aller Macht; stirbst du darüber, so fahre hin, wohldir, denn du stirbst eigentlich im edlen Werk und Ge-horsam Gottes«. Oder: »Ob sie sich aber auch müdeund zuletzt todt tragen, das schadet nichts, laß sie nurtodt tragen, sie sind darum da«26.

So gilt Kinderlosigkeit als schreckliche Entbeh-rung, wird Abtreibung aufs schärfste verdammt. Preistman allerdings, wie so oft, gerade die Jungfräulichkeitan oder rät von einer zweiten Ehe ab, dann beklagtman die beschwerliche Last der Kindererziehung! Dieübliche Doppelzüngigkeit. Und Doppelzüngigkeit jaauch insofern, als die Kinder einerseits nach Gott denEltern den größten Gehorsam, die tiefste Ehrfurchtschulden. Andererseits aber dies ganz und gar nichtmehr gilt, sobald daraus der Kirche Nachteile erwach-sen! Dann muß alles deren Forderungen, stets als dieGottes deklariert, untergeordnet werden, und zwarselbstverständlich auch, wenn dadurch die KinderNachteile haben. Sobald also Kinder zum Dienst derKirche drängen – in der Regel, weil sie die Kirchedazu drängt –, sobald sie Priester, Mönche, Nonnenwerden wollen oder sollen, doch die Eltern widerspre-chen, zählen deren Wunsch und Wille plötzlich über-haupt nicht mehr, sind die Eltern mit jeder nur denk-baren Rücksichtslosigkeit zu mißachten (s. I 152ff)27.

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2.533 Deschner Bd. 3, 342Das Christentum suchte die Kinder zu ...

Angesichts solcher Erziehungsmaximen, die imGrunde – oft expressis verbis! – die Welt zu verach-ten, zu hassen und nur die »Heilspädagogik«, dieHinführung auf Christus als wirklich notwendig leh-ren, muß die antike Philosophie, Wissenschaft,Kunst, muß die ganze griechisch-römische Kultur vonvornherein suspekt, wenn nicht gar als Ausgeburt desTeufels erscheinen.

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2.534 Deschner Bd. 3, 343Das älteste Christentum ist bildungsfeindlich

Das älteste Christentum ist bildungsfeindlich

Diese Haltung ließ und läßt sich auch durchaus bi-blisch begründen. Jesus selbst hatte das Ideal desWeisen ausdrücklich entthront. Auch sonst warnt dasNeue Testament vor der Weisheit der Welt, der Philo-sophie: 1. Kor. 1,19 ff, 3,19, Kol. 2,8, behauptet es,in Christus liegen »alle Schätze der Weisheit und derErkenntnis« (Kol. 2,3). Und wurde das Evangelium,das den Weisen und Klugen nicht verkündet wordenwar, dann vor allem auch durch Justin, Clemens Ale-xandrinus, Origenes sozusagen philosophisch umfas-send versetzt, durch außerchristliches Gedankengutrationalisiert und intellektualisiert, um die Gebildetenzu gewinnen (S. 364 ff), so waren doch im Christen-tum die Gegner der Philosophie – darunter Ignatius,Polykarp, Tatian, Theophilus, Hermas – bis ins 3.Jahrhundert zahlreicher als ihre Befürworter und dietheologischen Attacken gegen die »Faseleien törichterPhilosophen«, ihre »lügenhafte Flunkerei«, ihren»Unsinn und Wahnwitz« außerordentlich häufig28.

Man berief sich dabei gern auf Paulus, gegen denangeblich Stoiker und Epikuräer in Athen aufgetretenwaren; der wiederholt gewarnt hatte vor der falschenPredigt gewisser Irrlehrer, welche die heidnische Phi-losophie mit dem Christentum zu verbinden suchten,

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2.535 Deschner Bd. 3, 344Das älteste Christentum ist bildungsfeindlich

der lehrte: »Es steht ja doch geschrieben (Hiob 5,13):›Er (d.h. Gott) fängt die Weisen in ihrer Schlauheit‹;und an einer andern Stelle (Ps. 94,11): ›Der Herrkennt die Gedanken der Weisen, daß sie nichtigsind‹«. »Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind dieWeltweisen? Hat nicht Gott die Weisheit dieser Weltzur Torheit gemacht?« Habe es Gott doch gefallen,»durch Torheit der Predigt die zu retten, welche Glau-ben haben«. Oder: »Sehet zu, daß euch niemand täu-sche durch die Philosophie und durch leeren Trugnach der Überlieferung der Menschen«29.

Diese durch den synoptischen Jesus, durch Paulusfundierte altchristliche Bildungsfeindschaft hing wei-ter mit verschiedenen Faktoren religiöser, religionspo-litischer und sozioökonomischer Art zusammen.

Einmal war der wenn auch stets schwächer fortwir-kende urchristliche Endzeitglaube mit Kultur, mit derbestehenden Welt überhaupt nicht vereinbar. Wer denHereinbruch des Endes erwartet, wer nicht von dieserWelt ist, kümmert sich nicht um Philosophie, Wissen-schaft, Literatur. Nirgends propagiert sie Jesus, nir-gends erwähnt er sie. Ist doch für ihn nur eines not.Als man darum den prachtstrotzenden JerusalemerTempel rühmt, meint er bloß, es werde davon keinStein auf dem andern bleiben – wohl seine einzigeStellungnahme zum Phänomen der Kunst, die auch inseiner Umwelt kaum eine Rolle spielte, gelähmt durch

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2.536 Deschner Bd. 3, 344Das älteste Christentum ist bildungsfeindlich

das mosaische Verbot: »Du sollst dir kein Bildnisnoch irgendein Gleichnis machen ...«30

Weiter resultiert die Bildungsfeindschaft der frühenChristenheit aus der engen Verflochtenheit der gesam-ten antiken Geisteswelt mit der heidnischen Religion,der das Christentum, wie jeder anderen Religion, auf-grund seines hybriden Absolutheitsanspruches, seiner(alttestamentlichen) Exklusivität, Intoleranz, fremd,feindlich gegenüberstand. In unerhörter Arroganznannten sich die Christen den »goldenen Teil«, »Isra-el Gottes«, »Auserwähltes Geschlecht«, »HeiligesVolk« und tertium genus hominum, während sie dieHeiden gottlos schimpften, voller Neid, Lüge, Haß,Mordlust und ihre ganze Welt reif erklärten für dieVernichtung »in Blut und Feuer«31.

Weiter hat die altchristliche Bildungsfeindschaftmit der Zusammensetzung der Gemeinden zu tun, diesich fast ausschließlich aus den untersten Bevölke-rungsklassen rekrutierten. Selbst auf katholischerSeite sieht man es durch zahlreiche Zeugnisse erwie-sen, »daß in den ersten Jahrhunderten (!) im Morgen-wie im Abendlande die Christen größtenteils den un-teren Volksschichten angehörten und nur selten imBesitze höherer Bildung waren« (Bardenhewer). Esist gewiß kein Zufall, daß sich Clemens von Alexan-drien gegen Gläubige wehren muß, die behaupten, diePhilosophie sei vom Teufel, daß die antiken Christen

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2.537 Deschner Bd. 3, 345Das älteste Christentum ist bildungsfeindlich

so oft den Vorwurf zu hören bekommen, »die Dum-men« (stulti) zu sein. Selbst Tertullian bekennt rund-heraus die »idiotae« seien im Christentum immer inder Majorität. Die Bildungsfeindschaft der neuen Re-ligion zählt zu den Hauptvorwürfen der heidnischenPolemiker. Die Apologie »Ad paganos« weist die Be-zeichnung »stulti« für Christen ca. 30mal zurück32.

Celsus, der große Christengegner im späteren 2.Jahrhundert (I 207 ff), trifft wohl, wie so oft, auchhier das Wesentliche, wenn er die neue Lehre für»einfältig« erklärt und schreibt, die Christen »ergrif-fen vor den Gebildeten eiligst die Flucht, da diese fürBetrug nicht zugänglich wären, suchten aber die Un-gebildeteren zu verlocken« – das ist Situation undVerhalten christlicher Sekten doch noch heute! »Sol-che Grundsätze vertreten sie«, führt Celsus aus: »Fernbleibe uns jeder gebildete Mensch, kein Weiser undkein Vernünftiger nähere sich uns; das sind nämlichschlechte Empfehlungen in unseren Augen. Wennaber einer unwissend, unverständig, ungebildet undeinfältig ist, der trete uns mutig bei! Indem sie solcheLeute als ihres Gottes würdig bekennen, machen siedeutlich, daß sie nur die Unmündigen, Niedrigen undUnverständigen sowie Sklaven, arme Weiber undKinder überreden wollen und können«33.

Noch mehr als die weltliche Kirche verachteten dieantiken Mönche die Wissenschaft, fürchteten sie

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2.538 Deschner Bd. 3, 345Das älteste Christentum ist bildungsfeindlich

diese, durchaus zu Recht, als Widersacher des Glau-bens und förderten, ebenfalls konsequent, die Unwis-senheit als Vorbedingung eines tugendsamen Lebens.Nicht zuletzt damit hängt es zusammen, daß damalseiner Konversion der Gebildeten zum Christentumnichts mehr im Weg stand als das besonders von denMassen so umschwärmte Mönchtum; daß nicht nurgebildete Heiden, sondern auch Laienchristen die As-keten verabscheuten und Vornehme sich gesellschaft-lich unmöglich machten, wurden sie Mönche34.

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2.539 Deschner Bd. 3, 346Hunger, Dreck und Tränen

Hunger, Dreck und Tränen – durch vieleJahrhunderte ein großes christliches Ideal

Schon gegen Ende des 4. Jahrhunderts lebten allein inden Wüsteneien Ägyptens angeblich 24000 Asketen.Lebten? Sie glichen Tieren in Menschengestalt, siesteckten an unterirdischen Orten »wie Tote im Grab«,hausten in Laubhütten, Löchern, die außer einemSchlupfloch keine Öffnung hatten und oft »so engwaren, daß man darin nicht einmal die Beine ausstrek-ken konnte« (Palladius). Sie hockten als Troglodytenin großen Felsen, Steilwänden, Grotten, in kleinstenZellen, Käfigen, in Tierlagern, hohlen Bäumen oderposierten auf Säulen. Kurz, sie lebten wie wilde Tiere,hatte doch bereits der hl. Antonius, der erste bekanntechristliche Mönch, befohlen, »sich den Tieren gleichzu halten«; ein Gebot, das auch der vielgeprieseneBenedikt von Nursia in seine Regel aufnimmt. Undgemäß den alten Asketenparolen: »Wahres Fasten istbeständiges Hungern«, »Je üppiger der Körper destodünner die Seele und umgekehrt«, pickte man gele-gentlich aus Kamelmist ein Gerstenkorn, blieb aberauch tage- oder eine Woche lang abstinent35.

Der hl. Sisinnus, von dem Bischof Theodoret be-richtet, hauste drei Jahre in einem Grab, »ohne sich zusetzen, ohne sich hinzulegen oder auch nur einen ein-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.540 Deschner Bd. 3, 347Hunger, Dreck und Tränen

zigen Schritt zu tun«. Der hl. Maron vegetierte elfJahre in einem hohlen, innen mit riesigen Dornen ge-spickten Baum. Das sollte ihn ebenso an jeder Bewe-gung hindern wie ein kompliziertes Steingehänge umseine Stirn. Die hl. Marana und die hl. Cyra behingensolche Kettenmengen, daß sie nur gebückt gehenkonnten. »So haben sie«, versichert Theodoret, »zwei-undvierzig Jahre verbracht«. Der hl. Azepsimus, imganzen Orient berühmt, war mit so viel Eisen be-packt, daß er, verließ er seine Hütte, um zu trinken,auf allen vieren kroch. Der hl. Eusebius bewohntedrei Jahre einen ausgetrockneten Teich, schleppte ge-wöhnlich »zwanzig Pfund Eisenketten und fügteihnen die fünfzig, die der göttliche Agapitus trug, unddie achtzig, die der große Marcianus trug, nochhinzu ...«36.

»Seit ich die Wüste betrat«, gesteht der Ende des 4.Jahrhunderts gestorbene Mönch Euagrius Pontikus,»aß ich weder Lattich noch andere grüne Kräuter,weder Obst noch Trauben, noch Fleisch, und niemalsnahm ich ein Bad«. Hunger, Dreck und Tränen, daswar damals und viele Jahrhunderte lang ein großeschristliches Ideal. Ein gewisser Benofer (griech. Onu-phrius) sagt von sich: »Nun bin ich schon siebenJahre in dieser Wüste und schlafe auf den Bergennach Art der wilden Tiere. Ich esse Lolium und Blät-ter von den Bäumen. Ich habe noch nie einen Men-

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2.541 Deschner Bd. 3, 347Hunger, Dreck und Tränen

schen gesehen.« Paulus von Tamueh durchzieht dieWüste mit einer Büffelherde. »Ich lebe wie sie. Ichesse das Gras auf dem Feld«, sagt er. »Im Winter legeich mich zu den Büffeln, sie erwärmen mich mit demAtem ihres Mauls. Im Sommer stellen sie sich zusam-men und machen mir Schatten.« Immerhin eine Ver-trauen erweckende Nachbarschaft. Der hl. Sisoes übtsein Leben lang »die Liebe zur heiligen Verächtlich-keit« (Palladius). Auch die hl. Isidora, die im erstenFrauenkloster bei Tabennisi steckt, kennt nur deneinen Wunsch, »immer verachtet zu werden«. Sie ver-brachte ihr Leben, lumpenbedeckt und barfüßig, inder Klosterküche und nährte sich »von Brotkrumen,die sie mit einem Schwamm vom Boden auflas, undvom Spülwasser der Kochtöpfe«. Johannes vonÄgypten haust fünfzig Jahre in einer Hütte und nimmtwie ein Vogel nur Körner und Wasser zu sich. Johan-nes der Kleine gießt zwei Jahre lang auf Geheiß einesAlten einen dürren Stock inmitten der Wüste mitWasser, das er drei Kilometer weit von einem Brun-nen holt, und wirklich, behauptet Palladius, der Stockschlug wieder aus. Noch heute gibt es an dieser Stelleim Wadi Natrun eine Johannes dem Kleinen geweihteKirche und daneben einen – natürlich aus jenem dür-ren Stock entsprossenen – Baum, der »Chadgered elTaa« heißt, Baum des Gehorsams! Soll doch derMönch, so Johannes Klimakos im 7. Jahrhundert,

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2.542 Deschner Bd. 3, 348Hunger, Dreck und Tränen

»ein gehorsames, mit Vernunft begabtes Tier« sein,was noch ein Ordensmann des 20. Jahrhunderts (Hil-pisch) als klassische Formulierung feiert. DerWandereremit Bessarion betritt niemals einen be-wohnten Raum, läuft Tag und Nacht durch die Wüsteund flennt. Aber weder über sich noch über die Welt,sagt Palladius, der spätere Bischof von Helenopolis(Bithynien), der im ausgehenden 4. Jahrhundert alsMönch in Ägypten lebte, nein, Bessarion »weint überdie Erbsünde und über die Schuld der ersten Men-schen«37.

Einen wieder anderen Weg, die »Welt« zu meidenund das »Himmelreich« zu gewinnen, beschriften die»Weidenden« in Syrien und anderwärts. »Sie ziehenin den Wüsten umher mit den wilden Tieren, alswären sie selbst Tiere«, verherrlichte sie die »Zitherdes Heiligen Geistes«, der große Antisemit und Kir-chenlehrer Ephräm (I 131 f, 166 f, 335 f). »Sie wei-den mit den wilden Tieren wie die Hirsche.« Im 6.Jahrhundert schreibt Euagrios Scholastikos, ein stren-ger Katholik, kaiserlicher Quästor und Ehrenpräfekt,in seiner Kirchengeschichte von fast nackten Männernund Frauen, die sich damit begnügen, »wie die Tierezu weiden. Selbst in ihrer äußeren Art haben sie vielvon den Tieren, denn sobald sie einen Menschensehen, fliehen sie, und wenn man sie verfolgt, ent-kommen sie mit unglaublicher Schnelligkeit und ver-

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2.543 Deschner Bd. 3, 348Hunger, Dreck und Tränen

bergen sich an unzugänglichen Orten«. In jenem»Goldenen Zeitalter« der Weidenden erscheint esganz natürlich, ein christliches Leben auf allen vierenmit Grasfressen zu verbringen. Apa Sophronias grasteseinerzeit siebzig Jahre lang gänzlich nackt am TotenMeer. Weiden wurde geradezu ein frommer Berufoder besser: eine Berufung. Johannes Moschus, da-mals Mönch in Ägypten, Palästina, Syrien, wo überall»Boskoi«, Grasesser, vegetierten, erwähnt in seinemHauptwerk »Pratum spirituale« (Die geistlicheWiese) einen Anachoreten, der sich ihm vorstellte:»Ich bin Petrus, Weidender am heiligen Jordan.«Diese Askese dehnte sich bis Äthiopien aus, wo beiChimezana die Eremiten alles so restlos abgefressenhatten, daß für das Vieh nichts mehr übrigblieb, wes-halb die Bauern sie in ihre Grotten trieben, wo sieverhungerten38.

Nun braucht man wahrhaftig nicht alles und jedes,was uns die christlichen Chronisten hier und ander-wärts vorsetzen, für bare Münze zu nehmen. Manchedieser Heiligen haben nie gelebt. Manche solcher undanaloger Berichte sind »nur die neuen Ideen angepaß-ten alten ägyptischen Romane« (Amelineau). Und ei-niges ist sogar, bei aller Überspitztheit, ergreifend.Macarius der Jüngere beispielsweise, bei dem Palla-dius drei Jahre als Schüler zubrachte, erschlägt einesTages eine Stechfliege – und läßt sich zur Strafe von

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den anderen stechen. Er legt sich sechs Monate, ohnesich von der Stelle zu rühren, in eine Wüstenei, »woes Stechfliegen gibt so groß wie Wespen, deren Sta-chel selbst die Haut der Wildschweine durchdringt.Sie versetzten seinen Leib in einen solchen Zustand,daß, als er in seine Zelle zurückkehrte, alle glaubten,er habe den Aussatz, und den heiligen Macarius nuran seiner Stimme erkannten«.39

Wieviel oder wie wenig aber von all solchen Ge-schichten zutrifft – man ersieht daraus nur allzu deut-lich, was die Christen dieser Zeit und noch vielerJahrhunderte beeinflußt, verwirrt, was sie verdummthat, was ihnen als hohes »Ideal« gelten sollte undmußte. Denn jene Verrückten wurden ja umschwärmt,gefeiert, befragt, ihresgleichen galt als heilig (vgl. S.216 ff). Wer denkt da an Kunst, an Wissenschaft,Kultur!

Ein Teil selbst der bekanntesten ägyptischen Aske-ten sind Analphabeten, wie gleich der berühmteste,der eigentliche Stifter des christlichen Mönchtums,der als Sohn begüterter Eltern angeblich um 250 inKoma geborene Antonius. Noch im »reiferen Knaben-alter« weigert er sich, schreiben und lesen zu lernen,nicht aus Faulheit, allein aus religiösen Gründen.Denn, wie Jesuit Hertling noch im 20. Jahrhundertkommentiert: »wozu all die weltliche Bildung, wennman Christ ist? Was man fürs Leben braucht, hört

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2.545 Deschner Bd. 3, 350Hunger, Dreck und Tränen

man in der Kirche. Das genügt«40.So zieht Antonius in der libyschen Wüste von

einem Schlupfloch zum andern, lockt Anachoreten,lockt Teufel und Engel an, hat ganze Visionen vongeilen Weibern, gerät immer mehr in den Ruf der Hei-ligkeit, des (christlichen) Ideals, und wächst gegenSchluß seines langen Lebens mit all den Wundernund Gesichten förmlich in den Himmel hinein.

Den verheerendsten Einfluß hat hier die »Vita An-tonii« des alten Fälschers Athanasius ausgeübt (S.227). Um 360 auf griechisch verfaßt und bald ins La-teinische übersetzt, wurde sie ein Verkaufsschlager,ja, Vorbild der griechischen und lateinischen Hagio-graphie. Und durchaus möglich, daß diese Antonius-Fabel, wie Hertling rühmt, »eines der Schicksalsbü-cher der Menschheit« wurde. Hat doch nach HarnacksMeinung »kein Schriftwerk verdummender auf Ägyp-ten, Westasien und Europa gewirkt« als eben diesgräßliche Produkt des hl. Athanasius »des Großen«,»das vielleicht verhängnisvollste Buch, das jemals ge-schrieben worden«. Es trägt »die Hauptschuld an demEinzug der Dämonen, Mirakel und alles Spukes in derKirche« (Reallexikon für Antike und Christentum)41.

Selbst viele christliche Führer hatten keinerlei gei-stiges Niveau. Sogar der prominenteste »Ketzer«be-kämpfer der alten Kirche, Bischof Irenäus von Lyon,klagt um 190 nicht ohne Grund, »des Schreibens un-

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2.546 Deschner Bd. 3, 350Hunger, Dreck und Tränen

gewohnt zu sein«. Kirchenvater Hippolyt konstatiertbald darauf die Ignoranz von Papst Zephyrin. Wiederein Jahrhundert später sind auf der Synode von Antio-chien (324/25), nach einer kirchlichen Urkunde, diemeisten Oberhirten nicht einmal »in Dingen deskirchlichen Glaubens sachverständig«. Und noch inChalkedon (451) tagen vierzig Bischöfe, die wederschreiben noch lesen können42.

Zwei Jahrhunderte lang lehnten die meisten alt-christlichen Autoren die heidnische Kultur, lehntensie Philosophie, Dichtung, Kunst entschieden ab.Man stand dem allem mit tiefem Mißtrauen, mit of-fenkundiger Feindschaft gegenüber, wobei sich dasRessentiment der Banausen ebenso auswirkte wie derGriechenhaß mehr oder weniger gebildeter Christen.

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2.547 Deschner Bd. 3, 351Die Bildungsfeindschaft frühchristlicher ...

Die Bildungsfeindschaft frühchristlichergriechischer Schriftsteller

Wie resolut, geradezu unflätig der »Barbarenphilo-soph Tatian«, der »Herold der Wahrheit« (Selbstbe-zeichnungen) um 172 so gut wie alles, was Rang undNamen in der griechisch-römischen Kultur hatte, ver-donnert, wie sehr er Philosophie, Dichtung, Rhetorik,Schule, Theater aufs gemeinste herabsetzt, wurdeschon gezeigt (I 193 ff)43.

Kirchenschriftsteller Hermias (die Datierungschwankt zwischen 200 und 600) stellt in seiner»Verspottung der nichtchristlichen Philosophen« dasPauluswort an die Spitze: »Geliebte, die Weisheit die-ser Welt ist Torheit vor Gott« und läßt nur die Wahr-heit des Evangeliums gelten. Mehr plump als witzig,alle Zusammenhänge ignorierend und extrem ober-flächlich nennt Hermias die Philosophie »ohne Be-gründung und ohne Nutzen«, nichts als »Abenteuer-lichkeit, Unsinn oder Wahnwitz oder Absonderlich-keit oder alles zugleich« – und kennt seine Opfer dochbloß aus Kompendien, wie freilich sehr viele wohl diemeisten christlichen Autoren44.

Ignatius von Antiochien, ein fanatischer Bekämpferandersgläubiger Christen (»Bestien in Menschenge-stalt«, vgl. I 155 ff), der zuerst das Wort »katholisch«Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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bietet, verwirft fast den gesamten Schulunterricht undjede Berührung mit paganem Schrifttum, das er »Un-wissenheit«, »Torheit«, dessen Vertreter er »Anwältemehr des Todes als der Wahrheit« schimpft. Undwährend er behauptet: »Es sind letzte Zeiten«,»Nichtsist gut, was hier sichtbar ist«, während er höhnt: »Woist die Prahlerei derer, die man Weise nennt?« be-hauptet er, das Christentum habe alles übertroffen und»die Unwissenheit« ausgerottet – »eines der hervorra-gendsten Denkmäler der altkirchlichen Literatur«(Bardenhewer)45.

Um 180 erklärt Bischof Theophilus von Antiochienin seinen drei Büchern »An Autolykos« alle griechi-sche Philosophie und Kunst, die griechische Mytholo-gie und die Geschichtsschreibung für wertlos, wider-spruchsvoll, unsittlich. Ja, er verdammt jede weltlicheWissenschaft prinzipiell unter Berufung auf das AlteTestament, auf Männer, wie er lobt, »ohne Wissen-schaft, Hirten und ungebildete Leute«. Dabei verdanktTheophilus, der erst im Mannesalter Christ und Bi-schof wurde, der beschwingt, bilderreich schreibt,doch auch flüchtig, nicht exakt und oft aus zweiterHand, seine eigene Bildung dem Heidentum, dessenVertreter freilich »die Sache falsch angegriffen habenund noch angreifen, indem sie nicht von Gott, sondernvon eitlen und nutzlosen Dingen reden«, die ohne»das kleinste Körnlein Wahrheit«, die sämtlich von

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2.549 Deschner Bd. 3, 352Die Bildungsfeindschaft frühchristlicher ...

bösen Geistern besessen sind. So ist ganz klar, »daßalle übrigen sich im Irrtum befinden, wir Christen al-lein aber die Wahrheit besitzen, die wir vom Hl. Geistbelehrt werden, der in den hl. Propheten gesprochenund alles vorherverkündet hat«46.

Außer Tatian, Ignatius und Theophil von Antiochi-en lehnen auch Polykarp und die Zwölfapostellehredie antike Literatur radikal ab, während sie die Dida-che, der Hirt des Hermas, der Barnabasbrief, die Brie-fe an Diognet nicht einmal erwähnen. Die SyrischeDidaskalia (mit vollem Titel: »Katholische Lehre derzwölf Apostel und heiligen Jünger unseres Erlösers«),die von einem Bischof im 3. Jahrhundert gefälschtworden ist (S. 132), faßt wohl die Meinung allerchristlichen Gegner der griechischen Kultur zusam-men, wenn sie schreibt: »Von allen Schriften der Hei-den halte dich fern; denn was willst du mit den frem-den Worten oder den Gesetzen und falschen Prophe-zeiungen, die junge Leute sogar vom Glauben abbrin-gen? Was fehlt dir denn an den Worten Gottes, daßdu auf diese Geschichten der Heiden dich stürzt?«47

Fast voll anerkannt von den griechisch schreiben-den Christen der ersten Jahrhunderte werden alle Wis-senschaftszweige nur von Kirchenvater Irenäus unddem »Ketzer« Origenes. Doch mißbilligt Irenäus ganzdie griechische Philosophie, der er jede Wahrheitser-kenntnis abspricht. Und Origenes, der gerade diese

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2.550 Deschner Bd. 3, 352Die Bildungsfeindschaft frühchristlicher ...

Philosophie (wie schon Porphyrios, der ihn achtete,erkannt hat) in umfassender Weise benutzt (S. 366),verwirft die Sophistik und Rhetorik als unbrauchbar.Alle griechisch schreibenden Christen aber stimmendoch in einem überein: alle stellen das Neue Testa-ment weit über das gesamte übrige antike Schrift-tum48.

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2.551 Deschner Bd. 3, 353Die Bildungsfeindschaft frühchristlicher ...

Die Bildungsfeindschaft frühchristlicherlateinischer Schriftsteller

Daß auch kirchliche Autoren, die durchaus von derPhilosophie geprägt sind, sie abtun oder hassen, zei-gen in der lateinischen Patristik Minucius Felix undTertullian.

Minucius Felix, ein römischer Rechtsanwalt, dererst spät »aus tiefer Finsternis zu dem Lichte derWeisheit und Wahrheit emporgedrungen«, fußt in sei-nem wohl um 200 verfaßten Dialog »Octavius« ge-danklich und stilistisch ganz auf der griechisch-römi-schen Kultur, vor allem auf Platon, Cicero, Seneca,Vergil. Trotzdem verabscheut er vieles davon, wennnicht das meiste, besonders alles, was zur Skepsistendiert; ist Sokrates der »attische Narr«, die Philoso-phie überhaupt der »Wahn des Aberglaubens«, einFeind der »wahren Religion«, die Philosophen sindVerführer, Ehebrecher, Tyrannen, die Dichter, selbstHomer, verleiten die Jugend »nur zu verführerischenLügen« – während der Christen Stärke »nicht in Wor-ten, sondern im Wandel beruht«, so daß sie »das er-reicht« haben, »was jene mit aller Anstrengung such-ten, aber nicht finden konnten«49.

Auch Tertullian, wegen seines enormen Einflussesauf maßgebliche Theologen wie Cyprian, Hierony-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.552 Deschner Bd. 3, 353Die Bildungsfeindschaft frühchristlicher ...

mus, Augustinus, wegen seiner Bedeutung für die ka-tholische Dogmatik und Moraltheologie, die Trinitäts-lehre und Christologie, die Sünden- und Gnaden-, dieTauf- und Bußlehre, geradezu der Vater des abendlän-dischen Christentums, der Begründer des Katholizis-mus genannt, bricht eindeutig den Stab über die heid-nische Kultur. Dabei hat er, der die »simplices et idio-tae« in den eigenen Reihen verachtet, die antike Wis-senschaft wie wenige benutzt, vor allem, in geradezusklavischer Weise, die Stoa. Doch wo diese Kultursich der Wahrheit nähere, sei es Zufall oder Dieb-stahl; eine sehr beliebte christliche Unverschämtheit.Tertullian führt nämlich die ganze griechische Wis-senschaft – auf Moses zurück! »Was das frühere ist,muß auch der Same sein. Von dorther habt ihr man-ches mit uns oder doch fast alles wie wir ...(!) Ruhm-süchtige Menschen haben das, was sie vorfanden, ge-fälscht, um es dann als ihr Eigentum auszugeben«.Das stellte, wie üblich, die Sache auf den Kopf50.

Was habe Athen mit Jerusalem zu schaffen, fragtTertullian, was die Akademie mit der Kirche? Und erberuft sich auf Salomo (S. 50 ff), der den Herrn in derEinfalt seines Herzens zu suchen lehrte. Wenn einChrist glaube, so wünsche er über den Glauben hin-aus weiter nichts. »Denn das ist das erste, was wirglauben: daher gebe es nichts mehr, was wir über denGlauben hinaus noch zu glauben haben«. Den für das

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2.553 Deschner Bd. 3, 354Die Bildungsfeindschaft frühchristlicher ...

alte Christentum so immens bedeutenden Platon nennter die »Gewürzkiste aller Häretiker«. Und naturwis-senschaftliche Fragen verteufelt er als gottlos. Mitausdrücklicher Berufung auf Jesus und Paulus mißbil-ligt er Wissenschaft und Kunst überhaupt – Lehrenvon Menschen, von bösen Geistern, bloßer Ohrenkit-zel, vom Herrn verworfen und als Torheit bezeichnet.»Wir aber, die wir die heiligen Schriften fleißig lesen,sind im Besitz der Weltgeschichte von Beginn derWelt selbst an«; die übliche christliche Bescheiden-heit51.

Zu Beginn des 4. Jahrhunderts schleudert Arnobiusvon Sicca in Afrika – gerade erst durch ein angebli-ches Traumgesicht (somniis) aus einem Bekämpferdes Christentums zu dessen Bekenner geworden –eine sieben Bücher umfassende Streitschrift, »Adver-sus gentes«, gegen das Heidentum (I 187). Es ge-schieht auf Wunsch seines Bischofs, geschieht scharf,doch auch etwas hastig, überstürzt, da sein Opus demskeptischen Oberhirten die Aufrichtigkeit dieser jähenKonversion beweisen soll. Arnobius kennt das Chri-stentum, das er verteidigt, freilich schlecht. Er er-wähnt kaum das Neue Testament, nennt Jupiter vielhäufiger als Christus. Überhaupt verdankt er demHeidentum, das er angreift, seine gewiß etwas grob-schlächtige Bildung, vor allem Platon, den er oft zi-tiert, mehr noch der Stoa52.

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2.554 Deschner Bd. 3, 355Die Bildungsfeindschaft frühchristlicher ...

Arnobius verurteilt nicht nur alle Mythen über dieGötter, sondern auch die mythologische Dichtung.Ebenso resolut lehnt er die Pantomimik und die mitden Mysterien verbundenen dramatischen wie musika-lischen Aufführungen ab, verdammt er die ganze reli-giöse Architektur der Heiden und ihre darstellendeKunst. Ja, er hält menschliche Berufe, irdische Tätig-keit überhaupt für wertlos. So überrascht es kaum,daß der neugebackene Christ nahezu auch die gesamteWissenschaft, die Rhetorik, Grammatik, Philosophie,Juristerei, Medizin, geringer schätzt als die »HeiligeSchrift«53.

Das frühchristliche lateinische Schrifttum steht derheidnischen Kultur viel geschlossener gegenüber alsdas griechen-christliche. Die dramatische Dichtungwird aus religiösen und moralischen Gründen völlig,die epische Dichtung meistens disqualifiziert, auchdie Rhetorik gewöhnlich als schädlich betrachtet. DiePhilosophie aber könne aus sich heraus keine wirkli-che Wahrheitserkenntnis vermitteln. So ist auch fürdiese Autoren die einzige Sicherheit, die volle Wahr-heit, allein das Christentum54.

So gut wie einhellig (mit verschwindenden Aus-nahmen, Victorinus von Pettau etwa, Marius Victo-rinus) haben die Kirchenväter die Schauspiele herun-tergemacht: ein wichtiger Bestandteil ihrer antipaga-nen Polemik, spiegelte sich im Schauspiel für sie

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2.555 Deschner Bd. 3, 355Die Bildungsfeindschaft frühchristlicher ...

doch die Verworfenheit des Heidentums55.

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2.556 Deschner Bd. 3, 355Das Theater - »die Kirche des Teufels«

Das Theater – »die Kirche des Teufels«

Die Schauspiele (spectacula), zu denen die eigentli-chen Bühnenaufführungen (ludi scaenici), aber auch,zumindest in der Kaiserzeit, die Kämpfe im Amphi-theater (munera) und die Wagenrennen (ludi circen-ses), sogar der Agon, der sportliche Wettkampf, zähl-ten, waren außerordentlich beliebt und fanden um dieMitte des 4. Jahrhunderts an mehr als der Hälfte allerTage statt. Auch die Christen, selbst manche Kleriker,wollten sie nicht missen. »Es ist ein Spiel«, hält einGetadelter um 500 in Syrien (für seine rigorose Aske-se und Moral bekannt) einem monierenden Bischofentgegen, »nicht Heidentum ... Ich habe Freude an derAufführung; dadurch schade ich der Wahrheit nicht.Ich bin getauft wie du«56.

Kirchenvater Salvian von Marseille, der im 5. Jahr-hundert den Besuch der Schauspiele durch Christenein »Verbrechen« (crimen) nennt, auch weiß, daß»Gott« Schauspiele haßt, berichtet, daß beim zeitli-chen Zusammentreffen einer kirchlichen Festivität mitden Spielen die meisten Gläubigen im Theater säßen,ja, daß manche das Kirchenschiff wieder verließen,wenn sie von einer gleichzeitigen Aufführung imTheater erführen. Und Augustin, der den Schauspie-lern vorhält, sie seien fast nur auf Beifall aus, Geld,

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2.557 Deschner Bd. 3, 356Das Theater - »die Kirche des Teufels«

wünscht einmal, man wäre bei ihm, der doch honorar-los spreche, ebenso aufmerksam. (Daß der Bischofvon Hippo auch klagt, man wende »für überflüssigeVergnügen den Schauspielern mehr zu« als gelegent-lich »den Legionen«, ist für den Apologeten des »ge-rechten Krieges«, des »Heiligen Krieges« und sogargewisser Angriffskriege wohl nicht erstaunlich: vgl. I514 ff.)57

Die »suaviludii« verteidigten den Theaterbesuchdurch allerlei Argumente und ihre Tadler suchten dieszu widerlegen. Den Hinweis etwa, die Heilige Schriftkenne keinerlei einschlägiges Verbot, kontert Tertulli-an – mit dem die christliche Polemik gegen dieSchauspiele beginnt und auch gleich in vorkonstanti-nischer Zeit affektgeladen kulminiert – mit Ps. 1,1:»Meide die Versammlungen der Gottlosen!« Und aufden Einwand, Gott selbst sehe doch diese Darbie-tungen, ohne dadurch verunreinigt zu werden, repli-ziert Tertullian: Gottes und menschliches Tun seienzweierlei; auch schaue Gott ganz anders zu als dieMenschen, nicht aus Vergnügungssucht, sondern alsRichter – die Theologen waren stets gut informiert;zumal über Gott. Nicht so abwegig dagegen erscheintTertullians Verdacht, die christlichen Theaterfreundesuchten viel weniger das Problem zu klären als ihrerSchaugier (voluptas) den Mantel theologischer Recht-fertigung umzuhängen. Jedenfalls nahm der Schau-

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2.558 Deschner Bd. 3, 357Das Theater - »die Kirche des Teufels«

spielbesuch, bei dem die hohen Stände, wie üblich,gewisse Vorrechte genossen, auch unter den Christeneher zu als ab, obwohl die Kirchenväter häufig so tun,als setzte sich das Theaterpublikum primär aus Hei-den oder allenfalls Juden und Manichäern zusammen;das sieht noch Augustinus so58.

Der kirchliche Kampf gegen die »spectacula« rich-tete sich zwar auch gegen die Wagenrennen und die –mit Recht gebrandmarkten – Metzeleien im Amphi-theater, die Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen, dieübrigens (trotz kaiserlichen Verbotes 469) in christli-cher Zeit bis ins 6. Jahrhundert hinein »an der Tages-ordnung« sind (Reallexikon für Antike und Christen-tum) – wie die scheußlichen Stierhetzereien im katho-lischen Spanien noch heute! Doch vor allem attackier-ten die Kirchenväter den Theaterbesuch, die Bühnen-aufführung, das gesamte Personal – »eure Pantomi-men, Schauspieler, Possenreißer und das ganze lieder-liche Gesindel« (Arnobius). Das Theater galt als Do-mäne des Teufels, der bösen Geister, und wurde vonden »Vätern« fast stets mit Attributen wie »unsitt-lich« (turpis), »schmutzig« (obscoenus), »ekelhaft«(foedus) und vielen analogen Schimpfworten gegei-ßelt, wobei die prüden Attacken vor allem im Diensteiner umfassenden Sexualrepression stehen. Dagegenwird das Theater wegen seiner immer noch aktuellenkultischen Bedeutung, seiner Verflechtung mit heid-

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2.559 Deschner Bd. 3, 357Das Theater - »die Kirche des Teufels«

nisch-religiösen Bräuchen, der Verehrung der Götter,woraus es tatsächlich hervorging, »nur sehr selten«abgelehnt, eigentlich bloß von Irenäus, Tertullian unddem syrischen Bischof Jakob von Sarug (451–521),der behauptet, daß »Satan mittels eines Spieles dasHeidentum wieder aufrichten will«. Alle übrigen aberverteufelten das Theater fast ausschließlich aus mora-lischen Gründen. Nur zur Wahrung des Heiligsten,der Keuschheit ihrer Schäfchen, die doch »die Krän-kung des Schamgefühls hätte verstört hinaustreibenmüssen« (Augustinus), sprangen die Puritaner so hit-zig auf die Barrikaden59.

Eine Vorstellung von der Giftigkeit dieser früh-christlichen Theaterstürmer gibt die Philippika desTatian »Oratio ad Graecos« (I 193 ff), eine einzigeInvektive gegen die griechische Bildung. Der Schau-spieler figuriert als »ein arger Prahlhans und Lüstlingallerwege, der bald mit den Augen funkelt, bald mitden Händen agiert, tobsüchtig in seiner tönernenMaske, bald als Aphrodite, bald in der Rolle Apollsauftritt ..., ein lebendes Kompendium des Aberglau-bens, ein Fälscher des Heldentums, ein Darsteller vonMordgeschichten, ein Interpret des Ehebruches, einSchatzkasten des Wahnsinns, ein Lehrmeister fürLustknaben, ein Vorbild für ungerechte Richter – undein solcher Kerl wird von allen angejubelt ... Was fürabsonderliches Zeug wird nicht bei euch ausgeheckt

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2.560 Deschner Bd. 3, 358Das Theater - »die Kirche des Teufels«

und durchgeführt! Man näselt und deklamiert Zoten,bewegt sich in unanständigen Gesten, und den Leu-ten, die auf der Bühne die Kunst lehren, wie man denEhebruch treiben müsse, schauen euere Mädchen undKnaben zu. Herrlich sind diese euere Hörsäle, die daoffenkundig werden lassen, was in der Nacht Schänd-liches geschieht, und die Zuhörer mit Vorträgen undSchweinereien ergötzen«60.

Vor allem der Mime, vielleicht mehr noch der Pan-tomime, der seit Augustus seinen Triumphzug überdie Bühne begonnen hatte, wurden Objekt heftigerAusfälle – aber ebenso leidenschaftlich verteidigt;zum Beispiel im 2. Jahrhundert durch Lukian oder im4. durch Libanios (II 208), der noch eine Kritik desberühmten (heidnischen) Rhetors Aelius Aristides ausdem 2. Jahrhundert Punkt für Punkt widerlegt. NachAnsicht der Kirchenväter aber untergruben die Unge-heuerlichkeiten des Mimus und Pantomimus, dessenweichliche, weibische Bewegungen, die Moral, dasEthos, den Charakter. Und wie der Bühnentanz, dieraffinierte Zurschaustellung anrüchiger Liebesszenen,den Klerus in Rage versetzte, der angeblich derartperverse Auftritt von Olympiern, daß man sie, lautJakob von Sarug, zu Haus nicht einmal als Sklavenund Dienstmädchen dulden würde, so auch die Tragö-die mit Sujets wie Verwandtenmord oder Inzest. Mansollte sie als »Schrecken der Vorzeit« (horror anti-

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2.561 Deschner Bd. 3, 358Das Theater - »die Kirche des Teufels«

quus) lieber vergessen (Cyprian)61.Viele fromme »Väter« sehen beim Theaterbesuch

die Laster durch Augen und Ohren wie durch offeneFenster in das Menschenherz ziehen (ein sehr belieb-ter Vergleich). Nach dem hl. Ambrosius tritt dabei»der Tod (introibit mors) durch die Fenster deinerAugen«, ist selbst Bühnengesang »tödlich«. NachHieronymus bedroht auch die Theatermusik dieMoral. Ja, schon eine kritische Erwähnung der Auf-führungen, so Salvian, beflecke. Noch verheirateteFrauen, weiß Augustinus, bringen von all dem »un-züchtigen Treiben« »neues Wissen nach Hause«.Cyprian und Novatian argwöhnen dagegen, dieSchauspielfans reize es gerade, das wiederzuerkennen,was sie schon daheim getrieben. Nach Laktanz (I 203ff) und Firmicus Maternus (I 316 ff) sind bei mytho-logischen Stücken die Götter selbst Lehrmeister derSchlechtigkeit. Überhaupt informiere das Theater, be-haupten viele seit Tertullian oft wörtlich übereinstim-mend, bestens über alles Schändliche. Es unterrichtewie in einer Schule, und natürlich ahme man nach,was so trefflich vorgemacht werde62.

Auch berühmte Heiden hatten die »voluptas oculo-rum« schon angegriffen, der erwähnte Aelius Aristi-des beispielsweise, Platon und Quintilian auf negativeAuswirkungen der (Bühnen-)Musik hingewiesen, Ta-citus, Plutarch, weit mehr noch Juvenal die Gefähr-

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2.562 Deschner Bd. 3, 359Das Theater - »die Kirche des Teufels«

dung vor allem der Mädchen und Frauen durch dasSchauspiel beklagt. Und es versteht sich von selbst,daß die Kirchenväter besonders Kinder und Fraueneindringlich warnten. Immer erneut insistierten siedarauf, daß schon manche Frau das Theater rein be-treten, aber verdorben verlassen habe, daß manKeuschheit dort nicht lernen könne. Und gerade imInteresse ihrer widernatürlichen, ganz im Dienst ihrerHerrschaft stehenden Sexualunterdrückung tat dieKirche alles, um die Begeisterung der »suaviludii«einzuschränken, sie abzuhalten von der Teufelskunst.Die Intervention bei den Kaisern war allerdings ver-geblich. Sie wollten deshalb nicht Empörung undAufstände riskieren. Erst Theodosius I. verbot 392die Wagenrennen und 399 generell Aufführungen amSonntag; doch offenbar mit so wenig Erfolg, daß dieSynode von Karthago 401 um Wiederholung undVerschärfung wenigstens dieser Bestimmungenbat63.

Die Kirche selbst, die spätestens seit Clemens Ale-xandrinus und Tertullian den Schauspielbesuch fürunvereinbar mit dem Christentum hielt, verbot ihnschließlich auf dem 3. und 4. Konzil von Karthagostrikt für Priester wie Laien und bedrohte Zuwider-handelnde mit der Exkommunikation. Nicht einmalbei Gastmählern gestattet Bischof Euseb von Rom(309/310) Auftritte von Bühnenkünstlern. Die Ver-

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2.563 Deschner Bd. 3, 359Das Theater - »die Kirche des Teufels«

heiratung eines Klerikers mit einer Schauspielerinmachte nach den »Apostolischen Konstitutionen« dieAusübung eines Kirchenamtes unmöglich. Im 4. Jahr-hundert untersagt das spanische Konzil von Illiberrisdie Ehe zwischen Christen und Schauspielern über-haupt – ebenso die zwischen Christen und Juden (diedas Konzil in vier Canones diffamiert). Das 1. Konzilvon Arles verwehrt im Jahr 314 Wagenlenkern unddem gesamten Theaterpersonal während der Ludi dieZulassung zur Kommunion. Das 7. Konzil von Kar-thago verbietet es im Jahr 419 Schauspielern, gegeneinen Kleriker Anklage zu erheben. Selbstverständ-lich war auch der Beruf des Schauspielers (angeblichwegen der Unwahrheit zwischen Rolle und Person)mit dem der Wahrheit so ergebenen Christentum nichtverträglich. Wollte ein Schauspieler, »die Flöte Sa-tans« (Jakob von Sarug), Christ werden, fordern diealten Kirchenordnungen und Konzilien allgemein dieAufgabe seines Berufes64.

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2.564 Deschner Bd. 3, 360Statt Theater das Theater der Kirche

Statt Theater das Theater der Kirche – und ihreZensur noch im 20. Jahrhundert

Da aber alle Warnungen, Drohungen, Beschimpfun-gen, Verbote, Auflagen nicht den gewünschten Erfolghatten, gingen die »Väter« schon bald und jahrhun-dertelang dazu über, die »Aufführungen« der Kirche,die »spectacula christiana«, »spectacula Christiano-rum«, als viel sehenswerter hinzustellen, als »heilig,ewig« und obendrein noch als »unentgeltlich« (gratui-ta: Tertullian)65.

Statt der Theateraufführungen, der »ecclesia diabo-li«, preist Tertullian die Versöhnung mit Gott, dieSündenvergebung als das bessere »Vergnügen« (vo-luptas) an. Und wer der Bildung wegen das Schau-spiel besuche, den verweist er – auf die kirchliche Li-teratur. Jakob von Sarug konfrontiert die »falschenGesten im Theater« mit »glaubwürdiger Rede« in derKirche; die gespielten Lügengeschichten nicht exi-stenter Götter mit »Moses« (vgl. S. 40 ff), »der einsist in seiner Wesenheit«. Bischof Jakob sucht denTanz des Pantomimen durch den Gang des vom Todeauferweckten Lazarus zu überbieten, den Bühnenchordurch den Sänger David und Kirchenlieder, das Thea-ter überhaupt durch die Kirche (an diesem letztenVergleich ist viel Wahres – wenn man vom Niveauge-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.565 Deschner Bd. 3, 361Statt Theater das Theater der Kirche

fälle absieht)66.Der von Augustin hochgeschätzte und mit ihm be-

freundete Primas von Afrika, Erzbischof Quodvult-deus, vergleicht jedes spectaculum der Heiden miteinem Theater im kirchlichen Bereich. Ohne Augen-zwinkern verweist er Zirkus-Interessenten auf die vieltollere Nummer des Propheten Elia bei seiner Him-melfahrt im Feuerwagen (– nachdem er vorher u.a.450 ganz unaggressive Baalspriester abgeschlachtethatte: I 95). Und wen der vom Pantomimus gespielteGott Jupiter ergötze – dieser zuchtlose Kerl, derselbst seine Schwester ehelichte –, der erfreue sichbesser an Christus, dem wahren Gott, der Keuschheitverlange, oder an Maria, Mutter und Jungfrau zu-gleich67.

Auch Augustinus fiel hier ein. »Glaubet nicht, derHerr habe uns ohne Schauspiele gelassen!« rief er.Seit seiner frühesten Jugend zwar hatte es Augustinzu den »verruchten« Aufführungen, »den schändli-chen Spielen« gezogen, am meisten in Karthago; hatteer die »munera« im Amphitheater besucht und offen-sichtlich auch Interesse an Hasenjagden, vermutlichsogar an Hahnenkämpfen. Ja, er schrieb selbst einTheaterstück. Als Bischof aber sah er die »funda-menta virtutum« in Gefahr und verabscheute Schau-spiele – zumal das bis zu 6000 Zuschauer fassendeTheater von Hippo Regius kaum vierhundert Meter

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von seiner Basilika entfernt war und beim zeitlichenZusammentreffen von Schauspiel dort und Schauspielhier seine Kirche leer blieb (vgl. S. 355). Dabei scha-deten doch die heidnischen Spektakel der Sittlichkeit,während die »spectacula« Gottes eitel Nutzen brach-ten und Heil68.

So streicht Augustin kräftig die christlichen Auf-führungen, gegenüber den heidnischen heraus. Stattsich für den Wagenlenker im Zirkus zu begeistern,solle man den Blick auf Gott richten, der sozusagenals Wagenlenker (auriga) die Laster des Menschenzügle. Statt den Seiltänzer zu bewundern, solle manden übers Wasser wandelnden Petrus betrachten.Schauspiele biete auch die eigentliche Heilsgeschich-te; etwa die Besiegung des Löwen Satan durch dasBlut des Lammes oder die Befreiung des Christen ausder Macht des Bösen. Kurz, statt Theater und Poesie,rät Augustin, studiere man die Bibel. Man kann sichdenken, wie fruchtbar diese Appelle des Schwach-sinns waren69.

Die Schauspiele der Heiden aber beschimpfte dergrößte aller Kirchenväter wie wenige – obwohl er dereinzige unter ihnen ist, der sich dazu auch positiv äu-ßert. Gelegentlich schleudert er ganze Kaskaden vonEkelhaftigkeiten wider die »spectacula« der Gegner,diese »Besudelung«, »den Leibern verderbliche Pest«,den »Wahnsinn des Geistes«, »Pest des Geistes«,

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diese »Verkehrung aller Rechtschaffenheit und Ehr-barkeit«. An einer einzigen Stelle seines »Gottesstaa-tes« kanzelt er eine Festveranstaltung durch Cicerozur Versöhnung der Götter ab: »Diese leichtfertige,unsaubere, schamlose, abscheuliche, schmutzige Ver-söhnungsfeier, diese Schauspiele, deren Darstellerlöbliche Römertugend der bürgerlichen Ehre beraub-te, deklassierte, für anrüchig und minderwertig erklär-te, diese schandbare, von der wahren Religion mitWiderwillen verabscheute Versöhnungsfeier solcherGottheiten, diese die Götter verklagenden und verlä-sternden Fabelgeschichten, diese Schandtaten vonGöttern, verbrecherisch und schimpflich vollbracht,oder noch verbrecherischer und schimpflicher erdacht,mußte die ganze Bürgerschaft unverblümt mit Augenund Ohren zur Kenntnis nehmen«70.

Dennoch hat selbst Augustinus, der auch die Ewig-keit den Christen als wunderschönes Schauspiel vor-gaukelt, niemals den Ton eines Tertullian, jenen wi-derlich-giftigen Trumpf und Triumph, mit dem dieserim Schlußkapitel seiner Schrift »Über die Schauspie-le« alle spectacula der Heiden vom spectaculum desJüngsten Gerichts, von dem apokalyptischen Welt-theater der Christen, unendlich übertroffen sieht. DieTragöden, die Pantomimen erscheinen nun bei diesemso ungewollten Auftritt in ihrer kläglichsten Rolle,und ihr Jammer läßt die Christen frohlocken, entschä-

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digt sie reich für alles Elend, alle Entsagung, Demüti-gung, in der früheren Welt. »Welches Schauspiel füruns«, jauchzt Tertullian, »ist demnächst die Wieder-kunft des Herrn, an den man dann glauben wird, derdann erhöht ist und triumphiert! ... Was für ein um-fassendes Schauspiel wird es da geben, was wird derGegenstand meines Staunens, meines Lachens sein?Wo der Ort meiner Freude, meines Frohlockens?Wenn ich so viele und mächtige Könige, von welchenes hieß, sie seien in den Himmel aufgenommen, inGesellschaft eben des Jupiter und ihrer Zeugen in deräußersten Finsternis seufzen sehe; wenn so vieleStatthalter, die Verfolger des Namens des Herrn, inschrecklicheren Flammen, als die, womit sie höhnendgegen die Christen wüteten, zergehen, wenn außerdemjene weisen Philosophen mit ihren Schülern, welchensie einredeten, Gott bekümmere sich um nichts, wel-che sie lehrten, man habe keine Seele, oder sie werdegar nicht oder doch nicht in den früheren Körper zu-rückkehren, mitsamt ihren Schülern und vor ihnen be-schämt im Feuer brennen, und wenn auch die Poetenganz wider Erwarten vor dem Richterstuhl Christi,nicht aber vor dem des Rhadamanthys oder Minosstehen und zittern! Dann verdienen die Tragöden auf-merksames Gehör, indem sie nämlich ärger schreienwerden in ihrem eigenen Mißgeschick; dann muß mansich die Schauspieler anschauen, wie sie noch weich-

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licher und lockerer durch das Feuer gewordensind.« ... »Solches zu schauen und darüber zu verlok-ken, das kann dir kein Prätor, kein Konsul, kein Quä-stor oder Götzenpriester mit all seiner Freigebigkeitgewähren. Und doch haben wir diese Dinge durch denGlauben im Geiste und in der Vorstellung bereits ge-wissermaßen gegenwärtig«71.

Die Attacken gegen das Schauspiel sind zwarhochgradig anachronistisch – überholt sind sie nicht!

Seit dem ausgehenden Mittelalter gab es eine offi-zielle Zensur. In Deutschland wurde die erste derarti-ge Einrichtung 1486 durch den Mainzer ErzbischofBerthold von Henneberg geschaffen. Auch dieReichszensurvorschrift zu Beginn des 16. Jahrhun-derts hat die katholische Kirche veranlaßt. Und nochder im 20. Jahrhundert gestorbene Papst Leo XIII. er-klärte in seiner Konstitution »Officiorum ac mino-rum« Bücher als »streng verboten«, wenn sie»schmutzige und unsittliche Dinge planmäßig behan-deln, erzählen oder lehren«. Die Lektüre der »Klassi-ker« zwar, die »von jenem Schmutze (!) nicht freisind«, hat dieser Stellvertreter »mit Rücksicht auf dieEleganz und Reinheit der Sprache gestattet, doch nursolchen, deren Amt oder Lehrberuf diese Ausnahmeheischt.« Und Jugendliche durften »nur sorgfältig ge-reinigte Ausgaben« bekommen, »nur nach solchen un-terrichtet werden«72.

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Noch in der Deutschen Bundesrepublik hat das Ge-setz über die Verbreitung jugendgefährdender Schrif-ten eine offizielle Institution der katholischen Kircheangeregt und vorbereitet – und mehrere tausend Ver-fahren, sogar gegen Werke von ästhetischer Relevanz,waren die Folge73.

Aber auch das moderne Theater ist nicht tabu – alsstünde man noch in der Antike! 1903 zögerte dasPreußische Oberverwaltungsgericht nicht, beim Ver-bot der »Maria von Magdala« des nachmaligen erstendeutschen Literaturnobelpreisträgers Paul Heyse ero-tische Triebe »die niedrigsten, verwerflichstenmenschlichen Triebe« zu nennen. Und nach renom-mierten katholischen Moraltheologen sündigt beieiner Aufführung »unehrbarer« Stücke (dies »istgewiß«) nahezu alles was mitwirkt, mehr oder minderschwer, meist aber schwer: wer schreibt, spielt, finan-ziert, applaudiert, wer verbieten müßte, doch nichtverbietet. Selbst die Maurer, die das Theatergebäudeerrichteten, und die Putzfrauen, die darin kehrten,waren noch im frühen 20. Jahrhundert belastet. Undnatürlich muß bei Eröffnung von Filmtheatern »allesgetan werden, auf daß es durch einen verantwortungs-bewußten Christen geschehe«. Film, Funk, Fernsehensollen »verchristlicht werden«. Kinobesitzer, die»schlechte« Filme vorführen lassen, sündigen. Ebensoalle Vermieter solcher Kinos; ja, noch wer Fernseh-

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2.571 Deschner Bd. 3, 364Statt Theater das Theater der Kirche

und Rundfunkgeräte »wahllos« benützt, »versündigtsich« (Häring)74.

Und wurde nicht erst unter Papst Johannes Paul II.eine Jagd gegen freizügige Filme eröffnet? Wurde sievom Heiligen Vater nicht selber angeheizt? Habennicht unter ihm Staatsanwälte Film-Rollen in Porno-kinos beschlagnahmt? Haben nicht sogar Filmtheatergebrannt, in Mailand zum Beispiel, in Rom?75

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2.572 Deschner Bd. 3, 365Wie man sich alles als »christliche Religion« ...

Wie man sich alles, was an Vorchristlichembrauchbar war, als »christliche Religion«

(Augustinus) unterjubelte

Wie es heute die wenigsten Christen unter Intellektu-ellen gibt – denn je mehr ein Mensch weiß, desto we-niger glaubt er im allgemeinen; und den Religionenim besonderen: zumal dem Christentum –, so warauch noch im 4. Jahrhundert die neue Religion amwenigsten erfolgreich unter den Gebildeten und derAristokratie. Die Altgläubigen dieser Schichten, dieim Westen noch im späteren 4. Jahrhundert die füh-rende Stellung innehatten, hielten in ihrer großenMehrheit das Christentum auch weiter für einen Köh-lerglauben, eine Kleineleutereligion, völlig unverein-bar mit antiker Wissenschaft. Doch gerade die Gebil-deten brauchte die Kirche. Also dachte sie auch hiergründlich um und öffnete sich dem bisher so oft Ver-pönten oder gar Bekämpften. Und da die neue Religi-on ein guter Ausgangspunkt für Karrieren, auch fürweltliche war, drängten nun auch die Vornehmen undGebildeten dazu. Bald besteigen die Bischofsstühlefast nur noch Männer aus den oberen Schichten (S.494 ff). Mit dem Heidentum geht es um die Wendezum 5. Jahrhundert allmählich zu Ende. Und schließ-lich sind die christlichen Bildungsvertreter den nochKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.573 Deschner Bd. 3, 365Wie man sich alles als »christliche Religion« ...

vorhandenen heidnischen, sieht man vom bedeutend-sten Historiker lateinischer Sprache, Ammianus Mar-cellinus, einmal ab, eindeutig überlegen – natürlichmit den Mitteln der antiken Kultur, die man dem Mit-telalter immerhin zu einem Teil überliefern wird,wenn auch halb wider Willen76.

Diese Entwicklung steht zwar im Gegensatz zugrundlegenden Lehren des Neuen Testaments, zueinem Evangelium, das den Weisen und Klugen nichtverkündet worden war. Auf der anderen Seite freilichhatte das Christentum längst den entscheidendenSchritt aus der jüdischen Welt Jesu und der Apostelgetan. Auch Paulus war ja schon römischer Bürgerund Kind einer hellenistischen Stadt, auch das Juden-tum bereits seit Jahrhunderten hellenisiert, und sowuchs das Christentum immer mehr in die helleni-stisch-römische Welt hinein als ein typischer Zwitter.Es setzte sich auseinander und ineinander mit dieserKultur, in die doch fast alle Christen, gleich Paulus,geboren wurden, in der sie heranwuchsen, mit derenSprachen sie sprachen, in deren Schulen sie gingen77.

Bis zum 6. Jahrhundert hatte die neue Religionkeine eigene Schule. Zwar haßten die Christen dieheidnische, aber sie schufen keine eigene, sie machtengar keinen Versuch, es fehlten ihnen alle Vorausset-zungen, alle Grundlagen; unmöglich konnten sie mitden Klassikern konkurrieren. Es war eine weitverbrei-

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tete, von Tertullian ebenso wie von Papst Leo I. ver-tretene Maxime, daß Christen weltliches Wissen zwarerlernen, doch nie lehren sollten. Die »Statuta Eccle-siae Antiqua« erlaubten deshalb Laien eine öffentli-che Lehrtätigkeit bloß mit besonderer Genehmigungund unter kirchlicher Kontrolle. Selbst ein Rigoristwie Tertullian aber, der Christen jedes Lehren anheidnischen Schulen verbietet, wagt es nicht, Kindernden Schulbesuch zu verbieten. Und auch im christlichgewordenen Reich blieben Lehrplan und Unterrichts-stoff die alten78.

All dies konnte nicht ohne Folgen sein. Manmußte, wollte man die Welt gewinnen, ihr auch mitihren Schätzen winken. Man konnte nur siegen mitihrer Hilfe, nicht gegen sie. Unbewußt und bewußtverband man das Christentum mit zeitgenössischerBildung, mit dem Geist griechischer Wissenschaft. Eswurde davon im 2. und 3. Jahrhundert durchsetzt, diewesentlich eschatologische Bewegung der Anfangs-zeit verwandelte sich in ein System philosophischerSpekulation.

Etwa durch Justin, für den nur die Philosophie zuGott führt, nur die Philosophen wirklich heilig sind,für den jeder Christ ist, der »mit Vernunft« lebt odergelebt hat, auch wenn er Jahrhunderte vor Christuslebte und sogar »für gottlos« galt, »wie bei den Grie-chen Sokrates, Heraklit und andere ihresgleichen«.

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2.575 Deschner Bd. 3, 367Wie man sich alles als »christliche Religion« ...

Noch viel mehr förderte diesen Prozeß Clemens Ale-xandrinus, der unermüdlich und mit voller Absicht dieheidnische Philosophie ins Christentum schleust, deraus der christlichen Religion eine Religionsphiloso-phie macht, nach dem schon vor Christus allein diePhilosophie Menschen erlöst hat, nach dem die Philo-sophie die Griechen zu Christus erzieht und dies der-art, daß ein Christ ohne griechische Bildung Gott garnicht begreifen könne. Clemens, als Heiliger vonRom nicht anerkannt, hat mit seiner Methode »dasChristentum erst fähig gemacht, die antike Welt zu er-obern« (Dannenbauer). Ähnlich der »Ketzer« Orige-nes, der ebenfalls umfassend die heidnische Kultur insChristentum überführt, bei der Formulierung seinesGottesbegriffs, seiner Kosmologie, Pädagogik, seinerLogos- und Tugendlehre, seiner Anthropologie undFreiheitsphilosophie, für den gleichfalls nur der gebil-dete Hellene der vollkommene Christ ist, ja, der inseinem (vielleicht nicht zufällig) verlorengegangenenzehnbändigen Werk »Stromateis«, laut BischofEuseb, »alle Sätze unserer Religion aus Platon, Ari-stoteles, Numenios und Cornutus bewies«. Das Chri-stentum, der »Schößling des Spätjudentums«, erfuhrdurch Clemens und Origenes eine »völlige Umfor-mung« (Jaeger)79.

Diese ungeheure Adaption, die tatsächlich denChristen mit zum Sieg verhalf, gipfelte in Augustin,

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der, wie Clemens, wieder bewußt das antike Wissen,soweit brauchbar, in den Dienst des Christentumsstellte, programmatisch geradezu in seiner Schrift »Dedoctrina christiana«, ja, der mit dem ihm eigenen Zy-nismus (S. 340) und der ihm eigenen (gewöhnlich mitDemutsphrasen drapierten) Arroganz sich zu demSatz verstieg: »Das, was man jetzt als christliche Re-ligion bezeichnet, bestand bereits bei den Alten undfehlte nie seit Anfang des Menschengeschlechtes, bisChristus im Fleische erschien, von wo an die wahreReligion, die schon vorhanden war, anfing, die christ-liche genannt zu werden«80.

Diese Überführung antiker Kultur geschieht aller-dings im Westen weit langsamer als im Osten, woetwa Basilius in seiner »Rede an die Jünglinge« lehrt:»Wie sie aus den Büchern der Griechen Nutzenschöpfen können« (wenn er darin auch wieder mehrals alles die Keuschheit anpreist: »Wir, o Jünglinge,halten dieses menschliche Leben für gar nichts«; »wersich nicht in die sinnlichen Lüste wie in den Schlammvergraben will, der muß den ganzen Leib verachten«,muß »den Leib züchtigen und bändigen wie die An-fälle eines wilden Tieres ...« – das übliche Hauptthe-ma). Im Westen haben, so scheint es, die Theologenfast stets ein etwas schlechtes Gewissen – falls Theo-logen dies haben können – angesichts der Wissen-schaft. Noch im ganzen 3. Jahrhundert denkt die

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2.577 Deschner Bd. 3, 367Wie man sich alles als »christliche Religion« ...

abendländische Kirche diesbezüglich wie Tertullian.Dann aber duldet man Wissen und Bildung als eineArt notwendiges Übel, werden sie ein Hilfsmittel fürdie Theologie – ancilla theologiae81.

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2.578 Deschner Bd. 3, 368»... sie beschäftigen sich mit Geometrie«

»... unter Verachtung der heiligen SchriftenGottes beschäftigen sie sich mit Geometrie«

Anrüchig war den Christen selbst die Mathematik.Noch im frühen 4. Jahrhundert wollte man den Eusebin Emesa nicht zum Bischof, weil er mathematischeStudien trieb82.

Geometrie und andere Wissenschaften gelten gera-dezu als gottlose Betätigungen. Kirchengeschichts-schreiber Euseb attackiert »Ketzer«: »unter Verach-tung der heiligen Schriften Gottes beschäftigen siesich mit Geometrie; denn sie sind Erdenmenschen siereden irdisch und kennen den nicht, der von obenkommt. Eifrig studieren sie die Geometrie Euklids.Sie bewundern Aristoteles und Theophrast. Galen garwird von einigen vielleicht angebetet. Soll ich es nocheigens vermerken, daß die, welche die Wissenschaftder Ungläubigen brauchen, um ihre Häresie zu bewei-sen, und den kindlichen Glauben der göttlichenSchriften mit der Schlauheit der Gottlosen fälschen,mit dem Glauben nichts zu tun haben? Und so legtensie an die göttlichen Schriften keck ihre Hände undgaben vor, sie hätten dieselben verbessert«83.

Verdammt wurde von der christlichen Theologieinsbesondere die Naturwissenschaft.

Dies wirkt wieder lange nach; treibt dann auch dieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.579 Deschner Bd. 3, 369»... sie beschäftigen sich mit Geometrie«

Naturforscher auf die Scheiterhaufen. Im Abendlandwerden im üblichen Schulunterricht die Naturwissen-schaften (ebenso, bezeichnenderweise, Geschichte)bis tief in die Neuzeit hinein nicht behandelt. Sogaran den Universitäten setzen sie sich als selbständige»Fächer« erst seit dem 18. Jahrhundert durch. Schonin der Spätantike aber ist bei allen Völkern, ausge-nommen allenfalls Mesopotamien, ein starker Verfallder Medizin und eine kaum minder starke Vorliebefür das Okkulte evident. Patriarch Severus von Antio-chien zum Beispiel oder Eznik von Kolb bestehen aufder Existenz von Dämonen im Menschen und lehnenjeden Versuch einer natürlichen Erklärung durchÄrzte ab84.

Schon Apologet Tatian, der Schüler des hl. Justin,verwirft die Heilkunde und führt sie auf die »bösenGeister« zurück. »Durch List nämlich machen die Dä-monen die Menschen von der Gottesverehrung ab-wendig, indem sie ihnen einreden, auf Kräuter undWurzeln zu vertrauen.« Ein den alten Christen eigenertiefer Widerwille gegen die Natur, das »Hiesige«, »Ir-dische«, bricht hier hervor. »Weshalb wollen dieLeute, die ihr Vertrauen auf die Wirksamkeit der Ma-terie setzen, nicht auf Gott vertrauen? Warum gehstdu nicht zu dem mächtigeren Herrn und ziehst vor,dich wie der Hund durch Kräuter, der Hirsch durchSchlangen, das Schwein durch Flußkrebse, der Löwe

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durch Affen zu heilen? Warum vergöttlichst du das Ir-dische?« So wird die ganze Medizin letztlich auf denTeufel, die »bösen Geister«, reduziert. »Die Arznei-kunde und alles, was dazugehört, kommt aus der glei-chen Schwindlerwerkstatt.« Analog denkt auch derÄrzte wie Naturforscher verhöhnende Tertullian –dann geistert dies noch lang und verheerend durch dasMittelalter und darüber hinaus85.

Natürlich hält ein Tatian von Naturwissenschaftinsgesamt nichts. »Wie soll man einem glauben, derbehauptet, die Sonne sei eine glühende Masse und derMond ein Körper wie die Erde? Das sind strittige Hy-pothesen und nicht erwiesene Tatsachen ... Was nüt-zen wohl ... die Untersuchungen über die Maßverhält-nisse der Erde, über die Stellung der Gestirne, überden Lauf der Sonne? Nichts! Denn für derlei ›wissen-schaftliche‹ Betätigung paßt nur einer, dem seine sub-jektive Meinung als Gesetze gelten.« Jede rein natür-liche Begründung ist nicht mehr gefragt. Leute, die im4. Jahrhundert nach der geophysikalischen Erklärungeines Erdbebens suchen (statt dessen Ursache alleinim Zorn Gottes zu sehen!), setzt ein Bischof von Bre-scia auf die »Ketzer«-Liste86.

Da das oberste Kriterium für die Rezeption natur-wissenschaftlicher Theorien ihre Vereinbarkeit mitder Bibel war, stagnierte die Naturwissenschaft jetztnicht nur, sondern man gab sogar preis, was man

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2.581 Deschner Bd. 3, 370»... sie beschäftigen sich mit Geometrie«

längst gewonnen hatte. Das Ansehen der Naturwis-senschaft sank im selben Maße, in dem das der Bibelstieg87.

Die Lehre von der Rotation der Erde und ihrer Ku-gelgestalt geht bereits auf die im 5. vorchristlichenJahrhundert lebenden Pythagoräer Ekphantos von Sy-rakus und Hiketas von Syrakus zurück. Der gegenEnde des 3. Jahrhunderts gestorbene Eratosthenes vonKyrene, der vielseitigste Schriftsteller des Hellenis-mus, behandelt die These von der Drehung der Erdeund ihrer Kugelgestalt schon als sicher; ebenso Archi-medes und andere. Auch Aristoteles kannte sie, späterder Historiker und Geograph Strabon, Seneca, Plut-arch. Die christliche Kirche aber gab diese Erkenntnisum des mosaischen Schöpfungsberichtes und derBibel willen preis und predigte, daß die Erde eine vonMeeren umflossene Scheibe sei. Von der Kugelgestalterfuhren die europäischen Studenten ein Jahrtausendspäter, im Hochmittelalter, auf den maurischen Uni-versitäten Spaniens! Und erst Ende des Mittelalterskam man wieder darauf zurück88.

Laktanz schmäht die Naturwissenschaft als barenUnsinn. Kirchenlehrer Ambrosius verwirft sie radikalals Angriff auf die Majestät Gottes. Die Frage nachder Beschaffenheit oder Lage der Erde interessiertAmbrosius gar nicht. Sie sei für die Zukunft ohne Be-lang, sagt er. »Es mag genügen zu wissen, daß der

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Text der heiligen Schriften die Bemerkung enthält:›Er hing die Erde auf im Nichts‹«. Kurz darauf erle-digt Ambrosius eine ähnliche Frage mit der Antwort:»Hierzu genügt, wie ich glaube, des Herrn Äußerungan seinen Diener Job, da er durch eine Wolkesprach ...« Dagegen vertritt dieser Kirchenlehrer dieExistenz mehrerer, mindestens dreier Himmel, weilDavid »die Himmel der Himmel« erwähne und Paulusversichere, »in den dritten Himmel entrückt wordenzu sein.«89

Welchen Begriff Ambrosius von Naturphilosophiehat, erhellt schon daraus, daß er allen Ernstes behaup-tet, es »enthält sicherlich die nach Johannes betitelteEvangeliumschrift Naturphilosophie«. Und das mitder Begründung: »Denn niemand sonst, wage ich zubehaupten, hat mit so erhabener Weisheit, die Maje-stät Gottes geschaut und in eigenartiger Sprache unserschlossen.« Kein Wunder, daß Ambrosius auch diePhilosophie unnütz erscheint, habe sie doch die Aria-ner irregeführt. Dabei war er selbst von ihr stark be-einflußt, besonders vom Neuplatonismus, ja, erschrieb dessen größten Vertreter, Plotin, weithin be-denkenlos aus. Und bei seiner christlichen Pflichten-lehre für Geistliche, »de officiis ministrorum«, hat derhl. Bischof nicht nur den Titel von Cicero übernom-men, sondern im Grunde nahezu alles, Form, Struk-tur, sehr oft sogar die Reihenfolge und die Grundhal-

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2.583 Deschner Bd. 3, 371»... sie beschäftigen sich mit Geometrie«

tung, die er bloß verchristlicht. Er ist, bezeichnendgenug, gar nicht imstand, eine eigene christlichePflichtenlehre aufzustellen, er braucht die des heidni-schen Autors, und dies eben derart, daß man spottenkonnte, Cicero sei durch Ambrosius eine Art Kirchen-vater geworden. Gleichwohl beurteilt er die dialecticidurchwegs negativ, weist er weltliche Wissenschaftoft und entschieden ab.

Vielleicht ist es ganz instruktiv, einmal den geisti-gen Habitus und Horizont des Mannes ahnen zu las-sen, der immerhin seit dem 8. Jahrhundert im Abend-land mit Hieronymus, Augustinus und Papst Gregor I.zu den größten aller Kirchenväter zählt. Und von demnoch ein katholischer Theologe des 20. Jahrhundertsschreibt, daß er gerade mit seiner »ausgedehnten lite-rarischen Tätigkeit«, mehr als mit seiner kirchenpoli-tischen, »seines Namens Klang und seines GeistesFrucht der bewundernden und dankbaren Nachweltaufbewahren sollte« (Niederhuber)90.

Wir folgen dem Berühmten dabei in ein Gebiet, aufdem er Experte ist, dem der Allegorese; und wir legendiese seine Kunst zudem anhand eines Buches dar,das als sein Meisterwerk gilt, so daß der Vorwurfeiner unfairen Auswahl fairerweise kaum gemachtwerden kann.

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2.584 Deschner Bd. 3, 372»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

»... seines Namens Klang und seines GeistesFrucht«. Des hl. Ambrosius Beweise für

keusche Witwenschaft: Turteltaube,Jungfraugeburt der Gottesmutter: Geier,

Unsterblichkeit: Vogel Phönix und andereErleuchtungen

Schon in der Antike zwar gab es Christen, denen dieallegorische Exegese ziemlich albern vorkam, hoff-nungslos subjektiv; die in solchen Theologen Leutesahen, die jedes Wort so lange drehten, bis er hergab,was es sollte, was man wollte. Die Exegeten selberaber waren sich völlig einig, daß jede wörtliche Text-interpretation bloß oberflächlich sei, daß ein buch-stäbliches Verständnis nur manchmal und häufig garnicht den eigentlichen Sinn erschließe. Der wahreSinn stecke tiefer, sei geheimnisvoll von Gott ver-schlüsselt und müsse von ihnen mittels der Allegoresesichtbar gemacht werden. Auch Ambrosius ist dieserMeinung, auch ihm ist die Annahme eines höherenSchriftsinnes unerläßlich, und so unterscheidet ermanchmal einen zweifachen solchen Sinn, littera undsensus altior, manchmal aber auch drei Sinnesarten:sensus naturalis, sensus mysticus und sensus moralis.Doch wollen wir uns nicht im Abstrakten bewegen.

Da ist zum Beispiel das Paradies, dessen »ge-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.585 Deschner Bd. 3, 372»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

schichtlicher« Charakter natürlich nicht bestrittenwird, ein Bild der Seele, und die vier Paradiesesflüssesind die vier Kardinaltugenden. Da fungiert die Archeals Symbol des Menschenleibes, ihre einzelnen Teileentsprechen den Körperteilen, die Tiere der Arche denBegierden. In »De Isaac et anima« symbolisiert dieHochzeit von Isaak und Rebekka die VereinigungChristi mit der menschlichen Seele. In »De patriar-chis« werden unter Simeon die Schriftgelehrten, unterLevi die Hohenpriester zur Zeit Jesu verstanden. Kraftsolcher allegorisch-mystischer Bibelauslegung, typo-logischer Deutungen und Umdeutungen kann Ambro-sius nicht nur eine Fülle »messianischer Weissagun-gen« bergen, sondern auch einen Kopf wie Augusti-nus faszinieren. Wurde diesem weiteren großen, die-sem größten Kirchenlicht doch nun »nicht mehr zuge-mutet, die Schriften des Alten Testaments, das Gesetzund die Propheten mit dem Auge zu lesen, mit wel-chem sie mir früher unsinnig erschienen ...«. Nein,jetzt, da Ambrosius unter der harmlosen Hülle tiefeGeheimnisse freilegte, brauchte Augustin die Religionseiner Mutter nicht mehr als Altweibermärchen zuverachten, konnte er, gewappnet durch die ambrosia-nischen Erleuchtungen, die manichäische Kritik amAlten Testament für überwunden halten, erkannte all-mählich auch er, Augustin, überall den höheren Sinn.»Oft«, berichtet er, »habe ich mit Freuden gehört, wie

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2.586 Deschner Bd. 3, 373»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

Ambrosius in seinen Vorträgen an das Volk sagte:›Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendige undwie er dann da, wo der Buchstabe Verkehrtes zu leh-ren schien, den mystischen Schleier wegzog und dasgeistige Verständnis aufschloß‹«. (Wobei Ambrosius,im Gefolge früherer Kirchenväter, die alttestamentli-chen Juden ganz selbstverständlich »die Unsrigen«,nostri, nannte oder gar »unsere Vorfahren«, maioresnostri)91.

Wie der Geist aber lebendig macht, den mystischenSchleier hebt, dies wollen wir jetzt auf sozusagen na-turwissenschaftlichem Gebiet bei dem hl. Kirchenleh-rer anhand seines »Exameron (Hexaemeron) libri sex«betrachten, eines Buches, das aus neun an sechs auf-einanderfolgenden Tagen gehaltenen Predigten überdas »Sechstagewerk«, den mosaischen Schöpfungsbe-richt, besteht. Da es der Mailänder Bischof (I 9. Kap.)bereits im reifsten Alter, als »senex«, wenige Jahrevor seinem Tod, geschrieben hat, verspricht es beson-ders viel an symbolischer Kunst und Weisheit, zumales noch die neueste katholische Theologie auch »lite-rarisch ein Meisterwerk voll glänzender Natur Schil-derungen« nennt (Altaner/Stuiber), »vielleicht desAmbrosius schönstes Werk« (Moreschini)92.

Da macht der hohe Exeget etwa die Turteltaube –einst bei der Beschneidung des Herrn, gemäß demGesetz des Herrn, ein Opfer für den Herrn – zum Vor-

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2.587 Deschner Bd. 3, 373»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

bild keuschen Witwenstandes. Ambrosius ist hierSpezialist, hat er doch in einer eigenen Schrift »Überdie Witwen« gezeigt, wie sehr der Witwenstand einerzweiten Ehe vorzuziehen sei – ganz beiseite, daß derHeilige gerade als Autor zahlreicher moralisch-asketi-scher Traktate die besondere Anerkennung der theolo-gischen Fachwelt gefunden hat.

Doch zur Turteltaube, zum Beschneidungsopfer.Ambrosius schreibt: »Das ist nämlich das wahreOpfer Christi: leibliche Keuschheit und geistigeGnade. Die Keuschheit bezieht sich auf die Turtel, dieGnade auf die Taube.« Und nachdem der begnadeteInterpret uns gelehrt hat, daß »die Turteltaube, sobaldsie nach Verlust des Männchens Witwe geworden,tiefen Abscheu gegen das, was Paarung ist undheißt«, hege, da »die erste Liebe sie durch des Gelieb-ten Tod enttäuschte und betrog, weil dieselbe anDauer unbeständig war und an Bescherung bitter,indem sie noch größere Todestrauer als Liebeswonnezeitigte«, kommt er zur Moral der Geschichte von derTurteltaube: »So verzichtet sie denn auf eine nochma-lige Verbindung und verletzt nicht die Rechte derKeuschheit und den Bund, den sie mit dem geliebtenGatten eingegangen: ihm allein wahrt sie ihre Liebe,ihm hütet sie den Namen Gattin. Lernet, Frauen, wieerhaben der Witwenstand ist, dessen Lob selbst in derVogelwelt sich ankündigt.«93

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2.588 Deschner Bd. 3, 374»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

Die Turteltaube treu über den Tod des Gatten hin-aus! Ja, die Frauen hat Ambrosius stets mit besonde-rer Hingabe aufgeklärt, vor allem den JungfrauenOpus auf Opus gewidmet, besonders bedürftig undbenachteiligt, wie Frauen waren und sind. Denn, soder hl. Kirchenlehrer: »Die Frau muß das Haupt ver-hüllen, weil sie nicht das Ebenbild Gottes ist.« Am-brosius konnte sich dabei auf den hl. Paulus beziehen.Der Völkerapostel und die Turteltaube. Wer, fragtAmbrosius, wer gab der Turteltaube diese Gesetze?Kein Mensch. »Denn kein Mensch hätte das gewagt,nachdem selbst Paulus es nicht gewagt hat, die Beob-achtung der Witwenschaft zur Gesetzesvorschrift zuerheben.« Nur als Wunsch spreche der Apostel beiden Frauen aus, was bei den Turteltauben steterBrauch sei. Wenn aber selbst Paulus die Beobachtungder Witwenschaft nicht obligatorisch machte, werhätte sie dann den Turteltauben auferlegen können?Nur Gott, natürlich. »Gott also senkte den Turteltau-ben diesen Trieb ein, gab ihnen diese Kraft der Ent-haltsamkeit; denn nur er vermag ein allgemein bin-dendes Gesetz hierzu zu geben. Die Turteltaube ent-brennt nicht vor blühender Jugend, läßt sich durchkeine lockende Gelegenheit verführen. Die Turteltau-be kennt keine Verletzung der ersten Treue; denn sieweiß die Keuschheit zu wahren, die sie bei der erstenVerbindung, die ihr beschieden war, gelobte.«94

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2.589 Deschner Bd. 3, 375»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

Kirchenlehrer!»Schöne Naturschilderungen und reiche Erzählun-

gen aus dem Leben der Tiere«, rühmt das katholischeStandardwerk Otto Bardenhewers, einst Doktor derTheologie und der Philosophie, Apostolischer Proto-notar und Professor an der Universität München, dem»Hexaemeron« des Ambrosius nach. »Die Tiere wer-den dem Menschen als Muster vorgehalten. Die edleVolkstümlichkeit des Kanzelvortrags des Verfasserserprobt sich in glänzender Weise.« Ja, »seines Na-mens Klang und seines Geistes Frucht ...«95.

Man sieht nebenbei, wie hoch die katholische Kir-che das Tier hält! Und da Ambrosius gerade von der»Tugend« der »Witwenschaft der Vögel« gesprochen,will er, das liegt nahe, gleich im nächsten Kapitel»von der Jungfrauschaft sprechen, die sogar, wie ver-sichert wird, bei mehreren Vögeln vorkommt. Sokann sie auch bei den Geiern wahrgenommen wer-den«, die nämlich »keinem Geschlechtsverkehr huldi-gen«, deren Empfängnis »ohne jedwede Begattung«,deren »Zeugung ohne Männchen« vor sich gehe, wes-halb wohl auch die Geier »in einem langen Leben einso hohes Alter erreichen, daß sich ihre Lebenstage biszu hundert Jahren fortfristen, und nicht leicht einekurzbemessene Altergrenze ihrer wartet«. Und nuntrumpft der illustre Kirchenfürst auf. Bezeugen all diebegattungslos geborenen Geier (und andere Vögel

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2.590 Deschner Bd. 3, 375»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

mehr) doch nichts Geringeres als die Möglichkeit undGlaubwürdigkeit der Jungfraugeburt der hl. Gottes-mutter Maria.

Ja, ruft Ambrosius der Christenheit wie der ganzenungläubigen Welt zu: »Was sagen dazu die Spötter,welche so gerne unsere Geheimnisse verlachen, wennsie hören, daß eine Jungfrau geboren hat, und welchedie Geburt einer Unvermählten, deren Scham keinesMannes Beischlaf verletzt hat, für unmöglich halten?Für unmöglich will man bei der Gottesmutter das hal-ten, dessen Möglichkeit man bei den Geiern nicht inAbrede stellt? Ein Vogel gebiert ohne Männchen, undniemand widerspricht dem: und weil Maria als Ver-lobte geboren hat, stellt man ihre Keuschheit in Frage.Merken wir denn nicht, wie der Herr gerade im Natur-leben eine Menge Analogien vorausgehen ließ, umdurch dieselben das Schickliche seiner Menschwer-dung zu beleuchten und deren Wahrheit zu beglaubi-gen?«96

Kirchenlehrer!Das »Hexaemeron«, dieses »interessante und wich-

tige Werk« (Bardenhewer), das »literarische Meister-werk des heiligen Ambrosius« (Niederhuber), führt insolch zoologisch wie theologisch überaus lehrreicherWeise einen ganzen Tierpark vor, einschließlich derNachtvögel, der Fledermaus, der Nachtigall, Symboldes Gotteslobes und der Himmelssehnsucht. Die

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2.591 Deschner Bd. 3, 376»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

Spannweite reicht von der lichtscheuen Eule als Sinn-bild gottfremder böser Weltweisheit (im alten Ägyp-ten ein verehrtes, heiliges Tier) bis zum »Hahnenrufnach seiner physischen, sittlichen und heilsgeschicht-lichen Bedeutung«. Schreckt das Krähen des Hahnsdoch nicht nur Räuber ab, sondern weckt auch denMorgenstern. Vor allem aber: »Auf seinen Ruf erhebtder Frommsinn sich hurtig zum Gebet und geht vonneuem an die Übung der (Schrift-)Lesung«. Deshalbschließt Ambrosius auch das fünfte Buch seines Mei-sterwerkes: »So laßt uns denn jetzt, nachdem wir derVögel heiteres Lied mitgesungen, in den Hahnenrufmiteingestimmt haben, des Herrn Geheimnisse sin-gen! Bei Jesu Leib sollen sich einfinden die Adler,verjüngt durch die Reinigung der Sünden! Dennschon hat uns jener große Walfisch den wahren Jonas(Christus) an das Land getragen ...«97

Allmächtiger!An anderer Stelle desselben Geniestreiches dient

der hochgefeierten Kirchenkoryphäe die Metamorpho-se der Seidenraupe, der Farbwechsel des Chamäleonsund des Hasen sowie der wiedererstehende Phönix alsSinnbild und Beweis der Auferstehung.

Über den Phönix, der in Arabien »bis zu fünfhun-dert Jahren« leben soll, berichtet Ambrosius: »Wenner nun sein Lebensende nahen sieht, bereitet er sichaus Weihrauch, Myrrhe und sonstigen wohlriechen-

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2.592 Deschner Bd. 3, 377»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

den Gewürzen einen Sarg, worin er nach Ablauf sei-ner Lebenszeit eintritt und stirbt.« Die Myrrhe alsAuferstehungssymbol hat der ambrosianische Vogelnicht schlecht gewählt; auch der Weihrauch mag Auf-trieb schaffen; und Vernebelung; jedenfalls rauchte erlängst in buddhistischen und hinduistischen Tempeln,in griechischen und römischen, im Baalsdienst derKanaanäer, im Jahwetempel zu Jerusalem – ehe ihndas Christentum als »Speise der Dämonen« (Tertulli-an) verdammt, dann aber gleichfalls übernommen hatbei Räuchereien vor Märtyrergräbern, Altären, Heili-genbildern, bei sonstigen Weihehandlungen, beim la-treutischen Sakramentskult, in der Meßliturgie, schonim ältesten Ordo Romanus ...98

Der Vogel Phönix also ist mythologisch gut einge-sargt. Und nun ersteht aus »seinem modernden Flei-sche«, weiß Ambrosius, »ein Würmlein«, demWürmlein wachsen »im Laufe einer bestimmten FristFlügel«, und schließlich ist von neuem der alte Vogelda, pudel- oder vielmehr phönixmunter – wie wir beider Auferstehung. »Möchte denn dieser Vogel, derohne ein Vorbild zu haben und ohne die Bewandtnisdessen zu begreifen, sich selbst die Sinnbilder derAuferstehung zubereitet, wenigstens durch das Vor-bild, das er selbst gibt, den Auferstehungsglaubenlehren! Sind doch die Vögel des Menschen wegen da,nicht der Mensch um eines Vogels willen. Er sei uns

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sonach ein Vorbild dafür, daß der Urheber undSchöpfer der Vogelwelt seine Heiligen nicht fürimmer dem Untergang verfallen läßt: ließ er dochnicht einmal diesen einen Vogel untergehen, sondernwollte, daß er aus seinem eigenen Samen erstehe undforterhalten werde. (Oder) wer zeigt ihm den Todestagan, daß er sich den Sarg bereite, mit Gewürzen ihnfülle, in denselben trete und da sterbe, wo lieblicherDuft den üblen Leichengeruch zu absorbieren ver-mag?

So sarge auch du, o Mensch, dich ein! ›Zieh denalten Menschen mit seinem Tun aus und zieh einenneuen an!‹« Ambrosius ruft es mit dem hl. Paulus, dersich einst »auch wie ein guter Phönix« einsargte »underfüllte seinen Sarg mit dem Wohlgeruche des Marty-riums«.99

Der Bischof von Mailand, Verfasser von fast zweiDutzend Exegetica über das Alte Testament (währender sich, mit derselben hohen Kunst, beim Neuen aufdas Lukasevangelium beschränkte), setzt Philosophiegern der Sophistik gleich, natürlich im negativenSinn. Paßt ihm etwas nicht, ist es »die berüchtigteKniffigkeit der Sophistik«. Wiederholt wirft er auchWeltweise, Judenvolk und »Häretiker« in einen Pott,lauter Leute, die »am reichen Wortschwall«, an»überschwenglicher Redefertigkeit sich ergötzen,über die schlichte Lehre des wahren Glaubens sich

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2.594 Deschner Bd. 3, 378»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

hinwegsetzen und so unnütze Schätze bergen«, abernicht dem Volk »das Heil bringen. Christus allein istes, der die Sünden des Volkes hinwegnimmt ...«

Was ein solcher Kopf unter Wissen, Wissenschaft,Unwissenheit versteht, was er von der (Natur-) Wis-senschaft seiner und der früheren Zeit hält, ist ganzklar. Sie interessiert ihn nicht. Wissenschaft, Weis-heit, Wahrheit, das alles ist für ihn die Bibel, derliebe Himmelvater, das Jenseits. Selbst Bardenhewerkonzediert: »Er schiebt alle Fragen, welche keine Be-deutung für das ewige Leben haben, sofort beiseite.«Und Ambrosius selber vergleicht die Gelehrten mitder Nachteule, deren große blaue Augensterne diedunklen Schauer der Finsternis nicht bemerkten. »DieWeisen der Welt«, schreibt er, »sehen nicht; im Lich-te schauen sie nichts; in der Finsternis wandeln sie«,und schließlich verfallen sie, »vom Glaubenspfadeabgeirrt, trotz des Tages Christi und des Lichtes derKirche, die ihnen aus nächster Nähe leuchten, der Fin-sternis ewiger Blindheit. Sie sehen nichts, nehmenaber den Mund voll ...«100

Nehmen ihn aber nicht gerade die Theologen, dieKirchenväter voll? Wissen nicht gerade sie das buch-stäblich Unglaublichste über Gott? Lösen nicht gera-de sie durch ihre Exegetenkunst, ihre oft tollstenBuchstaben-, Namen- oder Zahlen-Spekulationenund -Spielchen noch die schwierigsten Bibelpro-

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2.595 Deschner Bd. 3, 378»... seines Namens Klang und seines Geistes ...

bleme? Wobei sie, wie stets, nicht einmal originellsind, sondern die seit dem 6. vorchristlichen Jahrhun-dert, seit der allegorischen Homerauslegung üblicheheidnische Schultradition fortsetzen? Fand nicht etwader Barnabasbrief, von Clemens Alexandrinus undOrigenes zur Heiligen Schrift gezählt, beispielsweiseden (nun einmal schwer aus dem Alten Testament zubeweisenden) Kreuzestod Jesu (vgl. S. 202) geweis-sagt in der Beschneidung der 318 Knechte Abrahams,da diese Zahl die griechischen Zahlzeichen IHT ent-halte (I = 10, H = 8, T = 300), somit I Jesus und Tdas Kreuz bedeute!?101

Und erhellte nicht auf eben diesem Niveau selbstder größte aller Kirchenlehrer die Christenheit? Dennauch Augustinus bevorzugte, besonders in seinen Pre-digten – allein an echten ein halbes Tausend –, den al-legorischen Sinn. Nur so wurde er ja mit der Polemikder Manichäer gegen das Alte Testament überhauptfertig. Und als er 393/94 eine Exegese der Genesisnach dem Buchstabensinn versuchte, brach er seinBuch (»De Genesi ad litteram imperfectus liber«) be-zeichnenderweise bereits nach Auslegung des 1. Ka-pitels wieder ab. (Auch eine 401 begonnene umfang-reiche Erklärung »De Genesi ad litteram« erörtert nurdie drei ersten Kapitel.)102

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2.596 Deschner Bd. 3, 379Von den Exegesekünsten des hl. Augustinus;

Von den Exegesekünsten des hl. Augustinus;was er glaubte und nicht glaubte – und daß alles,was ein Mensch zu wissen brauche, in der Bibel

stehe

Bei seiner Allegorese verfährt Augustin genau so, wiees unter den kirchlichen Theologen weithin üblichwar und bleibt; wo dann der Mond zum Sinnbild derKirche wird, die Gottes Licht reflektiere, der Windzum Sinnbild des Heiligen Geistes oder wo die Zahl11 für »Sünde« steht, weil sie die Zahl 10 übertrat,die natürlich die Zehn Gebote bedeutet. Nach dieserMethode erkennt Augustin im Gleichnis Jesu vomVerlorenen Sohn: in dem Vater Gott, im älteren Sohndie Juden, im jüngeren die Heiden, im Gewand, mitdem man den Heimkehrenden bekleidet, die Unsterb-lichkeit, im gemästeten Kalb, das man schlachtet, den(durch die Sünden der Menschen gemästeten) Chri-stus und so weiter. Für den Kern des Gleichnisses hater offenbar gar keinen Blick. Wie Augustin aber nochdie ungewöhnlichsten Schriftaussagen bewältigt, magein Beispiel aus seinen 124 »Tractatus in Joannisevangelium« zeigen, die als »besonders wertvoll«(Altaner/Stuiber) gelten; auch hatte er die im folgen-den angeführte Predigt, die 122. dieses Buches, wahr-scheinlich erst 418, somit in seiner Spätzeit, im erfah-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.597 Deschner Bd. 3, 380Von den Exegesekünsten des hl. Augustinus;

renen Alter, niedergeschrieben und gehalten.Im Johannesevangelium 21,11 also las Augustin,

daß Petrus beim wunderbaren Fischzug am See vonTiberias »hundertdreiundfünfzig große Fische« anLand zog. 153 – diese genaue Zahl gab dem großenAugustin zu denken. Doch ergründete er noch ganzandere Mysterien und so natürlich auch das Geheim-nis der 153 Fische. Sie symbolisieren, ganz klar, alleAuserwählten! Denn, sein schlagender Beweis: 10,die Zahl der Zehn Gebote, repräsentiert das Gesetz; 7,die Zahl der Geistesgaben, vertritt den Heiligen Geist.Nun nehme man dazu noch die Gnade des HeiligenGeistes, das macht: 10 + 7 = 17. Jetzt braucht mannur noch alle Zahlen von 1 bis 17 zusammenzuzäh-len – und was erhält man? Die Zahl 153! Da stauntder Fachmann, der Laie wundert sich. Aber es war, istund bleibt eine glatte Rechnung. Und Augustinus, dergrandiose Erklärer der »Heiligen Schrift«, hat überdiesen Fischfang, diesen doppelten wunderbarenFischfang gleichsam, und über die von ihm ergründe-te Bedeutung der Zahl der 153 Fische immer wiedergepredigt – es muß ein triumphales Gefühl gewesensein und seinen Schäfchen ob all der Weisheit wahreSchauer der Ehrfurcht über den Rücken gejagthaben103.

So viel Aufwand übrigens für ein Evangelium, dasnicht nur nicht der Apostel Johannes schrieb (S. 95 f),

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2.598 Deschner Bd. 3, 380Von den Exegesekünsten des hl. Augustinus;

sondern das einst als »ketzerische Schrift« von recht-gläubigen Kreisen verworfen, dann um die Mitte des2. Jahrhunderts von einem kirchlichen Redaktor über-arbeitet worden war, wobei er u.a. das ganze 21. Ka-pitel hinzugefälscht hat (S. 113), just das, in dem un-sere »153« Fische herumschwimmen104.

Augustins geistige Leistung – es ist eine theologi-sche, vielleicht die größte, und das spricht ja rebus sicstantibus am meisten gegen ihn! – wurde seit je über-schätzt (I 464 ff). Er war immer, ausgenommen viel-leicht gewisse psychologische Beobachtungen, einNachempfinder, der nur versuchte, »das, was ihmbeim Nachdenken der Gedanken eines andern aufge-gangen war, in ein persönliches Erlebnis umzuwan-deln« (K. Holl). Er hatte »zeitlebens niemals den Mutzu selbständigem freien Denken«, ja, schlimmer,Heinrich Dannenbauer, der so lesenswerte, erhellendeHistoriker, sah sich versucht, auf Augustin das Wortdes alten Goethe über Lavater anzuwenden: »Dieganz strenge Wahrheit war nicht seine Sache; er belogsich und andere.«105

Augustinus war völlig autoritätshörig. Er mußteimmer irgendwo unterkriechen, sich anschließen, denManichäern, der akademischen Skepsis, dem Neupla-tonismus, schließlich dem Christentum; wobei ersogar der Bibel nur glaubte wegen der Autorität derKirche (die ihre Autorität durch die Bibel begrün-

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2.599 Deschner Bd. 3, 381Von den Exegesekünsten des hl. Augustinus;

det!). Die Autorität der Bibel aber verbürgt wieder fürAugustin die Wahrheit. Was sie sagt, ist wahr, sie istvöllig irrtumslos. »Ja, die Schrift erscheint zuweilenals Norm des Profanwissens. Von den Berichten derHistoriker soll nur das geglaubt werden, was denAussagen der Schrift nicht widerspricht« (Lorenz)106

Zur Zeit Augustins war sowohl der Umfang desWissens wie die Qualität der Erziehung bereits gesun-ken. Immerhin zählte eine gewisse klassische Bildungnoch so viel, daß man damit im Römischen Reicheine staatliche Karriere machen, selbst zu hohen,höchsten Würden gelangen konnte. Augustinus er-strebte dies, wobei ihn (384) Symmachus, der heidni-sche Stadtpräfekt Roms, gefördert und ihm die Stelleeines Lehrers der Rhetorik in Mailand vermittelt hat.Doch seine geschwächte Gesundheit erzwang denVerzicht auf seine Ambitionen. Vermutlich hängt es(auch) damit zusammen, daß Augustin, dessen Aus-bildung zu spät anfing und zu früh endete, »immereine gewisse Geringschätzung für die reine Gelehr-samkeit« empfand und die damalige Bildung »als einezum Tode verurteilte Sache zu verachten« begann(Capelle)107.

Hebräisch konnte der Bischof von Hippo über-haupt nicht. Auch seine Kenntnis des Griechischenwar schwach. Bloß notdürftig vermochte er griechi-sche Texte zu übersetzen. Die griechische Bibel zwar

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2.600 Deschner Bd. 3, 382Von den Exegesekünsten des hl. Augustinus;

kann er, der Rhetor, der jahrelange Lehrer an höherenSchulen, gerade noch lesen. Aber die Klassiker, selbstPlaton und Plotin, soweit er sie kennt, und die grie-chischen Kirchenväter, soweit er auch sie kennt, liester in lateinischen Übertragungen. Und wohl das mei-ste, was er benutzt, zitiert er aus zweiter Hand. Nurwenig entstammt direkten Quellen: Livius, Florus,Eutropius, vielleicht Josephus, vor allem aber MarcusTerentius Varro, der größte Gelehrte des alten Rom,dessen »Antiquitates rerum humanarum et divinarum«seine einzige Quelle hinsichtlich der heidnischenGottheiten sind108.

Augustins naturwissenschaftliche Bildung ist sehrschwach. Zwar will er an Pygmäen, Hundsköpfe oderLeute, die unter ihren Plattfüßen Sonnenschutz su-chen, nicht um jeden Preis glauben, credere non estnecesse. Doch daß der Diamant bloß durch Bocksblutsich spalten lasse oder daß in Kappadokien der Winddie Stuten schwängere, das glaubt er fest. Fest glaubtAugustin auch an das Fegfeuer. Ist er doch sogar dererste Theologe, der diese Vorstellung aufgegriffen undihr dadurch dogmatische Geltung verschafft hat. Festglaubt Augustin auch an die Hölle, ja, er malt sienachdrücklich als wirkliches körperliches Feuer undlehrt, daß der Grad der Hitze sich nach der Schwereder Sünden richte. Dagegen glaubt er keinesfalls,nulla ratione credendum est, die Erde habe eine Ku-

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2.601 Deschner Bd. 3, 382Von den Exegesekünsten des hl. Augustinus;

gelgestalt, obwohl es seit vielen Jahrhunderten bewie-sen ist109.

Die Naturwissenschaften geben nach Augustinmehr Meinung als Wissen. Die Erforschung der Weltsei überhaupt nur die Untersuchung einer Scheinwelt.Das gilt für das Theater ebenso wie für die Naturwis-senschaft oder Magie. Schaulust, Neugier da wie dort.»Infolge dieser krankhaften Begier werden im Theaterwunderbare Effektstücke aufgeführt. Von da aus gehtman weiter, die Geheimnisse der Natur, die außer unsliegt, zu ergründen, was zu wissen nichts nützt undnichts anderes ist, als Neugier der Leute.« Die bloßaufs Irdische, nicht auf Gott gerichtete »curiositas«sei pervers und gefährlich, eine »fornicatio animae«,eine Seelenhurerei, Gemeinschaft mit den Dämonen.So verwirft er nicht nur die »magischen Künste«;auch Medizin und Landwirtschaft sind ganz überflüs-sig. Das reine Sein Gottes, lehrt er gut neuplatonisch,stehe unsrem Geist näher als das körperliche110.

Augustin, der stark aus Platon geschöpft und zeit-weise geglaubt hat, Platonismus und Christentumseien bis auf ein paar Wörter dasselbe, übernahm be-sonders den Neuplatonismus, geradezu »ein Lehrmei-ster auf Christus hin«. Philosophie und Theologiegehen bei dem Bischof, zumal nach 400, ständig in-einander über, wobei jedoch alles vom Christentum,von der »vera religio« her gesehen wird, da der

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Mensch nach der Augustinischen Illuminationslehrenur wahrhaft erkennen kann, wenn ihn Gottes Gnadeund Licht erleuchtet. Weltliches Wissen und Bildunghaben so keinerlei Selbstwert, sie gewinnen Wert nurim Dienst des Glaubens, sie haben keinen anderenZweck, als zur Heiligkeit zu führen, zu einem tieferenVerständnis der Bibel. Auch Philosophie, die dem Al-ternden bloß mehr »spitzfindiges Geschwätz« (garru-lae argutiae) dünkt, ist für ihn lediglich als Deuterinder »Offenbarung« wertvoll. Alles wird somit Hilfs-mittel, wird nur Werkzeug für das Schriftverständnis.Andernfalls ist Wissenschaft, jede Wissenschaft, Ab-fall von Gott111.

Um Gott dreht sich bei Augustin im Grunde alles,um ihn und die Kirche. Es ist bezeichnend, daß seineimmer wieder neu gelesene und gedeutete, die folgen-den Jahrhunderte stark beeinflussende Schrift »Dedoctrina christiana« zugleich Grundlegung christli-cher Bildung und eine Anweisung für Prediger ist.Der Bischof, der darin auch über den Nutzen der (pro-fanen) Wissenschaften schreibt und die gesamte anti-ke Bildung, soweit er sie kennt, sichtet, verdammtalles, was nicht für katholisches Denken, zumal fürdas Studium der Bibel, gebraucht werden kann. Diecuriositas, die Wißbegierde, war im Christentum stetssuspekt. Bereits Tertullian hat sie massiv bekämpft,und Augustin, der solchen Ungeist noch verstärkt ver-

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2.603 Deschner Bd. 3, 383Von den Exegesekünsten des hl. Augustinus;

tritt, greift diese Neugier, den Wissensdrang, die Hin-neigung zu rein weltlichen Zielen, geradezu systema-tisch an; was ganz folgerichtig bei ihm zur Verketze-rung der Wissenschaft, der Sinnesorgane führt: Unter-jochungswerkzeuge und Hindernisse des Glaubens.»Die Ungebildeten stehen auf und reißen das Him-melreich an sich!« So eiferte er und hielt die Anrufungder Heiligen für weit zuverlässiger bei Krankheit alsalle Mittel der Medizin, weshalb er, nicht ohne Kon-sequenz wieder, empfahl, bei Kopfweh Evangelienaufzulegen. Doch benutzten seine Schäfchen als Me-dikament auch einen Brei aus Abendmahlsbrot112.

Dagegen übernimmt er, typisch nicht nur für ihn,sondern für diese verhältnismäßig kulturfreundlicheRichtung im Christentum überhaupt, alles von den»ungerechten Besitzern«, den Heiden, was er brau-chen kann, und das ist ungeheuer viel. Man müsseihnen ihre Schätze entwenden, meint er, wie einst dieJuden bei ihrer Flucht Gold und Silber der Ägyptermitgehen ließen. So beraubt er die ganze pagane Kul-tur ihres Eigenwertes, er entmachtet sie gleichsam, umdann alles seiner Sache Dienliche wieder »fast unver-ändert in den neuen Rahmen des christlichen Weltbil-des und der christlichen Bildung« zu stellen. Die anti-ke Kultur erscheint nun »als Vorstufe des Christen-tums«, sie geht »als weltliches Gut in den Gebrauchder Christen über, nachdem die Philosophie – jetzt

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2.604 Deschner Bd. 3, 384Von den Exegesekünsten des hl. Augustinus;

endgültig christliche Philosophie geworden – sichalles irdische Wissen unterworfen hatte« (H.Maier)113.

Augustin hat, sehr lehrreich, seine christlichen Un-terrichtsvorstellungen entwickelt, die dann grundsätz-lich ein Jahrtausend maßgeblich waren! Kunst spieltda, wie noch heute in den Schulen, kaum eine Rolle.Malerei, Bildhauerei, Musik sind überflüssig, Musik-theorie allenfalls angängig, wenn sie etwas abwirft fürdas Verständnis der »Heiligen Schrift«. Genauso be-urteilt Augustin Medizin, Architektur, Landwirt-schaft, falls man sie nicht berufsmäßig betreibenmüsse. Für den Bischof war die Kirche eine »scholaChristi« und jede Wissenschaft außerhalb von ihr ver-dächtig. Zwar könne man sich befassen damit, dochnur nach gründlicher Prüfung in Auswahl und Gren-zen. Entscheidend stets ist der Nutzen für die Religi-on. Denn im Grunde, meint Augustin, stehe alles, wasein Mensch an Wissen brauche, in der Bibel, und wasdort nicht stehe, sei schädlich114.

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2.605 Deschner Bd. 3, 385Die Welt wird immer finsterer

Die Welt wird immer finsterer

Bildung wurde noch im 4., 5. Jahrhundert hochge-schätzt. Sie war die eine große Hinterlassenschaft derantiken Welt und erfreute sich »einer fast religiösenVerehrung« (Dannenbauer). Noch im Jahr 360 konnteein Gesetz des Kaisers Konstantius erklären, Bildungsei die höchste aller Tugenden. Und wirklich kulti-vierten sie viele römische und gallische Adelsfamilienjener Zeit, besonders innerhalb der senatorischen No-bilität. Doch man hütete die Bildung nur noch, manbereicherte sie nicht mehr. Und überall gab es auchganz andere Kreise und Kräfte, selbst in den höchstenPositionen. Der christliche König Theoderich »derGroße« führte zwar gut genug das Schwert, um damitVerwandte wie Rekitach oder Nebenbuhler wie Odo-akar zu erstechen, war aber nicht fähig, den eignenNamen auf Dokumente zu setzen – wie die meistenchristlichen Fürsten bis in die Stauferzeit (I 27). Mit-tels einer eigens für ihn angefertigten goldnen Scha-blone schrieb Theoderich die vier Buchstaben LEGI(gelesen). Unterricht für gotische Kinder hatte er gera-dezu verboten, werde doch, wie er gesagt haben soll,Hieb und Stich im Kampf niemals verachten, wer vorden Schlägen des Schulmeisters gezittert115.

In Gallien, wo das Schulwesen vom Beginn des 3.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.606 Deschner Bd. 3, 385Die Welt wird immer finsterer

Jahrhunderts an bis zum Ausgang des 4. blüht, ver-schwinden im Lauf des folgenden die öffentlichenSchulen anscheinend, mag es auch da und dort, inLyon, Vienne, in Bordeaux und Clermont, noch städ-tische Schulen der Grammatik und Rhetorik gegebenhaben und selbstverständlich auch dann noch privatenUnterricht. Doch dienen alle Unterweisungen, zumin-dest die literarischen, stets ausschließlicher dem Stoff-sammeln für Predigten, Traktate, der Befassung mitder Bibel, der Festigung des Glaubens. Das wissen-schaftliche Forschen war vorbei, wurde gar nichtmehr erwartet und gewollt. Die Kenntnis des Griechi-schen, seit Jahrhunderten auch im Westen Grundlageund Voraussetzung aller wirklichen Bildung, wird all-mählich eine Seltenheit. Selbst viele klassischeSchriftsteller der Römer, Horaz, Ovid, Catull, werdenimmer weniger gelesen und zitiert116.

Doch auch im Osten ist der Niedergang offensicht-lich. Für den Erzbischof Epiphanius von Salamis(gest. 403) ist Philosophie als solche schon der »Ket-zerei« verdächtig. Seine Auseinandersetzung mit derAntike beschränkt sich »auf bloße Negation« (Alta-ner/Stuiber). Aber auch Kirchenlehrer Kyrill vonAlexandrien, angeblich doch »ein Intellektueller vomausgesprochen zerebralen Typus« (Jouassard), bildetesich offenbar hauptsächlich an der Bibel, lehnte Phi-losophie anscheinend ab, ja, man hat gemeint, er habe

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2.607 Deschner Bd. 3, 386Die Welt wird immer finsterer

ihren Unterricht in Alexandrien unterbinden wollen.Der Lehrerberuf im allgemeinen verlockt schon im 4.Jahrhundert auch im Osten kaum mehr. Libanios, derVorkämpfer hellenischer Bildung, der bekanntesteRhetorikprofessor des Säkulums, beklagt die Abnei-gung gegen diesen Beruf. »Sie sehen«, schreibt er vonseinen Schülern, »daß die Sache verachtet und in denStaub gezogen ist, daß sie keinen Ruhm, keine Macht,keinen Reichtum bringt, dafür eine mühselige Knecht-schaft unter vielen Herren, den Vätern, den Müttern,den Pädagogen, den Schülern selbst, die die Verhält-nisse auf den Kopf stellen und meinen, der Lehrerhabe den Schüler nötig ... – wenn sie das sehen, someiden sie diesen heruntergekommenen Beruf wie dieSeefahrer die Klippen«117.

Im Westen gibt es zur Zeit Augustins kaum nochphilosophische Schulen. Philosophie ist verpönt, istdes Teufels, der Erzvater der »Ketzerei«, den From-men ein Grauen. Auch an einem so bedeutenden Bil-dungszentrum wie Bordeaux wird Philosophie schonseit längerem nicht mehr gelehrt. Und selbst im Ostenhat die 425 gegründete Universität von Konstantino-pel, die größte und wichtigste Universität des Römi-schen Reiches, unter 31 Lehrstühlen nur einen fürPhilosophie118.

Die Kenntnis von längst vorhandenem Wissen ver-liert sich auf fast allen Gebieten. Der geistige Hori-

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2.608 Deschner Bd. 3, 386Die Welt wird immer finsterer

zont verengt sich immer mehr. Von Afrika bis Gallienist die antike Bildung erschüttert, in Italien nahezuverschwunden, Naturwissenschaft nicht gefragt; nurnoch ein Rest von Elementarwissen vorhanden undeine konventionelle Vorliebe für Abstrusitäten, Ku-riosa – oder was man dafür hält – in der Natur. Auchim Rechtswesen kommt es, zumindest im Westen, zu»destruktiven« Zügen, einem »bestürzenden Abbau«(Wieacker). Statt zu philosophieren zitiert man Ge-meinplätze, statt Geschichte liest man Anekdoten.Weder die ältere noch jüngere und jüngste Historieinteressieren ernsthaft. Bischof Paulinus von Nola,gestorben 431, der Nachfolger des Paulus von Nola,hat nie einen Geschichtsschreiber gelesen – durchaustypisch für damals. Ganze Epochen, die römischeKaiserzeit etwa, verfallen der Vergessenheit. Der ein-zige Historiker von Rang im ausgehenden 4. Jahrhun-dert ist Ammianus Marcellinus, ein Heide. Das Lesenschöner Literatur wird abgetan. Sie ist gefährlich,weil weltlich. Ganze Synoden verbieten den Bischö-fen die Lektüre paganer Bücher. Kurz, man forschtnicht mehr wissenschaftlich, prüft kaum mehr nach,man denkt immer weniger selbständig, die Kritik er-lahmt, das Wissen schrumpft, die Vernunft wird ver-achtet. »Der helle kritische Geist der griechischenForscher früherer Jahrhunderte scheint gänzlich er-storben zu sein« (Dannenbauer). Dagegen glaubt

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2.609 Deschner Bd. 3, 387Die Welt wird immer finsterer

man, wie in der Religion, auch in »profanen« Berei-chen, der Biologie, Zoologie, Geographie, immerAberwitzigeres, ja, je verrückter, desto lieber. Autori-tätshörigkeit und phantastische Mystik triumphieren.Die Kraft der Heiligen hilft besser als die Kunst derÄrzte, sagt um 500 ein italienischer Geistlicher. Undein paar Jahrzehnte später kann den Bischof Gregorvon Tours, einen Mann mit einem Kopf voller Aber-glauben, kein Arzt heilen, doch ein Trunk Wasser mitetwas Staub vom Grab des hl. Martin wirkt Wun-der119.

Die Laienbildung, die es im 6. Jahrhundert nochgibt, erlöscht jetzt jahrhundertelang so gut wie ganz.Nur Kleriker können noch lesen und schreiben, oftschlecht genug. Auch ein Geschichtsschreiber wie Bi-schof Gregor (gest. 594) liefert dafür einen eklatantenBeweis. Seine Sprache ist barbarisch. Sie wimmeltvon schlimmsten Grammatikverstößen, er gebraucht,wie er immerhin selbst weiß und zugibt, die Präposi-tionen falsch, gebraucht für den Ablativ den Akkusa-tiv und umgekehrt, er verwechselt häufig die Ge-schlechter, verwendet für männliche weiblicheNamen, für weibliche sächliche, für sächliche männli-che. Selbst Könige sind lange Zeit Analphabeten. Im7. Jahrhundert liegt die Bildung nahezu total darnie-der. Von Afrika bis Gallien liest man fast ausschließ-lich Heiligenlegenden, Mönchsromane, und in der

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2.610 Deschner Bd. 3, 388Die Welt wird immer finsterer

Schule unterrichtet man fast gänzlich anhand derPsalmen. Nur in Spanien, wo wenigstens einige Bi-schöfe halbwegs gelehrt sind, dringt man auf ein Mi-nimum an Wissen beim Klerus, doch auch nur aufKenntnis der Bibel und kirchlichen Gesetze. Denn jemehr im beginnenden Mittelalter die weltliche Bil-dung zerrüttet, aufhört fast, desto enger, einseitiger,starrer wird die kirchliche. Das Vorurteil gegen dieweltliche wächst, man lehnt sie immer mehr ab, siegilt als unstandesgemäß. Das eigentliche Lehrbuchfür Kleriker und Mönche sind die Psalmen. Besondersdie Mönche entwickeln eine ausgesprochene Bil-dungsfeindschaft, zumal gegenüber der Philosophie.All dies ist überflüssig, schädlich, Afterwissen120.

Für die Aufnahme in ein benediktinisches Klosterdes 6. Jahrhunderts spielte es keine Rolle, ob manlesen und schreiben konnte. Und wenn man las, danndie Bibel – lectio divina. »Von einem anderen Zweckdes Lesens ist nirgends die Rede« (Weißengruber).Entscheidend für den Klostereintritt war, daß derjunge Mönch die Klosterregeln begriff, die ihm einge-trichtert wurden. Ein Unterricht für die Novizen aberfand nicht statt. Unterricht konnte hier nur Selbstun-terricht sein. Und diese »lectio«, wie man ein solches»Studium« nannte, war viel weniger Lehr- und Lern-vorgang, Wissensvermittlung, als eine religiös-asketi-sche Betätigung. »In den meisten Fällen wird der lec-

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2.611 Deschner Bd. 3, 388Die Welt wird immer finsterer

tio reine Gebetsfunktion zugekommen sein«, sie wareine »sakrale Handlung« (Illmer). Und während des»Unterrichts« steckten die Kinder – schon fünfjährige;ja bereits von der Wiege weg kamen manche ins Klo-ster – mit anderen Mönchen ebenso zusammen wiemit erwachsenen Analphabeten fast bis zum Beginndes Greisenalters. Man nannte dies die »schola sanc-ta«121.

Da beinah alle Welt aber immer dümmer wurde,glaubte sie auch immer mehr an jeden Blödsinn, zumBeispiel an jede Menge böser Geister.

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2.612 Deschner Bd. 3, 389Der Ausbruch des christlichen Geisterwahns

Der Ausbruch des christlichen Geisterwahns

»Durch das ganze Neue Testament hindurchwird ... die Existenz und Wirksamkeit von Gei-stern in hohem Maße vorausgesetzt; alte magi-sche Praktiken wirken nach«.

Der Theologe E. Schweizer122

»Die Zeit Jesu war eine Blütezeit der Dämonen-bannung. Hellenistische Fromme und jüdischeRabbinen beschworen ebenso Dämonen wieJesus und die Apostel. Jesu dämonenaustreiben-de Kraft gehört zu seinen am besten gesichertengeschichtlichen Zügen«.

Der Theologe Friedrich Heiler123

»Das Kreuz ist der Schrecken der Dämonen ...Sie erschrecken, wenn sie das Zeichen nursehen.«

Kirchenlehrer Kyrill von Jerusalem124

»Rasch verschwinden sie, wenn man sichschützt durch den Glauben und durch das Zei-chen des Kreuzes.«

Mönchsvater Antonius125

»So ist die patristische Literatur ebenso wie dieHagiographie voll von Beispielen für einen

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2.613 Deschner Bd. 3, 389Der Ausbruch des christlichen Geisterwahns

handfesten Geisterglauben, für eine höllischeHierarchie, die bis zum Jüngsten Tag gleichbe-rechtigt neben der himmlischen Hierarchie derEngelchöre stehen wird.«

B. Rubin126

»An der Existenz der bösen Geister darf derChristi nicht zweifeln, denn 1) die Hl. Schriftgibt uns davon die stärksten und überzeugendstenBeweise ... 2) Jesus selbst trieb die bösen Gei-ster aus ... 3) Jesus erteilte den Aposteln diegleiche Gewalt.«

Der katholische Theologe S. Luegs (1928)127

»Das Böse kann nicht weggelassen werden,ohne daß man das Gefüge des Ganzen stört«,»es gibt den Teufel«.

Kardinal Joseph Ratzinger128

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2.614 Deschner Bd. 3, 390Geisterglaube in vorchristlicher Zeit und im ...

Geisterglaube in vorchristlicher Zeit und imaußerchristlichen Bereich

Geister – Toten-, Ahnen-, Haus-, Natur-, Wald- undWildgeister – verkörpern Mächte menschlichen Erle-bens. Längst vor dem Christentum einzeln oder inScharen auftretend, an ein sinnliches Substrat gebun-den oder nicht, bilden sie ein gigantisches Heer. Er-halten sie keine Opfer, irren sie rastlos herum, Krank-heiten schaffend, Seuchen, Wahnsinn, Tod, aber auchErdbeben und Überschwemmungen. Im christlichenMittelalter werden sie auch die Potenz bedrohen, denBeischlaf, die Schwangerschaft129.

Schon in Sumer trieb man Dämonen mit Hilfe vonTiermasken aus. Die vedische Religion kennt ganzeDämonenklassen, menschenähnlich, tiergestaltig,mißgebildet: rak. sas, yātu, piśāc. Besonders produktivim Hervorbringen von Geistern war die ägyptischeDämonologie. Man nahm Dämonen im Diesseits undJenseits an, beziehungsweise in der Unterwelt, undließ sie im Rahmen des Dualismus in einer Aura desAußerordentlichen, Mirakulösen, Gefährlichen füroder gegen den Menschen agieren130.

Oft waren diese Geister dämonisierte Götter samtGefolge, wie die 42 Beisitzer des Osiris, derenNamen schon für sich sprechen: »Knochenzerbre-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.615 Deschner Bd. 3, 391Geisterglaube in vorchristlicher Zeit und im ...

cher«, »Blutsäufer«, »Eingeweidefresser«, »Toten-fresser«; letzterer mit dem Kopf eines Krokodils, demHinterteil eines Nilpferdes, dem Rumpf einer Löwin,deren aufgerissener Rachen zu gut beurteilten Totenauflauert. Mancher Dämon veränderte sich im Laufder Zeit, wurde aus einem guten ein böser Gott; be-rüchtigstes Beispiel der Mörder des Osiris, der GottSeth. Er verlor seine Tempel und endete schließlichals Symbol des Bösen schlechthin; während derZwerg Bes die eher entgegengesetzte Entwicklungdurchlief und aus einem Beschützer bloß der Frauenim Wochenbett zu einem Beschützer überhaupt auf-stieg, zu einem der am meisten verbreiteten wohltäti-gen Götter der Antike131.

Später kommt es in Ägypten, das im besonderenals Land der Magie gilt, bis weit in die christlicheZeit hinein zu einer ausgeprägten synkretistischen Dä-monologie, intensiveren Übernahmen als anderswo,zu Rezeptionen aus dem jüdischen, griechischen, gno-stischen, koptischen Geisterglauben u.a. Abraxas,schlangenfüßig, hahnenköpfig, gepanzert, ist der be-kannteste Dämon dieser synkretistischen Ära. Häufigauf Amuletten erscheint auch die löwenköpfigeSchlange Chnoubis. Vor allem konzentrieren sich dieTotengeister aber auf Ägypten. Einem Wesen diffusenCharakters, dessen Namen aus fünfzig Buchstabenbesteht, gilt in einem gräko-ägyptischen Text die typi-

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2.616 Deschner Bd. 3, 391Geisterglaube in vorchristlicher Zeit und im ...

sche Bitte: »Bewahre mich vor jedem Dämon in derLuft und auf der Erde und unter der Erde und vorjedem Engel und Trugbild und vor Erscheinung undGespenst und dämonischem Angang«132.

In Mesopotamien, Syrien, Kleinasien machte dieDämonin Dimme oder Lamaštu Wöchnerinnen undSäuglinge krank, verschlang jedoch auch Männer wieMädchen samt Knochen und Blut. Zur bösen Göttinüberhaupt gesteigert, wurde sie aufs greulichste vor-gestellt: mit einem Löwen- oder Adlerkopf, mit Hun-dezähnen, einem Eselsleib und Klauenfüßen; einSchwein und ein Hund saugen an ihren Brüsten, diemit Blut gewaschen sind. Die aus argen Stürmen ent-standene dämonische Dreiergruppe Lilû, lilītu, ardatlilî, die Geburt, Liebeslust und Hochzeitsnacht ver-dirbt, ist wahrscheinlich eine Verkörperung ge-schlechtlichen Versagens aus männlicher und weibli-cher Sicht, wie incubus und succubus133.

In Israel hat der Monotheismus den Geisterglaubenzwar bekämpft, doch breitete sich dieser seit Ende derKönigszeit gerade in den frömmsten Strömungen desJahweglaubens aus, ja, Jahwe selbst bekam dämoni-sche Züge. Überhaupt wurde die ganze Natur dämoni-siert. Die Gestirne, das Meer, der Sturmwind, dieWüste (sie bevölkerten u.a. eine Vielfalt von Bocks-dämonen), jeder öde Ort, auch bestimmte Tageszei-ten, wie die Mittagsglut, ebenfalls Strauße, Eulen,

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2.617 Deschner Bd. 3, 392Geisterglaube in vorchristlicher Zeit und im ...

alle gefährlichen Tiere, auch Krankheiten, wurden imalten Israel als dämonisch empfunden, mit Dämonenverbunden und stimulierten den Geisterglauben. Dä-monen hausen auch unter der Türschwelle, und man-chen solchen Ausgeburten, den Šedîm, hat man geop-fert, sogar Menschenopfer dargebracht134.

Dämonische Mischwesen sind in Israel Cherubimund Seraphim. Auf jenen, meist geflügelte Sphingen,reitet die Gottheit; diese stehen um Jahwes Thron.Auch die Grenze zwischen strafenden Engeln, den»Boten des Todes«, dem »Seuchenengel«, »grausa-men Engel«, und bösen Geistern ist schillernd135.

Das frühe und hellenistische Judentum sah den Ur-sprung der bösen Geister im sogenannten Engelfall.Auch wurden rebellische Engel samt ihrem Anführerin den Luftraum gestürzt. Und allmählich tritt immermehr der oberste der bösen Geister, der Engel der Fin-sternis, als Inkarnation aller gott- und menschenfeind-lichen Mächte hervor. Er galt als verantwortlich fürden Sündenfall Adams und Evas, er wurde der Versu-cher zur Sünde schlechthin. Vor allem aber ließ sichdurch die Satansfigur, ihre Hauptfunktion, die Gott-heit von negativen Zügen entlasten. Der Teufel, diezusammengedachte Macht der bösen Mächte und Gei-ster, drang aus Persien, in dessen alten Religionen derDämonenglaube besonders stark entwickelt war, insJudentum ein: Belial, Beelzebub (»Fliegen« oder

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2.618 Deschner Bd. 3, 393Geisterglaube in vorchristlicher Zeit und im ...

»Mistgott«), meist jedoch Satan genannt – ursprüng-lich einer der »Söhne Jahwes« aus seinem Thronge-folge136.

Unter den Rabbinen gab es Exorzisten von Beruf,die von Ort zu Ort zogen und Dämonen austrieben.Und obwohl Gott für die Guten jede Menge Schutzen-gel aufgestellt hatte, so mächtig doch, daß durch sie»tausend Dämonen nach der einen Seite fallen undtausend nach der anderen«, und obwohl man Bibel-texte als Abwehrmittel gegen böse Geister bei sichtrug, gern den fünften Vers des 99. Psalms: »Dubrauchst nicht zu bangen vor dem Schrecken derNacht ...«, trugen viele und selbst sehr gläubige Israe-liten zusätzlich Amulette. Wegen der immensen Wir-kungen des Bösen war es sogar am Sabbat erlaubt,mit einem Heuschreckenei, einem Fuchszahn odereinem Galgennagel auszugehn137.

Im talmudistischen Judentum, dem Gott als Schöp-fer der Dämonen galt, der sie nach Gen. R. 7,7 alsvierte Gattung der Lebewesen in der Dämmerung dessechsten Tages geschaffen, wurde ihre Existenz vonden Rabbinen fast ausnahmslos bejaht. Doch herrsch-te, wie auch sonst, eine Fülle verschiedenartiger Vor-stellungen über sie. R. Jochanan kannte 300 Dämo-nenarten. Myriaden von Dämonen schützten alleinden Tempel. Vor allem bevölkerten sie den ganzenLuftraum. (Noch nach moderner palästinensischer

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2.619 Deschner Bd. 3, 393Geisterglaube in vorchristlicher Zeit und im ...

Anschauung wimmelt die Luft so von Dämonen, daßeine vom Himmel fallende Nadel sie zweifellos be-rühren würde.) Dämonen versuchen zu Gott emporzu-steigen und am Vorhang vor seinem Thron dieZukunft zu erlauschen. Auch drängen sie zu den Ge-lehrtensitzungen, geistern in Feld und Haus herum,werden besonders von Unreinheit angezogen, weshalbsie mit Vorliebe auf Friedhöfen sind, Aborten, beiSpeiseresten, Abflußrinnen und Gewässern, dochauch unter gewissen Bäumen, besonders Palmen138.

Diese Dämonen sind ohne Haar, ohne Schatten,ohne Körper, hinterlassen aber gleichwohl Spuren inHühnerfußform, können auch getötet werden, wobeisich Blutspuren zeigen. Sie tragen eine Maske, die sievor einem Sünder abnehmen. Sie wirken besondersam Mittwoch und Samstag, vor allem nachts; nachdem Hahnenschrei jedoch verlieren sie ihre Macht.Selbstverständlich sind sie meist bösartig. Sie täu-schen Menschengestalten und Himmelsstimmen vor,erzeugen »eitle Träume«, verursachen viele Krankhei-ten, Geburtsschäden, bei Gelehrten Knieschwäche,Fußleiden, auch Kleiderabnützung. Sie können inMenschen und Tiere eingehen und von ihnen Besitzergreifen139.

Gegen diese Heere von Teufeln mußte man sichschützen, zumal wenn man schwach war oder krank.Und obwohl die Rabbinen verboten, sich mit »Zitaten

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2.620 Deschner Bd. 3, 394Geisterglaube in vorchristlicher Zeit und im ...

aus der Schrift« zu heilen, konnte manch Frommernicht widerstehen, etwa den 26. Vers des 15. Kapitelsaus dem Exodus auf die schmerzende Körperstelle zutun: »Ich will keine der Krankheiten auf dich legen,die ich auf Ägypten gelegt habe; denn ich, der Herr,bin dein Arzt!« Der Talmud bietet ungezählte Rezeptewider alles mögliche Unheil. »Nimm gegen dreitägi-ges Fieber sieben Spitzen von sieben Dattelpalmen,siebenmal Asche aus sieben Öfen, ohne sieben Haarevon einem alten Hund zu vergessen, und binde dasGanze an einer weißen Schnur vor die Brust: das istunfehlbar!«140

Zur Abwehr der bösen Geister gehörte genaueKenntnis ihrer Zahl und Namen sowie Beschwörung;Formeln dafür sind vielfach erhalten, auch zitierte Bi-belverse. Schutz gewährte nicht zuletzt die AnrufungGottes, das Halten seiner Gebote, regelmäßigesBeten. Doch konnten die Dämonen auch in menschli-chen Dienst gestellt, über die Zukunft befragt werden,wobei man sie anrief, ihnen Schlachtopfer, Räuberop-fer, Gußopfer darbrachte. Das magische Interesse anihnen war beträchtlich und verbreitet141.

Der Geisterwahn der alten christlichen Apologetenund Kirchenväter stammt aus verschiedenen Quellen:aus dem entsprechenden religiösen Synkretismus derZeit, aus philosophischen und volkstümlichen Vor-stellungen, aus Elementen des Spätjudentums. Vor

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2.621 Deschner Bd. 3, 394Geisterglaube in vorchristlicher Zeit und im ...

allem aber beruht dieser Geisterglaube auf der »Heili-gen Schrift«142.

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2.622 Deschner Bd. 3, 395Jesus »trieb viele böse Geister aus ...«

Jesus »trieb viele böse Geister aus ...«

Das Christentum hat gewiß einiges an heidnischemAberglauben ausgeräumt, hat von Anbeginn Wahrsa-gerei und Zauberei bekämpft, gleichzeitig freilich sel-ber nicht wenig an Schwarzer Kunst geboten.

Auf die Vergottung eines Menschen, die späte Ent-deckung des Heiligen Geistes (als letzte der drei gött-lichen Personen, die doch nur eine ist: vgl. S. 110 ff),auf die Jungfrauschaft Mariens (ante partum, in partu,post partum), ihre leibhaftige Himmelfahrt und ähn-lich Mysteriöses wollen wir uns hier erst gar nicht ka-prizieren; obwohl man kaum wird glaubhaft machenkönnen, derlei habe die wissenschaftliche Arbeit, dasautonome Denken, die geistige Emanzipation desMenschen gefördert. Auch von so manchem Hokus-pokus wird man das nicht sagen können; der Ver-wandlung von Oblaten etwa in Fleisch oder von Weinin Blutwenn aus begreiflichen Gründen auch unsicht-bar. Und daß man diesen Zauber seit ältesten Zeitendurch die Behauptung stützt, in anderen Religionensei Analoges Verleugnung des wahren Gottes, Dienstder Dämonen, Hingabe an Satan, stärkt nicht geradeseine Überzeugungskraft143.

Ganz beiseite, daß sogar heidnische Dämonen auchim Christentum sich wieder eingestellt haben. Ake-

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2.623 Deschner Bd. 3, 395Jesus »trieb viele böse Geister aus ...«

phalos etwa, eine kopflose Gestalt des griechischenVolksglaubens, die in der Zauberliteratur des religiö-sen Synkretismus als allmächtiger Offenbarungsgotterscheint, auch den enthaupteten Osiris verkörpert.Sie kehrt offensichtlich in den kopflosen christlichenWiedergängern zurück, in Enthaupteten, die nachihrem Tod umgehn. Zumal bei enthaupteten Märty-rern spielte Akephalos eine große Rolle (S. 149). Zuden zahlreichen Überbleibseln heidnischer Kulte imchristlichen Geisterglauben gehört etwa auch PontiusPilatus als »Donnerstagsdämon«, um viel Ähnlicheshier zu übergehn144.

Im ganzen Neuen Testament »wird die Existenzund Wirksamkeit von Geistern in hohem Maße vor-ausgesetzt; alte magische Praktiken wirken nach« (E.Schweizer). Ja, das gesamte »Heilswerk Christi« isteng mit der Besiegung der Dämonen, der Befreiungder Menschheit aus ihren Klauen verbunden – gerade-zu ein zentraler Gedanke in der Erlösungslehre derPatristik und oft höchst dramatisch dargestellt. Sinddoch selbst die Kinder christlicher Eltern zunächstvon »bösen Geistern« besessen, so daß diese durchExorzismus vor der Taufe ausgetrieben werden müs-sen: der daemon adsistens, daemon adsidens, daemonadsiduus – man ist über alles Unmögliche hier immergut informiert145.

Das Neue Testament kennt gemäß seiner kraß dua-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.624 Deschner Bd. 3, 396Jesus »trieb viele böse Geister aus ...«

listischen Tendenz gute und böse, heidnische und vonGott gegebene Geister. Die Dämonen, im griechi-schen (im Unterschied zum jüdischen) Glauben halb-göttliche Wesen, unterstehen dem Teufel, während derheilige Geist Gottes aus Jesus spricht. Die Synoptikererwähnen verhältnismäßig häufig Exorzismen, un-reine Geister und Dämonen, wobei sie mit beidenAusdrücken abwechseln146.

Nach einigen neutestamentlichen Schriften hat Gottdie Dämonen, die gefallenen Engel, »in finstere Höh-len hinabgestoßen« (2. Petr. 2,4), hält er sie gefangenbis »zum Gericht des großen Tages mit ewigen Ban-den in der Finsternis«, so wie etwa auch Sodom undGomorra wegen ihrer Unzucht mit »fremdemFleisch ... leiden des ewigen Feuers Pein« (Jud. 6 f).Nach anderen neutestamentlichen Stellen und im Wi-derspruch zu den genannten aber sind die Dämonenbis zum Gericht auf Erden tätig, sind »die Geister derBosheit in der Luft«, werden sie einmal sogar die»Herren der Welt« genannt (Ephes. 6,12)147.

Die Evangelien führen nicht nur Besessenheit, son-dern gelegentlich auch Krankheit auf die »Dämonen«zurück. (Der »Krankheits-Geist« ist nach Jesus »derSatan« selbst.) Böse Geister können auch an überna-türlichem Wissen teilhaben, können ihr zukünftigesSchicksal kennen, können einem Menschen innewoh-nen, aber auch ausgetrieben werden. Füllt jedoch da-

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2.625 Deschner Bd. 3, 397Jesus »trieb viele böse Geister aus ...«

nach das »Haus« nicht Gott, so kehrt der Geist mitsieben anderen bösen Geistern wieder. Lehrt doch»Jesus«, daß ein ausgetriebener »unreiner Geist« indas »Haus« zurückkehren will, das er verlassen hat.»Wenn er dann hinkommt, findet er es leer stehen,sauber gefegt und schön aufgeräumt. Hierauf geht erhin und nimmt noch sieben andere Geister mit sich,die noch schlimmer sind als er selbst, und sie ziehenein und nehmen dort Wohnung ...«148

Dem Jesus der Bibel ist das Böse-Geister-Austrei-ben doch recht wichtig – was die Apologeten nichtmehr so gern hören. Aber es kommt da nun einmalverhältnismäßig häufig zu Geisterbeschwörungen,Exorzismen, das heißt grundsätzlich zu Befehlen andie Dämonen, »Menschen und Sachen zu verlassenoder sie nicht anzufeinden« (Luegs)149.

In der Synagoge von Kapernaum treibt Jesus auseinem Mann »einen unreinen Geist« aus: »Verstummeund fahre aus von ihm!« Der Besessene windet sichdarauf in Krämpfen, und schließlich entweicht der»unreine Geist« mit einem »lauten Schrei«. Das Volkstaunt: »Auch den unreinen Geistern gebietet er, undsie gehorchen ihm!« Kein Wunder, daß man noch amselben Abend »alle Kranken und Besessenen« bringtund Markus berichtet: »er trieb viele böse Geisteraus, ließ aber die Geister nicht reden«. Gleich daraufmeldet Markus, daß Jesus »in ganz Galiläa« umher-

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2.626 Deschner Bd. 3, 397Jesus »trieb viele böse Geister aus ...«

wanderte »und die bösen Geister austrieb«. Auch dieTochter des kananäischen Weibes, die »arg von einembösen Geist geplagt« wurde, machte er gesund, eben-so eine Menge Frauen seiner nächsten Umgebung, Jo-hanna, Susanna und »viele andere«. Aus Maria Mag-dalena waren gar »sieben Teufel ausgefahren«150.

Jesus heilt vom Teufel Besessene, Mondsüchtige,Fallsüchtige. Manchmal treibt er die »bösen Geister«nur durch das »Wort« aus, manchmal »durch GottesFinger«. Manchmal entweichen sie stumm, öfter aber»schrien sie laut«, und natürlich vergessen sie nichtzu schreien: »Du bist der Sohn Gottes!« Als er einmaleinen stummen Besessenen von einem »bösen Geist«befreit und das Staunen der Volksmenge wie üblichenorm ist, meinen die Pharisäer: »Im Bund mit demObersten der bösen Geister treibt er die Geister aus.«Jesus freilich behauptet, er treibe sie aus »durch denGeist Gottes«151.

Das Glanzstück dieser allerhöchsten Teufelsban-nungen ist wohl die Heilung zweier Besessenen imLand der Gadarener (was vermutlich »Gergesener«heißen soll). Die buchstäblich armen Teufel »kamenaus den Gräbern und waren überaus grimmig«, warensie doch von einer ganzen »Legion« böser Geister be-sessen (eine römische Legion hatte damals etwa 6000Mann). Aber Jesus jagte die bösen Geister in »einegroße Herde Schweine«, die in weiter Entfernung wei-

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2.627 Deschner Bd. 3, 398Jesus »trieb viele böse Geister aus ...«

dete, worauf sie sich über einen Abgrund in einen Seestürzte und ertrank – immerhin »etwa zweitausendTiere«, nach Markus. Tiere bedeuteten im Christen-tum von Anfang an nichts, wie auch das jesuanischeFischwunder, im krassen Unterschied zum älteren py-thagoreischen, beweist. So finde ich dies evangelischeMirakel nicht so »possierlich« wie Percy ByssheShelley, der jedoch treffend höhnt: »Es handelte sichdabei um eine Gesellschaft hypochondrischer undhochherziger Schweine, sehr unähnlich allen anderen,von denen wir authentische Überlieferungen besit-zen«152.

Seinen Jüngern erteilte Jesus die gleiche Gewalt.Bereits bei ihrer »Berufung« verleiht er ihnen »Machtüber die unreinen Geister, so daß sie diese auszutrei-ben ... vermochten«. Und auch bei seiner »Aussen-dungsrede« an die Zwölf befiehlt er: »treibt böse Gei-ster aus ...« Mißlingt ihnen dies zwar noch dann undwann, so daß sie – unter sich – irritiert fragen:»Warum haben wir den Geist nicht austreiben kön-nen?«, gewöhnlich gelingt's: »Herr, auch die bösenGeister sind uns kraft deines Namens Untertan!« Undnun fahren sie aus »mit lautem Geschrei« – sogarnoch durch die Schweißtücher und Gürtel des Pau-lus153.

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2.628 Deschner Bd. 3, 398Der Exorzismus gehört zu den Kernstücken des ...

Der Exorzismus gehört zu den Kernstücken desantiken Christentums

Beim Aufzählen der wesentlichen Stücke des Chri-stentums nennt kein Geringerer als Athanasius im 4.Jahrhundert gleich an zweiter Stelle die Gewalt überdie Dämonen. Die ganze Welt dachte man sich seiner-zeit eben durch verschiedenste Gespenstersortendrangsaliert, glaubte die Erde und den Luftraum volldavon, die Furcht vor ihnen war ungeheuer weit ver-breitet. Das Christentum aber teilte diesen Glaubenund machte ihn sich zunutze. Schon Jesus und seineJünger hatten das Szenarium zumindest auch als Dä-monenbeschwörer betreten, ihre Nachfolger behaup-ten, gleichfalls die Teufel austreiben zu können, undunter all den vielen, die Geisterbannerei pflegendenreligiösen Marktschreiern wurden sie die berühmte-sten. Die Kirche versäumte denn auch nicht, in Anbe-tracht ihres erfolggekrönten Kampfes gegen die»bösen Geister« bald ein besonderes, bis heute beste-hendes Amt zu schaffen, das des Exorzisten154.

(Noch im späteren 20. Jahrhundert kommt es folg-lich zu Teufelsaustreibungen, und manchmal wirdnicht der Teufel dabei ausgetrieben – sondern dasLeben. So das der 23jährigen Studentin AnnelieseMichel, die an Epilepsie litt, aber 1976 bei dem »Ex-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.629 Deschner Bd. 3, 399Der Exorzismus gehört zu den Kernstücken des ...

orzismus von Klingenberg« in Unterfranken derKunst zweier vom Würzburger Bischof Josef Stangl –mit »der Auflage, äußerste Diskretion zu bewahren« –beauftragter Priester erlegen ist. Der als Gutachterund Experte befragte Jesuit Adolf Rodewyk, »einerder führenden Vertreter des Satansglaubens in der ka-tholischen Kirche« [Frankfurter Rundschau], bekann-te damals – 1976! – nicht nur, selbst schon »vielenBösen Geistern« begegnet zu sein, sondern auch: »Esleben viele Hexen und Hexenmeister unter uns, diemit dem Teufel im Bund stehen und von ihm angesta-chelt werden, uns Schaden zuzufügen.« Dieser krimi-nelle Schwachsinn ist natürlich obrigkeitlich vielfachgedeckt, u.a. durch eine Erklärung Papst Pauls VI. ineiner Generalaudienz vom 15. November 1972: »Wiralle stehen unter einer finsteren Herrschaft, der desSatans, des Fürsten dieser Welt, des Feindes Nummereins.« – Seinerzeit war übrigens auch in Tarent, Itali-en, eine Frau bei einer »Teufelsaustreibung« gestor-ben. Dies sind also – wie sehr vieles hier! – nicht nurDinge der christlichen Antike, sondern auch noch desnächsten Jahrtausends ...)155

Schon im Frühchristentum hatte jede größere Chri-stengemeinde ihre Exorzisten (allein die römische be-reits zur Zeit des Novatus zweiundfünfzig). Und sieoperierten so furios, daß selbst Heiden und Judenfrühzeitig anfingen, den Namen Jesu in ihre Zauber-

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2.630 Deschner Bd. 3, 399Der Exorzismus gehört zu den Kernstücken des ...

sprüchlein einzuflechten. Justin, Tertullian – von demwir hören, daß die Christen die Dämonen auch »an-blasen« –, Minucius Felix, Cyprian und andere Kir-chenväter renommierten mächtig mit diesen Austrei-bungen156.

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2.631 Deschner Bd. 3, 400Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil derKirchenväter

Der hl. Justin kommt immer wieder auf die ungezähl-ten Schändlichkeiten dieser Scheusale zu sprechen. Soseien auf ihren Antrieb die Mythen der Dichter »zurBetörung und Verführung des Menschengeschlech-tes« ersonnen worden. Auch werde der Kampf derHeiden gegen die Christen im Bund mit »den bösenDämonen« geführt, »gerade als wenn die Obrigkeitenvon ihnen besessen wären«. Besessen von ihnen sindnatürlich auch alle »Ketzer«, und mit Hilfe dieserTeufel wirken sie auch »Zauberkünste«, Wunder, eingewisser Samaritaner Simon in Rom etwa oder derSamaritaner Menander in Antiochien. Auch der »Ket-zer« Markion habe seinen Anhang »mit Hilfe der Dä-monen bei allen Volksstämmen« gefunden. »Ihmhaben viele Glauben geschenkt als ob er im Alleinbe-sitz der Wahrheit sei« – und waren doch nur »wievom Wolf geraubte Schafe eine Beute der gottlosenLehren und Dämonen«157.

Im Christentum wurde (und wird) der theologischeoder politische Gegner sehr häufig, fast in der Regel,diabolisiert.

Schon im Neuen Testament schimpft man »Ketzer«»Kinder des Fluches«, »Kinder des Teufels«. BaldKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.632 Deschner Bd. 3, 400Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

darauf nennt Kirchenvater Ignatius von Antiochienden »häretischen« Gottesdienst »Teufelsdienst«, be-ginnt bei Kirchenvater Irenäus die Verteufelung des»Ketzers« als Person, sieht auch der hl. Cyprian denTeufel besonders bei »Häretikern« am Werk (vgl. I155 ff). Und als der hl. Antonius auf Bitte der Bi-schöfe nach Alexandrien zieht, um die Arianer zu wi-derlegen, verdammt er sie und erklärt, »dies sei dieletzte Häresie und ein Vorläufer des Antichrist«(Athanasius, Vita Antonii). Seit je hat die Großkircheihre Gegner als »Erstgeborene des Satans«, »Sprach-rohr des Teufels« verunglimpft, hat sie die Lehre an-dersgläubiger Christen dämonisiert.

Schon im 2. Jahrhundert suchte man so in Phrygienim Kampf gegen den Montanismus (dessen Predigtder Kirchenlehre gar nicht widersprach, wohl aberderen laxer Moral) der Prophetin Priscilla durch Exor-zismus beizukommen. »So wahr Gott im Himmellebt, hat der selige Sotas von Anchialos den Geist ausder Priscilla austreiben wollen; die Heuchler haben esaber nicht zugelassen«158.

Die Montanisten wurden 407, auf Anraten vonPapst Innozenz I., vom Staat als Verbrecher einge-stuft, ihre Güter geraubt und ihre Vermächtnisse fürungültig erklärt. Noch im 6. Jahrhundert setzt KaiserJustinian den Kampf verschärft gegen ihre Reste fort;in ihre Kirchen eingeschlossen, verbrennen sich man-

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2.633 Deschner Bd. 3, 401Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

che mit diesen lebendig. Der klerikale Vertraute desKaisers, Johannes von Amida, Bischof von Ephesus,ein wilder Heidenbekehrer und Synagogenräuber (II390, 392), brüstet sich um 550, die Gebeine der mon-tanistischen Propheten wiederaufgefunden und zer-trümmert zu haben. Doch noch im 9. Jahrhundertgehen Staat und Kirche gegen gewisse »Phrygier«vor159.

Ja, noch 1988 spricht der katholische Theologe Mi-chel Clévenot vom Montanismus – der, dies räumt erein, keineswegs ein Schisma bewirken wollte – wievon einer Epidemie. Weithin sieht er Vergiftung, An-steckung am Werk. Er redet von einer »Landplage«und meint, nachdem der Beschluß der Exkommunika-tion durch die Kirche einmal verkündet worden sei,»bleibt nur noch, die Verurteilten so zu behandeln,wie sie es verdienen: als gefährliche Feinde, als an-steckende Pestkranke, die man verfolgen, zurückdrän-gen und ausrotten muß«. Der Ton eines katholischen»Progressisten« an der Schwelle zum 3. Jahrtau-send!160

Natürlich sind all diesen Teufelsdienern die»Rechtgläubigen« überlegen. Denn die, behauptet Ju-stin, haben auch in jenen schwersten Fällen Erfolg, indenen die Exorzisten der Heiden wie Juden versagten.Haben doch viele Christen, »eine ganze Menge vonBesessenen in der ganzen Welt und auch in eurer

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2.634 Deschner Bd. 3, 402Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

Hauptstadt, die von allen anderen Beschwörern, Zau-berern und Kräutermischern nicht geheilt wordenwaren, durch Beschwörung im Namen Jesu Christi,des unter Pontius Pilatus Gekreuzigten, ge-heilt ...«161.

Noch mehr renommiert etwas später, um 200, Ter-tullian: »Man bringe einen Dämonenbesessenen vorGericht. Auf jedes beliebigen Christen Befehl wirdjener Geist so sicher bekennen, ein Dämon zu sein,wie er sich anderswo fälschlich als einen Gott aus-gibt. Bekennt er nicht sofort, ein Dämon zu sein, da erkeinen Christen zu belügen wagt, so vergießt sofortdas Blut dieses unverschämtesten aller Christen«162.

Der größte Theologe der ersten drei Jahrhunderte,Origenes, ist der Auffassung, daß man über die bösenGeister »sorgfältige Erwägungen« anstellen müsse,und er weiß sogar, daß einige leichter auszutreibensind, wenn sie ägyptisch, andere aber »wenn sie in derSprache der Perser« angeredet werden etc. (Wissen istMacht!)163

Natürlich ließ sich nicht alles verblöden. Von derMitte des 2. Jahrhunderts an kamen die christlichenDämonenbanner nicht selten in den Ruf von Taschen-spielern oder Schwarzkünstlern. Und die Tatsache,daß eine Christengruppe der anderen die hohe Kunstdes Exorzismus rundweg absprach, daß sie einanderBetrug und Täuschung vorwarfen, mag nicht überall

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2.635 Deschner Bd. 3, 402Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

das Vertrauen gefördert haben. Nach Irenäus wirkendie Exorzisten der »Ketzer« nur »zum Verderben undzur Verführung durch magische Täuschung und jegli-chen Trug, mehr schadend als nützend denen, dieihnen glauben«. Dagegen hat der Heilige sich über-zeugt, daß Katholiken sogar Tote auf erwecken kön-nen!164

Durch die ganze Geschichte des Christentumsspukt es. In jedem Menschen, jedem Tier konnte einTeufel stecken. Dem Cyprioten Georg erschien einböser Geist im Feld als Hase und löste bei ihm eineFußkrankheit aus. Auch daß die Christen schon frühsich um eigene Begräbnisplätze sorgten, hing wesent-lich damit zusammen, daß man »die Nähe der Dämo-nen auf heidnischen Friedhöfen fürchtete« (Schnee-melcher). Die rechtgläubigen Gelehrten haben immerwieder und ausgiebig die »bösen Geister« studiert,und so konnten sie Erkenntnisse über Erkenntnissegewinnen, wenn auch vieles, wie so oft in der Wissen-schaft, kontrovers war und verschiedene Ansichtenbestanden, mitunter bei denselben »Vätern«165.

Ursprünglich hat man im Christentum zwischenden Engeln des Teufels, den sogenannten gefallenenEngeln, und den Dämonen unterschieden, dann aberbeiden Gattungen dieselben Eigenschaften beigelegt,was allmählich zu ihrer Gleichsetzung führte. Da imChristentum alles von Gott stammt, kommen natür-

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2.636 Deschner Bd. 3, 403Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

lich auch der »princeps daemonum« und seine Diener,die »bösen Geister«, von Gott. Doch fielen sie, kraftihrer Willensfreiheit, von ihm ab; nach den einen ausHochmut und Auflehnung, nach den anderen wegenihrer Verbindung mit irdischen Frauen. Sie »ernied-rigten sich zum Verkehr mit Weibern und zeugtenKinder, die sogenannten Dämonen«, schreibt Justin,der mit diversen alten Apologeten drei Klassen vonTeufeln kennt: Satan, der Eva verführte, die bösenEngel, die es mit Menschenweibern trieben, und ihreKinder, die Dämonen, die »daemones terreni«, wie sieLaktanz nennt. Manchmal finden sich dieselben ein-ander widersprechenden Lehren – da Abfall ausHochmut, dort Abfall durch Unzucht – sogar bei den-selben Vätern, wie bei Athenagoras und Ambrosius.

Nach den einen erfolgte der Abfall nach dem Sün-denfall des Menschen; nach den anderen, die sichdurchsetzten, vorher. Jedenfalls mußten und müssennun der Teufel samt den gefallenen Engeln, aus demHimmel verbannt, auf der Erde hausen, wo sie gern,in Imitation des göttlichen Geistes vor Erschaffungder Welt, auf dem Wasser liegen, vor allem aber inder Luft stecken, und zwar, ihrer Natur gemäß, in derniederen Luft. Noch durch das ganze Mittelalterglaubt man an ein von Dämonen bevölkertes Luftpur-gatorium. Doch ist auch jeder Mensch, führt Origenesaus, von ungezählten Geistern umgeben166.

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2.637 Deschner Bd. 3, 404Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

Den älteren frühchristlichen Glauben, daß diebösen Geister einen – wieder uneinheitlich aufgefaß-ten – Körper haben und sich durch die Götteropferder Heiden (I 190) ernähren, daß sie Fettdunst undBlut genießen, gab man später preis. Man erinnertesich ihrer engelhaften Herkunft und erklärte sie nunfür unkörperlich. Sie seien »alle ohne Fleisch undhaben einen geistigen Organismus wie von Rauch undNebel«, wußte der Syrer Tatian, der gleichwohl be-hauptet, daß man die Dämonen sehen könne, aller-dings nur, wer »vom Geiste Gottes« beschützt sei.Doch meistens nennt man sie unsichtbar. Überall, wieGottvater, können sie zwar nicht zugleich sein, dochals geflügelt vorgestellt, taumeln sie über die ganzeWelt mit ungeheuerer Geschwindigkeit167.

Ob die bösen Geister auch in Götterbildern hausen(vgl. I 186 ff, bes. 190), war wieder kontrovers. Dieeinen altchristlichen Forscher behaupten, die anderenbestreiten dies. Der Apologet Athenagoras leugnetentschieden, daß Dämonen prophezeien und heilenkönnen und erklärt beides als reinen Trug. Viele Au-toren von Tertullian bis Augustin aber lehren das Ge-genteil. Nach ihnen tun auch Dämonen Wunder, na-türlich nur geringere als die Christen. Ebenso sindihre Weissagungen dunkel und mehrdeutig und mitden irrtumslosen christlichen nicht zu vergleichen.Und während eine Minderheit der Kirchenväter, ent-

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2.638 Deschner Bd. 3, 404Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

sprechend der origenistischen Apokatastasislehre denDämonen die Möglichkeit der Buße zugesteht unddamit auch für sie die Erlösung, gilt dieser Glaube derMehrzahl als falsch. Der desolate Zustand der Teufelist demnach endgültig, Vergebung für sie so unmög-lich wie für den Menschen nach seinem Tod.

Ob die Gespenster aber nun in Götterbildern woh-nen oder nicht, sie nisten sich jedenfalls gern in Tem-peln ein, rasen da, toben und fliehen erst bei Anru-fung des Heilands. Vor allem mittags – es gibt eineneigenen »Mittagsdämon« – und abends belästigen siegern Vorübergehende. Als bevorzugte Geisterstundegilt stets auch die Mitternacht, überhaupt die Dunkel-heit. Mit Vorliebe greifen die Verderber Menschenvon rückwärts an, dringen in sie ein, machen sie be-sessen. Vor der Erlösung war die gesamte Menschheitbesessen – wie jetzt noch die Juden. Und da der Teu-fel, der »Vater der Lüge« (Joh. 8,44), ihr Chef ist,sind sie lauter abgefeimte Lügner, überaus verschla-gen, falsch, boshaft, voller Betrug, Arglist. Sie sindgroße Verführungskünstler, täuschen immer etwas an-deres vor, als was sie wirklich planen. Sie sind Sün-denantreiber, Initiatoren vieler Laster, Veranlasserund Förderer auch der Idololatrie, des Götzendienstes.Sie bewirken die Weissagungen und Wunder der Göt-ter, die »Ketzereien«, die Christenverfolgungen. Siesind die Gegenspieler der Schutzengel. Sie verursa-

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2.639 Deschner Bd. 3, 405Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

chen Krankheiten, Hagel, Mißernten, Stürme, Trok-kenheit, Hungersnot168.

Grundsätzlich zwar ist die Macht der »bösen Gei-ster« schon durch das Heilswirken Jesu gebrochenund natürlich begrenzt; zumal die Christen sind alsUntertanen Gottes stärker. Doch triumphiert Kirchen-vater Johannes Damascenus gegen Mitte des 8. Jahr-hunderts zu früh: »Nun hat der Dämonenkult aufge-hört, die Schöpfung ist durch das göttliche Blut ge-heiligt, Götzenaltäre und -tempel sind niedergeris-sen«. Denn der Kampf geht weiter. Selbst nach demTod noch müssen die Christen durch die Heere der»bösen Geister« ins Paradies gelangen, was zumKrieg mit den Engeln führt169.

Die Kirche hat den Teufelswahn sehr ernst genom-men. Nach den Apostolischen Konstitutionen durftenBesessene nicht Kleriker werden. Erst nach dem Aus-treiben des Dämons war für sie der Klerikerberuf wie-der möglich. Später, als man genug Priester hatte,dachte man strenger. So verbot die aus dem frühen 6.Jahrhundert stammende Rezension des Liber de eccle-siasticis dogmatibus des Gennadius strikt jedem dieKlerikerweihe, der »einmal in Wahnsinn verfiel oderdurch einen Anfall des Teufels gequält wurde«. Ähn-liches dekretierte am 11. März 494 Papst Gelasius I.(II 324 ff). Auch die Synoden von Orange (441) undOrléans (538) befehlen, epileptische Kleriker vom

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2.640 Deschner Bd. 3, 405Die »bösen Geister« im Glauben und Urteil der ...

Amt zu entfernen. Wer mit Dämonen Umgang hatte,durfte weder nach dem Priesteramt streben noch esgar einnehmen. »Diese antike Anschauung behältauch in der Kirche ihre Gültigkeit« (Reallexikon fürAntike und Christentum)170.

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2.641 Deschner Bd. 3, 406Die Dämonen und die Mönche

Die Dämonen und die Mönche

Ein bevorzugtes Angriffsobjekt der »bösen Geister«werden die Mönche. Andererseits aber werfen auchdie Mönche den Satansdienern den Fehdehandschuhhin. Schon das möglichst weite Hinausziehn in dieWüste, nach populärem Glauben Sitz der Dämonen,galt als klare Kampfansage. Die Wüstenteufel attak-kieren die Frommen mit sündigen Gedanken, Leiden-schaften und durch alle Arten von Versuchungen. Sieerscheinen in Menschengestalt, bieten Nahrung inFülle an, locken die Asketen zurück in die Zivilisati-on. Die Mönche ihrerseits bekämpfen die Bösen mitFasten und Gebet, wobei letzteres auf die Dämonengeradezu Feuerwirkung hat. Freilich, ohne den Bei-stand der Schutzengel wären alle Kraftakte der »Ring-kämpfer Christi« vergebens171.

Besonders gern nähert sich die Höllenbrut Mön-chen und Reklusen in Gestalt von Frauen, oft fürch-terlich, doch auch sehr einnehmend, sehr verführe-risch aussehenden Frauen. In der koptischen Vita desApa Onophrios erscheint der Dämon als Nonne undführt mit dem Einsiedler ein lästerliches Liebesleben.Man glaubte fest, daß diese »Geister« in der Art derGötter mit Menschen geschlechtlich verkehren kön-nen – ein Wahn, der im abendländischen Hexenwesen

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2.642 Deschner Bd. 3, 406Die Dämonen und die Mönche

eine verheerende Rolle spielt172.Nur selten zeigen sich übrigens die Dämonen so

wie sie sind, häßlich und schwarz nämlich, mit feuer-sprühenden Augen. Immer aber schießen sie schlim-me, sündhafte Gedanken in die Seelen der Asketen.Immer sind sie so oder so hinter ihnen her, umlagern,bedrängen, quälen sie. In der berüchtigten »Vita An-tonii« (S. 349 f) des Athanasius, der selbst offenbarfest an die Existenz dieser Gespenster glaubt, bestehtder Titelheld immer wieder furchtbare Kämpfe mitdem Teufelsgezücht. Er befreit auch Männer davon,heilt ein besessenes Mädchen, andere Jungfrauen. Die»Hunde« Satans, die sehr verschiedene Gestalt anneh-men, vor allem die von wilden Tieren, die Antoniusbestürmen, werden ganz als wirkliche Wesen verstan-den. Sie sind den Menschen in mancher Hinsichtüberlegen. Sie dringen durch geschlossene Türen,sind schneller als reisende Mönche, steigendes Nil-wasser. Und weil sie schneller sind, vermögen sieauch vorherzusagen173.

Natürlich versucht Satan den Antonius auch »inGestalt eines Weibes«, das er ihm sogar »in jederStellung« vorspiegelt. Vergeblich! Der Heilige denktfest an Christus und die Hölle – und widersteht. Ineinem Grabmal prügelt ihn der böse Feind bewußtlos,doch Antonius – nach einer Vermutung des Medizi-ners Steingießer Epileptiker – singt Psalmen und

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2.643 Deschner Bd. 3, 406Die Dämonen und die Mönche

überdauert auch diese und weitere Heimsuchungen,Dämonenkämpfe, Teufelsvisionen. Und selbst Augu-stinus feiert den ewigen Streiter gegen die Geister als»großen Mann« und schwärmt, daß sich in der Kirchedes Herrn »so unbestritten Wunderbares ereignethabe«. Ja, er bekennt, auch der Erscheinung des Anto-nius und der herrschenden Antoniusbegeisterung seineKonversion zu verdanken!174

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2.644 Deschner Bd. 3, 407Auch Augustinus lehrte jeden Blödsinn über ...

Auch Augustinus lehrte jeden Blödsinn über»böse Geister« und wurde »der Theologe des

Hexenwahns«

Nach Augustin hat einer der Engel, ihr Haupt, gesün-digt, wurde so zum Teufel und zog andere Engel mitin seinen Fall. Wann? Darüber schweige die Schrift.Doch weiß Augustin, daß die »bösen Geister« vorihrem Sündenfall noch nichts von diesem wußten.Und ihr Sexualverkehr mit Menschenfrauen, sagt Au-gustin, werde von so vielen glaubwürdigen Christenversichert, daß es unverschämt wäre, es zu leugnen.Schuld aber an der gemeinsam begangenen Apostasiesei ein falscher, perverser Wille der Abgefallenen, fürden er lange keinen Grund kennt. Erst am Schluß sei-nes Lebens behauptet er, der bessere Teil der Engelsei durch einen Gnadenakt Gottes treu geblieben.Doch warum kein Gnadenakt für die andern? Darüberhat Augustin nicht lang gerätselt. So war es eben, istes eben, basta175.

Nach dem Bischof von Hippo geben sich die Dä-monen als Götter aus, sitzen in den Götterbildern undempfangen die Opfer. Gefährlich aber sind sie vorallem, weil sie über »viele« herrschen, »die der Teil-nahme an der wahren Religion nicht würdig sind, wieüber Gefangene und Untertanen, und wissen sich denKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.645 Deschner Bd. 3, 408Auch Augustinus lehrte jeden Blödsinn über ...

meisten von ihnen durch wunderbare und betrügeri-sche Zeichen, bald Taten, bald Weissagungen, alsGötter zu empfehlen«. Augustinus gesteht sogar zu,daß Götterstatuen sprechen können, wie das Bild derFortuna, was er durch »Arglist und Tücke« der »bos-haften Dämonen« erklärt176.

Wenn sie aber auch als Götter sich ausgeben, sonehmen sie doch, lehrt Augustin, in Wirklichkeit eine»Mittelstellung zwischen Göttern und Menschen« ein,»wie sie durch ihren luftigen Körper bedingt ist« undihre »höhergelegene Wohnung«, »ihre Wohnung ineinem höheren Elemente«, eben »in der Luft«. KeinGrund, sie deshalb zu verehren. Verehren wir dochauch die Vögel nicht und ergo auch »die noch luftige-ren Dämonen nicht«. Augustin weiß, daß diese sichernicht aus irdischem Fleisch (caro) bestehen, daß sievielmehr einen höchst subtilen, luftartigen Körperhaben; freilich »nicht sonderlich viel wert«, eine Her-abstufung, da die Geister vor ihrem Fall ein leuchten-der Ätherkörper schmückte. Andererseits schließt Au-gustin nicht aus, sie sich auch ganz körperlos zu den-ken, was freilich wieder seiner Ansicht widerspricht,sie müßten einen Körper haben, weil ja nach Mt.25,41 »das ewige Feuer« ausdrücklich »für den Teu-fel und seine Engel bereitet ist«, weil diese zwar wohl»vernünftig«, doch »darum (!) auch elend« seien,wohl »auch ewig«, aber nur deshalb, damit »ihr Elend

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2.646 Deschner Bd. 3, 408Auch Augustinus lehrte jeden Blödsinn über ...

kein Ende nehmen kann!« Und obwohl er behauptet,daß nur Gott die geheimen Gedanken des Menschenkenne, behauptet er an anderen Stellen doch auch, daßdie Dämonen kraft ihres langen Lebens ausgedehntereKenntnisse als die Menschen haben und auch derenGedanken kennen177.

Man hat die häufigen Widersprüche des großenHeiligen im Hinblick auf die »bösen Geister« damiterklärt, daß die Bibel, auf die er sich ständig berufe,da »nur recht karge Auskunft gibt« (van der Nat).Doch folgt daraus nicht zwingend, daß er sich selberwidersprechen müsse. Er leugnet, behauptet, erklärtdas Problem schließlich für nicht so wichtig undmeint, an solcherlei Fragen »bildet sich der Geistnicht ohne Nutzen ...«. Eine tolle Behauptung ange-sichts einer Gespensterspekulation178.

In einem eigenen Kapitelchen seines Hauptwerkeslegt Augustin dar, daß es unsinnig sei, die lasterhaftenDämonen zu verehren und auf ihre Fürsprache zurechnen; in einem weiteren, daß sie Liebhaber vonZauberkünsten sind. Dutzende von Seiten kann Augu-stinus über die Natur dieser Dämonen mit pseudoge-lehrtem Unsinn füllen. Der hl. Kirchenlehrer weiß,»daß es Geister sind voll Schadenfreude, gänzlich baraller Gerechtigkeit, geschwollen von Hochmut, blaßvor Neid, listig zu betrügen« usw.; kann aber anderer-seits versichern, daß der Brustkrebs einer Christin in

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2.647 Deschner Bd. 3, 409Auch Augustinus lehrte jeden Blödsinn über ...

Karthago durch das bloße Kreuzzeichen geheilt wor-den sei179.

Haufenweise hat der größte katholische Kirchenva-ter solchen Unsinn geglaubt, gestützt, gefördert. Ja, erist Verfasser einer eigenen Schrift über »Die Weissa-gekunst der Dämonen« – gefährliche Wesen, wußteer: ausgezeichnet durch eine phantastische Wahrneh-mungsgabe, enorme Schnelligkeit – schneller als dieVögel –, insbesondere aber durch »langjährige Erfah-rung«. Augustinus will nicht nur einen Dämon selbstgesehen haben, er war auch fest von dem Dasein derWeibern nachstellenden Faune überzeugt; er glaubtean die Möglichkeit, die Geister um Rat zu fragen, mitdem Teufel Verträge abzuschließen und mit ihm ge-schlechtlich zu verkehren. Vor allem durch die Auto-rität Augustins wirkte dieser ganze Dämonen- undTeufelsglaube viele Jahrhunderte lang weiter, wurdeer selbst dadurch »der Theologe des Hexenwahns«.Man kann Augustins Einfluß nicht hoch genug veran-schlagen. Seine Lehre ist nicht nur »die Philosophieder christlichen Kirche«, sondern er ist auch »derwahre Lehrer des Mittelalters gewesen« (Windel-band/Heimsoeth). Und er verseucht noch die christli-chen Köpfe der Neuzeit180.

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2.648 Deschner Bd. 3, 410Christlicher Abwehrzauber gegen »böse Geister«

Christlicher Abwehrzauber gegen »böseGeister«

Da jeder Teufelsglaube, jede Dämonologie notwendigzur Magie führt, schützt sich der Christ vor allemHöllenspuk durch kirchliche Segnungen, durch mehroder weniger offiziellen Zauber sozusagen, aber auchdurch Amulette und jede Menge heidnischer Magie,»die mit christlichen Elementen angereichert zu neuerBlüte gelangte« (Reallexikon für Antike und Chri-stentum)181.

Das wohl wichtigste apotropäische Zeichen gegen»böse Geister« war das Kreuz.

Kreuzabbildungen gab es längst vor dem Christen-tum; ein Kreuz war ein weitverbreitetes Symbol fürSonne, Himmel, Wind schon in vorgeschichtlicherZeit. Dagegen ist keine Darstellung des Kreuzes Jesuvor dem 3. Jahrhundert sicher bezeugt. Doch machteman Kreuze bereits früher auf jüdische Gebeinkästenals Schutzzeichen, wie überhaupt im jüdischen Palä-stina Böses abwehrende Kreuze bekannt gewesensind182.

Das Kreuz war nach weitverbreitetem Väterglau-ben eine hochwirksame Waffe in der Hand der Chri-sten. Man schlug damit Dämonen in die Flucht. Dersenkrechte Kreuzteil sollte als Stütze dienen, derKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.649 Deschner Bd. 3, 410Christlicher Abwehrzauber gegen »böse Geister«

waagrechte als Stock in der Hand zum speziellen Ge-brauch eben gegen »böse Geister«. Frauen und Mäd-chen wehrten auch Freier und zudringliche Liebhaberdurch Kreuzzeichen ab. Ebenso fungierte es als Mittelin der Bekämpfung dämonischer Besessenheit. Auchdas Mönchsschema, der Gürtel, wird kreuzförmig zurDämonenabwehr getragen, ist so allerdings auch be-sonderen Angriffen ausgesetzt. Der hl. Antonius emp-fiehlt das Kreuzzeichen gegen teuflische Anfechtun-gen zur Nachtzeit. Kyrill von Jerusalem nennt es gera-dezu »Dämonenschreck«, behauptet: »Sie erschrek-ken, wenn sie das Zeichen nur sehen« und rät:»Mache dieses Zeichen, wenn du issest und trinkst,wenn du sitzest, wenn du dich niederlegst, wenn duaufstehst, wenn du sprichst, wenn du gehst, um eskurz auf einmal zu sagen, bei all deinem Tun«. Johan-nes Chrysostomos rät den Christen, das Kreuzzeichenstatt der üblichen antiken Zauberamulette zu tragen,öffne es doch verschlossene Türen, die Pforten desHimmels und der Hölle, mache tödliche Gifte zunich-te, heile Bißwunden wilder Tiere, zerschneide »dieSehnen des Teufels«. Wurde das Kreuzzeichen jasogar als »lebendiges Zeichen Unseres Herrn« in Zau-bertexte zum Schutz vor den Höllengeistern einge-setzt183.

Schon dem Namen Christi schrieb man teufelsaus-treibende Macht zu. Er jagte die Satansgesellschaft

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2.650 Deschner Bd. 3, 411Christlicher Abwehrzauber gegen »böse Geister«

aus den Seelen und Körpern. Dauernd schützte auchdas Tauf Siegel gegen »böse Geister«, die man in denorphischen Mysterien durch Tierhäute und -maskenabzuwehren suchte. Überhaupt war die ganze TaufVorbereitung im Christentum – ein in manchen Ge-meinden vierzig Tage, in anderen bis zu drei Jahrendauerndes Katechumat – eine tägliche Dämonenbe-schwörung mit Servieren von geweihtem Salz, Be-kreuzigung und Anblasen. Das Anblasen spielte inder Zauberei weithin eine Rolle. Schon der babyloni-sche Zauberer bringt Schlangen durch Anblasen zumVerbrennen. Und so gehört auch zum Kreuzzeichenals Einleitungszeremonie von Segen und Gebet dasBlasen gegen den Teufel. Auch das Ausspucken desSpeichels hat eine Dämonen abwehrende Kraft undwar deshalb im altchristlichen Taufritus üblich; imrömischen berührt der Priester den Täufling mit Spei-chel. (Auch die hl. Märtyrer liebten das Anspuckender Götterbilder, der bösen Dämonen; Ausdruck nichtnur von Spott, Abscheu, Verachtung, sondern auchein geisterabwehrender exorzistischer Gestus.) Diechristliche Taufe empfing man – im Westen bis ins13. Jahrhundert (im Osten bis heute!) – ganz nackt,wobei Frauen noch die Haarknoten lösen mußten,damit nichts »Fremdes«, kein eventuell darin verbor-gener Dämon das Bad der »Wiedergeburt« verderbe.Kommt es doch noch heute im Katholizismus bei der

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2.651 Deschner Bd. 3, 411Christlicher Abwehrzauber gegen »böse Geister«

Erwachsenentaufe zu einer ganzen Kette von Dämo-nenbannungen. Noch heute beschwört der katholischeGeistliche die »bösen Geister« auch bei der sonntägli-chen Wasserweihe oder bei der Weihe der »heiligen«Öle am Gründonnerstag. Und mit besonderer Feier-lichkeit wird der »große Exorzismus« an »Besesse-nen« vorgenommen184.

Im Taufritual der griechisch-orthodoxen Kirchesagt der Priester: »Es schilt dich, Teufel, der Herr, derin die Welt gekommen ist ... er selbst befiehlt dir auchjetzt durch uns: habe Schrecken, fahre aus und hebedich hinweg von diesem Geschöpf. Kehre nicht wie-der zurück, verbirg dich nicht in ihm, begegne ihmauch nicht, wirke nicht auf es ein, weder bei Tageoder am Morgen oder am Mittag, fahre vielmehr hinin deinen Tartarus, bis zum großen Tage des Gerich-tes, das bereit ist. Habe Schrecken vor dem Gott, ...vor welchem erzittert der Himmel und die Erde undalles, was darinnen ist. Fahre aus und hebe dich hin-weg von dem besiegelten, neu erwählten Streiter Chri-sti, unseres Gottes ... Fahre aus und hebe dich hinwegvon diesem Geschöpf mit aller deiner Macht und allendeinen Engeln ...«185

Nach einem alten Aberglauben treibt auch das Räu-chern die »bösen Geister« in die Flucht. Man räucher-te deshalb in Neuguinea, in Persien, Babylon, Ägyp-ten (Heimat und Zentrum geradezu des dämonen-

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2.652 Deschner Bd. 3, 412Christlicher Abwehrzauber gegen »böse Geister«

scheuchenden Räucherns), man räucherte in Rom –und in Süddeutschland werden am Fest der HeiligenDrei Könige (6. Januar) mit einem besonders geseg-neten Räucherwerk noch heute katholische Häuser»ausgeräuchert«. Man wußte, daß Dämonen sehr ge-ruchsempfindlich sind, also setzte man ihnen mitschlechten Gerüchen zu. Da man aber auch wähnte,sie könnten sich just in schlechten Gerüchen wohlfühlen, wandte man auch gute gegen sie an und glaub-te, sie so gleichfalls zu verjagen – natürlich auchdurch gute Taten, die Gott wie Weihrauch in die Nasesteigen186.

Auch das Öl der Märtyrer war eine gute Abwehr»böser Geister«; trieb man die Dämonen doch geradegern in den Kirchen bei den Reliquien aus. Fernerwurde den Bösen Erz und Eisen gefährlich (denn siefürchten die Produkte einer jüngeren Kultur); auchFeuer, ebenso Knoblauch, Zwiebeln, letztere, schonden alten Ägyptern heilig, galten als besonders er-probt. Wirkungsvoll im Kampf gegen die Hölle waraber auch die Enthaltung von Schweinefleisch, hieltman das Schwein im Orient, doch da und dort auch inGriechenland, für ein dämonisches Tier. Auch dasLäuten der Glocken hat eine apotropäische Bedeu-tung – wie das Trommeln der »Primitiven« im Busch.Die mesopotamische Mönchssekte der »Beter« (syr.»Messalianer«, griech. »Euchiten«) beschwörte die

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2.653 Deschner Bd. 3, 412Christlicher Abwehrzauber gegen »böse Geister«

Teufel durch Tanz, Fingerschnalzen, Spucken ausapotropäischen Gründen187.

Kurz, es gab tausend Möglichkeiten und, leider,natürlich auch Notwendigkeiten, die Heere der »bösenGeister« in Schach zu halten. Dagegen gab es nureinen Grund für die umfassende Verdummung derChristen durch all das, was wir bisher in vier Kapitelnbetrachtet haben, durch die Fälschungen, den Wun-der-, den Reliquienbetrug, den Wallfahrtsschwindel,die Bekämpfung der antiken Wissenschaft, und diesereine, einzige Grund war und ist: die Beherrschung derMassen, um sie ausbeuten zu können.

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2.654 Deschner Bd. 3, 4135. Kapitel

5. Kapitel

Ausbeutung

»Was hat Christus die Welt gelehrt? ›Schießteinander tot; hütet den Reichen die Geldsäcke;unterdrückt die Armen, nehmt ihnen das Lebenin meinem Namen, wenn sie zu mächtig wer-den ... Die Kirche soll Schätze sammeln ausdem Leid ihrer Kinder, sie soll Kanonen undGranaten segnen, Zwingburg um Zwingburg er-richten, Ämter erjagen, Politik treiben, im Ver-derben schwelgen und meine Passion wie eineGeißel schwingen!‹«

Emil Belzner

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2.655 Deschner Bd. 3, 415Die kirchliche Predigt

Die kirchliche Predigt

»Wie nun, wer auf der Straße wandert, um sobesser daran ist, je leichter sein Bündel ist, so istauf dem Lebensweg glücklich daran, wer sichdurch Armut leicht macht und nicht unter derLast des Reichtums seufzt.«

Kirchenschriftsteller Minucius Felix1

»Warum bist du also kleinmütig, daß du keingoldgezäumtes Roß hast? Hast du doch dieSonne, die dir im schnellsten Lauf den ganzenTag ihr Licht wie eine Fackel leuchten läßt. Duhast nicht glänzendes Gold und Silber, aber duhast den Mond, der dich mit seinem tausendfäl-tigen Licht umleuchtet. Du besteigst nicht ver-goldete Wagen, aber du hast in den Füßen eineigenes, dir angeborenes Gefährt.« »Du liegstnicht unter einem goldenen Dach, aber du hastden Himmel, der in der unsagbaren Schönheitder Gestirne glänzt.«

Kirchenlehrer Basilius2

»Siehst du den Himmel da, wie schön, wie großer ist und wie hoch er sich wölbt? Von dieserPracht hat der Reiche keinen größeren Genußals du ... Ja ..., wir Armen haben davon sogarmehr Genuß als die Reichen. Jene, die oft inTrunkenheit versunken sind und nur zwischen

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2.656 Deschner Bd. 3, 415Die kirchliche Predigt

Gelagen und tiefem Schlaf abwechseln, habenvon diesen Dingen kaum eine Wahrnehmung ...So kann man es an Bädern und sonst allenthal-ben sehen, daß den Reichen Aufwand, Sorgeund Mühe verzehrt, während der Arme ganzsorglos für wenige Obolen die Frucht von alldem genießt ... Aber seine Speisen, die er ge-nießt, sagst du, sind doch köstlicher. Das istdoch wohl ein geringer Vorzug, und außerdemwerden wir finden, daß du auch hierin im Vor-teil bist ... Der Reiche hat nur das voraus, daß erden Leib mehr schwächt und mehr Stoff zuKrankheiten sammelt ... Darum weine nicht überdie Armut, die Mutter der Gesundheit!«

Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos3

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2.657 Deschner Bd. 3, 416Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

Ursprünglich kannten alle indogermanischen Völkerkein Individualeigentum an Grund und Boden. Er ge-hörte bei der Landnahme der Gemeinschaft, fiel dann,durch Verlosung, an die Sippen (gentes), an einzelneFamilien, deren Eigentum wenigstens am Hofgrund-stück aber bald anerkannt worden ist, bei den Grie-chen wie bei Germanen und wohl auch bei den Rö-mern4.

Auf der italischen Halbinsel erfolgte nun in früh-etruskischer Zeit, zwischen 700 und 650, im Bereichder toskanischen Küste ein bemerkenswerter materiel-ler Aufschwung. Der Besitz und damit die Macht ein-zelner Familien wuchsen, und bereits im frühen Romhatte sich aus der Schicht klein- und mittelständischerBauern (aus bis heute nicht ganz geklärten Gründen)eine Gruppe adliger Großgrundbesitzer herausgeho-ben. Ihre viel größeren finanziellen Möglichkeiten ge-statteten ihnen den stets weiteren Ausbau ihrer Güter,indem sie vor allem das neben dem privaten Eigen-tum, ager privatus, bestehende Staatsland, den agerpublicus, meist Beutegut, an sich rissen. Es umfaßteim 3. vorchristlichen Jahrhundert etwa ein Sechstelder Halbinsel. Wenn diese Akkumulation des Großei-gentums auch keineswegs geradlinig geschah, es viel-

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2.658 Deschner Bd. 3, 417Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

mehr Ausnahmen genug gab, so war sie doch dieständige Tendenz. Jede familiäre, jede politischeKrise, zumal jeder Krieg machten eine kleine herr-schende Elite reicher: nach den jahrzehntelangen Ver-heerungen des Bürgerkriegs von Sulla bis Augustusebenso wie nach dem Hannibalischen Krieg, der weiteTeile Süditaliens verwüstet und besonders den Bau-ernstand als Hauptstütze des römischen Militärs ge-troffen hat5.

Gerade der Konflikt mit Hannibal schuf eine völligneue Situation. Ähnlich wie schon im 4. vorchristli-chen Jahrhundert in Griechenland der dauernde Kriegdie Latifundienbildung begünstigt, das vordem blü-hende freie Bauerntum jedoch verdrängt und ruinierthatte, so wurde jetzt auch in Rom der kapitalschwa-che bäuerliche Mittelstand durch Kriegssteuern undVerwüstungen praktisch vernichtet. Der römischeBauer blieb auf dem Schlachtfeld oder verarmte undverschuldete oft durch die lange, militärisch bedingteAbwesenheit. Die Nobilität aber, gewöhnlich derGläubiger der verelendeten Bauern, kassierte derenHöfe, kaufte, durch Kriegsgewinne noch reicher ge-worden, noch mehr Land, und konnte es auch durchbillige Arbeitskräfte, durch die nun fort und fort nachRom gelangenden Scharen von Kriegssklaven, ko-stensparend bewirtschaften lassen6.

Im 1. und 2. nachchristlichen Jahrhundert nahm dieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.659 Deschner Bd. 3, 417Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

Latifundienwirtschaft ständig größere Ausmaße an.Immer weniger Großagrarier verfügten über immermehr Boden, den sie als Viehweiden nützten, zu Öl-und Weinplantagen machten (wodurch der Getreide-anbau zurück- und die Bauernschaft zugrunde ging).Die größten Grundherren aber (durch Konfiskation,Schenkung, eigenen Familienbesitz, Urbarmachung)sind seit Claudius und Nero die Kaiser selbst. Dochwenn auch in Italien das Großeigentum am raschestenwuchs, wofür es eine Reihe hier nicht zu erörternderGründe gab – einer davon war, daß seit Trajan wenig-stens ein Senator den dritten, später den vierten Teilseines Vermögens in italienischem Grund und Bodenanlegen mußte –, so nahmen doch auch in den Provin-zen die großen Besitztümer stetig zu, am rasantestenund mit kaum begreiflichen Ausmaßen in Afrika. Im1. christlichen Jahrhundert berichtet Plinius d.Ä. inseiner enzyklopädischen (aufgrund von zweitausendBüchern geschriebenen) Naturgeschichte, »Naturalishistoria«, die Hälfte des gesamten afrikanischen Pro-vinzbodens gehöre sechs römischen Großagrariern.

Eine anschauliche Vorstellung von der Ausdeh-nung dieser Latifundien vermittelt, sicher rhetorisch,aber durchaus wahr, Seneca, der selbst enorm reicheMinister Neros, wenn er an seinesgleichen »ein ern-stes Wort« richtet, »und weil der einzelne davonnichts hören mag, so sei es öffentlich gesagt. Wo

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2.660 Deschner Bd. 3, 418Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

wollt ihr euren Besitzungen die Grenzen setzen? DerBezirk, der einst eine Gemeinde faßte, dünkt jetztdem Grundherrn eng. Wie weit wollt ihr eure Acker-fluren ausdehnen, wenn für die einzelne Wirtschaftder Raum einer Provinz euch zu klein scheint? Nam-hafte Flüsse nehmen ihren Lauf durch eine einzigePrivatbesitzung und große völkerscheidende Strömesind von der Quelle bis zur Mündung eines und des-selben Eigentümers. Ihr seid nicht zufrieden, wenneuer Grundbesitz nicht Meere umschließt, wenn nichtjenseits des Adriatischen und des Ionischen und desÄgäischen Meeres euer Meier ebenfalls gebietet,wenn nicht die Inseln, die Heimaten der gefeiertenHelden der Sage unter euren Besitzungen beiläufig fi-gurieren und was einst ein Reich hieß, jetzt einGrundstück ist«7.

Mit den Latifundien wuchsen selbstverständlichauch die Vermögen – nicht zufällig haben in der Anti-ke die Römer das Geld am meisten geschätzt und Pe-cunia zu einer Gottheit erhoben. Und natürlich wuch-sen die Vermögen auf eine ganz ähnliche Weise wiedie Güter: durch Kriegsbeute, Kriegsentschädigungen,Kredite, durch Proskriptionen und Konfiskationen,kurz, die Möglichkeiten des »politischen Geldverdie-nens« waren damals beinahe unbegrenzt. Es strömtevor und mehr noch nach der sogenannten Zeitenwende»Geld nach Rom in einem Ausmaß, das in der grie-

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2.661 Deschner Bd. 3, 419Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

chisch-römischen Geschichte ohne Beispiel war, undder Zufluß wuchs ständig« (Finley). Bekam davonauch die öffentliche Hand einiges ab, noch mehr ge-langte, ja Sinn der Geschäfte, nicht zuletzt kriegeri-scher, in private Hände, und je edler, das heißt grö-ßer, stärker diese Hände waren, desto mehr bekamensie, was zu allen Zeiten doch »adelig« machte, obman Land kassierte oder Geld, welch letzteres über-dies nie stinkt8.

Sulla beispielsweise, »Vater und Retter« Roms undeiner seiner ungezählten Star-Politgangster, erraffteauf alle mögliche Weise Geld, durch Erbschaften,Ehen – etwa durch die Hochzeit mit seiner viertenFrau (aus dem mächtigen Geschlecht der Meteller)Caecilia Metella, während deren tödlicher Erkrankunger sich scheiden ließ. Sulla gewann Geld durch Aus-plünderung der Provinzen, besonders durch Bereiche-rungen in Nordafrika; nicht zuletzt aber durch immerwieder (von Livius, Velleius, Plinius, Seneca) verur-teilten Proskriptionen und Konfiskationen, wobei er40 Senatoren, 1600 Ritter, insgesamt 4700 Römerächten und enteignen ließ, was auch einige anderegroße Vermögen der Zeit begründet hat. Das gleicheaber geschah nach der Besiegung des Antonius durchAugustus, jenes Mannes, der dem Christentum vonfrüh an als schlechthin idealer Herrscher, als Werk-zeug der göttlichen Vorsehung galt und den es

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2.662 Deschner Bd. 3, 419Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

schließlich durch eine »Augustustheologie« verklärte,nachdem ihn bereits die Heiden als Messias, Erlöser,Heiland, Erretter der Menschheit, Licht der Welt undSohn Gottes verehrt hatten – Begriffe, Titulaturen, diekeine geringe Rolle spielten bei der Ausgestaltung desneutestamentlichen Christusbildes9.

Als reichster Mann der caesarischen Ära galt Mar-cus Crassus mit einem geschätzten Vermögen von170000000 Sesterzen. Doch die folgenden Generatio-nen, meint Theodor Mommsen, sahen darauf zurückwie auf eine Zeit der Armut. Das Vermögen Senecas,des Ministers und engsten Beraters von Nero, bezif-ferten seine Feinde auf 300000000 Sesterzen (worinjedenfalls, außer einem wohl nicht unbeträchtlichenAnteil an Wucherzinsen, auch ein Anteil am konfis-zierten Besitz von Neros Schwager Britannicus steck-te, der auf Betreiben der kaiserlichen Mutter Agrippi-na knapp vor seinem vierzehnten Geburtstag vergiftetworden ist). Dem Freigelassenen und Kabinettchefdes Claudius (im Jahr 54 n. Chr. vergiftet und zu Gotterhoben), Narcissus, schrieb man ein Vermögen von400000000 Sesterzen zu. Plinius der Jüngere, kurzvor 65 n. Chr. geboren, in dem Jahr, in dem Senecasich auf Neros Befehl das Leben nehmen mußte, hatteein jährliches Einkommen von ungefähr 2000000 Se-sterzen (was einem Wert von 1000000 Arbeitstagenentsprach, da in der frühen Kaiserzeit der Tageslohn

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2.663 Deschner Bd. 3, 420Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

eines gut verdienenden Arbeiters in Rom 2 Sesterzenbetrug); Plinius war damit weder einer der ärmstennoch reichsten Senatoren. Noch Anfang des 5. Jahr-hunderts bezogen die ersten senatorischen HäuserRoms eine Jahresrente, die ein Kapital von minde-stens 400000000 Sesterzen älterer Rechnung voraus-setzte. Der Luxus war entsprechend. Man aß undtrank nicht nur aus goldenem Geschirr, man entleertesich auch in Nachttöpfen aus Gold10.

Je reicher aber eine winzige Minorität wurde, destoärmer wurde die Masse, was noch zu keiner Zeit deruns bekannten Geschichte sehr viel anders gewesensein dürfte. Und wenn es dafür auch sehr verschieden-artige Gründe gab, so hingen sie doch alle eher mehrals weniger zusammen.

Zunächst verschlang das stetig wachsende römi-sche Heer immer größere Summen.

Michael Grant, einer der bedeutendsten Althistori-ker der angelsächsischen Welt, rechnet uns vor, daßdas Jahresgehalt eines Legionärs unter Augustus 225Silbermünzen (Denare) betrug; unter dem (96 n. Chr.ermordeten) Domitian 300 Silbermünzen; ein weite-res Jahrhundert später unter Septimius Severus 500.Dessen 217 liquidierter Sohn Caracalla, der »Solda-tenkaiser« (dem man das Wort nachsagt: »Niemandaußer mir darf Geld haben, und ich muß es haben, umes den Soldaten zu geben«), stützte sich auf die von

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2.664 Deschner Bd. 3, 420Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

ihm verwöhnte Armee und besserte deren Löhnungum weitere 50 Prozent auf. Doch da in diesen zweiJahrhunderten die Lebenshaltungskosten mindestensebenso, vielleicht aber erheblich mehr stiegen als dieSoldzahlungen, erhielt die Truppe infolge der dauern-den Geldentwertung kaum mehr, oft erheblich weni-ger als vordem11.

Um mehr Geld zu bekommen, verschlechterten dieKaiser dauernd die Münzen. Der Metallgehalt derunter Trajan geprägten denarii entsprach noch 85 Pro-zent, unter Mark Aurel noch 75 Prozent, unter Septi-mius Severus (194/95) nur noch 60 Prozent ihresNennwertes. Die Goldminen waren erschöpft oderlagen in unsicheren Gebieten, die Goldmünzen in denHänden von Münzhamsterern, die Silberwährungbrach zusammen, die Preise stiegen allein von 258 bis275 in vielen, wenn nicht den meisten Teilen des Rö-mischen Reiches wahrscheinlich um rund 1000 Pro-zent. Aber noch vor dem Jahr 300 setzte eine neue In-flationsspirale mit höchsten Preissteigerungen ein.

Auch zwei energische Versuche des in vieler Hin-sicht bemerkenswerten Diokletian, die ungeheurePreislawine zu stoppen, scheiterten. Zunächst ließ derKaiser um 295 wertbeständiges Geld in allen dreiMetallen, Gold, Silber und versilberter Bronze, her-stellen, wobei er, ein außerordentlicher Gedanke, eineDeflationsmaßnahme, den Nennwert seiner Münzen

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2.665 Deschner Bd. 3, 421Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

um die Hälfte herabsetzte. Noch ungewöhnlicher wardas zweite Unternehmen: ein 301/302 erlassenesEdikt, das Höchstpreise unter Androhung der Todes-strafe für alle Waren und Arbeiten im ganzen Römi-schen Reich festsetzte. (Die erhaltenen Fragmenteverzeichnen Höchstpreise für über 900 Produkte, vonEßwaren bis zur Kleidung; 41 Transporthöchsttarife;und die Löhne für 130 verschiedene Arbeitsleistun-gen.) Dieser Erlaß, eine frappierende Antizipationmoderner Preis- und Lohnpolitik, ist »das wertvollsteDokument der gesamten antiken Wirtschaftsgeschich-te« und verkündet »offiziell das Ende der Epocheeines freien Güteraustauschs und völlig unbehinderterwirtschaftlicher Betätigung mit einer Perfektion, wieman sie erst sechzehnhundert Jahre später wieder er-lebt hat« (Grant)12.

Gleichwohl scheiterte alles. Die Einhaltung der Be-stimmungen ließ sich weder durchsetzen noch derVerbrauch kontrollieren. Und obwohl Diokletian be-reits den Wert eines Pfundes Gold auf 50000 Denarefestgelegt hatte, war der entsprechende Betrag bereitsein Vierteljahrhundert später unter dem ersten christli-chen Kaiser auf über 300000 Denare emporge-schnellt. Die diversen Versuche, die stets mehr verfal-lende Währung zu stützen, das Preisniveau, dasLohngefüge stabil zu halten, galten im übrigen kei-nesfalls zuerst dem Volk, sondern der Armee, der

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2.666 Deschner Bd. 3, 422Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

Stütze der Macht. Und da die Solderhöhung mit derGeldentwertung kaum Schritt halten konnte, hatteman seit langem den Sold durch Donative erhöht; zu-nächst durch Beteiligung an der Kriegsbeute, danndurch Geldgeschenke oder Sonderprämien, letzterevor allem bei Thronbesteigungen, bestimmten Jahres-tagen oder anderen freudigen Anlässen, wobei dieseSonderprämien aber, im Unterschied zu sonstigen Do-nativen, in echten Goldmünzen auszuzahlen waren.Mit anderen Worten: die Treue der Soldaten (fidesmilitum, fides exercituum), so gern gepriesen, religiösund patriotisch bemäntelt, mußte von den Herrschernimmer mehr erkauft werden, oder es konnte dieseThron und Leben kosten13.

Caracalla, der »Soldatenkaiser«, der besondersgroße Truppenaufwände hatte, erzwang auch noch hö-here Abgaben. Er verdoppelte zwei der bereits beste-henden Steuern, die Erbschaftssteuer, von der er kei-nerlei Befreiung mehr zuließ, sowie die Steuer fürSklavenbefreiung. Ferner erhöhte er die Steuereingän-ge enorm durch einen neuen Erlaß, die »ConstitutioAntoniniana« (212/13), die allen Reichsbewohnern(mit nur wenigen Ausnahmen, wie Sklaven, vorbe-straften Freigelassenen, einstigen Landesfeinden) dasrömische Bürgerrecht gab; früher nur Italikern undeiner kleinen bevorzugten Minderheit von Provinzia-len zugestanden. Nun mußten auch diese Neubürger

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2.667 Deschner Bd. 3, 422Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

die Erbschaftssteuer sowie die Steuer für die Freilas-sung von Sklaven zahlen, und zwar, wie jetzt für alleüblich, den doppelten Hebesatz. Nicht genug, derKaiser erhob eine ganz neue Einkommensteuer, das»Krongeld«, das er auch noch wiederholt eintrieb, umangebliche Siege damit zu feiern14.

So trat die Armee in den Mittelpunkt. Sie wurdezum maßgebenden Element im Staat und verschlang –auch das kennen wir heute – stets gewaltigere Sum-men. Irgendwo mußten sie herkommen, und natürlichvon dort, wo die Regierungskunst sie immer herbezogund bezieht.

Caracalla, Septimius Severus, Maximinus I.(235–238) schritten auch zu Konfiskationen, MarkAurel verkaufte Staatseigentum. Doch die Geldent-wertung ging stets weiter, die Preise galoppierten der-art davon, daß die Armee ständig unterbezahlt war.Auch die Naturallieferungen an sie – Zuteilung vonVerpflegung, Uniform, Waffen – hatten kaum gehol-fen, da man all dies (im 2. Jahrhundert) vom Soldabzog. Nun aber gingen Septimius Severus (im Sinnedes Rats an seine Söhne: »Seid einig, bereichert dieSoldaten, verachtet alles andere«) und seine Nachfol-ger dazu über, die Naturalabgaben, später »annonamilitaris« genannt, systematisch zu steigern und auchnoch kostenlos auszugeben. Dies aber fiel um so mehrins Gewicht, als die Naturallieferung die Geldausga-

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2.668 Deschner Bd. 3, 423Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

ben bald beträchtlich überstieg, der wesentlichste Teildes Truppenunterhalts, die Hauptgrundlage der Hee-resversorgung wurde und die weitaus wichtigste Steu-er des Reiches15.

Die Naturalabgaben der Zivilbevölkerung für dasHeer waren gelegentlich, in Notzeiten, schon früherentschädigungslos erfolgt. In der Regel hatte man siejedoch noch im 2. Jahrhundert bezahlt, wenn auchkeinesfalls mehr entsprechend ihrem wirklichen Wert.Im 3. Jahrhundert aber wurde es üblich, dafür keineEntschädigung mehr zu bieten. Und während eine sy-stematisch ausgebaute riesige Organisation mit loka-len Hauptquartieren, Stützpunkten, mit Sonder-, Mili-tärpolizei, Spitzeln, Steuereintreibern für die nun üb-lichen Naturalabgaben tätig war und die Reichen siemit Gold bezahlen oder sich sogar davon befreienkonnten, drangsalierte man die Bevölkerung in Stadtund Land stets rücksichtsloser durch hohe Requisitio-nen, trieb Kühe, Kälber, Ziegen, Heu und Wein ein.Die Kontributionen waren um so schlimmer, als sieoft willkürlich erfolgten, von Ort zu Ort unterschied-lich und überhaupt nie im voraus abschätzbar waren,jedenfalls bis zu Diokletian, der eine wenigstens gere-gelte Steuererhebung, einen – erstmals in der Ge-schichte – festen Jahreshaushaltsplan, ein gänzlichneues Steuersystem einführte. Zu schweigen davon,daß auch die Truppe die Zivilbevölkerung nach Laune

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.669 Deschner Bd. 3, 423Die finanzpolitische Situation vor Konstantin

schikaniert und auf eigene Faust requiriert hat16.Die Klagen der Bürger, die Bittschriften werden

immer dringlicher. Man erklärt, bald mit der Geduldam Ende zu sein, sich allen Zahlungen und Dienstlei-stungen durch die Flucht zu entziehen. Ägypterschreiben: »Es ist schwer, selbst wenn man uns ge-recht behandelt, unsere Verpflichtungen voll zu erfül-len«. Phrygier gestehen Philippus Arabs, durch Er-mordung seines Vorgängers Gordian III. 244 Kaisergeworden: »Wir werden aufs grausamste gequält underpreßt von denen, deren Pflicht es ist, das Volk zuschützen, von Offizieren, Soldaten, Standespersonen,die städtische Ämter innehaben, und Deinen eigenenuntergeordneten Beamten.« Die ganze Drangsal dermeisten drückt sich in den kurzen Fragen an ein Ora-kel aus: »Wird man mich pfänden? Werde ich zumBettler werden? Soll ich fliehen? Wird meine Fluchtein Ende finden?«17

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.670 Deschner Bd. 3, 424Ansichten über reich und arm in der ...

Ansichten über reich und arm in dervorchristlichen Antike

Die Stellung zum Reichtum war in der vorchristlichenAntike im allgemeinen eindeutig. Er galt als Glückund wurde hochgeschätzt, denn er machte unabhän-gig, erlaubte Muße, jeden Luxus. Diese Ansicht wardie Regel – und sie blieb es. Die Armut dagegen galtals Unglück, wie gleichfalls noch heute. Zu einem»freien Mann« gehörte es nach Aristoteles, der schoneine entwickelte Geldlehre kennt, »daß er nicht unterder Beschränkung durch einen anderen lebt«18.

Im alten Griechenland waren Geld und Gewinn-sucht die Haupttriebfedern der Wirtschaft und Politik.Noch der homerische Aristokrat zwar hielt Handel fürschäbig. Doch entwickelte sich zwischen dem 8. und6. Jahrhundert der Überseehandel. Und seit dem 5.Jahrhundert ist fast ganz Hellas vom Münzgeld er-faßt, das im 7. Jahrhundert in Lydien, einer altengoldreichen Landschaft Kleinasiens, der Heimat desKrösus, erfunden worden war. Damit dehnte sich derHandel aus, wuchs der Reichtum, wurde alles fürGeld käuflich und für alles Geld gebraucht. GegenEnde des 5. Jahrhunderts gehen aus dem Wechslerge-schäft die Banken hervor. Sie, die hellenistischen Kö-nige und die Tempel sind vor allem die Kreditgeber,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.671 Deschner Bd. 3, 425Ansichten über reich und arm in der ...

wobei das Kreditgeschäft seit der Einführung desMünzgeldes in Griechenland einen großen Auf-schwung nimmt. Gelegentlich wird die Bedeutung desGeldes auch durch griechische Dichter betont, wird esdie größte Macht auf Erden genannt (Aristophanes),Blut und Seele für die Sterblichkeit (Hesiod), weshalbihm die Menschen auch am meisten nachstreben (So-phokles)19.

Viel mehr betonen allerdings die römischenSchriftsteller das Geld. Es verschafft Vergnügen,schreibt Cicero, gebe das Gefühl der Sicherheit, sagtPetronius, sogar die Götter kaufe man, meint Properz.Jupiter selbst hat, so Ovid, die Macht des Goldes ge-zeigt, als er zu Danae in Gestalt eines Goldregensdrang. Und auch das ganze Volk hielt Geld – wiewiederum noch heute – für das höchste Gut des Men-schen20.

Galt aber Reichtum als Glück, mußte Armut alsdas Gegenteil erscheinen. Doch war, im Unterschiedzu heute, schon jede Arbeit um des bloßen Lohneswillen anrüchig. Wer für Geld arbeitet, erniedrigt sichzum Sklaven. Dieses Urteil Ciceros ist typisch für dierömische Oberschicht. In einer berühmten Stelle von»De officiis« verwirft Cicero, in Übereinstimmung,wie er behauptet, mit der allgemeinen Ansicht, weit-hin Handwerk und Handel, letzteren jedenfalls, »so-fern er gering ist«; sei er aber groß, reichhaltig und

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2.672 Deschner Bd. 3, 425Ansichten über reich und arm in der ...

teile »vielen ohne Schwindel zu«, so »ist er nichtübermäßig zu tadeln«. Mißbilligt jedoch wird nichtnur das Gewerbe von Hafenzöllnern, Wucherern, son-dern auch »die Tätigkeiten aller, die für Lohn arbei-ten, deren Arbeitsleistung gekauft wird und nichtderen Begabung; denn bei ihnen besiegelt der Lohnselbst ihre Versklavung«. Solche Berufe seien einesFreien unwürdig, niedrig, und für niedrig gelten auchalle, »die von Kaufleuten kaufen, um sofort wiederzu-verkaufen; denn sie würden nichts verdienen, wennsie nicht ausgiebig lügen würden ... Und alle Hand-werker betreiben ein niedriges Gewerbe, denn eineWerkstatt kann keinen freien Geist atmen.« WirftHandel freilich großen Gewinn ab und dieser wird inLandbesitz angelegt, findet er Billigung21.

Nun gab es in der Antike aber auch andere Ansich-ten über Reichtum und Armut; doch sie gehörten zuden Ausnahmen.

Griechische Schriftsteller bemerken zuweilen, daßmanchmal schlechte Leute reich, gute arm seien, daßgroßer Reichtum kaum gerecht erworben sein könne,daß das Gold, so Sophokles, Städte und Gewissenzerstöre. Sappho erklärt Reichtum nur in der Handvon edlen, vernünftigen Menschen für gut. Und sieverwenden es, nach Pindar, nach Theokrit, zumGuten, zur Hilfe für Freunde, für Dichter22.

Die dem im 6. Jahrhundert lebenden PythagorasKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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zugeschriebene Lehre, daß Freunden alles gemeinsamsei, deuten seine Biographen später als Verzicht aufeigenen Besitz in Gütergemeinschaft. Anaxagorasgibt sein Vermögen preis, um sich in die Natur zuversenken. Demokrit macht sich nichts aus Geld, ver-braucht es freilich für Forschungsreisen. Sokrates, dersehr einfach lebt, um so der Gottheit nahe zu kom-men, demonstriert durch sein ganzes Leben, daß alleäußeren Güter, Reichtum, Schönheit, Kraft, Ansehen,indifferent seien: und alle Sokratiker stimmen mit ihmdarin überein. Auch Platon hält Handel, Geld undGeldgeschäfte für ein Übel. In seiner idealen Gesell-schaft soll es weder Reichtum noch Armut und sowenig Gold- und Silbergeld wie möglich geben: diegrößte Gefahr für die Volksmoral; weshalb er für sei-nen Gesetzesstaat einen Ackerbaustaat vorsieht, 80Stadien vom Meer entfernt, da das Meer die Men-schen nur zu Krämergeist und Gewinnsucht inspirie-re23.

Bei den Kynikern galt Geld überhaupt nichts. Siesahen darin den Zerstörer der natürlichen und sozialenOrdnung, beurteilten es ganz negativ und erklärten,im bewußten Gegensatz zur herrschenden Meinung,daß Armut eher zu Rechtschaffenheit führe als Reich-tum.

Antisthenes, der Stifter der kynischen Schule, derenLehre man oft als Philosophie des Proletariats be-

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zeichnet, propagiert das Ideal der Selbstgenügsam-keit, der Autarkie. Er empfiehlt die völlige Entäuße-rung von Grundbesitz, von jeglichem Vermögen undrät, sich mit dem zu begnügen, was man zur Befriedi-gung dringendster Bedürfnisse unbedingt brauche.Krates von Theben (ca. 360 – ca. 280 v. Chr.), derwichtigste Schüler des Kynikers Diogenes, verschenk-te sein Hab und Gut, schleuderte sein Bargeld insMeer und lebte, offenbar überall beliebt, in völligerBedürfnislosigkeit. Er verwarf Konventionen und jedeBindung an den Staat (von ihm stammt wohl dasWort Kosmopolit). Er erzog in gleichem Geist auchseinen Sohn, aus einer Ehe übrigens mit dem reichenMädchen Hipparchia, das ihn nach dem Geständnisgeheiratet hatte, nichts zu besitzen, als was er auf demLeib trage24.

Zenon von Kition, der Begründer der stoischenSchule, der sich zunächst Krates angeschlossen, pre-digte als eigentliches Ziel ein »Leben in Übereinstim-mung mit der Natur«, postulierte für seinen sozialenWeltstaat die Beseitigung des Geldes überhaupt undglaubte, auch ohne Tempel, Gerichtshof, Gymnasienauszukommen. Doch betrachtete die Stoa Reichtum,Geld weit gelassener als der Kynismus und zog ausTheorien über Besitzlosigkeit oder Gütergemeinschaftkeine Folgerungen für die Praxis. Der Stoiker Chry-sipp unternahm schon eine Rechtfertigung des Eigen-

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tums, erklärte dies an sich weder gut noch schlecht.Und Epiktet, der zwar vor Geldgier warnt, nennt vielGeld geradezu eine Gottesgabe und rät, es durchauszu erwerben, könne man es ohne Verlust von Selbst-achtung, Großmut, Treue bekommen25.

In der »Heiligen Schrift« der Juden haben die Pro-pheten, die ersten Sozialisten der Weltgeschichte, wieman oft sagt, immer wieder gegen die Ausplünderun-gen der Armen protestiert. In den jüngeren Bücherndes Alten Testaments stehen (noch) mehr geldfeind-liche Parolen, wahrscheinlich weil die Verbreitungder Münzgeldwirtschaft die Raffsucht gesteigert hatte.Und in den Pseudepigrapha des Judentums wird dieseTendenz fortgesetzt, führt Geldgier, die Mutter allerSchlechtigkeit, zum Götzendienst, zur Hölle, wirdden ungerechten Reichen Vernichtung und Verdamm-nis angedroht26.

Auch der jüdische Orden der Essener hatte den Pri-vatbesitz prinzipiell disqualifiziert. Man übergab ihnbeim Eintritt der Gesamtheit und lebte in Güterge-meinschaft. »So gibt es«, schreibt Josephus, »wederniedrige Armut noch übermäßigen Reichtum, sondernalle verfügen wie Brüder über das aus dem Besitz dereinzelnen Sektenmitglieder gebildete Gesamtvermö-gen«. Die Essener verachteten den Reichtum, kanntenkeinen Handel, kauften und verkauften nichts unter-einander, sammelten nicht Gold und Silber. Die Geld-

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wirtschaft wurde von ihnen völlig abgelehnt, da Geldzu Habgier und Sünde verführe. Fast allein unter allenMenschen, notiert Philo, lebten sie ohne Geld und Be-sitz. Doch auch die Therapeuten, jüdische Männerund Frauen, die in ländlicher Zurückgezogenheit dasAlte Testament studierten, gaben beim Eintritt in denOrden ihr Vermögen Verwandten oder Freunden27.

Diese Stimmen, Bestrebungen, wie bruchstückhaftund unsystematisch auch immer hier präsentiert, zei-gen doch, daß in vorchristlicher Zeit bereits vorhan-den, entwickelt war, was dann sich wiederholt, vonden Seligpreisungen der Armen bis zum Hochkapita-lismus der späteren christlichen Kirche. Alle Haupt-gedanken der Kirchenväter über Hab und Gut – daßder Mensch nicht Eigentümer, sondern nur Verwalterder irdischen Welt, daß das Geld eine Gottesgabe seiund an sich weder gut noch schlecht, daß es erst derGebrauch zu einer materia virtutis oder einer materiamali mache, daß Geldgier Ursache vieler Übel sei, dieUnterscheidung von wahrem und falschem Reich-tum – all dies findet man bereits in der heidnischenAntike, vertreten auch durch Euripides etwa, Dioge-nes von Sinope, Lukrez, Vergil, Horaz, Epiktet, Plut-arch u.a.28

Das Ideal der Gütergemeinschaft kehrt zwar beimanchen Kirchenvätern wieder, verwirklicht aberwurde es im Christentum nie, höchstwahrscheinlich

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auch in der Urgemeinde nicht (S. 430). Die Idee je-doch findet sich bei Platon schon, ihre Verwirkli-chung bei den Essenern. So schlugen manche Bischö-fe vor, wenigstens einen Teil des Besitzes wegzuge-ben, die Hälfte, ein Drittel, ein Fünftel. Doch auchdies wurde nur in den seltensten Fällen realisiert. DerHeide Lukian aus Samosata, der Zweiten Sophistikzugerechnet, ein Spötter, Skeptiker, ein Literat vonhohen Graden, hatte für eine Entäußerung von zehnProzent plädiert. Nach Lukian sollten die Reichen dieSchulden ihrer armen Freunde bezahlen, sie solltenden Armen überhaupt helfen, derart könnten sie inRuhe ihren Reichtum genießen, während sie sonst nurRevolution, die Neuverteilung des Besitzes provozier-ten.

All diese einander so ähnlichen und so verschieden-artigen Richtungen strömten also im Christentum zu-sammen und verbanden sich zu einem kunterbuntenKosmos der Ungereimtheit, Zwiespältigkeit, Vieldeu-tigkeit, verbanden sich zu einander grotesk widerstrei-tenden Tendenzen, Strukturen, und so entstand jeneparadoxe Ideologie, in der, wie M.I. Finley sagt, »ag-gressives Gewinnstreben zusammenfiel mit einer Nei-gung zu Askese und frommer Armut, mit Gefühlendes Unbehagens und sogar der Schuld«29.

Wir haben es im alten Christentum jedoch nichtnur mit einem schreienden Auseinanderklaffen von

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Theorie und Praxis zu tun, sondern schon mit sehrdisparaten, einander oft kraß widersprechenden Ein-stellungen zu Reichtum und Armut in den Predigtender neutestamentlichen Schreiber sowie der vor- undnachkonstantinischen Kirchenväter und -fürsten, miteiner einzigen großen Zweideutigkeit, die freilich all-mählich, zumindest praktisch gesehen, erschreckendeindeutig wurde.

Bald gibt es in der christlichen Kirche keinenZweck, für den Geld nicht gebraucht und nicht miß-braucht wird – wie man es denn schon im Neuen Te-stament verwendet für alles mögliche, für wirtschaftli-che, religiöse, soziale, verbrecherische Zwecke, alsVermögen, Zahlungsmittel, Darlehen, Arbeitslohn,Betriebskapital, Bankdepositum, als Steuer-, Löse-,Opfergeld, zur Bestechung des Judas, der Wächter amGrab u.a.30

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2.679 Deschner Bd. 3, 429Die besitzfeindliche Richtung im alten ...

Die besitzfeindliche Richtung im altenChristentum

Was der mutmaßlich historische Jesus wirklich gepre-digt hat, wenn überhaupt, wieviel von all den bibli-schen Sprüchen über die Reichen und Armen auf ihnselbst zurückgeht, wissen wir nicht und können esauch nicht mit annähernder Sicherheit sagen.

Aber wir wissen, die antikapitalistischen Reden dessynoptischen, besonders lukanischen Jesus stehen inder Tradition der prophetischen und essenischen Lite-ratur. Wir wissen, daß dieser Jesus in der Bibel invölliger Armut lebt; daß er nichts hat, wohin er seinHaupt legen kann; daß er als Besitzloser unter Besitz-losen auftritt, als ein Freund der Außenseiter, der Ent-rechteten, Sünder. Ganz anders als das offizielle Ju-dentum seiner Zeit beurteilt er den Reichtum. Er lobtihn niemals und nirgends. Im Gegenteil. Wiederholtspricht er vom »ungerechten Mammon«, vom »Betrugdes Reichtums«. Einen vierfachen Weheruf über dieReichen, Satten, Lachenden legt ihm das Evangeliumdes Lukas in den Mund. Und im »Magnifikat« pro-phezeit er eine Epoche, in der Gott »die Machthabervon den Thronen stürzt und die Armen erhöht, dieHungrigen mit Gütern sättigt und die Reichen leerausgehen läßt«. Jesus fordert Verzicht auf allen Be-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.680 Deschner Bd. 3, 430Die besitzfeindliche Richtung im alten ...

sitz. »Verkauft euren Besitz und gebt ihn denArmen«. »Keiner von euch kann mein Jünger sein,der nicht auf alles verzichtet, was er besitzt«. EinenNarren nennt er den, der sich seiner Schätze rühmt,und leichter, lehrt er, gehe ein Kamel durch ein Nadel-öhr als ein Reicher ins Reich Gottes31.

Dies alles ist eindeutig. Doch je nach Einstellung,nach der eigenen Charakterstärke oder Charakterlo-sigkeit, interpretieren es nicht erst heute die Theolo-gen mehr oder weniger radikal, gewöhnlich aber mög-lichst lax.

Von Anfang an bestanden jedoch christliche Krei-se, die unter Berufung auf die Predigt Jesu das Rechtauf Eigentum abgelehnt haben. Nicht zufällig gab esgerade in der Urgemeinde, wo seine Lehre über Geldund Besitz und die Form seines Zusammenlebens mitden Jüngern am unmittelbarsten fortwirken mußte,eine Art religiösen Kommunismus, auch »Liebeskom-munismus« genannt, eine gewisse Gütergemeinschaft.Vermutlich opferten nicht alle alles, vielleicht vielenur einen Teil. Doch hatte man eine gemeinsameKasse und jeder bekam nach seinen Bedürfnissen.Angesichts des bald erwarteten Endes war die Sorgeum den Besitz ohnehin unwesentlich geworden. DieApostelgeschichte idealisiert die Sache wohl, schonum vor älteren Kommunen der Juden und Heidennicht zurückzustehen: »Die Menge der Gläubigen

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aber war ein Herz und eine Seele, und kein einzigernannte etwas von seinem Vermögen sein eigen, son-dern sie hatten alles gemeinsam ... es gab auch keinenNotleidenden unter ihnen; alle nämlich, welche Län-dereien oder Häuser besaßen, verkauften diese, brach-ten dann den Erlös aus dem Verkauf und stellten ihnden Aposteln zur Verfügung; davon wurde dannjedem zugeteilt, wie er es brauchte«32.

Auch sonst stecken im Neuen Testament mannig-fach sozialrevolutionäre Elemente, wird radikale Be-dürfnislosigkeit verlangt, heißt es etwa: »Wenn wiraber Nahrung und Kleidung haben, so lasset uns ge-nügen. Denn die da reich werden wollen, die fallen inVersuchung und Stricke und viel törichte und schädli-che Lüste, welche die Menschen versinken lassen inVerderben und Verdammnis. Denn Geld ist eine Wur-zel alles Übels«. Oder man schreit auf: »Sind es nichtgerade die Reichen, die euch gewalttätig behandeln,und schleifen nicht gerade sie euch vor die Gerichte?«Rabiat droht ihnen der Jakobusbrief das Gericht an:»Euer Reichtum ist verfault, eure Kleider sind vonMotten zerfressen. Euer Gold und Silber ist verrostet,es wird ihr Rost noch wider euch zeugen und euerFleisch fressen wie Feuer ... Geschlemmt habt ihr aufErden und gepraßt, habt euere Herzen gemästet fürden Tag der Schlachtung«. Die ganze Geschichte,meint E. Salin, kenne »kaum einen wilderen Aus-

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2.682 Deschner Bd. 3, 431Die besitzfeindliche Richtung im alten ...

bruch« als dies »haßerfüllte Frohlocken des Jakobus-briefes über den sicheren Untergang der Besitzendenam künftigen Schlachttag«33.

Den Erfolg jedenfalls der christlichen Mission si-cherte nichts so sehr wie das, was die Kirche dann füralle Zeiten verriet: das soziale Pathos des Evangeli-ums. Die Masse der Gemeinden, ihre »tragendeSchicht«, war bettelarm und bestand auch bis insspäte 2. Jahrhundert hinein aus Armen, meist Skla-ven, war in permanente Drangsale, Not verstrickt, inZwangsaushebungen und Militärrevolten, Bürgerkrie-ge und Barbareneinfälle, Hungersnöte und Pestilen-zen, Proskriptionen und Plünderungen. Viel zu vielesahen sich entrechtet, entwurzelt, an den Rand desRuins gebracht oder ruiniert, waren Kolonen gewor-den, Vagabunden, ja, nicht selten Räuber (latrones),von denen die Quellen des 2., des 3. Jahrhundertshäufig berichten. Das ist der Boden, in dem die christ-liche Saat aufgeht, die Frohe Botschaft vom Frieden,von der Nächstenliebe, vom »ungerechten Mammon«,von der Bekämpfung des Reichtums, den Machtha-bern, die von den Thronen gestürzt, den Armen, dieerhöht werden sollen. Aber auch die Sprüche derApologeten tun ihre Wirkung. Haben diese Christendoch keine Hemmung, das Blaue, vielleicht bestenGewissens, vom Himmel zu lügen, die Predigt alsPraxis auszugeben, etwa zu behaupten: »... wenn wir

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2.683 Deschner Bd. 3, 432Die besitzfeindliche Richtung im alten ...

Geldmittel und Besitz über alles schätzten, so stellenwir jetzt, was wir haben, in den Dienst der Allgemein-heit und teilen jedem Dürftigen davon mit« (Justin).Oder zu prahlen: »Wir sind Brüder auch durch dieGemeinschaft der Güter, und diese zerreißen geradebei euch die Brüderschaft. Alles haben wir gemein-sam, nur nicht die Weiber – und ihr habt nur hierinGemeinschaft« (Tertullian). Oder zu erklären, wennunter ihnen ein Armer sei, »und sie haben keinenüberflüssigen Bedarf, so fasten sie zwei bis drei Tage,damit sie den Dürftigen ihren Bedarf an Nahrung dek-ken« (Aristides). Genau so kennen wir das ja heutenoch von den Christen – weshalb auch niemand hun-gert und verhungert auf Erden. Die Masse der Armen,Unterdrückten ersehnte eine neue, bessere Welt, woder Reiche in höllischen Flammen schmoren, derArme paradiesische Freuden genießen sollte, ebendas, was das Christentum verhieß. Es wuchs in eineZeit ständig steigender Verelendung hinein und profi-tierte davon – wie es noch immer und überall vomElend profitiert hat und profitiert. »Wo die Welt austausend Wunden blutet, da schlägt die Stunde der ka-tholischen Kirche« (Kardinal Faulhaber)34.

Nur »ketzerische« und verketzerte Kreise, die frü-hen Mönche einmal beiseite, machten Besitzlosigkeitwirklich zur Pflicht.

Die Ebioniten, »die Armen«, die Nachfolger derKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.684 Deschner Bd. 3, 433Die besitzfeindliche Richtung im alten ...

Urgemeinde, führten ihre Armutspraxis auf die Apo-stel zurück. Die Gnostiker Karpokrates und sein SohnEpiphanes, vom hl. Irenäus als Abgesandte des Teu-fels diffamiert, forderten Gütergemeinschaft. Auch dieApotaktiken, die Apostoliker des 2. und 3. Jahrhun-derts, die in allem an die Apostel anknüpfen wolltenund sich im 4. Jahrhundert in Kleinasien weit verbrei-teten, verwarfen Eigentum ganz. (Sie nahmen auch inder Verfolgung Abgefallene nicht wieder auf.) Nachden Enkratiten brauchte man kein Geld, das nur zuLastern, zu Sündenschmutz führt. Wer es hatte, solltees unter die Armen verteilen. Ebenso beurteilten diePelagianer und Manichäer das Geld negativ. Auch derspätere »Ketzer« Tertullian tritt viel geldfeindlicherauf als die »rechtgläubigen« Kirchenväter, und zwaraus rein religiösen Gründen. Tertullian schreibt rigo-ristischer als der Evangelist Lukas. »Contemptus pe-cuniae ist sein Prinzip« (Bogaert). Doch währendsogar der hl. Cyprian im 3. Jahrhundert in Afrika, wieTertullian, Reichtum noch Sünde nennt, sind dort im4. Jahrhundert Bischöfe wie Optatus vom Mileve oderAugustin ausgesprochen sozialkonservativ, erzreakti-onär35.

Selbst aus dem frühen 5. Jahrhundert kennen wirnoch christliche Stimmen, die leidenschaftlich auf-schreien über das soziale Unrecht; darunter die ausItalien kommende Schrift »De divitiis«, deren flam-

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2.685 Deschner Bd. 3, 433Die besitzfeindliche Richtung im alten ...

mende sozialistisch-kommunistischen Appelle religi-ös motiviert sind durch die Gebote und das LebenJesu, das Beispiel der Urgemeinde, die Lehren vonKirchenvätern. Vehement wird die besitzende Klasseattackiert, der Reichtum verworfen, wird die grassie-rende Ungleichheit aus der Ungerechtigkeit der Men-schen abgeleitet, nicht von Gott, der die Gleichheitauch im Besitz der irdischen Güter wolle36.

Doch all dies ist (bestenfalls) Wunschtraum, Theo-rie, eine schließlich nur literarische Welt, der eineganz andere Wirklichkeit gegenübersteht – und nichtzuletzt auch eine ganz andere christliche Predigt.Denn während die einen, guten oder bösen Glaubens,mit oder ohne Hintergedanken, den Massen Hoffnungmachten, die Ausgebeuteten anzogen, gängelten, ver-ständigten sich andere, ja, meist dieselben Leute, auchmit den Ausbeutern. Finden sich doch bei ein unddenselben Kirchenmännern, dies kann kaum genugbeachtet werden, die verschiedensten, einander schroffwiderstreitenden Ansichten, die dann nach Beliebenausgeschlachtet werden konnten. So vertraten nichtwenige »Väter« zwar durchaus das »omnia omnibuscommunia«, aber nur dann und wann, nicht konse-quent, bloß wenn es gerade opportun schien, und wardas Gegenteil nützlich, predigten sie auch das Gegen-teil. Man betrieb die obligate Spiegelfechterei, die sobeliebte Doppelmoral – wie seitdem stets! Während

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2.686 Deschner Bd. 3, 434Die besitzfeindliche Richtung im alten ...

man die herrschende Gesellschaft kritisiert, ja, dieprinzipielle Neugestaltung der sozialen Verhältnissein Aussicht stellt, heiligt man gleichzeitig, rücksichts-los gegenüber der allgemeinen Not, das Eigentum,stützt das kapitalistische Wirtschaftssystem, über-nimmt es selber und prosperiert dabei bis heute – woman gern den Sachverhalt verschleiert, um nicht zusagen auf den Kopf stellt, indem man etwa behauptet:»Auch die Kirche als Körperschaft kam mit demReichtum in Berührung. Sie mußte immer schwerereLasten tragen und war daher gezwungen, sich nachEinkünften umzusehen« (Rapp).

Doch nicht wegen immer schwererer Lasten mußtedie Kirche reich werden, sondern weil sie reich wurde,weil ihr Apparat immer größer wurde, ihr Anspruch,ihr Machthunger, und weil sie sich zugleich als »Kir-che der Armen« gerierte und gerieren mußte, um auchdie Massen führen und behalten zu können, deshalbgab sie sich auch caritativ, evangelisch, mußte siesich so geben, übrigens immer mehr, je weniger sie esin Wirklichkeit war – wie sie ja noch heute ihr sozia-les, ihr evangelisches Engagement herausstellt, ihre»Caritas«, obwohl (und weil!) sie daraus gewaltigeGewinne zieht. Die echten caritativen Leistungen, diees in der alten Kirche da und dort wirklich gab, wur-den durch ihre wirtschaftliche Prosperität möglich ge-macht, aber natürlich nicht umgekehrt. Das ganze Ge-

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2.687 Deschner Bd. 3, 434Die besitzfeindliche Richtung im alten ...

rede von den immer schwereren Lasten, die denReichtum rechtfertigen sollen, erledigt die Tatsache,daß in der alten Kirche in aller Regel der Bischof al-lein so viel bekam wie seine Armen zusammen! DerBischof allein so viel bekam auch wie sein ganzerKlerus zusammen (S. 473)! Völlig legal, wohlge-merkt – illegal stand es für manchen Oberhirten nochviel günstiger37.

Längst schon war von dieser Kirche der Chilias-mus, eine Art sozialistischer Utopismus, verratenworden, die leidenschaftliche Erwartung einer rein ir-dischen Glückseligkeit – eine Glaubensvorstellung,die nicht nur auf die Massen, sondern auch auf einigeBischöfe und Kirchenväter im Frühchristentum einegewaltige Suggestivkraft ausgeübt und die Mission ingar nicht zu überschätzender Weise begünstigt hatte.Längst schon hatte die reich und mächtig gewordeneKirche den Chiliasmus diffamiert: als judaistisch, alsfleischliche Gesinnung, »Privatmeinung«, »Mißver-ständnis«, »Entgleisung und Fabelei«; wobei die Kir-che bis zur Fälschung des chiliastischen Schrifttumsging, das sie schließlich fast total verschwinden ließ.Längst schon hatten geld- und machtgierige »Prophe-ten«, »Inspirierte«, Priester ein dringendes Interesseam Beitritt von Wohlhabenden. Längst schon hattenviele christlichen Autoren auf diese neuen Verhältnis-se sich eingestellt, falls sie nicht, wie Paulus, von An-

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2.688 Deschner Bd. 3, 435Die besitzfeindliche Richtung im alten ...

fang an dahin tendierten. Denn auch bereits im NeuenTestament gibt es eine ganz andere Richtung, gibt espositive Äußerungen zu Geld und Besitz, lesen wirschon von der Bevorzugung reicher Gläubigen gegen-über armen beim Gottesdienst, lesen wir von christli-chen Gemeinden, die sich brüsten: »Ich bin reich, jareich bin ich geworden und habe an nichts Mangel«.Lesen wir von Unfrieden, Kampf, Streit. »Ihr mor-det«, heißt es, »und seid neidisch, doch ohne eureWünsche erfüllt zu sehen ...«38

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2.689 Deschner Bd. 3, 435Die besitzfreundliche Richtung im alten ...

Die besitzfreundliche Richtung im altenChristentums und der Beginn des Lavierens

Ein instruktives Beispiel ist Paulus, wie so oft derAntipode des synoptischen Jesus, der Einführer völligneuer Lehren, der Erlösungslehre, der Lehre von derErbsünde, der Prädestinationslehre, der Mann, mitdem der Einbruch der Askese ins Christentum be-ginnt, die Verachtung der Frau, die Diffamierung derEhe und eine gänzlich andere Praxis der Verkündi-gung, der schäumenden Intoleranz39.

Dieser Paulus denkt auch über Armut und Reich-tum bereits anders. Er propagiert zwar das Gebot derNächstenliebe, setzt Geldgier dem Götzendienstgleich, doch fehlen bei ihm alle harten Ausfälle Jesugegen den Reichtum. Besitz als solchen wertet Pauluspositiv und will die christliche Bruderliebe nicht soweit getrieben sehen, daß der Schenkende dadurchselber in Not gerate. »Denn nicht soll andern eineEntlastung, euch selbst aber eine Belastung geschaf-fen werden«. Das klingt nun wirklich völlig andersals bei Jesus. Und während dieser auf die Vögel desHimmels zeigt, die nicht säen, nicht ernten und dochleben, lehrt das paulinische Schrifttum »die Ehredarin zu suchen, daß ihr ein ruhiges Leben führt,euren eigenen Geschäften nachgeht und euch euerKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.690 Deschner Bd. 3, 436Die besitzfreundliche Richtung im alten ...

Brot mit eurer Hände Arbeit verdient«. Ausdrücklichwird bestimmt: »Wenn einer nicht arbeiten will, dannsoll er auch nicht essen!« Und während Jesus seinenJüngern befiehlt, das Evangelium ohne Geld im Gür-tel zu verkünden, während er ihnen nur einen Wan-derstab und Sandalen gestattet, bei Markus, bei Mat-thäus und Lukas auch Stab und Schuhe verbietet, er-laubt Paulus den Boten des Evangeliums die Annah-me von Geld, ja, ereifert sich geradezu dafür, wennauch nicht immer im eignen Interesse.

Doch auffallend oft kommt Paulus auf diesenPunkt. »Wer aber Unterricht im Wort Gottes erhält,lasse seinen Lehrer an allen Gütern teilnehmen!«»Haben wir etwa nicht das Recht, Essen und Trinkenzu beanspruchen?« »Im mosaischen Gesetz steht jadoch geschrieben: ›Du sollst dem Ochsen, der dadrischt, nicht das Maul verbinden!‹« »Wenn wir füreuch das Geistliche ausgesät haben, ist es da etwasAbsonderliches, wenn wir von euch das Irdische ern-ten?« Daran hat sich der christliche Klerus gehalten!Dies hat er nicht gedreht und gewendet, nicht abge-schwächt, wie die radikalen Gebote Jesu! Und auchvon seinen Gemeinden berichtet Paulus keine Güter-gemeinschaft, sondern daß sie »einander beißen undauffressen« und zusehen sollen, »nicht voneinanderverschlungen« zu werden; genau die herrschendechristliche Praxis, die wir seit zweitausend Jahren

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kennen – gewiß auch außerhalb des Christentums;aber hier geht es um das Christentum40!

Daß man über Geld schon in der Urgemeinde nichtmit sich fackeln ließ, lehrt das berüchtigte »Strafwun-der« des Petrus. Als nämlich ein gewisser Ananias einGrundstück verkauft, den Betrag dafür aber, im Ein-verständnis mit seiner Frau Saphira, nicht ganz beiPetrus abgeliefert, sondern selbst noch etwas behaltenhatte, erklärt der Apostelfürst: »Nicht mich hast dubelogen, sondern Gott« – ein ungeheures, den ganzennicht mehr überbietbaren Größenwahn dieser Kleine-leutebrüder spiegelndes Wort, ein Wort mit ebensoweitreichenden wie verheerenden Folgen. Ananiassinkt vor Petrus nieder, gibt seinen Geist auf und wirdsogleich beiseite geschafft. Nach drei Stunden kommtSaphira, und Petrus bestraft auch sie mit dem Tod.»Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begrabenhaben, sind vor der Tür und werden dich hinaustra-gen. Und alsbald fiel sie zu seinen Füßen und gab denGeist auf.« Das ist der »Geist«, der im ChristentumSchule macht! Das eigene Interesse, das des ange-führten Zirkels – dies muß immer wieder gesagt wer-den: stets als das Gottes deklariert –, geht über alles,auch über Leichen, über mehr Leichen und verheu-chelter über Leichen als irgendwo sonst auf Erden.(Das Lehramt der katholischen Kirche hat dem Staatdas Recht zur Verkündung der Todesstrafe ausdrük-

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2.692 Deschner Bd. 3, 437Die besitzfreundliche Richtung im alten ...

klich bestätigt und -trotz stets erneut vorgebrachterEinwände – sein Urteil niemals revidiert.)41

Auch der bekannte Streit in der Urgemeinde zwi-schen den »Hellenisten« und »Hebräern« betraf be-reits den finanziellen Bereich, wenn es auch noch umweit mehr dabei ging. Die »Hellenisten« fühlten sichjedenfalls bei der Verteilung des täglichen Lebensun-terhalts (in Naturalien oder Bargeld) benachteiligt undprotestierten bei den Aposteln42.

Nur allzubald verhielt sich die Christenheit auch insozialer Hinsicht wie alle Welt. Als das erwarteteGottesreich auf Erden nicht kam (S. 73 f), nahm manauch mit dem bestehenden Reich vorlieb. Zwar prägtdas älteste Christentum, nicht zuletzt als Konsequenzseines Endzeitglaubens, ein starker Staatshaß, nenntdas Neue Testament den Staat »die große Hure« undden »Greuel der Erde«, findet man da »überall radika-le Negation« (der Theologe Weinel), ist alles, was derStaat tut, »im Dienste des Satans getan« (der Theolo-ge Knopf). Doch wenn es auch noch lange staats-feindliche Strömungen im Christentum gibt: bereitsPaulus – und er ist, um einmal mehr daran zu erin-nern, der älteste christliche Autor überhaupt – dachteda um, auch er gezwungen durch das Ausbleiben desHerrn (S. 74).

Schon bei Paulus beginnt gegenüber Jesus – fürden die Staaten zur Civitas Diaboli, zum Machtbe-

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reich des Teufels gehören und die Staatsmänner zuden Vergewaltigern der Völker – die Anerkennung,die Verherrlichung des Staates. Hatte Jesus erklärt:»Ihr wißt, daß die, die über die Völker herrschen, sieunterjochen und die Großen sie vergewaltigen«, soläßt Paulus die staatliche Obrigkeit – die ihn ja dannselber, wenn wir den christlichen Überlieferungenglauben dürfen, einen Kopf kürzer macht, »von Gottverordnet« sein und stempelt die Regierungen zum In-begriff von Fug und Recht: für die Kirche seit zweiJahrtausenden das Fundament einer blutigen Kollabo-ration43.

Die frühe staatsfreundliche Tendenz aber setzt sichim Christentum fort und siegt.

Schon die alten Apologeten stoßen in dasselbeHorn. Aristides von Athen findet kaum ein Ende, denKaisern die christlichen Edelmenschen anzupreisen.Sie treiben »nicht Ehebruch und Unzucht«, beteuerter, »legen kein falsches Zeugnis ab, unterschlagenkein hinterlegtes Gut, begehren nicht, was nicht ihreigen ... Ihre Frauen, o Kaiser, sind rein wie Jungfrau-en, und ihre Töchter sittsam. Ihre Männer enthaltensich jedes ungesetzlichen Verkehrs und aller Unlau-terkeit ...« (natürlich: »in der Hoffnung auf die in derandern Welt winkende Vergeltung ...«). Diese Chri-sten kriechen den Kaisern, den heidnischen wohlge-merkt, die sie im 4. Jahrhundert doch aufs gemeinste

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diffamieren (I 203 ff), im 2. Jahrhundert in den aller-höchsten Hintern. Der »ganze Erdkreis«, behauptetanno 177 Athenagoras von Athen in seiner Apologie,sei der kaiserlichen »Wohltaten teilhaftig«. »WeiseMäßigung« attestiert er ihnen, »Menschenliebe« in»allen Dingen«, auch »Begabung und Bildung«, undersucht devotest um das Neigen der Herrscherhäupter.»Denn welche Eurer Untertanen verdienen es, eher Er-hörung ihrer Bitten zu finden als wir, die wir für EureHerrschaft beten, damit die Regierung in gerechtesterErbfolge vom Vater auf den Sohn übergehe und EuerReich wachse und gedeihe, indem die ganze WeltEuch Untertan wird? Dies liegt auch in unserem Inter-esse, damit unser Leben ruhig und ungestört verlaufeund wir alle Anordnungen bereitwillig vollziehenkönnen.«44

Und wie sich die Christen alsbald dem Staat alssolchem anpassen, so eben auch, als das erwarteteGottesreich auf Erden ausblieb, dem üblichen Er-werbs- und Wirtschaftsleben.

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2.695 Deschner Bd. 3, 439Ein frühchristlicher Bankier wird Papst

Ein frühchristlicher Bankier wird Papst – und einSeitenblick auf die Soziallehren der Päpste im

20. Jahrhundert

Schon im 1., mehr noch im 2. Jahrhundert feilscht,streitet, prozessiert man unter Christen; lauter Verhal-tens-, Bestätigungsformen, die Jesus strikt verbietet.Überall sind Christen um 200 mit Handwerk undHandel befaßt, und von den meisten Kirchenväternwird auch der Handel als notwendig anerkannt (fürKleriker aber häufig untersagt). Tertullian, der denReichtum noch rigoroser als Lukas beurteilt und Han-del als die Wurzel aller Übel weitgehend verdammt,betont die Teilnahme von Christen am Kaufmannsle-ben, ihre Tätigkeit in allen Handelssparten. Er siehtsie am Forum schachern, auf dem Markt, in Werkstät-ten arbeiten und Läden. Sie treiben auch Überseehan-del. Ist doch bereits der Gründer der ältesten christli-chen Kirche, der Schöpfer des ersten Neuen Testa-ments, der spätere »Häretiker« Markion, ein in vielerHinsicht kaum hoch genug zu schätzender Christ, einbegüterter Reeder aus Sinope am Südufer desSchwarzen Meers. Bereits im Jahr 139 zahlt er derchristlichen Gemeinde Roms bei seinem Eintritt200000 Sesterzen (etwa 40000 Goldmark, gut einehalbe Million DM), bricht aber nach fünf Jahren mitKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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ihr, wobei er sein Geld zurückerhält; man hat selbstgenug45.

Auch das Bankgeschäft wurde schon um dieWende vom 2. zum 3. Jahrhundert von Christen be-trieben. Wir kennen aus jener Zeit zwei christlicheBankiers namentlich. Der eine war Theodotus derWechsler; der zweite, ein besonders skandalumwitter-ter Bankier in der piscina publica (Badeanstalt) inRom, brachte es, wohl nicht zuletzt auch deshalb, biszum Papst: der hl. Kallist (II 94 ff). (Auch der gegen-wärtige Papst Johannes Paul II., der sicher gleichfallseinmal heilig werden wird, wurde ja durch seinen Va-tikanbankpräsidenten Erzbischof Marcinkus, hinterdem monatelang die italienische Polizei her war, indie schlimmsten Geldskandale u.a. mit den dann er-mordeten Mafia-Bankiers Roberto Calvi, dem »Ban-kier Gottes«, und dem einstigen JesuitenzöglingMychele Sindona verstrickt; wahrlich nicht als einzi-ger »Heiliger Vater« des 20. Jahrhunderts; Pius XII.starb 1958 mit einem Privatvermögen von 80 Millio-nen DM in Gold und Valuten: I 23 ff.) Im 3. und be-sonders seit dem 4. Jahrhundert gibt es schwerreichechristliche Kaufleute, Fabrikanten, Reeder, Christen,die riesige Latifundien besitzen, es gibt christlicheGeldwechsler und Banker in Alexandrien, Antiochien,Konstantinopel, Ephesus, Korykos, Korinth, Kartha-go, Rom, wo die »collectarii« schließlich eine Korpo-

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ration bilden, solidi (Goldmünzen) auf dem freienMarkt kaufen und verkaufen, auch Kreditgeschäfte tä-tigen46.

Die »Kirche der Heiligen« sah also in ihrer Zusam-mensetzung nicht viel anders aus als die römische Ge-sellschaft der Spätantike, die in zwei Gruppen zerfiel:in wenige Reiche, die fast alles besaßen, ein ebensobedenken- wie schrankenloses Genußleben führten,oft in unvorstellbarem Luxus praßten und sich desGoldgeldes bedienten. Und in die Masse derer, diefast nichts hatten oder nichts, die in dumpfem Fatalis-mus dahinvegetierten, weit mehr schlecht als rechtvon ihrer Hände Arbeit lebten, mit kupfernem odersilbernem Inflationsgeld zahlten und von den Herrenverachtet wurden. Ein gewisser, stark zusammenge-schmolzener Mittelstand spielte kaum eine Rolle. Dasfreie Kleinbauerntum existierte längst nicht mehr, dieGroßagrarier und später auch die Kirche besaßen fastallein den ganzen Grund und Boden, genossen aberImmunität. Für die Steuern kamen die Mittel- undUnterschichten auf47.

Die Kirchenführer sahen sich somit einer prekärenSituation gegenüber. Der große Haufen der Christenwar arm, zumindest sehr wenig begütert. Allmählichaber stießen auch die Angehörigen der besitzendenSchichten dazu, Wohlhabende, Reiche, die das paupe-ristische Pathos, die gängige Gleichsetzung von

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christlich und arm, nicht wenig irritierte. Und dochdurften gerade die Reichen am wenigsten verprelltwerden. Die Kirchenväter und -führer mußten ihnenentgegenkommen, aber freilich ohne das Gros ihrerAnhänger zu vergrämen oder gar zu verlieren.

So wurde einerseits die grauenhafte Kluft zwischenReichen und Armen von vielen christlichen Autorendurchaus gegeißelt. Ja, als im 4. Jahrhundert nicht nurder soziale Gegensatz innerhalb der christlichen Ge-meinden immer offenkundiger wurde, sondern auch,mit der rapiden Verweltlichung der Kirche, die Dis-krepanz zwischen deren Predigt und Praxis, da ver-schärfte sich die Anklage einiger ihrer Führer ehernoch. Ein so edler Christ wie Kirchenlehrer Basiliustritt dann und wann sogar für freiwillige Güterge-meinschaft ein, nennt Christen, die noch etwas als ihrEigentum ansprechen, Diebe, Räuber, ja, stellt jeden,der aus Egoismus Notleidenden nicht hilft, auf eineStufe mit Mördern. Gerade das Gebot der Nächsten-liebe beweist Basilius, daß es dem Reichen noch ganzund gar an der wahren Liebe fehle. Denn solle jeder»auch nur wenig für seine Lebensbedürfnisse bekom-men, so müssen alle zugleich ihr Vermögen verteilenund an die Armen geben. Wer daher den Nächstenliebt wie sich selbst, besitzt nicht mehr als der Näch-ste«. Und Bischof Basilius konnte so sprechen. ZurZeit einer Hungersnot, heißt es, verkaufte er alles,

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was er besaß, um für den Erlös den Armen Lebens-mittel zu schenken. Auch Kirchenlehrer Gregor vonNazianz prangerte die krassen Unterschiede in denchristlichen Gemeinden an, sah die Reichen im Luxusschwimmen und üppig tafeln, die Armen aber oftohne das Nötigste, sah die Reichen vielräumige Palä-ste bewohnen, die Armen manchmal obdachlos, sahdie Reichen in kostbaren Kleidern, die Armen inLumpen. Und auch Bischof Gregor sprach nicht nurso. Er hinterließ sein ganzes Vermögen, wenn aucherst testamentarisch, der Kirche und den Armen48.

Allerdings scheint angesichts der großzügigenSchenkungsakte so manches katholischen Heiligendoch eine gewisse Vorsicht geboten. Man sitzt daleicht gewissen Legenden auf, die sozusagen längstamtlich, »Geschichte« geworden sind. Zum Beispielhatte Bischof Cyprian bei seiner Taufe sein ganzesVermögen den »Armen« beziehungsweise der Kirchevermacht. Dann aber erhielt er, so sein Biograph Pon-tius, durch Gottes Gnade die »Gärten« wieder zurück.Der riesige Latifundienbesitz – vielleicht der berühm-teste derartige Fall –, den die hl. Bischöfe Basiliusund Gregor von Nyssa der Kirche vermachten, solldoch gleichsam »zeitlebens ihr Privatvermögen« ge-blieben sein (Staats). Der berüchtigte TempelruiniererBischof Porphyrios von Gaza hat, so eine Quelle desfrühen 5. Jahrhunderts, seinen ganzen Besitz nach sei-

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2.700 Deschner Bd. 3, 442Ein frühchristlicher Bankier wird Papst

ner Bekehrung den Armen geschenkt; bei seinem Le-bensende aber verfügte er wieder über ein beträchtli-ches Vermögen49.

Beispiele für ein zumindest sehr soziales verbalesEngagement könnten Bände füllen. Und vermutlichwaren solche Predigten oft auch ehrlich gemeint, je-denfalls von jenen wenigen, die selber ihr Vermögenganz oder doch zum Teil verschenkten. Auch sindderart hochherzige Akte wohl die wirksamsten Winkean die Reichen gewesen, gleichfalls wohltätig zu sein,was gewöhnlich hieß, die Wohlfahrtstätigkeit der Kir-che zu unterstützen, was damit wieder, so oder so, vorallem dieser selbst zugute kam – und zugleich, eintrefflicher Zug: die Armen in Schach hielt. Man ver-minderte dadurch die sozialen Spannungen zwar nurwenig, aber man hinderte doch die christlichen Armendaran, ihr elendes Schicksal gewaltsam zu ändern.Zumindest verhinderte man es in Verbindung mit vie-len anderen Dauer-Indoktrinationen, wie stetem Ein-schärfen der Untertanenpflicht, des Gehorsams, Dul-dens, der Demut, Opferbereitschaft, des unendlichenLohnempfangs im Himmel oder der Drohungen mitHöllenfeuerpeinen etc.

Das Problem war längst bekannt. Bereits die alt-griechischen Staatstheoretiker, auch Platon, auch Ari-stoteles, betonten, daß Armut Unzufriedenheit, dieSucht nach Umsturz wecke und Aufruhr erzeuge.

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2.701 Deschner Bd. 3, 443Ein frühchristlicher Bankier wird Papst

Noch mehr verbreitet war die Meinung, daß Armutder Boden für alles Böse sei. Eine Revolution aberkonnten die Bischöfe so wenig brauchen wie derStaat, mit dem sie seit dem 4. Jahrhundert aufs engstekollaborierten. Die Lage war um so gefährlicher, alsin nachkonstantinischer Zeit nicht so sehr eine Revol-te der Sklaven als der aufs schlimmste ausgeplünder-ten Volksmassen die Herrschenden bedrohte. So ließman – wohltätig – alles beim alten, indem manNeues, vor allem viel Besseres, das allein Wahre, al-lein Seligmachende vorgab. Und wie man seit Kon-stantin, bis heute, die Kriege des Staates unterstützte,so auch, gleichfalls bis heute, dessen Ausbeutung.Derart aber vergrößerte sich die Kluft zwischen denBesitzenden und Besitzlosen weiter, zumal »dieMehrheit der Reichen, darunter auch Geistliche, Goldund Silber wie den heidnischen Baal anbeteten«(Gruszka)50.

Das ist, knapp skizziert, die Situation, in die Kir-che und Christentum hineinsteuern und der sie Rech-nung tragen, indem sie scheinbar die Interessen derReichen und Armen vertreten, in Wirklichkeit aberausschließlich die jener. Um so fataler, als dies nichtnur der Predigt Jesu, seiner grundsätzlichen Disquali-fizierung des extremen Kapitalismus wie des seelen-betörenden Wohlstands an sich, scharf ins Gesichtschlägt, sondern auch vortäuscht, das Schicksal der

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2.702 Deschner Bd. 3, 443Ein frühchristlicher Bankier wird Papst

Armen verbessern zu wollen, sich mit ihnen zu soli-darisieren.

Betrachtet man beispielsweise, kurz weit voraus-schauend, die Sozialpolitik der Päpste des ausgehen-den 19. und des 20. Jahrhunderts – vorher schriebendie Päpste keine Sozialenzykliken: das taten sie erstseit Marx! –, so stehen sie sämtlich in einer uraltenkirchengeschichtlichen Tradition: gipfeln sie alle inder Bemühung, das Mißverständnis zwischen Haben-den und Habenichtsen kriminell zu verharmlosen.Gehen sie alle, wie Papst Leo XIII., der geboreneGraf Pecci, »von der einmal gegebenen unveränderli-chen Ordnung der Dinge« aus, »wonach in der bür-gerlichen Gesellschaft eine Gleichmachung von hochund niedrig, von arm und reich schlechthin nicht mög-lich ist«. Sind sie alle überzeugt, wie Papst Pius XII.,der große Faschistenkomplice und private Multimil-lionär, »daß es immer Reiche und Arme gegeben hat;und daß dies auch immer so sein wird ...«. Wie schonLeo XIII., erblickt auch Pius XII. darin eine Art na-türlicher Harmonie. Unternehmer und Arbeiter sindfür den päpstlichen Großkapitalisten »Mitarbeiter aneinem gemeinsamen Werk. Sie essen, möchte manfast (!) sagen, am gleichen Tisch ... Jeder von ihnenhat seinen eigenen Nutzen«. Und es ist nicht von un-gefähr, daß sich der gegenwärtige »StellvertreterChristi«, Johannes Paul II., so gern und so oft auf die

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2.703 Deschner Bd. 3, 444Ein frühchristlicher Bankier wird Papst

unsozialen Äußerungen seiner Vorgänger beruft. Daßer vor Arbeitern so zungenfertig von der »Würde derArbeit«, dem »Adel der Arbeit« spricht. Daß er siedaran erinnert, daß auch Gottes Sohn »arm geborenwurde«, »unter Armen lebte«. Daß sie um Gottes wil-len nicht »den Reichtum für den Inbegriff desGlücks« halten, vielmehr erkennen sollten, die»Armen vor Gott« seien auch die »Reichen«, wie erim Elendsviertel Vidigal von Rio de Janeiro die dop-pelt Gedemütigten dämpfte, nicht vergessend hinzu-zufügen, daß wir ja »alle Brüder sind ...«51.

Diese schamlosen Augenwischereien haben nuneine genau 1900jährige Tradition. Und eben dies soll,wie es ihrer traurigen Bedeutung entspricht, im fol-genden etwas ausführlicher betrachtet und belegt wer-den.

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2.704 Deschner Bd. 3, 444»Ich mache das große Geld, meine Frau übt ...

»Ich mache das große Geld, meine Frau übtWohltätigkeit ...« – von Klemens von Rom bis

zu Gregor von Nyssa

Da ist etwa gegen Ende des 1. Jahrhunderts der soge-nannte Brief des Klemens von Rom, der bereits nach-drücklich für die bestehende gesellschaftliche Un-gleichheit eintritt: »Der Starke sorge für den Schwa-chen, und der Schwache kümmere sich um den Star-ken; der Reiche unterstütze den Armen, der Armeaber danke Gott dafür, daß er jenem gegeben, wo-durch seinem Mangel abgeholfen werde.« Mit Rechtsah man schon hier »den Mechanismus der Ausbeu-tung« am Werk; wozu paßt, daß Klemens von Romauch den Frauen befiehlt, »ihre Männer in der richti-gen Weise zu lieben« und »in den Schranken der Un-terwürfigkeit sich zu halten« – und daß er auch schondie heidnische Obrigkeit in ein langatmiges Schlußge-bet einschließt52.

Um die Mitte des 2. Jahrhunderts lehrt der soge-nannte Zweite Clemensbrief zwar, nicht geldgierig zusein, sondern Almosen zu geben, die Sünden tilgen.Doch die – schon im Alten Testament irritierende –Tatsache, daß die Bösen manchmal reich, die KinderGottes arm sind, erklärt diese älteste christliche Pre-digt, die überhaupt erhalten ist: die Guten bekommenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.705 Deschner Bd. 3, 445»Ich mache das große Geld, meine Frau übt ...

ihren Lohn im Himmel; bekämen sie ihn schon hier,würde die Gottesverehrung in einen Handel ausarten,der nicht Frömmigkeit bezweckte, sondern Gewinn –und gerade auf Gewinn, den allergrößten, läuft dieserganze Handel doch hinaus!53

Die »Didache« oder »Zwölfapostellehre« (S. 131)befiehlt zwar noch, »alles gemeinsam« mit dem Bru-der zu haben und nichts als Eigentum auszugeben, ja,den Nächsten noch mehr als die eigene Seele zu lie-ben. Aber sie verlangt freilich auch schon: »Laß deinAlmosen schwitzen in deinen Händen, bis du erkannthast, wem du es gibst!« Und gerade dieser Gedankekehrt bei den Kirchenlehrern Augustinus und PapstGregor I. wieder, wird von ihnen als Bibeltext (Sir.12,1 ff) zitiert und bis ins Mittelalter hinein oft wie-derholt54.

Der Apologet Aristides von Athen singt zwar demKaiser Antoninus Pius (138–161) oder dessen Vor-gänger Hadrian ein langes Loblied über die Tugendder Christen. Aber er stimmt auch bereits eine Hymneauf das Kaiserreich an, die »eine gemeinsame staatli-che Ordnung«, und versichert angesichts der ungeheu-ren Unterschiede von arm und reich dem Regenten inder ältesten uns erhaltenen christlichen Apologie: »Sosind die bestehenden Verhältnisse naturgemäß sowohlfür die Armen als auch für die Reichen befriedigendund nützlich, und eine andere Art zu leben gibt es

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2.706 Deschner Bd. 3, 446»Ich mache das große Geld, meine Frau übt ...

nicht« – »ein geradezu rührendes Dokument aus demalten Christentum ... noch schwach und ungelenk unddoch schon so zukunftssicher« (HofstiftskanonikusKaspar Julius)55.

Das erinnert sehr an eine weitere Apologie, die derhl. Justin um 150 in Rom vielleicht an denselben Kai-ser adressiert, dem er »freudigen Gehorsam« der Chri-sten verspricht, die er wegen ihrer Furcht vor ewigenStrafen als die besten Stützen des Throns empfiehlt:»Ihr habt aber in der ganzen Welt keine besseren Hel-fer und Verbündeten zur Aufrechterhaltung der Ord-nung als uns ...« »Abgaben und Steuern suchen wirüberall vor allen anderen euren Beamten zu entrich-ten ...«56

Und wie Justin, so sein Schüler Tatian: »Der Kai-ser befiehlt, Steuern zu zahlen: ich bin bereit, sie zuleisten; der Herr verlangt, ihm zu dienen und zu ge-horchen: ich kenne die Pflicht des Untertanen.« Undgewiß weiß dieser Christ, was dem Sklaven ziemt:»Bin ich ein Sklave, so ertrage ich die Sklaverei«.

Tatian versteht die Armen bereits derart zu dämp-fen, als wäre er in Rom Bischof gewesen. So nützlichist der Reichtum gar nicht, schreibt er. Und wenn derReiche sät, fällt schließlich auch für den Armen etwasab. Ja, während der Reiche die größeren, oft gar nichtso leicht zu befriedigenden Bedürfnisse hat, bekommtder Arme unschwer das bißchen, das er braucht57.

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2.707 Deschner Bd. 3, 446»Ich mache das große Geld, meine Frau übt ...

Dieses einleuchtende Argument kehrt durch zweiJahrtausende in der katholischen »Sozialliteratur«wieder; auch beim hl. Cyprian, 258 enthauptet.Gewiß tritt Cyprian, wie alle seinesgleichen, nach-drücklich für Wohltätigkeit ein, nennt er irdischeGüter gefährlich, ist sein Ideal die Gütergemeinschaftder Urgemeinde von Jerusalem, verkauft er, selbersehr vermögend, seinen Besitz zugunsten der Armen,wenn auch nicht ganz. Doch, Gott, wie viele Sorgen,stellt der hl. Bischof, einst Lehrer der Rhetorik, seinenLesern vor, hat der Reichtum im Gefolge, Schrecken,von denen der Arme ja nichts ahnt! In seinem ganzenLeben, seinem Schwelgen und Genießen, säße demReichen die Angst im Nacken, peinige ihn die Furcht,ein Räuber könne seine Güter verwüsten, ein Mörderihm auflauern, der Neid ihn, die Verleumdung odersonstwas in Prozesse verwickeln etc.58

Als großer Progressist in der Frage reich und armerweist sich der zwischen 211 und 215 gestorbeneKirchenvater Clemens von Alexandrien, offensichtlichinspiriert durch die reiche, von Alexander d. Gr. ge-gründete Handelsstadt, den wichtigsten Warenum-schlagplatz zwischen Ost und West im Römerreich.Unter ihren vielleicht 800000 Einwohnern sind rundein Zehntel reiche Handelsherren, Großagrarier, dieaußer beträchtlichen Ländereien zehn bis zwanzigHäuser besitzen und etwa 1000 bis 2000 Sklaven; ein

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2.708 Deschner Bd. 3, 447»Ich mache das große Geld, meine Frau übt ...

Zehntel sind Arme, die übrigen meist Kleinbürger59.So manches Jesuswort, zumal die Geschichte vom

reichen Jüngling, setzte den vermögenden alexandri-nischen Christen zu. Also macht Clemens dasEvangelium der umworbenen Gesellschaft mundge-recht und zeigt in einer um 200 verfaßten Homilie»Welcher Reiche kann gerettet werden« (Quis divessalvetur), daß Jesus auch den – für die Kirche sowichtigen – Kapitalisten das Paradies nicht ver-schließt60.

»Geh, verkaufe alles, was du hast ...«, befiehlt derHerr – vergebens – dem jungen Mann im Evange-lium, und Clemens fragt: »Was bedeutet das? Er be-fiehlt ihm nicht, wie manche das Wort in oberflächli-cher Weise auffassen, das Vermögen, das er besitzt,wegzuwerfen und auf seinen Besitz zu verzichten,sondern aus seiner Seele die Gedanken an den Besitzzu verbannen, die leidenschaftliche Liebe zu ihm, dasgewaltige Verlangen darnach, die krankhafte Unruhedarum, die Sorgen, die Dornen des irdischen Lebens,die den Samen des ewigen Lebens ersticken.«

Der französische Theologe und Kirchengeschichts-schreiber Michel Clévenot läßt diese und ähnlicheSätze des Clemens – »ein flotter Sechziger« – einenalexandrinischen »Geschäftsmann«, einen »Import-Export-Kaufmann« hören und so kommentieren: »Dasist doch genau das ..., was ich mir auch immer dachte.

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2.709 Deschner Bd. 3, 448»Ich mache das große Geld, meine Frau übt ...

Das Evangelium verurteilt den Reichtum nicht; alleskommt darauf an, sich nicht an ihn zu hängen ... Mei-ner Treu ... Ich mache das große Geld, meine Frau übtWohltätigkeit, und wir beide verdienen uns das Para-dies ...«61

Energisch verteidigt Clemens das Privateigentum.Reichtum an sich ist gar nicht tadelnswert, nur dieHabgier. Reichtum, Wohlhabenheit sind vielmehr einGut, zumal der Reiche auch mildtätig sein könne.Nicht der Reiche ist deshalb vom Himmelreich ausge-schlossen, sondern der Sünder, der sich nicht bekehrt!Clemens versäumt nicht, die Armen zurechtzuweisen,die gegen die Reichen sich erhöhen, versäumt nicht,den Apostel Matthäus »reich« zu nennen und zu leh-ren, daß die Menschheit ja gar nicht existenzfähigwäre, wenn niemand etwas besäße!62

So spricht fast alles dafür: Clemens hat »den Rei-chen ein theologisches Alibi für ihren Wohlstand ge-liefert«, eine »Almosentheorie« (Hauschild). Undwirklich, was faktisch auf die Dauer übrigblieb, nichtnur bei Clemens, überhaupt, war das Almosen63.

Das gab es freilich schon bei den Griechen, die diesaber nie als Tugend angesehen hatten. Und auch aufrömischer Seite wird von Herodes Atticus, einemFreund Kaiser Hadrians, der Ausspruch überliefert:»Das Geld der Reichen soll dem Glück der Armendienen«. Im Christentum jedoch wurde die Wohltätig-

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2.710 Deschner Bd. 3, 448»Ich mache das große Geld, meine Frau übt ...

keit selten oder nie sozial motiviert, sondern fast stetsreligiös. Man gab nicht, um gesellschaftliche Miß-stände zu beheben, den Lebensstandard zu steigern,um Kunst, Wissenschaft, Bildung zu fördern, sondernum sein Seelenheil zu retten. Man beschenkte sich!Geld tut, lehrt Kyrill, fast vierzig Jahre, von 348 bis386, Bischof von Jerusalem, übt man damit Wohltä-tigkeit, eine Tür zum Himmel auf. Und dies: geben,um selig zu werden, nicht hier, sondern im Himmel,von den Kirchenvätern immer wieder eingeschärft,dies war das Entscheidende – der (religiöse) Egois-mus! Feiner, theologisch gesagt: die Werkgerechtig-keit. »Wer einem Armen gibt, leiht dem Herrn und er-hält seinen Lohn« – ein Wort des hl. Basilius, durch-aus typisch für die Haltung der »Väter«. »Alle Aktivi-täten wurden von diesem Standpunkt aus beurteilt«(Bogaert)64.

Und gerade deshalb ist dies ganze christlicheWohltätigkeitsgebaren so widerlich. Es beruht ge-wöhnlich auf nichts als auf dem Prinzip des do ut des,auf einem (im Grunde alttestamentlichen) Vergel-tungsdogma, einer ganz banalen, primitiven, für dieMassen aber sehr wirkungsvollen Lohn-Strafe-Moral,die schon Markion mit aller Vehemenz verworfen hat.Immer wieder aber wird im Christentum gerade dieheilsvermittelnde Kraft des Almosens, das »pro saluteanimae!«, aufdringlich beschworen; immer wieder be-

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2.711 Deschner Bd. 3, 449»Ich mache das große Geld, meine Frau übt ...

sonders in der frühkatholischen Kirche (etwa150–312) das gute Werk, die »Liebesarbeit«, dieWohltätigkeit als sündentilgendes Opfer propagiert.Nur einen Teil, nur einen kleinen Teil ihres Reich-tums brauchten die Besitzenden zu spenden, um dafürvon Gott belohnt zu werden65.

Manche verkündeten sogar, was kaum weniger,eher mehr attraktiv gewesen sein dürfte, Gotteslohnschon für diese Welt, wie Bischof Gregor von Nyssa,der jüngere Bruder des Kirchenlehrers Basilius. Gre-gor weiß zwar, daß die Armen, die Lazari, die Lieb-linge Gottes, zu Tausenden vor den Türen von Rei-chen liegen, die in sybaritischem Luxus leben, wes-halb er Abgaben empfiehlt, Wohltätigkeit und gegenGeldgier – Fasten. Doch berichtet dieser Heilige auch,unter Diokletian habe sein Großvater sein Leben samtseinem ganzen Vermögen verloren, dennoch der»Glaube« den Besitz seiner Erben so wachsen lassen,daß keiner der Familie früher reicher gewesen sei.Nicht genug. Obwohl das Vermögen unter neun Kin-dern in neun Teilen verteilt worden war, vermehrteGottes Segen den Teil jedes einzelnen derart, daßjedes Kind ein größeres Vermögen besaß als die El-tern66.

Immer deutlicher setzt sich im 3., mehr noch im 4.Jahrhundert das Bestreben durch, einerseits weiter dieMasse der Armen, das Gros der Christen ja durch alle

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2.712 Deschner Bd. 3, 449»Ich mache das große Geld, meine Frau übt ...

Zeiten, zu gängeln, andererseits aber die Reichennicht abzuschrecken. Auch darum erklärt man nunJesu ethischen Radikalismus als Richtlinie für die»Vollkommenen«, die Asketen, die Mönche, was dieReichen nicht zu kümmern brauchte. Nein, allen steheder Himmel offen, falls sie glauben, »gute« Christensind67.

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2.713 Deschner Bd. 3, 450Die »Revolutionäre« retten die Reichen

Die »Revolutionäre« retten die Reichen. DieKirchenlehrer Gregor von Nazianz und

Ambrosius von Mailand

Gregor von Nazianz, Sohn eines Bischofs, tadelt zwarden ungerechten Gewinn, geißelt Getreidespekulantenoder Händler, die zwei Maße und zwei Gewichte ge-brauchen, er verwirft es, den Mammon um des Mam-mons willen zu horten und sein Herz daran zu hän-gen. Doch andererseits, weiß er, segne Gott manch-mal Fromme durch Güter. Selber sehr begütert, siehtGregor im Reichtum eine Gottesgabe. Reichtummache es dem Menschen möglich, materiell selbstän-dig zu sein und den Notleidenden zu helfen. Aller-dings fordert der reiche Heilige keine bestimmte Ver-mögensquote für die Armen, ja, er animiert nicht ein-mal sehr zum Almosengeben. »Gib dem Dürftigennur ein wenig«, interpretiert er das Evangelium aufseine Art, »denn nicht wenig ist es für den, der Notleidet«. Gegebenenfalls genüge schon der »guteWille«. Auch brauche, wer an das Unglück gewohntsei – wieder ein nicht zu unterschätzender Vorteil desArmen –, nicht so viel Hilfe wie einer, der schon ver-mögend war und dann in Not geriet. So fordert Gre-gor dazu auf, Unterschiede in der Fürsorge zu machenund die durch ein Unglück, durch Schiffbruch, Raub,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.714 Deschner Bd. 3, 450Die »Revolutionäre« retten die Reichen

die Rücksichtslosigkeit der Wucherer, plötzlich armgewordenen Reichen besser zu behandeln, ihnen mehrMitleid, mehr Hilfe zu schenken als den übrigenArmen. Wer seit der Geburt an Elend gewöhnt sei, er-trage es leichter, als wer als Reicher plötzlich seinenReichtum verliere, weshalb er eben auch bevorzugtwerden müsse. Den Armen aber verspricht BischofGregor »die höchsten Stellen im Himmelreich, nichtÄmter in dieser kleinen, unbedeutenden Stadt«68.

Ja, der Himmel, das große Glück der Armen! AufErden indes ist es nun einmal, wie es ist, und Gregorist auch Realist genug, um sich nichts vorzumachen.»Obwohl alle Leute von derselben Haut sind, kommtes jenen zu zu herrschen, diesen, beherrscht zu sein;zu jenen gehört es, Tribute festzusetzen, zu diesen,Tribute zu zahlen; die ersten entgehen straflos, wennsie Unrecht tun, den zweiten bleibt es, alles zu tun,um am wenigsten zu leiden«69.

Auch Gregors Kollege, der Mailänder Bischof undKirchenlehrer Ambrosius, ist nüchtern genug, um dieDinge zu sehen, wie sie sind, das heißt die üblicheSozialpolitik seiner Kreise zu treiben. Gar mannhafttritt er für die Armen ein, ohne es je mit den Reichenzu verderben, auf deren Seite er schon aufgrund seinerHerkunft und Stellung steht. Ohne Zweifel gehörtAmbrosius von Mailand zu den markigsten Lavierern,die Kirche und Welt je gesehen haben.

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2.715 Deschner Bd. 3, 451Die »Revolutionäre« retten die Reichen

Einerseits verurteilt der populäre Bischof mitunterhart Reichtum und Geld, attackiert er gelegentlichkraftvoll die Reichen, ja leugnet entschieden, daß Pri-vatbesitz in der Natur begründet sei. »Nahrungsmittelhat sie bereit gestellt ..., hat diese Dinge allen gemein-sam geschenkt, damit du dir nicht etwas als Eigentumanmaßt« (haec communia dedit ne tibi aliqua velutpropria vindicares). Jedes Privateigentum sei gegendie Natur, beruhe auf Anmaßung und Habsucht. NachGottes Ratschluß sollte die Menschheit in Güterge-meinschaft leben, die Erde gemeinschaftlich besitzen.»Die Natur schuf das Recht des gemeinsamen Eigen-tums, die Usurpation machte daraus das Recht desPrivateigentums.« Nach dem »engagierten Fürspre-cher der Armen und Unterdrückten« (Wacht) liegtalso die Gütergemeinschaft in der Absicht des Schöp-fers, ist Privateigentum mit dem göttlichen Gesetz un-vereinbar, nicht naturgemäß. »Es ist nicht dein Eigen-tum, das du unter die Armen verteilst, es ist das ihre,das du ihnen nur zurückgibst. Denn du hast zu dei-nem privaten Gebrauch an dich gerissen, was allenzum Nutzen für alle anvertraut ist. Die Erde gehörtallen und nicht den Reichen.«

Das hört sich radikal an, fast revolutionär. Dochdieser Heilige, der einer der ersten römischen Famili-en entstammte – sein Vater war Regierungschef fürGallien –, auch selber beste Beziehungen zu den Kai-

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2.716 Deschner Bd. 3, 451Die »Revolutionäre« retten die Reichen

sern unterhielt, zeitweise täglich mit ihnen verkehrte,sie nicht selten dirigierte (I 399 ff), wollte natürlichnicht wirklich Gütergemeinschaft, sondern fordertenur Wohltätigkeit. Grundbesitz bewertet er durchauspositiv. Und Reichtum an sich sei keinesfalls verächt-lich, sei gar nicht schlecht, im Gegenteil ein GeschenkGottes, ein Reisegeld (viaticum) zum ewigen Leben,wenn man ihn richtig gebraucht, den Armen hilft.

Ambrosius will selbstredend nicht Kampf gegendie Reichen, will nur ihr Almosen. »Wer im Reichtumsich bewährt«, lehrt er, »ist wahrhaft vollkommen unddes Ruhmes würdig«. Auch sei im Namen des Herrnder Arme sicher wie der Reiche, der Schwache wieder Mächtige, der Taglöhner nicht prinzipiell vomGroßagrarier verschieden, da doch auch dieser ein»Lohnarbeiter Christi« sei (was man noch ganz ähn-lich bei dem privaten Großkapitalisten Papst PiusXII. liest). Den Armen müsse auch gar nicht seinElend grämen, seine Dürftigkeit. »Niemand klageüber seine Not, daß er sein Haus mit leerem Beutelverlassen mußte! Ärmer noch ist die Schwalbe. Kei-nen Heller besitzend ist sie nur überreich an Mühe ...«Einer der berühmten ambrosianischen Vergleiche ausder Tierwelt. Denn wie der Vogel Phönix ein Beweisfür die Unsterblichkeit ist, der Geier für die Jungfrau-schaft Mariens, die Turteltaube für wahre Witwen-treue etc. (S. 371 ff), so ist die Schwalbe noch ärmer

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2.717 Deschner Bd. 3, 452Die »Revolutionäre« retten die Reichen

als der Ärmste – und baut doch ihr Haus. Ohne einenHeller!

Ganz selbstverständlich setzt der Kirchenlehrer diePrivateigentumsordnung voraus, akzeptiert er denwirtschaftlichen Status quo und erklärt ihn durch denSündenfall – seinesgleichen kommt nie in Verlegen-heit. Zumal die Kirche hat natürlich gerechten Besitz,da sie dem Nächsten diene und alles verwende für dieArmen! Für sich, behauptet Ambrosius allen Ernstes,besitze sie nichts als den Glauben. »Nihil ecclesiasibi nisi fidem possidet ...«70

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2.718 Deschner Bd. 3, 452Der Fast-Sozialist

Der Fast-Sozialist. Kirchenlehrer JohannesChrysostomos und sein Jünger Theodoret

Selbst der stark sozial empfindende Johannes Chryso-stomos treibt im Grunde das schäbige Spiel seinerKollegen – wie heute noch manch hochbewunderterBischof Lateinamerikas.

Auf der einen Seite ist der Heilige ein Hirte, der inder Gütergemeinschaft die adäquate und naturgemäßeForm menschlichen Lebens, im Eigentum der Reichendas Gut der Armen sieht, nach dem man ohne Unge-rechtigkeit weder reich werden noch reich sein kann;der zuweilen eine Art kommunistisches Evangeliumverkündet, alle Dinge »in kommunistischer Weise zubesitzen« lehrt; der schreibt: »ohne Ungerechtigkeitkann man weder reich werden noch in Ehren reichsein«, so daß man ihn mitunter einen »Kommunisten«oder »Sozialisten« nennt. Er weiß wirklich oder pre-digt doch, daß Geldgier ein unnatürlicher Trieb sei,eine Pest, die alle mehr oder weniger ergriffen, dieWelt zerrüttet, versklavt habe, daß sie die Menschen»töricht« mache, »unvernünftig«, »frech und hün-disch, ja noch schlimmer als Hunde« (als wären aus-gerechnet Hunde schlimm!), »sie macht sie aus Hun-den zu Teufeln«. Vermögen sieht er nicht selten durchUnrecht zustande gekommen, durch trickreiche Han-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.719 Deschner Bd. 3, 453Der Fast-Sozialist

dels- und Geldgeschäfte, Richterbestechung – »Die daRecht sprechen sind nur dem Namen nach Richter, inWahrheit aber sind sie Diebe und Mörder«. Vermö-gen entstünden häufig durch Erbschleicherei, durchWucherzinsen, Spekulationen bei Hungersnot; dieGeld-, die Besitzgier löse Streit aus, Raub, Mord,Krieg. So rät er, sein Geld nicht zu schonen, alles denBrüdern zu geben oder wenigstens mit dem Bedürfti-gen zu teilen, ihm die Hälfte, ein Drittel als Seelteilzu schenken. Wohltätigkeit nämlich tilgt Sünden,nehmen die Armen doch mit dem Geld auch die Sün-den dessen weg, der Geld gibt71.

Im allgemeinen freilich fordert der Kirchenfürstnicht vom Reichen sein Kapital. Nie hat er das Rechtauf Privateigentum preisgegeben, nie im Reichtum ansich ein Unrecht gesehn, sondern nur in dessen unge-rechtem Gebrauch, womit er die bis heute üblicheLehre und Taktik vertritt. Er suchte das Los derArmen durch Barmherzigkeit zu bessern, nicht durchBeseitigung der Ungerechtigkeit. Er suchte »das rech-te christliche Wort« für beide Teile, die Ausbeuterwie die Ausgebeuteten: die einen sollten sich mäßigenim Genuß, ohne Arroganz sein, ohne die maßloseVerachtung der Armen, der körperlichen Arbeit; dieanderen sollten dafür mit Freude, sollten um so willi-ger schuften – natürlich für ihre reichen Brüder!»Habe nicht im Auge, daß du einem Menschen dienst,

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2.720 Deschner Bd. 3, 454Der Fast-Sozialist

sondern Gott, und daß du dem Christentum Ehre ma-chen mußt. Dann wirst du dich zu allem leicht verste-hen: zum Gehorsam gegen deinen Herrn und zur Er-tragung seiner plötzlichen Launen und Leidenschaf-ten. Bedenke, du erweisest nicht ihm einen Gefallen,sondern du erfüllst einen göttlichen Befehl: so wirstdu alles mit Leichtigkeit ertragen ... Einen solchenDienstboten, der so willig und gut ist, wird Gott zusich nehmen und ihn mit leuchtenden himmlischenKränzen belohnen.«72

Der höchste Repräsentant des Katholizismus imOrient wußte dem Knechts- und Sklavenlos der Mas-sen, das er so oft mit so eloquentem Mitgefühl schil-dert, doch auch verdächtig viel Gutes nachzurühmen.Ständige körperliche Arbeit, schrieb er, nütze der Ge-sundheit sehr. Zudem erhöhe sie die Körperkraft,mache Arbeit die armen Frauen attraktiver als die rei-chen. Auch Naturschönheit, die Pracht der Sonne undSterne, genießt der einfache Mensch mehr als der Rei-che, dessen Leben sich zwischen Saufen abspiele undSchlaf. »Und betrachtet man die Luft, so wird manfinden, daß der Arme sie reiner und reichlicher ge-nießt«. »Oft kann man sehen«, behauptet der berühm-te Kirchenmann, »wie ein Millionär den glücklichpreist, der in der Werkstatt steht und von seinerHände Arbeit sich seinen Lebensunterhalt verschafft«.Doch nicht nur dies. Der liebe Gott, lehrt Chrysosto-

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2.721 Deschner Bd. 3, 454Der Fast-Sozialist

mos, habe in seiner Menschenfreundlichkeit verfügt,»daß das Vergnügen nicht für Gold und Silber käuf-lich ist, sondern nur für Mühe und Drangsal undNot ...«. So schlafen zwar die Reichen auf weichemPfühl, in Luxusbetten, aber: »Sie bleiben oft dieganze Nacht auf ihren Pfühlen schlaflos und kommennicht zum Genuß eines solchen Vergnügens, sovieleKünste sie auch anwenden. Der Arme aber hat, wenner von seinem harten Tagwerk abläßt, ermüdete Glie-der, und kaum hat er sich niedergelegt, überkommtihn ein vollständiger, süßer und tiefer Schlaf, unddarin empfängt er einen nicht geringen Lohn für seinerechtschaffenen Mühen.«

Und wie beim Schlaf, so im Grunde auch beimEssen, Trinken, überall geht es den Armen besser.Die Reichen schwelgen zwar, mästen sich von Tag zuTag. »Doch das kann auch am Tisch der Armen sichereignen, ja diese kann man sogar bei größerem Ge-nüsse sehen als alle Reichen zusammen«; denn nichtdie Beschaffenheit der Speisen sei entscheidend, son-dern die Stimmung der Speisenden. Wieder ein enor-mer Vorteil der Armen. Ja: »Ein großes Gut ist nichtBesitz von Schätzen, sondern Gottesfurcht und Fröm-migkeit ... So viel Geld liegt verwahrt, und es nütztzur Abwendung der auf uns lastenden Übel wenigerals Kot ...« – wenn es uns nicht gehört, ganz recht.Dagegen »sieh«, ruft der kirchenfürstliche Sozialfach-

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2.722 Deschner Bd. 3, 455Der Fast-Sozialist

mann, »wenn jetzt einer gerecht ist und voll fester Zu-versicht zu Gott, und wäre er auch der ärmste unterallen Menschen: es reicht hin, dem vorhandenen Miß-geschick ein Ende zu machen. Es genügt, daß er dieHände zum Himmel ausstreckt und Gott anruft, unddie Wolke wird vorübergehen.«

So einfach alles, so wunderbar. KirchenlehrerChrysostomos, der »Großstadtapostel«, »Anwalt desVolkes«, der erste »Erwecker des sozialen Gewis-sens«, kennt so viele und große Vorteile der ausge-beuteten Klasse, daß er sich fragen kann: »Wenn nunder Arme mit größerem Vergnügen schläft und trinktund ißt, was ist dann der Reichtum noch wert?« Undin der Tat ergibt ein Resümee seines sozialen Evange-liums: »In den wichtigsten Dingen ist ohnedies armund reich gleichgestellt: sie alle haben in gleicherWeise an Wasser und Luft, kurz an der ganzen Naturteil, sie alle haben an sich gleiche Möglichkeit, dieewige Seligkeit zu erlangen.«73

Nicht genug! Johannes Chrysostomos hat, wie vieleKirchenväter, die körperliche Arbeit, die angesichtsder ganzen antiken Verhältnisse von Platon und Ari-stoteles bis zu Cicero, Vergil mit Recht wenig geach-tet war, die im Gegensatz zum aristokratischen undgeistigen Mußeideal des Altertums stand, als unehren-haft galt, Schmach, jetzt christlich motiviert und ge-würdigt. Er hat die Arbeit als Mittel zur Selbsterzie-

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2.723 Deschner Bd. 3, 455Der Fast-Sozialist

hung, zum Tugendleben propagiert, von den christli-chen Massen sogar vermehrten Arbeitseifer, erhöhteArbeitsleistung verlangt, besonders in zweifacherHinsicht: zur Unterstützung der Arbeitsunfähigen –und des Klerus! »Darum befiehlt Paulus, nicht nureinfach zu arbeiten, sondern mit Mühe, damit manvon seinem Erwerb auch den Nebenmenschen unter-stützen könne«. Und schrieb deshalb nicht auch Kir-chenlehrer Basilius: »Wie man jeden Tag essen muß,so muß man auch jeden Tag arbeiten«? Diese neueVerklärung der Arbeit, ihre religiöse Sinngebung, ihr(sittlicher) Pflichtcharakter – später noch eifriger imProtestantismus gepflegt (wo Luther den schwachsin-nigen Vergleich fand: »Der Mensch ist zur Arbeit ge-boren, wie der Vogel zum Fliegen«) –, diese nochheute unsere Wirtschaftswelt beherrschende Idee vomangeblich hohen sittlichen Wert der Arbeit kam natür-lich den Arbeitgebern zugute, den Herren, Klerus undAdel, später dem Bürgertum, während die Massenbettelarm blieben durch das ganze Mittelalter, bis tiefin die Neuzeit hinein, weithin bis heute74.

Bei aller Begünstigung der Armen freilich, dieskonnte auch dem hl. Kirchenlehrer nicht verborgenbleiben, suchten selbst die Armen manchmal Leid undKummer heim. Doch das, erklärt er behend, gibt esüberall. »Trübsal ist uns allen gemeinsam«, schreibter. »Es gibt überhaupt keinen Menschen ohne Trübsal

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2.724 Deschner Bd. 3, 456Der Fast-Sozialist

und Elend: der eine hat ein kleineres, der andere eingrößeres Kreuz. Also seien wir nicht kleinmütig,glauben wir nicht, wir hätten allein Ungemach zu er-dulden ... die Menschen sind ein unzufriedenes, mitihrem Schicksal haderndes, schwermütiges Ge-schlecht«75.

Ganz in die Fußstapfen seines Meisters und Lands-mannes Chrysostomos tritt Kirchenvater Theodoret,seit 423 Bischof der kleinen Stadt Cyrus bei Antio-chien. Ja, indem er von der arbeitenden Klasse ehermehr verlangt, die Oberschicht aber kaum noch kriti-siert, geht er über Chrysostomos hinaus und repräsen-tiert denn auch in moderner kirchlicher Sicht »denHöhepunkt der altchristlichen Arbeitswertung« (Holz-apfel).

Die körperliche Arbeit, die Knechtsfron, wird beiTheodoret stark metaphysisch fundiert, als Resultatgöttlicher Fügung verstanden, wird ein christlichesIdeal, in Christus verdienstlich – »seinetwegen haltensie ihre traurige Lage für Wonne und das mühevolleTagwerk gleich dem angenehmsten Schlaf«, behauptetTheodoret von den Armen, den Bauern, Handwerkern,Arbeitern. Ihr Elend erklärt er als »Folge des Sünden-falls«, ihr eigentliches Glück, der wahre Lohn ihrer»Tugend«, sei die über bloße Pflichtübung hinausge-hende Hingabe an die Arbeit. So lobt er jene, die ihrDienstverhältnis »mit innerem Eifer erfüllen, die nicht

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2.725 Deschner Bd. 3, 457Der Fast-Sozialist

des Zwanges bedürfen, sondern aus Neigung ihrePflicht tun und dem Dienst ihrer Herren zuvorkom-men«76.

Man sieht schon das entscheidend Neue im Hin-blick auf die Arbeit: sie soll nicht mehr, wie vordem,widerwillig hingenommen, sondern sie soll gerngetan werden – für den Herrn und für die Herren! Umso lieber sogar, als es ja den Herren schlechter gehtals der »dienenden Klasse«. »Bedenke, daß auch vieleHerren ebensoviel wie die Knechte arbeiten müssen,ja noch mehr als diese, wenn man auch die Sorgen mitin Anschlag bringt ... Die Arbeit ist den Knechten undHerren gemeinsam, aber nicht die Sorgen. Wenn nundie Knechte und die Herren arbeiten, die Herren aberobendrein noch von Sorgen umlagert sind: warumsollte man diese nicht zu den Unglücklichen rech-nen?«77

Reichtum und Armut gehören auch für BischofTheodoret zur Harmonie der Weltordnung Gottes. Erhat all dies weise vorherbestimmt. Und so verteidigtTheodoret mit aller Energie alles: die Reichen, einengewissen Luxus – und die Notwendigkeit der Armut.»Warum nun seid ihr unwillig, daß ihr nicht alle Krö-sus, Midas oder Darius geworden seid?« fragt der Bi-schof – als hieße die Alternative: Krösus oder Bettler,alles oder nichts. »Wie können denn alle reichsein? ... Wer würde dienen mögen, wenn einer ebenso

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2.726 Deschner Bd. 3, 457Der Fast-Sozialist

großen Überfluß besäße als der andere? ... Wer hältsich in Steinbrüchen auf und liefert Bausteine, werfügt diese haltbar und zierlich ineinander und richtetHäuser auf, wenn ihn nicht Armut drückt und zur Ar-beit anhält?« Zur Musik, weiß Theodoret, gehörenviele Töne, und viele Farben erst ergeben ein Gemäl-de; auch herrsche große Mannigfaltigkeit unter dengeometrischen Formen. Und wie es Unterschiede gibtin Musik, Malerei, Geometrie, so eben auch in dermenschlichen Gesellschaft. »Der Lenker des Alls hatganz mit Recht den einen Armut, den anderen Reich-tum zuerteilt«. »Bewundere denjenigen, der dies soweise eingerichtet hat, einem Teil Reichtum, dem an-dern Handwerkskönnen verleiht«. Und in den wich-tigsten Lebensgütern – Wasser, Luft: siehe Chryso-stomos! – sind ohnehin arm und reich gleichgestellt:»noch einmal«, wie man in der Mitte des 20. Jahrhun-derts rühmt, »ein Bischof von großem Format«78.

Indes, das größte Format und selbstverständlichauch die größte Wirkung hat auch in dieser HinsichtAugustinus.

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2.727 Deschner Bd. 3, 458Kirchenlehrer Augustin propagiert die ...

Kirchenlehrer Augustin propagiert die»arbeitsreiche Armut«

Für Augustinus, dessen Denken derart vom Gottesge-danken beherrscht wird, daß seine Philosophie imGrunde nichts anderes ist als Theologie, stand Gottganz im Mittelpunkt und somit auch sein eigenes Ich.Denn nur dieses Ichs, dieser hybriden Egozentrikwegen, die auf ewigen Lohn hofft, ewige Strafe fürch-tet, kümmerte er sich so unentwegt und angelegentlichum Gott.

Ein so extrem gott- und selbstbezogener Geist kannvon vornherein kein wirklich ethisch denkender, sozi-al empfindender Mensch sein. Anders als einige Kir-chenväter rechtfertigt Augustin denn auch ausdrük-klich die bestehenden gesellschaftlichen Unterschiede.Er sieht sie als notwendig, nützlich an, mögen sieauch aus Gewalt und Krieg hervorgegangen, mögensie weiter Ursachen von Streit und Krieg, Mord undSünde sein. Demgemäß muß es natürlich auch Eigen-tum geben: Privat-, Staats-, nicht zuletzt Kirchenei-gentum. Geld und Güter sind, nach Augustin, GabenGottes, Gott hat den Reichtum verteilt. Doch machenicht materieller Wohlstand ein Volk glücklich:glücklich das Volk, dessen Gott der Herr ist79.

Der Herr aber, das ist nicht der Herr der Bibel, derKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.728 Deschner Bd. 3, 458Kirchenlehrer Augustin propagiert die ...

Herr, das sind die Herren immer selbst. So entkräftetAugustin die »Heilige Schrift« mit jener grandiosenAugenwischerei, die bei den Theologen längst imSchwang ist. Die Bergpredigt besagt somit nur, vomÜberfluß zu geben, wenn dringende Notwendigkeitdies gebietet. Das Wort vom »ungerechten Mammon«(mammon iniquitatis) drücke aus, daß Geld nicht denganzen Lebensinhalt bilden dürfe; der Befehl an denreichen Jüngling, alles zu verkaufen, sei nicht allge-mein, sondern persönlich zu verstehen, allein auf die-sen Fall bezogen; die bekannte Geschichte des Ka-mels, das eher durch ein Nadelöhr gehe als ein Rei-cher in den Himmel, mache Reichen den Zugang zumParadies nicht unmöglich, deute bloß die Schwierig-keiten an. Auch der Handel, zwar von den meisten»Vätern« gleichfalls gebilligt, wenn auch nicht ohneEinschränkungen oft, wird von Augustin besondersgroßzügig anerkannt. Es gebe ebenso gute Händler(boni negotiatores) wie gute Handwerker und Bauern,die Gewinnspanne sei legitimer Lebensunterhalt desKaufmanns, und Lüge und Meineid gehörten nichtnotwendig zum Geschäft. (Kirchenvater Salvian vonMarseille sieht es anders: nach ihm ist das Leben allerGeschäftsleute nichts als Betrug und Meineid.)80

Für Augustin, der ganz entschieden auf der Seiteder besitzenden und herrschenden Klasse steht, istwirtschaftliches Elend kein Unglück, kommt es nicht

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2.729 Deschner Bd. 3, 459Kirchenlehrer Augustin propagiert die ...

auf materiellen, sondern den inneren Reichtum an,den Segen des Himmels. Der reiche Abraham und derarme Lazarus waren beide »reich« vor Gott.81

Der Grundbesitz der Kirche, angeblich eine großeLast, wird als »Eigentum der Armen« verteidigt, derKirche durch kaiserliches Recht zu eigen, weshalb sieauch, wie jeder, ihre Rechte geltend machen könne.Reichtum ist für den Bischof von Hippo, ob ehrenhafterworben, ob ererbt, durchaus erlaubt, weder, wie fürandere Kirchenväter, eine usurpatio noch eine prae-sumptio, ist er vom Staat anerkannt. Geld besitzen dieGuten wie die Bösen, es macht nicht an sich gut oderschlecht, glücklich oder unglücklich. Nicht Geld seizu tadeln, sondern die Habgier (non facultates sed cu-piditates). Augustin bekämpfte die Manichäer, die dasGeld selbst für etwas Schlechtes hielten. Und er attak-kierte die Pelagianer, nach denen ein Reicher nur seligwurde, verzichtete er auf seinen Besitz. Lang und in-tensiv hat Augustin gerade Pelagius befehdet, gewißaus dogmatischen Gründen. Doch kamen beide kaumzufällig mit der vielleicht reichsten Familie des Römi-schen Reiches, der hl. Melania und ihrem Mann Pi-nianus, in engeren Kontakt. (Der Verkauf der in allenTeilen des Imperiums liegenden latifundia dieser Mul-timillionäre nahm 13 Jahre in Anspruch, von404–417.) Und zumindest Augustin hat die Superrei-chen sehr umworben (I 492 ff), während für Pelagius

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ein Reicher kaum wirklich Christ sein konnte, fürjeden Reichen, nach Lk. 18,25, der Himmel ver-schlossen war82.

Augustin betont zwar gern: die Reichen müssenGefühle der Menschlichkeit entwickeln, müssen ihrenReichtum auch für die Notleidenden verwalten, müs-sen mildtätig sein, den Armen helfen – doch freilichnicht zu sehr! Mit Rücksicht vielmehr, mit Klugheit,der Zeit und den Umständen entsprechend. Es genügeschon, der härtesten Not etwas abzuhelfen. Natürlichdürfen Reiche »standesgemäß« leben, dürfen mehr be-halten als sie brauchen, wenn sie die Armen nur nichtganz vergessen. Bediene dich des Überflusses, rät Au-gustin dem Reichen, und gib dem Armen das Geringe.Ja, ungezählt seien die Fälle, wo man jede Bitte umHilfe abschlagen dürfe, müsse sogar, werde nämlich»ein höheres Gut« (wessen wohl!) verletzt. Interes-sant in diesem Zusammenhang ist sein Rat an denDiakon Eraclius, sein Vermögen nicht zu verteilen,sondern ein Landgut zu kaufen und es später der Kir-che zu übereignen83.

Reichtum, für Augustin durchaus ein Gut, mußfreilich nicht glücklich machen, o nein. Dagegenkennt der Bischof Arme, die glücklich sind. VonLandarbeitern, Sklaven und anderen »einfachen Beru-fen« meldet er um das Jahr 400: »Sie sind in harten,allerdings auch desto glücklicheren Verhältnissen auf-

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2.731 Deschner Bd. 3, 460Kirchenlehrer Augustin propagiert die ...

gewachsen«. Unermüdlich ist der Heilige bestrebt,den Armen ihr Glück darzutun, die Armen auch zudämpfen, zu beruhigen, sie zu willigen Untertanen,Knechten, brauchbaren Objekten der Ausbeutung zuerziehen. Unermüdlich warnt er sie vor Habsucht,dem Reichwerdenwollen. Eine schreckliche Sache.Denn beiseite, daß ohnedies alles Gott gehöre, sei dasReichsein gar nicht so schön, der Besitz befriedenicht, o nein. Der Arme schlafe viel ruhiger als dervon Sorgen gequälte Reiche. Auch schmecke geradedem Hungernden schon ein einfaches Mahl – einGenuß, von dem der Reiche keine Ahnung hat! »Ver-achte nicht die barmherzigen Reichen, die demütigenReichen«, ruft Augustin, »denn wenn der Reiche de-mütig ist, um wie viel mehr muß es der Armesein«84.

In der Tat, dafür hatte man stets gesorgt. Denn tei-len die Armen auch mit den Reichen den Himmel, sodoch nicht die Welt. Auf dieser sollen sie sich, meintAugustin, mit dem begnügen, was sie haben. Sie sindgeradezu verurteilt, »im ewig gleichen unverändertharten Joch des niederen Standes« zu bleiben. Siemüssen dem Ideal der »arbeitsreichen Armut« (labo-riosa paupertas) nachleben. Sie sollen arm bleibenund viel arbeiten – einer der »wesentlichsten Rat-schläge« (Diesner) Augustins an die Armen!85

Es bedarf keines Wortes, daß Augustin die ArbeitKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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schätzt. Wurde sie doch gerade vom Christentum alspositiver Wert gelehrt und als Pflicht, als sittliche Ge-wissenspflicht, fortwährend eingeschärft, natürlichvor allem den ärmsten Klassen, denen Augustin jaauch die »laboriosa paupertas« anpreist, die nieSünde sei, wohl aber »Züchtigung der Sünder« (coer-citio peccatorum), ein Mittel zur Vervollkommnungund damit letztlich zur ewigen Seligkeit. Wie sehr je-doch der Arme auch Gelegenheit hat, durch ArbeitSünden abzudienen, sich den Himmel zu erobern –ausführlich legt Augustin dar, daß die geistlichenLehrer, die Priester, von der Verrichtung körperlicherArbeit entbunden sind – »mit vollem Recht«! Undebenfalls davon befreit sind Männer der oberen Stän-de, die gewöhnlich mit viel Geld und Besitz ins Klo-ster eintreten. Der untere Stand und überhaupt allesUntere der menschlichen Gesellschaft aber muß arbei-ten. Dabei feiert der Kirchenlehrer mit herrlichenWorten besonders die Landarbeit, die man damals amnötigsten hatte, und die ja schon Adams Beschäfti-gung im Paradies gewesen. In rechter Gesinnung ver-richtet freilich, führt jede Arbeit, auch die geringste,zu Gott. Und da verschwindet denn auch jeder Klas-sengegensatz, jeder Unterschied von knechtlicher undfreier Arbeit. »So erhebt das gottbezogene DenkenAugustins die Arbeit in die Sphäre der Übernatur«,schwärmt die von der Universität Würzburg gekrön-

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te – mit kirchlichem Imprimatur versehene – Preis-schrift des katholischen Theologen Holzapfel, dessenVorwort beginnt: »Wir stehen im Anbruch einerneuen Zeit, ein neues Lebensethos erwächst aus unse-rem Geschlecht. Was an der vergangenen Epochehohl und morsch gewesen, bricht zusammen«.1941!86

Augustin weiß auch, wie der Arbeiter sich sein har-tes Los erleichtern kann. Vermag er doch dabei»geistliche Lieder zu singen und so die Mühe selbstgleichsam durch einen göttlichen Rudergesang zu ver-süßen«. (Vielleicht erinnerte sich der Heilige hier anseinen Jugendfreund Licentius, der auf dem üppigenLandgut in Cassiciacum, wo sie zusammenlebten,noch auf der Toilette Psalmen sang – aber die jeweili-gen Geschäfte waren doch sehr verschieden.)

Auf die erbauliche Möglichkeit, singend sich dieharte Arbeit zu versüßen, weisen natürlich auch ande-re »Väter« hin. Zum Beispiel der um 450 gestorbene,großes Ansehen genießende Petrus Chrysologus, Erz-bischof von Ravenna: »Die sich schweren Arbeitenunterziehen müssen, suchen sich durch Gesang dar-über hinwegzutrösten«. Oder Kirchenlehrer Hierony-mus, der in Bethlehem behauptet: »Wohin du blickst,siehst du den Landmann, der den Pflug lenkt unddabei sein Alleluja singt. Der Schnitter, dem derSchweiß von der Stirne rinnt, macht sich die Arbeit

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leichter, indem er sie mit Psalmen begleitet. Der Win-zer, der mit der Hippe die Reben beschneidet, läßteines von den Liedern Davids erklingen«. Augustinerinnert auch an Jesus, der sein Joch, seine Bürdeleicht nannte, und fügt hinzu, die durch den HeiligenGeist in die Herzen ausgegossene Liebe bewirkeüberdies, »daß man das Befohlene liebt, und so istnichts hart und schwer, wenn man unter diesem einenJoch mit reinem dienstwilligen Nacken einher-geht«87.

Derart betrachtet Augustin das gesamte Wirt-schaftsleben »vom ethisch-religiösen Gesichtspunkt«aus, zeigt er »für das soziale Moment«, wie man nochim 20. Jahrhundert rühmt, »einen besonders klarenBlick und ein ausnehmendes (!) Verständnis« (Schil-ling) – und Jahrhundert um Jahrhundert wird die Kir-che seine Gedanken wiederholen und realisieren88.

Der Heilige war im Lauf seines Lebens immer här-ter geworden. Der Verzicht auf die irdische Liebe,einst so genossen (I 462 f), zeitigte wohl mancheKompensationen. Jedenfalls vertrat Augustin eine un-erbittliche Autorität, auch eine »Erziehung durchSchicksalsschläge« (per molestias eruditio) – unddurch andere Schläge: »Wenn aber ein Hausangehöri-ger durch Ungehorsam den Hausfrieden stört, so wirder zurechtgewiesen durch Scheltworte oder Schlägeoder sonst eine gerechte und erlaubte Strafart, so gut

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es eben Gesetz und Herkommen unter den Menschengestatten, und zwar zu seinem eigenen Besten, damiter sich dem Frieden, von dem er abgewichen war,wieder füge«. Einfach alles – so möchten es die Prie-ster heute noch – soll sich der Kirche, der »Mutter derChristen«, unterordnen: »Du bist es (Kirche), welcheerzieht und unterrichtet ..., indem du dich nicht nurnach dem Alter des Körpers, sondern auch des Gei-stes richtest. Du läßt sich die Frauen in keuschem undtreuem Gehorsam ihren Ehemännern unterordnen. Duverleihst den Männern Gewalt über ihre Frauen. Duunterwirfst die Kinder ihren Eltern im Sinne völligerDienstbarkeit und setzt die Eltern über ihre Kinder imSinne frommer Herrschaft ... Du bringst dem Sklavenbei, sich an ihre Herren zu binden, und zwar nicht sosehr aus der Notwendigkeit ihrer Lage heraus, son-dern wegen des reizvollen Charakters der Pflicht ...Du lehrst die Könige, über ihre Völker zu wachen,und ermahnst die Völker, sich ihren Königen zu un-terwerfen«89.

Alles muß sich unterwerfen, alles muß leiden nachdem größten katholischen Kirchenlehrer, der sogar inseiner Polemik gegen den jungen Bischof Julian vonAeclanum, dem einzigen, ihm einigermaßen gewach-senen Gegner (I 501 ff), sich zu dem Satz hinreißenließ: »Der katholische Glaube ist derart, daß er dieGerechtigkeit Gottes selbst angesichts all der von

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kleinen Kindern erduldeten Leiden und Qualen nochbejaht ...«90

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2.737 Deschner Bd. 3, 465Die Kirchliche Praxis

Die Kirchliche Praxis

»Keiner ist unter uns, der nicht in allen Augen-blicken darnach strebte, mehr zu haben, als erhatte ... So ist es schon so weit, daß die Speicherder wenigen voll Getreide sind, während derMagen der allermeisten leer bleibt«.

Kirchenvater Zeno, Bischof von Verona91

»Auch in der Kirche hat das Geld eine wichtigeRolle gespielt ... Mit dem Geld ist aber auch dasVerderben, die Geldgier, in die Kirche einge-drungen ... Mit dem Reichtum ist die Geldgierauch in die Klöster hineingekommen«.

R. Bogaert92

»Verschwunden und längst vorüber ist jeneherrliche, alles überragende, beseligende Kraftder Frühzeit deines Volkes, Kirche ... Jetzt istauf all dies Habsucht, Begehrlichkeit, Raubgiergefolgt und ... Neid und Haß und Grausamkeit,Verschwendung und Schamlosigkeit und Ver-worfenheit ...; je mehr die Macht zunahm, destomehr nahm die Zucht ab«.

Kirchenvater Salvian von Marseille93

»Und ernste, urteilsfähige Zeitgenossen machenkein Hehl daraus, daß viele Bischöfe und Geist-liche von den Übeln der Zeit, dem Machthun-

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ger, der Habgier, der Käuflichkeit und derGleichgültigkeit gegen Recht und Unrecht eben-so angesteckt waren wie die Leute in den staatli-chen Ämtern«.

Heinrich Dannenbauer94

»Wir brennen wahrhaftig vor Geldgier, undindem wir gegen das Geld wettern, füllen wirunsere Krüge mit Gold, und nichts ist unsgenug«.

Kirchenlehrer Hieronymus95

»Dem entspricht, daß es bis heute keine Gesamt-darstellung der Wirtschaftsgeschichte der AltenKirche gibt, wofür doch reiches Quellenmaterialzur Verfügung stünde«.

Reinhart Staats (1979)96

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2.739 Deschner Bd. 3, 466Geld für die Boten des Evangeliums, besonders ...

Geld für die Boten des Evangeliums, besondersfür die Bischöfe

Trotz des evangelischen Armutsideals besaßen diechristlichen Gemeinden früh eigenes Vermögen, dasaus den verschiedensten Quellen zusammenfloß, ohnedaß die Kirchenschriftsteller darüber viele Worte ver-loren. Doch spielte Geld von Anfang an eine wichtigeRolle. Eine Kirchensteuer zwar gab es in den erstenJahrhunderten nicht. Man mahnte aber die Gläubigenseit dem Beginn des Christentums, freiwillige Abga-ben zu leisten, wobei das Vorbild die jüdische Tem-pelsteuer war. Schon die Urgemeinde in Jerusalemverfügte über einen »Kirchenschatz« (Plöchl), der ausfreiwilligen Spenden ihrer Mitglieder bestand. Zu denGroschen der Armen kamen dann allmählich dieSpenden der Reichen, zumal bei deren Eintritt in dieKirche97.

Durch Tertullian wissen wir, daß jeder Christ eineArt Mitgliedsbeitrag in »eine Art Kasse« zahlte;selbstverständlich freiwillig und nicht so, »als wäredie Religion käuflich. Ein bescheidenes Scherfleinsteuert jeder einzelne bei an einem bestimmten Tagim Monat oder wenn er will und falls er überhauptwill und falls er überhaupt kann«. Tertullian nenntdies »gewissermaßen Darlehen (deposita) der Fröm-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.740 Deschner Bd. 3, 467Geld für die Boten des Evangeliums, besonders ...

migkeit«, wie das ähnlich Irenäus umschreibt, nachdem der Spender über ein Guthaben im Himmel ver-fügt, das dort wieder Zinsen einbringe – ein lukrativesUnternehmen98.

Bereits in ältester Zeit setzte sich das Vermögender Gemeinden aus Bargeld, anderem beweglichemGut sowie aus Immobilien zusammen. Und mit derBildung des Vermögens legte man dies auch an, vorallem durch den fortgesetzten Erwerb von Grundbe-sitz, der »schon in den frühesten Anfängen« (Wieling)überliefert ist, aus Schenkungen stammend oder Erb-schaften. Zuerst kaufte man eigene Begräbnisplätze,dann Landgüter, Miethäuser. Und mit den Erträgnis-sen derselben kaufte man weiter99.

Die Priester lebten in den beiden ersten Jahrhunder-ten von den Almosen ihres Anhangs: freiwilligen Ab-gaben in Naturalien und Geld, den gottesdienstlichenKollekten. Und natürlich forderten sie selber stetsnachdrücklich dazu auf.

Bereits Paulus verlangt – im strikten Gegensatz zuJesus! – für die Boten des Evangeliums Geld (S. 435f).

In der »Didache« wird die regelmäßige Abgabeeines Zehnten schon im frühen 2. Jahrhundert erho-ben. Die Christen sollen die »Erstlinge von Erzeug-nissen der Kelter und der Tenne, von Rindern undSchafen« den Propheten geben, die zu kritisieren als

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2.741 Deschner Bd. 3, 467Geld für die Boten des Evangeliums, besonders ...

Sünde gegen den Heiligen Geist gilt! »Wenn ihr aberkeinen Propheten habt, so gebt sie den Armen«. Dochzuerst kommen die Propheten, die Herren selbst.Ebenso soll man mit Brot, Wein, mit Öl verfahren.Nicht genug: »Von Silbermünzen und Kleidung undjeglichem Besitz nimm den Anbruch nach deinemGutdünken und gib ihn nach der Vorschrift«100.

Den Priestern, fordert Bischof Cyprian, muß jedeSorge für ihre materiellen Bedürfnisse abgenommenwerden. Auch nach seinem Zeitgenossen Origenes,dem bedeutendsten frühchristlichen Theologen, habendie Laien für den Unterhalt des Klerus aufzukommen.Der 428 gestorbene Kirchenvater Theodor von Mop-suestia – ein Bischof, dessen »große(s) Verständnisfür die soziale Ordnung und das gottgewollte Berufs-leben« der preisgekrönte Theologe Holzapfel nochMitte des 20. Jahrhunderts rühmt – lehrt eindringlich:»Die Heiligen, die Lehrer der Kirche, sind von demErwerb des Unterhalts frei. Umsomehr (!) aber müs-sen dann die anderen Gläubigen ermahnt werden,dafür Sorge zu tragen«. Und selbstverständlich betontauch Kirchenlehrer Augustinus, der Apostel Pauluserlaube »nicht nur, daß die guten Gläubigen für dieBedürfnisse der Heiligen Sorge tragen, sondern er for-dert sie sogar dazu als zu einem sehr heilsamen Werkauf«. Immer und stets müssen die Laien »Sorge tra-gen« – damit der Klerus die Sorge los ist ...101

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2.742 Deschner Bd. 3, 468Geld für die Boten des Evangeliums, besonders ...

Der Empfänger aller kirchlichen Einnahmen wurdeim 2. Jahrhundert der Bischof. Er hatte sich allmäh-lich mehr und mehr an die Spitze geschoben, hatte diezunächst bestimmenden Apostel, Propheten und Leh-rer sich untergeordnet oder verdrängt (II 67)102.

Bereits bei Bischof Ignatius von Antiochien (I 155ff) ist der Bischof der Inbegriff der Gemeinde, derEmpfänger himmlischer Offenbarungen, das AbbildGottes. »Es ist klar«, lehrt Bischof Ignatius, »daßman den Bischof wie den Herrn selbst ansehen muß«.Unermüdlich trichtert er das seinem Anhang ein. Un-ermüdlich fordert er alle Lehr- und Ordnungsgewalt,restlose Unterwerfung der Kleriker und Laien. Uner-müdlich macht er klar, daß es ohne den Bischof wedereine christliche Gemeinde gibt, noch ein reines Ge-wissen, noch ein gültiges Sakrament. Nur was der Bi-schof billigt, ist Gott wohlgefällig. »Ohne den Bi-schof sollt ihr überhaupt nichts tun«, verkündet Bi-schof Ignatius. »Wer den Bischof ehrt, wird von Gottgeehrt, wer ohne den Bischof etwas tut, dient demTeufel«103.

Nun stand das bei Ignatius zwar erst auf dem Pa-pier – wobei mit Fälschungen zu rechnen ist (S.141) –, aber allmählich wurde es Wirklichkeit, wurdeder Bischof nicht nur Empfänger himmlischer Offen-barungen, sondern auch Empfänger von irdischemHab und Gut. Denn nachdem er seit dem ausgehenden

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2.743 Deschner Bd. 3, 469Geld für die Boten des Evangeliums, besonders ...

2. Jahrhundert tatsächlich alle Ämter auf seine Personvereinigt hatte, gebot er nicht nur absolut über seinenKlerus, den er nach Gutdünken ein- und absetzte, derihm streng (ad nutum episcopi) untergeordnet war,sondern er gebot längst auch über die kirchliche Ver-mögensverwaltung. An ihn wurden alle Spenden per-sönlich oder durch die Diakone abgeführt, wobei er,eine kommode Regelung, »Gott allein darüber Re-chenschaft schuldet« (Schwer)104.

Ebenso großzügig wie mit den Abgaben konnte derBischof mit dem übrigen Kirchengut umgehen, wäh-rend seine Beauftragten, die Priester und Diakone, na-türlich ihm verantwortlich waren, von ihm sowohl ingeistlicher wie in wirtschaftlicher Hinsicht völlig ab-hingen. Er mußte zwar für ihren Unterhalt sorgen,ihnen ein »Stipendium« bewilligen, doch dessenGröße lag ganz in seinem Ermessen. Er konnte es»nach eigenem Gutdünken bestimmen« (Nylan-der)105.

Dieser vom Bischof bezahlte Unterhalt mag oftgenug schlecht gewesen sein. Jedenfalls übten dieKleriker in der Frühzeit häufig noch andere Berufeaus, um überhaupt leben zu können. Und noch innachkonstantinischer Zeit, noch vom 4. bis ins 7.Jahrhundert, sind sie als Gold- und Silberschmiedetätig, als Bildhauer, Bäcker, Bogenmacher, alsWeber, Schuster, Flachsverarbeiter, Hersteller und

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2.744 Deschner Bd. 3, 469Geld für die Boten des Evangeliums, besonders ...

Verkäufer von Getränken u.a. Klerikern, die zur Si-cherung ihres Lebensunterhaltes Handel treiben, ge-währt schon Kaiser Konstantius (343) Steuerfreiheit;ebenso bleiben ihre Frauen, Kinder, Diener von Ab-gaben befreit. Dennoch muß Kaiser Valentinian III.447 gesetzlich gegen Geistliche vorgehen, die Grab-mäler aufbrechen und Steine stehlen. (Während mansie aber mit Absetzung und Deportation bedroht, trifftLaien im gleichen Fall die Todesstrafe.)106

In der »Didaskalia« aus dem frühen 3. Jahrhundertfungieren die Bischöfe als »Haushalter Gottes« undempfangen die »Erstlinge, Zehnten, Weihegaben undGeschenke«, als »Opfer«; in aller Verantwortungselbstverständlich, verpflichtet durch ein Wort der»Heiligen Schrift«: »Werdet gute Geldwechsler!«, dasdort freilich gar nicht steht, sondern zu den Agraphazählt, den im Neuen Testament nicht überliefertenSprüchen Jesu. Dabei fällt interessanterweise dieHöhe der Geldspende unter die gottesdienstliche Ar-kandisziplin: »... welcher davon spricht, gehorchtGott nicht und ist ein Verräter der Kirche«107.

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2.745 Deschner Bd. 3, 470Der Reichtum der »Kirche der Armen« beginnt

Der Reichtum der »Kirche der Armen« beginnt

Eine der frühesten Bereicherinnen der römischen Kir-che wurde um die erste Jahrhundertwende die flavi-sche Prinzessin und Heilige Domitilla, eine Verwand-te Kaiser Domitians, der sie wegen ihres Glaubensauf die Insel Pandataria verbannte. Sie überließ durchLegat oder Geschenk den Christen Roms ein Grund-stück an der Via Ardeatina, das älteste, nach ihr be-nannte Coemeterium, den größten römischen Gemein-defriedhof108.

Die Kirche besaß längst in vorkonstantinischer ZeitGrund und Boden. Als religio illicita, als unerlaubteKörperschaft, hatte sie zwar keine Berechtigung zumGrunderwerb. Da aber die Christenverfolgungen sehrviel harmloser waren (vgl. S. 155 ff), als man allerWelt durch zwei Jahrtausende eingeredet hat, besaßzum Beispiel die Kirche Roms Grundeigentum, dassie rechtlich gar nicht erwerben konnte, und sie besaßes mit Duldung, ja, mit dem Schutz des heidnischenStaates. Selbst und gerade die Katakomben – für dieNachwelt bis heute Wahrzeichen der Verfolgung –beweisen dies. Sind sie doch »in Wahrheit alleindurch ihr Bestehen und ihre Verbreitung schon imzweiten und dritten Jahrhundert Zeugnisse der weitge-henden Duldung, welche das gesetzlich verbotene

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2.746 Deschner Bd. 3, 470Der Reichtum der »Kirche der Armen« beginnt

Christentum in Rom von Seiten der Behörden genoß«(Caspar). Bereits in der Mitte des 4. Jahrhunderts gibtes in der nächsten Umgebung Roms sechzehn ver-schiedene Coemeterien109.

Wer Grundbesitz hat, hat auch Geld. In Rom je-denfalls verfügte die Kirche offenbar bereits im frü-hen 2. Jahrhundert »über gewaltige flüssige Geldmit-tel« (Staats). Und schon hundert Jahre später gebotdort der Bischof über eine nicht zu unterschätzendewirtschaftliche und gesellschaftliche Macht. Diestadtrömische Kirche besitzt im 3. Jahrhundert einVermögen in Geld (pecuniae ecclesiasticae), das ausfreiwilligen Spenden, aus Schenkungen sowie demErtrag aus Grundstücken besteht. Sie besitzt Häuser,Friedhöfe, sonstige Liegenschaften und kann in derMitte dieses Jahrhunderts immerhin nicht nur ihrenBischof finanzieren, sondern auch 46 Presbyter, 7Diakone, 7 Subdiakone, 42 Akoluthen, 52 Exorzi-sten, Lektoren, Türwächter, dazu mehr als 1500 Wit-wen und Hilfsbedürftige – »welche alle«, wie BischofKornelius, der »Marschall Gottes« und »Patron desHornviehs« (II 100 ff), stolz-bescheiden schreibt, »dieGnade und Güte des Herrn ernährt«110.

Auch die karthagische Christengemeinde ist kaumarm gewesen. Konnte sie doch zur selben Zeit christli-che Handwerksbetriebe aus der Gemeindekasse bezu-schussen sowie einen Betrag von 100000 Sesterzen

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2.747 Deschner Bd. 3, 471Der Reichtum der »Kirche der Armen« beginnt

(mehr als 250000 DM) auf einmal aufbringen, umChristen aus der Gefangenschaft numidischer Räuberfreizukaufen111.

Der Reichtum der Kirche schon des 3. Jahrhundertswar den heidnischen Behörden wohlbekannt. Er er-füllte sie mit Neid und verlockte offenbar auch zuÜbergriffen. So veranlaßte die Christenverfolgungunter Kaiser Valerian (253–260) vor allem das Be-streben, mit den Konfiskationen christlicher Gelderdie Staatskasse zu füllen. Bezeichnenderweise gingdie Aktion nicht vom Kaiser, sondern von seinem Fi-nanzminister Makrianos aus, denn der katastrophaleWährungszerfall jener Zeit (S. 420 ff) mußte »einemFinanzminister alle Mittel der Einnahmebeschaffungals Rechtens erscheinen lassen« (Andresen). Ausdrük-klich verordnete das 2. Edikt von Sommer 258, alsauch Cyprian von Karthago enthauptet wurde, die Be-schlagnahme des bischöflich kontrollierten Kirchen-vermögens, des Vermögens von Christen im höherenStaatsdienst und von reichen christlichen Matro-nen112.

Auch der hl. Laurentius, Verwalter der römischenKirche und dann einer ihrer berühmtesten Blutzeugen(Patron der Bibliothekare, Feuerwehr, Kuchenbäcker,Köche, bewährter Helfer bei Feuersgefahr, Fieber undHexenschuß), soll unter Valerian vom Stadtpräfektenzum Märtyrertod verurteilt worden sein wegen seiner

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2.748 Deschner Bd. 3, 472Der Reichtum der »Kirche der Armen« beginnt

Weigerung, die kirchlichen Gelder und Schätze demStaat auszuliefern113.

Mit all diesen Mitteln wurde gewiß auch vielenMenschen geholfen – und durchaus nicht nur Kleri-kern. (Alexandrien, zeitweise führend in der Armen-pflege, erhöhte im Jahr 418 die Armenpfleger von500 auf 600.) Daß es in der alten Kirche eine Armen-fürsorge, daß es Wohltätigkeit gab, ist nie geleugnetworden. Ungezählte Theologen haben dies abgehan-delt – während es bis heute keinem einzigen einfiel,eine (kritische) Wirtschaftsgeschichte der alten Kirchezu schreiben, einer Institution, die doch immerhinüber ein Jahrtausend die wirtschaftliche Entwicklungbeaufsichtigt hat! Daß man bei jeder passenden Gele-genheit als Empfänger kirchlichen Geldes »Arme«,»Witwen«, »Waisen« anführt, war ein gängigerTopos und machte sich immer gut – wobei übrigenszu den als eigene kirchliche Gruppe zählenden undbesonders privilegierten »Witwen« manchmal auchjüngere Mädchen gehörten, und diese Witwen, die»dem Herrn ergeben sein« sollen, wiederholt rechtseltsam ein »Altar Gottes« genannt werden114.

Natürlich begann Wohltätigkeit, Menschenfreund-lichkeit nicht erst mit dem Christentum. »Auch dieGriechen und Römer kannten die Philanthropie«(Harnack). Und natürlich kann man nur halbwegswirksam wohltätig sein, wenn man selber wohlhabend

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2.749 Deschner Bd. 3, 472Der Reichtum der »Kirche der Armen« beginnt

ist. Manchen christlichen Gemeinden aber kamenschon früh überreiche Stiftungen zugute. Und mit demGeld, den Naturalien, die man von anderen hatte oderinfolge eigener wirtschaftlicher Prosperität gewann,konnte man auch manch anderen etwas helfen115.

Dabei zeigt diese Wohltätigkeit oft unverkennbarselbstsüchtige Züge, tun sich dabei oft dogmatische,kirchenpolitische Hintergründe auf. Man gab, weilman Profit daraus zog; das alte Prinzip des do ut des.Deshalb unterstützte gerade die bald materiell blühen-de römische Kirche weithin andere Gemeinden. Dasklingt deutlich an, wenn Mitte des 3. Jahrhunderts Bi-schof Dionysius von Alexandrien seinem KollegenStephan von Rom nach empfangener Geldspendeschreibt: »Wisse nun, Bruder, daß alle Kirchen desOrients und noch fernerer Gegenden, die sich dereinstlosgesagt hatten, wieder zur Einheit zurückgekehrtsind! Überall sind alle Bischöfe wieder eines Sinnesund freuen sich ungemein über den wider Erwarteneingetretenen Frieden ... Ganz Syrien und Arabien,wohin ihr immer Unterstützungen schickt und ebenjetzt geschickt habt, Mesopotamien, Pontus und Bi-thynien, kurz, alle frohlocken überall in Eintracht undBrüderlichkeit, Gott verherrlichend.« »Wirtschaftshil-fe«, kommentiert Reinhart Staats, »stärkte die Kir-chengemeinschaft.«116

Allgemein verwandten die Bischöfe das ihnen zu-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.750 Deschner Bd. 3, 473Der Reichtum der »Kirche der Armen« beginnt

fließende Geld zum Ausbau ihrer persönlichen Macht.Allgemein gebrauchten sie es, wie noch heute, um vorallem Kirchenpolitik machen zu können. Als unterCyprian von Karthago die Gemeindegelder seinenGegnern, den Novatianern, zugefallen waren, wurdenCyprians Geldanweisungen nicht mehr befolgt, so daßjeder, der Unterstützung begehrte, die Kirchengemein-schaft mit ihm aufsagen mußte117.

Wie oft auch immer der Umgang der Bischöfe mitdem Geld kritisiert worden sein mochte – der 341 aufder Synode von Antiochien wegen zahlreicher Miß-bräuche gefaßte Beschluß, die episkopale Vermö-gensgebarung unter Kontrolle zu stellen, wurde nichtausgeführt. Vielmehr schalteten die Bischöfe über dasKirchenkapital weiter nach freiem Ermessen.

Im 3. Jahrhundert begann man die Einkünfte derBistümer nach einem bestimmten Schema zu vertei-len. Es gab dabei verschiedene Systeme. Das häufig-ste und seit Simplicius (468–483) von den Päpstengeförderte System behielt ein Viertel aller Einkünftedem Bischof vor, ein weiteres Viertel dem übrigenKlerus; ein Viertel sollte der Kirchenfabrik, der In-standhaltung der Kirchengebäude (fabrica) dienen,und ein Viertel den Armen. Der Bischof bekam alsoallein so viel wie sein ganzer Klerus oder seine sämt-lichen Armen zusammen!118

Die Vierteilung des Kirchenvermögens wurde 494Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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von einer römischen Synode beschlossen – und warnoch im 17. Jahrhundert maßgebend! Zunächst abergalt diese Regelung nur für Rom und (bald daraufauch) für die Rom unmittelbar unterstellten Diözesen.Allgemeinere Geltung erhielt sie erst im 8. Jahrhun-dert, freilich auch dann nicht überall. Vielmehr war inweiten Gebieten – auf deutschem Boden beispielswei-se im Erzbistum Trier – eine Dreiteilung des Vermö-gens vorgeschrieben, wobei der Bischof allein einDrittel erhielt!119

Zu großem Reichtum kam die Kirche im 4. Jahr-hundert, vor allem durch Schenkungen und Erbschaf-ten unter den ersten christlichen Kaisern.

Anfang 313 hatten Konstantin und Licinius dieRückgabe entzogener Kirchengüter verfügt, auch je-dermann Religionsfreiheit garantiert, »damit alleGottheiten im Himmel dem Reich gnädig seien«.

Mit dem Toleranzedikt von Mailand aber wurdendie einzelnen Bischofsgemeinden vermögensfähigeKörperschaften. Sie konnten nun Grundbesitz erwer-ben, den sie zum kleineren Teil verpachtet, zum grö-ßeren in Eigenbewirtschaftung durch Kolonen undSklaven genutzt haben. Und sie bekamen 321 auchdas Recht, Erbschaften zu machen (was heidnischenTempeln durch Sonderprivileg nur ausnahmsweiseverliehen worden war). Es schlug bei der Kirche umso mehr zu Buch, als es üblich wurde, sie zum Teiler-

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2.752 Deschner Bd. 3, 474Der Reichtum der »Kirche der Armen« beginnt

ben zu machen. Der christliche Staat begünstigtediese Entwicklung noch, indem er auch formloseSchenkungen an Kirchen für gültig erklärte und wie-derholt Veräußerungs- oder Verpfändungsverbote er-ließ. Wurde kirchlicher Grundbesitz dennoch entfrem-det, konnte er nicht nur zurückgefordert, sondern auchder Kaufpreis von der Kirche behalten werden. Eben-so war sie bei Bestellung eines Nießbrauchs (ususfructus) begünstigt. Nießbrauch war nur möglich, ver-machte der Erwerber dafür der Kirche eine andereSache von gleichem Ertragswert als Eigentum – undbei Beendigung des Nießbrauchs gewann die Kirchedas Nutzungsrecht an ihrem Grundstück zurück unddurfte das ihr übertragene Objekt behalten! Ein Ent-zug kirchlichen Grundbesitzes durch Ersitzung (lang-jährigen gutgläubigen Besitz oder entsprechendeNutznießung) war sehr erschwert. Betrug die üblicheErsitzungsfrist 10 oder 20 Jahre, so die von kirchli-chen Grundstücken zunächst 100, später immerhinnoch 40 Jahre120.

Weiter erhielt die Kirche, was früher in die heidni-schen Heiligtümer floß. Und die Tempelgüter selbst,die sie sich ebenso aneignete wie den Kirchenbesitzder »Ketzer«, legten geradezu den Grund zu ihremBesitz. Immer mehr griff auch die Umwandlung heid-nischer Gotteshäuser in christliche um sich (S. 576ff), was nicht nur vermögensrechtliche, sondern auch

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2.753 Deschner Bd. 3, 475Der Reichtum der »Kirche der Armen« beginnt

missionarische Folgen hatte. Denn die Altgläubigenwurden mit der Umwandlung der Tempel in christli-che Kultstätten auch der neuen Lehre zugänglicherund für sie gewonnen. Nach Sozomenos hat Konstan-tin auch Einkünfte städtischer Ländereien der Kirchezugewiesen. Und außer all den gewaltigen Schenkun-gen und Aneignungen bekam sie bereits durch die er-sten christlichen Kaiser Subsidien in Naturalien zurUnterhaltung ihrer Jungfrauen, der Witwen und desKlerus121.

Infolge all dieser Vergünstigungen vermehrte sichder Kirchenbesitz »bereits im 4. Jahrhundert sehrstark« (Wieling), wurde die Kirche »Großgrundbesit-zer mit reichem Geldeinkommen« (Bogaert). Sie ge-hört jetzt zu den Grundherrschaften und erhält derenPrivilegien. Sie hat die Gerichtsbarkeit über ihre Ko-lonen. Sie ist von den Städten eximiert, von allen äu-ßerst drückenden zusätzlichen Abgaben und Leistun-gen befreit. Sie braucht nur die gewöhnliche Grund-steuer zu entrichten122.

Und wie die Bischofskirchen, so wurden auch diedamals noch eine größere Sonderrolle spielenden Klö-ster allmählich ungemein reich.

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2.754 Deschner Bd. 3, 475Die Mönche werden zur wichtigsten Kraft der ...

Die Mönche werden zur wichtigstenökonomischen Kraft der Kirche – »unter demVorwand, alles mit den Bettlern zu teilen, in

Wahrheit aber, um alle zu Bettlern zu machen«

Zunächst zwar war die Bewegung der Mönche alseine Art mystischer Protest gegen die klerikale Hierar-chie entstanden. Hatten die völlig weltfern lebendenEremiten und Asketen weder ein soziales noch wirt-schaftliches Interesse; war man in ihren Kreisen derMeinung, ererbtes Geld nicht der Kirche zu geben,»denn dort machen sie ein Frühstück davon«. Alsaber anstelle der ursprünglichen »Freiheit« des Eremi-tentums, der Mönchsexistenz in der Vereinzelung undin Anachoretenkolonien (was nur als »Ideal« bis weitins Mittelalter hinein fortlebt), der koinos bios, dasgemeinsame Dasein trat und die Kirche sich das Klo-sterwesen, die zukünftige Form mönchischen Lebens,eingliedern und Untertan machen konnte, stand esbald in den Klöstern nicht besser als außerhalb123.

Gewiß entfaltete das Mönchtum in der Antike aucheine beachtenswerte soziale Tätigkeit in der Pflegevon Kranken, Alten, Waisenkindern, von Kriegsge-fangenen und Gefängnisinsassen. Aber das war dochnur eine Nebenerscheinung, die sich zudem immerweiter verflüchtigte124.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.755 Deschner Bd. 3, 476Die Mönche werden zur wichtigsten Kraft der ...

Dagegen förderten die Klöster bald das allgemeineElend, ja, sie profitierten davon bereits bei ihrer Ent-stehung.

Wir wissen durch Kirchenlehrer wie JohannesChrysostomos und Augustinus, daß die Mönchehauptsächlich Sklaven, Freigelassene, Landarbeiterwaren, einstige Soldaten, bürgerliche »Aussteiger«,daß sie aus den niedersten, ärmsten Schichten kamen.Und sie kamen, als sie im 4., 5. Jahrhundert in stetsgrößeren Scharen in die Klöster strömten, selten»freiwillig«, selten aus religiösen, aus asketischenGründen. Viele trieb die wachsende Armut, die stei-gende Soziallast, der immer größere Steuerdruck imRömischen Reich (S. 421 ff). »Man wußte nichts vondem gehässigen Treiben der Steuereinnehmer«, mel-det schon die Vita des hl. Antonius, des »ältesten«christlichen Mönchs, der angeblich gerade wegen derso »unerfreulichen Steuerverhältnisse« in Ägyptenleicht auf seine reiche Erbschaft verzichtet haben soll.Kurz, nicht Sorge um die seelische, sondern um dieleibliche Existenz, nackte wirtschaftliche Not zwangdie Ausgebeuteten gewöhnlich ins Kloster (clau-strum). »Sie zuerst und meist auch sie allein«, betontein moderner theologischer Experte, »hat dem kopti-schen Bauern das Mönchtum empfohlen«125.

Die ältesten Mönche, die Eremiten, haben nicht ge-arbeitet, haben die Arbeit mehr verachtet als geachtet.

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2.756 Deschner Bd. 3, 477Die Mönche werden zur wichtigsten Kraft der ...

Schließlich war Arbeit kein Gebot des Herrn. Keineinziges Wort zur Arbeit wird von ihm überliefert.Für Jesus, für den nur eines not ist, der den Anbruchdes Gottesreiches auf Erden verkündet (S. 71 f), derlehrt, nicht zu sorgen für den nächsten Tag, nicht zusagen: »Was werden wir essen, was werden wir trin-ken, womit werden wir uns kleiden? Nach solchemallem trachten die Heiden«, für Jesus und seine escha-tologische Botschaft bedeuten Berufe nichts. Arbeitträgt da keinerlei sittlichen Wert in sich selbst, undCharles Péguy hat, wie so oft, falsch geurteilt, als erseinen gewiß sehr unternehmerfreundlichen Satzschrieb: »Jesus hat für uns das vollkommene Vorbilddes kindlichen Gehorsams und der Unterwerfung ge-schaffen, und zwar zur gleichen Zeit, als er für unsdas vollkommene Vorbild der körperlichen Arbeitund der Geduld schuf«126.

Auf Paulus dagegen hätte dies eher gepaßt. Zwarist auch Paulus zunächst an allen irdischen Belangendesinteressiert. Als aber das Ende ebenso ausbleibtwie der Herr, orientiert sich der »radikalste der Prag-matiker« unter »den Meistern der Religiosität« (Buo-naiuti) bei der Zusammenstellung seiner Standes-pflichten an der (weltzugewandten) heidnischenEthik. Auch die frühen Christen fügen sich bereits indie herrschende Arbeitsordnung, verknüpfen Arbeitund Lebensunterhalt (S. 435 ff). Und die Kirchenväter

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2.757 Deschner Bd. 3, 477Die Mönche werden zur wichtigsten Kraft der ...

werten dann die Arbeit, gerade auch die körperlicheArbeit, immer mehr auf, lehren etwa: jeder werde mitjeder Arbeit Gott gefallen (Clemens Alexandrinus);jeder solle mit jeder zufrieden sein (Theodoret); dieArbeitenden seien die besseren Philosophen (Johan-nes Chrysostomos). »Schwere Handarbeiten sindSchritte zum ewigen Leben«, verkündet KirchenlehrerEphräm (gest. 373) und kann so den Sklavenhalterndie Nützlichkeit des Christentums demonstrieren.»Der Geduldige ist ... tadellos bei Arbeiten«. »Werdie Gottesfurcht nicht in sich hat, verfährt nachläs-sig«. Augustinus erklärt die Schwere der Arbeit zueinem Mittel der Selbstvervollkommnung. Derart aberwerden auch noch die schlimmsten Daseinsformen alsgut und gottgewollt gerechtfertigt: die fürchterlicheExistenz der Gefangenen in den Bergwerken, daselende Los der Sklaven, alles, was an Knechtsarbeitden Herrschenden zugute kommt127.

Besonders empfehlen die Kirchenväter bis ins Mit-telalter hinein Christen und Mönchen immer wiederden Ackerbau – damals des Klerus größtes Kapital.Und erst mit der Änderung des westeuropäischenWirtschaftslebens ändert sich auch die Einschätzungdes Ackerbaus durch die Kirche. Thomas von Aquinnennt die Bauern bereits »eine untergeordnete Klas-se«, und die Lohnarbeiter stellt der offizielle Kirchen-philosoph »unter die Banausen und schmutzigen

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2.758 Deschner Bd. 3, 478Die Mönche werden zur wichtigsten Kraft der ...

Leute«. Denn nun bekommt das Gewerbe eine immergrößere Bedeutung – ergo wird nun das Gewerbe inseinem Ansehen durch die Kirche beträchtlich geho-ben und gestützt128.

Mit dem Jesus der Bibel hat all dies selbstverständ-lich nichts zu tun. Er hatte nirgends ein Arbeitsgeboterlassen, hatte nie gepredigt: Arbeitet wie verrückt,sondern von den Vögeln des Himmels gesagt, sie säennicht, sie ernten nicht ... Und dementsprechend sagtenauch die ältesten Mönche: »Wir rühren keine Arbeitan ...« »Wenn Gott will, daß ich lebe, so wird er michschon zu ernähren wissen ...« Allmählich aber wirddiese Haltung aufgegeben, wird Arbeit zulässig: alsasketische Leistung, Sicherung der eigenen Unabhän-gigkeit, als Mittel der Unterstützung anderer, zuletztwird Arbeit Pflicht und als Ausdruck göttlichen Wil-lens aufgefaßt. »Von spät bis früh habe ich zwanzigKlafter Seil geflochten«, erklärt jetzt ein Mönch, »undgewiß, ich bedarf ihrer nicht. Aber damit Gott mirnicht zürnt und mir vorwirft: ›Warum hast du, der duarbeiten konntest, nicht gearbeitet?‹, darum mühe ichmich und setze meine ganze Kraft daran!«129

Als im ersten Drittel des 4. Jahrhunderts Pachomi-us nördlich von Theben am Nil das erste christlicheKloster baute und bald auch ein Frauenkloster fürseine Schwester, da dachte er, der schon bald »MannGottes« und »heilig« heißt, wohl nur wenig an Gebet,

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2.759 Deschner Bd. 3, 479Die Mönche werden zur wichtigsten Kraft der ...

Askese, Mystik oder Wunder – mochte er auch dieseHäuser auf schriftliche Weisung eines Engels errichtethaben (vgl. S. 227 f). Vielmehr dachte der ehemaligeSoldat an strikten Gehorsam, an Organisation und Ar-beit. Denn während noch Max Weber meinte, erst Be-nedikts Regel habe, im Gegensatz zum orientalischenMönchtum, »ja gegen fast alle Mönchsregeln der gan-zen Welt«, die »Arbeitsaskese« eingeführt, stellteschon Pachomius mit seiner fünfsprachig überliefer-ten »Engel-Regel« die Handarbeit in den Mittelpunktmönchischen Lebens, machte schon er seine Klösterzu Arbeitshäusern130.

Der Kopte, der seinen Leuten ausdrücklich ein-schärft, das Klosterleben stehe weit höher als die Ere-mitenexistenz, reduziert als »Generalabt« seiner Häu-ser, über die er diktatorisch herrscht, die Askese aufein geringes Maß, lehnt auch starkes Fasten ab, be-tont aber desto mehr die Erfüllung beruflicher Pflicht.Das Gebet, zumindest das gemeinschaftliche, spielteeine viel geringere Rolle als die Arbeit in den Werk-stätten, der Landwirtschaft oder das Holzfällen imGebirg. Hatten seine Klöster doch sogar eigene Hal-len für handelnde, verkaufende und einkaufende Mön-che. Es gab Schmiede, Schneider, Zimmerleute, Wal-ker, Kamelwärter, Schweinemäster, Metzger etc. Manerzielte bereits ansehnliche Beträge, Überschüsse;und vielleicht stammte aus diesen Klöstern auch ein

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Teil der Bestechungsgelder des hl. Kyrill auf demKonzil von Ephesus (II 182 ff). Bereits Theodor vonPherme bemerkt gegenüber dem Abt Johannes, früherhabe in der Sketis Handarbeit nur als Nebenbeschäfti-gung gegolten und die Arbeit der Seele als Hauptsa-che, nun sei es umgekehrt131.

Ursprünglich war der Hauptwert der Arbeit inchristlicher Sicht die Bekämpfung der Leidenschaften,der Gefahren des Müßiggangs, besonders der Sexuali-tät. Arbeit war asketisches Heilmittel, sie brachte, soEuagrius Pontikus, »die lodernde Begierde zum Erlö-schen«. Erkannte man ihr aber auch später noch dieseFunktion zu, schlägt doch schon hier das ehemalsweltflüchtige Asketentum ins besitzergreifende um;die ökonomische Praktik besiegt die asketische Theo-rie, der hierarchische Gedanke die Mystik – eine Ent-wicklung, die sich innerhalb des übrigen Christen-tums schon weitgehend durchgesetzt hatte132.

Der hl. Benedikt erklärt die von den paganen Ober-schichten kultivierte Muße (otium) zum Feind derSeele und wertet die Arbeit durchaus positiv. Die be-rühmte Benediktiner-Regel zeigt, wie das Geschäftdas Gebet weiter verdrängt: von der Feldarbeit hängtdie Zeit der geistlichen Übungen ab. Fünf bis achtStunden täglicher Handarbeit sind für die Benedikti-nermönche vorgesehen, die freilich nur ausnahmswei-se schwere Erntearbeiten verrichten, verfügt man doch

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2.761 Deschner Bd. 3, 480Die Mönche werden zur wichtigsten Kraft der ...

mit dem stets größer werdenden Grundbesitz überimmer mehr Knechte133.

Während Benedikts Fastengebote ziemlich mildsind, befiehlt er wiederholt strengsten Gehorsam ge-genüber den Oberen und verbietet, unter Androhungscharfer Züchtigung im Übertretungsfall, auch dasmindeste an Besitz. In den Lagerstätten der Mönchesollen die Äbte fleißig nach eventuell verborgenemPrivateigentum fahnden. Kirchenlehrer Basilius be-droht jeden Mönch, der Privatbesitz hat, mit Aus-schluß von der Kommunion. Ähnlich urteilen ver-schiedene Synoden. Und auch nach Augustin mußjeder unbedingt auf Hab und Gut zugunsten der Ge-meinschaft verzichten; nicht nur auf den gegenwärti-gen Besitz, sondern auf alles, was er noch von Außen-stehenden geschenkt bekommt. »Alles sei euch ge-meinsam!« Nur dem Oberen erlaubt Augustin, nachGutdünken über das Gemeingut zu verfügen. Dochwünscht er einst Reichen, jetzt Verarmten, gegenüberauch im Kloster besondere Rücksichtnahme (vgl. S.449 f). »Die aber in der Welt nichts besaßen«, heißtes gleich im ersten Kapitel seiner Regel, »sollen nichtim Kloster das suchen, was sie nicht einmal draußenhaben konnten«134.

Selbst in den christlichen Klöstern gab es nieGleichheit, sondern eine genau abgestufte Hierarchie,wie schon in den ersten Klöstern des Pachomius, dem

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2.762 Deschner Bd. 3, 480Die Mönche werden zur wichtigsten Kraft der ...

als »Generalabt« Äbte unterstanden, und diesen wie-der die Vorsteher der einzelnen Häuser. Doch selbstzwischen den Mönchen gab es Rangunterschiede, diesich u.a. in der Sitzordnung ausdrückten. Ja, als Mittedes 4. Jahrhunderts die hl. Paula aus Rom in Bethle-hem drei Frauenklöster gründete, nahm sie in einesnur Proletarierinnen auf, in das andere bloß Jungfrau-en aus dem Mittelstand, während das dritte aus-schließlich Gottgeweihten des Adels vorbehaltenblieb. Nur zum Gebet vereinten sich diese Nonnen,sonst lebten sie nach Standesunterschieden streng ge-trennt. – Im Mittelalter schmarotzen in vielen Klö-stern lediglich Adelige, die von Knechten und Skla-ven bedient werden135.

War den einzelnen Mönchen aber auch Eigentumverwehrt, konnten doch die Klöster immer reicherwerden, und sie wurden es auch, vor allem durch dasVermögen, das reiche Laien bei ihrem Eintritt demOrden schenkten. Manche vermachten ihm ihren gan-zen Besitz. Bereits ein Zeitgenosse des Pachomius,der reiche Petronius, der auf seinem Land ein Klostererbaut hatte, das er als Abt leitete, übereignete diesesdem Pachomius und veranlaßte auch seinen Vater undBruder, Mönche zu werden, worauf auch deren Besitzan Pachomius fiel. Andere reiche Laien gaben zu ihrerSeelenrettung den Klöstern große Spenden, die soge-nannten Psychika. Dem Mönchsvater Pambo, einem

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Antonius-Schüler, schenkt in Nitria die fromme Rö-merin Melania 300 Pfund Silber136.

Augustinus, der gelegentlich über herumstreichen-de, bettelnde, mit angeblichen Reliquien hausierende,faulenzende Mönche klagt, ist zwar auch auf denWohlstand der Klöster bedacht, doch, wie es scheint,nicht so vertrauensselig. Einst hatte man in den älte-sten Asketenkreisen empfohlen, ererbtes Geld nichtder Kirche zu geben, weil man dort ein Frühstückdavon mache (S. 475). Jetzt scheint man etwas Ähnli-ches in Bischofskreisen von den Mönchen zu vermu-ten. Jedenfalls erteilt Augustin einmal den Rat: »DasGeld, das ihr jetzt den Klöstern schenkt, ist bald auf-gezehrt; wollt ihr aber euch ein unauslöschliches An-denken im Himmel und auf Erden sichern, so kauftjedem Kloster ein Haus und wendet ihm Einkünftezu«137.

Auf derartige Zuwendungen allein aber wollten dieMönche nicht erst warten. Die unter dem Namen desNilus von Ankyra tradierten Briefe und Abhandlun-gen aus dem frühen 5. Jahrhundert bezeugen eine um-fangreiche Bettelei der Mönche nebst deren Suchenach Leuten, die ihren Unterhalt bestreiten und diederart, wie der Tribun Sosipater, zum »Lasttier derMönche« werden. Auf diese Weise wurden die Klö-ster immer größer, ihre Besitzungen immer ausge-dehnter, ihre Viehherden immer riesiger. Auch private

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Ländereien, vor allem Tempelland, sollen sich dieMönche angeeignet haben »mit der Behauptung, essei dem Soundso (sc. Christus) heilig, und viele sindso des väterlichen Besitzes unter einem unwahrhafti-gen Vorwand beraubt« (Libanios). Gelegentlich, sohat man behauptet, seien die Latifundien mancherKlöster größer gewesen als jeder Privatbesitz138.

Jedenfalls wurden sie rasch zur wichtigsten ökono-mischen Kraft der Kirche, zumal sie auch eine be-trächtliche Rolle im Handel der spätantiken Weltspielten. Sulpicius Severus bezeugt, daß Handel beiden meisten Mönchen üblich war. Sowohl in Klösternwie in Einsiedeleien stellte man ständig die verschie-densten Produkte her, Matten etwa, Siebe, Gefäße,Dochte und Kerzen, Webereien, Seile, Körbe usw.Man trieb da jedes Handwerk. Das Kloster von Pano-polis, das in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts 300Mönche bewohnten, soll 7 Schmiede beschäftigthaben, 12. Kamelwärter, 15 Schneider, 15 Walkerund 40 Bauleute. Als Transportmittel beim Güterum-schlag setzte man Kamele und Schiffe ein. Schon dasfrühe Mönchtum kannte keine Skrupel gegenüber demvon manchen »Vätern« so verpönten Handel. Überallkonnte es gottgefällige Seelen geben, erklärte man:»ob Räuber, Schauspieler, Bauer, Kaufmann oderverheiratet«! Und im Frühmittelalter (seit dem 9.Jahrhundert) tätigen die Klöster auch regelrechte

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Geldgeschäfte139.Der byzantinische Historiker Zosimos, ein Heide –

neben Ammian die Hauptquelle für die Geschichtedes 4. Jahrhunderts –, meinte im späteren 5. Jahrhun-dert von den Mönchen, sie füllten »Städte und Dörfermit ganzen Herden von unverheirateten Menschen«und seien weder zum Krieg noch sonstwie zum Nut-zen des Staates tauglich. Sie schritten seit ihrem Auf-treten immer weiter und eigneten sich »einen großenTeil des Landes an, unter dem Vorwand, alles mit denBettlern zu teilen, in Wahrheit aber, um alle zu Bett-lern zu machen«140.

Je mehr aber der Reichtum der Mönche wuchs,desto geldgieriger wurden sie – was freilich auch fürgroße Teile des Klerus gilt, und schon in sehr alterZeit.

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2.766 Deschner Bd. 3, 483Methoden geistlichen Geldverdienens

Methoden geistlichen Geldverdienens

Bereits im frühen 2. Jahrhundert hören wir, daß Dia-kone das Vermögen von Witwen und Waisen verun-treuen; daß Amtsträger, wie der Priester Valens zuPhilippi, die Unterschlagung offenbar mehr lieben alsden Herrn. Von Montanus, einem leidenschaftlichenPropheten des späteren 2. Jahrhunderts, der zunächstweder als Häretiker noch Schismatiker galt, meldetKirchenautor Apollonius: »Er ist es, der Steuerein-nehmer aufstellte, unter dem Titel Opfer Geschenkeanzunehmen verstand und den Verkündigern seinerLehre Lohn auszahlte, auf daß die Predigt seinerLehre durch Schlemmerei an Kraft gewänne«. Und inRom ließ sich unter »Papst« Zephyrin (199–217) derKonfessor Natalius für ein monatliches Fixum vonangeblich 150 Denaren zum Bischof der Monarchi-aner machen. Bezeichnenderweise tritt anscheinendhier zum erstenmal ein Prälat mit einem festen Gehaltauf. Euseb spricht von der »die meisten (!) verderben-den Gewinnsucht« dieser »Ketzer«141.

Den Novatianer Nicostratus beschuldigt Mitte des3. Jahrhunderts Bischof Cyprian, daß er »kirchlicheGelder wie ein Tempelräuber betrügerisch unterschla-gen und die für die Witwen und Waisen hinterlegtenSummen abgeleugnet hat«. Auch der römische Bi-

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schof Kornelius bezichtigt Nicostratus »vieler Verbre-chen«. Nicht nur habe er »an seiner weltlichen Herrin,deren Geschäfte er führte, Betrug und Raub verübt,sondern auch – was ihm zur ewigen Strafe aufbehal-ten bleibt – hinterlegte Gelder der Kirche in erhebli-cher Höhe entwendet«. Dabei kassierte Nicostratus,wie Natalius ein »Konfessor«, der für sein Christus-bekenntnis gefoltert worden war, die beklagten Sum-men gar nicht für sich. Der Novatianer wollte siewährend des römischen Schismas zwischen den Bi-schöfen Kornelius und Novatian (II 100 ff) mit seinerFlucht nach Afrika nur dem Zugriff der katholischen»Häretiker« entziehen. Hätte er die Gelder für Katho-liken abgezweigt, hätten deren Bischöfe wohl ganzanders geurteilt142.

Natürlich stand es in »großkirchlichen« Kreisennicht anders.

Viele Kleriker sind so geschäftstüchtig, daß ihnendie Synoden seit dem 3. Jahrhundert immer häufigerGeldverleih und Zinsnehmen ausdrücklich untersagenmüssen. Schon wird oft vom profitsüchtigen Finanz-gebaren der Bischöfe gesprochen, zeigen sich schwereAusartungen im Episkopat, leben manche Oberhirtenin Pomp und Luxus, sind Kaufleute, ja Wucherer143.

Der spätere Papst Kallist (217–222) gründet vorseiner großen Karriere eine christliche Bank in Rom,unterschlägt ein Depositum (Paratheke) – »nicht nur

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ein gewöhnliches, sondern auch ein eminent christli-ches Verbrechen« (Staats) – und ist auch nach seinemKonkurs wieder als Bankier tätig. Überhaupt scheintsich die Laxheit dieses Papstes (II 94 ff) auszuzahlen:die Kaiser sind wohlwollend, die Behörden verbind-lich, mehr Reiche als vordem werden Christen, dieGüter und Gelder nehmen ebenso zu wie die Priesterin Rom144.

Im gleichen Jahrhundert stechen auch einige »Päp-ste« Alexandriens als ausgezeichnete Bankiers hervor,und zwar nur als solche: Erzbischof Maximos(264–282), der eine Depositenbank unterhält, in dieägyptische Christen, die mit Rom Getreidehandel trei-ben, ihre Gewinne einzahlen. Die Geschäfte vermittelt»Papst« Maximos selbst. Geleitet wird die Bank vonseinem Finanzchef Theonas, der von 282 bis 300 alsnächster »Papst« in Alexandrien amtiert. Den Hin-weis auf die Transaktionen von Erzbischof Maximosverdanken wir einem seinerzeit in Rom geschriebenenägyptischen Papyrus, dem vielleicht ältesten christli-chen Originalbrief145.

Auf dem hochangesehenen Bischofsstuhl von An-tiochien saß damals Paul von Samosata und hatteaußer seinem geistlichen Amt auch das eines Prokura-tors inne, das ihm viel Geld einbrachte. Freilich istder in Antiochien sehr populäre Kirchenfürst, der an-geblich Frauen in der Kirche sogar das Singen erlaubt

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haben soll und sich selbst noch auf seinen Dienstrei-sen »zwei blühende und gutgebaute Mädchen«, allenmöglichen Verdächtigungen sowie ständigen Bespit-zelungen ausgesetzt. Er wird schließlich verketzertund das Opfer seines Hauptgegners, des Domnus, derSohn des verstorbenen Bischofs Demetrianus ist undsich dann selber auf den schon lang begehrten Sesselvon Bischof Paul schwingt146.

Im Zeitalter der Christenverfolgungen gibt es vieleGeistliche, die als Fabrikdirektoren im Dienst heidni-scher Kaiser stehen, wie der antiochenische PresbyterDorotheus. Bischof Euseb lobt diesen als einen Ken-ner des Hebräischen, »von feinster Bildung und wohl-bewandert in den griechischen Wissenschaften«, aberauch »eifrig mit den göttlichen Dingen« befaßt. DerHerrscher habe Dorotheus durch die Prokuratur derkaiserlichen Purpurfabrik in Tyrus ausgezeichnet.Euseb fügt noch hinzu: »Wir hörten ihn in der Kirchemit Geschick die Schriften erklären.« Klar, ein kleri-kaler Fabrikant als Exeget!147

Unter diesen geistlichen Industriebossen im heidni-schen Staatsdienst waren auch Bischöfe keine Selten-heit. Der hl. Märtyrer Cyprian spricht von »sehr vie-len« solcher Bischofsprokuratoren, und die moderneForschung nimmt an, daß zur Zeit Cyprians allein inAfrika »eher 50 denn 5 Bischöfe« nebenher derart alsUnternehmer tätig waren, die, so Cyprian selbst, viel

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Geld kontrollierten, Landgüter räuberisch erwarbenund den Ertrag durch sich vervielfältigende Zinsensteigerten. Cyprian schreibt: »Da war jeder nur aufdie Vergrößerung seines Vermögens bedacht ... Ver-gebens suchte man die ergebene Gottesfurcht bei denPriestern ... Gar viele Bischöfe ... vernachlässigten ihrgöttliches Amt ... verließen ihren Stuhl, ließen die Ge-meinde im Stiche, reisten durch fremde Provinzen undtrieben auf den Märkten ihr einträgliches Geschäft.Während die Brüder in der Gemeinde darbten, woll-ten sie Geld im Überflusse haben, brachten Grund-stücke durch tückischen Betrug an sich und mehrtendurch hohen Wucherzins ihr Kapital«148.

In der folgenden Zeit uferte dieses Treiben immermehr aus. Bereits im 4. Jahrhundert, als der Klerusweithin schon so verroht ist, daß ihm förmlich verbo-ten werden muß, Stumme, Blinde, Lahme, Hinken-de – Menschen, die Jesus heilte – mit Hohn und Spottzu übergießen, war auch die klerikale Bruderliebeschon so entwickelt, daß die höheren Kleriker die nie-deren, die oft Not litten, um ihre Einkünfte brachtenund sie selber verbrauchten149.

Viele Priester und Bischöfe dachten nur noch ansich, trieben einen schwungvollen Handel, liebten üp-pige Zins- und Wuchergeschäfte, obwohl dies alleKirchenväter strikt verbieten! Und viele biblischenSchriften! Schärft das Alte Testament doch an zahlrei-

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2.771 Deschner Bd. 3, 486Methoden geistlichen Geldverdienens

chen Stellen ein – wie übrigens auch Platon und Ari-stoteles –, nicht »wie ein Wucherer« zu sein, »nichtZins aufzulegen«. »Du sollst keinen Wucher nehmenvon deinem Bruder, keinen Wucher von Geld, keinenWucher von Speise, keinen Wucher von irgendwas,womit man wuchert ...« Kirchenlehrer Ambrosiusschrieb ein ganzes Buch, »De Tobia«, gegen Wucher(den er, wie andere Kirchenführer, Raub nennt) undZins. Wie alle beruft er sich dabei aufs Alte Testa-ment: »Christus ist nicht gekommen, dies Gesetz auf-zuheben, sondern es zu erfüllen; also ist auch nochjetzt das Zinsverbot in Kraft«. Selbst ausgesprochensozialkonservative Theologen treten in diesem Sinnauf, Clemens Alexandrinus etwa, sogar Augustin.Streng verurteilt er das Zinsnehmen als unsittlich, un-menschlich, als Kunst der Bosheit, schimpfliche Hab-sucht, lieblose Ausbeutung der Armen. Kurz, die Kir-chenväter untersagen das Zinsnehmen ausnahmslosjedem Christen. Sie machen auch nicht die geringsteUnterscheidung dabei zwischen Klerikern und Laien.Und sie verwerfen nicht nur wucherische Zinsen, son-dern alle Zinsen!150

Bald aber übertrafen die Christen sogar die Heidenim Wucher. Hatten diese normalerweise in den letztenZeiten der römischen Republik zwölf Prozent genom-men, so klagt Chrysostomos über solche Gläubige,die, mit den üblichen zwölf Prozent nicht zufrieden,

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2.772 Deschner Bd. 3, 486Methoden geistlichen Geldverdienens

fünfzig Prozent erpreßten! Trotz vielfacher und vehe-menter Verbote gehörten auch Priester nicht selten zuden Erpressern. Ja, sie stellten bis zum 12. Jahrhun-dert einen bedeutenden Teil der Geldleiher. »AlleArten und Formen des Wuchers«, betont der katholi-sche Theologe Kober vom mittelalterlichen Klerus,»wurden aufs Schwunghafteste betrieben«. Da aberdas kirchliche Zinsverbot bestehen blieb, verschleierteman das Geschäft. Entweder der Schuldner anerkann-te eine höhere Summe als die empfangene. Oder manzog die Zinsen im voraus ab. Oder man tarnte sie alsBuße wegen Zahlungsverzug. »Den Financiers aber,die sich solcher Praktiken bedienten, vertrauten diePäpste selber Eintreibung und Verwaltung ihrer Gel-der an« (Pirenne)151.

Immer wieder bedrohen die antiken Synoden di-verse Geschäftspraktiken des Klerus mit schwerenStrafen, doch offensichtlich vergebens.

In Spanien, wo die Kirche im 4. Jahrhundert schongroße Reichtümer besitzt, befaßt sich das Konzil vonElvira (um 300) zwar vor allem mit dem moraltheolo-gischen Spezialthema, der Sexualität – 31 Kanonesgelten ihr. Doch mehrere Kanones betreffen auch denfinanziellen Bereich. Zum Beispiel Darlehen auf Zins-basis (wobei sich Kleriker des ihrer Aufsicht unter-stellten Kircheneigentums bedienten). Oder den inter-nationalen Großhandel. Das Konzil verbietet zwar

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2.773 Deschner Bd. 3, 487Methoden geistlichen Geldverdienens

Diakonen, Priestern und Bischöfen, ihren Sitz wegen»Handelsgeschäften« (negotiandi causa) zu verlassen,ist aber großzügig: innerhalb ihrer Provinz dürfen sieGeschäfte machen – und sogar außerhalb durch Zwi-schenpersonen!

Weiter spielten in Elvira die »Opfergaben« (oblata)der Laien eine Rolle; bei der Taufe werden sie über-haupt untersagt, bei der Kommunion nur den wirkli-chen Teilnehmern erlaubt. Interessanterweise aber istdas »Recht der Stolgebühr«, der Bezahlung kultischerVerrichtungen, in der katholischen Kirche noch heuteim Schwang! Und aus der Praxis der »Opfergaben«für die Kommunion, an der man gar nicht teilnimmt,entwickelten sich die »Meßstipendien«, die es eben-falls noch gibt; wobei jedoch jeder Schein von Ge-schäft und Handel vermieden werden muß, man lokalfestgesetzte Taxen hat, doch freiwillig gegebene hö-here Honorare erlaubt und sogar Messen gegen Geldan andere »zuverlässige Priester« auch außerhalb derDiözese, ausgenommen an die Orientalen, weiterge-ben darf. Bis 1935 waren die Manualstipendien, beidenen der Priester das Geld gleichsam in die Hand be-kommt (es gibt noch »uneigentliche Manualstipendi-en« und »Stipendia fundata«), in Deutschland auchnoch einkommensteuerfrei152.

Das große Konzil von Nicaea (325) hält fest, daß»viele Kleriker, von Habsucht und Wucherhaftigkeit

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2.774 Deschner Bd. 3, 488Methoden geistlichen Geldverdienens

geleitet, das göttliche Wort vergessen ›er gab seinGeld nicht auf Zinsen‹ (Ps. 14,5) und wucherisch(monatlich) ein Prozent verlangen«. Auch erwähntdies Konzil, daß die Priester ihr Geschäft auf denBezug erlaubter Zinsen nicht beschränken, sonderndas Anderthalbfache zurückverlangen und überhauptallerlei Kunstgriffe um »schändlichen Gewinnes« wil-len anwendeten. Die Synode von Agde (506) sprichtvon Geistlichen, die wochenlang ihren Kirchen fern-bleiben, die selbst an hohen Festtagen wie Weihnach-ten, Ostern, Pfingsten statt zum Gottesdienst zu kom-men lieber weltlichem Profit (secularibus lucris) nach-jagen153.

Viele Synoden des 4. bis 7. Jahrhunderts sind soimmer wieder mit den Transaktionen des Klerus be-faßt, ohne einheitliche Regelungen zu schaffen. Zwarkam es vor, daß man Geschäfte treibende Kleriker mitExkommunikation bedrohte; andere Synoden aber un-tersagten nur den wucherischen Gewinn oder das Ver-lassen der eigenen Provinz zu Handelszwecken. MitExkommunikation sollte freilich auch büßen, werChristen als Sklaven an Juden und Heiden verkauf-te154.

Mit dem wachsenden Reichtum der Klöster jagtenauch die Religiösen dem Geld nach, was im Mittelal-ter ungeheuere Formen annehmen wird.

Mancher Mönch, klagt der hl. Hieronymus, seiKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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schwerreich geworden durch sein Herumtreiben beireichen Weibern. Andere handelten gewinnbringend.Besonders das Amt des Mönchspredigers in den Städ-ten soll eine Goldgrube gewesen sein. Wie so oftdann im Mittelalter entdeckte man zuweilen schon inder Antike beim Tod von Mönchen lebenslang gehor-tete Gelder. Auch nach Jakob von Sarug, dem 521 ge-storbenen Bischof von Batnai, hat das GoldfieberLaien wie Priester angesteckt, Einsiedler wie Klösterverdorben. Wenn die Mönche Götterstatuen zerstö-ren, gesteht er, sammeln sie sorgfältig das Gold undstecken es in eine Börse, die sie in ihren Gürtel einge-näht haben. Ebenso berichten Nilus Sinaita, ein Klo-stervorsteher bei Ancyra, und Papst Gregor I., vieleMönche seien von der Liebe zum Geld erfaßt. AuchAbt Johannes Cassianus von Marseille, im 5. Jahr-hundert einer der bedeutendsten Autoren Galliens,weiß ein Lied davon zu singen. Und es spricht wohlfür sich, daß er in seinem Opus »De institutis coeno-biorum« das ganze siebte Buch der »philargyria«, derGeldgier, vorbehält155.

Es gab viele Methoden der Priester, sich zu berei-chern, privat und offiziell. Ihre Habsucht wird oft be-zeugt.

Sulpicius Severus berichtet um 400 von einem Kle-riker, der Pferde hielt, ausländische Sklaven kaufteund schöne Mädchen. Ein anderer namens Amantius

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erwarb mittels eines aufgenommenen Darlehens voneinlaufenden Handelsschiffen in Marseille größereWarenbestände und setzte sie in seiner Heimat teuerwieder ab. Dagegen zog Bischof Cautinus von Cler-mont bei Geschäften mit einem Juden angeblich denkürzeren. Bischof Desiteratus von Verdun (535–554)vermittelte dem städtischen Handel 7000 solidi gegengesetzliche Zinsen. Berüchtigte Händler waren die Bi-schöfe Felix von Nantes und Badegysilus von Mans.Auf dem Bischofsthron von Paris saß ein syrischerKaufmann. Unter Papst Gelasius I. (492–496) tätig-ten in Picenium viele Geistliche üble Transaktio-nen156.

Theoderich d. Gr. (473–526) tadelt Bischof Anto-nius von Pola wegen widerrechtlicher Eigentumsan-maßung. In einem ähnlichen Fall rügt er den BischofPetrus. Bischof Ianuarius von Salona versucht einenÖlhändler um den Ölpreis für das ›ewige Licht‹ zuprellen. Der Priester Laurentius bereichert sich durchLeichenschändung. Im Osten wird 449 auf der Räu-bersynode von Ephesus (II 220) Bischof Ibas vonEdessa angeklagt, goldene Geräte der Kirche geraubt,200 Pfund silberne Kirchengefäße eingeschmolzensowie einen Teil der Gelder, die seine Gemeinde fürLoskäufe von Gefangenen gesammelt hatte, für sichbeseitigt zu haben. Auf dem Konzil von Chalkedon(II 229 ff) berichtet Kaiser Markian, daß Kleriker und

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Mönche aus Geldgier Güter pachten oder für andereverwalten157.

Wie mannigfach und unversiegbar aber auch dieprivaten Finanzquellen des Klerus sprudelten, das so-zusagen ganz legal verdiente Geld der Kirche fällt un-endlich mehr ins Gewicht und sei am Beispiel der dreigrößten und berühmtesten Bischofssitze der Antike,Alexandriens, Konstantinopels und Roms, kurz ge-zeigt.

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2.778 Deschner Bd. 3, 490Einige erlaubte Methoden kirchlichen ...

Einige erlaubte Methoden kirchlichenGeldeinnehmens und -ausgebens

In Ägypten, wo das Patriarchat Alexandrien sichschon im 3. Jahrhundert an den Transaktionen eineschristlichen Überseekaufmanns beteiligt (S. 483 f), isteigener kirchlicher Schiffsbesitz seit dem ausgehen-den 4. Jahrhundert nachweisbar. Im 6. Jahrhunderttreibt das Patriarchat mit Hilfe einer eigenen FlotteHandel mit Palästina, Sizilien, im Adriatischen Meerund mit dem Bistum Rom. Dabei hatten Kirche undfast alle Kirchenväter längst Priestern den Handelstrikt verboten, Ambrosius etwa oder Hieronymus,der schrieb, man müsse einen Handel treibenden Kle-riker wie die Pest fliehen! Ende des 6. Jahrhundertsbesitzt die alexandrinische Kirche bereits 13 hochsee-tüchtige Schiffe, wovon zumindest das größte Schiff(vielleicht aber jedes) bis England fährt. Das Patriar-chat, dem damals 8000 Pfund Gold gehörten, hattediese Schiffe in eigener Reederei hergestellt und dasHolz von italienischen Kirchengütern bezogen. Dochauch ländliche Kirchen Ägyptens besaßen Schiffe undWerkstätten, die sie vermieteten158.

Allein für Konstantinopel ist seinerzeit die Nut-zung von kirchlichem Grund mit 1100 Geschäftsloka-len erwiesen. Und zum Reichtum der Kirche Konstan-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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tinopels hatte sogar einer ihrer Patriarchen beigetra-gen, der wegen seiner schönen, nicht zuletzt oft so so-zialen, um nicht zu sagen sozialistischen oder kom-munistischen Sprüche (S. 452 ff) den Namen »Gold-mund« bekam. Daß Johannes Chrysostomos aberauch eine Goldhand hatte, eine Hand, die zwischen allseinen hochengagierten, die Goldgier verdammendenReden auch sehr emsig selber Gold kassieren konnte,zeigt seine Praxis. Kümmerte er sich doch, wie jederechte Kirchenfürst bis heute, nicht nur um das Seelen-heil seiner Schäfchen, sondern auch recht angelegent-lich um ihr Erbe, zumal um das reicher Witwen; undje reicher sie waren, das ist logisch, desto mehr. Sotätigte der hl. Patriarch, bei dem in der »Väter«-Lite-ratur die Verachtung des Goldes – auf dem Papier –den Höhepunkt erreicht: er sieht darin bloß Lehm,nicht nur sehr profitable Immobiliengeschäfte, son-dern höchstpersönlich widmete er sich auch den Ver-hältnissen der Witwe eines Reeders, eines Senators,einer gewissen Thekla159.

Besonders verlockend aber fand der hl. »Kommu-nist« Geld und Gold einer gewissen Olympias.

Der Vater dieser jungen Frau war Comes palatii,ein hoher kaiserlicher Beamter; ihre Tante die Gattindes Königs von Armenien; ihr Mann, der sie im Altervon 21 Jahren zur Witwe machte, Präfekt Konstanti-nopels. Ihr Erbe bestand immerhin aus 250000 Gold-

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stücken, vom Silber zu schweigen, sowie aus unge-zählten Ländereien und Immobilien. Selbst KaiserTheodosius intervenierte in Konkurrenz mit der Kir-che, indem er Olympias vorschlug, einen seiner Ver-wandten zu heiraten. Doch die Mädchen jener Zeit(und die aller folgenden Zeiten) wußten durch MutterKirche, daß Jungfräulichkeit weit besser als die Ehesei und eine zweite Ehe gar noch schlechter als dieerste. So gab Olympias dem Herrscher einen Korb,und die Kirche machte sich berechtigte Hoffnun-gen160.

Freilich glückte der Fischfang der Petrijünger nichtgleich und nicht ganz. Der Kaiser war sauer und stell-te den Besitz der Olympias unter staatliche Zwangs-verwaltung. Auch ließ er ihre Kontakte zu Nektarios,dem Bischof von Konstantinopel (381–397), überwa-chen, einem Mann, den er doch selbst einst auf denPatriarchenstuhl gebracht, obwohl Nektarios nochnicht einmal getauft gewesen war (I 420). Nektarios,von Haus aus Jurist, ein Fuchs, vielerfahren, denLuxus liebend und noch heute im Osten als Heiligerverehrt, weihte vier Jahre später, als der Dame Olym-pias Reichtum wieder zur Verfügung stand, diese au-genblicklich zur Diakonisse. Das verbot zwar einstaatliches Gesetz bei allen Witwen unter sechzig,doch kirchlicherseits bekam er über das begehrte Ver-mögen das entscheidende Vorkaufsrecht. Olympias

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begann auch sofort ihr Gold unter den Klerus und dieKirche Gottes zu streuen, und als Nektarios 397starb, ergattert sein Nachfolger, der so unentwegtgegen den Reichtum wetternde Chrysostomos, immer-hin noch einen Rest161.

Wir haben folgende Liste der Zuwendungen, dieOlympias »der hohen Kirche zu Konstantinopel durchVermittlung des hochheiligen Patriarchen Johannesgemacht hat:

– 10000 Pfund in Gold;– 10000 Pfund in Silber;– die gesamten sogenannten ›Olympias-Immobilien‹,

wozu ein Gerichtsgebäude, Bäder und eine eigeneBäckerei gehörten;

– die gesamten, in der Nähe der öffentlichen Bädervon Konstanze gelegenen Immobilien;

– die gesamten sogenannten ›Euandros-Immobilien‹;– alle ihre am Stadtrand gelegenen Landgüter;– Ländereien in Thrakien, Galatien, Kappadozien, Bi-

thynien ...«162

Es ist wohl kein Wunder, daß Olympias Heiligeder griechischen wie römischen Kirche wurde. Wer soviel schenkt, der Kirche schenkt, muß heilig sein!Und wer weiß, vielleicht schenkte Olympias nochmehr, als wir wissen. Nachdem ihr Freund, der hl.

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2.782 Deschner Bd. 3, 492Einige erlaubte Methoden kirchlichen ...

Kirchenlehrer, bei Hof in Ungnade gefallen und bis anden Fuß des Kaukasus geschleppt worden war, wo erstarb (II 149 ff, 151 ff), überlebte ihn auch die jungeFreundin nicht mehr lang. Doch vorher empfing sie,völlig aufgelöst, verstört, in Tränen über die Tren-nung, immerhin 17 Briefe des Patriarchen, in dereneinem es heißt: »Siehst du, was für einen großenKampf es erfordert, die Trennung von dem Freundegeduldig zu ertragen, wie schmerzlich und bitter esist ... Den Liebenden ist es ja nicht genug, im Geistevereinigt zu sein, das reicht zu ihrem Trost nicht hin,sie verlangen auch nach leiblichem Zusammensein;und wenn sie das entbehren müssen, ist ihr Glücknicht wenig geschmälert ...«163

Es versteht sich von selbst, daß auch ein Bistumwie Rom nicht arm war. Reich schon in vorkonstanti-nischer Zeit (S. 469 f), nahm die stadtrömische Kir-che durch den ersten christlichen Kaiser noch einenenormen materiellen Aufschwung – von Dante als»Saat des Verderbens« gegeißelt, deren sich »dererste reiche Vater freute!«

Bereits 312, bei seinem ersten Romaufenthalt, hatteKonstantin dem Bischof die domus Faustae, den Late-ran, die künftige päpstliche Residenz geschenkt (diebereits im folgenden Jahr einer Synode als Sitzungslo-kal diente). Konstantin schenkte weiter eine Bischofs-kirche beim Lateran, deren Grundbesitz sich über

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2.783 Deschner Bd. 3, 493Einige erlaubte Methoden kirchlichen ...

Rom und die nächste Umgebung hinaus bis auf Güterin Süditalien und Sizilien erstreckte. Er spendierteauch einen zweiten Basilika-Prachtbau, die Peterskir-che, mit Ländereien noch in Antiochien, Alexandrien,Ägypten und der euphratensischen Provinz. Die Kir-che S. Paul erhielt Güter noch in Tarsus und anderensyrischen Städten. Und bis zum Ende des 4. Jahrhun-derts stieg die Zahl der römischen Titelkirchen ausfrommen Stiftungen auf 25. Doch allein aus dem vonKonstantin übereigneten Grund und Boden verfügtedie Kirche Roms über einen jährlichen Ertrag vonmehr als 400 Pfund Gold. Allerdings hat sie ihren ori-entalischen Besitz, der kaum zu bewirtschaften undverwalten war, offenbar bald wieder veräußert, wobeije ein Drittel des Erlöses die Kirche, der Klerus undder Papst bekamen!164

Auch diese Kirchen selbst waren äußerst kostbarund verschlangen gewaltige Summen (I 235 ff). Rö-mische Priester, Gegner des Papstes Damasus, erreg-ten 384 in einer Bittschrift an Kaiser Theodosius I.die »von Gold strotzenden, mit kostbarem Marmor-prunk bekleideten, auf ragender Säulen Pomp ruhen-den Basiliken«. Gegen das derart vergeudete Vermö-gen – durch alle Zeiten, auch und gerade im späten20. Jahrhundert wieder in ungeheurer Weise vergeu-dete Vermögen, während Millionen »Ebenbilder Got-tes« verhungern! – wird viel zu selten protestiert.

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2.784 Deschner Bd. 3, 493Einige erlaubte Methoden kirchlichen ...

Man erlaube, eine Ausnahme zu zitieren: GottfriedArnold, dessen »Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-historie« (Goethes einzige Quelle über die Geschichtedes Christentums), eine Kirchengeschichte, wie sieseitdem in jedem Jahrhundert kaum einmal geschrie-ben wird, festhält: »Gleichwie auch die erbauung destempels zu Jerusalem, und die grossen unkosten undpracht dabey vielmehr einen elenden verfall des Chri-stentums und seine unnöthige ausgaben anzeigen, alseinen rechtschaffenen Christlichen sinn, der nach derart der vorigen Christen eingerichtet hätte seyn sol-len ... das machte, er (sc. Konstantin) reflectirte in sei-ner freygebigkeit sonderlich auf die Clerisey, undmacht sich selbige damit zum freunde ...« Oder:»Nemlich, es halten zwar ihrer viel dieselbe zeit vorsehr erwünscht, da es überall so prächtiig und über-flüßig in der kirchen auszusehen begunte. Alleine denverständigsten kömmt dieses alles sehr bedencklichvor.« Justinian (527–565) baute in seiner Residenz-stadt die Sophienkirche in fünf Jahren mit zehntau-send Arbeitern für einen Betrag, den Hans von Schu-bert (im frühen 20. Jahrhundert!) auf 361 MillionenMK beziffert165. (»Arbeitsplätze«! Ganz egalwofür – für Kanonen oder Kirchen; es hängt eng zu-sammen! Siehe Justinian ...)

Auch zahlreiche andere Kirchen hatten großenGrundbesitz und nicht selten viel Geld, etwa die Bi-

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2.785 Deschner Bd. 3, 493Einige erlaubte Methoden kirchlichen ...

schöfe – um nur einige des Westens zu nennen – Ae-therius von Lisieux, Aegidius von Reims, Leontiusvon Bordeaux166.

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2.786 Deschner Bd. 3, 494Seit Konstantin regieren die »Kirche der ...

Seit Konstantin regieren die »Kirche derArmen« die Reichen

Um die Gunst der christlichen Kaiser und Kirche zugewinnen, treten die Mitglieder der schwerreichenKlasse im Laufe des späteren 4. Jahrhunderts immerhäufiger zum Christentum über, wovon die Kircheenorm profitiert. »Man kann die Schenkungen, karita-tiven Einrichtungen, Krankenhäuser, Kultobjekte, Al-täre, Kirchen und Kapellen gar nicht mehr zählen ...«(Katholik Clévenot)167.

Schon damals stammten die meisten Bischöfe ausvermögenden Familien. Kein Wunder, hatte das Bi-schofsamt durch Konstantin doch sehr an Attraktiongewonnen. Die Bischöfe wurden jetzt überaus geehrt,wurden, wie der Klerus überhaupt, mit immer mehrPrivilegien ausgezeichnet. Sie bekamen das Erbrecht,sie erhielten gerichtliche Vorrechte. Nicht nur alleKirchen- und Glaubenssachen blieben ihrer Jurisdikti-on überlassen, sie wurden auch zu Richtern in Zivil-prozessen, wobei ihre Urteile inappellabel waren wiedie der Prätorianerpräfekten. Konstantin befreit sieauch – wie den ganzen Klerus bis zum Türhüter – vonden Belastungen öffentlicher Ämter. Einige Bischöfeerhielten Vertrauensstellungen bei Hof, und alle konn-ten jederzeit Zutritt zu den Kerkern verlangen, alle dieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.787 Deschner Bd. 3, 495Seit Konstantin regieren die »Kirche der ...

kaiserliche Post benutzen, und sie beanspruchten siegelegentlich schon im 4. Jahrhundert derart, daß dieBevölkerung darüber murrte168.

Um die Wende zum 5. Jahrhundert leiteten vieleBischöfe infolge ihres Besitzes, Vermögens und Kir-chenapparates auch politisch ihre Stadt. Man drängtenun immer mehr in den hochprivilegierten Klerus.439 konstatiert eine Novelle Kaiser Valentinians III.,daß sich »allenthalben die Zahl der leistungs-pflichti-gen Bürger verringert und dem Gemeinwesen Scha-den entsteht, während die Zahl der Kleriker ins Ufer-lose wächst«. Damals schon entstammten die Bischö-fe vor allem den Oberschichten. Von 54 BischöfenGalliens im 5. Jahrhundert waren nur drei Nichtadeli-ge. Da aber zwei davon, Martin und Marcellus, nochder Bischofsgeneration des 4. Jahrhunderts zugehö-ren, ist im 5. Jahrhundert in Gallien Bischof Bibianusder einzige nichtadelige Bischof. Und oft vererbt mandort das Bischofsamt bereits wie Staatsämter (S.500)169.

Es ist klar, daß diese Leute das feudale Leben, dassie aufgrund ihrer Herkunft gewohnt waren, als Bi-schöfe fortsetzten. Synesios von Kyrene, seit 410 al-lerdings unwillig Kirchenfürst (S. 569), prahlt vorseinen Diözesanen mit seiner alten adligen Abkunft,während der Statthalter Andronikos »den Namen desGroßvaters nicht angeben kann, ja, wie es heißt, nicht

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2.788 Deschner Bd. 3, 495Seit Konstantin regieren die »Kirche der ...

einmal den Namen des Vaters, es sei denn vermu-tungsweise: ein Mensch, der vom Thunfischplatz aufden Statthalterwagen aufgesprungen ist«170.

Schon im 4. Jahrhundert, als ein Bischof den an-dern »Deine Heiligkeit«, »Deine Gottseligkeit« titu-liert und jeder durch Handkuß und Fußfall geehrt wer-den muß – andern predigen sie Bescheidenheit! –,haben Bischöfe meist ein gewisses Vermögen undführen zumindest in Großstädten ein fürstlichesLeben. Doch befindet sich ihre Mehrzahl, ausgestattetmit verlockenden Standesprivilegien, ganz allgemeinin glänzenden Positionen. Sie werden beherrscht vonEhrgeiz, Luxus und Eitelkeit. Hieronymus, der vonLeuten seines Standes schreibt: »Ihre ganze Sorgfaltgeht auf ihre Kleider, auch daß sie gut riechen und dieFüße unter einer weißen Haut nicht aufschwellen«,berichtet, daß sie als Seelsorger mit Vorliebe Frauenbetreuten, scharf dabei auf reiche Spenden, klingen-den Lohn, und daß die Gastmahle vieler Prälaten dieder Provinzstatthalter verdunkelten171.

Auch der Historiker Ammanius Marcellinus rühmtgegen Ende des 4. Jahrhunderts den römischen Bi-schöfen Reichtum und feudales Leben nach und be-gründet damit die hartnäckigen Kämpfe um ihrenStuhl. »Es geht ihnen gut, weil sie von den Stiftungenvornehmer Damen reich werden. Sie fahren in Kut-schen, tragen ausgesuchte Gewänder. Sie geben so

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2.789 Deschner Bd. 3, 496Seit Konstantin regieren die »Kirche der ...

aufwendige Essen, daß ihre Banketts mit denen vonKönigen wetteifern«. »Macht mich zum Bischof derStadt Rom, und ich werde sogleich Christ«, höhnt derhochangesehene heidnische Präfekt Praetextatus ange-sichts der Einkünfte des Damasus (366–384), der zuden bedeutendsten Päpsten seines Jahrhunderts ge-zählt wird. Er festigte die Lehre von der Trinität, diePrimatstellung Roms, tätigte die finstersten Finanzge-schäfte, und sein Luxus war sprichwörtlich. Durchseine Vertrautheit mit reichen Christinnen profitierteder »Ohrenkitzler der Damen« derart, daß an ihn 370ein Kaiserreskript erging, das energisch die Erbschlei-cherei des Klerus verbot (S. 505). Doch Leute wie er,ein vielfacher Mörder (II 111 ff), oder Bischof Am-brosius von Mailand, benahmen sich »wie die Herrendes Westens« (Katholik Clévenot)172.

Schon damals sah das Volk selbst im kleinsten Bi-schofsamt, so ein Kirchenvater, eine »fette Pfründe«.Deshalb wurden Bischofsstühle bereits in der Antike,im Osten und im Westen, häufig durch »Geschenke«erworben. »Immer wieder klagen die Kirchenschrift-steller über den Einsatz des Goldes zur Bestechung«(Reallexikon für Antike und Christentum) – natürlichvor allem auf der Seite der »Ketzer«! Aber auch Kir-chenlehrer wie Basilius und Johannes Chrysostomosbezeugen, daß katholische Bischöfe sich ins Amt kau-fen, gelegentlich erschachert es auch eine reiche

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2.790 Deschner Bd. 3, 496Seit Konstantin regieren die »Kirche der ...

Freundin für sie. Athanasius wirft den Arianern vor,sie veräußerten ihre Bischofsstühle gegen Höchstprei-se. Ähnliches sagt Ambrosius seinem arianischen Ge-genbischof Mercurinus Auxentius nach. Der Metropo-lit von Ephesus, der Kirchengrund für die eigene Ta-sche verhökerte und allerlei Kostbares aus Gotteshäu-sern einschmelzen ließ, um sein Bad zu verschönern,verkaufte um 400 regelmäßig die Bischofssitze an denMeistbietenden173.

Das führt uns zu einem Begriff, der in der kirchli-chen Rechtsgeschichte noch des ganzen Mittelalterswiederkehrt und von beträchtlicher Bedeutung ist.

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2.791 Deschner Bd. 3, 497Die Simonie

Die Simonie

Unter Simonie versteht man nach den ältesten kanoni-schen Definitionen den Erwerb einer kirchlichenWürde, des Bischofs-, Priester-, Diakonenamtes, alsoder klerikalen Weihe, um Geld oder Geldeswert. Manversteht darunter aber auch den sakrilegischen Kaufund Verkauf sogenannter Gnaden, geistlicher Gabenund Güter (spiritualia) um »zeitlichen« Vorteils (tem-poralia) willen, den Erwerb von Sakramenten und Sa-kramentalien. Dagegen können Meßstipendien, Stol-gebühren, Taxen, Obligationen ganz legal kassiertwerden, wobei man sich auf das Neue Testament, Mt.10,10, Lk. 10,7, 1. Kor. 9,13 u.a., beruft. Frühe Ver-suche, Gaben für das Spenden von Sakramenten zuverbieten, scheiterten bezeichnenderweise. Doch ver-langten die Kirchen manchmal auch illegale Gelderdafür oder für Begräbnisplätze174.

Als ersten Simonisten sah man im 4. JahrhundertSimon Magus an, der in der Apostelgeschichte (8,9ff) sich die Kraft des Heiligen Geistes von den Apo-steln erkaufen will und im 3. Jahrhundert sozusagenan der Spitze aller »Häretiker« marschiert. Seitdemgibt es auch die Simonie, die man anscheinend in denbeiden ersten Jahrhunderten nicht kennt – offenbarwaren da die Ämter der Priester noch nicht einträglich

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2.792 Deschner Bd. 3, 498Die Simonie

genug, um erkauft zu werden. Mitte des 3. Jahrhun-derts aber, als das Bischofsamt finanziell attraktiv zuwerden begann, ist auch die Simonie vorhanden, undsie breitet sich nach Anerkennung des Christentumsals Staatsreligion, als das geistliche Amt immer lukra-tiver wird, auch immer weiter und unaufhaltsam aus.Die Verbote, die im frühen 4. Jahrhundert einsetzenund sich ständig mehren, sind völlig vergeblich175.

Schon im 3. Jahrhundert kam es auf, daß Bischöfefür die Konsekration von Kirchen, für die Übersen-dung von Hostien, von geweihtem Öl Gebühren, daßGeistliche für das Spenden der Sakramente, für Trau-ungen und Beerdigungen Abgaben verlangten. Bereitsum die Wende zum 4. Jahrhundert konnte man kaumnoch Christ werden, ohne zu zahlen. Es war üblichgeworden, daß die Neugetauften den Priestern Geld indie Taufschüssel legten. Natürlich wuchert das Übelauch und gerade an höchster Stelle von Jahrhundertzu Jahrhundert. Zur Zeit der Gotenherrschaft in Italienstand bei den Papstwahlen alles, bis auf die heiligenGefäße, zum Verkauf176.

Die frühesten Verbote und Strafbestimmungengegen Simonie finden sich zu Beginn des 4. Jahrhun-derts auf der Synode von Elvira, dann in den »Apo-stolischen Kanones«. Und nun wurde die Erteilungvon Weihen sowie die Vergabe von Kirchenämternfür Geld ein solcher Skandal, daß viele Kirchenver-

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2.793 Deschner Bd. 3, 498Die Simonie

sammlungen dagegen vorgingen, wie die Konzile vonChalkedon (451), von Konstantinopel (459), vonRom (499, 501, 502), von Orléans (533, 549), vonTours (567). Gegen den Kauf von Bischofsämternschritten auch Kaiser ein: Leo I. und Anthemius imJahr 469, Glycerius 473 in Ravenna. Damals grassiertder klerikale Ämterkauf bereits derart, daß KaiserGlycerius feststellen muß, der größte Teil der Bistü-mer werde nicht durch Verdienst, sondern durch Gelderworben. Immer häufiger schritten Kirche und Staatgegen simonistische Praktiken ein. Justinian, der dasErkaufen der Bischofswahl oder -weihe mit schwerenStrafen bedroht, dehnt 528 das Simonieverbot auf dengesamten Klerus aus. Doch verbreitet sich der geistli-che Ämterkauf im 6. Jahrhundert dauernd weiter, be-sonders im Westen, wo er vor allem in den fränki-schen Bistümern üblich ist. Als 591 der BischofRagnemond von Paris stirbt und dessen Bruder, derPriester Faramod, sich um das Bistum bewirbt, ge-langt der syrische Kaufmann Eusebius auf den bi-schöflichen Thron – »nachdem er viele Geschenke ge-geben hatte«. Übrigens kam es nicht nur einmal vor,daß man sich für Geld auch bekehren ließ177.

Seit der Mitte des 6. Jahrhunderts wird die Simonieals »simoniaca haeresis« bezeichnet und gilt bald alsgefährlichste aller »Ketzereien«. Zwar hat die Kirchesie immer wieder auszurotten gesucht, doch völlig

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2.794 Deschner Bd. 3, 498Die Simonie

vergebens. Es gelang bis in die Neuzeit nie. Vielmehrwurden gewisse Formen der Simonie im frühen Mit-telalter »zu einem festen Brauch« (Meier-Wel-cker)178.

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2.795 Deschner Bd. 3, 499Der Nepotismus

Der Nepotismus

Der Nepotismus spielt noch im 20. Jahrhundert eineenorme Rolle, zumindest im Papsttum. Und er geht,anders als die Simonie, bis auf die älteste Zeit zurück.Ja, hier liegt wirklich eine echte apostolische Traditi-on vor, begann die Verwandtenherrschaft doch schonin der Familie Jesu. Denn obwohl dessen Bruder Ja-kobus weder Apostel noch zu Jesu Lebzeiten. seinAnhänger war, übernahm er nach Petri Weggang dieLeitung der Urgemeinde. Als Jakobus starb, leitetediese sein Vetter Simon bar Klopas. Und späterdrückten noch andere Mitglieder der Familie Jesu denJerusalemer »Bischofsstuhl«; der Theologe Staufferspricht deshalb geradezu von einem »Kalifat des Ja-kobus«179.

Ende des 2. Jahrhunderts kennen wir weitere erbli-che Bischofsstühle. Polykrates von Ephesus ist derachte Bischof aus seiner Familie. In einem Kirchen-streit mit Rom beruft er sich feierlich auf seine Ver-wandtschaft, seine Vorgänger. »Sieben meiner Ver-wandten waren nämlich Bischöfe, und ich bin derachte«. Ende des 4. Jahrhunderts ist die kappadoki-sche Kirche allem Anschein nach fest in der Hand nurweniger Familien. Der hl. Gregor von Nazianz warSohn eines gleichnamigen Bischofs, und auch Gre-

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2.796 Deschner Bd. 3, 500Der Nepotismus

gors Vetter Amphilochius war Bischof. BischöflicheBrüder sind dort seinerzeit der hl. Basilius und der hl.Gregor von Nyssa. In Alexandrien folgt im späten 4.Jahrhundert auf den hl. Athanasius (I Kap. 8) seinBruder Petrus als Patriarch, im frühen 5. Jahrhundertauf den Patriarchen Theophilos dessen Neffe, der hl.Kyrill, und auf diesen wieder dessen Neffe Dioskor.Den Patriarchenstuhl von Antiochien drückt damalsErzbischof Johannes, Nachfolger wird sein NeffeDomnus. In Rom ist im 6. Jahrhundert Papst Silve-rius der Sohn des Papstes Hormisdas, und Kirchen-lehrer Papst Gregor I., »der Große«, entstammt einerFamilie, die bereits zwei »Stellvertreter Christi« ge-stellt hatte180.

Eine Inschrift des 5. Jahrhunderts aus Narni teiltuns mit: »Hier ruht Bischof Pancratius, Sohn des Bi-schofs Pancratius, Bruder des Bischofs Herculius«(hie quiescit Pancratius episcopus, filius Pancratiepiscopi, frater Herculi episcopi)181.

Unter den gallischen Bischöfen des 5. Jahrhun-derts, die so gut wie samt und sonders der Nobilitätdes Landes angehören, sind viele miteinander ver-sippt: die Bischöfe Ruricius I. und Ruricius II. vonLimoges mit Bischof Eufrasius von Clermont. Bi-schof Hesychius von Vienne ist der Vater des Bi-schofs Avitus von Vienne und des Bischofs Apollina-ris von Valence. Der hochadelige Bischof Sidonius

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2.797 Deschner Bd. 3, 500Der Nepotismus

Apollinaris von Clermont ist Vater des BischofsApollinaris von Clermont. Der hochadelige BischofEucherius von Lyon (seit 434 dort Bischof) ist Vaterdes Bischofs Veranus von Vence (seit 442 dort Bi-schof) und Vater des Bischofs Salonius von Genf (seit439 dort Bischof). Bischof Remigius von Reims(schon mit 22 Jahren im hohen Amt, obwohl ein Bi-schof 40 oder 45 Jahre alt sein sollte) ist der Brudervon Bischof Principius von Soissons, dessen Nachfol-ger Lupus der Neffe der beiden Brüder ist. Die BrüderPetronius und Marcellus sind hintereinander Bischöfevon Die. Die drei Bischöfe von Tours, Eustochius,Volusianus und Perpetuus, entstammen derselben se-natorischen Familie und kommen in ununterbrochenerFolge auf denselben Bischofsstuhl182.

Auf die Frage: »Wann finden wir Verwandte desjeweiligen Papstes als Gehilfen und Nutznießer derHerrschaft in dessen Umgebung?« antwortet Wolf-gang Reinhard in der »Zeitschrift für Kirchenge-schichte« 1975 lakonisch: »Schon immer!« Und dieApologeten rechtfertigten dies noch im 19. Jahrhun-dert durch den Hinweis, auch unter den Jesus beson-ders nahestehenden Jüngern seien seine Verwandtengewesen183.

Die noch in der Neuzeit florierenden bischöflichenFamilienherrschaften, die man sich nur schwer als be-sondere übernatürliche Berufungen vorstellen kann,

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2.798 Deschner Bd. 3, 501Der Nepotismus

zeigen mehr als lange Reden, wie attraktiv der Prie-sterberuf für die Oberschicht war und wie stets attrak-tiver er von Jahrhundert zu Jahrhundert geworden ist.

Für die Kirche brachte dies Vor- und Nachteile mitsich. Einerseits vergrößerte der private Reichtum vie-ler dieser Kleriker noch den Reichtum der Kirche,teils freiwillig, teils jurisdiktionell. Andererseits be-drohte ihn gerade die durch zwei Jahrtausende herr-schende Vetternwirtschaft.

Zunächst war es allgemeine Praxis, daß klerikaleWürdenträger, Geistliche und Mönche, hatten sienicht ganz nahe Verwandte, ihr Vermögen der Kirchevermachten, was um so mehr ins Gewicht fiel, als dieBischöfe eben gewöhnlich aus reichen Familienkamen. Wo der Klerus aber nicht freiwillig die Kirchezur Erbin einsetzte, wirkte sie alsbald zwangsweisedaraufhin. Dabei ist von allem Anfang an ihr Interesse»auf eine Umgestaltung des Erbrechtes, insbesondereauf eine Lösung der alten familienrechtlichen Bandegerichtet« (Dopsch. Vgl. I 152 ff!)184.

Schon in frühchristlicher Zeit suchte man den Kir-chenbesitz vor Verschleuderung an Verwandte zu si-chern. Seit etwa Mitte des 2. Jahrhunderts sollte alles,was der Priester nach seiner Ordination erhielt, derKirche gehören, das väterliche Erbe ausgenommen.Doch während jeder Kleriker, der ohne Vermögen ge-weiht wurde, dann aber in seinem Namen Grundstük-

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2.799 Deschner Bd. 3, 502Der Nepotismus

ke erwarb, sie der Kirche überschreiben lassen mußte,durften die Bischöfe über das vor und nach Übernah-me ihres Amtes erlangte private Vermögen nicht-kirchlichen Ursprungs letztwillig verfügen. Vergabein Bischof jedoch Kirchenbesitz im Erbweg, mußtesein Nachfolger diese Güter zurückfordern oder Er-satz dafür verlangen. Das Verbot, Kirchengut aufVerwandte der Bischöfe zu übertragen, u.a. durch das10. Konzil von Toledo (656) und das 2. Konzil vonNicaea (787) erlassen, wurde Bestandteil des kanoni-schen Rechts185.

Bemerkenswerterweise hängt auch die Einführungdes Zölibats als verpflichtende Vorschrift, wie Wolf-gang Reinhard in seiner Untersuchung über den »Ne-potismus« betont, »nachweislich mit der Furcht vorVerlust des Kirchenguts zusammen«. Dient die Ehe-losigkeit der Priester und Bischöfe doch nicht zuletztder Vermeidung gefährlicher Erbfälle, wie man selbstoffen zugibt. So macht zum Beispiel Papst Pelagius I.(556–561) einen Familienvater nur unter der aus-drücklichen Bedingung zum Bischof, daß er ein genaudetailliertes und vollständiges Verzeichnis seines Ver-mögens aufstellt und nichts darüber hinaus seinenKindern vererbt186.

Die Frage, ob Kleriker Kirchengut oder Erträgedaraus veräußern dürfen, wurde häufig erörtert. Das4. Konzil von Karthago (398) verbot den Verkauf den

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2.800 Deschner Bd. 3, 502Der Nepotismus

Bischöfen ohne Einwilligung ihrer Kleriker und die-sen ohne Erlaubnis des Bischofs. In besonderen Fäl-len dufte der Bischof allerdings Kirchengebäude, -ge-rate, -gefäße oder Kirchensklaven abstoßen. Aller-dings kam das Verbot der Veräußerung von Kirchen-gut – weil, nach römischem Vorbild, Göttergut – seitBeginn des 5. Jahrhunderts immer nachdrücklicherzur Geltung und wurde 470 von den oströmischenKaisern zum Rechtssatz erhoben187.

Noch mehr als hinter dem Vermögen ihres, Kleruswar die Kirche begreiflicherweise hinter dem derLaien her. Es ist kaum übertrieben, die Erbschleiche-rei zu den wichtigsten, ganz sicher aber profitabelstenseelsorgerischen Bemühungen aller Zeiten zu zählen.

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2.801 Deschner Bd. 3, 503Erbschleicherei

Erbschleicherei

Seit Konstantin 321 der Kirche die Erbfähigkeit ver-lieh – ein immer sprudelnder Quell des Reichtums bisheute –, hinterließen ihr viele Christen zur Rettungihres Seelenheils teilweise oder ganz Ländereien undBarvermögen. In den seltensten Fällen wohl geschahdies nur aus eignem Antrieb. Denn unablässig schärf-te man den Söhnen und Töchtern ein, ihr Geld undGut ganz oder wenigstens zum Teil um ihres Seelen-heiles willen Mutter Kirche zu schenken. Unablässigarbeiteten Kirchenrecht und Kirchenpraxis darauf hin,Zuwendungen an den Klerus zu erleichtern und zusteigern. Es wurde Brauch, bei Kinderlosigkeit dieKirche zur Erbin und ihr auch sonstige Geschenke zurErlangung des Himmelreiches zu machen. In Ost- wieWestrom begünstigte die staatliche Gesetzgebung dietestamentarische Übereignung von Grundvermögenan kirchliche Stellen. Und die »Väter« warnten ein-dringlich, daß das Seelenheil nicht gefördert werde,hinterlasse man Geld und Besitz den Verwandten188.

Eine der spektakulärsten Erbschaften machten dieSeelenfänger durch die junge, kaum mehr als zwanzigJahre alte Melania und ihren Mann Pinianus, die viel-leicht reichste Familie des ganzen Imperium Roma-num (I 492 f), Milliardäre, die nach dem Jesuswort

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2.802 Deschner Bd. 3, 503Erbschleicherei

»Verkaufe alles, was du hast ...« leben wollten. DieKirche konnte da nur zureden – und zupacken. DieZeitgenossen nennen das Vermögen der beiden Aus-steiger »unausrechenbar« (anarithmeton). Sie besitzenüberall, in ganz Italien, Spanien, Gallien, Afrika, Bri-tannien, landwirtschaftliche Domänen mit Zehntau-senden von Sklaven. Nur 8000 nehmen angeblich ihreFreilassung an, als man beginnt, diesen ungeheurenBesitz zu verkaufen, worauf gigantische Summen anKirchen, Klöster, fromme Vereinigungen fließen189.

Als Melania, ihre Mutter Albina, ihr Mann Pinianim Sommer 410 auf der Flucht vor Alarich in Hippo,Augustins Bischofsstadt, landen, kommt es, so derkatholische Theologe Clévenot, zu »schäbigen Aus-einandersetzungen« des hohen Klerus. »Man reißt siesich gegenseitig förmlich aus den Händen. Rivalitä-ten, Konflikte, Krawalle: jeder will seinen Teil vomKuchen abbekommen ...« Der Autor des »Lebens derheiligen Melania« aber schreibt: »Dann erreichte Ala-rich die Ländereien, welche die Seligen soeben ver-kauft hatten. Und alle priesen den Herrn aller Dingeund sprachen: Glücklich die, welche mit dem Verkaufihrer Güter nicht gewartet haben, bis die Barbarenkommen!« Doch glücklich auch die, denen der Macht-wechsel keine Verluste beschied, und dazu gehörtedie römische Kirche. Viele Eigentumstitel sind da-mals sogar auf sie übergegangen, darunter die von

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2.803 Deschner Bd. 3, 504Erbschleicherei

Melania! (Ein Drittel ihres Vermögens hätte gereicht,drei Jahre lang Alarichs ganze Armee zu besol-den.)190

Weit mehr noch aber gewinnt man durch die Masseder Gläubigen, die nun ihres Seelenheiles wegendurch alle Jahrhunderte rücksichtslos geschröpft,»durch den Klerus ausgebeutet« werden, wobei dieser»besonders die Schwäche der Frauen dazu benützt,Vergabungen für den Todesfall an die Kirche zumNachteile ihrer Familien zu bewirken« (Dopsch)191.

Es wurde bereits mehrfach durch Texte aus denverschiedensten Epochen belegt, wie gehässig, wieunsäglich menschenverachtend die Kirche die Familiemißachtet, die sie gewöhnlich (und natürlich ebenfallsnur ihres Vorteils wegen) ungewöhnlich glorifiziert,wie sie noch die einander Nächsten in brutalsterWeise voneinander reißt, um ihrer Interessen willen (I152 ff). Um Gottes willen, sagt sie. In Wirklichkeit:um Geldes willen. (Nur das Strafgesetzbuch verbietetes, hier eine noch deutlichere Identifikation vorzuneh-men.)

Keinen Augenblick, geht es ums Geld, zögern diegefeiertsten Heiligen, die berühmtesten Kirchenväterund -lehrer, Eltern und Kinder zu entzweien, indemsie verlangen, diese teilweise oder ganz zu enterbenzugunsten der Kirche.

Auch für noch so viele Kinder läßt der hl. CyprianKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.804 Deschner Bd. 3, 504Erbschleicherei

die Sorge nicht gelten. »Gott überweise deine Schät-ze, die du für die Erben aufbewahrst. Er sei für deineKinder Vormund«. Der hl. Hieronymus fordert vonden Priestern, ihren angehäuften Besitz nicht ihrenKindern zu hinterlassen, sondern alles den Armen undder Kirche. Nichtpriester aber sollen, wenn sie Kinderhaben, Christus zum Miterben einsetzen. Hieronymusrühmt die Witwe Paula, die nach dem Tod ihres Man-nes mit »trockenen Augen« von ihren Kindern ging,die sie bestürmten, bei ihnen zu bleiben, ja, die diesenvon ihrem Reichtum auch nicht ein Geldstück, wohlaber eine große Schuldenlast hinterließ. Selbst Sal-vian, der im 5. Jahrhundert so eindringlich das Elendder Massen schildert, klagt die Gläubigen an, weil sienicht mehr, wie die ersten Christen, ihr Vermögen derKirche vermachten. Doch wenn sie schon zu Lebzei-ten ihre Güter behielten, sollten sie sich wenigstensauf dem Sterbebett erinnern, daß sie nur einen Besitzbesaßen, dessen wahrer Eigentümer allein die Kirchesei. »Wer sein Vermögen seinen Kindern hinterläßt,statt der Kirche, handelt gegen den Willen Gottes undgegen seinen eigenen Vorteil. Während er für die irdi-sche Wohlfahrt seiner Kinder Sorge trägt, betrügt ersich um seine eigene Wohlfahrt im Himmel«192.

Der hl. Basilius nennt in seiner Predigt »An dieReichen« Vorsorge für die Kinder nur einen Vorwandder Habsüchtigen. Auch bringe vererbter Reichtum

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2.805 Deschner Bd. 3, 505Erbschleicherei

selten Segen. Und für die Verheirateten gelte gleich-falls das Evangelium: verkaufe alles, was du hast.Schließlich, wer könne denn »für den Willen des Soh-nes bürgen, daß er die geerbten Güter wohl ge-braucht? ... Hab' also acht, daß du nicht in dem mittausend Mühen aufgehäuften Reichtum andern Stoffzu Sünden gibst, wofür du dich dann doppelt bestraftsähest: einmal für das Unrecht, das du selbst verübt,sodann für das, wozu du anderen verholfen hast. Stehtdir deine Seele nicht näher als jedes Kind? Steht siedir nicht näher als alles? Weil sie nun dir zunächststeht, so gib ihr auch das beste Erbe, gib ihr reichli-chen Lebensunterhalt, und dann verteile den Restunter die Kinder! Haben doch auch solche Kinder, dievon den Eltern nichts vererbt haben, oft selbst sichHäuser gebaut. Wer aber wird sich deiner Seele erbar-men, wenn du selbst sie vernachlässigst?«193

Nie auch versäumte der Klerus, alle Schrecken derSterbestunde, des Jüngsten Gerichts, der Hölle solange auszumalen, bis die geängstigten Schäfchen be-reit waren, sich mit ihrem irdischen Besitz im Himmeleinzukaufen. Gerade auf dem Sterbebett flehten somanche Eltern ihre Kinder an, nichts von ihrem Ver-mögen für sich zu behalten194.

Im 4. Jahrhundert bezeugen selbst die Gesetze derchristlichen Kaiser das durch die großen Zuwendun-gen an die Kirche heraufbeschworene Elend ungezähl-

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2.806 Deschner Bd. 3, 506Erbschleicherei

ter Familien. Bereits Valentinian I. (364–375) gehtdeshalb scharf gegen die Erbschleicherei des Klerusvor. 370 verbietet er Geistlichen und Mönchen, dieHäuser der Witwen und Waisen aufzusuchen, und er-klärt sämtliche Schenkungen und Vermächtnisse vonihnen sowie anderen Frauen, die unter religiösemVorwand das Opfer erpresserischer Priester werdensollten, für ungültig. Die Sache mußte schon damalsein solches Ausmaß angenommen haben, daß derErlaß testamentarische Verfügungen an Geistliche mitder Konfiskation bedrohte, erbberechtigte Verwandteausgenommen. Und schon zwei Jahrzehnte späterwird durch ein Gesetz des Theodosius die klerikaleErbschleicherei erneut beschränkt – freilich auch, ver-blüffend bald, wieder aufgehoben195.

Die Kaiser vermochten sich gegenüber (dem Fi-nanzgebaren) der Kirche meist nicht durchzusetzen.Ein Gesetz des Theodosius vom Jahr 390, das die inden Städten herumlungernden, bettelnden Mönchewieder in ihre Wüsten verwies, mußte nach kaumzwei Jahren halb zurückgenommen werden. Die Ver-ordnung gegen die Erbschleicherei von Geistlichenund Mönchen bei Witwen und Waisen sowie gegendas Ins-Kloster-Stecken junger Frauen und die finan-zielle Beraubung von deren Kindern durch den Kle-rus, die Theodosius am 21. Juni 390 erließ, wurde aufProtest des hl. Ambrosius schon zwei Monate später,

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2.807 Deschner Bd. 3, 506Erbschleicherei

am 23. August 390, widerrufen. Ähnlich ging es mitanderen Gesetzen, im Westen und im Osten. WasKaiser gegen die klerikale Ausbeutung verfügen,heben sie selber oder spätere wieder auf196.

Schließlich herrschte dieselbe Korruption da wiedort. Schließlich saugten Staat und Kirche gemeinsamdas Volk aus, zogen sie am selben Strang. Auch beider Fortsetzung der Sklaverei.

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2.808 Deschner Bd. 3, 507Die Erhaltung und Festigung der Sklaverei

Die Erhaltung und Festigung der Sklaverei

»Seid nicht traurig – wir sind alle Brüder inChristo«.

Bischof Rather von Veronaum 935 an die Sklaven197

»Das Christenthum hat den Geist der alten Skla-verei gebrochen. Das schien wahrhaft unmög-lich ... Der Sklave wurde dem Thiere ähnlich ge-halten und nicht als Mensch behandelt. DasChristenthum hat diesem ganzen großen Theiledes Menschengeschlechtes die Menschenwürdewiedergegeben.«

Bischof Wilhelm EmmanuelFreiherr von Ketteler198

»Was das Christentum anbelangt, so gab es auchnach der Bekehrung Konstantins und der ra-schen Integrierung der Kirche in das Regie-rungssystem des Reichs keine Spur einer Ge-setzgebung, die die Abkehr von der Sklavereiauch nur schrittweise zum Ziel hatte. Es war imGegenteil der christlichste aller Kaiser, Justini-an, dessen Kodifikation des römischen Rechtsim 6. Jahrhundert nicht nur die umfassendsteSammlung von Gesetzen über die Sklaverei ein-schloß, die je zusammengestellt wurde, sondernauch dem christlichen Europa eine vollständige

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2.809 Deschner Bd. 3, 507Die Erhaltung und Festigung der Sklaverei

gesetzliche Grundlage für die Sklaverei lieferte,die von dort tausend Jahre später in die NeueWelt gebracht wurde«.

M.I. Finley199

»Die Kirche, die sich zwar für das arme Volkeinsetzte, kümmerte sich jedoch keineswegs umdas Bürgerrecht derjenigen, denen sie ihre Un-terstützung auf irgendwelche Weise gewährte, jasie kümmerte sich nicht einmal um das Prinzipdes politischen Bürgerrechts, d.h. um die per-sönliche Freiheit aller Bürger, da sich nach ihrerLehre alle Menschen nicht nur vor Gottes Ange-sicht, sondern auch vor dem Angesicht dessen,der den christlichen Gott auf Erden vertrete, alsSklaven fühlen sollten. Auf diese Weise trug dasChristentum am Ende des Altertums dazu bei,die Rechtslage der kleinen Bürger, Nichtbürgerund Sklaven ideologisch in eine gewisse ›allge-meine Sklaverei‹ zu verwandeln. Verloren wardie Mühe des Kaisers Julian, diese Entwicklungaufzuhalten und den römischen Bürgern das Ge-fühl der Freiheit wiederzugeben, das ihnen derspätrömische Staat durch seine despotischeMacht und die Kirche durch ihre Erziehung zurGottesfurcht entzog«.

Josef Češka200

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2.810 Deschner Bd. 3, 508Sklaverei in vorchristlicher Zeit

Sklaverei in vorchristlicher Zeit

Die Einführung der Sklaverei mag zunächst zwar eineArt »ethischer« Fortschritt gewesen sein, da man Ge-fangene nicht mehr, wie vordem, getötet und häufiggefressen, sondern eben als Knechte des Siegers be-schäftigt hat. Dies beiseite aber, wurde die Sklavereiohne Zweifel die bisher schlimmste Form der Ausbeu-tung aller Zeiten, der Fluch der alten Welt und fürviele, wenn nicht die meisten, die sie traf, eine Tragö-die ohnegleichen. Während sie in manchen Gebietengänzlich unbekannt blieb, in Australien, auf einigenSüdseeinseln, bei vielen Indianern, bei Eskimos,Buschmännern, Hottentotten, kam sie bei den »Kul-turvölkern« besonders in Schwang. »Die antike Kul-tur ist Sklavenkultur« (M. Weber)201.

Die Anzahl der Sklaven in Griechenland oder Itali-en ist unbekannt; Schätzungen schwanken stark. Inder Blütezeit Athens soll die attische Bevölkerung aus67000 freien Bürgern, 40000 Fremden und 200000Sklaven bestanden haben. Doch reichen die Mutma-ßungen moderner Gelehrter für das klassische Athenvon 20000 bis 400000 Unfreien. Die Sklaven vonganz Hellas (von der griechischen Halbinsel, dengriechischen Inseln und Makedonien) wurden zur Zeitdes Peloponnesischen Krieges auf etwa eine Million

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2.811 Deschner Bd. 3, 509Sklaverei in vorchristlicher Zeit

geschätzt, bei drei Millionen Einwohnern. In Rommachten die Sklaven zur Zeit Caesars angeblich gutzwei Drittel aller in der Stadt lebenden Menschen aus.Und in ganz Italien, bei einer angenommenen Ge-samtbevölkerung von etwa 7,5 Millionen, vielleichtrund 3 Millionen202.

In Griechenland war die Sklaverei gewöhnlichnicht allzu schlimm. Wurde der athenische Sklavemißhandelt, durfte er seinen Herrn ebenso verklagenwie ein Freier. Brachte ihn sein Herr um, mußte dieserreligiöse Buße tun oder zeitweilig in Verbannung.Tötete ihn aber ein Fremder, bestrafte man den Täterwie für die Ermordung eines Bürgers. BesondersHaussklaven, Ammen, Pädagogen, Leibärzte, hattenoft ein gutes Verhältnis zu ihren Besitzern. Der athe-nische Sklave durfte eigenes Vermögen sammeln, sichgesetzlich verheiraten und wurde auch im Familien-grab seines Herrn beerdigt. Er konnte von diesem frei-gelassen werden oder seine Freiheit erkaufen. Freilas-sungen durch freien Gnadenakt des Herrn waren imvorchristlichen Griechenland schon weit verbreitet.Auch ist Freilassung durch Freikauf bereits im 4.Jahrhundert v. Chr. bezeugt. Doch war diese Praxis inGriechenland wahrscheinlich so alt wie die Sklavereiselbst. Freilassungsurkunden blieben in großer Zahlerhalten. Freilich machte die griechische Freilassungden Freigelassenen nicht zum Bürger. Auch durfte der

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2.812 Deschner Bd. 3, 509Sklaverei in vorchristlicher Zeit

Sklave, jedenfalls im Athen der klassischen Zeit, ver-kauft, verschenkt, vererbt werden. Er hatte keinerleigesetzlichen Anspruch auf Besitz, und auch die Kin-der aus einer Sklavenehe blieben Sklaven. Wie ver-schlagen-brutal man sein konnte, zeigt das Schicksalder 2000 Heloten, denen die Spartaner die Freilas-sung wegen ihrer militärischen Verdienste verspro-chen hatten. Sie führten sie auch, als setzten sie siewirklich auf freien Fuß, in den Tempel, töteten dannaber, wie Diodor berichtet, jeden in seinem Haus203.

In griechisch-römischer Zeit versklavte man nichtnur Kriegsgefangene, sondern auch Bauern, die manvon Haus und Hof trieb. Auf den Weltmärkten desSklavenhandels, in Tanais am Pontos, in Delos, inPuteoli wurden nicht selten 10000 Sklaven am Tagverkauft, ein Geschäft fast wie auf dem Viehmarkt.Ein Sklavenaufstand folgte dem andern. Sie dauertenjeweils Jahre zwischen 140 und 70, vielleicht abersogar zwischen 199 und 62 v. Chr. Auch ungezähltebesitzlose Freie waren daran beteiligt. Doch jede Er-hebung wurde in Blut erstickt. Nach dem Aufstandvon 104 ließ Lucius Calpurnius alle Sklaven, die ihmin die Hände fielen, kreuzigen204.

In der hellenistischen Zeit wurde man rechtlich ein-wandfrei Sklave nur durch Geburt von einer Sklavinund durch Kriegsgefangenschaft. Dagegen konnte diefreiwillige Selbstverknechtung oder die zu Beginn der

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2.813 Deschner Bd. 3, 510Sklaverei in vorchristlicher Zeit

römischen Republik stets stärker um sich greifendeSchuldknechtschaft keine legitime Sklaverei begrün-den. Auch durfte der Sklave mit Billigung seinesHerrn Vermögen erwerben und mit Sklaven wie mitFreien eine rechtlich anerkannte Ehe eingehen. Frei-lich war er Eigentum und wurde als solches behan-delt. Man konnte ihn vermieten, verpfänden, verkau-fen. Am Ende der Republik und zu Beginn der römi-schen Kaiserzeit wurde die Situation der Unfreien be-sonders schlecht. Als Gutsarbeiter waren sie meist ka-serniert und hausten als »instrumentum vocale« (spre-chendes Inventar), als »instrumenti genus vocale«(Varro) im Sklavenstall, der beim Viehstall stand –»reine Produktionsinstrumente ..., die sich nur durchihre Stimme vom Vieh unterschieden« (Brockmeyer).Der kasernierte Sklave war eigentums- und familien-los, seine Arbeit streng militärisch geregelt. Sklavenkonnte man als Türhüter wie Hunde anketten oder inFesseln auf den Feldern schuften lassen. Man konntesie als Gladiatoren oder zur Tierhetze verkaufen,sogar an Tiere verfüttern oder sie killen zur Unterhal-tung eines neugierigen Gastes. Augustus, der vomChristentum so Glorifizierte (S. 419), ließ einen Skla-ven kreuzigen, weil er seine Lieblingswachtel getötetund gegessen hatte. Ein Sklave besaß keinerlei Rech-te. »Servile caput nullum ius habet« (Julius Paulus,der römische Jurist)205.

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2.814 Deschner Bd. 3, 511Sklaverei in vorchristlicher Zeit

Allerdings fand in den ersten Jahrhunderten desRömischen Kaiserreiches in der Sklavenwelt eine ge-wisse Umwälzung statt. Die schlimmsten Mißständewurden beseitigt, die Sklavenkasernen aufgelöst unddie rechtlichen Belange der Sklaven zunehmend ver-bessert – gewiß nicht (nur) aus humanitären Gründen.Anstelle der reinen »Profitmotivation« etwa einesCato, der es für ökonomisch hielt, Sklaven so hart wiemöglich schuften zu lassen, bis sie sich totgeschuftetund dann (trotz nicht niedriger Anschaffungskosten)durch neue zu ersetzen, bevorzugte man schließlichein »Belohnungssystem«; relative Zufriedenheit desSklaven, ein gewisses Wohlbefinden, ließen offenbarnoch höhere Profite erwarten. Jedenfalls erhielten Un-freie allmählich gesetzlichen Schutz für Leben undEigentum und durften Familien gründen, nicht zuletztfreilich wieder, um Nachwuchs zu erzielen. Denn ei-nerseits fehlte es daran nach dem Ende der Erobe-rungskriege, die »tatsächlich schon den Charakter vonSklavenjagden angenommen hatten« (M. Weber) –man schätzte, daß zwischen dem 2. und 3. PunischenKrieg, also zwischen 200 und 150 v. Chr., rund250000 Sklaven nach Rom geschleppt worden waren.Andererseits erwies sich der Sklavenhandel weiterhinals enorm lukrativ. Die Kirche förderte dann übrigensSklavenehen noch mehr als der Staat, der sie schon im2. Jahrhundert dem Zugriff des Herrn wieder ent-

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2.815 Deschner Bd. 3, 511Sklaverei in vorchristlicher Zeit

zog206.Die Literatur dieser Zeit ist voll von Skrupeln ge-

genüber der Sklaverei, ohne freilich an ihre Abschaf-fung zu denken. Verhältnismäßig viele Ärzte, Bild-hauer, Lehrer, auch ein paar bedeutende Autoren unterden Sklaven hoben deren Ansehen und minderten diegewaltigen Standesunterschiede. Nicht wenige Skla-ven waren fachlich gebildet und aus dem Bibliotheks-dienst wie dem Finanzwesen nicht wegzudenken. Inder städtischen Wirtschaft gab es Unfreie in leitendenPositionen. Ehemalige Sklaven konnten sogar Mit-glieder der höchsten Gesellschaft werden. Ritter undSenatoren sollen Sklavenabkömmlinge gewesen sein.Folterung von Sklaven kam selten vor und war ge-setzlich genau beschränkt. Kaiser Claudius verordne-te, alle als Mörder zu bestrafen, die ihre Sklaven an-statt auszusetzen töteten. Unter Nero, der vermutlichverbot, Sklaven zum Tierkampf zu verwenden, hatteein besonderer Richter alle ihre Klagen zu untersu-chen und grausame Herren zu bestrafen. (Als seiner-zeit allerdings ein Sklave den Stadtpräfekten PedaniusSecundus ermordete, wurde mit ausdrücklicher Ge-nehmigung der Regierung dessen gesamte Hausdie-nerschaft von 400 Sklaven gekreuzigt.) Der humaneKaiser Antoninus Pius gestand ungerecht behandeltenSklaven ein Beschwerderecht zu. Besonders MarkAurel, der Stoiker, verbesserte das Sklavenlos. Viele

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2.816 Deschner Bd. 3, 512Sklaverei in vorchristlicher Zeit

Sklaven konnten sich auch durch Ersparnisse, an-scheinend schon nach wenigen Jahren, die Freiheit er-kaufen und durch Handel, Manufaktur, Geldverleihein Vermögen erwerben. Sehr viele erhielten die Frei-heit durch ihre Herren, besonders bei deren Tod, wasschon zur Zeit des Augustus einen solchen Umfangangenommen hatte, daß dieser befahl, niemand dürfetestamentarisch mehr als hundert Sklaven befrei-en207.

Auch die Germanen hatten über ihre Sklaven, dasunfreie Hausgesinde, unbeschränkte Verfügungsge-walt. Sie waren rechtlos, nur eine Sache, konnten ver-kauft oder beseitigt werden. »Es ist selten, daß maneinen Sklaven schlägt und mit Einsperrung undZwangsarbeit maßregelt; doch ist es nicht ungewöhn-lich, daß man einen erschlägt«, schreibt Tacitus. Zahl-reicher als die Sklaven waren bei den Germanen dieHörigen208.

In Israel, dessen Sklavenhaltung man gelegentlichbestritten hat, ist der Sklave in biblischer Zeit demGesetz nach das Vermögen eines Menschen. Mankonnte ihn wie einen Gegenstand gebrauchen, konnteihn kaufen, verkaufen, vertauschen. »Der Sklave hatteweder Namen, Familie noch Abstammung. Er war einhilfloses Stück der Wirtschafts- und Gesellschaftsord-nung« (Cornfeld/Botterweck)209.

Besonders unter David, dem von den Kirchenvä-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.817 Deschner Bd. 3, 512Sklaverei in vorchristlicher Zeit

tern so gepriesenen (I 86), und unter Salomo (S. 50ff) mehrte sich die Zahl der Staatssklaven in Israel au-ßerordentlich. Zumal unter Salomo wurden sie ein be-trächtliches Vermögensobjekt. Sie dienten dem Königbei seinen Bauten, in den Bergwerken, der Metallin-dustrie sowie als Exportgüter, hießen auch schlicht»Salomos Sklaven« und existierten als eine eigeneSklavenklasse durch die ganze Königszeit »bis zumheutigen Tag« (1. Kg. 9,21)210.

Das Alte Testament läßt Versklavung in vielen Fäl-len zu. Es gestattet, Kriegsgefangene unfrei zu ma-chen, wofür die israelitische Geschichte zahlreicheBeispiele liefert. Es erlaubt auch die Versklavung vonDieben, die außerstande sind, das Gestohlene zu er-setzen und die Buße zu zahlen. Ebenfalls dürfen El-tern, die ihre Schulden nicht begleichen oder ihre Kin-der nicht ernähren können, diese verkaufen, wobei eseine bedingungslose und eine bedingte Verkaufsformgibt. Wurde ein israelitischer Sklave freigelassen,blieben gleichwohl seine Frau und Kinder lebenslangversklavt. Schließlich erkennt das Alte Testamentauch die Selbstversklavung an; zumeist säumigeSchuldner, die, nachdem sie schon ihre Kinder ver-kauft hatten, auch sich selbst verkauften. Die Zeitihrer Sklaverei war allerdings auf sechs Jahre be-grenzt, wie überhaupt ein israelitischer Sklave ge-wöhnlich nach sechs Jahren freigelassen wurde, was

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2.818 Deschner Bd. 3, 513Sklaverei in vorchristlicher Zeit

ohne weitere Zahlung geschehen sollte, während einfremder Sklave lebenslänglich Sklave blieb. Deshalbsollen die meisten Sklaven in jüdischen Häusern auchnichtisraelitischer Herkunft gewesen sein211.

Die Mißhandlung der Sklaven durch ihre Herrenerlaubt die Bibel. Schlägt der Herr dem Sklaven je-doch einen Zahn oder das Auge aus, muß der Sklavefreigelassen werden. Starb der mißhandelte Sklave so-fort, sollte der Herr bestraft werden, lebte jener abernoch ein, zwei Tage, entging der Herr der Bestrafung,»denn es ist sein Geld« (2. Mos. 21,21)212.

Bei den Essenern war jede Sklaverei streng verbo-ten. In der Stoa lehrte man wenigstens die Unrechtmä-ßigkeit der erblichen Sklaverei. Der Islam, um nurkurz vorauszublicken, brachte eine deutliche Humani-sierung der Sklaverei. Der Moslem durfte einen Skla-ven nicht mehr übermäßig strapazieren, er mußte ihmgenügend Ruhe und Erholung gönnen. Der Sklave er-hält jetzt auch einen gesetzlichen Anspruch auf Kran-kenversorgung. Er kann jederzeit seinen Freikauf ein-leiten, worauf er nicht weiterverkauft werden darf.Und als besonders gutes Werk gilt es, den Rest einerFreikaufssumme zu erlassen, um die Freiheit des Ver-sklavten beschleunigt herbeizuführen. »Wünscht einerdeiner Sklaven eine Freilassungsurkunde«, heißt esim Koran, »so stelle sie ihm aus, wenn du ihn als gutkennst, und gib ihm einen Teil deines Reichtums, den

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2.819 Deschner Bd. 3, 513Sklaverei in vorchristlicher Zeit

Gott dir verliehen«213.Die christliche Kirche aber verfocht energisch die

Erhaltung der Sklaverei, sogar deren Verfestigung, ja,sie machte die demütige Unterwürfigkeit der Unfreienzu einer Tugend.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.820 Deschner Bd. 3, 514Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

Paulus, das Neue Testament, die Kirchenväterund die Kirche treten für die Erhaltung der

Sklaverei ein

Jesus hat sich in der Bibel zur Sklaverei nicht geäu-ßert. Sie war in Palästina, wo es (im mosaischen Ge-setz) das Verbot grausamer Mißhandlungen der Skla-ven gab, Teilnahme an der Festtagsruhe, Entlassungan heiligen Festzeiten, wo die Juden ihre Sklavenüberhaupt erträglicher behandelten, wohl nicht soakut214.

Dagegen wird die Sklaverei von Paulus, in dessenGemeinden es nicht an Sklaven fehlte, schon vertei-digt. Ja, man nannte ihn mit Recht den konsequente-sten Gegner der Sklavenemanzipation. Hält Paulusdie Unfreien doch ausdrücklich zum Gehorsam gegen-über den Herren an. »Bist du als Sklave berufen«,lehrt er, »laß dichs nicht anfechten, nein, selbst wenndu frei werden kannst, bleibe nur um so lieber dabei«.Kam ja »alles darauf an«, wie im späten 19. Jahrhun-dert der Theologe G.V. Lechler betont, »dass die Bot-schaft von Christo« (sie kam, im Satz zuvor, »wie einmilder Regen auf eine dürre Au«) »nicht misdeutet,die Erlösung von der Knechtschaft der Sünde undSchuld nicht als ein Freibrief der Emancipation aufge-fasst wurde, daß ein Sklave ... sich nicht über seineKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.821 Deschner Bd. 3, 515Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

Herrschaft ... überheben mochte«!215

Nur das nicht! Denn zu dieser Herrschaft zählteauch und gerade die Kirche. So sorgten deren theolo-gische Diener stets emsig dafür, daß die »Lehre vonder christlichen Freiheit« nicht mißverstandenwurde – durch die Sklaven, durch die antiken, die mit-telalterlichen Bauern, die unterdrückten armen Teufelaller Zeiten ... So zeigte sie, daß die »Lehre von derchristlichen Freiheit« nicht leichtfertig »auch auf diesoziale Seite des Verhältnisses von Sklave und Herrnübertragen werden« durfte. Nur das nicht! Zeigten sie,so beispielsweise Theologe Lappas in seiner Doktor-arbeit der »Hochwürdigsten kath. theol. Fakultät derUniversität Wien«, wie die Sache wirklich zu verste-hen sei, die »christliche Freiheit« – innerlich nämlich,innerlich! »Paulus setzte innen den Hebel an zur Lö-sung der Sklavenfrage und hat wahrlich nicht verge-bens sich bemüht. Wie manches Sklavenauge magaufgeleuchtet haben, als es von dieser Wunderwelt er-fuhr, zu der auch der Geringste eingeladen war, einzu-treten«216.

Wahrlich, nicht vergebens; leider ist das wahr –das aufleuchtende Sklavenauge aber ist Papier; theo-logische Niedertracht oder Dummheit. Wie auch hät-ten die Augen tagtäglich und lebenslang Geschunde-ner, die natürlich nichts lieber als ihre äußere Freiheitwollten, leuchten sollen, wenn sie statt dieser Freiheit

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2.822 Deschner Bd. 3, 515Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

schäbige Pfaffentricks beglückt haben?Mit Paulus tritt das ganze Neue Testament für die

Erhaltung der Sklaverei ein. »Ihr Sklaven«, verkündetdas »Wort Gottes«, »seid euren leiblichen Herren ge-horsam mit Furcht und Zittern, in Aufrichtigkeit euresHerzens, als gälte es Christus«. »Verrichtet eurenDienst mit Willigkeit, als gälte es dem Herrn.« »DieSklaven ermahne, ihren Herren in jeder Hinsicht ge-horsam zu sein und ihnen zu Gefallen zu leben, nichtzu widersprechen, nichts zu veruntreuen, vielmehrvolle, echte Treue zu beweisen.« Auch wenn die Her-ren keine Christen sind, sollen die Unfreien sie ach-ten, um das Christentum nicht in Verruf zu bringen!Und um die »Ungläubigen« dem Christentum zu ge-winnen. Nicht genug: Das Buch der Bücher, die»Frohe Botschaft«, fordert Gehorsam selbst gegen-über den harten Herren und geduldiges Ertragen ihrerSchläge, wobei man den Elenden den leidenden Jesusals Vorbild hinstellt. Ja, die »Heilige Schrift« befiehltden christlichen Sklaven, ihren gläubigen Herren nurdesto eifriger zu dienen, weil diese Christen seien!Und es tröstet die Sklaven und wohl auch deren Frau-en, Kinder samt sonstiger Verwandtschaft, die derHerr beim Tod seines Eigenknechts zu seinen Gun-sten enterbte, mit der Versicherung: »Ihr wißt ja, daßihr vom Herrn das (himmlische) Erbe als Lohn emp-fangen werdet«. Das hörten die Sklavenhalter

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2.823 Deschner Bd. 3, 516Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

gern!217

Man hat ausgerechnet, daß der unter dem Namendes Paulus gefälschte (S. 102), aber im Neuen Testa-ment stehende Kolosserbrief mit insgesamt 18 Wor-ten die Herren zu guter Behandlung der Sklaven er-mahnt, die Sklaven jedoch mit 56 Worten zum Gehor-sam gegenüber den Herren. In dem gleichfalls unterdem Namen des Apostels gefälschten Epheserbrief (S.102 f) ist dies Verhältnis 28 zu 39. Und an drei weite-ren Stellen stehen überhaupt nur an Sklaven oder Be-dienstete gerichtete Ermahnungen218.

Auch die außerkanonischen christlichen Schriftendes 2. Jahrhunderts bekämpften die Emanzipationsbe-strebungen der Sklaven energisch. Die christlichenWortführer verweigern ihnen den Freikauf aus der ge-meinsamen Kasse und fordern: »sie sollen sich nichtaufblähen, sondern zur Ehre Gottes noch eifrigerSklavendienste tun«! Sie sollen ihren Herren »wieeinem Abbild Gottes Untertan sein in Scheu undFurcht«! Sie drohen den Ungehorsamen, daß sie einst»ruhelos ihre Zunge zerbeißen und mit ewigem Feuergequält werden«. Diese Warnung an die Sklaven, soversichert Theologe Lechler, »ist ganz sachgemäß.Sie entspricht ganz dem Glauben und ist zugleichvollkommen dem praktischen Interesse des Christen-tums und der Kirche, nach ihrer Stellung in der anti-ken Welt, gemäß«. Repräsentierten doch die christli-

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2.824 Deschner Bd. 3, 517Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

chen Sklavenhalter für die Sklaven »den Herrn imHimmel«!218

Die christlichen Gemeinden sahen nicht nur darauf,daß ihre Sklaven auch heidnischen Herren gehorsame,willige Sklaven waren, sondern die Kirchenordnungdes Hippolyt macht sogar ein entsprechendes Zeugnisüber das Verhalten eines Unfreien in heidnischemHaus zur Bedingung über seine »Aufnahme im Chri-stentum«. Und um 340 beschließt die Synode vonGangra (im Kampf gegen die »Ketzerei« des Eustha-tius), jeden zu exkommunizieren und zu verfluchen,der »unter dem Vorwand der Frömmigkeit« einenSklaven lehre, seinen Herrn zu mißachten, ihm nichtwillig zu dienen »und voll Respekt« oder sich seinemDienst zu entziehen – eine Verordnung, die auch indas Corpus Juris Canonici (das bis 1918 gültige Ge-setzbuch der katholischen Kirche) einging!219

Natürlich machen sich auch die Kirchenväter zumSprachrohr der herrschenden Klasse.

Für Tertullian gehört die Sklaverei zur Ordnungder Welt. Die Sklaven selbst sind für ihn »von Naturaus« feindlich, sie belauern und belauschen an Mauer-ritzen und Türspalten die Zusammenkünfte ihrer Be-sitzer, ja, Tertullian vergleicht die Sklaven mit bösenGeistern. Der verketzerte Origenes bewundert zwardas alttestamentliche Gebot, Sklaven nach sechs Jah-ren freizulassen, empfiehlt aber keine Nachahmung

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2.825 Deschner Bd. 3, 517Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

durch die Christen. Der hl. Gregor von Nyssa predigtzwar über die Freilassung von Sklaven zum Osterfest,doch meint er dabei nur die Freilassung aus derSünde, nicht aus der Sklaverei. Nach Bischof Theodorvon Mopsuestia hindert Sklaverei keineswegs daran,ein tugendhaftes Leben zu führen, und die gesell-schaftlichen Unterschiede erklärt er natürlich als gott-gewollt. Der hl. Hieronymus hält Sklaven für skanda-löse Schwätzer, Verschwender, für Verleumder derChristen. Sie erscheinen bei ihm fast als deren Aus-beuter. Durch zwei Jahrzehnte schreibt er Sätze wie:»Sie meinen, was sie nicht bekommen, würde ihnenweggenommen, und sie denken nur an ihren Lohn,nicht an dein Einkommen«; »sie ziehen gar nicht inBetracht, wieviel du hast, sondern nur, wieviel sie be-kommen«. Und noch der hl. Erzbischof Isidor von Se-villa, »der letzte abendländische Kirchenvater«, trittwie alle seinesgleichen für Erhaltung der Unfreiheitein, zumal sie nötig sei, um die schlechten Anlageneiniger Menschen durch »terror« zu zügeln220.

Gut fügt sich auch für Kirchenlehrer Ambrosius dieSklaverei in die christliche Gesellschaft, in der ja alleshierarchisch gegliedert ist, beispielsweise auch dieFrau deutlich unter dem Mann steht. (Nie ermüdet dergroße Heilige, die »Minderwertigkeit« des weiblichenGeschlechts darzutun, die Notwendigkeit der Herr-schaft des Mannes und die Unterordnung der Frau; er

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2.826 Deschner Bd. 3, 518Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

»perfectior«, sie »inferior«. Doch ist der Kirchenfürstnicht ungerecht, weiß er auch die Stärke des Weibeszu würdigen, dessen »Verlockungen« selbst hervorra-gende Männer zu Fall bringen. Und mag die Frauauch wertlos sein, ist sie doch »im Laster stark« undschadet dann der »kostbaren Seele des Mannes«.)221

Kaum zweifelhaft wohl, wie ein solcher Menschüber die Sklaverei denkt. Vor Gott natürlich sind Herrund Sklave gleich, haben beide eine Seele, ja, reinspirituell wertet Ambrosius den Unfreienstatus derartauf, »daß viele Sklaven als Herren ihrer Herren er-scheinen« (K.-P. Schneider). Gleichwohl spricht ervon der »Niederigkeit« des »Sklavendaseins«, von»schändlicher Sklaverei«, zögert er nicht, sie alsschimpflich anzusehen und fast ständig zu verun-glimpfen, Sklaven pauschal als treulos, feig, hinterli-stig, als moralisch minderwertig zu bezeichnen,gleichsam als den Bodensatz. Doch willig getragen,sei Sklaverei keine Last und für die Gesellschaft sehrnützlich, kurz: ein Gut, ein Gottesgeschenk. – NachLogik darf man nicht fragen, wo es um Macht geht.»Man muß glauben und darf nicht diskutieren« (Cre-dere tibi iussum est, non discutere permissum: Am-brosius)222.

Der Glaube geht selbstredend auch Johannes Chry-sostomos über alles. Der Glaube und das Himmel-reich. Und so verweist unser »sozialistischer« Kir-

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2.827 Deschner Bd. 3, 518Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

chenlehrer die Sklaven aufs Jenseits. Auf Erden habensie nichts zu erhoffen. Zwar schuf Gott den Menschenals Freigeborenen, nicht als Sklaven. Die Sklavereiaber entstand als Folge der Sünde und werde demnachexistieren, solange man sündigen wird. (Und wieChrysostomos lehren auch andere Kirchenväter denFortbestand der Sklaverei bis zum Ende der Tage,»bis die Bosheit aufhört und alle Herrschaft und Men-schenmacht entleert wird und Gott alles in allem ist«.)Doch nur die Sklaverei der Sünde schade, nicht diephysische Sklaverei. Auch nicht das Prügeln der Skla-ven. Der hl. »Kommunist« ist gegen »Milde zur un-rechten Zeit«. Er ist natürlich auch gegen einen Um-sturz, wie schon der hl. Paulus. Wortreich propagierter die Beibehaltung des Elends überhaupt. »Wenn dudie Armut ausrottest«, belehrt er die Menschheit,»dann würdest du die ganze Struktur des Lebens ver-nichten; du würdest unser Leben zerstören. KeinenMatrosen, keinen Lotsen, keinen Bauern, keinenMaurer, keinen Weber, keinen Schuster, keinenTischler, keinen Kupferschmied, keinen Sattler, kei-nen Müller – keins dieser Gewerbe oder irgendwelcheanderen würde es geben ... Wenn alle reich wären,würden alle in Untätigkeit leben« – wie offenbar dieReichen! – »und dann würde alles zerstört werdenund zugrunde gehen.«

Andererseits freilich behauptet Chrysostomos auch,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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wie üblich, »Sklave« und »Freier« seien nur nochNamen, die Sache selber habe aufgehört, die Taufealle, die vorher als Sklaven und Gefangene lebten, zufreien Menschen, zu Bürgern der Kirche gemacht! Be-zeichnenderweise zählt auch dieser Kirchenlehrer wie-der zur Sklaverei im weiteren Sinn die Knechtung derFrau durch den Mann – die Schuld Evas: weil sie hin-ter Adams Rücken mit der Schlange verhandelte. Somuß der Mann über die Frau herrschen, muß sie»unter seine Herrschaft gestellt«, »sein Herrschafts-recht mit Freuden« anerkennen. »Denn auch demPferd ist es nützlicher, einen Zügel zu tragen ...«223

Mit aller Entschiedenheit verteidigt Augustinus dieSklaverei (vgl. S. 457 ff). Zu seiner Zeit hatte nochjedes Haus Sklaven, ein reiches oft mehrere Hundert,und der Handelswert eines Sklaven war manchmalniedriger als der eines Pferdes. (Im christlichen Mit-telalter verbilligen sich zeitweise die Landsklavennoch fast um das Dreifache. Und zu Beginn der Neu-zeit zahlt man in der entstehenden katholischen NeuenWelt sogar bis zu 800 Indianer für ein einzigesPferd – ein weiterer Beweis übrigens für die Hoch-schätzung des Tieres im Katholizismus.)224

Die Sklaverei entspricht nach Augustin der Gerech-tigkeit. Sie ist eine Folge der Sünde, ein selbstver-ständlicher Bestandteil der Besitzordnung und wirdaus der natürlichen Ungleichheit der Menschen be-

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2.829 Deschner Bd. 3, 520Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

gründet. (Nach dem oft so demütig sich gerierendenBischof von Hippo gibt es nicht einmal im HimmelGleichheit, finden sogar dort – woher er das wohlweiß? – »zweifellos Abstufungen statt«, »wird dereine Selige vor dem andern einen Vorzug haben«: ihreEhrsucht reicht durch alle Ewigkeit!) Überall Hierar-chie. Überall Abstufungen. Überall Diffamierung. DieUnterordnung des Sklaven gehört für Augustin eben-so zur gottgewollten Ordnung wie die Unterordnungder Frau unter dem Mann. »Diene nach meinem Vor-bild, ich habe vor dir Ungerechten gedient.« Nach-drücklich verwirft es Augustin, die bestehende Ge-setzgebung mit Gewalt zu ändern, nachdrücklichlehnt er jede Sklavenemanzipation durch das Chri-stentum ab. »Nicht freie Männer aus Sklaven hatChristus gemacht, sondern gute Sklaven aus bösen«.Flucht, Widerstand oder gar Racheaktionen der Un-freien, all dies wird schärfstens von Augustin ver-dammt, der solche »pessimi servi« der Polizei oderJustiz ausgeliefert sehen will. Eifrig fordert er von denSklaven demütigen Gehorsam und Treue. Sie dürfensich nicht eigenmächtig gegen ihre Versklavung auf-lehnen, sie sollen ihren Herren von Herzen und mitgutem Willen dienen, nicht unter dem Druck rechtli-chen Zwanges, sondern aus Freude an der Pflichter-füllung, »nicht in heimtückischer Furcht, sondern intreuer Liebe«, und dies so lange, bis »Gott ist alles in

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2.830 Deschner Bd. 3, 520Paulus tritt für die Erhaltung der Sklaverei ein

allem«, ad calendas graecas also, bis zum Nimmer-leinstag. Den Herren aber erlaubt der Kirchenlehrer,die Unfreien durch Worte oder Schläge zu strafen –jedoch immer im Geiste christlicher Liebe! Kann Au-gustin einerseits ja sogar die Sklaven durch die Gott-gewolltheit ihres Schicksals trösten, andererseits denHerren den irdischen Nutzen vorstellen, der ihnen ausder kirchlichen Zähmung der Sklaven erwächst. Nichtgenug: christliche Sklaven, die unter Berufung auf dasAlte Testament – in dieser Frage fortschrittlicher alsdas Neue – Freilassung nach sechsjährigem Dienst er-bitten, weist Augustinus brüsk zurück225.

Da die Kirche nichts tat, um die Sklaverei zu besei-tigen, aber alles, um sie zu erhalten, werden ihreTheologen nicht müde, Ausreden zu kolportieren,wenn sie nicht gar, nach der alten Erkenntnis, daß An-griff die beste Verteidigung sei, das Gegenteil be-haupten.

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2.831 Deschner Bd. 3, 521Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

Apologetische Ausreden und Lügen zur Frageder Sklaverei

Das Hauptargument aller klerikalen Roßtäuscher inunserem Zusammenhang lautet: das Christentum habeden Sklaven die religiöse Gleichstellung gebracht –seine entscheidende neue humane Leistung!

So behauptet man etwa, die Erklärung des Paulus,»hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nichtKnecht noch Freier, hier ist nicht Mann noch Weib;denn ihr seid allzumal einer in Christus Jesus« (einWort, das in einigen Varianten durch sein Schrifttumgeistert), habe die Sklavenfrage mit großer Weisheitauf eine höhere Ebene gehoben, durch christliche Mo-tive überwunden und die ganze Institution der Sklave-rei innerlich ausgehöhlt. Man behauptet, »gerade dasBeieinander von Herren und Sklaven im christlichenGottesdienste mußte der sozialen Lage der Sklavenzugute kommen«. (Ungefähr so, wie das Zusammen-sein von arm und reich im »christlichen Gottesdien-ste« heute den Armen zugute kommt!) Ein Jesuit, derrundheraus »die Wahrheit« verbreitet, das Evange-lium habe »die Sklaverei abgeschafft«, begründet diesdurch den Hinweis auf Jesus, der »den Herren undden Sklaven eine süße Liebe eingegossen und sie soeinander genähert«! Ein anderer Mogelant erklärt, dasKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.832 Deschner Bd. 3, 521Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

Christentum habe »den Sklaven langsam auf einenStand gebracht, der dem eines freien Arbeiters oderDienstboten von heute nicht mehr so unähnlich war«.Einer der führenden Moraltheologen der Gegenwarterzählt uns, die christlichen Herren sahen nun in ihrenSklaven »Brüder und Schwestern um Christi willen«.»Aus dem heidnischen Sklavenhalter wurde der Fami-lienvater der Dienenden. Die Sklaven übernahmen mitder verstärkten (!) Pflicht zum Gehorsam und zur Ehr-furcht die Liebe zu ihrem Herrn als ihrem Bruder inChristus (1. Tim 6,2). Damit war die soziale Frage imGrunde gelöst« – für die christlichen Herren! Und diechristlichen Theologen! Und für länger als eineinhalbJahrtausende!226

In Wirklichkeit war die religiöse Gleichstellung derSklaven so wenig neu wie irgend etwas anderes imChristentum. Weder in der Dionysosreligion noch inder Stoa insistierte man auf Unterschiede der Rasse,der Nation, des Standes, des Geschlechts. Man unter-schied da nicht zwischen Herr und Knecht, arm undreich, sondern stellte Alte und Junge, Männer undFrauen, auch die Sklaven, auf eine Stufe, man hieltalle Menschen für gleichberechtigte Brüder undSöhne Gottes. Daß Freie und Sklaven gemeinsam dieMysterien feierten, ist in der Kaiserzeit selbstver-ständlich gewesen. Und bei den Juden standen dieSklaven in religiöser Hinsicht wenigstens den Frauen

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2.833 Deschner Bd. 3, 522Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

und Kindern gleich227.Humanisierungen in der Sklavenbehandlung, die

man später dem Christentum zuschrieb, waren tat-sächlich nichts als Nachklänge heidnischer Philoso-phen, Platons, Aristoteles', Zenons von Kition, Epi-kurs u.a., welche längst Güte und Freundlichkeit ge-genüber den Unfreien eingeschärft. Nach Senecaetwa, der einmal schreibt: »Wir mißhandeln Sklavenso, als ob sie nicht Menschen wären, sondern Lasttie-re«, hat auch der Sklave Menschenrechte, ist er derFreundschaft der Freien würdig, ist keiner von Naturvornehmer, sind die Begriffe römischer Ritter, Freige-lassener, Sklave nichts als leere Namen, aus Ehrgeizoder Unrecht entsprungen. Erschienen doch der Stoaall diese ständischen Differenzierungen nicht, wie derchristlichen Kirche, als gottgewollt, sondern, zutref-fend, als Resultat einer aus Gewalt hervorgegangenenEntwicklung228.

Im Christentum aber waren Sklaven selbst religiösnur in der ältesten Kirche gleichberechtigt. Dannkonnte kein Sklave mehr Priester werden! Das erstediesbezügliche Verbot sprach vermutlich Papst Ste-phan I. im Jahr 257 aus. Später kritisierte Leo I., »derGroße«, die Ernennung von Geistlichen, die »keineangemessene Geburt« empfehle. »Leute«, ereifert sichdieser Papst und Kirchenlehrer (II 5. Kap.), »die vonihren Herrn nicht die Freiheit erlangen konnten, wer-

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2.834 Deschner Bd. 3, 523Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

den an die hohe Stelle eines Priesters gebracht, als obein schäbiger Sklave (servilis vilitas) einer solchenEhre würdig wäre«229.

Die Apologeten renommierten oft damit, daß Chri-sten in der Antike mitunter viele Tausende von Skla-ven freigelassen haben. Doch beiseite, daß dies allen-falls verschwindende Ausnahmen waren (gewöhnlichwird nur ein einziger solcher Fall genannt: S. 503), esgab keinerlei moralischen Zwang für Christen, Skla-ven freizulassen. Doch nicht nur das. »Es fehlen jegli-che Hinweise aus dieser Zeit, die auf eine allgemeineTendenz, Sklaven freizulassen, hindeuten«. Schlim-mer: »Nie wird ein Herr dazu angehalten ...« (Gül-zow); man kann »kaum sagen, daß die führendenChristen des späten vierten Jahrhunderts die Sklaven-halter zu kostenloser Freilassung ermunterten. Diesscheint weniger üblich gewesen zu sein als etwa imRom der ersten zwei Jahrhunderte der Kaiserzeit«(Grant). Noch schlimmer: es wird »jetzt die Aufzuchtvon Sklaven auf den Gütern selbst gegenüber frühererheblich gesteigert« (Vogt)230.

All dies ist um so fataler, beschämender, bezeich-nender, als Freilassungen in der Antike seit vielenJahrhunderten häufig vorgekommen sind.

Schon im alten Griechenland machte man oft vonder Freilassung Gebrauch (S. 509). Ebenfalls in Rom,wo angeblich bereits seit dem 4. vorchristlichen Jahr-

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2.835 Deschner Bd. 3, 523Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

hundert auf Freilassung eines Sklaven eine Steuer vonfünf Prozent seines Wertes festgesetzt war. Gleich-wohl nahm die Zahl der Freilassungen ständig zu. Biszum Jahr 209 v. Chr. stiegen die Einnahmen aus derFreilassungssteuer auf fast 4000 Pfund Gold. Undwurden vor dem 2. Punischen Krieg im Durchschnittschätzungsweise jährlich 1350 Sklaven freigelassen,so in der ersten Hälfte des 1. vorchristlichen Jahrhun-derts jährlich etwa 16000. Im 1. nachchristlichenJahrhundert aber war die manumissio bei Heiden sohäufig, daß der Staat dagegen einschritt. HeidnischeHerren ließen manchmal Unfreie massenhaft frei odernahmen solche Freilassungen testamentarisch vor,während man von christlichen Freilassungen tatsäch-lich seltener hört231.

Freilassungen von Kirchensklaven gab es. Doch er-laubte etwa die 4. Synode von Toledo den Bischöfendie Freilassung nur, wenn sie die Kirche jeweils ausihrem eigenen Vermögen entschädigten. Andernfallskonnte der Nachfolger des Bischofs den Vorgangohne weiteres rückgängig machen (can. 67). Auchmußte jeder Bischof, der einen Sklaven freigelassen,ohne das Schutzrecht der Kirche vorzubehalten, seinerKirche durch zwei andere Sklaven Ersatz leisten (can.68)! Schließlich hat die Kirche, was es sonst nirgendsgab (!), die Freilassung ihrer Sklaven unmöglich ge-macht. Sie waren als »Kirchengut« unveräußer-

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2.836 Deschner Bd. 3, 524Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

lich232.Nicht genug wieder: die Kirche Christi, die Ver-

künderin der Nächstenliebe, der »Frohen Botschaft«,trug für neuen Sklavenzuwachs Sorge. So erklärte655 das 9. Konzil von Toledo im eingestandenerma-ßen vergeblichen Kampf gegen die Unzucht der Geist-lichen: »Wer daher vom Bischof bis zum Subdiakonherab aus fluchwürdiger Ehe, sei es mit einer Freienoder mit einer Sklavin, Söhne erzeugt, soll kanonischbestraft werden; die aus einer solchen Befleckung er-zeugten Kinder sollen nicht bloß die Verlassenschaftihrer Eltern nicht erhalten, sondern auf immer alsSklaven der Kirche angehören, bei der ihre Väter, diesie schandmäßig erzeugten, angestellt waren« (can.10).

Selbst der berühmte hl. Martin von Tours, Schutz-patron Frankreichs und Patron der Gänsezucht, dernoch als Soldat, wer wüßte es nicht, einem nacktenBettler am Stadttor von Amiens seinen halben Mantelschenkte (warum nicht den ganzen?), hat als Bischof,der er u.a. durch seine Totenerweckungen (!) wurde,dann 20000 Sklaven gehalten – wer wüßte es! DieLegende kennt jeder! (Übrigens wurde eine weitereLegende, wonach eine Gans, die »Martinsgans«, Mar-tins Versteck verraten haben soll, als er sich, wie üb-lich in seinen ehrgeizlosen Kreisen, der Bischofswahlentziehen wollte, zum Vorwand entsprechender Tri-

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2.837 Deschner Bd. 3, 524Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

butablieferungen am »Martinstag«!)233

Alle Behauptungen der Apologeten, das schreckli-che Los des Sklaven habe sich in christlicher Zeit ge-bessert, sind unwahr. Eher trifft das Gegenteil zu.

War in den ersten Jahrhunderten vor allem durchdie stoische Lehre von der Gleichheit der Menschenein leichter Umschwung zugunsten der Sklaven er-folgt, auch in der Gesetzgebung der heidnischen Kai-ser, besonders Hadrians (I 270 f), so trat im 4. Jahr-hundert eine rückläufige Bewegung ein. Die rechtlicheAnerkennung der Sklaverei verschärfte sich, seit derStaat christlich wurde.

Während man vordem nach Geschlechtsverkehreiner Freien mit einem Sklaven die Frau versklavthatte, befahl ein Gesetz des ersten christlichen Kai-sers vom 29. Mai 326, mit sofortiger Wirkung dieFrau in diesem Fall zu köpfen, den Sklaven lebendigzu verbrennen (vgl. I 267 ff). Auch wurden die Verfü-gungen gegen flüchtige Sklaven 319 und 326 ver-schärft, und anno 332 wird das Recht, Sklaven wäh-rend des Prozesses zu foltern, erteilt. Ließ eine Ver-ordnung des Heiden Trajan ausgesetzte Kinder unterkeinen Umständen versklaven, verdammte sie 331 einErlaß Konstantins des Heiligen zu ewiger Sklaverei.Im Osten blieb dies Gesetz zweihundert Jahre, bis529, in Kraft, im christlichen Abendland aber an-scheinend bis zum Erlöschen der Sklaverei! Gelegent-

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2.838 Deschner Bd. 3, 525Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

lich forderte der Klerus die Frauen sogar auf, heimlichgeborene Kinder an der Kirchentür abzusetzen, wor-auf man sie wahrscheinlich aufgezogen und zu Kir-chensklaven gemacht hat234.

Auch die kanonischen Gesetze selber bestätigen dieVerschlechterung für die Sklaven in christlicher Zeit.

Hatte die Kirche früher beispielsweise kaum Be-denken, Sklaven vor Gericht als Zeugen oder Klägerzuzulassen, sprach ihnen die Synode von Karthago(419) dieses Recht ausdrücklich ab. Und später hieltman stets strikt daran fest. Noch ihre Bekehrung mitHilfe der Peitsche machte der christliche Staat denHerren zur Pflicht. Auch die Asylie wurde zum Nach-teil des Sklaven beschränkt. Floh ein Unfreier in dieKirche, mußten ihn die Priester binnen eines Tagesdenunzieren. Versprach der Herr Verzeihung, gab ihndie Kirche heraus. Auch die Schaffung der bischöfli-chen Gerichtsbarkeit änderte an der rechtlichen Stel-lung der Sklaven nicht das geringste. Ebensowenigdie »manumissio in ecclesia«, das schon von Kon-stantin verfügte Privileg des Freilassungsaktes in derKirche. Nicht einmal die Chancen der Freilassungwurden dadurch vermehrt, denn diese Möglichkeithatten die Sklavenbesitzer längst235.

Hans Langenfeld hat in seiner ausführlichen Unter-suchung über die »Christianisierungspolitik und Skla-vengesetzgebung der römischen Kaiser von Konstan-

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2.839 Deschner Bd. 3, 526Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

tin bis Theodosius II« die Sklavengesetzgebung derchristlichen Herrscher detailliert geprüft und kommtdabei zu dem Schluß, daß etwa das Problem der Asy-lie »für jeden Diener Gottes im letzten nicht wesent-lich sein konnte und darum auch bei Verhandlungenmit staatlichen Instanzen als manipulierbarer Wertbetrachtet werden durfte. Insofern verwundert esnicht, daß Theodosius II. nur ein Jahr, nachdem er derKirche das Asylrecht verliehen und seinen Schutzallen Menschen ohne Ausnahme zugesichert hatte,den Sklaven dieses Recht aberkannte. Da diese Maß-nahme, wie bereits dargelegt, nicht ohne Billigungdes Klerus erfolgt sein kann, bestätigt sich die Folge-rung, daß der Klerus nicht daran dachte, dem Staatgegenüber die Interessen der Sklaven um humanitärerIdeale willen kompromißlos zu vertreten. Im Gegen-teil: die Kirche war ohne Skrupel zu vielfältigen Zu-geständnissen bereit ... Es entspricht dieser Tendenz,daß die Gesetze christlicher Kaiser zur Förderung derKirche und zur Unterdrückung ihrer Feinde, soweitsie die hier behandelten Probleme berühren, dieRechtsstellung der Sklaven praktisch unverändert lie-ßen ... Auch das Verbot der Beschneidung und desKaufes christlicher Sklaven durch Juden (TEIL II)brachte den betroffenen Unfreien auf die Dauer keineVergünstigung ein ... Überdies bleibt festzustellen,daß die Christianisierung der Gesetzgebung den von

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2.840 Deschner Bd. 3, 526Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

den Kaisern des 2. und 3. Jh. in die Wege geleitetenProzeß der Humanisierung des Sklavenrechts nichtvorangetrieben hat«236.

Aber Ausflüchte, beschönigende, renommistischePredigten, Traktate, Bücher wie Sand am Meer. Ver-bal, gewiß, nahm man sich der Armen, Ärmsten an –so wie man sich ihrer noch heute etwa in päpstlichen»Sozial«-Enzykliken annimmt, indem man gar ernsteWorte an die Reichen richtet, was diese nicht stört,den Armen, Gegängelten aber den Schutz der Kirchevortäuscht. Liebe und Güte wollte sie im Umgang mitSklaven praktiziert sehen – und ein wenig auch diePeitsche. Berichtet doch selbst der »sozial« so enga-gierte Kirchenlehrer Chrysostomos in seinem Dialogmit einer christlichen Sklavenhalterin: »Aber, wendetman ein, soll man eine Sklavin nicht mehr züchtigendürfen?« »Das schon«, erwidert der Prediger, »abernicht in einem fort (!) und nicht maßlos, auch nicht,wenn sie bloß in ihrem Dienst einen Fehler macht,sondern nur dann, wenn sie zum Schaden ihrer eige-nen Seele eine Sünde begeht.« Nicht also wenn siegegen Gebote ihrer Herrin, sondern ihrer Kirche sichverfehlt!237

Seine Diktate gingen dem Klerus über alles. Waszählte daneben menschliches Glück, die bloße Exi-stenz. Das Leben eines Sklaven beispielsweise. DieSynode von Elvira ließ eine Frau, die eine Sklavin zu

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Tode geißelte, nach sieben- bzw. fünfjähriger Bußewieder zur Kommunion zu, je nachdem sie »mit Ab-sicht oder aus Zufall ermordet hat«. Zeitlebens dage-gen, auch in der Todesstunde, verweigerte dieselbeSynode die Kommunion: Kupplerinnen; Frauen, dieihre Männer verlassen und wieder geheiratet, Eltern,die ihre Töchter mit heidnischen Priestern verehelicht,ja, sogar Christen, die wiederholt »Unzucht« getrie-ben oder einen Bischof, einen Priester angeklagt hat-ten ohne Beweismöglichkeit. All dies war für die Kir-che weit schlimmer als die Ermordung eines Skla-ven!238

So besteht in christlicher Zeit die Sklaverei nahezuungeschwächt fort. Es gibt sogar noch Sklaven Jag-den auf sozusagen höchster Ebene. Denn wie ihreheidnischen Vorgänger brachten auch die christlichenKaiser des 4. Jahrhunderts germanische Kriegsgefan-gene in Mengen ins Römische Reich, veräußerten siean Privatleute öder siedelten sie als Bauern an, als un-freie natürlich, worauf sie nur mit dem Boden ver-kauft, vererbt, verschenkt werden konnten. Noch imspäteren 4. Jahrhundert betätigten sich römische Offi-ziere an den Grenzen so eifrig als Sklavenhändler,daß darunter die Reichsverteidigung litt239.

Ebenfalls dauern in christlicher Zeit die Sklaven-märkte fort, auf denen man Menschen wie Tiere aus-stellt und feilbietet. Die Kirche erlaubte den Besuch

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des Marktes zum Einkauf von Sklaven ausdrücklich.Selbst Eltern konnten ihre eigenen Kinder verkaufen,was 391 Kaiser Theodosius zwar verbietet, späteraber umständehalber wieder erlaubt ist. Jeder, dernicht selber Sklave war, konnte Sklavenhalter werden.Nur arme Christen besaßen keine Sklaven. In den an-deren Häusern lebten je nach Vermögen und Stellungdrei, zehn, dreißig Sklaven. Sogar in der Kirche er-schienen die reichen Gläubigen umringt von Sklaven.Es gab Christen, die viele Tausende besaßen – nachJohannes Chrysostomos war ein Kontingent von 1000bis 2000 Unfreien auf antiochenischen Domänen ganznormal –, Menschen, die ihren Herren oft wenigergalten als das Vieh, geschlagen, gefoltert, verstüm-melt, in Ketten gelegt, getötet werden durften. Keinstaatliches Gesetz kümmerte sich darum. Die Sklave-rei galt auch den Christen als selbstverständlicher Be-standteil der menschlichen »Ordnung«. Daß mannicht notwendigerweise so denken mußte, beweistGregor von Nyssa, nach dem man keine Sklaven hal-ten sollte – eine freilich singuläre Ansicht240.

Die Strafen waren weiterhin hart. »Sklaven darfman schlagen wie Steine«, heißt ein von Libanios zi-tierter Slogan. 30 bis 50 Geißelstreiche sind damalsnicht selten. Reiche Frauen fesseln ihre Sklavinnen anihr Bett und lassen sie peitschen. Auch konnte manUnfreie in den Privatkarzer stecken, den Mühlstein

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drehen, sie auf der Stirn brandmarken lassen. Zur ZeitAlarichs II. (484–507) sollen, nach der Lex RomanaVisigothorum, alle Sklaven, die sich bei Ermordungihres Herrn in der Nähe befanden, gefoltert und, hät-ten sie irgendwie Hilfe leisten können, hingerichtetwerden. So war es schon Jahrhunderte früher. Ob dasGesetz bei den Westgoten tatsächlich Anwendungfand, ist allerdings nicht erwiesen241.

Die Kirche jedenfalls respektierte voll das Eigen-tumsrecht der Herren und übernahm die Ansprücheder besitzenden Klasse selber um so entschiedener, jereicher sie wurde und je dringender auch sie Sklavenbrauchte. So hat sie eine Änderung der rechtlichenStellung der Sklaven von Jahrhundert zu Jahrhundertverhindert, hat sie die Sklaverei nicht bekämpft, son-dern gefestigt. Stellte man doch selbst auf orthodoxerSeite »gegenüber der vorkonstantinischen Zeit eineVerschlechterung für die Sklaven« fest (Schaub), wasder übereinstimmenden Anschauung der kritischenForschung entspricht. Für die alte Kirche war dieSklaverei eine unentbehrliche, überaus nützliche In-stitution, so selbstverständlich wie der Staat oder dieFamilie. Die Zahl der Sklaven nahm im 5. Jahrhun-dert und während der frühen Merowingerzeit nicht ab,sondern zu, ihr Los wurde nicht besser, sondernschlechter; man hält es für wahrscheinlich, daß es imchristlichen Abendland mehr Sklaven gab als im heid-

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2.844 Deschner Bd. 3, 529Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

nischen Kaiserreich. Selbst die Klöster hatten Skla-ven, sowohl zum Dienst im Kloster wie zur Bedie-nung der Mönche. Und wo immer in diesem christli-chen Abendland die Sklaverei endete, lag es an denallgemeinen politischen und wirtschaftlichen Verhält-nissen, aber niemals an einem Verbot der Kirche.Vielmehr nahm die Sklaverei, wie der renommierteTheologe Ernst Troeltsch betont, »gegen Ende desMittelalters einen Aufschwung, und die Kirche istnicht bloß am Sklavenbesitz beteiligt, sondern ver-hängt auch geradezu Versklavung als Strafe in denverschiedensten Fällen!«242.

Angesichts all dieser und weiterer, Kirche undChristentum schwer belastenden Tatbestände (vgl. S.532. ff) zögert ein vielbändiges katholisches Stan-dardwerk nicht, noch 1979 zu behaupten: »Gleichzei-tig ist jedoch die Kirche so entschieden und umfas-send für die Erleichterung des Sklavenloses eingetre-ten wie keine andere Institution oder gesellschaftlicheGruppe in der Welt«. Wen wundert's, wenn auchPapst Johannes Paul II. im selben Jahr 1979 in La-teinamerika, wo einst unter dem Katholizismus gut 50Millionen Indios und Schwarze verblutet sind, zumTeil in Massakern, wie sie scheußlicher vielleicht nie-mals in der Geschichte der Menschheit geschahen, voraller Welt erklären konnte: die katholische Kirchehabe dort »das erste internationale Recht« entwickelt,

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2.845 Deschner Bd. 3, 529Apologetische Ausreden und Lügen zur Frage ...

»sich für Gerechtigkeit« eingesetzt »und die Rechteder Menschen«, habe »so vieles und Schönes begon-nen« und »die Zeit des Heiles« gebracht? Denn dieseSeite schreckt selbst vor den ungeheuerlichstenSchamlosigkeiten und Geschichtslügen nie zu-rück243.

Viel Schönes und die Zeit des Heiles brachte dieseKirche ja schon in der Antike, wo sie nicht nur dietradierte Sklaverei mit fortgesetzt, sondern auch eineentstehende neue Sklaverei, das Kolonat, übernom-men und nach Kräften gefördert hat und überhaupt diebeherrschende ideologische Macht wurde im erstenchristlichen Zwangsstaat der Geschichte.

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2.846 Deschner Bd. 3, 530Die Ausbildung des Kolonats - eine neue Form ...

Die Ausbildung des Kolonats – eine neue Formder Versklavung

Die im 4. Jahrhundert entstehende neue christlicheGesellschaft unterscheidet sich stark von der offene-ren, sozial differenzierteren, liberal-kapitalistischender Kaiserzeit. Denn diese Gesellschaft, aus der diechristliche hervorgeht, war zwar traditionell gegliedertin Senatoren, Ritter, Plebs, aber gleichwohl mobiler.Sie beschnitt den Übergang von einem Stand zum an-dern nie derart rigoros, wie es zu Beginn der christli-chen Ära üblich wurde. Sie erlaubte eine weit größereFluktuation innerhalb des gesellschaftlichen Gefüges,einen beträchtlichen personellen Austausch zwischenden Berufen und Klassen, Aufstieg durch Geld, Be-sitz, kaiserlichen Dienst, während nun eine viel straf-fer gegliederte Sozietät mit strenger erblicher Berufs-bindung und sehr verhärteten Standesgrenzen ent-steht244.

Das zeigt sich besonders bei der Ausbildung desKolonats, der in einem Jahrhunderte dauernden Pro-zeß die landwirtschaftliche Sklaverei ablöste, als derMasseneinsatz von Sklaven in der agrarischen Groß-wirtschaft gegenüber den Klein- und Mittelbetriebenimmer weniger rentabel, das Kolonat schließlich öko-nomisch produktiver war.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.847 Deschner Bd. 3, 530Die Ausbildung des Kolonats - eine neue Form ...

Das Wort Kolone im weitesten Sinn bedeutet so-viel wie Kleinbauer; im hier vorausgesetzten, von dermodernen Forschung verstandenen Sinn bedeutet esden durch Ertragsabgaben, durch Leistung von Hand-und Spanndiensten allmählich in zunehmende Abhän-gigkeit vom Grundherrn geratenen, schließlich an denBoden gebundenen kleinen Landpächter. Tendenzenzur Bindung der kleinen Bauern an den Boden deute-ten sich, besonders auf den kaiserlichen Gütern, schonseit Vespasian an, freilich noch nicht durch gesetzli-chen Zwang, sondern durch Gewährung von Privilegi-en. Im 3. und 4. Jahrhundert jedoch, als einerseits diesiegreichen Feldzüge und damit auch große Sklaven-importe seltener wurden, andererseits die Wirtschafts-verhältnisse immer mehr den Kolonen erforderten,bildete sich das neue Produktionssystem aus undwurde zur herrschenden Form der Bodenbewirtschaf-tung im spätrömischen und frühbyzantinischenReich245.

Die Kolonen galten zunächst rechtlich als frei, wur-den den Sklaven aber in christlicher Zeit rechtlichimmer mehr angenähert und auch sozial ständig mehrauf den Sklavenstatus herabgedrückt.

Ein Gesetz Konstantins von 332 unterscheidetzwar noch deutlich zwischen Kolone und Sklave,doch hat damals bereits dieser erste christliche Kaiserbefohlen, flüchtige Kolonen (coloni adscripticii) zu

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2.848 Deschner Bd. 3, 531Die Ausbildung des Kolonats - eine neue Form ...

fesseln, ja, schon die Flucht planende in Eisen zulegen, wie eben Sklaven, und sie dann zu ihrer Arbeitzu zwingen, worauf auch Theodosius I. zurückgriff.Auch er nennt die Kolonen noch »Freigeborene« (in-genui), doch auch schon »Sklaven des Landes, für dassie geboren sind« (servi ... terrae ipsius cui nati sunt).Bereits unter Konstantin aber hatte der Kolone dasRecht auf freien Ortswechsel verloren. Er war zwarnicht der Sklave seines Herrn, wenn man so will,doch des Bodens, auf dem er geboren war. Er konntenicht mehr gehen, wohin er wollte, durfte das Land,das er zur Bearbeitung übernommen, nicht mehr ver-lassen, durfte als Flüchtiger mit aller Gewalt zurück-geholt werden. Der Kolone war halbfrei, wurde mitseiner Familie und dem Boden verkauft oder verpach-tet, wurde mancherlei Rechte beraubt und konnte fürdas geringste Vergehen körperlich gestraft werden.Wer immer einen frei geborenen Bettler denunzierte,bekam ihn als Kolone zuerkannt, die Arbeitsfähigkeitvorausgesetzt246.

War der Kolone aber bis zum Ende des 4. Jahrhun-derts noch gegenüber jedermann, auch dem eigenenHerrn, prozeßfähig, so beschränkten die Söhne desTheodosius, die katholischen Kaiser Arkadius undHonorius, dieses Recht im Jahre 396 gesetzlich aufeinen einzigen Anklagepunkt, eine zu hohe Zinsforde-rung. Noch einen Schritt über seine christlichen Vor-

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2.849 Deschner Bd. 3, 532Die Ausbildung des Kolonats - eine neue Form ...

gänger hinaus ging dann der allerchristlichste KaiserJustinian, wie seine berühmte Formulierung zeigt:»Welcher Unterschied ist also noch zwischen Sklavenund beigeschriebenen (adscripticii) Kolonen zu erken-nen, da beide der Gewalt ihres Herrn unterstehen unddieser den Sklaven mit seiner Habe (peculium) frei-lassen, aber auch den Kolonen mit seinem Stück Landaus seinem Herrschaftsbereich ausweisen kann?«Auch dehnt Justinian 530 die Erblichkeit des Kolo-nats auf die Kinder eines Freien und einer Frau ausdem Kolonenstand aus und sucht schließlich auch dieSöhne eines Kolonen und einer Freien bereits an denBoden zu binden247.

Diese ganze Entwicklung lief auf Beraubung derFreizügigkeit hinaus. Die freien Kleinbauern gerietenzunehmend in Schulden, in die Hände von Wuche-rern, Aussaugern, kurz in Abhängigkeit, sie wurdenzu Kolonen, deren Zahl die der freien, noch freienBauern schon im späten 4. Jahrhundert wahrschein-lich vielfach übertroffen hat. Das Schicksal der stetsmehr entrechteten Kolonen aber war härter als das dertatsächlichen Sklaven, ihre Ausbeutung wurde »nochverschärft« (Schulz-Falkenthal), sie waren »oft durchzusätzliche Abgabe und erhöhte Arbeitsleistungen be-drückt« (Held), weshalb sie nicht selten auf ihre»Freilassung« verzichteten. So kamen sie »in einesklavenähnliche Stellung« (Wieling.) Und die Groß-

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2.850 Deschner Bd. 3, 532Die Ausbildung des Kolonats - eine neue Form ...

agrarier kosteten die Kolonen weit weniger als dieSklaven, die sie voll verpflegen und kleiden muß-ten248.

Was tat die Kirche, recht eigentlich das verbinden-de (und bindende) Glied zwischen Grundherrschaftund Kolonat, angesichts des zunehmenden gesell-schaftlichen Erstarrungs- und Versklavungsprozes-ses? Griff sie ein? Suchte sie ihn zu verhindern? ImGegenteil, war dies doch im Sinn ihrer eigenen, stän-dig wachsenden wirtschaftlichen und kirchenpoliti-schen Machtposition, ganz beiseite, daß auch auf Kir-chengütern Kolonen ausdrücklich bezeugt sind. Sohat sie »zur Anerkennung des in der neuen Gesell-schaft allgegenwärtigen Dienstpflichtgedankens ent-scheidend beigetragen und damit die Befestigung derbestehenden Autoritäten und Abhängigkeitsverhält-nisse indirekt erheblich gefördert. Sie war eine Stützefür das System staatlichen Zwanges« (F.G.Maier)249.

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2.851 Deschner Bd. 3, 533Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates –Korruption, Ausbeutung, wachsende Unfreiheit

Gerade mit der Bildung neuer sozialer Schichten wer-den die Stände im Lauf des 4. Jahrhunderts verfestigt,wird die Gesellschaft zunehmend immobilisiert, derGeburtsstatus entscheidend für die Zuordnung zur so-zialen Gruppe, wird die Berufsbindung schließlichbefohlen. Der Sohn eines Verwaltungsbeamten mußtewieder Verwaltungsbeamter, der Sohn eines Metzgerswieder Metzger werden. Auch den Armeebestandsuchte man durch Erblichkeit des Soldatenberufs zusichern. Ja, Kaiser Konstans wollte sogar den Kleri-kerberuf erblich machen, wovon man allerdingsabsah.

Die Rigorosität dieses entstehenden christlichenZwangssystems mag der folgende Erlaß verdeutli-chen: »Wir befehlen, daß unmündige Söhne von Bäk-kern bis zu ihrem 20. Jahr von der Pflicht zum Brot-backen befreit sind. Es müssen jedoch andere Bäckerals Ersatz zu Lasten der gesamten Zunft eingestelltwerden. Nach der Vollendung ihres 20. Lebensjahressind die Bäckerkinder gezwungen, die Dienstpflichtenihrer Väter zu übernehmen. Trotzdem sollen die anihrer Stelle eingetretenen Ersatzleute weiterhin Bäckerbleiben«. Flucht aus solcher ZwangskorporierungKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.852 Deschner Bd. 3, 533Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

wurde mit staatlichen Gegenmaßnahmen geahndet,mit Zwangszurückführung; das Erfüllen ererbterPflichten konnte sogar rechtlich eingeklagt werden.Und wenn die brutale, schon um die Mitte des 4. Jahr-hunderts sich stark verfestigende Berufsbindung auchlegal und illegal durchbrochen worden ist, wenn sieStandeswechsel da und dort ermöglichte, so läßt siedoch mit ihren meist so hermetisch abgeschlossenenKlassengrenzen bereits die Grundlage der starrenStandesgesellschaft des christlichen Mittelaltersahnen250.

Wo aber auf der einen Seite so viel Unfreiheit undElend herrscht, herrscht auf der anderen meist um somehr Ausbeutung und Korruption.

So wächst jetzt der schon enorme Landbesitz derchristlichen Kaiser noch. Unter Konstantin und Kon-stantius II. werden auch Tempelgüter »res privata«des Souveräns, Eigentum der Krone, wenn auch einbeträchtlicher Teil der Erträge daraus dem Fiskus zu-fließt. Valentinian und Valens erweitern die »res pri-vata« durch Beschlagnahme von städtischen Lände-reien und ihrer gesamten Einkünfte, was viele Städtein finanzielle Not bringt. Auch Zeno mehrt das kaiser-liche Eigentum durch neue Konfiskationen. Dagegensucht der bei der Kirche, zumal den Päpsten, sehr un-beliebte Anastasios (II 324 ff), ein Finanzexperte, dieEinkünfte der eigenen Güter weniger dem Kaiserhof

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2.853 Deschner Bd. 3, 534Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

als öffentlichen Zwecken zuzuwenden. Doch der vomKlerus gefeierte Justinian begünstigt wieder stark dasEigentum der Krone, betont seine Verfügungsgewaltüber Fiskus wie Privatvermögen und macht Sizilien,vielleicht auch Dalmatien, zu kaiserlichen Domä-nen251.

Die römische Verwaltung, einst billig und gut,wurde immer teurer und schlechter. Der bedeutendsteGeschichtsschreiber des 4. Jahrhunderts, AmmianusMarcellinus, dessen erklärte Ziele Objektivität undWahrheit sind, schließt aus den Akten der Zeit mitaller Klarheit, Konstantin habe damit begonnen, denhöchsten Beamten den Rachen zu öffnen, Konstantiusaber sie mit dem Mark der Provinzen gemästet252.

Schon Konstantin freilich wirtschaftete unerhörtverschwenderisch darauflos. Allein die pompösenKirchen, mit denen er die neue Hauptstadt, doch auchRom und Palästina schmückte, verschlangen riesigeSummen. Für die Grabeskirche in Jerusalem bei-spielsweise stiftete er kostbare Weihegeschenke inGold, Silber, Edelstein. Auch die Decke wurde aufkaiserlichen Befehl ganz vergoldet. Ebenso die Deckeder Apostelkirche in Konstantinopel, deren Äußeressogar im Goldschmuck strahlte: Reliefarbeiten ausErz und Gold liefen rings um das Dach. In Rom gabes sieben konstantinische Kirchen (vgl. S. 492 f). Undda eine luxuriöse Hofhaltung, eine allgemeine Prunk-

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2.854 Deschner Bd. 3, 535Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

sucht auch sonst dazukamen, von den horrenden Rü-stungsausgaben u.a. zu schweigen (vgl. I 235 ff),nahm nicht nur der Steuerdruck, wovon gleich nochzu sprechen ist, unter ihm zu, sondern verschlechtertesich auch gegen Ende seiner Regierung das Geld253.

Mit Konstantin hatte eine große Emission vonGold begonnen, das er aus mehreren neuen Steuernund, seit 331, durch Konfiskation der Tempelschätzeund des Tempelgoldes gewann. Damit aber wurde dieGoldwährung, statt der Bronze, auch für Käufe vongeringem Wert zur Grundlage der Geschäfte, und eskam zu einem beträchtlichen Goldumlauf.

Der um 309 geschaffene Goldsolidus, »Gold-groschen« (1/72 Pfund; ein Pfund Gold = 72 solidi;ein Pfund Silber = 5 solidi), blieb zwar in Byzanz biszum 11. Jahrhundert unverändert im Gebrauch, wurdeder »Dollar des Mittelalters« genannt und brachteeine ungewöhnliche Beständigkeit in die Spitzenge-hälter. Dem sogenannten kleinen Mann aber kam erkaum vor die Augen, geschweige in die Hand. Er be-nutzte weiter die Inflationsmünze des denarius com-munis oder follis, das entwertete Bronzegeld, das ra-sant an Wert verlor. So war in Ägypten der »Gro-schen« im Jahre 324 etwa 4500 Heller wert, beimTod Konstantins (337) 270000, im Jahr 361 bereits4600000. Die Handarbeiter in Stadt und Land sowiedie Bauern gerieten dadurch »unter der Regierung des

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2.855 Deschner Bd. 3, 535Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

Constantin und seiner Söhne in immer größere Not«,die sozialen Gegensätze wurden »weiter vertieft«(Vogt)254.

Selbst auf katholischer Seite konzediert neuerdingsTheologe Clévenot: »Im 4. Jahrhundert vertieft sichzusehends der Graben zwischen reich und arm«. Inder Regel freilich urteilt man da anders, rühmt manetwa, um einen deutschen Theologen zu zitieren, gera-de sozial gesehen, das »aufsteigende Friedenszeital-ter« und schreibt: »Die neue Zeit war auch in ihremsozialen Empfinden bereits ein gutes Stück vorwärts-geschritten« (Voelkl)255.

Diesen Fortschritt illustriert gleich die Währungs-politik von Konstantins unmittelbaren Nachfolgern.Erklärten doch seine Söhne – »das christliche Be-kenntnis entsprach auch ihrer inneren Überzeugung«(Baus/Ewig) – in einem Münzgesetz das umlaufendeWeißkupfergeld für ungültig, wodurch sie die Volks-masse, die bestenfalls solche sauer verdienten Spar-pfennige besaß und in Zeiten der Gefahr sogar ver-grub, mit einem Schlag um alles brachten. Man führteseinerzeit diesen »großen Diebstahl am Vermögen derganzen Reichsbevölkerung« (Seeck), vor allem aufden sich betont religiös gebärdenden Konstanz zu-rück, den Liebling der katholischen Geistlichkeit, deraußer durch diese Inflation auch durch Ämterscha-cher, Steuererhöhungen, harte Disziplinarmaßnahmen

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2.856 Deschner Bd. 3, 536Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

im Heer sich verhaßt gemacht und bald darauf auchThron und Leben verlor (I 308 ff)256.

Mit der wachsenden Geldentwertung schnellten na-türlich die Preise hoch und die Steuern stiegen; gewißein Prozeß, der weit zurückreicht (S. 420 ff). Doch istim frühen römischen Kaiserreich die Besteuerungnicht sehr drückend gewesen. Es kam da noch nichtzu massenhafter Landflucht oder zu Aufständen. Erstunter dem Sohn Mark Aurels, Commodus(180–192) – der übrigens den Christen gegenüber to-lerant war und mit Hilfe seiner am Hof hochgeehrtenchristlichen Konkubine Marcia ermordet worden ist –,erfolgte in Gallien der erste Aufstand. Dann gab es inden Westprovinzen bis weit ins 5. Jahrhundert hineinimmer mehr Erhebungen (S. 544 f), auch wenn nurwenig Einzelheiten bekannt sind, da die spätrömi-schen Chronisten sie absichtlich übersehen. Immerhinhaben sich seit Konstantins Regierungsantritt, nacheinem kritischen Zeitgenossen, die Steuern in einerGeneration verdoppelt257.

Die dirigistische und fiskalistische Zwangswirt-schaft trieb die Ausbeutung – durch Grundkopfsteuer,Gewerbesteuer, eine Fülle von Abgaben und Dienst-leistungen (munera), besonders für die christlicheArmee, immer höher. Und diese Lasten waren völligungerecht verteilt und vor allem auf die von den Fi-nanzbeamten ausgesogenen Massen, die mittleren und

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2.857 Deschner Bd. 3, 536Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

unteren Klassen abgewälzt.Die Hauptsteuer im spätrömischen Reich ist die

Grundsteuer. Doch gibt es daneben noch zahlreicheandere Steuern, dazu indirekte Steuern auf Umsatzund Zölle; schließlich noch eine Fülle von persönli-chen Diensten und Naturalleistungen, die munera,Lieferungen für Heeresrüstung, Quartier für Truppenund reisende Beamte, Frondienste für öffentliche Bau-ten, Errichtung von Stadtmauern, Festungen, Ausbes-serungen von Straßen usw.

Die christlichen Kaiser trieben die Steuern mit allerHärte ein, mit derselben Unerbittlichkeit wie zuvordie heidnischen Herrscher. Der Katholik ValentinianI. (364–375), der nach Ammian zwar die Vergehender Armen brutal bestraft, den großen Herren aber füralle Frevel einen Freibrief gegeben hat, wollte zah-lungsunfähige Steuerpflichtige sogar hinrichten las-sen. Unter ihm erpreßte ein christlicher Senator ausder Familie der Anicier, aus der später auch Kirchen-lehrer Papst Gregor I. hervorging, ganz Illyrien bisaufs äußerste und nötigte die ausgeraubten Provinzennoch zu feierlichen Dankadressen. Bisweilen schrittendie Behörden sogar gegen Übergriffe ihrer eigenenBeamten ein, gemäß der schlauen Maxime des Tiberi-us: »Man soll seine Herde scheren, aber ihr nicht dasFell abziehen«258.

Zu den munera waren nach dem Gesetz alle ver-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.858 Deschner Bd. 3, 537Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

pflichtet. Tatsächlich jedoch blieben die Reichen, diehohen Beamten, der Reichsadel, die Großagrarier undder Klerus sowie einige andere Klassen verschont.Zwar befiehlt der Codex Theodosianus: »Was immervon jedermann an von Uns angeordneten Dienstlei-stungen als allgemeine Pflicht verlangt ist, soll vonjedermann ohne jede Rücksicht auf Verdienst oderPerson ausgeführt werden«. Dann aber folgen gleichdie Ausnahmen von »dieser allgemeinen Regel«: »Diehöchsten Hofbeamten und die Mitglieder des kaiserli-chen Consistoriums, ebenso die Kirchen ... sollen vonniedrigen Dienstleistungen befreit sein«259.

Gewiß hatte die senatorische Aristokratie, hattendie größten Grundbesitzer noch eine Sondersteuer zuzahlen. Doch kannten gerade diese Kreise genügendWege der Steuerhinterziehung, weshalb Kaiser Julian,»der Abtrünnige« (I 325 ff), auch keine Steuerschul-den erließ, da dadurch »nur die Reichen profitierten«.Zudem war die Sondersteuer der Reichsaristokratiegering und wurde um 450 ganz aufgehoben. Diearmen, durch erbarmungslose Steuereintreiber, unge-rechte Richter sowie Gewalttätigkeiten aller Art schi-kanierten Schichten aber sahen im 5. Jahrhundert, alsmit den Ausgaben für das Militär auch die Abgabe-forderungen und Dienstleistungen ständig stiegen, ge-legentlich im Frieden ein größeres Unglück als imKrieg. Und die Großgrundbesitzer zahlten damals

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2.859 Deschner Bd. 3, 538Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

Steuern überhaupt nur, wann und soweit es ihnenpaßte260.

In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, vielleichtum 360, schrieb ein anonymer Heide »De rebus belli-cis«, eine interessante Studie, die nicht nur militäri-sche, sondern auch ökonomische und verwaltungsmä-ßige Probleme behandelt, und zwar »mindestens zumTeil außerordentlich klug« (Mazzarino). Die Schrift»eines Mannes mit Vorschlägen«, lang im Dom vonSpeyer aufbewahrt, verschwand zwar, war aber vorherabgeschrieben worden. Der unbekannte Heide, dersein Memorandum an einen unbekannten Herrscherrichtete, wahrscheinlich an den Konstantinsohn Kon-stantius II., hofft, der Regent werde ihm seine Kühn-heit, »im Namen der Freiheit der Forschung« (propterphilosophiae libertatem) Reform vorschlage zu unter-breiten, verzeihen. Er erörtert zunächst die Notwen-digkeit der Kürzung öffentlicher Ausgaben. Dannführt er »die Anfänge von Verschwendung und Aus-pressung« auf keinen anderen als Kaiser Konstantinzurück.

In einem eigenen Kapitel über »Die Beamtenkor-ruption« wirft er den Provinzstatthaltern die Ausbeu-tung der Steuerpflichtigen sowie die Beraubung desStaates vor und schreibt: »Diese Männer meinen,indem sie es an der ihrem Alter gebührenden Wert-schätzung fehlen lassen, daß man sie in die Provinzen

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2.860 Deschner Bd. 3, 538Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

geschickt hat, damit sie dort Geschäfte machen. Sierichten um so mehr Schaden an, als somit das Unrechtbei denen seinen Ausgang nimmt, von denen man Ab-hilfe erwarten sollte ... Wann schon haben sie denZeitpunkt der Steuerfestsetzung verstreichen lassen,ohne ihn ausbeuterisch zu nutzen? Welche gerichtli-che Mahnung war ohne Gewinn für sie aus demHause gegangen? Das Anwerben von Rekruten, derKauf von Pferden und Getreide und selbst die Sum-men, die dazu bestimmt waren, der Befestigung derStädte zu dienen, all dies diente ihnen mit schönerRegelmäßigkeit zur Bereicherung und nahm die Formamtlicher Plünderung an. Wenn aber untadelige Män-ner, die ganz durchdrungen wären vom Geist der Un-sterblichkeit, die Provinzen regieren würden, dannwäre kein Raum mehr für Betrug, und der Staat würdedurch diese moralische Bereicherung wieder gekräf-tigt«261.

Abschließend appelliert der kühne Autor an denHerrscher, er möge »die Verworrenheit der Gesetzebeseitigen« und damit die daraus resultierenden »ewi-gen Streitereien«, könne doch eine klare Rechtspre-chung mühelos unterscheiden, »was für jeden rechtund billig ist«. Katholik Clévenot bemerkt zu dieserSchrift: »Im gleichen Moment, in dem die Kaisereinen guten Teil ihrer Zeit damit verbringen, theologi-sche Streitigkeiten zu schlichten, vertraut dieser hell-

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2.861 Deschner Bd. 3, 539Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

sichtige und undogmatische Heide der Vernunft, derPhilosophie und der Wissenschaft. Er will die For-schung anregen. Sensibel für die Verzweiflung derUnterdrückten zögert er nicht, die Unterdrücker zu be-nennen«262.

Dieser ganze christliche Zwangsstaat war in hohemGrade tyrannisch und korrupt. Wie in kirchlichenKreisen gerade im 4. Jahrhundert mit der plötzlichwachsenden Macht des Klerus die Simonie zu gras-sieren begann (S. 497 f), so kam auch unter Konstan-tin und seinen christlichen Söhnen der Handel mitstaatlichen Ämtern in Schwang. Julian, »der Apo-stat«, ging dagegen vor. Doch unter Theodosius I.verkaufte man ganze Provinzstatthalterschaften anden Meistbietenden. Und unter dessen Söhnen undwährend des ganzen 5. Jahrhunderts blieb es so. AmHof des frommen Theodosius II. ist schlechthin allesfeil. Und alles wird drakonisch regiert. »Die Beamtennicht nur der Städte, sondern auch der Landgemein-den und Dörfer sind lauter Tyrannen« (Salvian). Undso hart, bestechlich, korrupt wie die Beamten sindauch die hohen Offiziere, die gern die Truppenver-pflegungen kürzen und für sich verkaufen, wobeiAusnahmen besonders germanische Offiziere wie Ar-bogast, Bauto, Stilicho bilden. Die Geheimpolizeiaber, die in allen Behörden saß – mitunter hielt mansich über 10000 Agenten –, erpreßte alles263.

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2.862 Deschner Bd. 3, 540Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

Die berüchtigsten Beamten waren die Steuerbüttel,die rundherum betrogen, den Staat und die zu Schrö-pfenden. Sie gingen oft schon bei der Veranlagungmit Zwangsmitteln aller Art vor, sie unterschlugen,sie arbeiteten mit gefälschten Rechnungen, ungültigenQuittungen, mit Gefängnis, Folter (etwa um mögli-cherweise versteckte Wertstücke zu erhalten), sogarmit Mord. Und ständig wurde es schlimmerdamit264.

Heidnische und christliche Chronisten des 4. Jahr-hunderts schildern, wie das Volk, auf dem Marktplatzversammelt, zu höheren Steuersätzen genötigt wirddurch Tortur oder Aussagen von Kindern gegen ihreEltern, wie Kinder, um der Steuerauskunft willen, indie Sklaverei oder zur Prostitution verkauft werdenmüssen. So erklärt um die Wende zum 5. Jahrhundertin Ägypten eine Frau, die untertauchte, um den Scher-gen des Statthalters und der Kurie ihrer Stadt zu ent-gehen: »Nachdem mein Mann seit zwei Jahren wegeneiner Steuerschuld von 300 solidi wiederholt ge-peitscht wurde und eingesperrt ist und meine drei lie-ben Kinder verkauft wurden, befinde ich mich auf derFlucht und wandere von Ort zu Ort. Jetzt irre ich inder Wüste umher, oftmals aufgegriffen und fortwäh-rend gepeitscht, und jetzt bin ich schon den drittenTag ohne Nahrung in der Wüste«. Und KirchenvaterSalvian schreibt: »Den Armen wird das letzte wegge-

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nommen, die Witwen seufzen, die Waisen werden mitFüßen getreten. Darum fliehen viele von ihnen, auchsolche von vornehmer Herkunft und freie Leute, zuden Feinden, um nicht den Verfolgungen der öffentli-chen Gewalt zum Opfer zu fallen und durch sie hinge-mordet zu werden. So suchen diese bei den Barbarenrömische Menschlichkeit, weil sie bei den Römern diebarbarische Unmenschlichkeit nicht ertragen kön-nen ... Sie wollen lieber unter dem Scheine derKnechtschaft frei sein, als unter dem Scheine der Frei-heit ein Sklavenleben führen«265.

Um der Korruption der Bürokratie, den Torturenund Strafen der Steuereinziehung zu entrinnen, über-gaben viele, selbst ganze Dörfer, halb freiwillig, halbgezwungen, ihr Besitztum den großen Grundherren,bekamen es von diesen, besser »geschützt« nun, alsPächter wieder, der rusticus, vicanus, agricola abersank dadurch zum Kolonen herab. In Rom häufensich schon im späteren 4. Jahrhundert die Bettler der-art, daß man sie zwangsweise als Kolonen oder Skla-ven auf die Latifundien schickt. Und je reicher dieStädte, desto größer das Elend. In Antiochien notiertseinerzeit Libanios: »Gestern gegen Abend seufzte je-mand laut vor Schmerz, als er die Bettler zählte: diedort stehenden, aber auch die, die das nicht mehrkonnten, die nicht einmal mehr zu sitzen vermochten,die Verstümmelten, die oft schon mehr verwest sind

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als viele Tote. Er sagte, es sei erbarmenswert, in sol-chen Lumpen solche Kälte auszuhalten. Tragen docheinige nur noch einen Schurz, bei andern sind dieSchamgegend, die Schultern, Oberarme und Füßenackt; einige waren sogar zu sehen, die gänzlich un-bekleidet waren ...« Armenhäuser, Almosen sind dakaum Feigenblätter, schäbige (christliche) Ausreden.Viele Arme, die noch kräftig genug sind, betreibenStraßenräuberei. Um ihr zu steuern, erlaubt die Regie-rung in Italien nur noch Hochgestellten Besitz undGebrauch von Pferden, der Bevölkerung wird er ins-gesamt verboten266.

Da die frühere Mittelschicht, der bürgerliche Stand,der Träger der antiken Kultur, durch Steuerdruck undErpressung, Zwangsabgaben und Konfiskation immermehr zerrieben, arm, abhängig wurde und im 5. Jahr-hundert verschwindet, besteht die Gesellschaftschließlich im wesentlichen nur aus zwei extremenGruppen: Auf der einen Seite die potentes oder hone-stiores, die Mächtigen, »Ehrbareren«, besonders dievon Steuerprivilegien begünstigte, immer einflußrei-chere Klasse adliger Großgrundbesitzer mit ihren weitausgedehnten Gütern vor allem in Afrika, Gallienoder Kleinasien. Auf der anderen Seite die humilioresoder tenuiores, die breite Schicht der Niedrigen,Schwachen, Unterdrückten – geschundene, durchSteuerbüttel bedrängte, durch Gutsverwalter geplagte

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und die Priester gebändigte Menschen, die zwischenApathie, Unzufriedenheit, Erschöpfung, etwas Pro-testgerede sogar hin und wieder noch Zeit für Gebetund Kirchgang hatten. Sie lebten in fortgesetzter un-freiwilliger Servilität »in einem reinen System desZwangs, des Befehlens und des Gehorchens« (F.G.Maier)267.

Gerade die Masse der Bevölkerung wurde in der zuEnde gehenden Antike vom christlichen Staat rück-sichtslos ausgesaugt und in stets tiefere Armut ge-stürzt. Im ganzen Römischen Reich, besonders aberim Westen, vermehren sich im 4., 5. Jahrhundert dieLatifundien der Großagrarier auf Kosten der kleinenfreien Bauern. Je weniger freie Bauern, desto ausge-dehntere Besitzungen in ganz verschiedenen Provin-zen des Reiches, stets erhalten und getragen aber voneiner Bevölkerung, deren Masse als Halbfreie aufdem Land lebt. Viele müssen für Darlehen bis zu 50Prozent zahlen, viele müssen oft die Hälfte des Ernte-ertrages an den Staat abgeben, wobei sie selber dieLasten weite Wege in die Staatsspeicher schleppen.Frauen mit Säuglingen krepieren bei solchen Trans-porten elend unterwegs und werden nicht einmal beer-digt268.

Diese ganze feudale Clique hängt vom Bauern ab.Er garantiert ihren Reichtum, ihren Luxus, fast alles.Sie lebt von ihm. Aber sie läßt ihn kaum leben. Er

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wird immer mehr verdrängt, immer bedingungsloser»an die Scholle gebunden«, wird glebae adscriptus,ein Kolone, ein Höriger, ein Sklave des Bodens, ser-vus terrae. Er darf seinen Arbeitsplatz nicht verlassen,er muß damit verkauft werden, seine Nachkommen-schaft an seine Stelle treten. Auch seine Frau darf ernur aus den Kolonen des jeweiligen Gutsbezirks neh-men. Bei Flucht wird er wie ein entlaufener Sklavegesucht und streng bestraft. Hier gilt das paulinische:Jeder bleibe in dem Stand ... Hier dauert die alte Un-freiheit fort und entsteht eine neue.269

Die mutmaßliche Zunahme der Sklaverei resultiertgerade aus der Degradation des Kleinbauern zumSklaven. Überall, von Gallien über Italien, Spanienbis nach Afrika, herrschten offenbar dieselben trostlo-sen sozialen und volkswirtschaftlichen Zustände. Un-fähig zum Steuerzahlen, gerieten die kleinen Grund-besitzer in die Abhängigkeit von den großen, den»patroni«, oft wohl identisch mit den »curiales«, wel-che die kleinen Güter als Pfänder schließlich aufso-gen. Die Familien verarmten gänzlich und wurden mitden Kindern versklavt270.

Seit Konstantin fliehen Bauern in allen Teilen desReichs, in Palästina und Ägypten ebenso wie in Afri-ka und Italien. Überall Steuerkalamitäten, Dienstlei-stungen, Schikanen. Sogar die Staatspost, die oft un-mäßige Ansprüche macht, nicht zuletzt von den ewig

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herumreisenden Bischöfen benutzt wird, nimmt denBauern nicht selten die Ochsen vom Pflug weg, sodaß deshalb etwa unter Kaiser Konstantius in Illyrienungezählte Höfe veröden. Und da die Großagrarier im4. Jahrhundert von dem ruinösen Steuerrecht profitie-ren – das sich dann in der »Immunität« des Mittelal-ters fortsetzt –, können sie die verschuldeten Klein-bauern völlig unterjochen. Diese werden die Opferdes barbarischen Systems, sie verlieren ihr Land, be-bauen es aber, ohne jede Sicherung, weiter. Sie sind»Widerrufliche«, die man, so ein Gesetz des Jahres365, noch nach zwanzigjähriger Pacht fortjagen darf.»Die Verelendung der Landbevölkerung nimmt indieser Epoche noch zu« (Reallexikon für Antike undChristentum)271.

Die landbesitzende Aristokratie aber wird immerreicher. Ihre Truhen stehen voller Gold. Ihre Domä-nen, fruchtbar und groß, in Afrika, Sizilien, Italien, inGallien (wo freilich auch, weil es an Personal fehlt,weite Gegenden gänzlich brachliegen), wachsen nochständig und sind, wie ursprünglich nur die kaiserli-chen, frei von vielen Lasten und Pflichten. Ja, wäh-rend der Staat mehr und mehr verarmt, entwickelnsich diese Landgüter mit oft Tausenden von Sklaven,Kolonen, hörigen Bauern, deren Abgaben sie kassie-ren, zu einer »neuen Wirtschafts- und Verwaltungs-einheit« (Imbert/Legohérel), zu autarken Domänen.

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2.868 Deschner Bd. 3, 543Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

Alles begibt sich immer mehr unter den »Schutz« derGroßen, verkauft sich mit Haut und Haaren, ganzeDörfer und Marktflecken im Umkreis der Güter wer-den geschluckt, die Städte aufgezehrt, jede Notlagewird ekelhaft ausgenützt, wo man nicht willig ist, hilftGewalt nach: Luft macht schon eigen, wie im Mittel-alter.

So entstehen private Herrschaftszentren mit allenmöglichen Arbeitern nicht nur, mit Küfern, Zimmer-leuten, Ziegelbrennern, mit einer Mühle, einemMarkt, sondern auch mit eigener Gerichtsbarkeit, ei-genen Gefängnissen, Kirchen, Priestern, sogar – inAfrika, Spanien – mit eigenen Bischöfen, katholi-schen und donatistischen. Der Landsitz wird nundurch einen Graben, einen Turm geschützt, das Land-gut (villa) wird zum Dorf (village). Der Herr hält sicheine kleine schlagende Truppe aus seinem Gesinde,stellt sich gut mit Räubern, es entsteht allmählich diemittelalterliche Burg, der mittelalterliche Landjunkerund Ritter272.

Im 5. Jahrhundert, zur Zeit Salvians (er lebte, radi-kal-sozial denkend als Priester bis gegen 480 beiMarseille, als einziger Autor der Zeit übrigens den de-finitiven Zusammenbruch des Weströmischen Reicheserkennend), fliehen viele Römer, auch vornehmer Ab-kunft, in der Hoffnung auf mehr Menschlichkeit zuden »Barbaren«. Und Salvian schildert auch, die Mi-

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2.869 Deschner Bd. 3, 544Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

sere vielleicht übersteigernd, im wesentlichen aberrichtig, die entsetzliche Lage jener noch freien Armen,deren »einziger Wunsch« es ist, »bei den Barbarenleben zu dürfen« und nie wieder unter römischerHerrschaft. Da sie ihr bißchen Hab und Gut, ihre Hüt-ten und Felder, freilich nicht mitnehmen können, blei-ben sie und »ergeben sich wie Gefangene in denSchutz der Mächtigen«, die fast ihr ganzes Vermögeneinstecken. Und da man weiter Kopfsteuer wieGrundsteuer von ihnen fordert, geben sie ihren Aus-beutern aus Verzweiflung ihr Gut ganz. Sie gehen alsKolonen auf die Ländereien der Großen und verlierenmit ihrer Habe auch ihre Freiheit, verwandeln die Rei-chen doch ihre »Kolonen und Schützlinge aus Halb-freien und Freien in Sklaven«273.

Auch in den germanischen Ländern aber waren im4., 5. Jahrhundert die reichen Großgrundbesitzer stetsreicher und die Massen der »kleinen Leute« immerzahlreicher geworden. Auch bei Langobarden, Fran-ken, Goten, Burgundern wirtschafteten die Grundher-ren wie ihre römischen Vorgänger mit abhängigenzinspflichtigen Kolonen. Auch in den germanischenKönigreichen bringt das Christentum natürlich kei-nerlei gesellschaftliche Veränderung, keine Umwäl-zung. Wie vordem gibt es Herren und Knechte, Freieund Unfreie. Wie im Römischen Reich gibt es schol-lengebundene Bauern, die nominell frei sind, tatsäch-

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2.870 Deschner Bd. 3, 544Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

lich jedoch keine Freiheit haben, weder die der Be-rufswahl noch der Eheschließung, vielmehr vererbt,verschenkt, vertauscht, verkauft werden können274.

So kommt es auch hier, wie in vielen Teilen desRömischen Reiches, zumal in den Grenzgebieten, zuAufständen; in Afrika zur Erhebung der religiös-revo-lutionären Bauernbewegung der Circumcellionen (I474 ff); in Noricum ripense, Pannonien, Thrakien zurSkamarenbewegung; in Gallien und Spanien zur Er-hebung der Bagauden, reinen Notwehrakten sowohlgegen die neuen Herren, die germanischen Invasoren,wie gegen die alten. Zumeist bäuerliche Gruppenhaben hier in der ersten Hälfte des 5. Jahrhundertswiederholt rebelliert, haben besonders in den Jahren408 bis 411 und 435 bis 437 zu den Waffen gegriffenund sich von ihren Unterdrückern befreit, wobei fastalle (im weitesten Sinn) Versklavten zu den Bagaudenstanden. Überall, wo sie die Oberhand gewannen,wurden die römischen Gesetze und Rechte liquidiert,wurden die grundherrschaftlichen Organisationsfor-men entscheidend geschwächt, die bäuerlichen Nut-zungsrechte am Boden erweitert. Die Grundherren,heißt es in einem Gedicht des Rutilius Namatianus,seien Sklaven ihrer Knechte geworden. Die katholi-sche Kirche aber stand bei diesen Aufständen der Ent-rechteten entschieden auf der Seite der Ausbeuter, derSklavenhalter, sie stützte, schützte sie und predigte

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2.871 Deschner Bd. 3, 545Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

den Sklaven, den Kolonen Demut und Gehorsam. Erstnach einer Reihe schwerer Schlachten gelang es denRömern, die Bewegung 451 in Gallien niederzuschla-gen, und die spanischen Bagauden vernichtete 454 einwestgotisches Heer. Hat man doch schon in der Anti-ke fast alles vernichtet, was man nicht ausbeuten oderbekehren konnte, ob es nun, wie wir sahen, das ariani-sche Christentum betraf oder jüdische Synagogen, obdie Donatisten, die Samariter, ob die Wandalen undGoten. Oder das Heidentum275.

Wir haben bereits in Band I auch die blutrünstigeBekämpfung des Heidentums im Alten Testamentverfolgt (I 73 ff), dann die antipaganen Attacken derChristen im Neuen Testament, in vorkonstantinischerZeit, die primitive Diffamierung des Kosmos, der Re-ligion, Kultur, die Verleumdung der altgläubigen Kai-ser, ihre Schilderung mit allen kirchenväterlichenDreckfarben als Monstra ohnegleichen (I 183 ff).Ebenfalls betrachteten wir bereits die Fortsetzung derliterarischen Polemik, Beschimpfung der ersten dreiJahrhunderte durch den seit Konstantin beginnendenUnterdrückungstrend, durch das Konfiszieren undRuinieren von Statuen, den Abbruch vereinzelterTempel (I 278 ff) – nachdem freilich vordem als er-ster schon der hl. Gregor der Erleuchter, der ApostelArmeniens, dort die Tempel mit Hilfe von Truppenvernichtet hatte (I 290)276.

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2.872 Deschner Bd. 3, 545Die Entstehung des christlichen Zwangsstaates

In Band II klang auch die faktische Zerstörung desHeidentums zwar immer wieder an (19 f, 43 f, 47 f,207 ff, 334 f, 389 ff u.a.), wurde aber nie ausführli-cher und im Zusammenhang gezeigt, was die Bedeu-tung dieses tragischen Vorgangs unerläßlich macht,zumal ihn die christliche, besonders die klerikale Ge-schichtsschreibung eher mehr als weniger ignoriert.Der totalitäre Anspruch dieser Religion, die immerunverhüllter, zynischer zum Ausdruck kommendeMachtgier ihrer weltlichen wie geistlichen Herren lie-ßen freilich kaum etwas anderes als Vernichtung er-warten.

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2.873 Deschner Bd. 3, 5476. Kapitel

6. Kapitel

Vernichtung

»Nur der Milde verdankt die Kirche, die derHerr in seinem Blute gestiftet hat, ihre Ausbrei-tung. Sie ahmt dem himmlischen Wohltäternach ...«

Der hl. Ambrosius1

»Die Kirche hat immer betont, daß sie die reli-giösen Werte der heidnischen Welt achtet«.

Der katholische Theologe Jean Daniélou2

»So wurden überall zu Wasser und zu Lande dieTempel der Dämonen zerstört.«

Kirchenvater Theodoret3

»Die völlige Rechtlosigkeit des Heidentums,bezw. seiner Tempel wird hier in eigentümlicherWeise offenbar. Wo die Christen in hinreichendstarker Anzahl waren, haben sie schwerlich erstdie kaiserliche Erlaubnis zur Tempelzerstörungeingeholt; wo sie einer starken Übermacht ge-genüberstanden, gab es Mittel und Wege, diestaatliche Gewalt zu diesem Zweck in Bewe-gung zu setzen.«

Victor Schultze4

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2.874 Deschner Bd. 3, 5476. Kapitel

»Von Mesopotamien bis nach Nordafrika über-schwemmte eine Welle religiös motivierter Ge-walt Stadt und Land«.

Peter Brown5

»Die Bischöfe leiteten den Kampf, die Scharender schwarzen Mönche führten ihn in vordersterLinie«.

H. Lietzmann6

»... plündern christliche Mönche unter Führungvon Schenute oder Macarius von Thu die heid-nischen Tempel, setzen sie in Brand, zerschla-gen die Idole und machen sich manchmal sogardie Gelegenheit zunutze, um das Tempelperso-nal niederzumetzeln.«

Jacques Lacarrière7

»Das Bündnis von Säbel und Weihwasserwedelbringt immer (!) Intoleranz und Verfolgung An-dersdenkender hervor.«

Der katholische Theologe Michel Clévenot8

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2.875 Deschner Bd. 3, 549Christliche Büchervernichtung in der Antike

Christliche Büchervernichtung in der Antike

»Die apokryphen Schriften aber, die unter demNamen der Apostel eine Pflanzstätte mannigfa-cher Verkehrtheit enthalten, sollen nicht nurverboten, sondern überhaupt eingezogen undmit Feuer verbrannt werden«.

Kirchenlehrer Papst Leo I., »der Große«9

»Niemand soll es (sc. dieses Buch) abschreiben;doch nicht nur das – wir halten vielmehr auchdafür, daß es verdient, dem Feuer übergeben zuwerden«.

Konzil von Nizäa (787)10

»Vom 4. Jahrhundert an bis in die Neuzeitbrannten Scheiterhaufen, die aus Schriften derHäretiker bestanden ... Die Regierung Konstan-tins bildete den Anfang dieser Entwicklung.«»Für Johannes Chrysostomos ist die heidn. Lite-ratur schon fast vergessen u. untergegangen; nurnoch vereinzelt seien solche Schriften bei denChristen zu finden.« »Erst im MA weiß man zuberichten, daß im christl. Altertum aus Prüderieheidnische Bücher vollständig beseitigt wur-den.«

Wolfang Speyer11

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2.876 Deschner Bd. 3, 550Vorchristliche Büchervernichtungen

Vorchristliche Büchervernichtungen

Bücher wurden schon in vorchristlicher Zeit mit Arg-wohn betrachtet, verboten, vernichtet. Man zog sieaus dem Verkehr, indem man sie (in noch magisch-re-ligiös geprägten Epochen) verbarg, indem man Ton-oder Steintafeln in Stücke schlug, Papyrusrollen undPergamentkodizes verbrannte, Schriften in Flüssewarf, ins Meer12.

Griechen, mehr noch Römer, haben Bücher besei-tigt, zerstört, Schriften von Dichtern, Astrologen,Zauberern, mitunter ganze Bibliotheken, Tora-Rollenund Steuerakten, Orakel und Geheimkult-Rituale,Rhetoren und Philosophen wurden vertrieben, einge-kerkert, politisch engagierte Schriftsteller, Ge-schichtsschreiber verfolgt. Der Seleukidenkönig An-tiochos IV. Epiphanes ließ bei seiner Bekämpfung derJuden (I 105 ff) jeden töten, den man mit einem Ex-emplar ihres heiligen Buches ertappte. Man hat dengriechischen Historiker Hermogenes aus Tarsos unterDomitian liquidiert, die Abschreiber seines Werkesans Kreuz geschlagen – und sie waren nicht die einzi-gen schreibenden Opfer dieses eher literaturfreundli-chen, doch fast krankhaft mißtrauischen Herrschers.Unter Hadrian wickelten die Römer in Bether alleKnaben, die das Gesetz abschrieben, in ihre Rollen

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2.877 Deschner Bd. 3, 551Vorchristliche Büchervernichtungen

ein und verbrannten sie darin13.Einige Kaiser gingen auch gegen die Christen

durch Büchervernichtung vor, allerdings erst spät. Eskam dabei sogar zu Martyrien, da manche Christen,besonders in Numidien, sich weigerten, ihr Heiligstes,Bibeln, liturgische Texte und ähnliches, preiszugeben.Sehr viele freilich zögerten nicht, als traditores codi-cum ihren Glauben zu verraten und ihre Haut zu ret-ten, darunter anscheinend, wie die Donatisten behaup-teten, die katholischen Bischöfe Felix von Abthungi(I 274), Mensurius von Karthago, dessen ArchidiakonCäcilian (ebd.) sowie sicher der römische OberhirteMarcellinus, offenbar samt seinen drei Presbytern undNachfolgern, den Päpsten Marcellus I., Miltiades undSilvester I. (I 275; II 106 f); aber auch, als Diakon,der donatistische Bischof Silvanus14.

Bücher wurden nicht nur mit Absicht vernichtet,sie verschwanden auch durch Kriege, Naturkatastro-phen, durch Wandlungen des Zeitgeistes, wie etwa(mutmaßlich) nach Ablösung der attischen Schriftdurch das ionische Alphabet (403/402 v. Chr.). Oderinfolge der Zurückdrängung der griechischen durchdie lateinische Sprache im Westen während des 2.Jahrhunderts. Oder einfach dadurch, daß man sie, wievor allem viele pagane Publikationen in christlicherZeit, im 4., 5. Jahrhundert nicht mehr abgeschriebenhat, was freilich schon mit bewußter Verdrängung zu-

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2.878 Deschner Bd. 3, 551Vorchristliche Büchervernichtungen

sammenhängt15.Die heidnischen Kaiser hatten allerdings nur selten

eine Strafe auch auf Leser und Hersteller eines verur-teilten Buches ausgedehnt, wie es dann unter christli-cher Herrschaft üblich wurde. Überdies verhängtensie nur weltliche Strafen. Die Kirche dagegen begnüg-te sich nicht mit der Zerstörung oppositionellerSchriften. Sie ging dagegen auch mit Exkommunikati-on und Verfluchung des Verfassers vor, mitunterebenso gegen Leser und Produzenten. Auch habensich offenbar nicht nur Staat und Kirche an der Ver-nichtung unerwünschter religiöser Literatur beteiligt,sondern auch die Gläubigen. Jedenfalls dauerte dieVerbrennung »häretischer« Schriften bis ins 18. Jahr-hundert hinein16.

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2.879 Deschner Bd. 3, 552Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

Solang die Kirche machtlos war, begnügte sie sichdrei Jahrhunderte hindurch mit einer sozusagen geisti-gen Auseinandersetzung und Verfluchung ihrer Geg-ner, was von früh, vom Neuen Testament an, in hef-tigster Weise geschah (I 2., 3., 4. Kap.). Seit ihrerAnerkennung und Förderung durch Konstantin aberging sie auch mit Hilfe des Staates gegen alles vor,was sich ihr widersetzte, suchte sie zunächst dieBösen, Uneinsichtigen zu treffen, indem sie deren lite-rarischen Waffenbestand vernichtete, meist durchFeuer, wobei man sich natürlich als maßgeblicherHüter der »Tradition« aufspielte. Gewiß mag vieleseinfach im Lauf der Zeit verlorengegangen sein. Dochwir kennen systematische Bücherverbrennungenschon damals. Und zweifellos hat man sehr viel ver-nichtet, ohne daß uns dies ausdrücklich überliefert ist.Zum Beispiel waren die Briefe des Origenes ur-sprünglich in vier verschiedenen Sammlungen enthal-ten, in der einen allein mehr als hundert Briefe – ins-gesamt erhalten blieben zwei. So führt vom 4. Jahr-hundert an »eine gerade Linie zur Inquisition des Mit-telalters und zum Ketzergericht mit öffentlicher Ver-brennung der häretischen Schriften im Namen deschristlichen Kaisers oder Königs« (Speyer). Doch

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2.880 Deschner Bd. 3, 552Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

verfolgte man gewöhnlich nur gegen den Glaubenverstoßende, noch nicht anscheinend, wie im Mittelal-ter, »obszöne« Literatur17.

Die Methode der Büchervernichtung wurde im an-tiken Christentum von allen gegen alle praktiziert.Häretiker trieben zur Beseitigung großkirchlicherSchriften, und noch mehr sorgte die Großkirche fürdie Büchervernichtung ihrer Gegner, besonders derverschiedenen »häretischen« Richtungen. Die Bücher-vernichtungsgesetze des Staates betrafen gewöhnlichnamentlich angeführte »Ketzer«. Dagegen waren Ver-fügungen der Kirche mitunter generell gehalten: »Thebooks of the heretics and their book cases (receptac-les) search out in every place, and wherever you can,eihter bring (them) to us or burn (them) in the fire«.Und schon im 7. Jahrhundert dokumentierte man dieZerstörung »ketzerischer« Literatur. Wolfgang Speyernennt unter den Kirchenschriftstellern, deren Werkegelegentlich auf Betreiben großkirchlicher Kreise zen-suriert, beschlagnahmt oder vernichtet wurden, unteranderen: Tatian, Origenes samt seinen Schülern, denPresbyter Lukian von Antiochien, Diodor von Tarsos,Theodor von Mopsuestia, Theodoret von Kyrhos, Ter-tullian, Novatian und Rufinus18.

Schon um 320 hat Bischof Macedonius von Mop-suestia die Bücher des Paulinus von Adana, einesZauberers und nachmaligen christlichen Bischofs, den

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2.881 Deschner Bd. 3, 553Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

man wegen Sittenlosigkeit wieder ausstieß, ins Feuergeworfen. Bald darauf ließ Konstantin in Nizäa (325)alle Klageschriften der Konzilsväter verbrennen, umihre Streitereien aus der Welt zu schaffen – vergebli-che Liebesmüh. Sie selbst zerfetzten auf der berühm-ten Versammlung das ihnen vorgelegte arianischeGlaubensbekenntnis. Wenige Jahre danach, 333, be-fahl der Kaiser die Verbrennung der Schriften desArius. Auch hat er bereits, kann man Euseb vertrauen,die Fahndung nach markionitischer Literatur gesetz-lich verfügt. Jedenfalls wurde das Werk Markions,des meistbekämpften »Ketzers« im 2. Jahrhundertund eines der edelsten Christen, von der späteren Kir-che so vollständig vernichtet, daß es bis heute keineeinzige überlieferte Zeile gibt, die sich mit Sicherheitauf ihn selbst zurückführen läßt. Er stellt quellenmä-ßig »geradezu einen blinden Fleck« dar (Beyschlag).Und gleichfalls restlos vernichtet wurde das Schrift-tum seiner Schüler19.

Theodosius I. zerriß die Glaubensbekenntnissearianischer, makedonischer und anderer Bischöfe.Papst Johannes IV. (640–642) verurteilte eine inKonstantinopel angeschlagene Schrift gegen das Kon-zil von Chalkedon (449) und wirkte auf den Kaiserein, sie zerreißen zu lassen. Im ausgehenden 4. Jahr-hundert befahl der Eunuch Eutropius (II 15 f) in Ost-rom die Vernichtung der Bücher des Eunomios, des

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2.882 Deschner Bd. 3, 554Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

Bischofs von Kyzikos und führenden Jungarianers. Erwurde vertrieben und in Verbannung geschickt. DerBesitz seiner Schriften war seit 398 durch kaiserli-chen Erlaß bei Todesstrafe verboten. Nur zwei vonihnen sind noch vollständig erhalten20.

Ebenso bedrohte 398 der »Ketzer« und Heiden ja-gende Arkadius (II 19 ff) den Besitz montanistischerSchriften mit dem Tod. Im 4V5. Jahrhundert wurdenzahlreiche Werke des Origenes in Ägypten vernichtet.Theodoret von Kyrhos ließ im frühen 5. Jahrhundertin seinem Bistum über zweihundert Exemplare vonTatians Diatessaron (S. 76) konfiszieren und vermut-lich zerstören21.

Die »Väter« des Konzils von Ephesus (431) er-suchten die Kaiser Theodosius II. und Valentinian,die Werke des Nestorios, wo immer man sie auffinde,ins Feuer werfen zu lassen. Und nach seiner Abset-zung befahlen im Herbst 435 zwei kaiserliche Dekre-te, seine Güter zugunsten der Kirche einzuziehen, alleseine Schriften zu vertilgen und seinen Anhängernden Schimpfnamen »Simonianer« (nach dem »Ket-zer« Simon Magus) zu geben22.

Verschiedene katholische Bischöfe, wie Rabulasvon Edessa, ein wendiger Opportunist, der nach demKonzil von Ephesus 431 rasch zu den Siegern über-wechselte, oder Akakios von Melitene, drängten aufVerbrennung der Opera des Theodor von Mopsuestia,

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2.883 Deschner Bd. 3, 554Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

einst wahrscheinlich der Lehrer des Nestorios. Bi-schof Rabulas verflucht alle, die Theodors Büchernicht auslieferten23.

Im Jahr 448 dekretierte Theodosius II., alle gegendie Konzilien von Nizäa und Ephesus sowie gegenKyrill von Alexandrien gerichteten Schriften durchFeuer zu vernichten. Zuwiderhandelnde solltenschwerste Strafen treffen. In mehreren Edikten wurdeauch die Verbrennung nestorianischer Bücher befoh-len. Ja, selbst die Verbrennung der Werke des Kir-chenvaters Theodoret von Kyrhos ordnete der frommeKaiser an. Wer sie oder die des Nestorios verbarg,den traf Verlust seines Vermögens und immerwähren-des Exil. Im Kampf vor allem gegen Monophysitenund Eutychianer (II 282 ff, bes. 287) verfügten 455die katholischen Kaiser Valentinian III. und Marciangesetzlich die Verbrennung aller antichalkedonischenLiteratur und verhängten für deren Aufbewahrungoder Verbreitung immerwährende Verbannung. Aller-dings annullierten sie bereits 452 die Bestimmung be-züglich Theodorets24.

Schon etwas früher ließ auch Kirchenlehrer PapstLeo I., der seit 443 geradezu inquisitorisch die Ver-folgung der Manichäer anheizt (II 263 ff), nicht nursie selber wie Tiere hetzen, sondern auch ihre Schrif-ten einfordern und öffentlich verbrennen. Desgleichenbefahl der »große« Papst, die besonders von den Pris-

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2.884 Deschner Bd. 3, 555Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

zillianisten, dieser »abscheulichen Sekte«, geschätz-ten apokryphen Traktate zu verfeuern. Gegen Endedes Jahrhunderts jagte auch Gelasius I., gar wortreichdie »Bosheit«, »Versuchung«, »Pestilenz« aller Ab-weichler bekämpfend (II 332 ff), die Manichäer, ver-trieb sie aus Rom und verbrannte ihre Bücher vor demEingang der Basilika S. Maria Maggiore. Ebenso lie-ßen seine Nachfolger, Papst Symmachus, unter demin Rom der Bürgerkrieg tobte, auch ein erneutes Ma-nichäerpogrom ausbrach und das Fälscherhandwerkblühte wie kaum je (II 337 ff), und Papst Hormisdas,der vor allem den Religionskrieg im Osten schürte (II349 ff, 356 ff), das Manichäer-Schrifttum vor der La-teranbasilika ins Feuer werfen25.

Als man um 490 in Berytos eine Magie zelebrie-rende Studentenverbindung aushob, die je ein Arme-nier, Thessaloniker, Syrer und Ägypter leiteten, wobeiman allerdings den schwarzen Sklaven des Ägyptersum Mitternacht im Zirkus opfern wollte, hat manzahlreiche »Zauberbücher« sichergestellt und ver-brannt; sogar Leontios, Professor an der Rechtsschulevon Berytos, von Kaiser Justinian in seinem Einfüh-rungsgesetz zu den Digesten rühmend erwähnt, wardamals angeklagt. Dann aber verfügte auch Justiniandie Verbrennung dieses Schrifttums und drohte beiWidersetzlichkeit entsprechende Strafe an. Und alsdie katholischen Bischöfe des Orients über Papst

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2.885 Deschner Bd. 3, 556Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

Agapet I. auf den Kaiser einzuwirken suchten, umauch die Verbrennung der Werke des Patriarchen Se-veros von Antiochien (II 346 ff) zu erreichen, befahlJustinian auch dies. Zudem sollte jeder, der sie –selbst nur als Schreibübung – abschrieb, die Handverlieren. Und im ausgehenden 6. Jahrhundert ließ derkatholische König der Westgoten alles arianischeSchrifttum (»omnes libros Arrianos«) bei Toledo ver-brennen26.

Derart ruinös konnten die »Häretiker« mit dergroßkirchlichen Literatur nur selten verfahren, davonkonnten sie oft bloß träumen. Dies zeigt beispielswei-se die Legende von der Verbrennung der Werke PapstGregors I. Oder die gefälschte monophysitische»Weissagung« des Pisentios von Qift., wonach ein rö-mischer König sämtliche Schriften des Konzils vonChalkedon verbrennen werde. Und jeder, der auch nuretwas davon aufbewahren, herstellen, lesen, glaubenund sich weigern sollte, dies zu verbrennen, sollteselbst verbrannt werden – der christliche Wunsch-traum einer verfolgten Minderheit. Die Arianer aberhaben gelegentlich Bücher vernichtet, katholische unddie anderer »Ketzer«. So hat der wandalische KönigHunerich (II 409 ff) nicht nur, gelegentlich nach greu-lichen Folterungen, Katholiken selber töten, wildenTieren vorwerfen, lebendig verbrennen lassen, son-dern auch ihre Bücher verbrannt27.

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2.886 Deschner Bd. 3, 556Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

Schon durch den Einfluß des Paulus, seine miraku-lösen und exorzistischen Kunststücke, haben vieleGoëten, Zauberer, in Ephesus ihre Bücher im Wertvon angeblich »fünfzigtausend Silbergroschen« selbstverbrannt, eine fast unglaublich hohe Summe unddarum vielleicht auch ein unglaublicher Vorgang. Im-merhin. »So wuchs das Wort durch die Kraft desHerrn und ward mächtig«, renommiert die Bibel28.

So wuchs das Wort des Herrn jedenfalls, als derStaat christlich geworden war, wobei man bei der Be-kämpfung von Zauberbüchern und astrologischenSchriften an die heidnische Gesetzgebung anknüpfenkonnte. Nicht lange nach 320, als Bischof Macedo-nius von Mopsuestia die Bücher des Zauberers undexkommunizierten Bischofs Paulinus ins Feuer wer-fen ließ (S. 552 f), wollte KirchengeschichtsschreiberEuseb alle paganen Schriften mythologischen Inhaltsvernichtet sehen.

Auch die 15 Bücher »Gegen die Christen« des Por-phyrios, des scharfsinnigsten Christengegners in vor-konstantinischer Zeit (I 210 ff), befahl Konstantin zuverbrennen – »das erste staatliche Bücherverbot imInteresse der Kirche« (Harnack). Und seine Nachfol-ger Theodosius II. und Valentinian III. verdammtenPorphyrios' Streitschrift 448 abermals zum Scheiter-haufen, nachdem Bischof Euseb von Caesarea immer-hin mindestens 25, Kirchenlehrer Kyrill 30 Bücher

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2.887 Deschner Bd. 3, 557Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

dagegen geschrieben hatten (I 334 f)29.Eine riesige Bücherverbrennung erfolgte – zusam-

men mit vielen Hinrichtungen – unter dem arianischenKaiser Valens im späteren 4. Jahrhundert (I 348 f).Fast zwei Jahre lang wütete der christliche Regent»wie ein wildes Tier«, ließ foltern, strangulieren, le-bendig verbrennen, köpfen. Bei ungezählten Durchsu-chungen hat man Bücher aufgespürt und vernichtet,besonders aus dem Bereich der artes liberales und desRechts. Ganze Bibliotheken flogen im Osten – wo inSyrien auch Bischöfe die »Schwarze Kunst« getrie-ben – als »Zauberbücher« ins Feuer oder wurden vonden Besitzern aus panischer Angst selber beseitigt30.

Auch bei den Tempelstürmen zerstörten die Chri-sten, besonders häufig im Osten, nicht nur Götterbil-der, sondern auch die Rituale und Orakelbücher. Derkatholische Kaiser Jovian (363–364) ließ in Antiochi-en die von seinem Vorgänger, dem Heiden Julian ein-gerichtete Tempelbibliothek niederbrennen. Auchbeim Sturm auf das Serapeion im Jahr 391, wobei derberüchtigte Patriarch Theophilus (II 136 ff) die vondem großen athenischen Künstler Bryaxis geschaffeneKolossalstatue des Sarapis eigenhändig mit einemBeil zertrümmerte, ging die Bibliothek in Flammenauf. Seit die zuletzt 700000 Rollen zählende Biblio-thek des Museions im alexandrinischen Krieg Caesars(48/47 v. Chr.) das Opfer einer Feuersbrunst gewor-

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den war, hatte der Ruhm Alexandriens, die größtenund besten Bücherschätze zu besitzen, nur durch dieBibliothek des Serapeions fortgedauert, auch wenndie angebliche Absicht des Antonius, Kleopatra dieBibliothek Pergamons mit 200000 Rollen als Ersatzfür die verbrannte Museion-Bibliothek zu schenken,anscheinend nicht verwirklicht worden ist. Doch sol-che Bibliotheksniederbrennungen bei Tempelstürmenwaren häufig, besonders im Osten; so etwa, gleich-falls unter Patriarch Theophilus, bei der Vernichtungeines ägyptischen Heiligtums in Kanopus oder der desMarneions in Gaza 40231.

Im beginnenden 5. Jahrhundert ließ Stilicho imWesten, zur großen Erregung der altgläubigen Aristo-kratie Roms, das Schrifttum der heidnischen Sibylleverbrennen, der unsterblichen Mutter der Welt, wieRutilius Namatianus klagte, ein vornehmer, hoheStaatsämter am weströmischen Hof bekleidender Gal-lier, dem die Christensekte schlimmer als das Gift derCirce erschien. Im späten 5. Jahrhundert verbrannteman in Beirut die dort gefundenen libelli – ein »Greu-el in den Augen Gottes« (Zacharias Rhetor) – vor derKirche der hl. Maria. Kirchenschriftsteller Zacharias,der damals in Beirut die Rechte studierte, war an die-ser vom Bischof sowie von der staatlichen Behördeunterstützten Aktion selber führend beteiligt. Und562 verfügte auch Kaiser Justinian, der heidnische

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2.889 Deschner Bd. 3, 558Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

Philosophen, Rhetoren, Juristen und Ärzte verfolgenließ, die Verbrennung paganer Bilder und Bücher,und zwar im Kynegion in Konstantinopel, wo man dieVerbrecher liquidierte. (553 verbot der Herrscher denTalmud.)32

Bereits an der Schwelle zum Mittelalter hat an-scheinend Papst Gregor I., »der Große«, ein fanati-scher Heidenfeind, astrologische Bücher in Rom ver-brannt. Und dieser Berühmte, als einziger Papstneben Leo I. mit dem Titel eines Kirchenlehrers ge-zeichnet, ein erklärter Verächter antiker Bildung, derer die ständige Verherrlichung der »Heiligen Schrift«gegenüberstellt, soll auch die fehlenden Bücher desLivius zerstört haben. Ist es doch gar nicht unwahr-scheinlich, daß er die kaiserliche Bibliothek auf demPalatin ruinieren ließ. Jedenfalls behauptet der engli-sche Scholastiker Johannes von Salisbury, Bischofvon Chartres, Papst Gregor habe in römischen Biblio-theken Handschriften klassischer Autoren absichtlichvernichtet33.

Anscheinend häufig verbrannten Heiden, die zumChristentum übertraten, zur Demonstration ihres Ge-sinnungswandels, ihre Bücher öffentlich, vor allerAugen, astrologische Arbeiten, Schriften der mathe-matici, Schriften mit Anrufungen der heidnischenGötter, mit Dämonennamen, Zauberbücher etc. Aucheinige hagiographische Berichte, seien sie nun echt

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2.890 Deschner Bd. 3, 558Zerstörung christlicher Literatur durch Christen

oder gefälscht, weisen die Büchervernichtung sozusa-gen als Symbol, als Topos der Bekehrungsgeschichteauf.34.

Nicht immer schritt man zum Scheiterhaufen.Schon in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts gabOrigenes, hierin Papst Gregor sehr verwandt, »unbe-denklich den Unterricht in der Grammatik als wertlosund der heiligen Wissenschaft widersprechend aufund verkaufte in weiser Berechnung, um nicht vonfremden Händen unterstützt werden zu müssen, alleWerke alter Schriftsteller, mit welchen er sich früherbeschäftigt hatte« (Euseb)35.

Von den wissenschaftlichen Angriffen des Heiden-tums gegen das Christentum ist fast nichts mehr vor-handen; dafür haben Kirche und Kaiser gesorgt.Sogar viele Gegenschriften der Christen sind ver-schwunden, da sie vermutlich noch zuviel des heidni-schen Giftes enthielten36.

Verschwunden ist seinerzeit aber auch das Heiden-tum selbst im Römischen Reich.

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2.891 Deschner Bd. 3, 559Die Vernichtung des Heidentums

Die Vernichtung des Heidentums

Der letzte heidnische Kaiser der Antike, der große Ju-lian (I 325 ff), hatte zwar die Heiden systematisch be-günstigt, gleichzeitig aber die Christen ausdrücklichgeduldet: »Es ist, bei den Göttern, mein Wille, daßdie Galiläer weder getötet noch zu Unrecht geschla-gen werden noch sonst eine Unbill erleiden; jedoch er-kläre ich, daß die Verehrer der Götter durchaus denVorrang vor ihnen haben müssen. Denn wegen derTorheit der Galiläer wäre um ein Haar alles umge-stürzt worden, durch die Huld der Götter aber sindwir alle gerettet. Daher soll man den Göttern und densie verehrenden Menschen und Gemeinden Ehre er-weisen«37.

Erschüttert beklagt der antiochenische Redner Li-banios nach dem Tod Julians, dem er sich glaubens-mäßig und freundschaftlich verbunden fühlt, den Siegdes Christentums und dessen barbarische Attackenwider die alte Religion. »Weh, großes Leid hat nichtnur das Land der Achäer, sondern das ganze Reich er-faßt, wo römisches Recht gebietet ... Dahin sind dieEhren, die den Guten zuteil wurden; die Gesellschaftder Bösen und Zügellosen genießt hohes Ansehen.Gesetze, die Unterdrücker des Übels, sind entwederaufgehoben oder haben die Aufhebung in Bälde zu

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2.892 Deschner Bd. 3, 560Die Vernichtung des Heidentums

gewärtigen; die verbliebenen aber werden praktischnicht befolgt.« Und erbittert, verstört wendet er sichan seine gedemütigten Gesinnungsgenossen: »DerGlaube, der bislang verlacht wurde und gegen eucheinen so heftigen, unermüdlichen Krieg führte, hatsich als der stärkere erwiesen. Er hat das heilige Feuerausgelöscht, die Freude der Opfer gebremst, hat sie(die Gegner) wild ausschlagen und die Altäre umstür-zen lassen, hat Heiligtümer und Tempel geschlossen,vernichtet oder als gottlos erklärt und in Bordelle ver-wandelt, hat jede Beschäftigung mit eurem Glaubenaufgehoben und den Sarg eines Toten in euern Land-anteil gestellt ...«38

Die christlichen Kaiser waren bei diesem Sturm aufdas Heidentum teilweise und zeitweise weniger ag-gressiv als die christliche Kirche.

Unter Julians erstem Nachfolger Jovian (363–364)wurde das Heidentum, abgesehen von einigen Tem-pelschließungen und -schleifungen, anscheinend nichtstark benachteiligt. Auch Jovians Nachfolger Valenti-nian I. und Valens, während deren Regierung derName pagani (I 184) für die Altgläubigen aufkommt,verhielten sich gegenüber diesen verhältnismäßig to-lerant. Zumal der Katholik Valentinian, dessenHauptinteresse der Armee und der Kriegführung galt,brauchte inneren Frieden, weshalb er religiöse Kon-flikte zu vermeiden suchte. Er besetzte die höchsten

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2.893 Deschner Bd. 3, 560Die Vernichtung des Heidentums

Regierungsstellen noch fast paritätisch, mit leichtemÜbergewicht sogar der Göttergläubigen, wobei dieReligionszugehörigkeit seiner leitenden Funktionäregewöhnlich den jeweiligen Bevölkerungsmehrheitenentsprach. Unter Valens dagegen, einem Arianer ho-möischen Glaubens, waren die hohen christlichen Be-amten gegenüber den heidnischen wieder in der Mehr-heit. Doch bekämpfte er die Katholiken sogar mitHilfe der Heiden, freilich aus purem Opportunis-mus39.

Obwohl Kaiser Gratian, in Fortsetzung der eher li-beralen Religionspolitik seines Vaters Valentinian I.,fast allen Glaubensrichtungen im Römischen Reichdurch ein Edikt 378 Duldsamkeit versprochen, prakti-zierte er, stark beeinflußt von dem Mailänder BischofAmbrosius, bald das Gegenteil (I 400 ff). Unter Gra-tians Bruder Valentinian II. gab es zwar einen gewis-sen Umschwung, wurde das Verhältnis zwischenhohen heidnischen und christlichen Funktionären wie-der ausgeglichen, spielten am Kaiserhof die götter-gläubigen Heermeister Bauto und Arbogast sogar diepolitisch entscheidende Rolle. Und auch in Rom fun-gierten die hochangesehenen Heiden Praetextatus undSymmachus als Prätorianer- und Stadtpräfekt40.

Aber allmählich gerät auch Valentinian II., ganzwie einst Bruder Gratian, unter den verheerenden Ein-fluß des Mailänder Residenzbischofs (I 443 ff), ähn-

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2.894 Deschner Bd. 3, 561Die Vernichtung des Heidentums

lich auch Kaiser Theodosius I. (I 453 ff). Lebte dochAmbrosius gemäß seinem Wort: »denn ›die Götterder Heiden sind nur Dämonen‹, wie die Hl. Schriftsagt. Jeder, der also Soldat dieses wahren Gottes ist,hat nicht Beweise der Toleranz (!) und des Entgegen-kommens (!), sondern des Eifers für den Glauben unddie Religion zu erbringen«. Und so regiert selbst dermächtige Theodosius in seinen letzten Jahren, zumin-dest religionspolitisch gesehen, ganz gemäß denWünschen des Ambrosius. Erst werden anfangs 391die heidnischen Riten endgültig verboten, dann Tem-pel und Heiligtümer des Sarapis in Alexandrien ge-schlossen, schließlich zerstört, 393 die OlympischenSpiele abgeschafft. Die Kinderkaiser des 5. Jahrhun-derts bekommt die Kirche völlig in die Hand. Undsomit geht auch vom Staat eine stets intensivere Be-kämpfung des Heidentums aus, die, von der Kircheschon im 4. Jahrhundert vehement geschürt, immermehr zur systematischen Vernichtung des alten Glau-bens führt41.

Die bekanntesten Bischöfe beteiligen sich an dieserVernichtung, die besonders nach dem großen Konzilvon Konstantinopel (381) einsetzt, wobei die Haupt-kampfgebiete zwischen Heiden und Christen Romund der Orient sind, vor allem Ägypten42.

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2.895 Deschner Bd. 3, 562Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos ruiniert ...

Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos ruiniertTempel

Johannes Chrysostomos, der Patriarch Konstantino-pels, hatte trotz seiner scharfen, ihn schließlich selbstvernichtenden Auseinandersetzungen mit seinem Bru-der in Christus, Theophilus, dem Patriarchen vonAlexandrien (II 136 ff), und trotz seines fanatischen,eines Julius Streicher würdigen Kampfes gegen dieJuden (I 133 ff) noch immer genug Zeit für allerleiAttacken, verbale und faktische, auf die Heiden. Ja, erhatte, so bestätigt selbst (mit Imprimatur 1970) dasüber tausendseitige Sammelwerk »Reformer der Kir-che«, »ständig das Ziel vor Augen, die heidnischenSitten auszurotten«43.

Die Heiden sind für Chrysostomos vor allem Sit-tenstrolche. Sie »treiben Unzucht und Ehebruch«. EinHeide ist »ein befleckter Mensch, der ärger als die imKot sich wälzenden Schweine mit allen Weiberkör-pern sich besudelt«. Doch nicht genug: die Heidenwaren auch scharf auf »Absonderlichkeiten und Wi-dernatürlichkeiten«. Sie »entbrannten« zu der »unna-türlichen Liebe«. Und die ist ein »unglückseligerKrieg«, ein Krieg, der sogar mehr gegen das Naturge-setz verstößt »als jeder andere Krieg«! »Knaben-schänder«, behauptet der hl. Bischof, »sind schlimmerKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.896 Deschner Bd. 3, 562Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos ruiniert ...

als Menschenmörder; denn es ist besser zu sterben,als so geschändet zu leben ... Nein, nein, es gibtnichts, was schlimmer wäre ...«! Sie müßten »mitSteinen beworfen werden«. Und doch hielt, höhntChrysostomos, »das hochweise Volk der Athener undsein großer Solon diesen Brauch nicht für eineSchändlichkeit, sondern für vornehm, zu gut für denStand der Sklaven und nur für Freie passend. Auchviele andere Bücher von Weltweisen kann man fin-den, die angesteckt sind von dieser Krankheit«44.

Es ist klar, wie ein solcher Geist über heidnischePhilosophie denkt – Lehren aufgeblasener Leute, diein »törichte Vernünfteleien« versinken, sich »der Fin-sternis ihrer Vernunft« anvertrauen, deren Weisheitnur »Torheit« ist, »prahlerischer Schein«, »Verir-rung«, »nicht mehr wert«, faucht er, »als das Wahn-gerede von alten betrunkenen Weibern«. HeidnischePhilosophen dienen dem Bauch und sind feig, bietenmehr Fabeln als Wissenschaft. Nicht bewundern soll-te man sie, sondern »verabscheuen und hassen, weilsie eben zu Toren geworden«45.

All dies stammt nach dem Patron der Prediger vomTeufel. Es wurde »von den Dämonen gelehrt«, sei»den unvernünftigen Tieren« nahe. Im Gefolge derKirchenväter schon des 2. und 3. Jahrhunderts (I 192ff) bekämpft Chrysostomos jede Heiligung von Tie-ren. Oft kommt er darauf. »Manche von diesen Weis-

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2.897 Deschner Bd. 3, 563Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos ruiniert ...

heitslehrern haben sogar Stiere, Skorpione, Drachenund allerhand anderes Gewürm in den Himmel ver-setzt. Allenthalben gab sich der Teufel Mühe, dieMenschen bis herab zu den Bildern von Kriechtierenzu bringen.« Der Kirchenlehrer mokiert sich über»das alte Ägypten« (zu dem die moderne Welt pil-gert!), »das gegen Gott gestritten und gewütet, dasKatzen verehrte, das vor Zwiebeln sich fürchtete underschrak«. Kurz, der Patriarch kennt »nichts Lächerli-cheres als eine solche Lebensweisheit«, wobei »dieQuelle des Übels«, mit Paulus immer wieder betont,in der »Gottlosigkeit« liege, »in den Glaubenslehrender Heiden«, die zugrunde gehen »leichter als wennman Spinngewebe zerstört«46.

Der große Kirchenfürst half dabei etwas nach. Erhat den berühmten Kult der Artemis in Ephesus end-gültig ruiniert, wenn die hochverehrte ephesinischeStadtgöttin, die von Zeus mit ewiger Jungfrauschaftbegnadete »Gebetserhörerin«, »Retterin«, die man imMai, ihrem Monat, besonders verehrte, später auchmit Maria verschmolz. Doch geht noch die gewaltsa-me Zerstörung vieler anderer phönizischer Göttertem-pel auf Johannes Chrysostomos zurück, der einmaldie Ausrottung des Heidentums als besondere Aufga-be dem Priester Konstantinos ans Herz legt, vor allemaber mit gedungenen Mönchshaufen operiert. »Als ervernahm«, berichtet Theodoret, »daß Phönizien noch

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2.898 Deschner Bd. 3, 563Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos ruiniert ...

immer für die Mysterien der Dämonen schwärme,sammelte er von göttlichem Eifer glühende Aszeten,rüstete sie mit kaiserlichen Gesetzen aus und sandtesie gegen die Götzentempel ... Auf solche Weise ließer die bisher noch verschonten Tempel der Dämonenvon Grund aus zerstören«47.

So mancher Bischof unterstützte ihn dabei.

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2.899 Deschner Bd. 3, 564Der hl. Porphyrios predigt das Evangelium

Der hl. Porphyrios predigt das Evangelium »inaller Sanftmuth und Geduld ...«

Der Oberhirte von Gaza, Porphyrios, hatte ein Jahr-zehnt lang erst in der Sketischen Wüste in Ägypten,dann in Palästina ein entsagungsreiches Büßerlebengeführt, bis die Christen Gazas um einen Hirtenbaten, »der fähig sei, in Werk und Wort den Götzen-dienern entgegenzutreten«, wie Markus Diakonus, derBiograph des Porphyrios, schreibt. Da wurde Porphy-rios 395 Bischof von Gaza48.

Die Stadt war damals noch immer – mit Duldungdes katholischen Kaisers – eine Hochburg des Hei-dentums, denn die heidnischen Bürger des reichenGaza zahlten hohe Steuern. So fand Porphyrios dortbei seinem Amtsantritt acht Tempel vor, darunter denberühmten, vielleicht von Hadrian erbauten des Mar-nas (»des Herren«) mit einem vielbefragten Orakel;»der Gegensatz zwischen Christus und Marnas be-herrscht das ganze Dasein der Stadt« (Geffcken). Esgab häufig Raufereien zwischen Heiden und dem Bi-schofsanhang – bei nur 280 Christen. Doch anno 395konnte der Prälat, eben noch rechtzeitig, bevor es reg-nete, Gott um Regen bitten, und 78 Männer, 35 Frau-en, 9 Knaben und 5 Mädchen bekehrten sich. Stießenaber auch 35 Nachzügler im Lauf des Jahres nochKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.900 Deschner Bd. 3, 564Der hl. Porphyrios predigt das Evangelium

dazu, Gaza hatte auch jetzt nicht einmal fünfhundertChristen und bis 398 anscheinend auch keine weitereBekehrung, kein Regenwunder, nichts dergleichen.Doch in jenem Jahr gelang es dem hl. Porphyrios,über den Kaiser Arkadios sieben der acht Heidentem-pel durch einen gewissen Hilarius, einen subadiuvades magister officiorum, schließen zu lassen undüberdies eine prominente Dame im Kindbett zu ret-ten – Mutter samt Säugling sowie 64 weitere Seelenbekehrten sich zur alleinseligmachenden Religion.Aber viel war auch das nicht bei all dem Aufwand.Und die Schließung des Marneions, Hauptheiligtumdes Marnas (»Unser Herr«), verhinderte die Beste-chung des Hilarius. Selbst als der Heilige am Kaiser-hof für das Reich Gottes in Gaza wirkte, bei seinerRückkehr eine Statue der Aphrodite umfiel, zerbrachund weitere 32 Männer sowie 7 Frauen zum wahrenGlauben konvertierten (freilich auch die reichen Hei-den, Übles ahnend, Gaza bereits zu verlassen began-nen), war die Bekehrungsrate betrüblich49.

So reist der hl. Porphyrios (dessen ungeheureSanftmut der katholische KirchengeschichtsschreiberDonin betont) im Frühjahr 401 in Begleitung seinesMetropoliten, des Erzbischofs von Caesarea, nachKonstantinopel. Dort wenden sich die geistlichenHerren an keinen Geringeren als den hl. Chrysosto-mos und legen ihm die Vernichtung der »Götzentem-

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2.901 Deschner Bd. 3, 565Der hl. Porphyrios predigt das Evangelium

pel« Gazas nahe. Das hört der Patriarch natürlich mit»Freude und Innigkeit«. In seiner Predigt zwar lehrteer Liebe und Milde: »Du magst Wunder wirken,magst Tote erwecken, magst tun, was du willst: niewerden die Heiden dich so bewundern, als wenn siesehen, daß du sanft und mild und freundlich im Um-gang bist ... Nichts gewinnt ja die Herzen so sehr alsdie Liebe«. (Dieselben Töne kennen wir ja bis zumÜberdruß von ungezählten anderen Heiligen, etwavon Augustinus, der freilich auch Rache predigt, Ver-folgung, Folter, je nach Bedarf: I 479 ff.) In der Pra-xis aber gewinnt der hl. Chrysostomos im Verein mitdem hl. Porphyrios – über den frommen KammerherrnAmyntas – nun auch die streng katholische KaiserinEudoxia für das Vernichtungswerk, eine Frau, diemaßgeblichen Einfluß auf die Innen- und damit Reli-gionspolitik hat, und ebenfalls gewinnt er ihr Gold.Doch obwohl man dies gleich im Palast verteilt, las-sen fiskalische Bedenken, Gazas hohe Steuern undhäufige Spenden an den Fiskus, den Kaiser die Ent-scheidung verzögern. Dann aber legt man die schrift-liche Bitte zur Zerstörung der Tempel dem eben gebo-renen Prinzen bei seiner Taufe in den kleinen unschul-digen Schoß, und nun konnte der hl. Porphyrios nichtweniger als acht Götzenbauwerke in und außerhalbder Stadt dem Erdboden gleichmachen.

Es geschah dies mit Hilfe von Militär und den an-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.902 Deschner Bd. 3, 566Der hl. Porphyrios predigt das Evangelium

sässigen Christen. In zehn Tagen wurden sieben Tem-pel niedergerissen, die Idole vernichtet, die Tempel-schätze konfisziert. Nur noch das Marneion, von denPriestern besonders geschützt, trotzte. Doch kam manihm mit Feuer bei und errichtete an seiner Stelle eineKirche, die Eudoxiana – wieder mit dem Gold derKaiserin, die auch dem Erzbischof Johannes von Cae-sarea tausend Goldstücke und anderes gespendet, au-ßerdem jedem Mitglied der bischöflichen Delegationhundert Goldstücke als Reisespesen. Doch ließ der hl.Porphyrios auch viele Götzenbilder in Privathäusernzertrümmern und gleichzeitig eine Razzia auf »Zau-berbücher« veranstalten, die man ins Feuer warf. Ja,der fromme Bischof zögerte nicht, auch mit den Tem-peln der Umgebung aufzuräumen, vermutlich sogarohne kaiserliche Vollmacht. Katholik Bardenhewersieht hier durch die »Vita Porphyrii« des Markus Dia-konus »packende Bilder aus der letzten Phase desKampfes zwischen Christentum und Heidentum« ent-rollt. Und wir können nur ergänzen: »Nichts gewinntja die Herzen so sehr als die Liebe«50.

Das »Lexikon für Theologie und Kirche« rühmtnoch im 20. Jahrhundert den »Feuereifer« des hl. Por-phyrios für die »Ausbreitung des Christentums ... Ererwirkte, 2mal (401 sogar persönlich) in Konstantino-pel vorstellig, die Entsendung von kaiserl. Truppennach Gaza, die dort sämtliche Tempel der Heiden zer-

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2.903 Deschner Bd. 3, 566Der hl. Porphyrios predigt das Evangelium

störten«. Auch den Kampf des Porphyrios gegen denManichäismus nennt das katholische Lexikon »wir-kungsvoll«. Und gelegentlich wirkte der fromme Bi-schof, wäre er doch anders kein Heiliger, wieder malein Mirakelchen, wie an jener Manichäerin, die erdurch ein Kreuzzeichen tötete – und predigte weiter»das Evangelium in aller Sanftmut und Geduld ...«(Donin)51.

Wie Porphyrios, wie Kirchenlehrer Chrysostomos,so erwarb auch dessen rabiater Kollege und Gegen-spieler, der ebenso gebildete wie grundsatz- und skru-pellose alexandrinische Patriarch Theophilus (II 136ff), Meriten im Kampf gegen die Heiden.

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2.904 Deschner Bd. 3, 567Wie Theophilus mit Tempeln und ...

Wie Patriarch Theophilus von Alexandrien mitTempeln und Kunstschätzen umgeht und mit

den religiösen Gefühlen der Altgläubigen

Im Jahr 391 ließ der Kirchenfürst, offenbar mit mili-tärischer Unterstützung, den mächtigen, durch Ale-xander den Großen erbauten Serapistempel ausraubenund bis auf den Grund ruinieren, den Tempel desStadtgenius zu einer Kneipe machen. Andere paganeKultstätten wandelte er, wie einen Tempel des Diony-sos, in Kirchen um.

Die Anhänger der alten Religion verteidigten dasSerapeion mit bewaffneter Hand. Der neuplatonischeHistoriker Eunapios von Sardes ironisiert den »heroi-schen Kampf« der christlichen Soldateska: »Im Sera-peion nahmen sie nur den Boden nicht mit wegen desGewichtes der Steine ... Sie warfen alles durcheinan-der, die tapferen Helden, und streckten ihre Händeaus, nicht nach Blut, aber nach Geld. Sie berichtenstolz, die Götter besiegt zu haben, und rechneten sichTempelraub und Gottlosigkeit als ihr persönlichesLob an.« Bitter schließt Eunapios, an der heiligenStätte hätten sich nun Mönche angesiedelt, denn »einetyrannische Macht besaß damals jeder Mensch, derein schwarzes Kleid trug, auch wenn er sich in allerÖffentlichkeit ungebührlich benehmen wollte: zu sol-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.905 Deschner Bd. 3, 567Wie Theophilus mit Tempeln und ...

cher Tugend hatte sich das Menschengeschlecht ent-wickelt«52.

Das Serapeion war ein ungemein reicher, pracht-voller, an Grandiosität nur mit dem römischen Kapi-tol vergleichbarer Tempel, aus dem auch die nicht un-beträchtliche Bibliothek spurlos verschwand. So kames nach dem christlichen Gewaltakt zu wilden Stra-ßenkämpfen, wobei selbst Rhetoren, besonders Philo-sophen, die Waffen schwangen, der Lexikograph undZeuspriester Helladius, später Professor in Konstanti-nopel, neun Christen mit eigener Hand niederschlug.Dies jedenfalls berichtet sein Hörer Kirchenge-schichtsschreiber Sokrates. Da mehr Christen als Hei-den getötet, auch Ungezählte auf beiden Seiten ver-wundet wurden, befahl der Kaiser alle Tempel derStadt zu zerstören. Auch ein Mithräum wurde auf sei-nen Befehl »gesäubert«. Aber: »Die Hauptverantwor-tung für die Ausschreitungen trägt Theophil, nicht derKaiser« (Tinnefeld).

Selbst die berühmte, von dem großen athenischenBildhauer Bryaxis geschaffene und seit siebenhundertJahren bestaunte Kolossalstatue des Serapis, derenNähe als todbringend galt, zerschlug der Ortsbischofeigenhändig mit einem Beil, wobei aus dem morschenHolz des Kerns Mäuse hervorkamen. »Der Gott derÄgypter war eine Wohnstätte für Mäuse«, höhntTheodoret. Und der hl. Hieronymus spottet: »Der

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2.906 Deschner Bd. 3, 568Wie Theophilus mit Tempeln und ...

ägyptische Serapis ist Christ geworden«. In Anwesen-heit der heidnischen Priester wurde die erschlaffteGottheit (senex veternosus) Stück für Stück ver-brannt, der Kopf aber, wie das Haupt eines besiegtenFeindes, durch die Stadt getragen. Und Theophilusbefreite nicht nur die Welt vom »Wahn des Götzen-dienstes«, sondern enthüllte auch »den Betrogenen dieKunstgriffe der sie betrügenden Priester« (Theodoret).Machten sie doch die Idole hohl, fügten sie fest aneine Mauer an, gelangten durch unbemerkbare Gängein das Innere der Statuen und konnten dann, in diesenverborgen, Orakel geben oder befehlen, was immersie wollten. (Von den Kunstgriffen der betrügendenKleriker, der wunderbaren Mechanik katholischerHeiligenbilder, kann das fromme Mittelalter ein Liedsingen. Und noch die Neuzeit.) Götterstatuen undsonstige Tempelkostbarkeiten aber wurden nun einge-schmolzen und die Edelmetalle vom Kaiser der ale-xandrinischen Kirche geschenkt. Natürlich riß Theo-philus sein Triumph fort. Auch in der benachbartenreichen Handelsstadt Kanopos (vgl. S. 320 f) ließ erdie angesehenen heidnischen Heiligtümer dem Erdbo-den gleichmachen. Und mit den alexandrinischenTempeln fielen die von ganz Ägypten den Christenzum Opfer, wobei sich besonders die Mönche hervor-taten53.

Die schon unter Konstantin begonnene ProfanationKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.907 Deschner Bd. 3, 568Wie Theophilus mit Tempeln und ...

der heidnischen Kultgeräte wird fortgesetzt und ge-steigert.

So läßt Bischof Theophilus bei seiner Einschmel-zung der Götterstatuen ausgerechnet das Bild einesAffen erhalten und öffentlich aufstellen, um zu zeigen,was die Heiden angebetet hatten. Als er freilich ineiner Spottprozession auch Obszönes oder vielmehrdas, was er dafür hielt, Statuetten, die Phalloi derGötterbilder herumtragen läßt, kommt es zu blutigenUnruhen. An Verhöhnung der Heiligtümer andererließen es Christen, besonders Bischöfe und Heilige, janie fehlen. Bei der Vernichtung versteckter Idole ausMenuthis durch Theophil brüllte der katholischePöbel: »die Statuen brauchen den Turnlehrer, denn siehaben keine Gelenke«. Anderwärts beraubte mandiese Bilder ihres Gold- und Silbermantels »untergroßem Hohngelächter«, so Jakob von Sarug (gest.521), der Bischof von Batnai bei Edessa, der alskennzeichnendes Merkmal schon der urchristlichenMission unter Petrus, Paulus, Thomas, also von Rombis Indien, die Vernichtung der Götterbilder sieht54.

In Wirklichkeit aber hatten sich gegenüber dem 2.Jahrhundert die Zeiten in Alexandrien doch sehr geän-dert, wo, so ein zeitgenössischer Autor, »die Religio-nen ebenso zahlreich« waren »wie die Geschäfte« unddie Leute, die mit der Mode gingen, auch die Götterwechselten »wie andernorts den Arzt«. Damals schie-

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2.908 Deschner Bd. 3, 569Wie Theophilus mit Tempeln und ...

nen sich die Christen noch gut angepaßt zu haben,schien ihr alleinseligmachender Dünkel noch nicht soabsolut. Zumindest kam es dem – gegenüber Religio-nen bemerkenswert aufgeschlossenen – Kaiser Hadri-an so vor, der um 130 Alexandrien besuchte und einguter Ägyptenkenner war. »Man kann hier erleben«,schreibt er seinem Schwager Servianus, »daß Bischö-fe, die sich Christen nennen, einen Serapiskult zele-brieren. Kein samaritischer, jüdischer oder christli-cher Priester, der nicht auch ein Mathematiker, Haru-spex oder aliptes wäre. Der Patriarch selbst betet,wenn er nach Ägypten kommt, zu Christus und Sera-pis, um es jedermann recht zu machen ...«55

Daß es bei der Vernichtung des Heidentums – wiebei der Bekämpfung der »Ketzer« – viel weniger umden Glauben ging als um die Macht, ließ HeidenjägerTheophilus selber erkennen. Konnte er doch derartweitherzig sein, daß er den schon eigenhändig vonihm getrauten Synesios von Kyrene, einen intellektu-ellen Lebemann, Haudegen und neuplatonischen My-stiker, alles in einem (vgl. S. 495), im Jahr 410 auchnoch zum Bischof von Ptolemais (Kyrenaika) weihte,trotz seines offen eingestandenen (und dann treulichbewahrten) Heidentums!56

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2.909 Deschner Bd. 3, 570Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegendie Altgläubigen

Viele Priester haben sich bei der Ausrottung des Hei-dentums um die alleinseligmachende, dem Heidentumdoch in so vielem so ähnliche Religion hochverdientgemacht. Nach prominenten Kirchenvätern von Eusebbis Augustinus handelt es sich zwar bei den christli-chen Heidenattacken so gut wie ausnahmslos um einstaatlich legalisiertes Vorgehen. Oft aber ist das Ge-genteil der Fall. Und wohl oft auch haben klerikaleKreise solche behördliche Befehle zu Vernichtungs-aktionen initiiert, was sich in einigen Fällen auchnoch nachweisen läßt57.

Patriarch Georgios von Alexandrien beispielswei-se, der auch ein von Konstantius ihm geschenktes Mi-thräum »entsühnte«, erwirkte sich von demselbenKaiser die Erlaubnis, in Alexandrien Götterstatuenund Weihegaben plündern zu dürfen. Auch ein gewis-ser Parthenius, ein Priestersprößling, der schon acht-zehnjährig so erfolgreich Wunder zu wirken begann,daß er sein Leben als Fischer aufgeben, Mitarbeiterseines Heimatbischofs, schließlich selber Bischof vonLampsacus werden konnte, erbat in der beginnendenzweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts einen besonderenkaiserlichen Befehl zur Beseitigung der Tempel. Par-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.910 Deschner Bd. 3, 570Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

thenius, bereits zur Zeit Konstantins I. fanatisch umAusrottung des Heidentums bemüht, wurde Heiligerder griechischen Kirche58.

Auch der Diakon Kyrill ruinierte schon unter Kon-stantin in Heliopolis am Libanon »viele Götzenbil-der« (Theodoret). Unter Konstantinsohn Konstantius,durch den die Heidenverfolgung bereits bemerkens-wert scharf zu werden begann, brillierte in Arethusader Bischof Markos durch Tempelzerstörungen, inKyzikos der Bischof Eleusios. Ähnliches geschah inDaphne, wo Christen auch das Apollobild verbrann-ten und dann wunderbare Erklärungen wie Blitzschlagoder Funkenflug erfanden. Im kappadokischen Caesa-rea zertrümmerten Christen den Jupiter- und Apollo-tempel sowie das Heiligtum der Tyche. Unter Julian,als schon, wie Libanios klagt, Tempel, Altäre, Götter-bilder am Boden lagen und die Priester vertriebenwaren, brachen die Christen Makedonios, Theodalosund Tatian nachts in den Tempel von Meros (Phrygi-en) ein und demolierten die dort gerade erst wieder-hergerichteten und neu aufgestellten Statuen. Alleeben genannten Barbarismen aber waren »eigenmäch-tige Gewaltmaßnahmen seitens der Kirche« (Noeth-lichs)59.

Der hl. Bischof Markellos von Apameia (am Oron-tes) wollte »nicht länger die Tyranney des Teufels«dulden (Theodoret). Er wollte und mußte sozusagen

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2.911 Deschner Bd. 3, 571Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

den Zeustempel, ein sehr großes und reiches Bau-werk, ruinieren, wobei ihn der kaiserliche Präfekt mitzweitausend Mann Militär beschützte. Der Prälat un-terbrach deshalb sogar seine Siesta, bearbeitete denbesonders massiven Tempel mit allerlei Heiligem, mitdem Kreuzzeichen, mit Weihwasser, welches das an-gelegte Feuer denn auch wie Öl genährt haben soll.So brachte er die (vorsorglich untergrabenen) Säulenzum Einsturz und noch einen bösen Geist zum Auf-bruch. »Das Getöse erfüllte die ganze Stadt, denn eswar groß, und lockte alle zu dem Schauspiel herbei.Als sie vollends von der Flucht des feindlichen Dä-mons erfuhren, erhoben sie ihre Stimme zum Preisedes Gottes aller Dinge. In dieser Weise zerstörte jenerheilige Bischof auch die übrigen Götzentempel. Ichwüßte über diesen Mann noch viele andere sehr stau-nenswerte Dinge zu erzählen; so schrieb er zum Bei-spiel Briefe an die siegreichen Märtyrer und erhieltauch schriftliche Antworten von ihnen« (vgl. S. 141)»und zuletzt erlangte er selbst die Krone der Märtyrer;ich will es aber unterlassen, dieses jetzt des weiterenzu berichten ...« (Theodoret)60.

Tun wir es. Nachdem nämlich der hl. Markellos,Vater übrigens mehrerer Söhne, in Apameia die Tem-pel niedergerissen, setzte er in der Umgebung seinHeilswirken fort. Doch als er einst durch einen Hau-fen Gladiatoren und Soldaten, den er persönlich kom-

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2.912 Deschner Bd. 3, 572Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

mandiert zu haben scheint, einen großen Tempel inder Gegend von Aulon stürmen und zerstören ließ undselber, wegen eines Fußleidens, etwas abseits stand,ergriffen ihn die Heiden, zerrten ihn fort und ver-brannten ihn lebendig, worauf er zum Heiligen dergriechischen und römischen Kirche avancierte61.

Ein wilder Bekämpfer alles Nichtkatholischenwurde der asketische Mönchsbischof Rabulas vonEdessa (412–436).

Er war nicht immer so rechtgläubig. Als Sohn eines»Götzenpriesters« um 400 Christ geworden, lebte erals Mönch, zeitweise auch als Anachoret in einerHöhle, nachdem er sich von Gattin und Kindern ge-trennt, die angeblich auch das Klosterleben erwählten.Seit etwa 412 Bischof von Edessa, stand Rabulasbeim Konzil von Ephesus 431 (II 172 ff) auf der Seiteder Antiochener, die es mit dem »Ketzer« Nestoriosgehalten und den hl. Kyrill abgesetzt hatten. Nachdessen Sieg aber wechselte Rabulas eilig die Frontund wurde nun zur »Säule und Grundfeste der Wahr-heit«, ein fanatischer Überläufer, ein Freund und Ver-trauter Kyrills, mit dem er gemeinsam den Nestoria-nismus bekämpfte – von seinem eigenen Priester undNachfolger Ibas »Tyrann von Edessa« geschimpft.

Bischof Rabulas ließ allein in der Stadt vier Tem-pel ruinieren, attackierte aber auch alles Nichtortho-doxe. So machte er, die »bedeutendste Persönlichkeit

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2.913 Deschner Bd. 3, 572Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

der Theologie von Edessa« (Kirsten), Tausende vonJuden zu Christen. Er bekehrte angeblich, wie im»Leben des Rabulas« steht, »die verrückten Manichä-er«. Er wandte »bedenkenlos nackte Gewaltmaßregelnim Ketzerkampf« an, waren doch schon vor ihm beiEdessa und in Kleinasien ganze Dörfer »von Grundauf entvölkert und zerstört worden« (W. Bauer). Ra-bulas heilte »mit der Sorgfalt des großen Arztes«, sodie von einem Mitstreiter verfaßte Vita, das »faulendeKrebsgeschwür der marcionitischen Irrlehre«. Er rißdas Versammlungshaus, die Kapellen der Bardesani-ten nieder – hatte doch einst »dieser verfluchte BarDaisan durch seine Arglist und die Süßigkeit seinerGesänge alle Vornehmen der Stadt an sich gezo-gen« – und kassierte ihr ganzes Besitztum. Er schleif-te auch die Kirche der Arianer, vernichtete die Sektender Audianer, Borborianer, Sadduzäer und verbranntedie gegnerischen Schriften –»verleihe Frieden derganzen Welt«, flehte er in seinem Marienhymnus,wenn er echt ist, was man bezweifeln darf. Echt dage-gen ist sicher das »Leben des Rabulas«, das sein Wir-ken in Form einer Heiligenbiographie darstellt, frei-lich seine Rolle im kyrillfeindlichen Lager auf demKonzil von Ephesus und seinen Parteiwechsel ver-schweigt, ihn dafür aber schon vor dem Konzil in öf-fentlicher Predigt in Konstantinopel, wo Nestoriusnoch den Patriarchenstuhl drückte, »den alten Irrtum

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2.914 Deschner Bd. 3, 573Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

des neuen Juden« widerlegen läßt62.Als Rabulas allerdings die Kultbilder von Baalbek

kaputtzumachen suchte, wo die Heiden noch lange inder Mehrheit waren, soll er von den Göttergläubigenhalbtot geschlagen worden sein; ebenso Eusebios, derspätere Bischof von Tella.

Immer wieder sind es gerade Mönche oder aus demMönchsstand kommende Asketen, die das Heidentumbesonders erbittert bekämpfen. Ihre wahnwitzigenKasteiungen dürften ihre Aggressionen noch gestei-gert haben.

Der Mönch Barsauma vermehrte um 421 die Ver-dienste seiner Jerusalemwallfahrt, indem er unterwegsmit 40 Mönchsgenossen nicht nur heidnische Tempel,sondern auch jüdische Synagogen zerstörte. Der orts-gebundene Anachoret Thalelaeus dagegen hockte »mitvielen Sünden belastet« länger als ein Jahrzehnt inseinem selbstgezimmerten winzigen Verschlag gedul-dig neben einem alten »Götzentempel«, bekehrtedurch solch wunderbares Leben viele Heiden und rißdann mit ihrer Hilfe das Ärgernis nieder63.

Das Fasten, Prügeln, Rauben, Ruinieren und Mor-den des hl. Abtes Schenute von Atripe (gest. 466) isttypisch für die Greueltaten des alten Mönchtums undwurde bereits ausführlich dargelegt (II 203 ff, bes.207 ff).

Ungefähr in den letzten Jahren des Schenute undKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.915 Deschner Bd. 3, 573Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

ganz nach Art und Weise von dessen Missions- undChristianisierungspraktiken unternahm in Oberägyp-ten auch Apa Macarius von Thu mit seinen Möncheneine »Expedition« zu einem Tempel, in dem Griechennoch immer den Gott Kothos verehrten. Dazu stahlensie Christenkinder, erwürgten diese auf dem Altar,weideten sie aus, benutzten die Därme als Saiten aufihren Kitharen und spielten damit den Göttern auf!Den Rest der Kinderleichen verbrannten sie und ge-brauchten die Asche zur Schatzsuche, wobei sie wie-der auf den Kinderdärmen ihrer Kitharen musizierten,bis »die Reichtümer« erschienen! Apa Macariusglaubte vielleicht dies Greuelmärchen, entzündete eingroßes Feuer und warf mit allen »Götzen« auch denHohenpriester Homer hinein64.

Im Westen vernichtet der hl. Benedikt auf demMonte Cassino ein uraltes, vom Volk verehrtes Apol-loheiligtum. Benedikt zerschlägt das Götterbild, zer-stört den Altar, läßt die heiligen Haine in Feuer auf-gehn und beseitigt derart den »Dämonendienst«. Ausdem Tempel selbst macht er eine Kirche65.

Schon erheblich früher, im späten 4. Jahrhundert,wütet im Westen ein nicht minder bekannter Mönch,der hl. Bischof Martin, gegen die Altgläubigen – wasman »die Evangelisierung der gallischen Länderregi-on« nennt. Kaum ein den Heiden heiliger Ort, woMartin nicht Götterbilder, Altäre zertrümmert, Tem-

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2.916 Deschner Bd. 3, 574Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

pel niederbrennt. In schwierigen Situationen macht eretwas Hokuspokus und setzt Soldaten als »Engel«ein. Noch über den bescheidensten ruinierten Kult-stätten, den Göttern des Wassers, der Bäume, derHügel geweiht, erhoben sich dann Christentempel.Dabei war dieser hl. Barbar derart aktiv, daß man ihmallein die Ruinierung der Tempel anrechnet, daß nochheute Hunderte französischer Pfarreien sich seiner Pa-tenschaft rühmen, daß man noch heute an ungezähltenOrten auf »Saint-Martin« trifft ...66

Immer wieder auch unterstützen die Beamten derKaiser die christlichen Greuel.

Noch unter Konstantin zerstört der Prätorianerprä-fekt Rufinus einen Hermestempel in Antiochien.376/77 vernichtet der römische Stadtpräfekt Gracchusein Mithräum und erwirbt sich dafür den besonderenBeifall des hl. Hieronymus. 399 schleifen die comitesGaudentius und Jovius in Karthago und afrikanischenProvinzstädten Tempel und Götterstatuen zur tiefenGenugtuung des hl. Augustin (I 507)67.

Besonders »großen Ruf«, so wenigstens der spani-sche Bischof Idatius, erlangt sein Landsmann, derPrätorianerpräfekt Maternus Kynegius, den (Kaiser)Theodosius I. mit in den Osten gebracht hatte. Alspraefectus praetorio Orientis hatte er von 384 bis 388für die Ausführung der allerhöchsten Religionsgesetzezu sorgen. Dabei beeinflußte den weithin wütenden,

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2.917 Deschner Bd. 3, 575Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

von einem großen Militäraufgebot begleiteten Mannnoch zusätzlich seine dem Klerus, vor allem gewissenMönchskreisen, blind ergebene Gattin Acanthia. Mit»herrlichen Werken« der Vernichtung drang so Kyne-gius bis nach Syrien und Ägypten vor, zerstörte über-all die Idole der »pagani« und ließ sogar noch einenTempel in Edessa niederreißen, den der Kaiser unterSchutz gestellt, ohne daß ihn dieser freilich zur Re-chenschaft gezogen hätte. Im Gegenteil. Als Kynegius388 starb, ehrte Theodosius den katholischen Fanati-ker aufs höchste durch Beisetzung in der Apostelkir-che, der kaiserlichen Begräbnisstätte68.

Der christliche Staat kollaborierte selbstverständ-lich eng mit der christlichen Kirche. Manche Herr-scher waren weniger von ihr abhängig, manche mehr,wie Gratian etwa oder Valentinian II. Und einigehatte sie ganz in der Hand, wie die katholischen Kin-derkaiser. Doch sogar der selbständigere TheodosiusI. erließ fast in jedem Jahr seiner Regierung Ediktegegen Heiden oder »Ketzer«. Überhaupt wurde dieGesetzgebung gegen Andersgläubige von Konstantinbis Julian, bei allen Schwankungen, immer schärfer.Die Herrscher hatten natürlich ein starkes Interesse ander religiösen Einigung des Reiches, aber keineswegsan Tumulten, an brutaler Gewalt, an Terror. Im Ge-genteil. Die Regenten suchten das Ziel ihrer Religi-onspolitik in der Regel ohne große Beunruhigung zu

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2.918 Deschner Bd. 3, 575Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

erreichen, mochte es auch immer wieder zu hartenMaßnahmen kommen. Zweifellos führten die Idolver-nichtungen, Tempelschließungen und -zerstörungenhäufig hohe Beamte der christlichen Potentaten durch.Doch bleibt es eine denkwürdige Tatsache, daß in denerhaltenen Kaisergesetzen bis einschließlich Theodo-sius I. nie eine Tempelzerstörung befohlen wird. Kle-rus und Volk aber schritten auch ohne Autorisation zuVernichtungsakten, besonders im Orient. Schon unterKonstantius II. mußten Tempel gegen christlicheÜbergriffe geschützt werden. Und während 399 ihreZerstörung für Syrien gesetzlich befohlen wird, stelltman sie, im selben Jahr, im Westen abermals unterSchutz. Noch 423 hatte ein Gesetz des Kaisers Hono-rius jedes gewaltsame Vorgehen gegen Person undBesitz ruhig lebender Heiden mit schwerer Strafe be-droht, um eigenmächtige Attacken christlicher Fanati-ker zu unterbinden. Und ebenso verbot im Osten derganz klerushörige Theodosius II. willkürliche Gewalt-akte fanatischer Christen gegen friedliche Heiden undJuden und befahl, bei Unrecht an Heiden den Schadendrei- und vierfach zu ersetzen. Auch waren Provinz-statthalter manchmal insgeheim dem alten Glaubengewogen69.

Ebenfalls haben christliche Kaiser und Staatsmän-ner mitunter Götterbilder sowie einige Tempel durchUmwandlung in staatliche »Museen« erhalten helfen.

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2.919 Deschner Bd. 3, 576Kirchliche und staatliche Gewaltaktionen gegen ...

Und mögen nun die Aufstellungen paganer Kultfigu-ren in Konstantinopel und Rom unter Konstantin Pro-fanations- oder Schutzmaßnahmen gewesen sein (ver-mutlich waren sie beides): sein Sohn Konstantius soll»aus kunsthistorischem Interesse die Götterbilder ge-nerell unberührt« gelassen haben (Funke). Zumindestbefahl er wiederholt: volumus ... ornamenta servari.Selbst der allerchristlichste Kaiser Theodosius ließden schon geschlossenen Tempel von Osrhoene wie-der öffnen, um dessen schöne Idole nicht der Allge-meinheit zu entziehen. Auch andere Götterstatuenschützte er nach vorausgehender Reinigung alsKunstwerke. Durch Stilicho wurde das Standbild derVictoria wieder aufgestellt, natürlich gleichfalls nichtals Kultobjekt. Wie man denn auch sonst noch im 5.Jahrhundert Götterstatuen zum Schmuck der Städteerhalten, ja, durch Kriegseinwirkung beschädigte wie-der restauriert hat. Sogar Kaiser Justinian brachte dasGötterbild der Athene Promachos nach Konstantino-pel, wo es bis 1203 stand70.

Im übrigen wollte selbst die Kirche nicht alles ver-nichtet sehen, wenn auch bloß in eignem Interesse.Wo man also – dies der Regelfall gegenüber den Ido-len – nicht einfach alles kurz und klein schlug, konfis-zierte man, machte man die alten Heiligtümer kurz-weg zu christlichen.

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2.920 Deschner Bd. 3, 577Die »Christianisierung« des Raubes

Die »Christianisierung« des Raubes und dieVertreibung der »bösen Geister«

Allein aus Ägypten sind 23 »Christianisierungen« be-kannt, wie das euphemistische Kunstwort lautet, ausSyrien und Palästina 32. Selbstverständlich raubteman dabei auch die Tempeldämonen, und die heidni-schen Tempelstädte waren oft reich. Sie hatten einEinkommen aus dem Stiftungskapital, aus Gebühren,örtlichen Steuern und natürlich Spenden. Aus allenmöglichen Quellen floß Geld, und die Bettelpriesterdiverser orientalischer Kulte waren für ihre einneh-mende Hand berühmt. Auch hatten die TempelstädteGrundbesitz mit 3000 bis 6000 Pächtern. Aber schondas Gebäude allein war sehr nützlich und es lohntesich zuzugreifen. In Adra (Ezra) zwischen Bostra undDamaskus lautet eine Inschrift der Kuppelkirchewahrscheinlich aus dem Jahr 515: »Ein Haus Gottesist geworden die Herberge der Dämonen«. In Rom,wo Umwandlungen von Tempeln in Kirchen vor dem6. Jahrhundert nicht nachweisbar sind, formte PapstFelix IV. (526–530) das Templum Sacrae Urbis unddas Templum Romuli in eine Kirche für die hl. ÄrzteKosmas und Damian (S. 323 ff) um und fand nochviele Nachahmer; beispielsweise Papst Bonifaz IV.,der im frühen 7. Jahrhundert, mit Einverständnis desKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.921 Deschner Bd. 3, 577Die »Christianisierung« des Raubes

kaiserlichen Bluthundes Phokas, das Pantheon – be-rühmtestes Christianisierungsexempel Roms – zurKirche Santa Maria ad Martyres machte, ohne es zuverändern. In Cuma und Fondi wurden so Tempel zuKirchen, in Cassinum errichtete der hl. Benedikt imApollotempel eine Martinskirche und über dem Apol-loaltar eine Johanneskirche. Auf Sizilien sind die Um-wandlungen der heidnischen Tempel von Agrigent,Segesta, Himera, Tauromenium und Syrakus in christ-liche Kirchen bezeugt. Auch nahm man auf Sizilienschon im 4. Jahrhundert den Heiden ihre Grabstättenweg, die römisch-pagane Totenstadt verwandelt sichin einen christlichen Friedhof, die heidnischen Kult-objekte verschwinden. Auch in Gallien und den Al-penländern, in Tirol, im Wallis, macht man Tempelzu Kirchen oder errichtet diese über jenen. In Grie-chenland, wo auf dem klassischen Boden antiker Kul-tur die »Christianisierung« am langsamsten fort-schritt, wurden unter anderen auch der Apollotempelin Delphi, die Tempel von Olympia und der Parthe-non zu Athen christliche Kirchen; ebenfalls in AthenTheseion (der Hephaistos-Tempel) und Erechtheion,ohne daß man deren Äußeres verändert hätte. Auchbei dem Umbau des dreischiffigen Inneren des Parthe-nons in eine dreischiffige Emporenbasilika blieb dasInnere weitgehend erhalten. Auch aus dem AthenerAsklepieion und dem Illissostempel wurden Kirchen.

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2.922 Deschner Bd. 3, 578Die »Christianisierung« des Raubes

In Afrika stellte zur Zeit des Augustinus der BischofAurelius von Karthago, der nordafrikanische Primas,am hochheiligen Osterfest seine Cathedra in den be-reits geschlossenen Tempel der Dea Caelestis, denman dann später doch noch abriß. Aber auch in ande-ren Orten Afrikas machte man heidnische Tempel zuchristlichen, in Henschir Chima, Madaura, Maktar, inSabratha, Thuburbo u.a. In Nazianz war das Gottes-haus des hl. Kirchenlehrers Gregor vorher ein Tem-pel. In Ephesos installierte man im sogenannten Sera-peion eine Kirche. In Alexandrien wurde der Dionyso-stempel zu einer Kirche und der Tempel des Stadtge-nius zu einem Wirtshaus. In Konstantinopel machteKaiser Theodosius aus dem Heliostempel ein Wohn-gebäude, aus dem Artemistempel ein Spielhaus, ausdem Aphroditetempel einen Wagenschuppen und ließzur besonderen Verhöhnung ringsum Wohnungen er-richten für arme Nutten71.

Das Rauben, die »Christianisierung« von Tempeln,im Osten selten, in Griechenland, im Westen, häufi-ger, begann gewöhnlich mit exorzistischen Riten,einer Geisteraustreibung! Glaubten doch die größtenKirchenlehrer nicht weniger an Gespenster als diedümmsten Altgläubigen (S. 399 ff). Nach der Vertrei-bung der Dämonen wurden die »Eidola«, Altar undKultbild, umgestürzt, zerstört, dann öfter darauf Kir-chen errichtet. Auch die Niederbrennung galt als Ex-

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2.923 Deschner Bd. 3, 578Die »Christianisierung« des Raubes

orzismus, da Feuer ja die bösen Geister verjagt! Nachdem Brand reinigte man den Platz und benutzte dieTempelmauer oder das Fundament zum Bau der Kir-che; oder, zur besonderen Profanierung, als Hofpfla-ster. So verfuhr man in Aphaka, Burkusch, Qal'at Qa-lôta, Baalbek. Auch der fromme Bischof von Gaza,der hl. Porphyrios, ließ nach der Vernichtung des dor-tigen Marneion (S. 563 ff) mit den als heilig gelten-den Marmorstücken des Adyton den Weg vor demTempel pflastern zur besonderen Manifestation desTriumphes über das Heidentum – »damit jene nichtnur von Männern mit Füßen getreten würden, sondernauch von Frauen und Schweinen und anderen Tie-ren« –, was beiläufig daran erinnert, wohin die Frauenvon katholischen Heiligen gerückt worden sind; keineAusnahme! Auch zu Bordellen hat man Tempel ge-macht. Bei Erhaltung der Mauern ruinierte man ge-wöhnlich den bildlichen Schmuck: Plastiken, Reliefs,Malereien wurden zerschlagen, verputzt, übermalt,die Wände mit christlichen Symbolen dekoriert72.

Wie viele Tempel, so blieben auch zahlreiche Göt-terbilder vor der Vernichtung nur verschont, weil siedie Christen für ihre Zwecke weiterverwendeten, vorallem in Konstantinopel Paläste und Plätze damitschmückten. Gebrauchten sie ja auch sonstiges ausden heidnischen Heiligtümern zur Herstellung ihrerKirchen und Klöster sowie für deren Ausstattung. So

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2.924 Deschner Bd. 3, 579Die »Christianisierung« des Raubes

benutzte man in Ägypten Götterstatuen und Amuletteweiter, indem man ihnen christliche Zeichen einritzte.So wurde offenbar ein Standbild des Asklepios, jenerwohl berühmtesten antiken Heilgottheit, von der eineFülle frappierender Züge auf Jesus überging (S. 272f), zu einem Christusbild, ein Aphroditekopf in Athenzu einem Marienbild, eine Kybele in Konstantinopeldurch Beseitigung der Löwen und Änderung derArme zu einer Orans. In Eleusis verehrten die Chri-sten ein Götterbild der Demeter, das den Erntesegenverbürgte, bis ins 19. Jahrhundert, als man es, unterallgemeinem Bedauern, nach England schaffte. InMateleone (Süditalien) rufen die Katholiken eine anti-ke Aphroditestatue als S. Venere noch heute an, be-sonders zur Heilung von Frauenkrankheiten73.

Nicht nur Tempel aber, auch heidnische Profanbau-ten wurden von den Christen als sakrale Gebäude ge-braucht, wenn auch seltener. So richtete man im Am-phitheater von Salona in zwei Räumen Oratorien ein.Meist spielten wohl materielle Gründe bei solchenÜbernahmen eine Rolle, weshalb sie bloß in armenGebieten häufig vorkamen und danach auch kaumnoch bauliche Manipulationen erfolgten74.

Auch andere Methoden gab es.Auf der Insel Philä am ersten Nilkatarakt stand ein

Isistempel, ein von weit her besuchter Wallfahrtsort.Noch lang florierte der Kult, eine seltene Ausnahme,

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2.925 Deschner Bd. 3, 580Die »Christianisierung« des Raubes

in christlicher Zeit. Erst Narses verhaftete die Priesterund sandte die Idole nach Byzanz. Bei der folgendenUsurpation des Heiligtums aber überzog man das alt-ägyptische Bildwerk mit Nilschlamm – ein durch dieArchäologen auch sonst nachgewiesenes Verfahren –,versah die Kruste mit einer weißen Schicht und be-malte diese mit christlichen Motiven. So spitzten ineiner alten Cella in Theben die Kuhhörner der GöttinHathor, der ägyptischen Venus, aus dem Heiligen-schein des Apostels Petrus. Besonders in Oberägyp-ten hat man heidnische Darstellungen in Tempeln oftübertüncht – »angefüllt ist das Land der Ägypter mitehrwürdigen und heiligen Kirchen« (Patriarch Ky-rill)75.

Eine ganz andere Missionsmethode demonstrierteder Mönch Abraames, der jedoch keine Einzelerschei-nung damit ist. Verkleidet als Kaufmann, läßt er sichin einem heidnischen Dorf am Libanon nieder undpredigt schließlich das Christentum. Zwar widerset-zen sich die Leute erst gewaltig, doch nutzt der Mis-sionar eine Steuerkalamität so raffiniert, daß man ihmnun eine Kirche baut und ihn als Priester wünscht.Drei Jahre wirkt er im Weinberg des Herrn, dann be-ginnt er anderwärts dieselbe Masche76.

In der Regel war es freilich anders. Denn eindeutigist es die Kirche, die zur harten Auseinandersetzungmit dem Heidentum, zu seiner Vernichtung treibt; die

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2.926 Deschner Bd. 3, 580Die »Christianisierung« des Raubes

mit Ungeduld das zeitweilige Zögern des Staatessieht, die Phasen der Zurückhaltung neben solchendes bereitwilligen Eingehens auf ihre Wünsche, desrücksichtslosen Durchgreifens. Es war die Kirche, diedurch den Mund der Bischöfe und auf Synoden überdie Lässigkeit der staatlichen Beamten klagte, die denfortdauernden Götterkult für eine fortdauernde Gottes-lästerung erklärte und seine Ausrottung als heiligePflicht. Mochte man da und dort die Liquidierung desKonkurrenten auch mit friedlichen Mitteln der Mis-sion zu erreichen suchen, häufiger waren, vor allemauf dem Land, Kampf und Gewalt gegen die »Häuserder Dämonen«, die »Bilder der Dämonen«, kam esnicht selten zu blutigen Balgereien, und die christlicheMenge hatte dabei »in den Geistlichen und Mönchenihre Leiter« (Schultze)77.

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2.927 Deschner Bd. 3, 581Es war die Kirche, die zur Vernichtung trieb

Es war die Kirche, die zur Vernichtung trieb

Nur ganz vereinzelt scheinen klerikale Stimmen dengewaltsamen Kampf gegen das Heidentum mißbilligtzu haben. So ließ der 60. Kanon der Synode von Elvi-ra niemand als Märtyrer gelten, der beim Zertrüm-mern von Götterstatuen getötet worden ist. Auch Bi-schof Theodoret tadelte die Attacke eines christlichenFanatikers auf einen persischen Feuertempel – abernur, weil die Zerstörung »unzeitgemäß« war, weil sie»ganz schwere und wilde Wogen gegen die Jüngerdes wahren Glaubens« wälzte! Von wirklicher Tole-ranz kann nirgends die Rede sein. Natürlich auchnicht bei Theodoret, dem J.-C. Fredouille noch 1981»gegenüber den Heiden eine neue Stellung« atte-stiert – Freundschaft! Doch wie Theodoret die »got-tesmörderischen Juden« anprangert, wie er die »Bos-heit der Häretiker« geißelt, »die gottlose Lehre derArianer«, »das gottlose Gift«, »die Waffen des Teu-fels«, ihre »geistige Krankheit«, »diesen Aussatz«etc., so fällt er – vor allem in seiner Kirchengeschich-te, aber auch in seiner »Heilung der heidnischenKrankheiten«, als eine der schönsten Apologien ge-priesen – immer wieder über die heidnischen »Freun-de« her, die erkenntnisunfähig und ungebildet (apai-deutos) seien, auch den Christen ethisch unterlegen,

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2.928 Deschner Bd. 3, 581Es war die Kirche, die zur Vernichtung trieb

nur Theoretiker der Tugend, nicht, wie die Christen,Praktiker derselben. Er attackiert ihre »sogenanntenGötter«, die »das aufgehende Licht« des Christentums»wie Nachtmahre in die Finsternis verwiesen«. Ergeißelt ihre »Götzenbilder«, ihre »schmutzigen My-sterien«, die von Verkehrtheit und Unmoralität strotz-ten, wie in Heliopolis etwa, »wo jeder Götzendienerist, wo die teuflischen Gewerbe der sinnlichen Lustim Schwange sind, wo grausige Schlupfwinkel wilderTiere sich finden«. Er bejubelt die christlichen Tem-pelstürmer: den »ganz ausgezeichneten Marcellus«,den Bischof von Apamea, »der nach der Vorschriftdes heiligen Apostels (Paulus!) inbrünstig war imGeiste«; den Bischof Theophilus von Alexandrien,der die Stadt vom »Irrwahn des Götzendienstes« be-freit und »von Grund aus die Götzentempel« vernich-tet habe; Johannes Chrysostomos, »das große Lichtdes Erdkreises«, ließ auch dieser doch in Phönizien»die bisher noch verschonten Tempel der Dämonenvon Grund aus zerstören«78.

Ein Zeitgenosse Theodorets, der Bischof Maximusvon Turin, demonstrierte die christliche Feindesliebein ebenfalls anschaulicher Weise. Als einst die im Ge-biet von Trient missionierenden Christen Alexander,Martyrus und Sisinnius beim Einschreiten gegen eineLustrum-Feier, eine heidnische Flurprozession, vonden aufgebrachten Altgläubigen erschlagen und auf

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2.929 Deschner Bd. 3, 582Es war die Kirche, die zur Vernichtung trieb

dem Gebälk einer ad hoc eingerissenen Kirche ver-brannt worden waren, da ermahnt Bischof Maximusseine Schäfchen, es den heiligen Märtyrern gleichzu-tun und die »Götzenbilder« ringsum zu entfernen. Seies doch nicht recht, predigt er, »daß ihr, die ihr Chri-stus im Herzen tragt, den Antichrist in euren Woh-nungen habt, daß eure Hausgenossen den Teufel inden (Götter-)Kapellen (fanis) verehren, wenn ihr Gottin der Kirche anbetet«. Ein Götter verehrender Heideist für den Bischof (dessen Predigten, »kurz und ker-nig«, ihn als »echten Volksprediger« erweisen: Alta-ner) »ein Verrückter (dianaticus)« oder »ein Zeichen-deuter (aruspex). Eine mit Wahnsinn schlagendeGottheit pflegt nämlich einen verrückten Priester zuhaben«. Die katholischen Herzen dagegen »werdengereinigt, wenn unser ehedem besudeltes Gewissenvom Schmutze des Teufels nicht mehr festgehaltenwird«. Ach, welch großes Übel ist der Götzendienst!»Er befleckt die, die ihn üben, er befleckt die Bewoh-ner, er befleckt die Zuschauer, er dringt bis zu denen,die Dienste leisten, er dringt zu den Mitwissern, erdringt zu denen, die dazu schweigen. Wenn nämlichder Bauer opfert, wird der Gutsherr (domnedius) be-sudelt. Er muß unbedingt befleckt werden, wenn ereine Speise zu sich nimmt, die der sakrilegischeBauer gepflanzt hat, die die blutige Erde hervorsprie-ßen ließ und die besudelte Vorratskammer (tetrum

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2.930 Deschner Bd. 3, 583Es war die Kirche, die zur Vernichtung trieb

horreum) aufbewahrte: alles ist dort befleckt, alles istverrucht, wo der Teufel wohnt ... Nichts ist dort freivom Frevel, wo alles im Frevel verweilt ...« usw.79

Ein »Paradebeispiel für antiheidnische Greuelpro-paganda von christlicher Seite« nennt Tinnefeld einMachwerk des Zacharias Rhetor (Scholastikos), desMetropoliten von Mytilene, der erst monophysitisch,dann neuchalkedonisch war und schließlich mit ande-ren Bischöfen 536 in Konstantinopel seinen Freundund früheren Gesinnungsgenossen, den PatriarchenSeveros von Antiochien (II 346 ff), verurteilt hat.Mittels eines von ihm angeblich entdeckten Zauber-stabs zeigt der bischöfliche Autor, wie das Heidentumvon Zauberei und Betrug lebt, wie man Anleitungengibt, ganze Städte mit Satans Hilfe zu verwirren, wieman lehrt, das Volk zur Empörung, die Väter gegenKinder und Enkel aufzustacheln, wie man Anweisun-gen zu Diebstahl, Ehebruch, Vergewaltigung, Mordund anderes erteilt – eine einzige Hetze gegen dasHeidentum, das geradezu als kriminelles Komplottgegen die Gesellschaft erscheint und deshalb natürlichentsprechend zu bekämpfen ist80.

Mit allen möglichen Mitteln, mit Gesetzen, Ge-walt, Spott, mit Tricks, mit direkten und indirektenInterventionen bei Kaisern und Behörden, mit Kon-zilsbeschlüssen, kanonischen Reglementierungen allerArt, mit einer Fülle von staatlichen und kirchlichen

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2.931 Deschner Bd. 3, 583Es war die Kirche, die zur Vernichtung trieb

Verboten, Strafen ging die christliche Welt gegen dasHeidentum vor, und noch bevor es wirklich zerstörtist, bejubelt man seinen Untergang, verkündet, för-dert, fordert man ihn, triumphiert81.

Die bekanntesten Kirchenlehrer stimmen hier ein.Die Idole seien gefallen, die Altäre gestürzt, die Dä-monen geflüchtet, jauchzt bereits der hl. Basilius undsieht, durchaus zutreffend, die Völker im apostoli-schen Netz gefangen. Chrysostomos prahlt, in Ägyp-ten – für Christen stets das klassische Land des »Göt-zendienstes« – sei »die Tyrannei des Teufels ganzvernichtet«. Kyrill von Alexandrien sieht denn auchdies Land jetzt »voll von ehrwürdigen und heiligenKirchen: Überall Altäre, Herden von Mönchen,Schwärme von Jungfrauen, frohgemutes Aufsichneh-men der asketischen Mühen ...«. Selbst in Rom, derHochburg des alten Glaubens, meldet Hieronymus,erleide »die Heidenschaft Verödung«, und er höhnt:»Die, welche die Götter der Völker waren, haben jetztmit Eulen und Käuzchen einen Unterschlupf auf denDächern gesucht«. Und Augustinus, für den der alteGlaube Ehebruch, Hurerei ist, feiert die Götterdäm-merung als die Erfüllung alttestamentlicher Prophetie,lobt die staatlichen Ausrottungsbefehle, die Zerstö-rung der gegnerischen Kulte, er verspottet sie und ge-bietet selber das Ruinieren der Tempel, der heidni-schen Haine, Bilder, die Vernichtung ihres ganzen

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2.932 Deschner Bd. 3, 583Es war die Kirche, die zur Vernichtung trieb

Gottesdienstes (I 503 ff)82.

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2.933 Deschner Bd. 3, 584Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

Eine Woge von Terrorismus überflutet dieLänder

Weithin im Osten, im Westen werden unersetzlicheKunstwerke vernichtet, Götterbilder und Altäre zer-schlagen, heilige Bäume gefällt, Tempel verbrannt,geschleift. Die Mönche besetzen gewöhnlich dasLand, die Bischöfe erobern die Städte. In Kleinasienist das Heidentum im wesentlichen schon im 4. Jahr-hundert erledigt. Syrien, wo ein rücksichtsloser Terrortobt, wird mit Tempeltrümmern übersät. In Ägyptensind noch im 5. Jahrhundert viele Kämpfe bezeugt.»In Blut und Massakern gehen die ägyptischen Göt-zen und Götter unter«, schreibt Jacques Lacarrière.»Immer, bei jedem Aufstand ... dasselbe ›Szenario‹mit denselben Greuelszenen, demselben Massenauf-lauf, denselben haßerfüllten Schreien auf demselbenHintergrund von zerschlagenen und zertrümmertenIdolen, die durch Straßen geschleppt, von Tempeln,die in Brand gesteckt und von Heiden, die bis in dieHeiligtümer verfolgt werden«. Auf Seiten der Besieg-ten fühlt man sich dem Weltuntergang nah. »Wennwir noch leben«, schreibt einer von ihnen, »dann istdas Leben selbst tot«83.

In Kappadokien, das sich rühmt, eine »heilige unddurch seine Frömmigkeit allen bekannte« Provinz zuKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.934 Deschner Bd. 3, 585Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

sein, kennt der hl. Gregor von Nazianz Tempel nurnoch »in Trümmern und in Verminderung«. In ganzHellas, im Peloponnes sinken die antiken Heiligtü-mer, die bewunderten Werke der Kunst, durch christ-liche Horden in Schutt und Asche: Eleusis, dessenPriester man sämtlich ermordet, Sparta, Korinth,Olympia werden als Sitze des Götterdienstes verheert.Delphi, schon von Konstantin geplündert, wird vonTheodosius geschlossen. Die Werke des Theopomp,des Anaxandridas und anderer über Delphis geraubteSchätze sind verloren! Auf Korfu ruiniert man einenhellenistischen Tempel und läßt in einer Inschrift Kai-ser Jovian, der die Insel nie betreten, als Zerstörer desTempels und Erbauer einer christlichen Kirche sichrühmen. Die Zahl der Bischofssitze in Griechenlandaber wächst derart zwischen dem frühen 4. und derMitte des 5. Jahrhunderts von 10 bis 15 auf fast50!84

Dennoch existierte das Heidentum noch lange,zumal in griechischen Kreisen, weshalb bei den Kop-ten »Hellenen« soviel wie »Heiden« hieß. Auch im 5.Jahrhundert leben und schaffen noch bedeutende »pa-gani«. Vor allem Proklos, das einflußreiche Haupt derplatonischen Akademie in Athen, ein stark religiösgeprägter Philosoph, von dem freilich vieles nicht er-halten blieb, darunter seine Schrift gegen die Chri-sten. Nonnos von Panopolis, der hervorragendste

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2.935 Deschner Bd. 3, 585Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

griechische Epiker der Spätzeit, schrieb seinerzeit dieDionysiaka, die Geschichte des Gottes Dionysos, dieletzte große heidnische Dichtung, verfaßte im späte-ren Alter aber, wohl als Christ, die (metrisch wie stili-stisch schwächere) Metabolē, eine hexametrische Pa-raphrase des Johannesevangeliums. Auch pagane Ge-schichtsschreiber arbeiten noch: der den Kaiser Julianvergötternde, entschiedene Christenfeind Eunapiosvon Sardes; Olympiodor aus Theben (Ägypten), derin etwa Eunapios mit 22 Büchern besonders über dieweströmische Geschichte fortsetzt. Oder der schon umdie Wende zum 6. Jahrhundert wirkende Christengeg-ner Zosimos, von dem wir eine Nea Historia, eine rö-mische Kaisergeschichte in sechs Büchern besit-zen85.

Alle heidnischen Institutionen aber wurden allmäh-lich zu Fall gebracht. Die Bibliothek Antiochiens mitwohl vorwiegend antichristlichen Schriften, die Julianeingerichtet, brannte man schon unter dessen Nachfol-ger nieder. Und noch unter Julian war auch der Daph-netempel Antiochiens den Flammen zum Opfer gefal-len. Die Olympischen Spiele fanden 394 zum letzten-mal statt. »Denn was ist der olympische Kampf an-ders als das Fest des Teufels, welcher das Kreuzschmäht?« (Kirchenlehrer Basilius). Als der Stadtprä-fekt Leontius 434/35 beabsichtigt, in ChalkedonOlympische Spiele zu veranstalten, scheitert das Vor-

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2.936 Deschner Bd. 3, 586Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

haben am erbitterten Widerstand des Mönches Hypa-tius, der darin ein Wiederaufleben des Götzendienstessieht. Sämtliche heidnischen Feiertage wurden verbo-ten, die Luperkalien, das letzte noch bestehende paga-ne Fest, unter Papst Gelasius I. (II 334 f). Die Univer-sität von Athen – »the only stable institution of thetime« (Frantz) – schloß man 529 (sie bestand danachnicht mehr, wie manche Forscher annehmen) und ord-nete zugleich die Einziehung des Stiftungsvermögensan. Doch blieben noch zahlreiche griechische Profes-soren, Schriftsteller, Verwaltungsbeamte bis zumEnde des 6. Jahrhunderts unbeirrbare Heiden86.

Karriere konnten Altgläubige allerdings längstnicht mehr machen. Selbst ihr religiöses Leben warschon um die Wende zum 5. Jahrhundert immer mehreingeschränkt, fast unmöglich. Aus den »templa« derStädte verdrängt, spielte es sich allenfalls noch in den»fana«, heidnischen Heiligtümern und »Kapellen« aufdem Lande ab. Ihre Besucher nannte man »fanatici«!(Der Ausdruck Fanatismus – fanaticus, von Gott er-griffen, rasend – stammt bekanntlich aus der religiö-sen Sphäre.) Commodian, ein asketisch lebenderLaienchrist und wenig bedeutender Poet, der durchseine Kunst die Heiden für Christus gewinnen will,erwähnt einmal in »De simulacris eorum« (sc. deorumdearumque) »die geringe Zahl und die zum Bettelzwingende Armut der Götzenpriester«. Leider wissen

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2.937 Deschner Bd. 3, 587Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

die Gelehrten weder, wo Commodian beheimatet war,in Gaza, Nordafrika, Rom oder Gallien, noch ob er im3., 4. oder 5. Jahrhundert gelebt hat87.

Schon um die Wende zum 5. Jahrhundert ver-kriecht sich das Heidentum immer mehr, entrechtet,bestraft, verfolgt. Nur noch versteckt, gleichsam spie-lerisch wagt man im Zeitalter der »Heidendämme-rung« (Kaegi) da und dort zu reagieren – auf Spiel-marken. Einige derselben, von denen András Alföldisagt, man könne sich »kaum etwas Ärmlicheres undUnscheinbareres vorstellen«, zeigen die GottheitenSarapis, Isis, Jupiter, vor allem jedoch Julian, den»Apostaten«, nach dessen Tagen man sich zurückseh-nen mochte. Antichristliche Propaganda am Spiel-tisch, als Straftat aber kaum faßbar. Doch trieb diesdie Christen zur Produktion rechtgläubiger Spielmar-ken. Von professionellen Graveuren wesentlich bessererstellt, zeigen einige die katholischen Kaiser Honori-us und Arcadius oder einen Fisch mit dem konstanti-nischen Christogramm88.

Nur da und dort erhalten sich kleine heidnische In-seln. Beispielsweise im ausgehenden 5. Jahrhundertdie Isisgläubigen von Menuthis; wenn auch wahr-scheinlich bloß darum, weil dort »die Christen so sehrin der Minderzahl und in ihrem Glauben so schwachwaren«, wie ein Chronist schreibt, »daß sie das Geldder Heiden nehmen und die letzteren dafür nicht bei

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2.938 Deschner Bd. 3, 587Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

ihren Opfern behindern«89.Im frühen 6. Jahrhundert schildert Bischof Jakob

von Sarug, der die längste Zeit seines Lebens in derNähe von Edessa verbrachte, die kulturelle und reli-giöse Situation: »Die Tempel der Götter stehen ver-lassen, und in ihren Palästen nisten die Igel ...; ihreVerehrer fallen der Verachtung anheim; die Ver-sammlungen lösen sich auf, und kein Mensch besuchtmehr ihre Feste. Auf den Gipfeln der Berge errichtetman Klöster anstelle der Tempel der Glücksgotthei-ten, auf den Hügeln baut man Gotteshäuser statt derGötterheiligtümer, auf den verlassenen Höhen woh-nen die Einsiedler«. Und man sieht fast förmlich dieletzten Zuckungen des Heidentums, liest man: »Wäh-rend Satan das eine Götterbild wieder aufrichtet, fälltein anderes zu Boden. Während er dorthin eilt, umeinen Gott von seinem Fall zu erheben, hört er denLärm, den hier ein einstürzender Tempel verur-sacht«90.

Ihren staatlichen Gipfel erreichte die Heidenbe-kämpfung durch Kaiser Justinian (II 7. Kap.). Zuschwersten gesetzlichen Schikanen, zu Verbrennun-gen heidnischer Bücher, Tempelzerstörungen, Vermö-genskonfiskationen, zur Vertreibung und Einkerke-rung von Priestern kamen auch Hinrichtungen. Damithatte freilich schon die erste christliche Majestät be-gonnen, die den Philosophen Sopatros über die Klin-

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2.939 Deschner Bd. 3, 588Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

ge springen ließ. Auch der unter Kaiser Zenon vertrie-bene Grammatiker Pamprepios wurde später hinge-richtet, worauf in Alexandrien eine Verfolgung heid-nischer Philosophen begann. Noch unter Zenon warauch der Philosoph Hierokles wegen antichristlichenVerhaltens blutig gegeißelt worden. Unter Justiniannun wurden mehrere des »Hellenentums« Angeklagtegetötet: der Ex-Referendarius Makedonios, der Quä-stor Thomas, ein gewisser Pagesios samt seinen Kin-dern. Der gleichfalls inkriminierte Ex-Präfekt Askle-piodotos kam seiner Verurteilung zuvor, indem erGift nahm; ebenso später ein gewisser Phokas, dender Kaiser »wie einen Esel« verscharren ließ. VieleHeiden bekehrten sich daraufhin in Konstantinopelzur allein wahren Religion91.

In den Tagen Justinians machte auch der monophy-sitische Bischof Johannes von Ephesus, der sichselbst als »Heidenlehrer« und »Zertrümmerer derGötzenbilder« feiert, »mit Gottes Hilfe« Streifzüge indie entlegensten Gegenden von Asia Minor. Er rui-nierte mit seinen Komplizen, vor allem fanatischenMönchen, zahlreiche Tempel, fällte heilige Bäume,verbrannte etwa 2000 heidnische Schriften, befreite»vom Irrtum des Götzendienstes« angeblich 70000(oder 80000) Heiden und erbaute insgesamt 99 Kir-chen und 12 Klöster. Als er im Gebirg von Tralles inder hochgelegenen Stadt Dario einen »großen und be-

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2.940 Deschner Bd. 3, 588Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

rühmten Götzentempel« bis auf die Fundamenteschleifte und darauf ein »gewaltiges« Kloster schuf,bekam er noch Streit mit dem Bischof, der seine Di-özesanrechte verletzt sah92.

Zwanzig Jahre, nachdem man im Sommer 559 inKonstantinopel aufgegriffene Heiden durch die Stadtgeführt und ihre Bücher samt Götterbildern auf demKynegion verbrannt hatte, kam es 579 auf Befehl vonKaiser Tiberios II. (578–582) in Heliopolis (Baalbek)zu einem Heidenmassaker. Aussagen Gefolterter erga-ben die Existenz paganer Zentren in verschiedenenorientalischen Städten, besonders die einer geheimenKultgemeinschaft in Antiochien – die letzte Nachrichtvon einer heidnischen Religionsgemeinschaft in dieserStadt. Von den kaiserlichen Häschern verfolgt, nahmsich der Oberpriester Antiochiens, Rufin, das Leben.Ein gewisser Anatolius und andere Heiden wurdennach Konstantinopel vor den Kadi geschleppt. Dochda man sie entließ und das Gerücht entstand, dieRichter seien bestochen worden, rebellierte das Volkund schrie: »Die Gebeine der Richter sollen ausgegra-ben werden! Die Gebeine der Heiden sollen ausgegra-ben werden! Der christliche Glaube soll verherrlichtwerden!« Der Pöbel schreckte weder vor Brand nochMord zurück. Er ergriff zwei Heiden, einen Mann,eine Frau, zerrte sie zum Meer, setzte sie in einenKahn und verbrannte sie zusammen. Danach kam es

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2.941 Deschner Bd. 3, 589Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

zu einer Revision des Prozesses, auch zu neuen Ver-haftungen in Kleinasien, in Syrien, wobei oft politi-sche und andere Motive mitspielten, Auseinanderset-zungen der byzantinischen Oberschicht. Die Gefäng-nisse der Hauptstadt füllten sich. Die verdammtenHeiden, viele Senatoren darunter, wurden hingerich-tet, den wilden Tieren vorgeworfen, dann verbrannt.Doch zogen sich die Verfahren wegen der Menge derVerklagten, wegen der Sucht der Christen, immerneue Heiden aufzuspüren und sie der »gerechten Stra-fe« preiszugeben, bis in die Regierung des KaisersMaurikios hin. Und als dieser im ausgehenden 6.Jahrhundert in Edessa die Monophysiten verfolgteund das Kloster »der Orientalen« schloß, von denen400 umgebracht wurden, jagte in Carrhae der Bischofnoch immer die Heiden, darunter Akindynos, den vor-nehmsten Mann der Stadt93.

Im Byzantinischen Reich gab es noch im 7. Jahr-hundert und später kleine Kreise Altgläubiger, meistin abseitigen Gebieten und ohne jeden Einfluß. Ver-breitet waren damals und dort vorchristliche Kultebloß unter slawischen Stämmen auf dem Balkan, dieerst gegen Ende dieses Jahrhunderts teilweise unterbyzantinische Oberhoheit gerieten. Noch im Jahr691/92 bekämpft das Trullanische Konzil – wenig er-folgreich – unter dem Vorsitz Kaiser Justinians II. inKonstantinopel den Paganismus, fordert es die Aus-

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2.942 Deschner Bd. 3, 590Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

rottung der letzten Relikte »hellenischer« Torheit,heidnischer Bräuche, Feste, Eide et cetera mit solcherIntensität, daß man daraus auf eine Wiederbelebungpaganen Brauchtums im Lauf des 7. Jahrhundertsschloß. – Das Fest der Brumalien, vom Trullanumgleichfalls verboten, feierte man im ByzantinischenReich bis ins Hochmittelalter94.

Die sogenannten heidnischen Bräuche waren im 7.Jahrhundert noch weit verbreitet, offensichtlich inallen Schichten, in der städtischen wie ländlichen Be-völkerung. »Selbst unter dem Klerus gab es offenbarnicht wenige Personen, die solche Bräuche pflegten«(Rochow). Einige derselben gingen in die Folkloreauf dem Balkan über. Die abendländischen Konziliendes 6. und 7. Jahrhunderts verbieten immer wiederMagie, Vogelschau, sie verurteilen Zauberer, Wahrsa-ger und jederlei Art von »Götzendienst«. Ja, was be-kämpfte die Kirche nicht alles hoch und heilig, vomöffentlichen Tanz bis hin zum Tragen von Männer-kleidung durch die Frau, schon im 4. Jahrhundert un-tersagt – und noch im 14. Jahrhundert getadelt ... InGallien gibt es bis tief ins 6. Jahrhundert, in Frieslandbis ins 8. den Kult zu Ehren Jupiters, Merkurs, derDiana und Venus. Die Existenz von Götterbildern istfür Patmos noch um 1100, für Kreta noch um 1465bezeugt. Orakelgebende Idole werden im Abendlandbis ins hohe Mittelalter verehrt95.

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2.943 Deschner Bd. 3, 590Eine Woge von Terrorismus überflutet die Länder

Die Schweden konnte man erst damals, die balti-schen Völker sogar erst bis zum 15. Jahrhundert »be-kehren«. Dann freilich war das Heidentum im Abend-land so gut wie liquidiert. Denn gegenüber jedernichtchristlichen Gottesverehrung (worship) blieb dieHaltung dieser Kirche »one of war, and war of the bit-ter end« (Dewick)96.

Aber wie einst das Heidentum, wird einmal auchdas Christentum zu Ende vegetieren.

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2.944 Deschner Bd. 3, 591Nachbemerkung

Nachbemerkung

Kaum in Rezensionen, doch oft in Diskussionen hal-ten mir Christen (erfahrungsgemäß oft solche, diemich – sicherheitshalber – gar nicht gelesen haben)entgegen, ich könne noch so viele kirchliche Verbre-chen zusammentragen (»Kriminalromane« schreiben,wie mir im Sender Freies Berlin ein Kirchenmann zu-schnaubte), das erschüttere ihren Glauben an Chri-stentum und Christus nicht. Nun zeige ich aber in alldiesen Bänden nie nur die ethische, sondern ab und zuauch die dogmatische Seite des Christentums. Und daverfängt das fromme Argument keinesfalls mehr. Al-lein das längste Kapitel des vorliegenden Bandes, daserste, führt eine Berufung auf den christlichen Glau-ben historisch ad absurdum1.

Freilich: »Gläubigen« geht es fast nie um histori-sche, philosophische, ethische Probleme, um Wahr-heit oder, bescheidener gesagt, Wahrscheinlichkeit,sondern um ihr eigenes Problem. Sie »glauben«, siekönnten ohne ihren Glauben nicht leben. Obwohl sieja, als Inder etwa, wahrscheinlich einen ganz anderenGlauben hätten. Und als Afrikaner wieder einen ande-ren – ein Aspekt, der jeden »Glauben« von vornhereinrelativiert. Mein Leben zeigt mir, daß man sehr gutohne »Glauben« leben kann. Und Tausende von oft

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2.945 Deschner Bd. 3, 591Nachbemerkung

erschütternden Zuschriften bezeugen, daß es auch an-dere können, nach Preisgabe ihres christlichen Glau-bens sehr viel besser können als vorher, daß sie vielfreier leben, ja, daß sie erst zu leben beginnen – undkaum »unmoralischer« als die Christen.

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2.946 Deschner Bd. 3Anmerkungen zum dritten Band

Anmerkungen zum dritten Band

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2.947 Deschner Bd. 3, 595Anmerkungen zum dritten Band

Anmerkungen

Autoren, von denen nur ein Werk benutzt wurde, wer-den in den Anmerkungen meist nur mit ihrem Namenzitiert, die übrigen Werke mit Stichworten.

1. KapitelChristliche Fälschungen in der Antike –

1. Fälschungen im vorchristlichen Heidentum

1 Meyer, A., Pseudepigraphie 95, 106

2 Farrer 106

3 Reicke/Rost 1529 f. Haag 1425. A. Meyer, Bespre-chung 150. Speyer, Religiöse Pseudepigraphie 88 ff,234 ff, 246. Ders. Literarische Fälschung 13

4 Torm 118 mit Bez. auf E. Stemplinger, Das Plagiatin der griechischen Literatur 1912. Erbse 209 ff, bes.216 f. Brox, Falsche Verfasserangaben 75 f. Speyer,Literarische Fälschung 15

5 Candlish 24. Brox, Problemstand 316 f, 322 ff. M.Rist zit. ebd.

6 Mensching, Irrtum 73

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2.948 Deschner Bd. 3, 595Anmerkungen zum dritten Band

7 Erbse 216. Speyer, Literarische Fälschung 15. Ders.Fälschung, literarische 237, 240, 242 f. Ders. Reli-giöse Pseudepigraphie 199 f. Brox, Falsche Verfas-serangaben 68 ff

8 Diog. Laert. 9,6. dtv-Lexikon, Geschichte II 365 f.Erbse 216 ff. Gudeman 48

9 dtv-Lexikon, Geschichte III 108 f. Pearson 70 ff.Erbse 221 ff

10 Brox, Falsche Verfasserangaben 76 f

11 Speyer, Fälschung, literarische 241

12 Ebd. 239. Torm 111, 122 f. Meyer, Pseudepigra-phie 99. Syme 306 f

13 Syme ebd. Speyer, Fälschung, literarische 238

14 Speyer, Literarische Fälschung 14

15 Speyer ebd. 13 f. Candlish 12 f, 24 f

16 Bousset 4 f. Speyer, Fälschung, literarische 238.Brox, Falsche Verfasserangaben 50

17 Brox ebd. 60 f. Speyer, Literarische Fälschung 82.Jachmann 86

18 Gudeman 47 ff

19 Platon rep. 2,364 e. Aristot. de anima 1, 5,410 bKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.949 Deschner Bd. 3, 596Anmerkungen zum dritten Band

27. Cic. nat. deor. 1, 38,107. Pauly III 1479, IV 304f, 351 ff. dtv-Lexikon, Philosophie III 259 ff. F.Hauck 118. Krüger, Quaestiones 42 ff. Ziegler, Or-pheus 239 ff. Meyer, Pseudepigraphie 98. Gudeman44 ff. Brox, Falsche Verfasserangaben 45

20 Pauly II 1169. dtv-Lexikon, Philosophie II 239.Tusculum Lexikon 125. Diller 271 ff. Gudeman 49.Brox, Falsche Verfasserangaben 45

21 dtv-Lexikon, Philosophie III 334. Syme 303 f. Gu-deman 56 f. Meyer, Pseudepigraphie 97. Brox, Fal-sche Verfasserangaben 46

22 Gudeman 58 ff. Meyer, Pseudepigraphie 97, 99.Ders. Besprechung 150 f. Speyer, Fälschung, literari-sche 268

23 Pauly I 988 f, II 1275 ff. dtv-Lexikon, PhilosophieI 132, 337 ff, II 268, III 110 f. Gudeman 71 ff. v.d.Mühl 1 ff

24 Pauly I 957, IV 698 f. dtv-Lexikon, Geschichte I186 f. Farrer 1 ff. Syme 304. Gudeman 60 ff. Torm113. Brox, Falsche Verfasserangaben 46 f

25 Brox ebd. 47

26 Liv. 40,29,3 ff. Plin. nat. 13,27. August civ. Dei7,34. Pauly IV 185 f. dtv-Lexikon, Geschichte III 18

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2.950 Deschner Bd. 3, 596Anmerkungen zum dritten Band

27 Pauly II 1191 ff (hier die Zitate von A. Alföldi undMommsen). J. Straub in: dtv-Lexikon, Philosophie II243 f. Dessau 337 ff. Syme 309 f. Hohl 132 ff

28 Pauly II 1, 674 f. Tusculum Lexikon 101. dtv-Le-xikon, Philosophie II 139. W. Bauer, Leben Jesu 471f, 476 Anm. 1. Syme 306. Heinrici 75 ff. Brox, Fal-sche Verfasserangaben 47

29 Pauly I 1182. dtv-Lexikon, Philosophie I 310.Farrer 4 ff

30 Candlish 10 f. Brox, Falsche Verfasserangaben 51ff

31 Thukyd. 1,128 f. Pauly IV 568 f. Candlish 11.Syme 299 f. Speyer, Literarische Fälschung 12

32 Vgl. dazu meinen umfangreichen Aufsatz: Warumich Agnostiker bin 115 ff

33 Pausanias zit. nach Trede 40. Meyer, Besprechung151. Speyer, Fälschung, literarische 241

34 Speyer, Religiöse Pseudepigraphie 220 ff

35 dtv-Lexikon, Geschichte I 108. dtv-Lexikon, Reli-gion I 67 ff, II 27

36 dtv-Lexikon, Religion I 68 f. Reitzenstein, Poi-mandres 118 f. Ders. Hellenistische Theologie 180 ff,zit. nach Speyer, Religiöse Pseudepigraphie 202, 219,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.951 Deschner Bd. 3, 596Anmerkungen zum dritten Band

225, 236. Duhm 1 ff. S. Schott 285 ff. Morenz,Ägyptischer Totenglaube 399 ff. Ders. ÄgyptischeReligion 242 ff. W. Wolf, Ägypten 295 ff

37 Liechtenhan 227. Speyer, Literarische Fälschung13. Ders. Religiöse Pseudepigraphie 234 ff, 246.Brox, Problemstand 318

38 Meyer, Pseudepigraphie 97 ff

39 dtv-Lexikon, Philosophie III 256. Pauly IV 726, V1152 (zu Phemonoe und Vegoia). Speyer, ReligiösePseudepigraphie 202 ff. Quintilian nach Syme 309

40 Xenoph. Hellen. 6,4,7. Diod. 15,53,4. Frontin,strateg. 1,11,16. Pauly I 253, II 281, IV 323 ff.dtv-Lexikon, Religion I 204 f, II 134. H. Popp 32 f.Nock, Conversion 93 ff. Speyer, Religiöse Pseudepi-graphie 202

41 Lact. div. inst. 2,16,1. epit. 23,7. dtv-Lexikon, Re-ligion II 133 f. Speyer, Religiöse Pseudepigraphie234

2. Fälschungen im Alten Testament und in seinemUmkreis

42 G.E. Lessing, Die Erziehung des Menschenge-schlechts § 77

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.952 Deschner Bd. 3, 597Anmerkungen zum dritten Band

43 Meyer, Pseudepigraphie 106

44 Speyer, Fälschung, literarische 242, 251, 270

45 Reicke/Rost 240 f. Kindermann/Dietrich 361. v.Wilpert II 624. O. Stegmüller 151

46 Leipoldt/Morenz 11 f, 19 ff, 29 f, 38 ff. Lancz-kowski 11 ff, 109 ff. v. Glasenapp, Der Pfad passim,bes. 7 ff. Ringgren/Ström 262 ff. Heiler, Erschei-nungsformen 342 ff mit einer Fülle von Literaturhin-weisen. Schneider, Geistesgeschichte I 315 ff Nielen10. Stiefvater 16. Die übrigen Zitate bei Garden 88

47 Reicke/Rost 66 ff. Haag 916 f.O. Stegmüller 152.Smend, Die Entstehung 3. A. 13 ff

48 LThK 1. A. V 774 ff. Reicke/Rost 66 ff. Haag915 ff. Cornfeld/Botterweck II 310 ff, 419 ff. Lutherzit. nach Grisar, Luther II 710, III 442. Stegmüller152 f. Conc. Trid. Sess. 4 de script. can. Conc. Vat. Isess. 3

49 Reicke/Rost 1773 f. Haag 918 ff, 1577 ff. Sim-mel/Stählin 25 f. Stegmüller 153

50 Ri. 5,24 ff, 5,27 ff. 4. Mos. 21,1. Vgl. dazu Faul-haber, Charakterbilder 3. A. 1916, 6. A. 1935, 72.Ders. Judentum 44, 49

51 Faulhaber, Charakterbilder 84 ff, bes. 87 fKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.953 Deschner Bd. 3, 597Anmerkungen zum dritten Band

52 Ebd. 72 ff, 84, 88 f. Eppelsheimer I 263 ff, II 86ff. Ahlheim, Hebbel 300 ff, bes. 305. Wetzer/WelteIII 51, V 477 (hier die übliche fadenscheinige Apolo-getik)

53 Faulhaber, Charakterbilder 74. Für das LThK 1.A. III 171 ist das Deboralied »eines der schönsten Er-zeugnisse hebräischer Dichtung«. Zu Maria als Blut-und Kriegsgöttin ausführlicher: Deschner, Das Kreuz396 ff

54 Altaner/Stuiber 106 f. Harnack, Marcion 68, 189ff, 106 f, 242 ff. Knox 19 ff, 39 ff, 158 ff. Werner,Die Entstehung 130, Anm. 91, 144 ff, bes. 160 Anm.58. Ders. Der Frühkatholizismus 353 f. Goodspeed,A History 153. Knopf, Einführung 160. Jirku 5 f.Lanczkowski 20 f. Nigg, Ketzer 70. Heiler, Urkirche98. Ausführlich über Markion: Deschner, Hahn 311 ff

55 Lampl, Overbeck, in: Deschner, Das ChristentumI 357. Buonaiuti I 97. Vgl. 102

56 G.E. Lessing, Die Erziehung des Menschenge-schlechts § 77. Kraus, H.-J., Geschichte 123 ff

57 Borchardt, Shelley, in: Deschner, Das ChristentumI 205 f

58 Ayck, Mark Twain ebd. I 353Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.954 Deschner Bd. 3, 597Anmerkungen zum dritten Band

59 Harnack, Marcion, 2. A. 1924, 127, 222. Zit. nachKraus, Geschichte 385 f

60 Stoeckle 36 ff

61 Cornfeld/Botterweck II 310 f, 350

62 Ebd. II 350, 523. Stegmüller 153

63 Zu Faulhaber vgl. neuestens auch meinen fiktivenBrief an Michael Kardinal Faulhaber, in: R. Niemann(Hg.), Verehrter Galileo, 1990

64 Garden 28 ff, bes. 32

65 Haag 1172 ff. Reicke/Rost 1239 ff. Lexikon derIkonographie III 283 ff. Brockington 188 f. Smend,Das Mosebild 23 ff. F. Cornelius in ZAW 78, 1966,75 ff

66 Reicke/Rost 1413. Bauer, Rechtgläubigkeit 1964,201 ff. Borchardt, Shelley 203

67 Ich folge hier Reicke/Rost 1413 f. Vgl. Haag 1347ff

68 Jaspers I 215 zit. nach Smend, Das Mosebild 63.Vgl. dazu ebd. 26 f.

69 Reicke/Rost 1239 ff, bes. 1241, 1413. Cornfeld/Botterweck IV 1003 ff, bes. 1006. G. Hölscher 86.Oßwald 132 ff, 479, 482 ff. Vgl. auch 173 ff, bes.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.955 Deschner Bd. 3, 598Anmerkungen zum dritten Band

182 (Verfasserin selbst zweifelt nicht an der Ge-schichtlichkeit des Mose (485). Faulhaber, Charakter-bilder 40. Lohfink 109 f. Smend, Das Mosebild 20

70 Beek 22 ff. Vgl. die sehr instruktive Übersichtüber das Mosesbild der Forschung bei Smend, DasMosebild passim, bes. 26 ff

71 5. Mos. 34,1 ff. Beek 28 f

72 Stiefvater 91. Vgl. a. folg. Anm.

73 2. Mos. 31,18; 32,19. Vgl. 2. Mos. 34,27 f mit 2.Mos. 24,12; 31,18; 32,15 f; 34,1 u.ö. Cornfeld/Bot-terweck I 164 ff, bes. 167, II 428 ff, 475 ff, 514 ff,bes. 523 ff. Haag 460, 915. Reicke/Rost 1241. Bert-holet 322. Delitzsch I 52 f. Hölscher 86, 129. Mein-hold 15. Menes 47 ff. Greßmann, Mose 7 ff. Jeremi-as, Das Alte Testament 400 ff. Eißfeld, Die Genesis26 ff. Oßwald 132 ff, 479, 482 ff. Kühl 53 ff. Men-sching, Leben und Legende 24 f. Noth, Das zweiteBuch Mose 4 ff, 15 f. Ders. Gesammelte Studien 13 f,23 ff, 53 ff. Lohfink 37. Gelin 44 f. Hempel 128.O.H. Kühner 76 f. Speyer, Religiöse Pseudepigraphie228 ff. H.-J. Kraus, Geschichte 61 f, 536 ff. Meyer,Pseudepigraphie 100. Smend, Die Entstehung 38 f.Nielsen 126 f. Vgl. auch Deschner, Hahn 31 f

74 Haag 711, 1237 f, 1345 ff. Reicke/Rost 1413 ff.Kraus, Geschichte 174 ff.Vgl. auch den sehr ausführ-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.956 Deschner Bd. 3, 598Anmerkungen zum dritten Band

lichen Artikel Bibelkritik bei Cornfeld/Botterweck II314 ff. Smend, Das Mosebild 1 ff, bes. 7 ff. Noth,Das zweite Buch Mose 4 ff. Ders. Das dritte BuchMose 2 ff. Ders. Das vierte Buch Mose 7 ff.

75 Haag 1349 ff. Kraus, Geschichte 293 f.

76 Nielsen 64, 69 ff. Noth, Das dritte Buch Mose 6

77 Über die Gesetzgebung des Moses aber bleibtauch für M.A. Beek jede Theorie Spekulation, solan-ge die Gesetzestafeln (Ex. 32,15; Deut 10,4) »nichtwieder aufgefunden sind – was immerhin nicht ganzunmöglich erscheint –«. Das klingt fast wie eine Dro-hung jedenfalls für den, dem die faktischen Fälschun-gen und die großen Fälschungsmöglichkeiten derneueren Zeit bewußt sind. Denn selbst wenn ich vondem (in manchem durchaus bemerkenswerten) radika-len Rundumschlag »Die Fälschung der Geschichtedes Urchristentums« des (angeblich) 1959 in derDDR verhungerten Wilhelm Kammeier absehe, sohabe ich doch auch die erheblichen Zweifel von zweitheologischen Gelehrten und Christen, HermannRaschke und Carl Schneider, noch im Ohr, eine mirdamals kaum begreifliche Skepsis angesichts der sen-sationellen, die zuständige wissenschaftliche Welt nurso elektrisierenden »Funde« vom Toten Meer 1947und in den folgenden Jahren. Kammeier (Textbearbei-tung R. Bohlinger). S. etwa auch Garden 28 ff, 43Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.957 Deschner Bd. 3, 599Anmerkungen zum dritten Band

ff. – Beek 29. Haag 1346 f mit vielen Quellenhinwei-sen, ebenso Cornfeld/Botterweck 1282 ff

78 Gamm 75 f. Beek 59

79 Cornfeld/Botterweck II 351 f, 414 f, V 1169 ff.Haag 1421 ff (oft reichlich optimistisch). Eppelshei-mer I 39. Brockington 189. Kraus, Geschichte 546 ff.Wanke 108. Nielsen 93 f

80 Vgl. dazu Deschner, An König David, 80 ff

81 Cornfeld/Botterweck II 416 ff, V 1303. Haag1507 ff

82 Frost, Old Testament Apocalyptic 167. Zit. nachBrockington 190 Anm. 3

83 Pred. 1,1; 1,12; 9,9 f; 12,12. 1. Kön. 5,12 f

84 Pred. 1,1; 1,12; 2,4 ff; 2,15; 2,21; 2,24; 3,12;5,17; 8,15; 9,9 f; 12,8; 12,12. 1. Kön. 5,12 f. Corn-feld/Botterweck V 1155 ff; 1301 ff. Reicke/Rost1483 f. Haag 1401 ff. Meyer, Pseudepigraphie 100 ff.Brock 97 ff. Brox, Falsche Verfasserangaben 42.Bardy 164. Rienecker 1090. Forman, The Pessimism336 ff. Ders. Kohelet's Use of Genesis 256 ff. Rainey148 ff. Smend, Die Entstehung 218 f.

85 1. Kön. 5,13. Cornfeld/Botterweck V 1301 ff.Haag 1625 ff. Skehan, The seven Columms 190 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.958 Deschner Bd. 3, 599Anmerkungen zum dritten Band

Ders. A single Editor 115 ff. Smend, Die Entstehung209 ff; hier weitere Literatur. Beek 68

86 Reicke/Rost 2158 f. Haag 1881 f. Cornfeld/Bot-terweck VI 1453 f. LThK 1. A. X 792 f. Candlish 14ff mit vielen Quellenhinweisen. Reese 391 ff. A.G.Wright 524 ff. Lietzmann, Geschichte 95 f.

87 W. Nauck in: Reicke/Rost 1328 f. Vgl. 1520 f,1523 ff. Haag 1509. LThK 1. A. I 543 f, VII 673 ff,VIII 544. Cornfeld/Botterweck II 422 ff. Eißfeldt,Einleitung 826 ff. Adam, Salomo-Oden 141 ff. O'Dell241 ff

88 Jer. 29,10. Sach. 1,1; 1,7. Haag 887 f mit zahlrei-chen Literaturhinweisen. R. Hentschke in: Reikke/Rost 895 f. Cornfeld/Botterweck II 470, III 813 ff, V1254 ff. Brockington 185. Noth, Das Buch Josua 7 ff.Alt, Josua 13 ff. Kraus, Geschichte 17, 455 ff. Ru-dolph, Der »Elohist« 164 ff

89 Zu den Anspielungen auf den leidenden und ster-benden Gottesknecht vgl. viele Anspielungen bei denSynoptikern und Paulus; ferner etwa Jh. 1,29; 1,36;12,38. 1. Petr. 2,21 ff. Barn. 5,2. 1. Clem. 16. Just.apol. 1,50 f. Tryph. 13. Cornfeld/Botterweck III 751ff. Haag 779 ff. Reicke/Rost 851 ff. LThK 1. A. V616 ff. bes. 618 ff. Drews, Die Christusmythe 247 ff.Caspari 126. Wolff, Jesaja 53 passim. North 111 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.959 Deschner Bd. 3, 599Anmerkungen zum dritten Band

Fohrer, Entstehung 113 ff. Ders. Jesaja I 148 ff. Ders.Zum Aufbau 170 ff. Brockington 185 ff mit Anm. 1.Smend, Die Entstehung 143 ff. Vielhauer, Einleitung409 f.

90 Cornfeld/Botterweck II 423 f. Haag 780 f. Reik-ke/Rost 857. Altaner/Stuiber 119

91 Sacharja 1,1: »Im achten Monat des zweiten Jahrsdes Königs Darius« = 521 v. Chr. Cornfeld/Botter-weck V 1236 ff. Brockington 187

92 Haag 465. Cornfeld/Botterweck II 479 ff. Herr-mann, Ezechielstudien. Torrey 291 ff. Irwin 54 ff.Rowley, The Book of Ezekiel 146 ff. Eichrodt 37 ff.Fohrer, Die Glossen 33 ff. Smend, Die Entstehung164 ff

93 Hieron. Comm. in Daniel. zit. nach Halbfaß, Por-phyrios I 28

94 Dan. 1,17; Cornfeld/Botterweck I 87, II 405 ff.Haag 308 ff, 311 ff mit vielen Literaturhinweisen.LThK 1. A. III 144 ff. Th. Hobbes, Leviathan c. 33.Baumgartner 59 ff, 125 ff, 201 ff. Meyer, Pseudepi-graphie 101. Noth, Gesammelte Studien 250 ff. Row-ley, The Composition 272 ff. Ders. The Meaning 387ff. Lohse, Die Offenbarung 2. Smend, Die Entstehung222 ff. Kraus, Geschichte 63.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.960 Deschner Bd. 3, 600Anmerkungen zum dritten Band

95 Reicke/Rost 105 ff, bes. 107 f. Haag 83 f. Corn-feld/Botterweck I 85 ff. Lohse, Die Offenbarung 1 f.Vielhauer, Einleitung 407 ff

96 Vielhauer ebd. 410 f

97 Haag 170, 325. Reicke/Rost 201 ff. Cornfeld/Bot-terweck I 269. LThK 1. A. II 9. Vielhauer, Einleitung418

98 Cornfeld/Botterweck I 90 f. Reikke/Rost 202 f

99 Haag 1178. LThK 1. A. I 537 f

100 Cornfeld/Botterweck I 91. Haag 14 f. LThK 1.A. I 537 ff

101 Just. apol. 1,60. Clem. Al. strom. 1,162,1 f.Orig. c. Cels. 5,54. RAC Artikel Esra VI 599 ff.Bardy 164. Meyer, Pseudepigraphie 101 f. Brocking-ton 188 ff. Bultmann, Ist die Apokalyptik die Mutterder christlichen Theologie? 476 ff, Gudeman 59 f.Syme 301. Torm 116 f. Brox, Falsche Verfasseranga-ben 42 f

102 RAC I 1950, 354 f

103 Torm 118 f, 123. Syme 301

104 Pauly II 980 ff, IV 806 f. Bardy 165. Meyer,Pseudepigraphie 102. Speyer, Religiöse Pseudepigra-phie 102. Ders. Fälschung, literarische 270Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.961 Deschner Bd. 3, 600Anmerkungen zum dritten Band

105 Pauly I 555 f. dtv-Lexikon, Philosophie I 172.Haag 105 f. Cornfeld/Botterweck II 422. Trede 114mit Bez. auf August. civ. dei 18,42; 15,23. Lietz-mann, Geschichte I 94 f. Meecham 5 ff. Charlesworth78 f. mit einer großen Fülle weiterer Literaturhinwei-se. Howard, The Letter of Aristeas 337 ff. Murray337 ff. Lewis 53 ff

106 Plut. de Pyth. or. 6,397 A. Speyer, ReligiösePseudepigraphie 216. Vielhauer, Einleitung 422.Kurfess, Christliche Sibyllinen 498 ff

107 Pauly II 1075, 1297, V 158 ff. dtv-Lexikon, Phi-losophie IV 189 f. LThK 1.A. IX 525 ff. Altaner/Stuiber 119 ff. Candlish 17 f, 23, 32 ff. Speyer, Fäl-schung, literarische 258 f

108 Vielhauer, Einleitung 422. Kurfess, ChristlicheSibyllinen 500 f

109 Haag 711. Cornfeld/Botterweck I 88 ff, II 421 ff,V 1109. Altaner 46. Altaner/Stuiber 117 ff. Reicke/Rost 692 f. LThK 1.A. III 797 f, IV 961 f.A. van denBorn in: Haag 711. Vgl. auch Deschner, Hahn 19 f

110 Reicke/Rost 1529 f. Haag 436 f. Altaner 46. Al-taner/Stuiber 117 ff. McColley 21 ff. Lohse, Die Of-fenbarung 2. Vielhauer, Einleitung 411. Baars 82 ff.Speyer, Literarische Fälschung 285. Charlesworth,

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.962 Deschner Bd. 3, 600Anmerkungen zum dritten Band

The Old Testament Pseudepigrapha 94 ff. Conclusi-ons: 102

111 LThK 1. A. I 539. Haag 1733 f. Charlesworth,The Old Testament Pseudepigrapha 94 ff. Conclusi-ons: 102. Ders. The pseudepigrapha 211 ff. de Jonge,Recent Studies 77 ff. Ders. Die Textüberlieferung 27ff. Ders. Studies on the Testaments passim. J. Becker,Die Testamente passim. Vielhauer, Einleitung 411.Vgl. auch vorausg. Anm.

112 Vgl. LThK 1. A. I 539, V 251 f

113 Andres 367

2. Fälschungen im Neuen Testament

114 Dieringer I 47

115 Stiefvater 15 f

116 Frits van der Meer 8

117 Schneider, Geistesgeschichte II 20 Anm. 1

118 Brors Nr. 35. Dibelius, Jesus 12 ff

119 Pfister 509. Guardini 32. Vgl. dazu Deschner,Hahn, 1. Kapitel, Die Bestreitung der Geschichtlich-keit Jesu. Eine apologetische Übersicht über »DasProblem des historischen Jesus« bei O. Betz, Was

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.963 Deschner Bd. 3, 601Anmerkungen zum dritten Band

wissen wir von Jesus 9 ff

120 Dibelius, Botschaft I 298. Werner, Die Entste-hung 65. Goguel 73. Zu v. Soden vgl. Ackermann396. Schneider, Geistesgeschichte I 29. Vgl. auchBultmann, Synoptische Tradition 396

121 A. Schweitzer, Leben-Jesu-Forschung 555. Con-zelmann, Die formgeschichtliche Methode 61. Percy20. Dibelius, Jesus 24. Ders. Formgeschichte 34 ff,295. Bornkamm, Jesus 11 f. Bultmann, Jesus 11 f.Ders. Synoptische Tradition 1, 163, 176, 366 ff, 394ff. Grönbech, Zeitwende I 128. Grobel 65. Knopf,Einführung 239. Stauffer, Jesus 7. Grundmann, DieGeschichte 15. Ben-Chorin 7 ff

122 Cornfeld/Botterweck I 85 ff, bes. 87. Schoeps,Studien 63 f, 68 ff

123 Mk. 9,1; 1,15; 13,30. Mt. 4,17; 10,7; 10,23;16,28. Lk. 11,51. Cornfeld/Botterweck II 393 f, III766 ff

124 J. Weiß, Die Predigt Jesu vom Reiche Gottes1892, 2. A. 1900. A. Schweitzer, Das Messianitäts-und Leidensgeheimnis 1901. Ders. Von Reimarus zuWrede 1906. Ders. Die Mystik des Apostels Paulus1930. Bultmann, Das Urchristentum 102. Heiler, DerKatholizismus 22

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.964 Deschner Bd. 3, 601Anmerkungen zum dritten Band

125 C. Gröber 18

126 Ausführlich aufgezeigt und belegt in: Deschner,Hahn 17 ff

127 2. Petr. 3,4. 1. Clem. 23,3

128 Vgl. 1. Kor. 7,29 ff u. 15,51; 16,22 mit 1. Kor.11,29 ff; 15,22. ff; 2. Kor. 5,17; 6,2. Bultmann, Ge-schichte und Eschatologie 44 f. Haenchen 87 ff, 114f. Schweitzer, Die Mystik 93, 98 ff. Taubes 67 f.Conzelmann, Die Mitte der Zeit 80 ff. Selby 21 ff.Werner, Der protestantische Weg I 142 ff. Schoeps,Paulus 102 ff. Buonaiuti I 46 ff. Graesser 76 ff, 157ff, 178 ff, 199 u.ö.

129 Theophil. ad Autol. 2,15; 2,22; 3,13 f. Euseb h.e.3,39,4. Hieron. ep. 121,6,15. Altaner/Stuiber 75 ff.Ausführlich Deschner, Hahn 145 ff.

130 Altaner/Stuiber 77. Bauer, Rechtgläubigkeit 187ff. Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen 8 ff.Schneemelcher, Haupteinleitung bei Hennecke 11, 43.

131 Schneemelcher ebd. 11. Reicke/Rost 1304. Haag923 f. Altaner/Stuiber 72, 106 f. Harnack, Marcionpassim, bes. 246. Knopf, Einführung 160

132 1. Clem. 47,1 ff. Ign. Eph. 12,2. Just. apol. 1,67.Reicke/Rost 1304

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.965 Deschner Bd. 3, 601Anmerkungen zum dritten Band

133 Euseb. h.e. 4,26,13 f. Reicke/Rost 1303. Schnei-der, Geistesgeschichte I 329 f. Vgl. auch Anm. 131,132

134 Reicke/Rost 1304 f. Altaner/Stuiber 110 ff, bes.113. Bardenhewer I 426 f

135 Ich folge hier eng Bardenhewer II 87 f. Dort alleQuellenhinweise. Vgl. auch ebd. 42

136 Iren. 4,20,2. Tert. de orat. 16. Euseb. h.e. 3,25,1ff. Haag 922 ff. Reicke/Rost 1304 f. LThK 1. A. V778 f. Streeter 439. Wikenhauser, Einleitung 28, 31.Schneemelcher, Haupteinleitung 13 ff, 18 ff

137 Athanasius' Behauptung im 39. Festbrief. Haag923 f. Reicke/Rost 1304 f. LThK 1. A. V 779. Aus-führlicher über das Zustandekommen des Neuen Te-staments: Deschner, Hahn 143 ff

138 LThK 1. A. V 778. Theologisches WörterbuchIII 979 ff. Jülicher 450 ff, 555. Hennecke, Neutesta-mentliche Apokryphen, hg. Schneemelcher I 1 ff

139 Reicke/Rost 1304 f. Haag 924. LThK 1.A. V779. Luther zit. nach Grisar I 523 f, III 442 f, dort dieQuellenhinweise. Schneemelcher, Haupteinleitung 12ff

140 Bultmann, Synoptische Tradition passim. Schelk-le 28Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.966 Deschner Bd. 3, 602Anmerkungen zum dritten Band

141 Reicke/Rost 1308 f

142 Brox, Falsche Verfasserangaben 11 ff, 78.Schelkle 29. v. Campenhausen, Die Entstehung 380.Clévenot, Die Christen 132 f

143 Meyer, Pseudepigraphie 110. Charlesworth, Thepseudepigrapha 25. Vgl. ders. The Renaissance 107ff

144 Speyer, Fälschung, literarische 251

145 Brox, Falsche Verfasserangaben 63, 111

146 Brox, ebd. 14. Ders. Problemstand 311

147 So Norbert Brox in seiner Einleitung zu Pseude-pigraphie 1 ff. Vgl. auch Meyer, Besprechung 150

148 Haag 218 ff

149 Ebd. 227. Reicke/Rost 1307. Knopf, Einführung22 f, 63. Lietzmann, Geschichte II 94. Bauer, Recht-gläubigkeit 163. Feine-Behm 23, 320, 334. Hirsch,Frühgeschichte passim, bes. 70 ff, 99 ff, 123 ff

150 Bauer, Rechtgläubigkeit 163. Kober, Die Depo-sition 675. Meyer, Besprechung 150 f. Speyer, Reli-giöse Pseudepigraphie 247 ff, 259 ff. Ders. Literari-sche Fälschung 85 f, 219 f, 260 ff, 310

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.967 Deschner Bd. 3, 602Anmerkungen zum dritten Band

151 Brox, Falsche Verfasserangaben 30 f, 49 f

152 Ebd.

153 Meyer, Besprechung 150 f. Speyer, ReligiösePseudepigraphie 247 ff

154 Speyer, Literarische Fälschung 221. Brox, Pro-blemstand 328 ff

155 Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen I 126ff, II 58 ff, 221 ff. Speyer, Literarische Fälschung220. Ders. Fälschung, literarische 241 f, 254 f, 262.Brox, Falsche Verfasserangaben 98 f, 105 ff

156 Speyer, Literarische Fälschung 220. Ders. Fäl-schung, literarische 255

157 Ebd.

158 Zach. Reth. h.e. 3,10. Bardenhewer IV 317. Alta-ner/Stuiber 234, 241. Speyer, Literarische Fälschung284

159 Speyer ebd. 14. Brox, Falsche Verfasserangaben52 ff

160 Seeck, Urkundenfälschungen 4. Heft 399. Syme299 ff, 305, 309. Schreiner 133. Speyer, LiterarischeFälschung 47 ff, 58 ff, 92 f, 277 ff. Ders. Fälschung,literarische 239 f. Ders. Religiöse Pseudepigraphie201, 240. Brox, Problemstand 314. Ders. FalscheKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.968 Deschner Bd. 3, 602Anmerkungen zum dritten Band

Verfasserangaben 20 f, 51 ff, 57 ff

161 Speyer, Fälschung, literarische 239 f

162 Ebd.

163 H.v. Campenhausen ThLZ 94, 1969, 43 zit. nachBrox, Falsche Verfasserangaben 82. Vgl. auch Broxebd. 69. Herde 300 f

164 Papias bei Euseb. h.e. 3,39,10. Cornfeld/Botter-weck IV 930, 948. Aland, Noch einmal 121 ff insi-stiert mit Recht auf der viel zu geringen Beachtungdes Problems der Anonymität im ur- und frühchristli-chen Schrifttum gegenüber dem der Pseudonymität.Vgl. auch Anm. 154

165 Papias bei Euseb. h.e. 3,39,13; 3,39,16. Iren.adv. haer. 3,1,1; dazu Euseb. h.e. 5,8,2. Haag 1112 f.Cornfeld/Botterweck III 762 ff, IV 952 ff. Wikenhau-ser, Einleitung 133. Speyer, Religiöse Pseudepigra-phie 245. Kümmel 73 ff, bes. 91 f. Abel 138 ff.Marxsen, Einleitung 149 ff, bes. 155 f.K. Stendahl,The School of St. Matthew 2.A. 1968 zit. nach Marx-sen ebd.

166 »Wenn's Hündla net g'schissen hätt', hätt's denHasen g'fangen.« – Schelkle 31 ff, 53 f. Lichtenberg350

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.969 Deschner Bd. 3, 603Anmerkungen zum dritten Band

167 Haenchen 95 ff. Jülicher 437 ff. Hommel 152 ff.Wellhausen, Kritische Analyse 35. Vielhauer, Zum»Paulinismus« 2 ff. Schweitzer, Die Mystik 6 ff. Nor-den, Agnostos Theos 1 ff. Cornfeld/Botterweck IV929 ff

168 Cornfeld/Botterweck IV 929 f, 948. Meyer,Pseudepigraphie 94. Torm 127 f, 141. Heinrici 74.Brox, Falsche Verfasserangaben 25 f. Marxsen, Ein-leitung 139 ff, bes. 147 ff, 156 ff, 167 ff, bes. 172.Kümmel 53 ff, bes. 69 f. Ferner 73 ff, bes. 91 f, 116ff, 141 ff

169 Jh. 1,14 f; 13,23; 19,35; 21,24. 2. Jh. V. 1; 3.Jh. V. 1. Iren. adv. haer. 2,22,5; 3,1,1; 3,3,4; 3,5,8.Euseb. h.e. 3,25,3. Hieron. vir. ill. 9,18. Haag 869 ff.Cornfeld/Botterweck II 374, III 796 ff. K.T. Bret-schneider, Probabilia de evangelii et epistolarumJoannis apostoli indole et origine, 1820. Bacon 127ff. Bauer, Das Johannesevangelium 236. Eisler, DasRätsel 323 ff. Windisch 144 ff. Hirsch, Studien 140ff. Leipoldt, Geschichte I 52. Meyer, Pseudepigraphie90 ff. Torm 129 f. Schelkle 30. Teeple 279 ff. Parker35 ff. Gericke 807 ff. Williams 311 ff

170 Kümmel 155 ff, bes. 162 ff und 200 ff. Vgl. auchdie vorhergeh. Anm. u. Deschner, Abermals 44 ff

171 Haag 870 f. Schelkle 79 ff, 91 f. Je weiter manKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.970 Deschner Bd. 3, 603Anmerkungen zum dritten Band

bei Schelkle liest, desto mehr möchte man auf seinen(wohl nicht nur diesbezüglichen) Unglauben schwö-ren. Meyer, Pseudepigraphie 90 ff. Lietzmann, Ge-schichte I 235 ff, bes. 246 ff. Leidenschaftlich vertei-digt noch Ehrhard, Urkirche 98 ff die Verfasserschaftdes Apostels Johannes

172 Apk. 1,1; 1,4; 1,9; 22,8. LThK 1.A. I 289.Lohse, Die Offenbarung 4

173 Euseb. h.e. 7,24,1 ff. Altaner/Stuiber 210 f

174 Euseb. h.e. 7,25,1 ff

175 Ebd. 7,25,17 ff

176 Lohse, Die Offenbarung 5 ff

177 Meyer, Pseudepigraphie 94. Brox, Falsche Ver-fasserangaben 40

178 Cornfeld/Botterweck II 368 ff. Haag 1319

179 1. Tim. 1,1; 1,3; 1,12 ff; 1,19 f; 2,7; 2,12; 3,14f; 4,2; 4,7; 6,1. 2. Tim 1,1; 1,11 f; 3,11; 4,9 ff. Tit.1,1; 1,3; 1,10 f. Cornfeld/Botterweck II 368 ff. Haag1319

180 Hieron. praef. comm. in ep ad Tit. Bauer, Recht-gläubigkeit 228 f. Heiler, Der Katholizismus 61 ff.Rist 39 ff, 50 ff. Knox 73 ff. Werner, Die Entstehung162 f, 209 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.971 Deschner Bd. 3, 604Anmerkungen zum dritten Band

181 Haag 1323. Campenhausen, Polykarp von Smyr-na 8. Dibelius-Kümmel 10. Klausner, Von Jesus zuPaulus 235 ff. Knopf, Einführung 86 f. Barnikol 8.Meyer, E., Ursprung und Anfänge III 582. Jülicher162 ff. Knox 73 ff. Goodspeed, An Introduction 327ff. Speyer, Religiöse Pseudepigraphie 249 f, 254 f.Ders. Literarische Fälschung 286. McRay 2 ff.Moule, The Problem 430 ff. Brox, Zu den persönli-chen Notizen 272 ff, bes. das Resümee 290 ff. Küm-mel 323 ff. Vgl. auch 343 ff, 367 ff, bes. 371 ff, 378ff. Binder 70 ff. Harrison 77 ff.

182 2. Thess. 2,1 ff; 3,17. Cornfeld/Botterweck II367 f. Lindemann 35 ff, bes. 46. Marxsen in: Reicke/Rost 1970 f. Marxsen, Der zweite Thessalonikerbrief107 ff. Schweitzer, Die Mystik 42 f. Kautsky 18 f. Jü-licher 62 ff. Braun, Zur nachapostolischen Herkunft152 ff. Trilling, passim

183 Reicke/Rost 416 ff. Cornfeld/Botterweck II 364ff (hier die Zitate von Guthrie und Schlier). van Rhyn112 ff. Barnikol 7. Lietzmann, Geschichte I 226 f.Dibelius-Kümmel 10 f. Knopf, Einführung 73, 85 f.Käsemann, Leib und Leib Christi 138 ff. Goodspeed,The Meaning of Ephesians. Ders. An introduction222 ff. Kümmel 308 ff, bes. 314 ff. Schelkle will denEpheserbrief, wenn er schon nicht echt sein sollte,doch »durch einen Schüler« des Apostels verfaßtKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.972 Deschner Bd. 3, 604Anmerkungen zum dritten Band

sehen: 172 ff, bes. 174. S. auch 178 ff, bes. 182, 185ff

184 Cornfeld/Botterweck II 356, 370 ff. Leipoldt,Geschichte I 219 ff. Jülicher 146 ff. Kuss 1 f. schließt»eine unmittelbare Autorschaft des Apostels Paulus«aus und fügt hinzu: »das dürfte heute allgemeineÜberzeugung sein«. – Vgl. auch Rienecker 570.Bruce, »To the Hebrews« 217 ff. Ders. Recent Gon-tributions 260 ff. Marxsen, Einleitung 174 ff

185 Schrage/Balz 1 ff

186 2. Petr. 1,1; 1,16 ff; 2,1 f; 2,10; 2,12; 2,14; 2,18;3,1; 3,3 f; 3,14; Haag 1368. Cornfeld/Botterweck II378 ff. Altaner/Stuiber 280 f. Schrage, Der zweite Pe-trusbrief 118 ff. Talbert 137 ff

187 1. Petr. 1,1; 1,15; 2,1 f; 3,10; 5,12. Vgl. auch2,12. Cornfeld/Botterweck II 377 f. Schrage, Dererste Petrusbrief 59 ff. Hunzinger 66 ff. Bultmann,Bekenntnis- und Liedfragmente 285 ff. Danker 93 ff.Moule, The Nature 1 ff. van Unnik 92 ff. Brox, Zurpseudepigraphischen Rahmung 78 ff. Auch für denKatholiken Rudolf Schnackenburg ist heute der 1. Pe-trusbrief »wahrscheinlich pseudonym«, wozu er an-merkt: »Die Stimmen mehren sich auch auf katholi-scher Seite, daß dieses Schreiben möglicherweise einpseudonymes ist«. Erst recht gehört natürlich für

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.973 Deschner Bd. 3, 604Anmerkungen zum dritten Band

Schnackenburg der 2. Petrusbrief »schon dem 2. Jahr-hundert an«: Schnackenburg 33

188 Euseb. h.e. 3,25,2 f; 3,39,17; 6,14,1; 6,25,10.Balz, Die Johannesbriefe 150 ff

189 2. Joh. 10 f. 3. Joh. 9 f. Cornfeld/Botterweck II374 ff. Käsemann, Ketzer und Zeuge 292 ff. Braun,Literar-Analyse 210 ff. Bergmeier 93 ff. Bultmann,Die kirchliche Redaktion 381 ff

190 Haag 858. Balz, Die Johannesbriefe 150 ff. Zit.155

191 Jk. 1,1; 1,22; 2,1. Luther, Tischreden 3,254;5,157, 382, 414. Haag 805 f. Lietzmann, GeschichteI 212 f. Marxsen, Der »Frühkatholizismus« 22 ff.Ders. Einleitung 222 ff, 243 ff, 272 ff. Halson 308 ff.Schrage, Der Jakobusbrief 5 ff. Luck, Weisheit undLeiden 253 ff. Ders., Der Jakobusbrief 161 ff. Küm-mel 356 ff, bes. 363 ff, 383 ff, bes. 390 ff, 396

192 Jud. 1. Vgl. auch 17. Cornfeld/Botterweck II376. Marxsen, Einleitung 236 ff

193 Marxsen ebd. 174. Speyer, Religiöse Pseudepi-graphie 252, 258. Ders. Literarische Fälschung 209.

194 Candlish 11. Bauer, Rechtgläubigkeit 178

195 Heinrici 79. Wikenhauser, Einleitung 75 ff.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.974 Deschner Bd. 3, 605Anmerkungen zum dritten Band

196 Martial 5,24. Harnack, Mission und AusbreitungI 117 Anm. 1. Weinel bei E. Hennecke, Neutesta-mentliche Apokryphen 1924, 330. Schneider, Gei-stesgeschichte I 401 ff. Werner, Die Entstehung 598ff. Moreschini II 110. Ausführlicher über die Entste-hung des Trinitätsproblems: Deschner, Hahn 381 ff

197 Bas. hex. 9. hom. 6. Vgl. hex. 6 hom. 2. Greg.Nyssa, Cat. 4,1. Altaner/Stuiber 303. Mühlenberg:»Die theologische Fassung des altkirchlichen Trini-tätsdogmas ist Gregor zu verdanken.« S. 58

198 1. Hen. 39,5 ff; 61,8 ff, 1. Tim. 5,21; Lk. 9,26.Apk. 1,1 f; 1,4 f. Vgl. auch Mk. 8,38. 1. Tim. 5,21;1. Thess. 3,13. Apk. 3,5; 14,10. Justin. apol. 1,6.Werner, Die Entstehung 302 ff, 635

199 Harnack, Mission und Ausbreitung 140. Weinel,Biblische Theologie 202. Schweitzer, Die Mystik 228Anm. 1. Lietzmann, Geschichte I 55. Klostermann232 f. Dibelius, Formgeschichte 285. Bultmann, Sy-noptische Tradition 310, 333. E. Meyer, Ursprungund Anfänge I 15, 92. Heitmüller 2 ff. Werner, Glau-be und Aberglaube 70. Ackermann 121 f. Grass 30 f.Schweitzer, Das Herrenmahl 585

200 Haag 300 f. Jülicher 589. Thiele 61 ff

201 Cornfeld/Botterweck III 796 ffKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.975 Deschner Bd. 3, 605Anmerkungen zum dritten Band

202 Brox, Falsche Verfasserangaben 26 f.

203 Speyer, Fälschung, literarische 242, 251, 270.Ders. Religiöse Pseudepigraphie 238

204 Farrer 94, 106

205 Bardenhewer I 503. Schneemelcher, Haupteinlei-tung 17, 32. Vgl. auch Deschner, Hahn 143 ff

206 Iren. adv. haer. 1,20,1. Tert. pud. 10,12. Barden-hewer I 78 f. Schneemelcher, Haupteinleitung 4 ff, 34f.

207 Reicke/Rost 108 ff

208 Brox, Falsche Verfasserangaben 61 f.

209 Bardenhewer I 79, 499

210 Ebd. 79, 500 f.

211 Brox, Falsche Verfasserangaben 64 ff

212 Meyer, Pseudepigraphie 102 f. Bardenhewer I500. Speyer, Religiöse Pseudepigraphie, in JbAC1965/66, 119 ff. Derselbe Aufsatz bei Brox, Pseude-pigraphie 253 ff

213 Hieron. apol. adv. Rufin, 1,7. Comm. in Jerem.4,22. ep. 57,2; 133,3. Socrat. h.e. 1,23. Altaner/Stui-ber 309 f, 392 ff. Speyer, Literarische Fälschung 206

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.976 Deschner Bd. 3, 605Anmerkungen zum dritten Band

ff. Ders. Fälschung, literarische 242

214 Kober, Die Desposition 675. Bardenhewer I 499f. Fuhrmann, H. 78. Bauer, Rechtgläubigkeit 163.Speyer, Religiöse Pseudepigraphie 259 ff. Brox, Fal-sche Verfasserangaben 28

215 Vgl. Schneemelcher, Einleitung 48 ff

216 Apk. 2,6. Iren. adv. haer. 1,31,1 ff. Epiphan.haer. 26,2,5; 38,1 f. Reicke/Rost 453. LThK 1. A. V746, VII 572. Bardenhewer I 351 f. Bauer, LebenJesu 499 f. Puech 159 f, 228 f.

217 Reicke/Rost 453 f. Meyer, Pseudepigraphie 102f.

218 Vielhauer, Judenchristliche Evangelien 90 ff.,dort auch die übrigen Zitate.

219 Epiphan. haer. 30,13,2 ff. Vielhauer, Juden-christliche Evangelien 100 ff. Vgl. 79 ff

220 Vielhauer ebd. 100 ff

221 Hieron. Comm. in Mich. 7,6; in Jes. 40,9; inHes. 16,13; 18,7; in Eph. 5,4. Bardenhewer I 513 ff.Vielhauer, Judenchristliche Evangelien 104 ff.

222 Pist. Soph. c. 42; 44 (Schmidt-Till). Puech 174ff, 194. Bardenhewer I 530. Bauer, Leben Jesu 503

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.977 Deschner Bd. 3, 606Anmerkungen zum dritten Band

223 Puech 168 ff, 173 f, 183 ff, jeweils mit den Quel-len und Belegen

224 Testament. Dom. 1,17. Altaner 45. Altaner/Stui-ber 257. Kraft 479. Brox, Falsche Verfasserangaben34. Speyer, Fälschung, literarische 240. Ders. Reli-giöse Pseudepigraphie 258

225 Puech 194 ff, 197 f, bes. 229 ff, 245 ff

226 Ev. Petr. V. 59 f. Bardenhewer I 524 ff. Torm128. Speyer, Religiöse Pseudepigraphie 213. Chr.Maurer, in: Hennecke, Neutestamentliche Apokry-phen 118 ff. Dort Quellenhinweise bzw. Belege

227 Clem. Al. strom 6,15,128. Hennecke/Schneemel-cher II 54, 58 ff.

228 Euseb. h.e. 6,14,1. Method. symp. 2,6. Sozom.h.e. 7,19. Reicke/Rost 1432. Haag 86. Altaner/Stui-ber 141 f. Bardenhewer I 610 ff. Hennecke/Schnee-melcher II 468 ff. James 270 ff. Quispel/Grant 31 f.Michaelis 469 ff. Vgl. auch die folgende Anm.

229 Bardenhewer I 547 ff, 615 ff. H. Duensing inHennecke/Schneemelcher II 536 ff. Silverstein 231 ff.Merkle 489 ff

230 Sozom. h.e. 7,19. August. serm 98,9. Bardenhe-wer I 615 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.978 Deschner Bd. 3, 606Anmerkungen zum dritten Band

231 Speyer, Literarische Fälschung 234 f, 281 f, 288.Ders. Fälschung, literarische 262

232 Protev. Jak. 6,1; 7,2; 8,1 ff; 12,3; 15,3; 20,1 ff;25,1. Clem. Al. strom. 7,16. Zeno v. Ver. 2,8. Vgl.auch nachfolg. Anm.

233 Haag 804. Bardenhewer I 533 ff. Speyer, Fäl-schung, literarische 256

234 Schreiner 156. Speyer, Literarische Fälschung280

235 Puech 250 ff

236 Ebd.

237 ebd. 186 ff

238 Altaner 60 f. Altaner/Stuiber 124 f. Kraft 191 f.Duensing bei Hennecke 126 ff. Speyer, ReligiösePseudepigraphie 256. Brox, Falsche Verfassernamen27 f

239 Didasc. 24

240 Bardenhewer II 304 ff.

241 Apg. 15; Did. c. 16; 24. Didasc. Apost. 43,12 ff;44,21 ff, Altaner 37 ff, 41 f. Bardenhewer II 304 ff.Knöpfler 127 ff. Bauer, Leben Jesu 309 f, 497. Brox,Falsche Verfasserangaben 31 ff. Speyer, Literarische

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.979 Deschner Bd. 3, 606Anmerkungen zum dritten Band

Fälschung 223. Ders. Religiöse Pseudepigraphie 213,257 f. Bardy 167. Hennecke, Apostolische Pseudepi-graphen 86. G. Strecker, in: Bauer: Rechtgläubigkeit2. A. 1964 248 ff. Schille 84 ff

242 Apost. Konst. 1,1; 1,6; 5,13; 6,15; 6,18; 7,46;8,30 f. Bardenhewer IV 262 ff, bes. 272 ff. Altaner/Stuiber 254 ff. Kraft 49 f. Bihlmeyer I 157 f, 360 f.Bardy 167. Hennecke, Apostolische Pseudepigraphen86. Brox, Falsche Verfasserangaben 33 f. 127 f.Knöpfler 128 f. Speyer, Literarische Fälschung 223 f.Ders. Religiöse Pseudepigraphie 213, 257 f.

243 Speyer, Literarische Fälschung 225

244 Speyer, Fälschung, literarische 225 f. Brox, Pro-blemstand 326

245 Ambros. Explanat. Symb. c. 2. Vgl. Iren. adv.haer. 1,10,1; 3,4,1. Selbst ein und derselbe Kirchen-vater verwendet verschiedene Formen für das Be-kenntnis. Vgl. Iren. adv. haer. 1,10,1 ff mit 4,33,7und die Behauptung Tert. praescr. haer. 13. Harnack,Dogmengeschichte 85 ff. Lietzmann, Geschichte II110. Werner, Glaube und Aberglaube 67 f. Knox 33f. Cullmann, Die ersten christlichen Glaubensbe-kenntnisse 12. Brox, Falsche Verfasserangaben 35 f.Trillhaas passim, bes. 14 ff, 28 f, 86 (setzt aber dieEntstehung des Glaubensbekenntnisses schon um 120

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.980 Deschner Bd. 3, 607Anmerkungen zum dritten Band

an.

246 Speyer, Fälschung, literarische 256

247 Schneemelcher, Apostelgeschichten 110 ff. Spey-er, Religiöse Pseudepigraphie 261, bes. Anm. 226mit vielen Hinweisen. Ders. Literarische Fälschung222 ff

248 Euseb. h.e. 3,25,6 f. Epiphan. haer. 47,1,5. Au-gust. contra adv. legis et proph. 1,20,39. ep. 237.Opitz, in: Reicke/Rost 873. Bardenhewer I 574 ff.Schäferdiek 125 ff. Pulver 141 ff

249 Bardenhewer I 550 ff. Schmidt, C., Zur Datie-rung 150 ff. Turner 119 ff. W. Schneemelcher, DiePetrusakten, in: Hennecke/Schneemelcher II 177 ff

250 Schneemelcher ebd. Ders. Paulusakten ebd. 221ff. E. Peterson 183 ff.

251 Vgl. Bardenhewer I 547 ff. Hennecke/Schnee-melcher II 110 ff

252 Candlish 35

253 Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen 9 f.Brox, Falsche Verfasserangaben 37 ff. Dort alle Quel-lenhinweise

254 Euseb. h.e. 3,3,5 f; 3,25,4. Altaner/Stuiber 136 f.Kraft 413. Bardenhewer I 598 ff. Schneemelcher, in:Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.981 Deschner Bd. 3, 607Anmerkungen zum dritten Band

Hennecke/Schneemelcher II 54, 80 ff

255 Speyer, Literarische Fälschung 47 ff, 252 ff.Ders. Fälschung, literarische 254, 261 f.

256 Tert. praescr. haer. 32. Ps. Clem. hom. 2,19;Recog. 1,41. ad virg. 2,15. Altaner 73 ff, bes. 76 ff.Altaner/Stuiber 45 ff, bes. 47, 88 f, 134 f. Kraft 140ff. Rehm 197 ff. Bardy 168. Candlish 34 f. Hennekke,Apostolische Pseudepigraphen 88. Bauer, Leben Jesu346. Lietzmann, Geschichte I 211 f. Speyer, Fäl-schung, literar. 267. Brox, Falsche Verfasserangaben29

257 Altaner 79. Altaner/Stuiber 48, 256. Kraft 295verliert über die Fälschungen kein Wort. Bardenhe-wer IV 270 ff. Lexikon der alten Welt 1369. Zeller113. Pfleiderer II 226 f. Krüger bei Hennecke, Neu-testamentliche Apokryphen 2. A. 1924 518. Good-speed, A History 28 f. Diekamp 25 ff. Candlish 20.Bardy 172 f. Lietzmann, Geschichte I 251 f. Brox,Falsche Verfasserangaben 30, 61. Speyer, Literari-sche Fälschung 266. Paulsen I 38 f

258 Altaner 92 f, 275, 296. Altaner/Stuiber 65 ff.Kraft 334 f. Bardenhewer I 206 ff, bes. 230 ff. Geff-cken, Zwei griechische Apologeten 267 ff. S. auchRegister Ps.-Justin bei Bauer, Leben Jesu 559. Brox,Falsche Verfasserangaben 30. Bammel I 57 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.982 Deschner Bd. 3, 607Anmerkungen zum dritten Band

259 Altaner/Stuiber 154, 160, 410. Kraft 474, 478 f.Bardenhewer II 432 ff

260 August. ep. 93,38. Contra Crescon. Donat. 1,32;2,31; 2,33. Altaner 147 f. Altaner/Stuiber 177 f. Vgl.auch Kraft 155. Bauer, Leben Jesu 233. S. auch Regi-ster 559. Speyer, Literarische Fälschung 207

261 August. ep. 188,2,4 f. de gest. Pelag. 22. Hieron.dial. c. Pelag. 3,16. Altaner/Stuiber 459. Kraft 433 f.Bardenhewer IV 520 f. Bardy 176 ff. Speyer, Literari-sche Fälschung 219 f, 268 f. Ders. Fälschung, literari-sche 267.

262 dtv Lexikon 12, 119. Altaner 232 f. Altaner/Stui-ber 47, 274, 289, 314, 335. Kraft 63 ff. Opitz 204 f.Bardenhewer III 44 ff, 54 ff. Brox, Falsche Verfasser-angaben 50. Speyer, Literarische Fälschung 266, 270.Ders. Fälschung, literarische 267

263 Altaner/Stuiber 253 f. Vgl. auch 385

264 Altaner/Stuiber 210 f, 313 ff. Bardenhewer III285 ff. Bardy 171 f, 174. Grillmeier I 169 ff. Speyer,Literarische Fälschung, 271 ff. Ders. Fälschung, lite-rarische 267 f.

265 Zachar. Rhet. h.e. 4,12. Speyer, Literarische Fäl-schung 273 ff. Ders. Fälschung, literarische 268

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.983 Deschner Bd. 3, 608Anmerkungen zum dritten Band

266 Altaner 335 ff, 341. Altaner/Stuiber 384 f, 389ff. Kraft 21, 27 ff. Hauck, F. 10. Knöpfler 240. Bar-denhewer III 498 ff, bes. 506 ff, 543 ff. Speyer, Fäl-schung, literarische 254, 265

267 Altaner 352. Altaner/Stuiber 401. Kraft 271.Schiwietz I 49 f. Völter 6. Reitzenstein, Historia Mo-nachorum 70. Heussi, Der Ursprung des Mönchtums70. Syme 301. Caspar I 256. Haller, Papsttum 2. A.1936 I 17 f. Laccarière 81 ff

268 Altaner 341, 382 ff. Kraft 21,95 ff. BardenhewerI 343, 570 B. nennt in seinem Standardwerk Dutzen-de von unechten Augustinusschriften IV 454 ff. Nurteilweise zusammenfassend 501 f. Brox, Falsche Ver-fasserangaben 50

269 Apg. 17,34. Ps. Dion. ep. 7,2 f. de div. nom.2,11; 3,2. Altaner 453 ff. Kraft 173 f. Bardy 183 f.

270 Römisches Martyrologium 71

271 Altaner 454. Kraft 173 f. Roques 1075 ff. Stigl-mayr, Der sogenannte Dionysius Areopagita 1 ff, 161ff. Ders. Um eine Ehrenrettung 52 ff. Günter, Diechristliche Legende 152 ff. Bihlmeyer 381 ff. Meyer,Pseudepigraphie 105 f. Bardy 181 ff. Riedinger 276ff. Engberding, Kann Petrus der Iberer 68 ff. Ders.Zur neuesten Identifizierung 218 ff. Speyer Literari-sche Fälschung 231, 289, 303. Brox, Falsche Verfas-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.984 Deschner Bd. 3, 608Anmerkungen zum dritten Band

serangaben 30, 62 Anm. 20 mit Bez. auf Speyer, Fäl-schung 190, 198. Kawerau, Geschichte der mittelal-terlichen Kirche 180 f

272 Speyer, Literarische Fälschung 86

273 Ebd. 240 ff

274 Ebd. Ders. Fälschung, literarische 257 f. Zur Be-streitung der Geschichtlichkeit Jesu vgl. Deschner,Hahn 13 ff

275 Tert. Apol. 5,2; 21,24. Euseb. h.e. 2,2,1 ff.Michl in: LThK 2, 1958, 689 f. Bardy 170 f. Speyer,Literarische Fälschung 148, 242 f, 250 f. Ders. Fäl-schung, literarische 258

276 Greg.Tur. hist. Fr. 1,21; 1,24. Bauer, Leben Jesu187 ff, 363 f, 469 f. Speyer, Literarische Fälschung236 f, 244 f. Vgl. auch 278. Ders. Fälschung, literari-sche 258

277 PL 8,964 ff. Altaner 268. Kraft 160 f. Speyer,Bücherfunde 139. Ders. Fälschung, literarische 265.

278 Speyer ebd. 251, 257. Ders. Literarische Fäl-schung 234 ff. Ders. Bücherfunde 138. Hennecke/Schneemelcher II 488 ff

279 Hieron. vir. ill. 12. Etwas skeptischer August. ep.135,14. Altaner 59. Thudichum II 339 ff. Torm 133.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.985 Deschner Bd. 3, 609Anmerkungen zum dritten Band

Syme 301, 307. Dibelius-Kümmel 9. Speyer, Fäl-schung, literarische 261. Brox, Falsche Verfasseran-gaben 28. Ellert 262 ff. Hennecke/Schneemelcher II88

280 Es gibt weniger bekannte christliche Brieffäl-schungen. Zum Beispiel einen Brief des Caesars Gal-lus, eines überaus blutrünstigen »rechtgläubigen«Christen (I 324 f), an seinen Stiefbruder Julian, denspäteren Kaiser, der in der Fälschung zum christli-chen Heuchler gestempelt wird. Oder einen unechtenBrief der aufs scheußlichste ermordeten heidnischenPhilosophin Hypatia an den hl. Kirchenlehrer Kyrill,der hinter dem Mord stand (II 200); dieser lateinischerhaltene Brief ist die Fälschung eines Nestorianers.Speyer, Fälschung, literarische 262. Hennecke/Schneemelcher 85

281 Kraft 424. Bratke 1 ff, 157 ff, 240 ff

282 Euseb. h.e. 3,19 f. Altaner/Stuiber 109 f. Speyer,Fälschung, literarische 259 ff

283 Ausführlich über die ungeheueren Übertreibun-gen der Christenverfolgungen: Deschner, Hahn 334ff. S. auch Speyer, Literarische Fälschung 54 ff, 252ff

284 Suet. Nero 16. Tacit. annal. 15,44. Schwanz,Kaiser Konstantin 31. Schneider, Geistesgeschichte IIKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.986 Deschner Bd. 3, 609Anmerkungen zum dritten Band

293. Ders. Die Christen 319. Clévenot, Von Jerusa-lem nach Rom 137. Ausführlicher: Deschner, Hahn336 f

285 Clévenot, Von Jerusalem nach Rom 138 f

286 Ehrhard, Die Kirche der Märtyrer 21

287 Gal. 6,16. Hebr. 11,9; 11,13; 13,14. 1. Petr. 1,1;1,17; 2,9; 2,11; Diog. 6,8 u.a. Barn. 5,7; 13,6. Herm.vis. 4,3,2 ff. 2. Clem. 5,1; 5,5. Barn. 5,7; 13,6. Arist.Apol. 16. Justin. Tryph. 119. Orig. c. Cels. 3,8. Tert.ad martyr. 1 f. Cypr. ep. 12. Lact. de mort. persec.12,3. Schwartz, Kaiser Konstantin 35. Krueger, DieRechtsstellung 123 ff, 231 ff. Harnack, Mission undAusbreitung 509. Dannenbauer I 50 f. Wlosok I 176ff. a. 317 wurde Laktanz »Hauslehrer des Kronprin-zen«, des Konstantinsohnes Krispus: Scheich I 206

288 RAC I 744 ff. Römisches Martyrologium passim.Eutychian ebd. 2. Heft 108. Caspar I 97 ff. Haller I54. Krüger, Die Rechtsstellung 223. Wickert I 160läßt Eutychian, wie viele andere, »den Märtyrertod«sterben. Das gilt nur eingeschränkt. Sogar BischofKornelius stirbt hier »in der Verbannung den Märty-rertod«: S. 171. Rüger, 309

289 Cypr. ep. 6. Vita Cypr. 7,14. Harnack, DasLeben Cyprians 74 f. Achelius 295, 313. Ehrhard,Die Kirche der Märtyrer 69. Auch ein so. prominenterKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.987 Deschner Bd. 3, 609Anmerkungen zum dritten Band

Lehrer wie Clemens Alexandrinus sah sich »zu ra-scher Flucht veranlaßt«. Ritter, Klemens von Alexan-drien I 122. Allerdings sei bei ihm als Fluchtgrundauch ein Konflikt mit seinem Bischof »nicht völligausgeschlossen« ebd.

290 Syme 298. Kötting, Die Stellung des Konfessors22. Speyer, Literarische Fälschung 214

291 Martyr. S. Polyc. 5,2; 9,1; bes. c. 16 ff. Wetzer/Welte VIII 572 ff. LThK 1.A. VIII 360 f. RömischesMartyrologium 17. Bardenhewer I 160 ff. Surkau 126ff. Campenhausen, Bearbeitungen und Interpolationenpassim. Schuchert 146. Conzelmann, Bemerkungenpassim, bes. 5 ff (bzw. 43 ff). Fazit: 20 (bzw. 58).Rordorf 249. Kraft, Die Lyoner Märtyrer 250 ff. Zit.254

292 Ausgewählte Akten persischer Märtyrer passim

293 Ebd. 150 ff

294 Ebd. 121, 126, 130, 134 f

295 Ebd. 160 ff

296 Römisches Martyrologium 1. Heft 9

297 Donin VII S. III, V. I 106 ff. Vgl. auch II 311 ffu.v.a.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.988 Deschner Bd. 3, 610Anmerkungen zum dritten Band

298 Auer, W., 25

299 Ausgewählte Akten persischer Märtyrer 114,137, 148 f

300 Ebd. 137 f

301 Ebd. 87, 93 ff, 97 ff. 100 ff, 113, 185

302 Römisches Martyrologium 1. Heft 15, 23, 27,32, 42 f, 47, 50, 54, 59, 66, 68 f, 91, 102, 105, 118 f.2. Heft 69, 73, 93 f, 119. Altaner/Stuiber 408. Ehr-hard, Die Kirche der Märtyrer 103. Graf, Das Marty-rium 209. Weitere große Zahlen bei Günter, Psycho-logie der Legende 139 f. Kötting, Peregrinatio 331

303 Drews, Die Christusmythe II 57 mit Berufung aufHausrath. Schneider, Geistesgeschichte II 41 Anm. 1.Hertling, Geschichte 50, 67. Stockmeier, Leo I. 100

304 Schuck 115

305 Ebd. 127, 149

306 Pauly III 365 f. dtv-Lexikon XI 31. Syme 308

307 Bauer, Rechtgläubigkeit 6 ff, 21 ff, 49 ff, 175 ff,193 ff. Vgl. auch G. Strecker in seinem »Nachtrag«bei Bauer ebd. 245 ff

308 Clem. Al. strom 7,17,106. Ptolem. ep ad Floram5,10. Wetter 46 f. Bauer, Rechtgläubigkeit 123 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.989 Deschner Bd. 3, 610Anmerkungen zum dritten Band

Campenhausen, Lehrerweihen 240 ff. Werner, DieEntstehung 171 ff

309 Dölger, Byzanz 111 ff. Speyer, Literarische Fäl-schung 299. Ders. Fälschung, literarische 264

310 RAC 1950 I 281 f. Altaner/Stuiber 209 f. Bar-denhewer II 263 ff, bes. 266 ff. Müller, K., Kirchen-geschichte 121. Bauer, Rechtgläubigkeit 49 ff, 57 f,64, 68, 120 f. 163 ff. Harnack zit. ebd. 49 f.

311 Theodor. Anagn. h.e. 2,2 (PG 86,1,184). Speyer,Literarische Fälschung 297. Ders. Fälschung, literari-sche 263. Ders. Bücherfunde 81 f.

312 Schwartz, Aus den Akten 4. Speyer, LiterarischeFälschung 296. Ders. Fälschung, literarische 264

313 RAC 1950 I 683

314 Bauer, Rechtgläubigkeit 7 ff. Ders. Leben Jesu541. Dobschütz, Christusbilder 103 ff, 127 ff. Spey-er, Fälschung, literarische 240

315 Euseb. h.e. 1,13,1 ff. Bardenhewer I 590 f

316 Euseb. h.e. 1,13,10

317 Ebd. 1,13,11 ff

318 Kirsten 573. Syme 301. Meyer, Pseudepigraphie105. Bauer, Rechtgläubigkeit 15 ff, 38 ff. Speyer, Li-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.990 Deschner Bd. 3, 610Anmerkungen zum dritten Band

terarische Fälschung 295. Ders. Fälschung, literari-sche 263

319 Altaner/Stuiber 139. Bardenhewer I 591 ff.Bauer, Leben Jesu 266 Anm. 2. Ders. Rechtgläubig-keit 13 ff, 21 ff. Speyer, Literarische Fälschung 296.Ders. Fälschung, literarische 263

320 Bardenhewer I 592 ff

321 Dobschütz, Christusbilder 105 ff

322 Ebd. 1 ff

323 Thudichum I 425 ff, II 136 ff. Speyer, Bücher-funde 23 ff, 30 ff, 41. Stübe 1 f.

324 Ebd.

325 Bernoulli 175 ff. v. Schubert I 76. Levison 9.Koch, Sankt Fridolin 71 ff

326 Pelag. I. ep. 24. Stein, Eine gefälschte Urkunde98 ff, Egger 62 f. Speyer, Fälschung, literarische 263f. Ders. Literarische Fälschung 300 f mit weiterenzahlreichen Literaturhinweisen

327 Caspar I 344 ff. Haller I 84 ff. Speyer, Fäl-schung, literarische 263. Ders. Literarische Fälschung296 f, 301

328 Stamer 15 f. Speyer, Fälschung, literarische 264.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.991 Deschner Bd. 3, 611Anmerkungen zum dritten Band

Ders. Literarische Fälschung 301

329 Schneider, Geistesgeschichte II 244. Speyer, Li-terarische Fälschung 301 f

330 Rippel 64

331 Speyer, Literarische Fälschung 283 ff

332 Zach, Rhet. h.e. 3,10. Altaner/Stuiber 3, 234,524 f. Kraft 34. Speyer, Literarische Fälschung 197,295, 309. Ders. Fälschung, literarische 262. Brox,Falsche Verfasserangaben 118 f

333 Altaner/Stuiber 139. Speyer, Literarische Fäl-schung 300 mit Literaturhinweisen

334 Hengel und Speyer zit. bei Brox, Problemstand320 f

335 Torm 147. Brox, Falsche Verfasserangaben 13 ff

336 Bludau, Schriftfälschungen passim, bes. 80 ff

337 Vgl. etwa Candlish 7 ff

338 Brox, Problemstand 322. Ders. Falsche Verfas-serangaben 77. Speyer, Literarische Fälschung 92 f,220, 232. Ders. Fälschung, literarische 237 f

339 A. Neander, Geschichte der Pflanzung und derLeitung der christlichen Kirche durch die Apostel, 2.A. 1838 II 451, Anm. 1 nach Candlish 9. Torm 112Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.992 Deschner Bd. 3, 611Anmerkungen zum dritten Band

ff, 147, von dem ich mit den letzten Ausführungenabweiche. Vgl. auch Meyer, Besprechung 150

340 Tert. de bapt. 17. Torm 117 f, 125 f.C. Schmidt,Acta Pauli 2.A. 1915, 174, zit. nach Torm ebd.

341 Vgl. Brox, Falsche Verfasserangaben 63 ff

342 Ebd. 55 ff

343 Meyer, Pseudepigraphie 109. Ders. Besprechung152. Brox, Problemstand 317 f. Ohlig 58 ff

344 Torm 114, 118

345 Candlish mit Bez. auf Clem. Al. strom. 5,8 ff,7,9. Orig. c. Cels. I, Praef. 5. Brox, Problemstand323 f. Speyer, Literarische Fälschung 94 ff

346 Plat. Pol. 2,382 c; 3,389 b. Brox. Falsche Ver-fasserangaben 85 f

347 Brox ebd. 86 f

348 Nietzsche, Der Antichrist 44. Thudichum I 240ff. Müller, G., Die Wahrhaftigkeitspflicht 34 ff

349 Röm. 3,7

350 Clem. Al. strom. 1,160,2; 6,124,3; 7,53,2. DazuBrox, Falsche Verfasserangaben 87 f

351 Orig. bei Euseb. h.e. 6,25,13 fKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.993 Deschner Bd. 3, 611Anmerkungen zum dritten Band

352 Orig. c. Cels. 4,19. Brox, Falsche Verfasseranga-ben 88 f, 94 f

353 Greg. Nyssa or. cat. m. 22 ff. Greg. Naz. or.39,13. Brox, Falsche Verfasserangaben 95 f

354 Joh. Chrysost. hom. 7,5 de poenitent. Vgl. auchhom. 53,3 in Gen.; de sacerdot. 1,8. Baur, Der heiligeJohannes Chrysostomus I 319 ff. Kantzenbach, Ur-christentum und alte Kirche 137

355 Alle Quellenhinweise bei Brox, Falsche Verfas-serangaben 92 f.S. auch 98 und LThK 1. A. V 13 ff,bes. 17

356 Cass. coll. 1,8 ff, 17,17 ff. Altaner/Stuiber 452ff. Kraft 128 f, Brox, Falsche Verfasserangaben 90 f

357 Speyer, Literarische Fälschung 96 f

358 Brox, Falsche Verfasserangaben 91 f

359 August. conf. 6,6. de civ. dei 5,24. contra men-dac. 24. Quaest. de Evang. 2,51

360 Brox, Falsche Verfasserangaben 104 f

361 Müller, Die Wahrhaftigkeitspflicht 286. Ohm736

362 Hoensbroech, 14 Jahre Jesuit II 441 ff, bes. 454ffKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.994 Deschner Bd. 3, 611Anmerkungen zum dritten Band

363 Dostojewski 619

364 Hoensbroech, 14 Jahre Jesuit II 460

365 Häring, Gesetz Christi III 545 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.995 Deschner Bd. 3, 612Anmerkungen zum dritten Band

2. KapitelWunder- und Reliquienbetrug – 1. Wunderbetrug

1 Zit. nach Fries, Zeichen/Wunder 463

2 Anhang zu den philosophischen Gedanken XXIV.Zit. nach Halbfaß, Diderot I 102

3 Strauß, Die christliche Glaubenslehre I 224 f

4 Lessing, Vom Erweis des Geistes und der Kraft,Ges. Werke, hg. P. Rilla VIII

5 Bayle zit. nach v. Schmid, Apologetik 267

6 Schopenhauer, Sämtliche Werke, 1873 f, VI 411,422

7 Brunsmann I 195

8 Monden 242

9 Ebd.

10 Russell 34

11 Daecke, Wunder 90 ff

12 1. Kg. 17,1 ff. 2. Kg. 2,8; 2,11; 2,14. 2. Mos. 4,2ff. August. civ. dei 10,17. dtv-Lexikon Religion II312 f. Luegs II 702 ff. v. Schmid, Apologetik 323.Specht, Lehrbuch 96, 100. Zwettler 132Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.996 Deschner Bd. 3, 612Anmerkungen zum dritten Band

13 Haag 1901

14 Jh. 2,1 ff. Mt. 8,23 ff. Mk. 4,35 ff. Lk. 8,22 ff. Mt.14,22 ff. Mk. 6,45 ff. Jh. 6,15 ff. Mt. 14,13 ff, 15,29ff. Mk. 6,32 ff, 8,1 ff. Lk. 9,10 ff. Jh. 6,1 ff. Mt. 9,18ff. Mk. 5,21. Lk. 8,40 ff, 7,11 ff. Jh. 11,1 ff. Mt.17,24 ff

15 Diderot, Anhang zu den philosophischen Gedan-ken (Addition aux Pensées philosophiques) XXVI.Zit. nach Halbfaß, Diderot I 102. Th. Vogel, GoethesSelbstzeugnisse 1903. Fehlt in der Jubiläumsausgabe!Zit. nach v. Frankenberg, Goethe I 161

16 Zwettler 133 ff. Peters 263. Gnilka, Zeichen/Wun-der 452. Glaubensverkündigung 120

17 dtv-Lexikon, Religion II 312. Glaubensverkündi-gung 121

18 Mk. 7,33 f, 8,22 ff. Jh. 9,6 ff. Mensching, Irrtum38 f. Gnilka, Zeichen/Wunder 453

19 Euseb. h.e. 1,13,6; 1,13,18. Just. Dial. 69. de re-surr. 4. Iren. 3,11,5. Arnob. 1,43 f. Vgl. auch Ps.Clem. hom. 1,6

20 Alles ausführlich gezeigt und belegt bei Deschner,Hahn 37 ff, 51 ff. Wagenmann 61

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.997 Deschner Bd. 3, 612Anmerkungen zum dritten Band

21 Trede 46, 51, 57. Münzer zit. bei Schultz, DieWahrheit der Ketzer 110. Alles weitere belegt beiDeschner, Hahn 56 ff

22 Glaubensverkündigung 121. Mensching, Irrtum 38

23 All dies ziemlich ausführlich gezeigt und belegtbei Deschner, Hahn 56 ff, bes. 61 ff, daher hier nichtwiederholt

24 Ausführlich und mit allen Belegen ebd.

25 Ebd. 69 ff, 89 ff, 98 ff

26 Klug 154, 156. A. Rosenberg zit. ebd. 158

27 Suet. Aug. 31. Cicero, divin. Liv. 39,13,12.Herod. 7,111. Paus. 9,30,9. Bieler 90 ff. Leipoldt/Morenz 34. Trede 71 f

28 Mk. 3,22 f. Mt. 9,34. Orig. c. Cels. 2,28; 2,48;3,28; 3,33; 8,9. Tert. adv. Marc. 3,5 ff. Clem. Al.strom. 6,15,122,1. Just. apol. 1,21; 1,30; 1,31,7 f;1,33,2 u.a. Just. dial. 69,4 f. Lact. inst. 4,15. August.in ev. Joh. 35,8. Novat. de trin. 11. Trede 89 ff.Schlingensiepen 43 ff. Bauer, Leben Jesu 361, 365 f.Speigl, Die Rolle der Wunder 303 ff

29 Fries, Zeichen/Wunder 465 ff. Vgl. auch Stieglitz179 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.998 Deschner Bd. 3, 613Anmerkungen zum dritten Band

30 Mk. 1,2 f; 11,9 f; 14,27; 15,24; 15,29; 15,36. Mt.2,6; 2,11; 2,15; 2,17; 2.23; 4.14; 8,17; 13,25; 21,4;26,15; 27,34; 27,43. Lk. 1,31; 23,49. Jh. 2,17; 6,31;6,45; 12,14; 12,37 ff; 19,36 f. Röm. 1,2; 3,21; 15,3;16,26. 1. Kor. 15,3 f. Gal. 3,13. Clem. Al. strom.6,15,128. Haag 1557 ff. Bauer, Leben Jesu 537 f.Tenney 300 ff. Hillyer 12 ff

31 Weitere Belege bei Bauer, Leben Jesu 538 f. Har-nack zit. ebd. Speigl, Die Rolle der Wunder 304 f.Dannenbauer I 132 f.

32 Orig. c. Cels. 2,28; 4,2. Iren. adv. haer. 2,32,4.Speigl, Die Rolle der Wunder 303 f.

33 Ausführlich: Deschner, Hahn 115 f, 120 ff

34 Ausführlich ebd. 116 ff

35 Orig. c. Cels, 2,13. Orig. hom. 17 in Lc. Ungern-Sternberg 16. Hirsch, Das Alte Testament 10 ff. Wer-ner, Die Entstehung 158 ff. Lohse, Märtyrer 116. Vgl.auch das 16. Kapitel »Der Weissagungsbeweis«,Deschner, Hahn 114 ff

36 Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen I 32 ff

37 Viele Quellenhinweise bei Bauer, Leben Jesu 363ff. Viele vergleichende Beispiele auch bei Deschner,Hahn 51 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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2.999 Deschner Bd. 3, 613Anmerkungen zum dritten Band

38 Bauer, Leben Jesu 134 ff

39 Scheidweiler/Schneemelcher II 361

40 Lucius 340. Schlingensiepen 22 ff. Söder 112 ff.Speigl 296 ff. Cullmann, Kindheitsevangelien 272 ff

41 Ps. Thomas 2,1 ff; 3,1 ff; 4,1 ff; 9,1 ff; 17 f

42 Mk. 6,12 f. 2. Kor. 12,12. Röm. 15,18. Agp. 3,6;4,10; 5,12; 5,15 ff; 19,11. Dazu etwa Schweizer E.,Neues Testament 93 ff

43 Bardenhewer I 571. Hennecke, NeutestamentlicheApokryphen 83, 95. Deschner, Hahn 53 ff

44 Mart. Pol. 5,2; 9,1; 15. Acta Pauli et Theclae 33.Ign. Rom 5 Mart. Perpet. 19. Mart. Mironis ActaAgathae 8 f. Keller, Reclams Lexikon 438. Lucius83, 85, 92. Surkau 126 ff. Dannenbauer I 371. Peters59. Ausführlicher Deschner, Hahn 349 ff

45 Römisches Martyrologium I 13 ff, 24, 32, 42 ff,53, 56, 58 f, 63, 66 ff, 81 f, 101, 106, 108, II 68,114, 116. Lucius 95 ff

46 Daniel 3. Apg. 5,19. Hermas. sim. 9,28. Cypr. ep.58,3; 76,7. de laude martyr. 16. de mortal. 17. delaps. 12. Martyr. Polyc. 2; 16. Orig. exhort. 2; 4; 14;34. Euseb. h.e. 8,7,1 ff; 8,9,1 ff. Acta Pauli et The-clae 22; 33. Römisches Martyrologium I 10, 14, 22,

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.000 Deschner Bd. 3, 613Anmerkungen zum dritten Band

28, 50, 94; II 21, 90. Lucius 51 ff, 75 ff. Baumeister267 ff

47 Alle Beleghinweise bei Lucius 91

48 Euseb. h.e. 8 passim. Zit: 8,1,1; 8,4,5; 8,6,9; 8,7,1f; 8,9,3; 8,9,5; 8,12,5; 8,14,13.

49 Ruhbach 225

50 Ambros. de virg. 1,2; 2,7; 4,22 ff. Alle anderenBeleghinweise bei Lucius 85 f. Anm. 3; 90 Anm. 2

51 Theodor. 17. Sulp. Sever. Dial. 2,8. RömischesMartyrologium I 15, 46, 65, 81 f. Lucius 408

52 Römisches Martyrologium I 6, 9, 14, 24, 27, 30,54 ff, 62, 90, 97, 108, II 18, 69

53 Euseb. h.e. 5,1,16.

54 Ebd. 5,1,18 ff. Römisches Martyrologium 93 f

55 Clévenot, Die Christen 72 ff

56 Donin III 335 f. van der Meer, Die alte Kirche I17

57 Donin VII 215. Kraft, Die Lyoner Märtyrer 257 f.Brox, Irenäus von Lyon 83

58 Acta Pauli et Theclae passim. Greg. Naz. carm. 4.Greg. Nyssa, in cant. hom 14. Ambros. virg. 2 f. Au-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1023: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.001 Deschner Bd. 3, 614Anmerkungen zum dritten Band

gust. in Faust. 30,4. Sulp. Sev. dial. 2,14. Joh. Chry-sost. in Act. Apost. hom. 25. Donin V 235 ff. Keller,Reclams Lexikon 475. Bardenhewer I 561 ff

59 Bardenhewer I 562 f. Aerssen 30

60 Auer, W. 533

61 Donin V 238 f

62 Altaner/Stuiber 238 f. Kraft 404 f. Lacarrière 105,112 f, 125, 144

63 LThK 1. A. IV 897 f. Lucius 337 ff. DannenbauerI 176 f. Speigl 297 f. Puzicha 301

64 Lucius 345 ff

65 Sulp. Sever. Vita Martini c. 6 ff, 12,3. Dial. 2,3,6ff; 3,6. Paulin. v. Nola carm. 28,60 ff, 23,82. Hieron.ep. 108,13. Rufin. hist. mon. c. 9 ff

66 Alle Beleghinweise bei Lucius 402 ff. Vgl. auchPfister 617 f.

67 Vita Patr. 1,16. Vita Joann. Eleemosyn. 54 f.Euagr. h.e. 4,33. Hieron, Vita Hilar. 46

68 Hieron. Vita Pauli 10,16. Römisches Martyrologi-um I 8. Keller, Reclams Lexikon 414. Kühner, Lexi-kon 258 ff, bes. 262. Aerssen 81. Denis-Boulet 66

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1024: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.002 Deschner Bd. 3, 614Anmerkungen zum dritten Band

69 Vita Ant. c. 50; 58. Hist. mon. 30. Hist. Laus. 8.Socrat. h.e. 4,23. Sozom. h.e. 1,14

70 Aerssen 81. Zöckler 232 f. Lucius 383. Weinreich128

71 Theod. hist. rel. 8. Hist. Laus. 12 f, 17. Hieron.Vita Hilar. Vita Onophrii 10 f. Kraft 405 f. Lecky I332 f. Lucius 378 ff. Reitzenstein, Historia Monacho-rum 121, 124 ff. Heussi, Der Ursprung des Mönch-tums 172 ff

72 Hieron. adv. Vigil. Sulp. Sever. Dial. 1,26,5. Lu-cius 392 ff mit vielen Quellenhinweisen

73 Vgl. etwa Lotter 310

74 Theodor. h.e. 4,16. Sozom. h.e. 7,26 ff. Marc.Diac. Vita Porph. 3,19 ff. Gregor. I. dial. 3,2 ff. Luci-us 410 ff

75 Faust. 4,6

76 Ebd. 4,12

77 Sulpic. Sever. dial. 2,9. Römisches MartyrologiumII 91. Weinreich 127 f. Mohr 23 ff. Walterscheid 16f. Goosen 87 ff. Clévenot, Der Triumph 77 f

78 Greg. I 2. dial. 2,3; 2,5 ff; 2,11 f; 2,15 ff; 2,28;2,32. Römisches Martyrologium I 11. Walterscheid43. Puzicha 284 ff, bes. 301 ffKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1025: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.003 Deschner Bd. 3, 614Anmerkungen zum dritten Band

79 Moschus, Prat. 47 t. Lucius 462. Weitere Beispie-le für Strafwunder überhaupt, auch für Schaden- undKrankheitswunder bei Günter, Legendenstudien 40 ff,142 ff

80 Apg. 5,1 ff; 13,6 ff. Weinreich 55 ff

81 Theodor. 1. Vit. Pachom. c. 34. Lacarrière 124 f

82 Diese und weitere Beispiele mit sämtlichen Quel-lenhinweisen bei Funke 813 f

83 Donin V 296 ff

84 Altaner/Stuiber 477. Rücken II 203. Lucius 407 f

85 LThK 1.A. X 646 ff. Speyer, Literarische Fäl-schung 66

86 Epiphan. 49,1. Iren. 1,14,1. Lucius 340 ff. ZuPaulus ausführlich: Deschner, Hahn 156 ff

87 Vita Ant. c. 47 ff, 60, 65 f. Römisches Martyrolo-gium I 27. Lucius 340 ff. Dörries, Die Vita Antonii I171. Momigliano, Das Christentum 417. Schneemel-cher, Das Kreuz Christi 381 ff, bes. 386. Staats, An-tonius 236 ff. Tetz 1 ff

88 Altaner/Stuiber 262 f. Kraft 403. Grützmacher,Pachomius 83 ff. Nigg, Geheimnis der Mönche 85

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1026: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.004 Deschner Bd. 3, 615Anmerkungen zum dritten Band

89 Römisches Martyrologium I 35, 44. Kawerau, Ge-schichte der alten Kirche 201

90 Altaner/Stuiber 211 f. Kraft 255. Bardenhewer II315 ff. Minowska, Die Jungfrau 145 f. Gregorovius1869, I 99. Lucius 420 f. Loewenich, Von Augustinzu Luther 110. Ausführlich Deschner, Hahn 360 ff

91 Sulp. Sever. dial. 3,13. Lucius 378. Mohr 33 ff

92 Bardenhewer I 500

93 Wetzer/Welte VI 412 f. LThK 1. A. VI 450. Gün-ter, Die christliche Legende 3 f, 9

94 Greg. I. dial. 3,2. Caspar II 189 ff

95 Wetzer/Welte VI 412. LThK 1. A. VI 451

96 Günter, Die christliche Legende 1 ff. Schauerte 40

97 Speyer, Literarische Fälschung 215. Ders. Fäl-schung, literarische 252

98 Günter, Die christliche Legende 178, 189. Beissel,Geschichte der Verehrung Marias 144, 491. Vgl.auch die folgende Anmerkung.

99 Graus, Volk 448 f. Vgl. auch Speigl 296 ff. S. fer-ner die vorhergeh. Anm.

100 Weber, M. Grundriß III 1. Halbbd. 241 ff. Vgl.auch Graus, Volk 40. Dort weitere LiteraturKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.005 Deschner Bd. 3, 615Anmerkungen zum dritten Band

101 Epiphan. adv. haer. 2,30. Eurip. Bacch. 142.Pausan. 6,26,2. Harnack, Mission und Ausbreitung I237. Bousset, Kyrios Christos 62. Greßmann, Todund Auferstehung 22 ff. Bauer, Das Johannesevange-lium 44. Wilamowitz-Moellendorf 68. Otto 90 ff. Di-belius, Formgeschichte 99. Leipoldt, Von Epidaurosbis Lourdes 38 f

102 Donin VI 360. Graus, Volk 40

103 August. de civ. dei 22. Lecky I 330. Troeltsch,Augustin 9. Kötting, Peregrinatio 264 f. Kawerau,Geschichte der alten Kirche 202. Andresen, Die Kir-chen 519

104 Kirchl. Erlasse, in: Archiv f. kath. Kirchenrecht507 f. Naegle II 297

105 Büchner, Kraft und Stoff 36. Schopenhauer,S.W. 1873 f. VI 411, 422. Vgl. etwa Brunsmann I182 f. Th. Specht 87 f.

106 Spinoza und Bayle zit. nach v. Schmid, Apologe-tik 267, 325. G.E. Lessing, Vom Erweis des Geistesund der Kraft, in: Gesammelte Werke, hg. v.P. RillaVIII

107 Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I 3. A.63. Zit. nach v. Schmid, Apologetik 296. FernerDaecke, Wunder 91. Bultmann, Zur Frage des Wun-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.006 Deschner Bd. 3, 615Anmerkungen zum dritten Band

ders 214 ff

108 Daecke, Wunder 91 f. Vgl. auch ders. in: MeinGottesbild, Eine Anthologie, München 1990 25 ff,bes. 30 (Ich empfehle in diesem überwiegend konser-vativen bis erzreaktionären Sammelband, in dem Jo-hannes Paul II. und ich Koautoren sind, vor allem zurLektüre die Essays von Horst Herrmann, Kein Vater,keine Liebe 141 ff, und von meinem Freund KlausKatzenberger, Mit Krawatte im All. Ein Götterbildaus lauter Fetzen 186 ff)

109 Strauß, Die christliche Glaubenslehre I 240.Renan, Leben Jesu 43 f

110 Holbach, zit. nach Hoehl 132. Schelling, Vorle-sungen über die Methode des akademischen Studi-ums, Sämtl. Werke 1803 1. Abt. V 302. v. Ségur 192

111 v. Schmid, Apologetik 247. Peters 61. FaßbinderHeft 9, 519. Specht/Bauer s. Th. Specht, 96

112 Brunsmann 204 ff. Zwettler 131

113 Justin. apol. 1,26; 56. Iren. adv. haer. 2,31,2;2,32,3 ff. August. de trinit. 3,9 f; 3,19. civ. dei 10,10;10,12. Vgl. auch 10,17 f. Dannenbauer I 176

114 Vgl. auch Strauß, Die christliche Glaubenslehre I224 f. Brunsmann 181

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.007 Deschner Bd. 3, 616Anmerkungen zum dritten Band

2. Reliquienbetrug

115 Pfister 618 f

116 LThK VIII 1963, 1220

117 Kötting, Peregrinatio 331, 341

118 LThK VIII 1963, 1216. v. Glasenapp, Glaubeund Ritus 103. Heiler, Erscheinungsformen 431 f.Vgl. 230, 312

119 LThK VIII 1963, 1216. v. Glasenapp, Glaubeund Ritus 103 f. Heiler, Erscheinungsformen 431 f

120 4. Mos. 19,11 ff. Wetzer/Welte IX 198. LThKVIII 808. Glasenapp, Glaube und Ritus 104

121 Pfister 377 ff, 385 ff, 397, 623 ff

122 Diod. 11,38; 11,53; 11,66; 16,20. Plut. Dion.46. Herod. 5,47. Pfister 417 ff, 579 ff

123 Pfister 401 ff, 445 ff. Kötting, Der frühchristlicheReliquienkult 10 ff

124 Pfister 423 ff, 429 ff, 527. Vgl. 321 ff. Kötting,Der frühchristliche Reliquienkult 13 ff

125 Pfister 188 ff, 433 ff

126 Ebd. 439 ff. Heinzelmann, Translationsberichte18 fKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1030: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.008 Deschner Bd. 3, 616Anmerkungen zum dritten Band

127 Pfister 510 ff

128 Ebd. 489 ff

129 Basil, hom. in Ps. 115. Pfister 527 ff, 610 ff

130 Pfister 324, 443 f, 534. Die Ausnahmen: körper-liche Reliquien außerhalb des Grabes: ebd. II 423 ff.Greßmann,Tod und Auferstehung 10

131 Mt. 9,20 ff. Apg. 5,15; 19,11 f. Wetzer/Welte IX198. LThK 1.A. VIII 808

132 Für Wetzer/Welte IX 198 beginnt der Reliquien-kult mit Ignatius von Antiochien. Pfister 323, 429 ff.Kötting, Peregrinatio 325. Ders. Reliquienverehrung321 f.

133 Kyrill v. Jerusal. Catech. 18,16. Basil. hom. inPs. 115. Belege bei Pfister 609 ff

134 Lexikon der Ikonographie III 538. LThK VIII1963, 1217. Pfister 323, 617

135 Prudent. Peristeph. II (PL 60, 294 ff) V 555 f(PL 60,410). Wetzer/Welte IX 197. LThK 1.A. VIII807 ff. Rauch, Lexikon 1030. Kötting, Reliquienver-ehrung 329 ff. Heinzelmann, Translationsberichte, 17

136 Lucius 405 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1031: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.009 Deschner Bd. 3, 616Anmerkungen zum dritten Band

137 Beleghinweise in Lexikon der Ikonographie III538. Kötting, Reliquienverehrung 325. Ders. Derfrühchristliche Reliquienkult 15 ff

138 Sozom. h.e. 5,19,12 f (PG 67, 1275 f). Herzog,Der Kampf um den Kult 117 ff. Kötting, Reliquien-verehrung 324, 328

139 Theodor. 15 f; 21. Hieron. Contra Vigil. c. 5.Sozom. 7,21; 7,29. August civ. dei 22,8. Euagr. h.e.1,13; Cassian. Collat. 6,1. Gregor Tur. Vita Patr.13,3. Lexikon der Ikonographie III 539. LThK VIII1963, 1221. Heinzelmann, Translationsberichte 63 f

140 Hieron. Vit. Hilar. 46. Greg. Tur. Hist. Franc.1,48. Sozom. 3,14 Stockmeier, Johannes Chrysosto-mus 143

141 Außer I 431 ff. vgl. auch Ambr. ep. 22. Mart.Polyk. 13,2. Pontius, Vita Cypr. 16,6. Wetzer/WelteIX 200 (hier Ambros.-Zit.). Kötting, Reliquienvereh-rung 325 Anm. 26. Leipoldt, Von Epidauros bisLourdes 98

142 Ambros. ep. 22. Moreau in LThK 1. A. X 624 f.Ewig, Spätant. und fränk. Gallien 293 ff. Clévenot,Der Triumph 80 f. Heinzelmann, Translationsberichte27

143 Clévenot, Der Triumph 81Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1032: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.010 Deschner Bd. 3, 617Anmerkungen zum dritten Band

144 Die Quellenangaben bei Wetzer/Weite IX 200

145 Johannes v. Damaskus, de fide orthodoxa 4,15(PG 94, 1165A). Altaner/Stuiber 526

146 Fichtinger 38. Donin VI 279 ff. Maschek 583 f.Kötting, Peregrinatio 411

147 Sulpic. Sever. Dial. 3,3 (CSEL 1,200). Anonym.Piac. c. 20 (CSEL 39,172). LThK 1. A. III 202 f. Al-taner/Stuiber 231. Lucius 214 ff. Kötting, Peregrina-tio 225 f, 405 f

148 Greg. Tur. in gloria mart. 30. Vit. patr. 8,11. Le-xikon der Ikonographie III 538 f. LThK 1.A. I 294 ff.Wieland 74 ff. Kirsch/Klauser 335 ff. Kötting, Reli-quienverehrung 325. Ders. Peregrinatio 331 f. Hein-zelmann, Translationsberichte 26 f

149 Hormisdas ep. 77 (Coll. Avell. 218). Avitus v.Vienne ep. 27 (MGH Auct. antiqu. 6,2,59). LThK III1959, 1170. Kötting, Peregrinatio 239 ff

150 Holzmann, König Heinrich I. 62 ff. Heinzel-mann, Translationsberichte 24 f, 35 ff, 68 f

151 Lucius 205 ff. Kötting, Peregrinatio 332

152 Greg. Tur. in gloria confess. 78 (MGH Script.rer. Merov. I/2,346)

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1033: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.011 Deschner Bd. 3, 617Anmerkungen zum dritten Band

153 Greg. Nyssa, hom. in XL mart. (PG 46,784).Prudent. Peristeph. 5,341 f (PL 60, 398) Athan. VitaAnton. 90 (PG 26, 969) Heinzelmann, Translations-berichte 18 f

154 Maxim. Tur. hom. 81. Greg. Tur. Hist. Franc.6,27 (MGH SS rer. Mer. 1,266). Dölger, F.J., DasKultvergehen 245 ff. Kötting, Peregrinatio 332 f

155 Cod. Theod. 9,17,7. Nov. Valentin. 23. Greg. I.ep. 4,30. LThK 1. A. VIII 808. Ebd. VIII 1963, 1219f. Lucius 191. Schlesinger, Kirchengeschichte II 459.Leipoldt, Von Epidauros bis Lourdes 95 ff. Kötting,Peregrinatio 334. Heinzelmann, Translationsberichte39 ff

156 LThK VIII 1963, 1220. Kötting, Reliquienvereh-rung 326 f

157 Greg. Tur. in glor. mart. 13 (MGH Script. rer.Merov. I/2, 47 f). LThK VIII 1963, 1219. Heinzel-mann, Translationsberichte 21 f

158 Victric. de laude sanct. 6. August. de opere mon.28,36. Greg. Tur. in glor. mart. 46 (MGH, Script. rer.Merov. I/2, 69). Kötting, Peregrinatio 341. Ders. Re-liquienverehrung 324. Heinzelmann, Reliquientrans-lationen 22

159 Alle Quellenhinweise bei Kötting, Reliquienver-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.012 Deschner Bd. 3, 617Anmerkungen zum dritten Band

ehrung 327 f.S. auch ders. Peregrinatio 335, 340 f.Lucius 183. Pfister 431. Heinzelmann, Translations-berichte 20 ff

160 dtv Lexikon Bd. 13, 316 f. Kühner, Lexikon 40.Fichtinger 297 f. LThK 1. A. VIII 809. Theiner I 215f. Trede 206. Kötting, Peregrinatio 341. Reliquien-verehrung 323 f, 331 f

161 Greg. Tur. Hist. Franc. 3,29. LThK 1.A. X 636 f.Pfister, Reliquienkult 213 f, 322

162 Mk. 6,3. Tert. Carne Chr. 7. Orig. hom. 17 inLuc. Chrysost. hom. 21,1 in Joh. hom. 24,1 in Matth.Vgl. auch hom. 44. Theod. Lect. h.e. 1,1 (PG86,1,165A). Lucius 420, 470 ff. Drews, Die Marien-mythe 159. Kötting, Peregrinatio 295. Schneider,Geistesgeschichte I 243 Anm. 1; II 226

163 August. de trinit. 8,5. Lexikon der IkonographieIII 155 ff. Lucius 468 ff. Vgl. zu Maria als Kriegsgöt-tin vor allem: Höcht, Maria rettet das Abendland. Esist das perverseste, verrückteste Buch das mir in derkirchengeschichtlichen Literatur des 20. Jahrhundertsbekannt geworden ist. S. auch ders. Fatima und PiusXII. Etwas ausführlicher: Deschner, Das Kreuz 396 ff

164 Anonym. Piacenza 20 (CSEL 39,173). Lexikonder Ikonographie III 544. Lucius 467 f mit vielenQuellenbelegen. Kötting, Peregrinatio 101. Vgl. auchKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.013 Deschner Bd. 3, 618Anmerkungen zum dritten Band

die folg. Anm.

165 Beissel, Geschichte der Verehrung Marias 132 f.Hoensbroech, 14 Jahre Jesuit II 318 f. Pfliegler 194.Leipoldt, Von Epidauraos bis Lourdes 167 ff, bes.169. H. Bornkamm, Kurfürst Friedrich d. Weise 80 f

166 Drews, Die Marienmythe 181

167 Mt. 2,13 ff. Pfister 324 ff und 398 Berichtigungzu S. 256

168 Pfister 353 ff

169 Kötting, Reliquienverehr. 324 f

170 Hieron, ep. 109,1. Wetzer/Welte I 132, II 572 ff,IX 201. LThK 1.A. I 143, II 982, X 607 f. Kötting,Peregrinatio 334 f.

171 Conc. Trident. Sess. XXV de invoc. et venerat.Ss. Zu Verordnungen gegen »Mißbräuche« vgl. Conc.Lateran IV c. 62 (a. 1215). CIC can. 1283, § 1; 1285,§ 2. Wetzer/Welte IX 203

172 Maxim. v. Turin, hom. 81 (PL 57,428 B). Köt-ting, Peregrinatio 331 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.014 Deschner Bd. 3, 618Anmerkungen zum dritten Band

3. KapitelWallfahrtsschwindel

1 Kötting, Peregrinatio 102

2 Steinmann 231

3 Wetzer/Welte XI 794 f. Pauly V 1347 f. Bertholet633. Vgl. auch 226. LThK 1.A. X 735 f. Kötting, Pe-regrinatio 12 ff, 32 ff, 57 ff, 69 ff, 316

4 Rahner, Pompa diaboli 239 ff. Kötting, Peregrinatio386 ff

5 Mt. 5,33 ff. Paulin. v. Nola, carm. 20,67 ff. Köt-ting, Gelübde RAC IX 1081 ff. Ders. Peregrinatio324 f

6 Greg. Tur. Vit. patr. 6,2 (MG Script. rer. Merov. I681). LThK 1.A. X nach S. 700. Rouse 187 ff. Her-zog, Die Wunderheilungen 52 ff, 126 ff. Kötting, Pe-regrinatio 298 ff

7 Joseph. Bell. Jud. 5,13,6. Aristophan. Wolken 599.J. Sauer in LThK 1.A. X nach S. 700 mit zahlreichenQuellenhinweisen. Weinreich 118

8 Aristoph. Plutos 406 ff. Ovid. met. 15,628 ff. Plut.Perikles 13. dtv-Lexikon Religion II 12 ff. Bertholet271 f. LThK 1.A. V 405 f. Weinreich 76 ff. 110 ff.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.015 Deschner Bd. 3, 618Anmerkungen zum dritten Band

Wittmann, Kosmas und Damian 22 f.

9 Altaner/Stuiber 520 f. LThK 1.A. V 405 f. Kötting,Peregrinatio 215, 328 u. 396 f. Wittmann, Kosmasund Damian 23 f.

10 Bertholet 334 ff, 543 ff. LThK 1.A. X 736. Heiler,Erscheinungsformen 143. Zum Ganzen v. Glasenapp,Heilige Stätten

11 Pauly V 1347. Croon 1203 ff.

12 Orig. c. Cels. 3,24. Philostr. Vita Apoll. 1,7.Croon 1216, 1221. Weinreich 1, 14, 89, 111, 197.Lucius 253 ff. Geffcken, Der Ausgang 102 Anm. 97.Herzog, Die Wunderheilungen 46 ff, 71 ff. Schneider,Geistesgeschichte I 55 f. Dort auch Quellenbelege.Vgl. auch Deschner, Hahn 69 f

13 Just. apol. 1,22. Arnob. nat. 1,48 ff. ZahlreicheBeleghinweise bei Croon 1221 ff

14 Croon 1206 f, 1215 f. Kötting, Peregrinatio 13, 20ff, 32

15 RAC 1962 V 531 ff mit zahlreichen Literaturan-gaben. Croon 1205 ff. Pauly II 303 ff mit weiterer Li-teratur. Kötting, Peregrinatio 15 ff mit vielen Beleg-hinweisen. Vgl. auch 47, 315 Anm. 3, 320

16 RAC 1962, V 532 ff. Pauly II 303 ff. Kötting, Pe-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.016 Deschner Bd. 3, 619Anmerkungen zum dritten Band

regrinatio 20 ff

17 RAC 1962 V 336 ff. Vgl. auch Anm. 16

18 Plut. Sulla 12,3; Pomp. 24,5. Pausan. 9,7,5. Dio-dor. 38,7. Appian 12,54. RAC 1962 V 533, 538.Pauly II 304. Kötting, Peregrinatio 32

19 Pausan. 2,4,6; 3,14,5; 7,21,13; 9,24,1. Croon1217 ff. dtv-Lexikon der Antike, Religion II 233; dortweitere Literatur. Weinel, Die Stellung des Urchri-stentums 20 ff. Heitmüller 71. Pfannmüller 57 ff.Deissmann, Licht vom Osten 311 f. Bousset, KyriosChristos 240 ff. Staerk 130 ff. Nestle, GriechischeReligiosität 38 f. Vgl. auch Deschner, Hahn 381 f

20 Die Artemis Ephesia hieß »Gebetserhörerin«,»Retterin«, der Mai wurde, wie später im Marienkult,als ihr Monat besonders gefeiert. Sogar ihre vomHimmel gefallenen Bilder gingen dann im Glauben andie vom Himmel gefallenen Marienbilder in den Ka-tholizismus über. »Alle Welt weiß«, schrieb stolz derStadtschreiber von Ephesus, »daß Ephesus die Tem-pelhüterin der Artemis und ihres vom Himmel gefalle-nen Bildes ist«. Apul. Met. 11,2; 11,25. Juvenal12,88. Tibull 1,3,27. Trede 114. Spiegelberg 94 ff,bes. 97. Norden, Die Geburt des Kindes 76 ff, 112 ff.Drews, Die Marienmythe 119 ff, 155 ff. Nestle, Grie-chische Religiosität 39 ff. Wittmann, Das Isisbuch 9

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.017 Deschner Bd. 3, 619Anmerkungen zum dritten Band

ff, 15 ff, 29 f, 94, 130 ff. Hyde, Paganism 54. Leh-mann/Hass 213 f. Leipoldt, Der soziale Gedanke 18 f.Ders. Die Frau 9. Ders. Von Epidauros bis Lourdes157 ff. Kötting, Peregrinatio 46. Schneider, Geistes-geschichte I 3, 186, 239 ff, II 116, 226. Vgl. auchDeschner, Hahn 360 ff, bes. 365 ff

21 Pausan. 4,31. Kötting, Peregrinatio 46 ff. Cléve-not, Von Jerusalem nach Rom 114 f

22 1.Sam. 1,3 ff. Arnos 2,7 f; 4,4; 5,5. Kötting, Pere-grinatio 58 ff

23 Ps. 121,1. Lk. 2,41. Philon, de specialibus leg.1,66 ff. Peregrin. Aether c. 30 ff. Bertholet 633 f.LThK 1.A. X 736. Kötting, Peregrinatio 59 ff, 325

24 Philon, de special. leg. 1,66 ff. Flav. Joseph. belloiudaico 6,9,3. Kötting, Peregrinatio 59 ff. Vgl. auchKriminalgeschichte I 102 f mit den dazugehörigenQuellen- und Literaturhinweisen

25 Orig. c. Cels. 1,51. Euseb. h.e. 11,2. Hieron. vir.ill. 62, Altaner/Stuiber 244. LThK 1. A. X 736. Köt-ting, Peregrin. 84 ff, 90, 325

26 Apg. 5,15 f; 19,12. Kötting, Peregrinatio 294

27 Euseb. h.e. 6,11,2. LThK 1. A. I 238

28 A.E. Mader in LThK 1. A. V 661. Kötting, Pere-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.018 Deschner Bd. 3, 619Anmerkungen zum dritten Band

grinatio 89 ff

29 Lexikon der Ikonographie III 541 f. Pfister 368 ff

30 Euseb. V.C. 3,25 ff. LThK 1. A. IV 847, 943 f,VI 252 ff, X 736. Donin IV 513 ff. Hümmeler 399 f.Schamoni 76

31 Euseb. V.C. 3,43. Socrat. h.e. 1,17. Rufin h.e. 1,8.Ambros. de obitu Theod. 34. Paulin v. Nola ep. 31,4ff. LThK 1. A. VI 252 f, 813, Bertholet 325. Kraft160 ff. Donin IV 515 f

32 Kyrill v. Jerus. cat. 4,10; 10,19; 13,4; 17,16.LThK 1. A. VI 253 f. Altaner/Stuiber 499 f. Hümme-ler 395 f

33 Kyrill cat. 4,10; 10,19. Paulin. v. Nola ep. 31,6.Lucius 165. Stoll 683 ff. Hartmann, Kirche und Se-xualität 111 f. Heiler, Der Katholizismus 169. Taylor,Sex in History 42 f. Kötting, Peregrinatio, 295, 335.Ronner 233 f. Ausführlich zur Vothautmystik, Vor-hautproblemen etc. mit vielen Literaturhinweisen:Deschner, Das Kreuz 118 ff

34 Clemen 193 ff

35 Birgitta, Revelationes 4,112. Clemen ebd.

36 Clemen ebd. Kühner, Lexikon 135 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.019 Deschner Bd. 3, 620Anmerkungen zum dritten Band

37 Keller, Reclams Lexikon 245. Kötting, Peregrina-tio, 92, 100 f, 173, 406

38 Peregrinatio Aetheriae 37,2. Baumstark 92 ff

39 Bludau, Pilgerreise 215 f. Steinmann 231

40 Vgl. Peregr. Aeth. 44,16; 47,11; 58,31; 62,5;65,29 u.a. Altaner/Stuiber 245. Bludau, Pilgerreise 1ff, 215 ff, 232 ff, 245 ff, 286

41 Peregr. Aeth. 42,2; 48,26; 65,11 ff. Bludau, Pil-gerreise 218 f. Kötting, Peregrinatio 105

42 2. Mos. 34,1 ff. Peregr. Aeth. 38,2; 38,6 ff; 42,15;42,27; 43,23 ff. Bludau, Pilgerreise 9 ff

43 Peregr. Aeth. 53,19 ff

44 Ebd. 12,6; 54,22 ff. Anonym. Piac. 15 (CSEL39,169). Altaner/Stuiber 245. Bludau, Pilgerreise 24f

45 Peregr. Aeth. 41,21 ff; 42,26 ff; 56,26 ff; 58,4 ff;64,9 ff; 65,13 ff; 68,8 ff

46 Pausan. 10,5,2. Hieron. ep. 108,9. ItinerariumBurdig. 589 ff, 592. Peregr. Aeth. 37,1. Anonym.Piacenza 22 (CSEL 39,174). van der Leeuw 36. Köt-ting, Peregrinatio 92, 98. Clévenot, Der Triumph 17ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.020 Deschner Bd. 3, 620Anmerkungen zum dritten Band

47 Anonym. Piac. 9; 22. Kötting, Peregrinatio 98 ff

48 Vgl. Lk. 24,36 ff, bes. 24,51 (auch 23,43) mitApg. 1,1 ff und Lk. 24,50 mit Apg. 1,12. Just. apol.1,21. Itiner. Burdig. 595 (CSEL 39,23). Menzel II248 Anm. 3. Heinz-Mohr 131 ff. Pfister 326. Bertram204 f. Lohmeyer, Galiläa und Jerusalem 99. Grund-mann, Das Problem 46 f. Werner, Die Entstehung 99.Trillhaas 67 f. Kötting, Peregrinatio 93, 99. Conzel-mann, Die Mitte der Zeit 79. Clévenot, Der Triumph22 f.

49 Lucius 168, 193. Toldo 338 f. Kötting, Peregrina-tio 102, 406. Maschek 261 f

50 August. civ. dei 22,8. Sulpic. Sever. Chron. 2,33,7f. Kötting, Peregrinatio 406 f

51 Kötting ebd. 105

52 Homer, Hymnen an Hermes 21. Kallimachos,Hymnen an Zeus 48. Anonym. Piac. 29 (CSEL39,178). Lexikon der Ikonographie III 545. Drews,Die Marienmythe 102 ff. Schneider, Geistesgeschich-te I 49 f, II 112

53 Anonym. Piac. 5 (CSEL 39,161 f). Klameth 1 ff.Kötting, Peregrinatio 103

54 Sozom. h.e. 5,21. Sophron. Mir 46 (PG 87,3,3597B/C). Hieron. ep. 46; 108,13. Peregr. Aeth. 15.Theo-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.021 Deschner Bd. 3, 620Anmerkungen zum dritten Band

dosius 2; 20 (CSEL 39,137; 39,145). Anonym. Piac.7 f; 12; 24; 28; 46. LThK 1.A. V 461 ff, bes. 463.Kötting, Peregrinatio 106 ff, 112, 408. Bronder,Christentum 65

55 Heinz-Mohr 301. Kötting, Peregrinatio 318 f miteiner Reihe von Quellenhinweisen

56 Kötting ebd. 109, 295, 403

57 Greg. Tur. in glor. mart. 6 (MGH SS rer. Mer.1,492). Kötting, Peregrinatio 403 ff mit vielen Quel-len- und Literaturhinweisen

58 Kötting ebd. 103 f

59 1. Mos. 25,7. Vgl. Mt. 1,16 mit Lk. 3,24. Am-bros. Expos. Ev. Lc. 10,114. Basil. Comm. in Is. 5,1(PG 30,2,348). Hieron, ep. 46,3. Cornfeld/Botter-weck V 1097 ff, bes. 1100 u. 1109. Clévenot, DerTriumph 23

60 Itiner. Burdig. 599. Sozom. h.e. 2,4 (PG 67,944AC). Altaner/Stuiber 227

61 Itiner. Burdig. 585, 588, 596, 598. LThK 1.A. X1024. Clévenot, Der Triumph 23

62 Joh. Chrysost. hom. ad pop. Ant. 5,1 (PG 49,69).Vgl. hom. 16,5 in 1. Kor. u. hom. 28,3 in 1. Kor. (PG61,157;237) Itiner. Burdigal. 587; 598. Kötting, Pe-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.022 Deschner Bd. 3, 621Anmerkungen zum dritten Band

regrinatio 106

63 Kötting, Peregrinatio 93

64 Hieron, ep. 58,4

65 Trede 89 ff. Wetter 83. Kötting, Peregrinatio 297 f

66 Vgl. etwa Philostr. vita Apoll. 1,6; 1,19; 3,41;4,19 f; 4,45; 5,22; 7,10; 8,30 u.a. Pauly IV 625. Wet-ter 14 f. Nestle, Griechische Religiosität 123 ff. Geff-cken, Das Christentum 20 f. Fiebig, Die Umwelt 49 f

67 Kötting, Peregrinatio 298 ff

68 Lacarrière 113 f, 121 ff, 143

69 Ebd. 109 f, 118 f. Kötting, Peregrinatio 188

70 LThK 1.A. V 261. Lacarrière 106, 185 ff

71 LThK 1.A. IX 871. Lacarrière 191. Kötting, Pere-grinatio 301 f

72 Cumot 138. Rothes 400. H.D. Betz, Lukian 14.Zum Ganzen: F.J. Dölger, Ichthys, das Fischsymbolin frühchristlicher Zeit 1922 ff

73 Lukian, de dea Syria 28. Bertholet 352. Kötting,Peregrinatio 116 ff gibt »einige Ähnlichkeiten« zu,bestreitet aber mit fadenscheiniger Begründung eineAbhängigkeit. Lacarrière 190 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.023 Deschner Bd. 3, 621Anmerkungen zum dritten Band

74 Syr. Vita c. 27 ff, c. 97. LThK 1.A. IX 566 f. La-carrière 189 f

75 Theodor. hist. rel. 26,14; 26,23 f. LThK 1.A. IX567. Kötting, Peregrinatio 116. Lacarrière 191 f, 196

76 Kyr. v. Scythop. Vita Euthymii 30. Lacarrière 191f

77 Syr. Vita 31 f; 49; 93; 98 f. Vgl. Mk. 7,33 f; 8,22ff; Jh. 9,6 ff. Apg. 5,15; 19,12. Theodor. hist. rel.26,11 f

78 Theodor. ebd. Kötting, Peregrinatio 407 f

79 Vita Anton. c. 22. Theodor. hist. rel. 26,19. Euagr.Schol. h.e. 1,14 (PG 86,2,2460 f); 6,21 (PG86,2,2873 ff). Sophron. Mir. 34 (PG 87,3,3537 C).Kötting, Peregrinatio 122 f. Schneider, Geistesge-schichte I 665 Anm. 1. Sehr ausführlich zur Diffamie-rung der Frau im Christentum, Deschner, Das Kreuz205 ff

80 Theodor. hist. rel. 26,11. h.e. 26,21

81 Theodor. hist. rel. 26. Syr. Vita 55 f; 103; 108 f.LThK 1.A. IX 567. Kötting, Peregrinatio 120 ff. Lu-cius 400 f. Lacarrière 192

82 Augustin. civ. dei 5,26. Greg. Tur. Hist. Franc.5,14. Kötting, Peregrinatio 319

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.024 Deschner Bd. 3, 621Anmerkungen zum dritten Band

83 Syr. Vita 97

84 Ebd. 102; 107; 124 ff; 136. Kötting, Peregrinatio114 ff, 123 ff

85 LThK 1. A. I 329; III 148 f; IX 567 f. Lietzmann,Byzantinische Legenden 1 ff. Kötting, Peregrinatio114 f, 221 f. Lacarrière 193 ff. Vgl. das Kapitel überDaniel bei Clévenot, Der Triumph 184 ff, bes. 188

86 Altaner/Stuiber 241 f. Lacarrière 195. Noch eineAbart des Säulenheiligenwesens sei erwähnt, das frei-lich viel seltenere Dendritentum (von dendros, Baum).Die Dendriten lebten dabei, von Anfang an vor denUnbilden der Witterung geschützter, »in einem Baummit schattigem Laub«, wie es in einem »Gedicht überdie Mönche« eines Bischofs namens Georgius heißt,»der sie mit seinen Früchten und Blättern nährt. Meh-rere sind hinaufgestiegen, um dort alle Tage ihres Le-bens zu verbringen, und sie werden hin- und herge-worfen durch die Heftigkeit der Winde«.

David von Thessalonike, einer der berühmtestendieser christlichen Asketen, lebte im 6. Jahrhundertin einem Klosterhof bei Thessalonike drei Jahre aufeinem Mandelbaum. Ein anderer Dendrit hatte sichin einer großen Zypresse bei Apamea eingenistetund führte dort unentwegte Kämpfe mit dem Teu-fel, der ihn oft vom Baum hinunterwarf. DeshalbKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.025 Deschner Bd. 3, 622Anmerkungen zum dritten Band

band der Mann seinen Fuß mit einer Eisenkette amBaum fest und hing dann stets, vom Satan zwar ge-stürzt, aber ohne den Boden zu berühren, kopfuntervom Baum, bis ihn die dort lebenden Dorfleutewieder auf seinen Platz hinaufhoben. Da er abernicht mehr menschlicher Hilfe bedürftig sein woll-te, bat er Gott um Abhilfe. »Und so geschah es«,berichtet eine altsyrische Chronik aus dem Klostervon Mar Maron bei Apamea. »Jedesmal wenn derWidersacher ihn hinunterstürzte, stieg ein Engelvom Himmel hernieder und hob ihn auf seinenPlatz zurück.«Jacques Lacarrière sieht »die tiefere Bedeutung die-ser Askese« darin, jede Berührung mit einer fürsterbend und verdammt gehaltenen Welt zu vermei-den, um zwischen den Zweigen und im Wind »dasunbeschwerte Leben eines Vogels zu führen, einesVogels, der trunken ist vom Himmel und vonGott«. Ganz schön verrückt. Und vom unbeschwer-ten Leben eines Vogels kann ja wohl kaum dieRede sein, wenn man jahrelang nahezu unbeweg-lich auf einem Baum hockt, mag man nun mit einerEisenkette angebunden sein oder nicht, herunterfal-len oder nicht, von Menschen hochgehoben werdenoder von Engelhand. Auch erhebt sich die Frage,ob Leute, die zu solchen Verrückten nicht nur ausNeugierde, Schaulust eilen, sondern um sie zu ver-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.026 Deschner Bd. 3, 622Anmerkungen zum dritten Band

ehren, bewundern, ausgerechnet von ihnen Hilfe zuerflehen und dafür auch noch zu zahlen, wie armimmer sie selbst sein mögen, ob solche Leute nichtfast ebenso verrückt oder noch verrückter sind,ganz zu schweigen von jenen, die heute noch ergrif-fen darüber berichten. Lacarrière 196 ff.

87 Gaudent. Tract. 17,14 f (CSEL 68,144 f). Theodo-sius, de situ terrae sanct. 15 (CSEL 39,144,12 f).Kötting, Peregrinatio 138 f

88 Kötting, Peregrinatio 138, 183 ff, 295

89 Holzhey in LThK 1. A. X 28 ff

90 Tert. bapt. 17. Wetzer/Welte X 835. Kühner, Le-xikon 32. LThK 1.A. I 565, IV 356, X 28 ff. Alta-ner/Stuiber 136 f. Rolffs 192 ff. Donin V 235 ff

91 Basil. v. Seleuk. vita Thecl. 1 (PG 85,557 a ff).Altaner/Stuiber 335. Kötting, Peregrinatio 140 ff

92 Peregr. Aeth. 22,2 ff. Epiphan. haer. 79,5 (PG42,748). Kötting, Peregrinatio 140 ff, 155 ff, 382 ffmit vielen Quellenhinweisen

93 Kötting ebd. 141, 154 f mit den Quellenhinweisen

94 Weinreich 120 f. Vgl. 46, 125 ff, Die Quellenhin-weise bei Kötting, Peregrinatio 155 f. Vgl. auch 144f, bes. Anm. 330, 294 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.027 Deschner Bd. 3, 622Anmerkungen zum dritten Band

95 Simeon Syr. Vita c. 67; 97. Anonym. Piac. 18(CSEL 39,171). J. Sauer, LThK 1.A. X nach 700 mitvielen Quellen- und Literaturhinweisen. Kötting, Pe-regrinatio 401 f, 409 f

96 Greg. Tur. in glor. mart. 15; de virt. S. Martini1,11; 1,18. Kötting, Peregrinatio 399 f

97 Lukian de dea Syr. c. 41. Basil v. Seleuk., Vita-Thecl. 2,8 (PG 85,577 B). Sophron. Mir. 49 (PG87,3,3605 A/B). Kötting, Peregrinatio 400 f.

98 Greg. Tur., de virt. S. Juliani 31. Kötting, Peregri-natio 401

99 Die Quellenhinweise bei Kötting, Peregrinatio 153f, 156

100 Beissel, Geschichte der Verehrung Marias 144 f

101 LThL 1. A. II 31. Kraft 115. Altaner/Stuiber 335

102 Zit. nach Kötting, Peregrinatio 151

103 Ebd. 151 ff, 391 f mit vielen Quellenhinweisen

104 Die Quellenhinweise ebd. 154

105 Ebd. 316 ff

106 Ebd. 317 f, 321

107 Ebd. 321Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.028 Deschner Bd. 3, 623Anmerkungen zum dritten Band

108 Basil. Seleuk. vitaThecl. 2,9; 2,18. Sophron.Mir. 38. Herzog, Wunderheilungen 80. Kötting, Pere-grinatio 321 f.

109 Sozom. h.e. 2,3 (PG 67,940 f). August. civ. dei22 (CSEL 40,2,607). Altaner/Stuiber 227. Kötting,Peregrinatio 316

110 LThK 1. A. VII 77 ff

111 LThK 1. A. VII 77 f. Kötting, Peregrinatio 198ff. Schneider, Geistesgeschichte I 707 f. Andresen,Die Kirchen 500 f

112 August. civ. dei 22,8. Anonym. Piac. 18. Mi-racula s. Stephani LThK VII 1. A. 78 f. Kötting, Pe-regrinatio 199 f, 404 f. Andresen, Die Kirchen 500 f.Vgl. auch die folg. Anm.

113 LThK 1. A. VII 79. Heinz-Mohr 31 f. Kötting,Peregrinatio 198 ff mit vielen Quellenhinweisen. Vgl.auch 410. Andresen, Die Kirchen 500 f

114 LThK 1. A. VII 79 f. Kötting, Peregrinatio 201.Reekmans 325 ff. bes. 338 f

115 Strabo, Geogr. 17. Kötting, Peregrinatio 201 f

116 Epiphan. Brev. expos. fidei 12 (PG 42,804).Kötting, Peregrinatio 202 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.029 Deschner Bd. 3, 623Anmerkungen zum dritten Band

117 Bogaert 870. Kötting, Peregrinatio 203 f

118 Sophron. Laud. Cyri et Ioannis (PG 87,3,3388ff). Altaner/Stuiber 242, 520 f. Kötting, Peregrinatio203 ff

119 Kyrill. Oratio 18. Sinthern. Kötting, Peregrinatio203 ff

120 Kötting, Peregrinatio 201, 207, 210

121 Römisches Martyrologium, Titelblatt u. 63 f

122 Maschek 477 f

123 Kraus, W., Dioskuren 1133 ff. Kötting, Peregri-natio 213 ff mit vielen Literaturhinweisen. Dassmann,Ambrosius 50

124 Wittmann, Kosmas und Damian 32 ff, 48 ff, 76ff

125 Ebd. 119 ff, 137 ff, 161 ff, 173 ff

126 Kötting, Peregrinatio 241 ff

127 Tert. Scorp. 15; praescr. 36. apologet. 5. Euseb.h.e. 2,22,2 ff. Wetzer/Welte VIII 257. LThK 1. A.VIII 32 f. Keller, Reclams Lexikon 412. Fichtinger310. Ehrhard, Urkirche 86. Nock, Paulus 112 f. Köt-ting, Peregrinatio 229. Bradford, Die Reisen 255

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.030 Deschner Bd. 3, 623Anmerkungen zum dritten Band

128 Fulgent. Vita 13,27 (PL 65,130). Paulin. v. Nolae. 17,1. Altaner/Stuiber 409, 498. Kötting, Peregrina-tio 236 ff. Zur großen Bedeutung des Petrus bei An-gelsachsen und Franken vgl. Zwölfer 64 ff

129 Leo I. ep. 56; 58 (PL 54,860; 864). Kötting, Pe-regrinatio 238, 240 ff.

130 August. ep. 29,10. sermo 311,3 ff (PL 38,1414f). Paulin. ep. 13,11. Greg. Tur. in glor. mart. 93.Kötting, Peregrinatio 236 f, 257 f

131 Prudent. Peristeph. 11; 14. Geront. Vita Melan.5. Kirsch, Die Grabstätten 107 ff. Kötting, Peregrina-tio 233 ff

132 Kötting, Peregrinatio 232 f, 237 f. Clévenot, DerTriumph 65

133 Kötting, Peregrinatio 239 f. Vgl. 411

134 Greg. Tur. in glor. mart. 27 (MGH SS rer. Mer.1,504,12 ff). Kötting, Peregrinatio 218 f, 232, 238 ff,409

135 Fulgent. Vita 13,27 (PL 65,130 D). Sophron.Mir. 35 (PG 87,3,3544 C). Greg Tur. de virt. S.Mart. 3,3; 3,15; 3,36; 4,15. Kötting, Peregrinatio 401f

136 Freidenker, München, Mai/Juli 1990, 13Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.031 Deschner Bd. 3, 624Anmerkungen zum dritten Band

4. KapitelVerdummung

1 Tat. or ad Fr. 26,5

2 Tert. de praescr. haer. 7,14. de anima c. 2. Zit. nachDannenbauer I 111

3 Zit. ebd. I 114

4 Rauch (Hg.) 253

5 H.v. Schubert, Bildung und Erziehung in frühchrist-licher Zeit 90 ff

6 Ballauff I 316

7 Vogt, Der Niedergang 403

8 Dannenbauer I 178

9 Blomenkamp 505. Fuchs, H. Bildung 346. Rabbow161 ff. Marrou 75 ff. Gigon 70

10 Blomenkamp 505. Fuchs, H. Bildung 347 mitBez. auf Xen. mem. 4,7. dtv-Lexikon 17, 108. Rab-bow 109 ff.

11 Blomenkamp 506. Fuchs, H. Bildung 347

12 Blomenkamp 507 ff. Ausführlich und mit einerFülle von Belegen: Marrou 141 ffKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1054: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.032 Deschner Bd. 3, 624Anmerkungen zum dritten Band

13 Blomenkamp 510 ff. dtv-Lexikon, Philosophie III216 f. Fuchs, H., Bildung 348 f

14 Blomenkamp 515. Wolf, P., Vom Schulwesen 24ff. Marrou 321 ff. u.a.

15 Nach Blomenkamp 516 ff mit vielen Beleghinwei-sen

16 Ebd. 518 ff

17 Apg. 4,13. Fuchs, H., Bildung 350 ff mit einerFülle von Quellenhinweisen. v. Soden, Christentumund Kultur 8 ff. Campenhausen, Tradition und Leben216 ff, bes. 219. Dannenbauer I 114. Ausführlicher:Deschner, Hahn 292 ff

18 Athenag. resurr. 25. Blomenkamp 520 ff mit vie-len Quellenhinweisen aus dem N.T. und den Kirchen-vätern

19 2. Kor. 6,9. 1. Tim. 1,20. Hebr. 12,29. Blomen-kamp 521 ff, bes. 524

20 Orig. c. Cels. 3,56. Orig. Psalmen-Komm. 1,3.Joh. Chrysost. in Ephes. hom. 21. in 1. Tim. 9,2 inglor. 85 ff. Hieron. ep. 107,4.9. Basil, Mahnwort andie Jugend 1. Blomenkamp 521 ff mit Quellen- undLiteraturhinweisen. Heilmann, Texte I 267. Ballauff I316

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1055: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.033 Deschner Bd. 3, 624Anmerkungen zum dritten Band

21 Joh. Chrysost., Predigt über das Erdbeben 3. Bal-lauff 278

22 Blomenkamp 525

23 Ephes. 6,4. Kol. 3,21. Blomenkamp 528 ff mitQuellenhinweisen

24 Ephes. 5,24. 1. Tim. 2,11 ff. August. in Joh. tr.51,13. Joh. Chrysost. vid. el. 9

25 Tert. cultu fem. 1,1. c. 5 f. virg. vel. 7 f; 11; 17.coron. 14. Zscharnak 16. Bartsch 50. Dannenbauer I161 ff. Ausführlich: Deschner, Das Kreuz, 18. Kap.Die Diffamierung der Frau 205 ff

26 1. Tim. 2,15. Luther zit. nach Ronner 109. GrisarII 492

27 Clem. Al. strom. 2,139,5. Tert. uxor. 1,5; exh.cast. 12. Ambros. virg. 1,25. Hieron. adv. Helv. 20.Blomenkamp 526 f mit weiteren Quellenhinweisen

28 Vgl. Harnack, Mission und Ausbreitung I 246 f.Ausführlich: Deschner, Hahn 292 ff, 302 ff

29 1. Kor. 1,19 ff. Kol. 3,8. Vgl. auch Kol. 2,18;2,23. Apg. 17,18. Luegs II 258 f

30 2. Mos. 20,4; 5. Mos. 5,8. Mk. 13,1 f. Mt. 6,33;24,1 f. Lk. 10,39 ff. 21,5. Lortz I 8. Daniel-Rops,

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1056: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.034 Deschner Bd. 3, 625Anmerkungen zum dritten Band

Umwelt Jesu 285 ff. Ausführlicher: Deschner, Hahn292 ff

31 Vgl. u.a. Jh. 12,31; Apk. 17,15; 18,3; Tit. 3,3; 1.Petr. 1,14; 1,18; 2,1; 4,3; Gal. 6,16; Hebr. 11,9;11,13; 13,14. Ign.Trall. 3,2. Herm. vis. 3,7,2; 4,3,2ff. 2. Clem. 5,1; 5,5; 6,3 f. Diog. 6,8. Barn. 5,7; 13,6.Arist. apol. 16. Just. Tryph. 119. Ps. Cypr. de paschacomputus c. 17

32 Tert. adv. Prax. 3. Bardenhewer I 74 ff, bes. 76.Harnack, Mission und Ausbreitung I 389 Anm. 2.Ballauff 287. Dannenbauer I 110 f, 122

33 Zit. nach Ahlheim, Celsus 20. Clévenot, Die Chri-sten 78

34 v. Boehn 40 f. Struve, T., 542. Hauck, A., I 54.Sternberg 189 f

35 Athan. vita Ant. c. 19. Pallad. Hist. Laus. c. 38.Bened. reg. c. 7: hier allerdings »nur« im Hinblick aufden christlichen Kadavergehorsam. Heussi, Der Ur-sprung des Mönchtums 221 ff. Nigg, Geheimnis derMönche 55. Lacarrière 132 f.u.o. Vgl. dazu auchDeschner, Das Kreuz 80 ff

36 Lacarrière 175 ff, bes. 178 ff

37 Pallad. hist. Laus. c. 38. Joh. Clim. scal. par. 24.Altaner/Stuiber 238. Hilpisch passim. Lacarrière 114Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1057: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.035 Deschner Bd. 3, 625Anmerkungen zum dritten Band

f, 120, 123, 144

38 Altaner/Stuiber 241 f. Kraft 309 f. Lacarrière 121,181 ff

39 Lacarrière 133 f. Robert Amelineau zit. ebd.

40 Vita Ant. c. 1. Lecky II 93. Hertling, Antonius 15f. Dannenbauer I 154

41 RAC 1950 I 864. Harnack, Das Leben Cyprians81. List 46 ff, bes. 49. Zum bezweifelbaren Alter:Völter 10 f. Nigg, Geheimnis der Mönche 51 meintallen Ernstes, es »bedarf die Gegenwart eines neuenAntonius«! – Clévenot, Die Christen 178 ff

42 Iren. adv. haer. 1,31. Hippol. ref. omn. haer. 9,11.Harnack, Mission und Ausbreitung I 75. v. Boehn 33.Lietzmann, Geschichte III 102

43 Vgl. dazu auch Ballauff 284 ff

44 1. Kor. 3,19. Hermias 1,2,10. LThK 1. A. IV 993.Altaner/Stuiber 78. Bardenhewer I 325 ff. Krause,Die Stellung 73

45 Ignat. Ant. ad Phil 6,2; ad Magn. 1,2; ad Smyr.5,1; ad Trall. 4,2; ad Ephes. 11,1; 17 ff; ad Rom. 3;6,1; 7,1 f. Bardenhewer I 131 ff, bes. 134. Krause,Die Stellung 61 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1058: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.036 Deschner Bd. 3, 625Anmerkungen zum dritten Band

46 Theoph. ad Autol. 2,2; 2,8; 2,12; 2,15; 2,33; 3,1ff; 3,16 f, 3,29. Bardenhewer I 302 ff. Krause, DieStellung 70 ff. Ballauff 287

47 Syr. Didasc. c. 2. Altaner/Stuiber 84 f. Krause,Die Stellung (zusammenfassend) 87

48 Krause ebd. 73 f, 86 ff. Campenhausen, Griechi-sche Kirchenväter 46. Schneider, Geistesgeschichte I295 f

49 Min. Fel. Dial. Oct. 1,4 f; 14,2; 23,1 ff; 38,5

50 Tert. apol. 19; 42. praescr. haer. 7. anima 2. AuchTatian hatte schon die biblischen Schriften für ältererklärt als alle Lehrsätze der Griechen. Ballauff 285.Morgan, The importance 366. Rollfs, Tertullian.Loofs, Dogmengeschichte 166. Heiler, AltkirchlicheAutonomie 11. Dannenbauer I 118

51 Tert. pall. 2; praescr. haer. 7; 14. anima 1. spect.17; 29. apol. 46. Krause, Die Stellung 101, 108. Bal-lauff 288. Dannenbauer I 111, 119, 364

52 RAC 1950 I 709 ff. Bardenhewer II 517 ff

53 Arnob. advers. nat. 2,5 ff; 2,38 ff; 3,28; 3,32 ff;4,33 ff; 7,32 ff u.a.

54 Vgl. die entsprechende Zusammenfassung beiKrause, Die Stellung. Ferner Ballauf 288 ff. Weißen-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1059: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.037 Deschner Bd. 3, 626Anmerkungen zum dritten Band

gruber, Monastische Profanbildung passim, bes. 18

55 Vgl. die Einleitung von Weismann, Kirche undSchauspiele und 197 ff

56 Ebd. u. 104 f. Cramer 105 f

57 Salv. gub. 6,34; 6,37 f. August. serm. 9,5. civ. dei3,19,34 ff. Vgl. die Einleitung bei Weismann, Kircheund Schauspiele und 104 f, 157, 164 f

58 Tert. spect. 3,3 ff; 20,1 ff. Vgl. auch 2,1; 3,1;8,10. Arnob. adv. nat. 6,35. August. serm. 88,16,17;9,3. Weismann, Kirche und Schauspiele 70 ff, 199.Jürgens 191 ff

59 Arnob. adv. nat. 6,35. August. civ. dei 2,4. Cod.Just. 3,12,11. RAC 1950 I 594. van der Nat 749 f.Kraft 293. Altaner/Stuiber 349. Cramer 104 f. Weite-re Quellenhinweise bei Weismann, Kirche und Schau-spiele 72, Anm. 15. Vgl. auch 197

60 Tat. or. ad Gr. 22,1 ff

61 Lukian, de saltat. Liban, orat. 64. Cypr. Donat. 8.Viele weitere Quellenhinweise bei Weismann, Kircheund Schauspiele 72 ff, 197. Vgl. Mesk 59 ff. Cramer104

62 August. civ. dei 2,26. Alle anderen und eine Fülleweiterer Quellenhinweise bzw. -belege bei Weis-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1060: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.038 Deschner Bd. 3, 626Anmerkungen zum dritten Band

mann, Kirche und Schauspiele 94 ff. 197

63 Cod. Theod. 2,8,20; 2,8,23. Viele Belege undQuellenhinweise ebd. 96 ff. Vgl. auch Geffcken, DerAusgang 179 f. Cramer 104 ff

64 Clem. Al. strom. 7,36,3. Tert. pud. 7,15; spect.24,3. Syn. Elvira c. 62. 1. Syn. Arelat. c. 4 f. 2. Syn.Carth. c. 63. 3. Syn. Carth. c. 11. 4. Syn. Carth. c. 88.7. Syn. Carth. c. 2. Apost. Const. 8,47; 8,32. Vieleweitere Hinweise und Belege bei Weismann, Kircheund Schauspiele 69 ff, 104 ff. S. auch Cramer 104.Kühner, Lexikon 21

65 Tert. spect. 29,3

66 Ebd. 25,5; 29. Cramer 105

67 Quodvultdeus symb. 1,3 ff. Bardenhewer IV 522

68 August. Tract. Joh. 7,6. civ. dei 2,4,14. ep.138,14. de ordine 25 f. En. ps. 50,1; 80,23. serm.9,13. lib. arb. 2,166. Weismann, Kirche und Schau-spiele 123 ff, 133 ff, 173, 201 f. Dort viele weitereQuellenhinweise

69 August. en. ps. 39,9; 96,10. Tract. Joh. 7,6. devera rel. 51,100. de musica 1,4,7; 1,6,11. Weismann,Kirche und Schauspiele 174. F.G. Maier, Augustin31 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1061: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.039 Deschner Bd. 3, 626Anmerkungen zum dritten Band

70 August. civ. dei 1,32 f; 2,4; 2,8 ff; 2,27,16 ff.Weismann, Kirche und Schauspiele 198

71 Tert. spect. 30

72 Ott, Christliche Aspekte 187 ff

73 Ebd. 189 ff. Zum Prinzipiellen vgl. Lawrence 17 ff

74 Marcuse, Obszön 212. Häring, Gesetz Christi II456, 470, III 316

75 Vgl. die 12. erweiterte und aktualisierte Neuausga-be meiner Sexualgeschichte des Christentums, DasKreuz 432 ff, bes. 456. Auch meinen (arg verstüm-melten) Artikel im Stern, Nr. 46, 10. Nov. 1988, 21 ff

76 Dannenbauer I 122 ff, 140 ff. Vogt, Der 275.Jones, The Social Background 19 ff, 26 ff

77 Fontaine 5 ff

78 Statuta Eccl. Ant. c. 38. Dannenbauer I 113 f. Ill-mer 8, 59 f.

79 Just. Tryph. 2,1. Apol. 1,46; 1,10. Clem. Al.strom. 1,5,28,3 f. 1,4,27,3 ff; 4,22,136,3 ff; 1,9,44,4ff Dannenbauer I 114 ff. Jaeger 28. Ausführlich auchDeschner, Hahn 302 ff

80 August. retr. 1,13,3

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1062: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.040 Deschner Bd. 3, 627Anmerkungen zum dritten Band

81 Dannenbauer I 121, 145. Basil. hom. 22,1; 22,7.Dannenbauer I 121, 145

82 Socrat. h.e. 2,9

83 Euseb. h.e. 5,28,14 f

84 RAC 1976 IX 787. Dannenbauer I 97

85 Tat. or. ad Gr. 17,7 ff, 18,1 ff. Dannenbauer I 118

86 Tat. or. ad Gr. 27,7 ff. Dannenbauer I 147

87 Jürss 393

88 dtv-Lexikon Philosophie II 30 f, 236. Holzhey,Das Bild 177 ff. Prause 34 ff

89 2. Kor. 12,2. Ps. 148,4. Ambros. exam. 1,6; 2,2;3,2

90 Ambros. hex. 1,6,24; 2,1,3; 2,2,7; 6,2,7 f; off.1,26,122. de Abrah. 2,11,8. Fid. ad Grat. 1,5,42. Lu-kaskomm. Proömium 2 f. RAC 1950 I 366. Barden-hewer III 503. Niederhuber XXI. Mesot 103. Dan-nenbauer I 131, 136 f

91 August. conf. 6,4,5 f. Altaner/Stuiber 412 ff. Bar-denhewer III 527. Kellner 31 ff. Dannenbauer I 129,132 ff. Chadwick, Origenes 152

92 Ambros. exam. 4,5,20. Altaner/Stuiber 381. Kell-ner 77 ff. Moreschini 118Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.041 Deschner Bd. 3, 627Anmerkungen zum dritten Band

93 Ambros. exam. 5,19

94 Ebd. Vgl. Bartsch 50

95 Bardenhewer III 509

96 Ambros. exam. 5,20

97 Ambros. ebd. 5,24. RAC 1966 VI 890 ff. Barden-hewer III 508 ff. Niederhuber I 3. Heiler, Erschei-nungsformen 89

98 Ambros. exam. 5,23. Niederhuber 224. Heiler, Er-scheinungsformen 208 ff

99 Ambros. ebd. Bardenhewer III 526

100 Ambros. exam. 5,24. Bardenhewer III 509 f

101 Barn. 9,8 f. Vgl. 12,2. Dazu 5. Mos. 33,17. Vgl.etwa auch Hebr. 9,13 ff, 9,18 ff. Tert. adv. Marc.3,18. Goodsped, A History 34. Dannenbauer I 134 f.Viel ausführlicher über derartige Exegetenkünste:Deschner, Hahn 114 ff

102 Altaner/Stuiber 430

103 August. Tract. in evang. Ioh. 122,8. Altaner/Stui-ber 429 ff. Eggersdorfer 166 ff. Dannenbauer I 133.Crombie 17

104 Eine teilweise Aufzählung der Forscher, die seineKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.042 Deschner Bd. 3, 627Anmerkungen zum dritten Band

Unechtheit vertreten, bei Feine-Behm 118 f. Vgl.auch Goguel 74. Schon das Schlußwort des 20. Kapi-tels zeigt, daß das Evangelium damit schloß

105 Dannenbauer I 141 f, 371. Vgl. 147. K. Holl,Gesammelte Aufsätze 3,94 zit. nach Dannenbauer I371

106 August. ep. 82. c. Faust. 11,5. de doctr. 1,37,41.civ. dei 21,6. Dannenbauer I 141 f, 147. Lorenz, Wis-senschaftslehre 221

107 Altaner/Stuiber 413. Capelle, RAC I 1950, 982f. Dannenbauer I 93

108 RAC I 1950, 989. Pauly V 1131 ff. dtv-LexikonPhilosophie IV 325 ff. Tusculum Lexikon 267. Alta-ner/Stuiber 429. Dannenbauer I 95, 97

109 August. civ. dei 21,9,2; 21,16. Holl, Augustinsinnere Entwicklung 106 f. Dannenbauer I 98 f. Wei-ßengruber, Monastische Profanbildung 12 ff

110 August. ord. 2,9,27. Enchir. 9,3. de trin. 11,1,1.de gen ad litt. 5,16,34. conf. 10,35. Zahlreiche weite-re Belege bei van der Nat, Apol. u. patr. Väter, RACIX 1976, 745. Dannenbauer II 71 f. Lorenz Wissen-schaftslehre 51, 245 f

111 August. enarr. in Ps. 118,29,1. conf. 3,4,7. ep.101,2. Capelle, RAC I 1950, 983 f. Dannenbauer IKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.043 Deschner Bd. 3, 628Anmerkungen zum dritten Band

143 f. Lorenz, Wissenschaftslehre 51, 245 f. Weißen-gruber, Monastische Profanbildung 14 f. Maxsein232 ff. H. Maier, Augustin 87 ff, bes. 92 ff

112 August. civ. dei 22,8. Tract. in Jh. 7,12. Classen159. Kawerau, Geschichte der alten Kirche 201. Hoe-vels 291 ff

113 August. de doctr. christ. 2,41. Kraft 94 f. Alta-ner/Stuiber 430. Bardenhewer IV 480 f. Opelt, Mate-rialien 64 ff. H. Maier, Augustin 96 ff

114 August. de doctr. Christ. 2,1 ff. serm. 177,2.Dannenbauer I 144 f. Vgl. auch das sehr aufschlußrei-che Erziehungsprogramm des Hieronymus ebd. 161

115 Hartmann, Geschichte Italiens I 181. Vogt, DerNiedergang 285. Dannenbauer I 92 ff

116 Denk 88, 93. Buchner, Die Provence 83. Vogt,Der Niedergang 404, 527. Dannenbauer I 95 f. Wolf,P., Vom Schulwesen 53 ff Haarhoff passim, bes. 39 ff

117 Jouassard 501 ff. Altaner/Stuiber 316. Libanioszit. nach Wolf, P., Vom Schulwesen 88. Vgl. 29

118 Dannenbauer I 96, 111

119 Vogt, Der Niedergang 402 ff. Dannenbauer I 96ff, 147, 178. Wieacker 78 ff. Randers-Pehrson 272 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.044 Deschner Bd. 3, 628Anmerkungen zum dritten Band

120 Denk 197 f. Dannenbauer II 59, 68 ff, 79 ff.Weißengruber, Weltliche Bildung 13 ff. Illmer 150 ff

121 Für Augustin war eine »schola Christi« die Kir-che, für Cassian das Kloster. August. serm. 177,2.Cassian, Collationes 3,1 f. Denk 196. Weißengruber,Weltliche Bildung 15 ff. Illmer 11 ff, 27 ff

2. Der Ausbruch des christlichen Geisterwahns

122 Schweizer, Geister 698

123 Heiler, Erscheinungsformen 315

124 Kyrill. Jerus. Myst. Cat. 13,3,36

125 Athan. Vita Anton. 23

126 Rubin 126

127 Luegs I 509 f

128 Ratzinger zit. in Frankfurter Rundschau 24. April1978, Nr. 85

129 Bertholet 195. Heiler, Erscheinungsformen 476 f

130 Oldenberg 264 ff. Colpe 555 ff. Eisler, Orphisch-dionysische Mysteriengedanken 322

131 Colpe 556 f mit vielen Quellen- und Literaturhin-weisen. Heiler, Erscheinungsformen 226

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.045 Deschner Bd. 3, 628Anmerkungen zum dritten Band

132 Colpe 615 ff

133 Ebd. 565 f. Heiler, Erscheinungsformen 478

134 Maier, J., Geister 579 ff mit einer Fülle vonQuellen und Literaturangaben. Heiler, Erscheinungs-formen 84. Zu Aussagen der »zwischentestamentari-schen Literatur« und ihrem starken Einfluß auf dasChristentum vgl. etwa Stockmeier, Glaube und Kultur160 f

135 Maier, J., Geister 580 ff

136 RAC IX 630 ff. Heiler, Erscheinungsformen 477f

137 Daniel-Rops, Umwelt Jesu 301 ff

138 Maier, J., Geister 672 ff. S. auch RAC IX 772

139 Maier ebd.

140 Daniel-Rops, Umwelt Jesu 314 ff

141 Maier, J., Geister 674 f

142 van der Nat 718

143 Vgl. etwa Tert. de idolol. 9. Lact. div. inst. 2,15.Chrysost. hom. 21 ad popul. Antioch. Sehr ausführ-lich: Deschner, Hahn 37 ff, 252 ff, 283 ff, 360 ff, 382ff. Ferner ders. Der gefälschte Glaube passim

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.046 Deschner Bd. 3, 629Anmerkungen zum dritten Band

144 RAC IX 624 f, 775, 778

145 Min. Fel. 26,9. Tert. apol. 23,1. an. 1,4 f; 28,5;41,1. Optat. Mil. 4,6. August. c. Iul. 2,1,3. Kallis,Geister 710. van der Nat 750 f. Schweizer, Geister698

146 1. Tim 4,1 setzt die »Irrgeister« den »Dämonen«gleich. Auch in der Apk. 16,13 werden die »drei un-reinen Geister« als »Teufelsgeister«, als »Dämonen«bezeichnet. Mk. 1,23 ff; 1,34; 5,2 ff; 3,11.15.22.30;6,7.13; 7,25 f. Mt. 8,16.31. Lk. 4,35 f; 4,41; 7,21;8,2; 8,29 ff

147 Vgl. außer den im Text genannten Stellen nochMt. 25,41; 8,29. 1. Kor. 6,3. Ferner van der Nat 728

148 Mk. 1,24. Mt. 12,43 ff, 8,29. Lk. 13,11.16.Schweizer, Geister 693 ff

149 Mk. 3,22; 9,16; Mt. 12,22; 17,14 ff; Lk. 9,38;11,15. Luegs I 155 ff. Zit. 157

150 Mk. 1,23 ff; 1,32 ff; 16,9. Mt. 8,16; 15,22 ff. Lk.4,33 ff; 8,2 f

151 Mt. 9,32 ff; 12,22; 17,14 ff. Lk. 4,41; 11,14 ff

152 Mk. 5,1 ff. Mt. 8,28 ff. Lk. 8,26 ff. Borchardt,Shelley 206

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1069: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.047 Deschner Bd. 3, 629Anmerkungen zum dritten Band

153 Mk. 3,13 ff; 6,7; 16,17. Mt. 10,1 ff. Lk. 9,1;10,17. Apg. 5,15 f. 8,7; 19,11 ff. Eph. 2,2

154 Dannenbauer I 55 ff. Heiler, Erscheinungsformen316. Vgl. auch Anm. 156

155 Frankfurter Rundschau 28. Febr. I973, 13. und20. Sept. 1976, 27. Febr. 1978. Süddeutsche Zeitung25. Juli 1976. Südkurier 13. April 1978

156 Euseb. h.e. 6,43,11. Ausführlich: Harnack, Mis-sion und Ausbreitung I 108 ff mit vielen Bele-gen.–Lecky I 332

157 Just. 1. apol. 26. Vgl. ebd. 56 u. 58. 2. apol. 1

158 Athan. Vita Ant. c. 69. Euseb. h.e. 5,19,3. RACIX 786 f. Bauer, Rechtgläubigkeit 1934, 138 f. Vogt,Cyprian 9 ff. Zum Montanismus vgl. Deschner, Hahn322 ff

159 Vgl. Clévenot, Die Christen 68

160 Ebd. 65

161 Just. apol. 2,6. Dial. 85

162 Tert. apol. 23 f

163 Orig. c. Cels. 4,65. Vgl. auch Synesios bei Tin-nefeid, Die frühbyzantinische Gesellschaft 233

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.048 Deschner Bd. 3, 629Anmerkungen zum dritten Band

164 Harnack, Mission und Ausbreitung I 116 f, 126.Graus, Volk 40

165 Sophron. laud. Cyr. et Joh. (PG 87,3,3627 f).Schneemelcher, Der diakonische Dienst 93

166 Just. apol. 2,4(5); I,9; 10; 12; 26; 58. Athenag.leg. 23 ff. Clem. Al. strom. 5,10,2. Tert. apol. 22;bapt. 5; anima 3. Lact. div. inst. 2,14. Firm. Mat. err.13,4; 26,2. Lea III 431. Hansen, Zauberwahn 22 ff.BKV 1913, Bd. 12, S. 89 Anm. 1. Zwetsloot 40 ff

167 Tert. an. 39; 57,4. August. div. daem. 3,7. vander Nat 727 ff, 734 ff mit einer Fülle von Quellenhin-weisen

168 Orig. c. Cels. 7,35; 8,30; mart. 45. Lact. inst.2,14,14. Basil. in Jes. 97. Greg. Nyssa paup. 1. Kal-lis, Geister 701 ff. mit vielen Quellen- und Literatur-hinweisen. van der Nat 720 ff, 734 ff, 746 ff ebenfallsmit vielen Belegen. RAC IX 774 ff, 781 f

169 Joh. Damsc. fid. orth. 4,4 (PG 94, 1108 C). Vgl.auch Just. apol. 2,5(6). Kallis, Geister 706 ff

170 Const. apost. 8,47,79. Syn. Orange (441) c.15(16). Syn. Orl. (538) c. 24 f. RAC IX 781

171 RAC IX 784 f

172 Ebd. 781 fKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.049 Deschner Bd. 3, 630Anmerkungen zum dritten Band

173 Athan. vita Ant. c. 8 ff, c. 28. Lucius 350 ff mitzahlreichen Beleghinweisen. Dörries, Die Vita Anto-nii 171. Schneemelcher, Das Kreuz Christi 381 ff

174 August. conf. 8,6,14 f; 8,12,29

175 August. civ. dei 11,11 ff; 12,1 f; 15,23. Gen. adlitt. 3,10,14 f; 11,2,4 f; 11,16,21; 11,19,26;11,26,33. en. in ps. 103. c. Iul. 3,26,63

176 civ. dei 2,4; 2,24; 2,29; 4,1; 4,19; 7,33; 8,22. c.Faust. 22,17. ep. 102,18 f. en. in ps. 113; 135,3.Funke 802

177 August. civ. dei 8,15 f; 9,7; 9,20; 21,10; 15,23.enchir. 15,59. ep. 238,2,15. div. daem. 3,7; 4,8. Gen.ad litt. 3,10,14 f; 2,17,37. Vgl. auch 243,5 (PL38,1145) mit ep. 9,2 f (CSEL 34,1,20 f). van der Nat730 ff

178 van der Nat 718. Vgl. auch die vorausg. Anm.

179 August. civ. dei 8,14 ff; 8,17 ff; 8,22; 9,2 f; 9,7ff; 22,8. Dölger, F.J., Beiträge (1964) 7

180 August. ep. 55,20. civ. dei 7,33 ff; 8,12 ff;15,23; 22,8. Trede 177 f. Wahrmund, Inquisition 7.Kawerau, Geschichte der alten Kirche 197. Windel-band 221 f. Selbst dem Katholiken Stockmeier istAugustins Schrifttum ein Beweis dafür, »wie sehr das

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1072: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.050 Deschner Bd. 3, 630Anmerkungen zum dritten Band

frühe Christentum dem dämonisierten Weltbild seinerZeit verhaftet war«: Glaube und Kultur 165 f

181 RAC IX 787

182 Reicke/Rost 1003 f

183 Tert. de coron. mil 3. ad uxor 2,5. Athanas. c.gent. 1 (PG 25,5 A). Theodor. h.e. 3,3,4. in ps. 22,4;109,2 (PG 80,1028 B, 1769 B/C). Joh. Chrysost. inMatth. hom. 54,4. Kallis, Geister 713. Dölger, Bei-träge (1963) 10 ff, 30 ff, ebd. (1964) 8 f

184 Hippol. K.O. 46,2. Taufe im nackten Zustandfordert noch Kyr. Jerus. cat. 20,2. RAC IX 783, 786,789. Heiler, Erscheinungsformen 317

185 Heiler ebd. 316 f

186 Ebd. 178 mit weiteren Literaturhinweisen. S.auch RAC IX 782 f

187 Bächtold-Stäubli III 868 ff, V 938 ff. Bertholet45. RAC IX 781 ff. Andresen, Die Kirchen 440

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.051 Deschner Bd. 3, 630Anmerkungen zum dritten Band

5. KapitelAusbeutung

1. Die kirchliche Predigt

1 Min. Fel. Octav. 36

2 Zit. bei Heimann, Texte III 379

3 Joh. Chrysost. hom. ad 2. Kor. 12,5 f

4 Wieling 1176, 1180

5 Ebd. 1180 ff. Brockmeyer 70 ff, 86 ff. Finley 118 f

6 Wieling 1178, 1182 f. Brockmeyer 88 ff

7 Plin. nat. hist. 18,35. Sen. ep. 89,20. dtv-LexikonPhilosophie III 342 f, IV 183 ff. Wieling 1182 ff.Clausing 236 ff. Lübtow 324 ff. Mommsen VII 357ff. Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft 19 f

8 Bogaert 899. H. Schneider, Wirtschaft 93 ff. Finley56 f

9 Liv. per. 88. Vell. 2,28. Plin. nat. hist. 7,137. Sen.clem. 1,12,2. Orig. c. Cels. 2,30. Euseb. dem. ev.3,32. Oros. hist. 6,20 ff. Pauly I 744 ff, III 1265, V.416 ff. dtv-Lexikon, Geschichte I 164 ff, bes. 167; III229 f. Finley 57. Vgl. zur Augustustheologie auchDeschner, Hahn 85 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1074: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.052 Deschner Bd. 3, 631Anmerkungen zum dritten Band

10 Plin. 13,92. Tac. ann. 13,42. Dio 60,34; 61,10.dtv-Lexikon Philosophie III 343 ff, IV 183 ff. dtv-Le-xikon, Geschichte I 233 f. Pauly I 948 f. Horn 924.Duncan-Jones 177 ff. Finley 56 ff, Pekáry 132 f.Mommsen VII 352, 375

11 Dio 77,10,4. dtv-Lexikon Geschichte I 208 f, 282f. Grant, Das Römische Reich 53

12 Ebd. 56 ff

13 Ebd. 58 ff

14 Dio 78,9,2; 78,9,4. Grant, Das Römische Reich60, 100

15 Dio 76,15. Grant, Das Römische Reich 60 ff

16 Grant ebd. 61 ff, 67 ff. Finley 27

17 dtv-Lexikon Geschichte II 63, III 74 f. Grant, DasRömische Reich 68 f mit den Quellenhinweisen

18 Aristot. Rhetor. 1367 a 32. RAC I Art. Armut I698. Finley 31 f

19 Herod. 1,94. Art. Handel RAC XIII 1986, 519 ffu. Art. Geld (Geldwirtschaft) RAC IX 1976, 817 ffmit vielen Quellenhinweisen. dtv Lexikon XI 311

20 Cic. fin. 2,56. Prop. 4,1,81. Vgl. August. civ. dei4,21; 7,12. RAC IX 839 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1075: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.053 Deschner Bd. 3, 631Anmerkungen zum dritten Band

21 Cic. de off. 1,42; 1,150 f. RAC XIII 562. Siber161 ff

22 Alle Belege und weitere in RAC IX 824 f

23 Xen. mem. 1,2,1. Plat. Phaedr. 3; symp. 174 A.269 B. Diog. Laert. 2,3; 9,35 f. Jambl. 69,32. RAC I706 f. RAC IX 825. Drexhage 561

24 Xen. symp. 4,34 ff. Diog. Laert. 6,85 ff. Philostr.Apoll. 13,2. Orig. c. Cels. 2,41. dtv-Lexikon, Philo-sophie III 14. RAC I 700, 706. Stritzky 1198

25 Sen. brev. v. 25,1. Cic. fin. 3,20, 67. Epikt. diss.1,2,37. enchir. 24,3. dtv-Lexikon Philosophie IV 370f. RAC I 706 f. RAC IX 827. Stritzky 1198 f.

26 RAC IX 813 f. Poehlmann II 465 ff. Jirku 19.Taubes 66 f mit einer Fülle von Quellenbelegen.

27 Joseph. B.J. 2,8,3. DSD 1, 11 f; 3,2; 4,2; 5,2;6,20. RAC I 707. RAC IX 814 f. Braun, Radikalis-mus II 73 ff

28 Bogaert 899 ff mit vielen Quellenhinweisen

29 dtv-Lexikon Philosophie III 96 f. RAC IX 829 f.Finley 34 f

30 Bogaert 843 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.054 Deschner Bd. 3, 631Anmerkungen zum dritten Band

31 Mk. 10,25. Mt. 5,3; 8,20; 19,24. Lk. 1,52 f; 6,24ff; 9,58; 12,33; 14,33; 16,9.11.19 ff. Bogaert 844 ffmit weiteren Beleghinweisen. Heussi, Der Ursprungdes Mönchtums 17 f. Fuchs, E., Christentum passim.Ausführlicher: Deschner, Hahn 410 ff

32 Apg. 4,32 ff. Vgl. auch 2,42 ff. Stritzky 1199 f.Bogaert 844. Plöchl I 94. Wikenhauser, Die Apostel-geschichte 68. Hengel 41. Vgl. auch Deschner, Hahn412 ff

33 Apg. 3,17. 1. Tim 6,6 ff. Jak. 2,1 ff; 4,1 ff; 5,1 ff.Horn 918 f. Harnack, Mission und Ausbreitung II560 ff. Salin 26

34 Barn. 19,5; Herm. sim. 1,6; 1,8; vis. 3,6,7. Arist.apol. 15,9. Just apol. 1,14. Bas. ep. 65. Weinel, DieStellung des Urchristentums 14. Kautsky 345. Dan-nenbauer I 57. Kupisch, Kirchengeschichte I 27.Büttner/Werner 18 ff. – Zu Faulhaber vgl. meinen fik-tiven Brief An Michael Kardinal Faulhaber 127 ff,bes. 132

35 Iren. adv. haer. 1,25,3; 1,26,2; 5,1,3. Orig. c.Cels. 1,65; 2,1. Clem. Al. strom. 3,7,2. Tert. ad uxor.2,8; de cult. fem. 2,9; pat. 7; adv. Marc. 4,15,13.Cypr. de op. et eleemos. 13. Epiphan. haer. 30,17,2;61,1,1 August. de haer. 7. Bogaert 855 f, 899. Stritz-ky 1204. RAC I 707 f. LThK 1. A. 571, III 516

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1077: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.055 Deschner Bd. 3, 632Anmerkungen zum dritten Band

36 de div. 8,1 ff; 10,2 ff; 17,3; 19,1 ff u.ö.

37 Rapp 1756. Graus, Volk 282 f, bes. 304 ff

38 Bogaert 846. Reitzenstein, Historia Monachorum165 ff. Ausführlich, Deschner, Hahn 416 ff

39 Sehr ausführlich ebd. 168 ff, bes. 181 ff, 191 ff.

40 1. Kor, 9,4 ff. 2, Kor. 8,12 ff. Röm. 13,8. Gal.5,14; 6,6. Ephes. 5,5. Kol. 3,5. Greeven 108. Preis-ker 103, 174

41 Apg. 5,1 ff. Art. Todesstrafe in LThK 2. A. X1965, 229 f

42 Apg. 6,1 ff. Ausführlich über die Spaltung in derUrgemeinde: Deschner, Hahn 152 ff

43 Lk. 4,5 ff; 13,1 ff; 22,25 ff. Mt. 20,25. Apk. 17,1;17,5 u.ö. Röm. 13,1 ff. Weinel, Die Stellung des Ur-christentums 24 f, 33. Knopf, Das nachapostolischeZeitalter 105 f, 112. Bousset, Kyrios Christos 246.Stauffer, Gott und Kaiser 14 f. Voigt 2 ff. Fuchs, H.,Der geistige Widerstand 21 ff. Rissi 96 ff Feine-Behm 274, 286. Ausführlich: Deschner, Hahn 499 ff.

44 Arist. apol. 15. Athenag. leg. 2; 37

45 Tert. apol. 42. praescr. 30,1 f. adv. Marc. 4,4,3.Drexhage 568 ff. Schilling, Reichtum 53 ff. Staats,

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.056 Deschner Bd. 3, 632Anmerkungen zum dritten Band

Deposita pietatis 8. Ausführlich über Markion:Deschner, Hahn 311 ff

46 Hipoll. ref. 7,36,1. Herm. vis. 3,6,5 ff; 3,9,6; sim.1.1; 2,5; 4,5; 8,9,1; 9,20,1 ff; 9,30,4. Hipoll. ref.7,36,1. Euseb. h.e. 5,28,9. Bogaert 874 ff

47 Plin. nat. hist. 18,7. Bogaert 865 f. Schilling, So-ziallehre 197 ff. Warmington 64 ff. Bosl, Europa 23ff

48 Vgl. vor allem Bas. hom. 6 (PG 31,277 ff). FernerBasil. 5. hom. 7; 7. hom. 7; 8. hom. 8. Greg. Naz. or.14,16. In div. 1. Stritzky 1201. Gruszka 665

49 Ich folge hier eng: Staats, Deposita pietatis 11Anm. 59

50 Plato resp. 422 a. Aristot. pol. 1265 b 12. RAC I699. Gruszka 661, 665

51 Ausführlich hierzu mit allen Belegen: Deschner,Hahn 425 ff. Vgl. auch ders. Opus Diaboli 226 ff

52 1. Clem. 38,2. Kraft 140 f. Clévenot, Von Jerusa-lem nach Rom 171 ff

53 2. Clem. 20,1,4. Bogaert 853. Kraft 141

54 Did. 1,5 f; 2,7; 4,8. Bogaert 852. Kneller 779 ff

55 RAC I 652 ff. dtv-Lexikon Geschichte I 125. Bar-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.057 Deschner Bd. 3, 632Anmerkungen zum dritten Band

denhewer I 187 ff. bes. 194 f. Arist. apol. 15 ff, zit.nach Clévenot, Die Christen 43. K. Julius in BKV1913, Bd. 12, 23

56 Just. apol. 1,11 f; 1,17. BKV 1913, Bd. 12,5

57 1. Kor. 7,21. Tat. or. adv. Gr. 4,2; 11,3. Seipel,60

58 Cypr. ad. Donat. 12. Bogaert 856. Seipel 60

59 Joh. Chrysost. in Mt. hom. 63,4. RAC I 461 ff

60 Clem. Al. Quis div. salv. passim

61 Ebd. 41,1. LThK 1. A. VI 34. Ritter, Christentumund Eigentum 1 ff; doch recht apologetisch; »katholi-scher« als der Kommentar des Katholiken Clévenot,Die Christen 99 ff. Staats, Deposita pietatis 23 ff

62 Clem. Al. Quis div. salv. 3 ff; 11 ff; 16,3; 17,1;27,1; strom. 3,6; 4,21,1; 6,99,5; paid. 2,10,2; 2,33,3;3,12. Vgl. aber auch paid. 2,122,3; 3,7,38; 2,12,120;3,57,1.

63 Hauschild 37 ff.

64 Kyr. Jerus. catech. 8,6 f. hom. in paralyt. 11. Bo-gaert 881, 900 f. RAC I 304 ff. Healy 138 ff. Bolke-stein, Wohltätigkeit 200 ff, 231 ff. Clévenot, DieChristen 37

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.058 Deschner Bd. 3, 633Anmerkungen zum dritten Band

65 Bolkestein/Schwer 306 f. Gruszka 366. Schnee-melcher, Der diakonische Dienst 88, 90. Vgl. dazuDeschner, Hahn 318 mit den entsprechenden Quellen-und Literaturhinweisen

66 Greg. Nyssa, Vita s. Macrinae 191 f. Bogaert 884ff

67 Vgl. Schilling, Reichtum 79

68 Greg. Naz. or. 14,6; 14,18 f; 14,22 f; 14,27 f;16,18 f; 19,11; 26,6; 43,34 u.a. de paup. amore c. 6.Bogaert 884

69 Greg. Naz. or. 19,13

70 Ambros. exam. 5,2; 5,27. expos. in ps. 118; bes.118,8,22. sermo 8,2; de Nab 1,1; 3,11; 7,36; 13,55;16,67. de off. min. 1,28,132; 1,11,39; 2,25,128;comm. in Lc. 7,124. de Tobia 24,92. ep. 1,2,11;18,16. RAC I 705. Sommerlad I 117. Schnürer I 32 f.Dudden, The Life II 549. Wacht 28,54, 62 f

71 Joh. Chrysost. hom. in Mt. 35,3; 60,7; 61,2; 64,4;74,5; 83,2; 88,3. hom. in ep. 1 ad Tim. 12,3 f; hom.in Hebr. 10,4. hom. in Joh. 82,4. Bogaert 887 ff.Pöhlmann II 476 f, 488 ff. Bury I 139. Graus, Volk282 f. Ich selbst beurteilte ihn in Abermals krähte derHahn 415 f. noch zu positiv

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.059 Deschner Bd. 3, 633Anmerkungen zum dritten Band

72 Joh. Chrysost. hom. ad Tit. 4,4. Heilmann, TexteIII 514

73 Joh. Chrysost. hom. ad pop. Ant. 19,1; 2,8. deAnna serm. 5 hom. in 1. Kor. 39,9; hom. in 2. Kor12,5. hom. in Gen. 50,1. Heilmann, Texte III 372 f.Holzapfel 80 ff, bes. 89 f

74 Joh. Chrysost. hom. in Jh. 44,1. Seipel 124. Eber-le 41 ff (sehr ausführlich). Fichtenau, Askese und La-ster 66. Prinz, Frühes Mönchtum 532. Fetscher 46

75 Joh. Chrysost. hom. 2. Tim. 1,2 f

76 Theodor. de provid. 8 f. ep. 23. Holzapfel 103 ff,bes. 106

77 Theodor. de provid. 7

78 Theodor. Graec. aff. cur. 6. de provid. 6. Holzap-fel 100 ff

79 August. de ord. 2,25. civ. dei 15,22. ep. 155,2,8.enarr. in ps. 131,5. Troeltsch, Augustin 143. Schnü-rer I 75 f. Dittrich II 230. Holl, Augustins innere Ent-wicklung 86 f. Zumkeller 136

80 August. serm. 50,4,6; 113,4 ff. ep. 157,4,26 ff. en.in ps. 62,14; 51,14 f.u.a. Salv. gub. 3,50. Drexhage572 f. Linhardt 213

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.060 Deschner Bd. 3, 633Anmerkungen zum dritten Band

81 August. in ps. 51,14 f. sermo 61,9,10. Stritzky1203. Troeltsch, Augustin 146. Diesner, Studien zurGesellschaftslehre 23 ff, 92 ff

82 August. in Jh. tract. 6,25. ep. 185,9,36. WeitereBeleghinweise bei Bogaert 893,896. Vgl. auch 870

83 August. de doctr. christ. 1,28,29, serm. 61,11,3;61,11,12; civ. dei 19,16; de op monach. 30,38. Bo-gaert 895 ff. Stritzky 1202. Schilling, Soziallehre 217

84 August. lib. arb. 1,15,32,110. serm. 14,3,4;14,4,6; 14,5,7; 48,8; 50,4; 50,7; 61,2 f; 61,10;61,11,12; 85,6,7; discipl. 10. ep. 50,3,5; 50,5,7;153,26; 155,3,9. en. in ps. 48; 51,14; 62,14; 147,13;de opere monach. 25

85 August. serm. 14,3,4; 85,5,6; 85,6,7; 14,4,6. ep.104,3; 157, 23. conf. 7,6. Diesner, Studien zur Ge-sellschaftslehre 33

86 August, ep. 104,1,3; civ. dei 18,49; de opere mo-nach. 21,24 f. Holzapfel 7. Prinz, Frühes Mönchtum532. Ausführlich mit einer Fülle von Belegen über dieEinschätzung der Arbeit im Christentum Eberle 6 ff

87 August. de opere mon. 17,20; de ordine 1,8. Petr.Chrys. serm. 10, Hieron. ep. ad Arm. et Paul 4 f,46,12. Kraft 419. Holzapfel 137. Clévenot, Der Tri-umph 117

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1083: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.061 Deschner Bd. 3, 634Anmerkungen zum dritten Band

88 Schilling, Soziallehre 242 f. Ders. Reichtum 26

89 August. civ. dei 19,16. de eccl. cath. 1,30 (63)

90 August. op. imperf. 1,22

2. Die kirchliche Praxis

91 Zeno zit. bei Fichtenau, Askese und Laster 95

92 Bogaert 867 ff

93 Salv. ad eccl. 1,1

94 Dannenbauer I 243

95 Hieron. ep. 123

96 Staats, Deposita pietatis 4, Anm 6

97 Plöchl 95. Sommerlad I 301. Seipel 84

98 Tert. apologet. 39,5 ff. Iren. adv. haer. 4,18,6

99 Wieling 1192 f. Plöchl 94 f

100 Bogaert 867. Staats, Deposita pietatis 5 f

101 1. Kor. 9,4 ff. Gal. 6,6. Cypr. ep. 66. Orig. innum. hom. 11,1. Theod. Mops. in ep. ad Eph. Au-gust. de op. mon. 16,17. Preisker, Das Ethos 103,174

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1084: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.062 Deschner Bd. 3, 634Anmerkungen zum dritten Band

102 Zur Entstehung der kirchlichen Ämter ausführli-cher: Deschner, Hahn 223 ff

103 Vgl. Ign. Ephes. 6,1. Trall. 3,1. Smyrn. 8,1 f;9,1. Magn. 7,1. Philad. 7,2 u.ö.

104 Schwer, Armenpflege 695

105 Nylander 23, Plöchl 95 f

106 Cod. Theod. 16,2,8. Nov. Valent. III 23. Drexha-ge 547, 550. Plöchl 96

107 Didask. 9 t; 15; 18. Staats, Deposita pietatis 7

108 LThK 1. A. III 399 f. Caspar I 40

109 Wieling 1193. Caspar I 40 f

110 Euseb. h.e. 6,43,11. Plöchl 95. Gülzow, Kallist102 ff. Staats, Deposita pietatis 8

111 Cypr. ep. 41; 62,3. Staats, Deposita pietatis 8

112 dtv-Lexikon Geschichte III 283. Frend, Martyr-dom 433 f. Staats, Deposita 8 f. Andresen, Die Kir-chen 288 f, zit. nach Staats ebd.

113 Bogaert 851 f. LThK 1. A. VI 413 f

114 Polyk. 4,3. Dempf, Geistesgeschichte 116.Staats, Deposita 6 f, 27

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1085: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.063 Deschner Bd. 3, 634Anmerkungen zum dritten Band

115 Harnack, Mission und Ausbreitung I 127. Zit.nach Staats, Deposita 5 f

116 Euseb. h.e. 7,5,1 f. Vgl. 4,23,10. Staats, Deposi-ta 6

117 Staats, Deposita 13 mit Bez. auf Cypr. ep. 41–43

118 Bogaert 869

119 Kuujo 168 f. Reinhard 149, dazu Anm. 22

120 Cod. Theod. 16,2,4. Cod. Just. 1,2,14,1;1,2,14,9; 1,2,23,2. Nov. Just. 7,4; 111,1. Wieling1193 f. Caspar I 113 ff. Bogaert 867. Caspar I 131 ff.Dannenbauer I 63 f

121 Soz. 1,8,10. Bogaert 867 f. Gregorovius I 169.Dopsch, Wirtschaftliche u. soz. Grundlagen II 206 f

122 Wieling 1194. Bogaert 868

123 Bogaert 872 f. Heussi, Der Ursprung des Mönch-tums 182, Anm. 1. Ausführlicher: Deschner, Hahn329 ff

124 Ausführlich über soziale Betätigung des Mönch-tums: Savramis 24 ff

125 Athan. Vita Ant. 44. Chrysost. hom. 11 in 1. ep.ad Tim. August. de opere monach. c. 22. Kober, Diekörperliche Züchtigung 395. Leipoldt, Schenute 70.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1086: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.064 Deschner Bd. 3, 634Anmerkungen zum dritten Band

Heussi, Der Ursprung des Mönchtums 114 f, 301 ff.Dagegen die Schönfärbung bei Nigg, Geheimnis derMönche 48; andererseits ebd. 30

126 Mt. 6,25 ff, 6,31 ff, Lk. 12,22 ff, 10,39. RAC I588. Troeltsch, Soziallehren I 45. Péguy 102 f

127 Vgl. Röm. 1,29 ff; 1. Kor. 5,10 f; 2. Kor. 6,6 f.Gal. 5,19 ff; Eph. 4,2 f; 5,22 ff. Kol. 3,5 ff; 3,18 ff.Weitere Quellenhinweise bei Schwer, Beruf 148 ff,154 ff. S. auch Buonaiuti I 48. Holzapfel 150 f

128 Troeltsch, Soziallehren I 316, Anm. 137 u.S.344. Vgl. auch 327, Anm. 145. Eberle 47 ff

129 Ausführlich Dörries, Wort und Stunde I 277 ff

130 Vita Pachomii c. 5; c. 7. Zöckler 201 ff. Fichten-au, Askese und Laster 66. Ranke-Heinemann 14.Nigg, Geheimnis der Mönche 68. Bacht 215

131 Theod. Pherme 10. Schiwietz I 176 ff, 187, 206ff, 219 ff. Grützmacher, Pachomius 48 f, 135. Dör-ries, Wort und Stunde I 297 ff

132 Euagr. Pont. C. pract. ad Anat. 6. Holzapfel 192ff. Prinz, Frühes Mönchtum 533

133 Reg. Bened. c. 50. Prinz, Frühes Mönchtum 533ff. Grünwald 125 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1087: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.065 Deschner Bd. 3, 635Anmerkungen zum dritten Band

134 August. Reg. 1. Reg. Bened. c. 1 f; 5; 7 (Gehor-sam); c. 33; 55 (Eigentum). Zöckler 360 f, 264 ff.Zumkeller 136 ff. Balthasar, Ordensregeln 123. Sa-vramis 59

135 Wilpert, J., 42 ff. Schiwietz I 176 ff, 206. Grütz-macher, Pachomius 135

136 Rufin. h.e. 2,4. Hist. Laus. c. 10. Grützmacher,Pachomius 101 f. Savramis 46 ff

137 Zit. bei Andresen, Frühes Mönchtum I 43. Dan-nenbauer I 166 f

138 Liban. or. 30,11. Oldenberg, Buddha 326 f. Sa-vramis 59 f. Mensching, Soziologie 129. Tinnefeld,Die frühbyzantinische Gesellschaft 23. Kosminski /Skaskin 11

139 Alle Belege RAC XIII 552 ff, 574. Bogaert 874

140 Zosim. 4,23. LThK 1. A. X 1095

141 Herm. sim 9,26. Polyk. ad Phil. c. 11. Euseb. h.e.5,18,2; 5,28,10 ff. Bauer, Rechtgläubigkeit 126 ff.Andresen, Die Kirchen 210. Zu Montanus und demMontanismus: Deschner, Hahn 322 ff

142 Cypr. ep. 50; 52. Staats, Deposita 21 f

143 Orig. in Mt. 16,21 f. Burckhardt 119. Andresen,Die Kirchen 304 f. Staats, Deposita 10Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.066 Deschner Bd. 3, 635Anmerkungen zum dritten Band

144 Vgl. außer Kriminalgeschichte II 94 ff Clévenot,Die Christen 111 ff, bes. 116 f. Staats, Deposita 20 f

145 Staats, ebd. 10

146 Euseb. h.e. 7,30,14. Kraft 411. Schnürer I 6.Clévenot, Die Christen 157 ff. Vgl. auch Deschner,Das Kreuz 182

147 Euseb. h.e. 7,32,3 f

148 Cypr. BKV 34, 1918, 96 f. Zit. nach Clévenot,Die Christen 150. Klauser 140 ff. Staats, Deposita 10

149 Can. apost. c. 57; 59. Vgl. im 5. Jh. auch Salv.gub. dei 5,56. Kober, Deposition 689 ff. Sternberg196

150 2. Mos. 22,25. 3. Mos. 25,35 ff. 5. Mos. 23,19 f.Vgl. Ez. 18,8. Plat. de leg. 5,742. Aristot. Pol. 1,3.Conc. Nic. c. 17. Hilar. Tract. in ps. 14,15. Greg.Naz. or. 16,18. Lact. inst. 6,18. Ambros. de Nab.4,15. August. en. in ps. 128,6; en. in ps. 36. serm.3,6. Schilling, Reichtum 91 f, 115, 137. Seipel 167 ff

151 Chrysost. hom. 61 in Mt. Kober, Deposition 705.Eban 139 f. Pirenne, Sozial- und Wirtschaftsge-schichte 137

152 Syn. Elvira c. 19 f; 28; 48. Bogaert 852. LThKi.A. VII 131. Plöchl 95. Blazques 653 f. Clévenot,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.067 Deschner Bd. 3, 636Anmerkungen zum dritten Band

Die Christen 170 ff

153 Conc. Nic. (325) c. 17. Vgl. Syn. Elvira (306) c.20. Syn. Arles (314) c. 12. Syn. Laodic. c. 4. Syn.Karthag. (397) c. 16. Syn Arles (443) c. 14. Syn.Agde (506) c. 64; c. 69. Vgl. auch Sulp. Sev. Chron.1,23. Kober, Die Deposition 610. Schmitz, Die Buß-bücher und die Bußdisciplin 292 ff. Hellinger 90 f

154 Drexhage 548 f mit zahlreichen Quellenhinwei-sen

155 August. serm. 355,6. Hieron, ep. 22,33. Nil. Sin.ep. 2,101. Joh. Cass. de inst. coen. 7,2; 7,6; 7,9 f.Greg. I. ep. 1,40; 12,6. Kraft 387 f. Bogaert 873 f,890. Bardenhewer IV 558 ff. Dannenbauer I 165 f

156 Greg. Tur. hist. Franc. 3,34. Alle Belege RACXIII 551 f, 556. Bogaert 877

157 Greg. Tur. hist. Fr. 4,12; 5,5. ACO 2,1,353. Bo-gaert 872. Giesecke 122 f.

158 Ambros. off. 1,185. Hieron. ep. 52,5,3. Bogaert868. RAC XIII 549 f, 570 ff. Schinzinger 50

159 Joh. Chrysost. in Mt. hom. 39,3 (PG 57,437 C).Horn 921. Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesell-schaft 22. Clévenot, Der Triumph 96

160 Clévenot ebd. 93. Tinnefeld, Die frühbyzantini-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1090: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.068 Deschner Bd. 3, 636Anmerkungen zum dritten Band

sche Gesellschaft 21

161 Cod. Theod. 16,2,27. Clévenot, Der Triumph 93ff

162 Clévenot, Der Triumph 96

163 Ebd. 99 f

164 Theodor lector h.e. 2,55. Bogaert 868. Dopsch,Wirtschaftliche und soziale Grundlagen II 206. Cas-par I 124 ff 131, II 326 f. Andresen, Die Kirchen 602

165 Schubert, H.v. I 102. Caspar I 127. Arnold zit.nach Staats, Deposita 27 f, dort der Quellenhinweis

166 Greg. Tur. hist. Fr. 4,26; 6,36; 7,40; 10,19. Bo-gaert 868 f

167 Clévenot, Der Triumph 66

168 Cod. Theod. 1,27,1 f; 16,2,7. RAC III 339. Cas-par I 134 f, 156. Dannenbauer 164. Voelkl, KaiserKonstantin 93. Klauser, Bischöfe 172 ff. Chrysos 119ff. Langenfeld 116 f.

169 Treucker 26 ff. Maier, Die Verwandlung 612.Noethlichs, Zur Einflußnahme 153. Prinz, Die bi-schöfliche Stadtherrschaft 8 ff, 12 ff. Reinhard 149.Held 132. Gassmann 64, 67 ff

170 Synes. ep. 57Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1091: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.069 Deschner Bd. 3, 636Anmerkungen zum dritten Band

171 Basil. (an Euseb. v. Samosata a. 373) ep. 41; 49.Hieron. ep. 33. Lecky II 123. Burckhardt 306. CasparI 259. Leipoldt, Von Epidauros bis Lourdes 201.Vgl. Deschner, Hahn 236 ff

172 Cod. Theod. 16,2,20. Ammian 27,3,14 f. Hieron.contra Joh. Hieros. c. 7. Stein, Vom römischen 330.Caspar I 196 f. Hartke 422. Andresen, Die Kirchen403. Clévenot, Der Triumph 45, 63 f. Vgl. auch Kri-minalgeschichte I 111 ff

173 Syn. Sard. c. 2. Greg. Naz. or. 12,3; 18,35.Basil. ep. 53. Athan. Apologia ad Const. Imp. 28.Ambros. serm. c. Auxent. RAC XI 924. Baur, Derheilige Johannes Chrysostomus II 121. Hauck, A. I77. Achelis 182. Weitzel 9 f

174 Greg. I. ep. 4,24; 8,3; 8,35; 13,22. Wetzer /Welte X 165 f. LThK 1. A. IX 582. Dudden I 400 f.Meier-Welcker 68. Zimmermann, Papstabsetzungen174

175 Bogaert 855. Meier-Welcker 63 f. Weitzel 7 f,11 ff

176 Syn. Elvira (306) c. 48. Dresdner 37. Meier-Wel-cker 64

177 Ambros. off. 2,23,117 f. Greg. Tur. hist. Fr. 3,2;4,35; 10,26 u.a. Bogaert 871 f mit vielen weiterenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.070 Deschner Bd. 3, 636Anmerkungen zum dritten Band

Beleghinweisen. Meier-Welcker 63 f. Thiele, Studien114 ff. Lautermann 32

178 Meier-Welcker 62, 64

179 E. Stauffer, zit. nach Cornfeld / Botterweck II397

180 Euseb. h.e. 5,24,6. Ich folge hier Reinhard 147 f

181 Diehl 197 (Nr. 1030)

182 Greg. Tur. hist. Fr. 3,2; 10,31. Heinzelmann, Bi-schofsherrschaft 233 ff. Gassmann 50 ff, 143

183 Reinhard 145 f

184 Dopsch, Wirtschaftliche und soziale GrundlagenI 152 ff

185 Apost. Can. c. 26; 39 f. Syn. Ancyra (314) c. 14.3. Syn. Karth. (397) c. 49. 4. Syn. Karth. (419) c. 32.Syn. Agde (506) c. 54. Plöchl 97. Jones, The laterRoman Empire II 895 f. Reinhard 149

186 Pelag. I. ep. 33. Vgl. auch MGH Constit. I 1893,70 ff. Kraft 49. Reinhard 149. Clévenot, Die Christen117

187 Sämtliche Beleghinweise: RAC XIII 549.Dopsch, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen II206

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.071 Deschner Bd. 3, 637Anmerkungen zum dritten Band

188 Cod. Theod. 16,2,4. Lecky II 107 f. Sommerlad I304 f. Dopsch, Wirtschaftliche und soziale Grundla-gen II 206. Caspar I 131. Andresen, Die Kirchen 602.Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft 21

189 Vogt, Der Niedergang. Clévenot, Der Triumph140

190 Clévenot ebd. 109 ff, 142

191 Dopsch, Wirtschaftliche und soziale GrundlagenII 206 f

192 Cypr. de op. et eleemos. c. 18 f. Hieron, in Hes.14,46,16. Salv. adv. avarit. 3,277. de gub. dei 1,1 ff,1,23 ff. August. serm. 86,11. Joh. Chrysost. hom.Rom. 8,9. Lecky II 107. Bogaert 894. Sommerlad I304 f. Schultze, Augustin und der Seelteil 187 ff.Schäfer, Römer und Germanen 21

193 Basil hom. 6 (PG 31,277 ff)

194 Lecky II 107 f. Sommerlad I 304 f

195 Cod. Theod. 16,2,20; 16,2,27 f. Hieron. ep.52,6. Sommerlad I 311. Dopsch, Wirtschaftliche undsoziale Grundlagen II 207. Hernegger 362. Diesner,Kirche und Staat 40. Lippold, Theodosius 37

196 Cod. Theod. 16,3,1; 16,2,20. Hieron. 52,6;60,11. Dannenbauer I 166 f, 240 fKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.072 Deschner Bd. 3, 637Anmerkungen zum dritten Band

3. Die Erhaltung und Festigung der Sklaverei

197 Rather v. Verona zit. nach Pfaff-Giesberg 52

198 Ketteler 101

199 Finley 102

200 Češca 179

201 Ingram 3. Weber, Gesammelte Aufsätze 293.Pfaff-Giesberg 21 ff. Glasenapp, Glaube und Ritus141 f

202 Pfaff-Giesberg 39, 42 f. Finley 76 f. Brockmeyer,Antike Sklaverei 114 f, 181

203 Thukydides 4,80. Diod. 12,67. Lechler 8 ff. In-gram 17 f. Pfaff-Giesberg 38 ff. Vogt, Wege zurMenschlichkeit 71 f. Rädle 324. Audring 107. Oliva113. Ausführlich und nach neuestem Stand: Brock-meyer, Antike Sklaverei 77 ff, 98 ff, 111 ff, 134 ff

204 Brandes 58 f. Pfaff-Giesberg 42 ff. Steinbach,Der geschichtliche Weg 11 f. Brockmeyer, AntikeSklaverei 172 ff

205 Varro, res rust. 1,17,1. Paulus 5,3,1. dtv-LexikonPhilosophie III 290 f. Lecky I 271. Weber, Gesam-melte Aufsätze 297 f. Finley 65. Wolff, Hellenisti-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.073 Deschner Bd. 3, 637Anmerkungen zum dritten Band

sches Privatrecht 72. Brockmeyer, Antike Sklaverei,9, 150 ff

206 Weber, Gesammelte Aufsätze 299 f. Steinbach,Der geschichtliche Weg 11. Gülzow, Christentumund Sklaverei 101 f, 134. Ausführlich erörtert die Be-handlung von Unrechtstaten von Sklaven nach römi-schem Recht in der älteren Zeit, der klassischen Zeitund den nachklassischen Jahrhunderten: Nehlsen 68ff. Die Stellung der Sklaven im öffentlichen Strafrecht86 ff. – Brockmeyer, Antike Sklaverei 159 ff, 164,178 ff

207 Tacit. Ann. 13,27. Seneca ep. 47; benef. 3,17 ff.Lecky I 212 ff, 272 ff. Pfaff-Giesberg 45 ff. Finley 84ff. Gülzoz, Christentum und Sklaverei 46 ff mit vielenQuellenhinweisen. Steinbach, Der geschichtliche Weg12 f. Zur Stellung des Sklaven im römischen Recht:Benöhr 123 ff. Wacke, Kannte das Edikt 111 ff. Ders.Zur Lehre vom pactum tacitum 240 ff. Brockmeyer,Antike Sklaverei 182 ff

208 Tacit. Germ. 25. Lindauer 121

209 Cornfeld / Botterweck V 1292

210 Ebd. 1296

211 Alle Belege hierzu ebd. 1292 ff. Vgl. auchBrockmeyer, Antike Sklaverei 193

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.074 Deschner Bd. 3, 638Anmerkungen zum dritten Band

212 Alle Belege bei Cornfeld / Botterweck V 1293,1296

213 Lecky II 54 ff. Ingram 150. Pfaff-Giesberg 28

214 2. Mos. 21,2; 5. Mos. 15,12 ff. Greeven 45 ff.Schaub 22 ff. Pfaff-Giesberg 50

215 1. Kor. 7,21. Lechler, 2. Teil 1 ff. Steinmann 44ff. Schulz, Gott ist kein Sklavenhalter 139

216 Lappas 94

217 Ephes. 6,5 ff. Tit. 2,9 f. Tim. 6,2 f. 1. Petr. 2,18ff. Kol. 3,23 f. Thudichum III 281. Glasenapp, Glau-be und Ritus 142. Dibelius, Botschaft I 322 f. Gül-zow, Christentum und Sklaverei 57 ff, 64 ff

21a Grant, Christen als Bürger 103 f

218 Ign. Polyc. 4,3. Did. 4,11. Apk. Petr. 11. Lech-ler, 2. Teil 8 f. Hennecke, Neutestamentliche Apokry-phen 136, 314

219 Syn. Gangra c. 3. Hefele I 781. Gülzow 118.Grant, Christen als Bürger 107. Graus, Volk 308

220 Theod. Mops. in ep. ad Philem. Ambros. parad.14,72; vgl. ep. 63,112. Epperlein 124 f. Grant, Chri-sten als Bürger 105 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.075 Deschner Bd. 3, 638Anmerkungen zum dritten Band

221 Ambros. de Abrah. 1,84. Apolog. David altera12, de virgin. 17. Schneider, K.-P., Christliches Lie-besgebot 82 ff. – eine sehr lesenswerte, instruktiveUntersuchung

222 Ambros. ep. 2,23; 2,31; 5,20, 5,23. de off. 3,22de fide 1,78. Schneider, K.-P., Christliches Liebesge-bot 93 ff

223 Greg. Nyssa, in eccl. hom. 4. Joh. Chrysost. hom.22 in ep. ad Eph. Vgl. de Lazaro hom. 6,7 f, auchhom. 4 in ep. ad Tit. August. de civ. dei 19,15. Lech-ler, 2. Teil 19 f. Baur, Der heilige Johannes Chryso-stomus I 318. Schilling, Soziallehre 239. Dempf,Geistesgeschichte 115. Češca 177. Grant, Christenals Bürger 109

224 van der Meer, Augustinus 171 f. Vgl. dazuDeschner, Opus Diaboli 57 ff u. 207 ff, bes. 57 f.u.221

225 August. serm. 211,5; 356,3.7; en. in ps. 124,7.qu. in hept. 2,72. de civ. dei 19,14 ff. Gen. ad litt.11,37,50. de morib. eccl. 63 f. ep. 29,12; 105,3 ff.108,14; 133,2; 185,15. vera rel. 87. RAC I 589.Heilmann, Texte IV 563. Lechler, 2. Teil 23 f. Schil-ling, Soziallehre 237. Schnürer I 65. Troeltsch, Sozi-allehren I 133,145. Diesner, Studien zur Gesell-schaftslehre 41 ff. Ders. Kirche und Staat 48. Wid-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.076 Deschner Bd. 3, 639Anmerkungen zum dritten Band

mann 84. Baus / Ewig 421

226 Franko II 213. Steinmann, Sklavenlos 50. Baur,Der heilige Chrysostomus I 319. Lechler 2. Teil pas-sim. Meinerts 209 f. Häring, Gesetz Christi III 136

227 Sen. ben. 3,20,1; ep. 44; 47; 95; de ira 2,31.Epikt. 1,13,5; 3,22,96; 4,1,127. Schaub 12 ff. Gree-ven 6 ff, 28 ff. Wilamowitz-Moellen-dorf II 60 ff,bes. 67 u. 72. Leipoldt, Dionysos 53 ff. Ders. Der so-ziale Gedanke 120. Ders. Die Frau 54 f. Gülzow 46 f,49 ff

228 Sem. de clem. 1,18,2; de benef. 3,18,2; 3,20,1;3,28. ep. 31,11; 47,44; de vit. beat. 24,3; de ira 2,31.Epikt. 1,13,5; 3,22,96; 4,1,127. Lecky I 273 f.Schaub 12 ff. Schilling, Soziallehre 235. Greeven 6ff, 28 ff. Grant, Die Christen als Bürger 107

229 Leo I. ep. 4. Jonkers 229, falls der von Jonkersals authentisch verwendete Brief Stephans nicht ge-fälscht ist. Hartke 422. Hellinger 120

230 Vogt, Der Niedergang 382. Gülzow 101 ff, bes.104 f. Grant, Die Christen als Bürger 107

231 Gülzow 104. Kantzenbach, Christentum in derGesellschaft 68. Brockmeyer 157 f

232 Harnack, Reden und Aufsätze II 40 ff. Troeltsch142. K. Müller, Kirchengeschichte I 566Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.077 Deschner Bd. 3, 639Anmerkungen zum dritten Band

233 Keller, Reclams Lexikon 368 ff. Lecky II 51. v.Schubert II 541

234 Cod. Theod. 9,9,1. Cod. Just. 6,1,6. Lecky II 23ff, 51. Voelkl, Kaiser Konstantin 150 f, 197. Vgl. fer-ner die in Kriminalgeschichte I 267 ff genannte Lite-ratur

235 Lechler 2. Teil 26. Schaub 49. Troeltsch 19, 133f, 141. K. Müller, Kirchengeschichte 565 f. Diesner,Studien zur Gesellschaftslehre 87. Langenfeld 24 ff,31 ff

236 Langenfeld 211 ff

237 Joh. Chrysost. hom. 15,3 f in Eph.; nach Baur,Der heilige Johannes Chrysostomus I 318

238 Syn. Elvira c. 5; 7 f; 12; 75

239 Ammian. 31,4 ff. Dannenbauer I 188. Thomp-son, The Visigoths 39 ff

240 Const. Apost. 2,57. Baur, Der heilige JohannesChrysostomus 316 ff. Alfaric 311 f. Lippold, Theodo-sius 66 f. Gülzow 101 ff

241 Lib. or. 25,1. Lex Romana Visigoth. 3,7,1 ff.Nehlsen 103. Tinnefeld, Die frühbyzantinische Ge-sellschaft 144.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1100: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.078 Deschner Bd. 3, 639Anmerkungen zum dritten Band

242 Lecky II 54 ff. Sternberg 165. Schaub 49. Har-nack, Mission und Ausbreitung 192 ff. Ders. Redenund Aufsätze II 47. Troeltsch I 19, 132 ff, 356 Anm.160. Weinel, Biblische Theologie 493. Müller, K.,Kirchengeschichte I 565. Nehlsen 55 f. Hauck I 65.Heussi, Kompendium 121. Graus, Die Gewalt 72 ff.Alfaric 311 f. Kosminski / Skaskin 10 ff

243 Baus / Ewig 421. Deschner, Ein Papst reist zumTatort, in: Ders. Opus Diaboli 207 ff

244 Maier, Die Verwandlung 87 f, 92 f, 97 f

245 Schulz-Falkenthal 193. Held, Einige Probleme143 ff. Herrmann / Sellnow 25. Tinnefeld, Die früh-byzantinische Gesellschaft 45 ff. K.-P. Johne 219.Vgl. auch die folg. Anm.

246 Cod. Theod. 5,17,1. Schnürer I 18. Warmington66. Jones, Slavery 198. Engelmann, Zur Bewegung375. Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft46, 49. Maier, Die Verwandlung 93

247 Cod, Just. 11,48,21; 11,50,2. Nov. 162. Tinne-feld, Die frühbyzantinische Gesellschaft 46 ff

248 Salv. de gub. dei 5,8. Wieling 1189. Engelmann/ Büttner 371 f. Büttner / Werner 13 ff. Kominski /Skaskin 6. Lippold, Theodosius 61 ff, 66

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1101: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.079 Deschner Bd. 3, 639Anmerkungen zum dritten Band

249 Maier, Die Verwandlung 97. Tinnefeld, Die früh-byzantinische Gesellschaft 52 f

250 Maier, Die Verwandlung 91 ff

251 Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft 19ff

252 Dannenbauer I 235

253 Euseb. V.C. 1,42,2; 2,45; 3,54; 4,45 ff. AurelVict., Epit. 41. Zos. 2,38. Zon. 13,4. Weitere Beleg-hinweise bei Horn 926. Seeck, Geschichte I 50. Stein,Vom römischen 168. Grant, Die Christen als Bürger169 f

254 Bogaert 859 f. Vogt, Der Niedergang 198 f.Mazzarino 48. Clévenot, Der Triumph 57

255 Voelkl, Kaiser Konstantin 211 f. Clévenot, DerTriumph 31

256 Julian or. 2,57. Vict. epit. 41,22. Zosim 2,42,2.Seeck, Geschichte IV 87 ff. Baus / Ewig 35

257 Themist. orat. 8,115. dtv-Lexikon Geschichte I242 f. Mickwitz 18 ff. Finley 102 f

258 Maier, Die Verwandlung 77 ff

259 Cod. Theod. 16,1 f. Ammian. 27,7,8; 30,8,8;31,6,6. Zosim 4,16,4. Suet. Tib. 32. Dannenbauer I

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1102: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.080 Deschner Bd. 3, 640Anmerkungen zum dritten Band

33 f, 236, 248 f

260 Ammian. 16,5,15. Vgl. Salv. de gub. dei 4,30 f,5,35. Priskos, Fragm. Hist. Gr. 4,86 f. Cod. Just.12,2,2. Dannenbauer I 247 f. Kominski / Skasin 54.Maier, Die Verwandlung 147

261 Mazzarino 48 ff. Clévenot, Der Triumph 56 ff

262 Clévenot ebd. 61 f

263 Ammian. 15,13,4; 20,5,7; 30,4,21. Zos. 4,27 ff;5,1; 5,16; 5,46. Eunap. fr. 87. Salv. de gub. 5,4,15 ff.Dannenbauer I 235 ff

264 Dannenbauer I 239, 245

265 Hist. mon. 16,5 ff. Salv. de gub. 5,5,21 f. Maier,Die Verwandlung 79.

266 Liban. or. 7,1 f. Dannenbauer I 257. Maier, DieVerwandlung 82, 90. Tinnefeld, Die frühbyzantini-sche Gesellschaft 140 f

267 Dannenbauer I 267. Maier, Die Verwandlung 87ff, 96

268 Schnürer I 17. Kosminski / Skaskin 54. Maier,Die Verwandlung 80, 85 ff. Clévenot, Der Triumph26 f

269 Cod. Theod. 13,10,3. Cod. Just. 11,50,2;Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1103: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.081 Deschner Bd. 3, 640Anmerkungen zum dritten Band

11,52,1. Dannenbauer I 38

271 Salv. de gub. dei 4,21; 5,23; 6,67. Sternberg 51f, 76, 165. Schilling, Soziallehre 197 ff. Hauck I 65 f

271 Wieling (RAC) 1187. Cod. Theod. 5,17,1 f;11,1,7; 11,24,6; 11,28,13; 8,5,1. Cod. Just. 7,39,2.Ammian. 19,11,3. Wieling (RAC) 1187. Dannenbau-er I 255 f. Clévenot, Der Triumph 31

272 Augustin, litt. Petil. 2,247. Wieling 1187 ff.Dannenbauer 205, 259 ff, 266 f.J. Imbert / H. Lego-hérel, Histoire économique, des origines à 1789,1970, 105. Zit. nach Clévenot, Der Triumph 27.Maier, Die Verwandlung 146

273 Salv. de gub. dei 5,8 f. Vgl. 5,21 ff. Schnürer I18. Schäfer, Römer und Germanen 75. Maier, DieVerwandlung 135

274 Dannenbauer II 33 f, 40 ff

275 Rutil. Namat. 1,215 f. Zosim. 6,5,2 f. Salvian. degub. dei 5,22 f. Maier, Die Verwandlung 148. Kos-minski / Skaskin 33 ff, 44 f. Günther, Volksbewegun-gen 169 ff. Köpstein, Zur Rolle der Agrarbevölkerung190 ff

276 Euseb. V.C. 3,26; 3,51 f. RAC I 6, II 1228 f,1231

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.082 Deschner Bd. 3, 640Anmerkungen zum dritten Band

6. KapitelVernichtung

1. Christliche Büchervernichtung in der Antike

1 Ambros. Über die Buße 1,1 f (Heilmann. Texte II346)

2 Daniélou 10

3 Theodor. h.e. 5,23

4 Schultze, Geschichte II 356 f.

5 Brown, Welten 133

6 Lietzmann, Geschichte IV 82

7 Lacarrière 124

8 Clévenot, Die Christen 136

9 Leo I. ep. 15,5 (PL 54,688 A)

10 Conc. Nic. (787) 5. Sitzung (Mansi 13,176 A)

11 Speyer, Büchervernichtung, in: JbAC 1970, 139,142

12 Speyer, Büchervernichtung (1981) 4, 25 ff, 30 ff,36 ff

13 Sulp. Sever. chron. 2,19,18. Opt. Mil. 7,1. Aus-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.083 Deschner Bd. 3, 641Anmerkungen zum dritten Band

führlich: Speyer, Büchervernichtung 43 ff, 51 ff, 83ff, 180 f. JbAC 1970, 138 f

14 August. c. litt. Petil. 2,23,53; 2,92,202. c. Cresc.3,29,33. Vgl. auch Pot. Mil. 1,13 f. Speyer, Bücher-vernichtung (JbAC 1970) 139 f

15 Vgl. Speyer, Büchervernichtung 15 ff, 22 ff

16 Ebd. 180 ff

17 Altaner / Stuiber 205. Bauer, Rechtgläubigkeit157 ff, 163, 172 ff. Speyer, Fälschung, literarische240. Ders. Büchervernichtung 120 ff, 139 f

18 Speyer, Büchervernichtung 142 f, 158 ff

19 Euseb. V.C. 3,66. Rufin, h.e. 10,2. Sozom. h.e.1,17,4 f; 1,21,4. Theodor. h.e. 1,7,15. Socr. h.e. 1,9.Speyer, Büchervernichtung 131. Beyschlag 69 f

20 Philostorg. h.e. 11,5. Cod. Theod. 16,5,34. Alta-ner / Stuiber 310. Kraft 197. Weitere Belege und Hin-weise bei Speyer, Büchervernichtung 38 f

21 Cod. Theod. 16,5,34. Die Vernichtung nimmt J.de Ghellinck an: Patristique et moyen âge 2, 358.Nach Speyer, Büchervernichtung. Speyer (JbAC1970,144) vermutet nur ihre Sekretierung.

22 ACO 1,1,3,5Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1106: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.084 Deschner Bd. 3, 641Anmerkungen zum dritten Band

23 ACO 1,4,86. Speyer, Büchervernichtung (JbAC)146

24 ACO 1,1,4,66; 2,3,348,14 f. Cod. Just. 1,1,3.1,5,8,9 f. Speyer, Büchervernichtung (JbAC) 145

25 Lib. pont. 1,255; 1,270 f (Duchesne). Leo I. ep. adTurrib. 15 (PL 54,688). Caspar II 120. Vollmann133 f. Speyer, Büchervernichtung (JbAC 1970) 144 f

26 Cod. Just. 1,5,16,3. Nov. Just. 42,1,2. ACO3,121,25 f. Fredegar chron. 4,8. Pauly III 573. RACIX 789 f. Kaden 63 ff. Speyer, Büchervernichtung(JbAC 1970) 144 f

27 Vict. Vit. hist. pers. Vand. 3,10. Speyer, Bücher-vernichtung (JbAC 1970) 147

28 Apg. 19,18 ff. Speyer, Büchervernichtung (JbAC1970) 148 f

29 ACO 1,1,4,66. Cod. Just. 1,1,3. Harnack, Porphy-rius 31

30 Amm. Marc. 29,2,4. Barb 116 f. Speyer, Bücher-vernichtung (JbAC 1970) 141

31 Sen. tranqu. an. 9,5. Dio Cass. 42,38,2. Plut. Ant.58 f. Suet. Dom. 20. Socrat. h.e. 5,16. Sozom. h.e.7,15. Marc. Diac. vit. Porph. 71. Oros. hist. 6,15,32.Joh. Ant. frg. 181. RAC II 239 f

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1107: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.085 Deschner Bd. 3, 641Anmerkungen zum dritten Band

32 Zachar. Rhet. vita Sever. Marc. Diac. vita Porph.71. Rut. Nam. 2,51 ff. Altaner / Stuiber 228. Tuscu-lum Lexikon 229. Cameron 220 f. Speyer, Bücherver-nichtung 132 ff. Ders. Büchervernichtung (JbAC1970) 141

33 Joh. Salisbury, policr. 2,26; 8,19. Gregorovius(dtv) I,1 271 ff, 275 ff. Hartmann, Geschichte ItaliensII 1. H. 94 f.v. Schubert I 198. Caspar II 344 ff. Dan-nenbauer II 52 f, 73 ff. Sandys 444 f. Rand 249. Gon-tard 152. Speyer, Büchervernichtung (JbAC 1970)141 f

34 Greg. Naz. or. 24,12. August. en in ps. 61,23.Cod. Theod. 9,16,12. Cod. Just. 1,4,10. Speyer, Bü-chervernichtung (JbAC) 149)

35 Euseb. h.e. 6,3,8 f.

36 Vgl. Speyer, Büchervernichtung 134 f

2. Die Vernichtung des Heidentums

37 Jul. ep. 49. Weis Religionszugehörigkeit 537 ff

38 Liban. or. 17

39 Haehling, Die Religionszugehörigkeit 555 ff, 560ff, 567 f. Vgl. auch Kriminalgeschichte I 340 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1108: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.086 Deschner Bd. 3, 642Anmerkungen zum dritten Band

40 Haehling, Die Religionszugehörigkeit 576 ff

41 Ambros. ep. 17,1 f. Clévenot, Der Triumph 88 ff

42 Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft 282

43 Hammann 221

44 Joh. Chrysost. hom. 12 in Ephes. hom. 3,13. hom.1. Komm, zum Römerbr. 5. hom. 1 ff

45 Joh. Chrysost. Mt.-Komm. 8. hom. 5. Komm, zumRömberbr. 3. hom. 6. 4. hom. 2 f. hom. 17,2; 19,1.Baur, Der heilige Johannes Chysostomus I 272

46 Joh. Chrysost. Mt.-Komm. 1,4 f; 8,5. Römerbr.-Komm. 4,3; 5,2; 6,2. Vgl. etwa auch die Attackengegen die heidnische Philosophie bei Chrysost. hom.17,2; 19,1 ad pop. Ant. hom. 21,3 in Ephes.; hom.3,3 de Lazaro; hom. 28,2 in Jh.; hom. 35,4 in 1. Kor.u.a.

47 Joh. Chrysost. ep. 221. Theodor. h.e. 5,30. RAC I468,746. Schultze, Geschichte I 318,353 ff, II 226,326. Geffcken, Der Ausgang 102. Schneider, Geistes-geschichte I 239

48 Marc. Diac. Vita Porph. c. 12. Bardenhewer IV308 f. Althaus 224

49 Marc. Diac., Vita Porphyr. 26 f. LThK 1.A. VIII378. RAC II 1230. Bardenhewer IV 309. Schultze,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1109: 03 - Die alte Kirche.pdf

3.087 Deschner Bd. 3, 642Anmerkungen zum dritten Band

Geschichte I 354 ff. Geffcken, Der Ausgang 192 f.Baur, Der heilige Johannes Chrysostomus II 145 ff.Althaus 224 ff. Grant, Christen als Bürger 20 f.

50 Marcell. com. a. 402. Chron. pasch. a. 402. Joh.Chrysost. hom. 1. Kor. 33,5. Marc. Diac. Vita Porph.37 ff, 75. Pauly II 407. RAC II 1229 f. Funke, Göt-terbild 309 f. Donin I 560 ff. Bardenhewer IV 308.Schultze, Geschichte I 355 f. Güldenpenning 137 f.Geffcken, Der Ausgang 193. Baur, Der heilige Johan-nes Chrysostomus II 148 ff. Althaus 225 f. Holum 54ff

51 LThK 1. A. VIII 377. Donin I 560 ff

52 Eunap. vit. 6,11,2 ff. dtv-Lexikon. Philosophie II108 f. Dazu Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesell-schaft 284 f

53 Socrat. h.e. 5,12; 5,16; 6,2. Sozom. h.e. 7,15.Liban. or. 30,8 ff. Theodor. 5,21 ff. Hieron. ep.107,2. Rufin. 2,22 ff. Funke, Götterbild 795, 810 f.dtv-Lexikon Kunst I 172. Kraft 464 f. Schultze, Ge-schichte I 261 ff. Seeck, Geschichte V 233 f. Geff-cken, Der Ausgang 157 f, 192. Rauschen, Jahrbücher301 ff, 534 ff verlegt die Zerstörung des Serapeionsin das Jahr 389. Stein, Vom römischen 323. Haller I106. Chadwick, Die Kirche 194. Haehling, Die Reli-gionszugehörigkeit 208. Tinnefeld, Die frühbyzantini-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.088 Deschner Bd. 3, 642Anmerkungen zum dritten Band

sche Gesellschaft 284 f. Andresen, Die Kirchen 499.Lacarrière 45, 151. Noethlichs, Heidenverfolgung1162

54 S. vor allem Sozom. h.e. 7,15. Socrat. h.e. 11,29.Alle weiteren Belege bei Funke, Götterbild 813, 815,820

55 Nach Lacarrière 48 f

56 Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft 287.Ders. Synesios 139 ff. Zu Synesios in Athen: Frantz190

57 Noethlichs, Heidenverfolgung 1178

58 Socr. h.e. 3,2 f. Soz. h.e. 5,7. LThK 1. A. VII 990.RAC I 746. Noethlichs, Heidenverfolgung 1156

59 Alle Quellenhinweise bei Noethlichs, Heidenver-folgung 1178 f. Vgl. auch 1157

60 Theodor. h.e. 5,22. Soz. h.e. 7,15

61 Sozom. 7,15. LThK 1.A. VI 870 f. Rauschen 315.Noethlichs, Heidenverfolgung 1184

62 Kraft 445. RAC I 1115 f. Kirsten, Edessea RACIV 574. Heilmann, Texte II 247. Schiwietz III 355 ff.Bardenhewer IV 388 ff. Stein, Vom römischen 459.Bauer, Rechtgläubigkeit 30 ff

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.089 Deschner Bd. 3, 643Anmerkungen zum dritten Band

63 Schiwietz II 314 f, 340

64 Lacarrière 160 f

65 Puzicha 284 ff, bes. 299 f

66 Clévenot, Der Triumph 79 f.

67 Noethlichs, Heidenverfolgung 1154, 1179

68 Theodor. h.e. 5,21 f. Zosim. 4,37. Rufin, h.e.11,22 f. Hyd. chron. 18. Liban. or. 30,8 ff; 30,44 ff.Ders. pro templis 46. Cod. Theod. 16,10,9. Pauly III398 f. Gams II 1. Abtl. 125. Rauschen 228 f, 286 f.Schultze, Geschichte I 259 f. Geffcken, Der Ausgang156 f. Seeck V 218 f. Stein, Vom römischen 318,Dudden II 404. Lietzmann, Geschichte IV 77. Enss-lin, Die Religionspolitik 57. Chadwick, Die Kirche194. Stroheker, Germanentum 65. Matthews, A PiousSupporter 438 ff. Ders. Western Aristocracies 107 ff.Haehling, Die Religionszugehörigkeit 72 f. Tinnefeld,Die frühbyzantinische Gesellschaft 273 f, 282 f.Noethlichs, Die gesetzgeberischen Maßnahmen 171.Holum 19

69 Theodor. h.e. 3,7; 5,23. Cod. Theod. 16,10,3;16,10,15 f; 16,10,24. RAC II 1230. Güldenpenning399. Schultze, Geschichte II 324 f. Geffcken, DerAusgang 178 ff. Kötting, Religionsfreiheit 30. Noeth-lichs, Heidenverfolgung 1161, 1166

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.090 Deschner Bd. 3, 643Anmerkungen zum dritten Band

70 Cod. Theod. 16,10,15. Viele Belege bei Funke,Götterbild 815 ff. Vgl. auch Kötting, Religionsfrei-heit 30

71 Greg. Naz. epigr. 30. Soz. h.e. 7,15. Greg. I. dial.2,8. Kühner, Lexikon 40. RAC I 177 f, II 1230 ff, IV64. Schultze, Geschichte II 171, 248, 253, 282. Geff-cken, Der Ausgang 101. Deichmann, FrühchristlicheKirchen 105 ff. Dempf, Geistesgeschichte 135 f.Frantz 187 ff, bes. 194 ff, 201 ff mit zahlreichenQuellen- und Literaturhinweisen. Chadwick, Die Kir-che 194. Finley 214 f. Kötting, Religionsfreiheit 31.Grant, Die Christen als Bürger 152 f

72 Euseb. V.C. 3,26. Theodor. h.e. 5,22. Marc. Diac.Vita Porph. 66; 76. RAC II 1230 ff, IV 64. Weber,W., Das römische Kaiserreich 271

73 Zosim. 2,31. Jacob. Sarug. hom. 101, 296 ff. RACII 323, 1230, III 12 f. Funke 775 ff. Leipoldt /Grundmann III 50. Riemschneider 81 ff

74 Deichmann, Christianisierung II 1235 ff. Dyggve19 ff

75 RAC I 136. Schultze, Geschichte II 230, 232

76 Theodor. hist. rel. 17. Schultze, Geschichte I 318 f

77 Schultze, Geschichte II 324 ffKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.091 Deschner Bd. 3, 644Anmerkungen zum dritten Band

78 Syn. Elvira c. 60. Theodor. h.e. 2,22; 3,6; 4,21 f;5,7; 5,22 f; 5,28; 5,30; 5,41. Vgl. auch Orig. c. Cels.8,38. Funke 812. Fredouille 888, der die »Heilungder heidnischen Krankheiten« zu den »schönsten«Apologien Theodorets zählt – ganz ähnlich schon Al-taner 296 f. – Bigelmair 228 f. Körting, Die Stellungdes Konfessors 13. Tinnefeld, Die frühbyzantinischeGesellschaft 288

79 Maxim. Tur. serm. 76; 96 f. Unter dem Namen desMaximus von Turin sind allerdings nicht wenige Pre-digten überliefert, die von dem Gotenbischof Maximi-nus stammen (etwa 40), was in unserem Zusammen-hang aber keine Rolle spielt. Altaner 407. Kraft 372.F.J. Dölger, Antike

80 Nach Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesell-schaft. Ferner Pauly V 1445 f. Altaner 204. Altaner /Stuiber 228. Winkelmann 182

81 Vgl. außer den bereits genannten Texten, Quellen,Literaturhinweisen noch Noethlichs, Heidenverfol-gung 1176 ff

82 Basil or. 30 f. Joh. Chrysost. in Mt. hom. 8,4. c.Jud. et gent. 1; in ps. 109 expos. 5. Hieron. ep. 107,2;adv. Jovin. 2,38; Zosim. 5,38. Kyrill. Alex. in Isai.45,14 f. August. fid. et op. 12,18. civ. dei 5,25. ep.93,3; 93,26Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.092 Deschner Bd. 3, 644Anmerkungen zum dritten Band

83 Lacarrière 147 ff. Tinnefeid, Die frühbyzantini-sche Gesellschaft 289 f. Brown, Welten 133

84 Euseb. V.C. 3,1; 3,54. Liban. or. 7,10; 18,23;17,7; pro templ. 2. Julian. Imp. or 7,228 b. Ammian.22,4,3; 29,1,2. Greg. Naz. laud. frat. Basil. or 43.Socr. h.e. 1,3. Sozom. h.e. 7,15. Theodor. h.e. 3,7,3;3,7,6; 5,21,5 ff. Zosim. 4,13. Hieron. ep. 107 adLaet. dtv-Lexikon Religion I 205, II 84. Kraft 158.Keller, Reclams Lexikon 369. Menzel I 94. Schultze,Geschichte I 271 f, II 171 ff. Geffcken, Der Ausgang108, 142. Hyde, Paganism 62. Schneider, Die Chri-sten 322 f. Ders. Geistesgeschichte II 300. Vogt, DerNiedergang 244. Chadwick, Die Kirche 195. Baus /Ewig 203

85 Pauly II 427 f, IV 154 f, 289 f, 1160 ff, V 1562 ff.dtv-Lexikon Philosophie II 108 f, III 244 f, 250, IV31 f, 379 f. Tusculum Lexikon 184 f, 281. RAC I137. Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft287. Zum Verhältnis von Heidentum und Christentumin Athen vgl. Frantz 187 ff, 194 ff

86 Basil or. 27. Kühner, Lex. 32. RAC I 209 f, 467.Schultze, Geschichte I 447 f, II 319. Dannenbauer I90. Hernegger 347. Brown, Welten 116. Frantz 191.Haehling, Die Religionszugehörigkeit 131

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3.093 Deschner Bd. 3, 644Anmerkungen zum dritten Band

87 Commod. Instruct. 1,17, Kluge-Götze, Etymologi-sches Wörterbuch 189. LThK 1. A. III 18. Altaner363 f. Kraft 144 f. Güldenpenning 399. Thraede 90ff. Aland, Über den Glaubenswechsel 42. Jonkers,Die Konzile 49 ff. Kötting, Religionsfreiheit 31. Vgl.auch die vorherg. Anm.

88 Alföldi, Heiden und Christen 19 ff. Dazu die 16Münzen auf Tafel 7. Kaegi zit. nach Tinnefeld. Diefrühbyzantinische Gesellschaft 287

89 Lacarrière 151 f. Dannenbauer I 405

90 Cramer 96 ff

91 Alle Beleghinweise bei Noethlichs, Heidenverfol-gung 1155, 1168, 1170 f. Vgl. auch Rochow, DieHeidenprozesse 120 ff

92 RAC I 747. Noethlichs, Heidenverfolgung 1170 f.Altaner 191. Kraft 307. Holl, Die Missionsmethode10

93 Euagr. h.e. 5,18. Joh. Ephes. h.e. 3,3,27 ff. RAC I468, IV 576. Schultze, Geschichte II 292 ff. Tinne-feld, Die frühbyzantinische Gesellschaft 281 f, 292.Rochow, Zu »heidnischen« Bräuchen 489 ff

94 Trull. can. 61 f, 71, 94. RAC II 646 ff. Crawford365 ff. Rochow, Zu »heidnischen« Bräuchen 483 ff.S. auch dies. in Winkelmann / Köpstein / Ditten / Ro-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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3.094 Deschner Bd. 3, 645Anmerkungen zum dritten Band

chow 227 ff

95 Conc. Orléans (511) c. 30. Conc. Braga (572) c.1. Conc. Narbonne (589) c. 14 u.v.a. Funke 823. Fre-douille 890. Vgl. auch RAC I 828 ff, III 1249 f, VII764 ff. Rochow, Zu »heidnischen« Bräuchen passim,bes. 488, 493

96 Noethlichs, Heidenverfolgung 1150. Dewick 113f. – Daß auch Gelehrte oft blind sind, ja, ihre eigenenBücher nicht lesen können, beweist der gewiß ver-dienstvolle Victor Schultze, der auf S. 319 seinesStandardwerkes betont: »Die Kirche selbst hat durchden Mund ihrer Organe d.h. der Synoden wohl sichselbst und ihr Gebiet geschützt, aber in keinem einzi-gen Falle zu gewaltsamer Verwüstung des Heiden-tums Anweisung gegeben.« Denn nicht nur berichtetSchultze im nächsten Satz das Ersuchen der Synodevon Karthago (401) an die weltliche Regierung, nochstehende Tempel und Kapellen der Heiden »in ganzAfrika« zu beseitigen. Sondern genau gegenüber vondem oben Zitierten, sozusagen Zeile an Zeile, stehtauf S. 318, daß der hl. Kirchenlehrer Chrysostomos»kein Bedenken getragen hat, die gewaltsame Zerstö-rung heidnischer Tempel anzuordnen«. So bleibt die»Kirche selbst« makellos und der Historiker selbstauch: er bekommt die theologische Doktorwürde (derUniversität Dorpat). Dabei berichtet er sogar von der

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3.095 Deschner Bd. 3, 645Anmerkungen zum dritten Band

Kirche immer wieder Vernichtungskämpfe und wider-spricht sich selbst, z.B. im Hinblick auf die Zeit Au-gustins: »Gerade damals nun begann in Afrika einenergischer Vernichtungskampf der Kirche gegen dienoch vorhandenen Tempel. Die Regierung war damitnicht einverstanden ...« (S. 350 und oft).

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3.096 Deschner Bd. 3, 645Anmerkungen zum dritten Band

Nachbemerkung

1 Wem dies nicht genügt: mein umfangreiches Buch»Abermals krähte der Hahn« erörtert historisch undsystematisch zum weitaus größten Teil (neben derNichtsingularität der christlichen Ethik) gerade diefundamentale Glaubensproblematik. Und mein Buch»Der gefälschte Glaube« erörtert beide ausschließ-lich. – Tausende von Menschen schrieben mir, meineArbeit habe sie geistig freier gemacht. Ich konnte – zumeinem fast täglichen Kummer – nur selten dankenund bitte, meine Arbeit als meinen Dank zu betrach-ten.

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