033 125 138 · Einleitung Epidemiologie und Ätiologie Der Morbus Scheuermann tritt in der späten...

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Einleitung Epidemiologie und Ätiologie Der Morbus Scheuermann tritt in der späten Kindheit, also der frühen Adoleszentenphase auf. 1 ŷ 8 % der Be- völkerung sind betroffen. Eine Bevorzugung des männ- lichen Geschlechtes wird angenommen. Erste Be- schwerden können im Alter von 8 ŷ12 Jahren auftreten. Im frühen Stadium der Erkrankung finden sich häufig noch keine radiologisch nachweisbaren Veränderun- gen. Zu einer Progredienz von Krankheitszeichen kommt es zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr. Diese Phase der Erkrankung mit teilweise starken radiologi- schen Veränderungen wird als florides Stadium des Morbus Scheuermann bezeichnet. Die Ätiologie des Morbus Scheuermann ist nicht geklärt. Der Morbus Scheuermann wurde früher zu den asepti- schen Osteochondrosen gerechnet. Heute ordnet man ihn mehrheitlich den Osteochondrodysplasien, also Entwicklungsstörungen von Knochen und Knorpel, zu. Die Erkrankung zählt weder zu den kongenitalen Kyphosen noch zu den Systemerkrankungen, die eine Kyphose verursachen. Eine hereditäre Komponente ist allgemein anerkannt. Daten für eine wahrscheinliche autosomal-dominante Vererbung liegen vor. Patienten, die an einer generalisierten Reifeverzögerung des Ske- lettsystems leiden, scheinen eher am Morbus Scheuer- mann zu erkranken als die Normalpopulation. Ein ge- störtes Zusammenspiel des epiphysär-enchondralen Wachstums und der metaphysären Knochenreifung ist wahrscheinlich. Weiterhin werden Störungen der Morbus Scheuermann R. Kayser, U. Weber CharitȖ ŷ Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin ŷ Zentrum für spezielle Chirurgie des Bewegungsapparates, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2 ȴ 2007 ȴ 125 ŷ 140 ȴ DOI 10.1055/s-2007-966423 Der Morbus Scheuermann (Synonyme: Scheuermannũs disease, Adoleszentenkyphose, Osteochondrosis ver- tebralis, juvenile osteochondrotische Kyphose, idiopa- thische Kyphose) ist eine häufige Erkrankung des Ju- gendlichen mit der Ausbildung einer strukturellen Kyphose. Diese Kyphose führt in einer Vielzahl der Fälle, jedoch keineswegs immer, zu klinischen Symptomen, die einer ärztlichen Behandlung bedürfen. Die Ätiopa- thogenese der Erkrankung ist bis heute nicht vollstän- dig geklärt. Die Veränderungen treten typischerweise im Bereich der Brustwirbelsäule (Morbus Scheuermann Typ I), seltener im Bereich der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Überganges (Morbus Scheuer- mann Typ II) auf und führen zur charakteristischen rigi- den Kyphose des späten Kindesalters. Klinisch werden die Jugendlichen vor allem durch den progredienten Rundrücken auffällig. Mit zunehmendem Krankheits- verlauf können Rückenschmerzen hinzutreten, die so- wohl den betroffenen Bereich der Wirbelsäule als auch kompensatorisch veränderte Areale betreffen. Die Di- agnosestellung erfolgt klinisch, in späteren Stadien ra- diologisch. Die Prognose der Erkrankung ist gut. Die klinische Symptomatik hängt aber wesentlich vom Ausmaß der Deformität ab. Bewegungseinschränkungen der be- troffenen Wirbelsäule mit der Möglichkeit der anterio- ren Verknöcherung und kompensatorische Hyperlor- dosen der benachbarten Wirbelsäulenabschnitte mit entsprechenden Funktionsstörungen sind möglich. Die Entwicklung von neurologischen Defiziten ist extrem selten. Bei einem Ausmaß der Kyphose von mehr als 1008 können kardiopulmonale Störungen (thorakaler Typ) auftreten. Kombinationen mit Skoliosen oder Spondylolysen sind häufig. Behandlungskonsequenzen ergeben sich aus diesen Entitäten zumeist nicht. Abso- lute Behandlungsindikationen sind neurologische Defi- zite. Als relative Indikation zur Therapie gelten die Pro- gredienz der Deformität und Schmerzen. Es stehen konservative und operative Behandlungsverfahren zur Verfügung. Die konservativen Verfahren gliedern sich in antiinflammatorische Medikation, krankengymnas- tische Maßnahmen und aufrichtende Korsettversor- gungen. Operative Maßnahmen sind selten notwendig und können ŷ je nach Alter und Ausmaß der Deformität ŷ als dorsale Fusionen in situ oder als kombinierte ven- trodorsale Korrekturspondylodesen durchgeführt wer- den. Je nach Verfahren werden Korrekturen von 20 ŷ 408 erreicht. Die operative Aufrichtung von fixier- ten Scheuermann-Kyphosen ist mit erheblichen Risiken verbunden und sollte speziellen Zentren vorbehalten bleiben. Komplikationen wie neurologische Defizite bis hin zur Querschnittlähmung, gastrointestinale Ob- struktionen, materialassoziierte Komplikationen, Pro- gredienz der Deformität oder persistierende Rücken- schmerzen sind möglich. 125 Morbus Scheuermann Heruntergeladen von: philipp hausser. Urheberrechtlich geschützt.

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Einleitung

Epidemiologie und Ätiologie

Der Morbus Scheuermann tritt in der späten Kindheit,also der frühen Adoleszentenphase auf. 1 ± 8% der Be−völkerung sind betroffen. Eine Bevorzugung des männ−lichen Geschlechtes wird angenommen. Erste Be−schwerden können im Alter von 8 ±12 Jahren auftreten.Im frühen Stadium der Erkrankung finden sich häufignoch keine radiologisch nachweisbaren Veränderun−gen. Zu einer Progredienz von Krankheitszeichenkommt es zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr. DiesePhase der Erkrankung mit teilweise starken radiologi−schen Veränderungen wird als florides Stadium desMorbus Scheuermann bezeichnet.

Die Ätiologie des Morbus Scheuermann ist nicht geklärt.Der Morbus Scheuermann wurde früher zu den asepti−schen Osteochondrosen gerechnet. Heute ordnet manihn mehrheitlich den Osteochondrodysplasien, alsoEntwicklungsstörungen von Knochen und Knorpel, zu.Die Erkrankung zählt weder zu den kongenitalenKyphosen noch zu den Systemerkrankungen, die eineKyphose verursachen. Eine hereditäre Komponente istallgemein anerkannt. Daten für eine wahrscheinlicheautosomal−dominante Vererbung liegen vor. Patienten,die an einer generalisierten Reifeverzögerung des Ske−lettsystems leiden, scheinen eher am Morbus Scheuer−mann zu erkranken als die Normalpopulation. Ein ge−störtes Zusammenspiel des epiphysär−enchondralenWachstums und der metaphysären Knochenreifung istwahrscheinlich. Weiterhin werden Störungen der

Morbus ScheuermannR. Kayser, U. WeberCharitØ ± Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin ± Zentrum für spezielle Chirurgiedes Bewegungsapparates, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2 ê2007 ê125 ± 140 êDOI 10.1055/s−2007−966423

Der Morbus Scheuermann (Synonyme: Scheuermann©sdisease, Adoleszentenkyphose, Osteochondrosis ver−tebralis, juvenile osteochondrotische Kyphose, idiopa−thische Kyphose) ist eine häufige Erkrankung des Ju−gendlichen mit der Ausbildung einer strukturellenKyphose. Diese Kyphose führt in einer Vielzahl der Fälle,jedoch keineswegs immer, zu klinischen Symptomen,die einer ärztlichen Behandlung bedürfen. Die Ätiopa−thogenese der Erkrankung ist bis heute nicht vollstän−dig geklärt. Die Veränderungen treten typischerweiseim Bereich der Brustwirbelsäule (Morbus ScheuermannTyp I), seltener im Bereich der Lendenwirbelsäule unddes thorakolumbalen Überganges (Morbus Scheuer−mann Typ II) auf und führen zur charakteristischen rigi−den Kyphose des späten Kindesalters. Klinisch werdendie Jugendlichen vor allem durch den progredientenRundrücken auffällig. Mit zunehmendem Krankheits−verlauf können Rückenschmerzen hinzutreten, die so−wohl den betroffenen Bereich der Wirbelsäule als auchkompensatorisch veränderte Areale betreffen. Die Di−agnosestellung erfolgt klinisch, in späteren Stadien ra−diologisch.Die Prognose der Erkrankung ist gut. Die klinischeSymptomatik hängt aber wesentlich vom Ausmaß derDeformität ab. Bewegungseinschränkungen der be−troffenen Wirbelsäule mit der Möglichkeit der anterio−ren Verknöcherung und kompensatorische Hyperlor−dosen der benachbarten Wirbelsäulenabschnitte mit

entsprechenden Funktionsstörungen sind möglich. DieEntwicklung von neurologischen Defiziten ist extremselten. Bei einem Ausmaß der Kyphose von mehr als1008 können kardiopulmonale Störungen (thorakalerTyp) auftreten. Kombinationen mit Skoliosen oderSpondylolysen sind häufig. Behandlungskonsequenzenergeben sich aus diesen Entitäten zumeist nicht. Abso−lute Behandlungsindikationen sind neurologische Defi−zite. Als relative Indikation zur Therapie gelten die Pro−gredienz der Deformität und Schmerzen. Es stehenkonservative und operative Behandlungsverfahren zurVerfügung. Die konservativen Verfahren gliedern sichin antiinflammatorische Medikation, krankengymnas−tische Maßnahmen und aufrichtende Korsettversor−gungen. Operative Maßnahmen sind selten notwendigund können ± je nach Alter und Ausmaß der Deformität± als dorsale Fusionen in situ oder als kombinierte ven−trodorsale Korrekturspondylodesen durchgeführt wer−den. Je nach Verfahren werden Korrekturen von20 ± 408 erreicht. Die operative Aufrichtung von fixier−ten Scheuermann−Kyphosen ist mit erheblichen Risikenverbunden und sollte speziellen Zentren vorbehaltenbleiben. Komplikationen wie neurologische Defizite bishin zur Querschnittlähmung, gastrointestinale Ob−struktionen, materialassoziierte Komplikationen, Pro−gredienz der Deformität oder persistierende Rücken−schmerzen sind möglich.

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enchondralen Ossifikation als Ursache für die Keilwir−belbildung diskutiert. Schmorl−Knötchen als Herniationvon Bandscheibengewebe in die Wirbelkörperab−schlussplatten an Ossifikationslücken stellen ebenfallseine pathogenetische Komponente der Entstehung derErkrankung dar. Während die HWS− und LWS−Lordosedurch eine Keilform der Zwischenwirbelscheiben be−dingt ist, entsteht die physiologische BWS−Kyphose imWesentlichen durch eine Keilform der Wirbelkörperselbst.

Das im Wachstumsalter ohnehin vorhandene Miss−verhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit legtauch bei der Ätiopathogenese des Morbus Scheuer−mann eine mechanische Komponente nahe. So findetman bei bestimmten Hochleistungssportlern (Turne−rinnen) Wirbelsäulenveränderungen im Sinne einesMorbus Scheuermann mit einer Prävalenz von bis zu70%. Holger Werfel Scheuermann selbst postulierteeine avaskuläre Nekrose des Knorpels der Wirbelkör−perringapophysen als Ursache der nach ihm benanntenErkrankung. Weitere Aspekte der Ätiologie des MorbusScheuermann stellen endokrine Faktoren und Fehler−nährung dar. Thalassämiepatienten, die hoch dosiertmit Deferoxamin−Chelaten behandelt werden, könnendas Bild eines Morbus Scheuermann entwickeln.

Anatomische Vorbemerkungen

Die normale Beweglichkeit der Brustwirbelsäule be−trägt bis zu 908 Flexion und ca. 458 Dorsalextension. DieSeitneigung bei fixiertem Becken beträgt jeweils bis zu208 zu jeder Seite. Die Rotation bei fixiertem Beckenbeträgt im Normalfall jeweils 30 ± 408 zu jeder Seite.

Synergistische Effekte der Rotations−Seitneige−Synki−nese vermehren das Ausmaß der möglichen Seitnei−gung. Für den klinischen Gebrauch ist die Funktion vonLenden− und Brustwirbelsäule schwer zu trennen. EineFlexion von 1058 und eine Extension von 608werden fürbeide Wirbelsäulenabschnitte als Normalwerte ange−geben. Die Seitneigung der Brust− und Lendenwirbel−säule beträgt 408 zu jeder Seite.

Die physiologische Kyphose der Brustwirbelsäule istsehr variabel und beträgt gemessen von Unterkante Th4bis Unterkante Th12 durchschnittlich 378 (20 ± 508). DieLordose der Lendenwirbelsäule ist mit noch größererVariationsbreite behaftet und kann zwischen 208 und708 liegen. Durchschnittlich beträgt sie beim Menschen448. Der thorakale Kyphosescheitel findet sich beiTh6/7, der lumbale Lordosescheitel bei L3/4. Im thora−kalen Bereich beträgt die Bandscheibenhöhe 5 mm, imlumbalen Bereich 9 mm. Das Verhältnis zwischenBandscheibenhöhe und Höhe des anschließenden Wir−belkörpers, welches für die segmentale Beweglichkeitvon Bedeutung ist, beträgt thorakal 1 :3 und lumbal1 :5. Die Knochenkerne der Ringapophysen der Wirbel−körper verschmelzen physiologischerweise recht spätmit 19 Jahren bei männlichen und mit 16 Jahren beiweiblichen Adoleszenten.

Klassifikationen

Nach Lokalisation werden 2 Formen des MorbusScheuermann unterschieden (van Tulder et al. 1997):n Typ I: klassische oder thorakale Form,n Typ II: atypische oder lumbale Form.

Nach zeitlichem Verlauf wird die thorakale Verlaufs−form des Morbus Scheuermann in 3 Stadien eingeteilt:n Stadium 1: Schmerzangabe und charakteristische

Deformität ohne nachweisbare sonstige radiologi−sche Veränderungen, volle Wirbelsäulenbeweglich−keit,

n Stadium 2: vermehrt uncharakteristische Schmer−zen, zunehmende strukturelle Kyphose,

n Stadium 3: Abschluss des floriden Stadiums, ver−mehrt belastungsabhängige Schmerzen.

Eine differenzierte radiologische Stadieneinteilungwird u. a. von Loder u. Mitarb. (1962) und Gschwend(1964) beschrieben:n Grad I: diskrete Keilform an maximal 3 aneinander−

grenzenden Wirbelkörpern mit nur leicht welligerVeränderung der Abschlussplatte,

n Grad II: deutliche Keilform an maximal 3 aneinan−dergrenzenden Wirbelkörpern mit welliger Verän−derung der Abschlussplatte und Einbrüchen bis zu5 mm,

Definition

Morbus Scheuermann

Im Jugendalter auftretende Wachs−

tumsstörung an Grund− und Deck−

platten der Brust− und/oder Len−

denwirbelsäule mit teilfixierter,

vermehrter Kyphose bzw. vermin−

derter Lordose. Die Deformität soll

mindestens 3 benachbarte Wirbel−

körper betreffen, die jeweils einen

Keilwirbelwinkel > 58 aufweisen.

Scheuermann selbst definierte die

von ihm erstmals beschriebene

Krankheit als ¹rigide Kyphose, ver−

gesellschaftet mit keilförmigen

Wirbelkörpern, die in später Kind−

heit auftritt“ (Scheuermann 1920).

Folgende radiologische Charakte−

ristika sind bezeichnend, die jedoch

nicht immer vollständig vorhanden

sein müssen:n keilförmige Deformierung der

Wirbelkörper > 5 8,n Verschmälerung der Zwischen−

wirbelräume,n Unruhe in Grund und Deckplat−

ten der Wirbelkörper,n Ossifikationsstörungen ventraler

Randleisten,n Schmorl−Knötchen.

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n Grad III: 3 und mehr deutliche Keilwirbel, ver−schmälerte Wirbelkörper mit Grund− und Deckplat−teneinbrüchen, Randleistenablösungen.

Nach Form der Bandscheibendegeneration(Fürderer u. Eysel, 2003) unterscheidet man:n 1: zentraler Schmorl−Knoten,n 2: anteriorer Schmorl−Knoten,n 3: posteriorer Schmorl−Knoten,n 4: Limbus vertebrae,n 5: multiple kleine Extrusionen,n 6: Bandscheibenextrusion.

Diagnostik

Klinik

Der Grund der Arztvorstellung ist zumeist die kyphoti−sche Deformität, die von den Eltern oder den Patientenselbst als störender Rundrücken wahrgenommen wird(Abb. 1). Schmerzen sind im Frühstadium (präklinischesStadium) selten, werden jedoch mit zunehmendemKrankheitsverlauf häufiger (florides Stadium). EinenÜberblick über die Beugefunktion der Wirbelsäuleschafft man sich durch die Prüfungen nach Schober undnach Ott. Die Beurteilung der Flexions− und Extensions−fähigkeit der thorakolumbalen Wirbelsäule erfolgt auchin der Seitenansicht, indem man die Veränderung einergedachten Linie zwischen Trochanter major und Akro−mion verfolgt. Die Seitneigung wird im Stand oder Sitzunter Beachtung der Veränderung des DornfortsatzesC7 in Bezug auf die Nulllinie beurteilt. Für die Einschät−zung der Rotationsfähigkeit wählt man die sitzende Po−sition und beurteilt die Rotation einer Achse durch bei−de Schultergelenke. Dabei muss berücksichtigt werden,dass die Rotation der Wirbelsäule des Körperstammesbei diesem Test vorrangig im thorakolumbalen Über−gang stattfindet, also bei Scheuermann−Patienten nichtunbedingt beeinträchtigt sein muss. Die zusätzlicheBeurteilung der lokalen Kyphose und des Schmerzessowie die Abschätzung der kompensatorischen Hyper−lordosen in den angrenzenden Wirbelsäulenabschnit−ten erlauben zunächst eine klinische Diagnose.

Andere radiologische Veränderungen können erstspäter hinzutreten und besitzen keinen eigenen Krank−heitswert. Der Scheitelpunkt der Kyphose liegt meist inder mittleren Brustwirbelsäule (Th7± Th10) oder imthorakolumbalen Übergang (Th12± L1). Lokale Be−schwerden werden oft knapp unterhalb des Kyphose−scheitels angegeben. Mit zunehmender Kyphosekommt es zur Ausbildung kompensatorischer Hyper−lordosen im Bereich der angrenzenden Wirbelsäulen−abschnitte. Die Veränderungen haben zunächst Aus−wirkungen auf die statischen Verhältnisse der

Wirbelsäule mit entsprechenden funktionellen Störun−gen. Diese können klinisch symptomatisch werden undim Sinne der reflektorischen Dysregulation selbständi−gen Krankheitswert erlangen. Neben einer Mehrbelas−tung der Facettengelenke kommt es zu erheblichen

Zielgerichtete Diagnostik

Klinische Diagnostik

Beurteilung vonn Wirbelsäulenform,n Klopf−, Druck und Bewegungs−

schmerz in Intensität und Loka−

lisation,n Fixationsgrad,n Schweregrad,

n begleitender Skoliose,n neurologischer Symptomatik,n weiteren klinischen Zeichen

(Hyperextension der HWS,

Schultervorfall und −beweglich−

keit).

Hintergrund

Muskuläre Dysbalancen

n unteres gekreuztes Syndrom nachJanda: lokale Spannungserhöhungdes Rückenstreckers und des M. iliop−soas, verbunden mit einer reflektori−schen Hemmung der Bauchmuskula−tur und der Glutäalmuskulatur

n oberes gekreuztes Syndrom nachJanda: Spannungserhöhung derNackenstreckmuskulatur und desM. levator scapulae sowie der Pekto−

ralismuskulatur, kombiniert mit einerreflektorischen Hemmung der Inter−skapularmuskulatur, vor allem derRhomboideusmuskulatur, und derHalsbeugemuskulatur, insbesonderedes M. sternocleidomastoideus

Diese muskulären Dysbalancen könnenklinisch sehr schnell über typische Trig−gerpunkte diagnostiziert werden.

Abb. 1 n Klinisches Bild einer thorakalen Form des Morbus Scheuermann mit deutli−chem Rundrücken.

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Veränderungen der Hebelverhältnisse der lokalen Mus−kulatur bis hin zum ¹unteren gekreuzten Syndrom“nach Janda.

Die Hyperlordose der Lendenwirbelsäule hat überden genannten Weg Auswirkungen auf die Gesamtsta−tik des Patienten. Damit sind über Beckenkippung ±Hüftbeugefehlstellung ± Kniebeugefehlstellung ± Dor−salextension im oberen Sprunggelenk Funktionsstörun−gen bis in die unteren Extremitäten möglich (untereVerkettung). Eine Mehrbelastung des thorakolumbalenund des lumbosakralen Überganges einschließlich desSakroiliakalgelenkes macht diese Regionen anfällig fürfunktionelle Störungen. Im thorakolumbalen Übergangfinden sich besonders Rotationsstörungen, während inden unteren beiden Segmenten der Lendenwirbelsäulevorwiegend Retroflexionsstörungen klinische Bedeu−tung haben. Die sog. sakroiliakale Dysfunktion kannüber Reizung ligamentärer und synovialer Rezeptorenauffällig werden und zu anhaltenden Beschwerdenführen. Eine kompensatorische Hyperlordose der Hals−wirbelsäule führt analog dazu zum ¹oberen gekreuztenSyndrom“ nach Janda.

Eine Mehrbelastung der Gelenke des zervikothora−kalen und kraniozervikalen Überganges kann zu hart−näckigen Funktionsstörungen führen. Mit letzteren sindzumeist Störungen der 1. und 2. Rippe assoziiert. ImBereich der Kopfgelenke finden sich vor allem Antefle−xionsstörungen C0/C1 und Rotationsstörungen C1/C2,während im zervikothorakalen Übergang Retroflexi−onsstörungen und Rotationsstörungen häufig sind. AlleFunktionsstörungen können mit speziellen segmenta−len Untersuchungstechniken der manuellen Medizindiagnostiziert werden. Neben der klassischen Muskel−funktionsprüfung und Untersuchung auf ausreichendeVerlängerungsfähigkeit hat sich die manuelle Untersu−chung auf Triggerpunkte bewährt. Eine Prüfung aufStereotypstörungen nach Janda kann eine schnelle Ori−entierung über die muskuläre Situation erleichtern.

Im weiteren Verlauf kann es zur Ausbildung vonstrukturellen Veränderungen im Bereich der kompen−satorisch mehrbelasteten Wirbelsäule kommen. Sekun−däre Degenerationen der Bandscheiben (Osteochondro−sen), spondylarthrotische Veränderung der Facetten−gelenke und das Baastup−Phänomen (¹kissing spine“)seien hier genannt. Bei einem großen Anteil der Patien−ten sind zusätzliche Abweichungen in der Frontalebeneim Sinne einer kurzbogigen Begleitskoliose nachweis−bar. Je nach Ausprägung können auch die skoliotischenVeränderungen durch die resultierenden asymmetri−schen Belastungen für Beschwerden verantwortlichsein.

Findet sich eine lumbale Verlaufsform des MorbusScheuermann mit lumbaler Hyperlordose, kommt es zueiner Abflachung der Kyphose der Brustwirbelsäule undzur Ausbildung eines Flachrückens. Dieser kann offen−

bar schlechter kompensiert werden als eine leichte Zu−nahme der Brustkyphose im Bereich der Brustwirbel−säule und führt häufiger zu anhaltenden Beschwerden.Im floriden Stadium der Erkrankung werden nur etwavon einem Drittel der Patienten Beschwerden angege−ben. Es liegen widersprüchliche Angaben dazu vor, wiehäufig Patienten, die in ihrer Jugend einen floridenMorbus Scheuermann durchgemacht haben und be−schwerdefrei blieben, im weiteren Verlauf des Lebensvermehrt Rückenschmerzen ausbilden. Ein Zusammen−hang zwischen Ausmaß der Deformität einerseits undder individuellen Kompensationsfähigkeit des Gesamt−organismus andererseits ist anzunehmen.

Klinisch kann die Kyphose durch Hervortreten derDornfortsätze vermutet werden. Zur Feststellung einersegmentalen Fixierung eignet sich besonders die Unter−suchung der Wirbelsäule in Rutschhaltung. Das Aus−maß der Kyphose kann auch mit einem handelsübli−chen Kyphometer (z.B. Kyphometer nach Debrunner)gemessen werden. Dieses ist auch zu einer Verlaufsbe−obachtung gut geeignet und erspart so wiederholteRöntgenuntersuchungen der betroffenen Patienten.Funktionell finden sich globale Einschränkungen derWirbelsäulenbeugefähigkeit in der Prüfung nach Ott(klassische thorakale Form) oder nach Schober (atypi−sche lumbale Form). Auch wenn das Auftreten einerDefizitsymptomatik sehr selten ist, sollte die Doku−mentation das Ergebnis einer neurologischen Unter−suchung beinhalten. Das Ausmaß der Deformität lässtsich gut fotografisch dokumentieren.

Bei höhergradiger Ausprägung des Morbus Scheuer−mann (Grad II und III nach Gschwend) ist eine entspre−chende Berufsberatung (Vermeidung von Heben undTragen schwerer Lasten, kein Arbeiten in Zwangshal−tungen der Wirbelsäule) zweckmäßig.

Bildgebende Verfahren

Röntgendiagnostik. Die bildgebende Diagnostik desMorbus Scheuermann erfolgt konventionell radiolo−gisch in 2 Ebenen (Abb. 2).

Hierbei sollte möglichst eine Ganzwirbelsäulenauf−nahme im Stand in 2 Ebenen erstellt werden, um dasgesamte Ausmaß der Deformität beurteilen zu können.Für die Verlaufsbeurteilung, soweit sie radiologischindiziert ist, reicht eine seitliche Aufnahme der betrof−fenen Wirbelsäulenregion aus. In der seitlichen Auf−nahme wird das Ausmaß der lokalen, segmentalen undglobalen thorakalen Kyphose (Grundplatte Th4 bisDeckplatte Th12) beurteilt und der Grad der Deformitätder einzelnen Wirbelkörper beschrieben.

Hypomochlionaufnahmen zur Beurteilung der ra−diologisch nachweisbaren Mobilität der Kyphose kön−nen gelegentlich hilfreich sein. In der Aufnahme ima.±p. Strahlengang wird neben der skoliotischen Defor−

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mität auch die ossäre Wachstumsreserve anhand derVerschmelzung der Beckenkammapophysen nach Ris−ser beurteilt. Radiologische Veränderungen der Grund−und Deckplatten mit ventraler Verschmälerung derWirbelkörper sollten mindesten 3 und höchstens5 Wirbelkörper betreffen. Nimmt der Sagittaldurch−messer des Wirbelkörpers bei gleichzeitiger Keilwirbel−bildung und typischer Defektausbildung zu, sprechenwir vom Knutson−Zeichen. Exostosenartige Vorsprüngean benachbarten Wirbeln gegenüber den Knorpel−Kno−chen−Knötchen werden als EdgØn−Vaino−Zeichen be−zeichnet.

Ist für die radiologische Diagnosestellung eines tho−rakalen Morbus Scheuermann die Darstellung mindes−tens dreier typisch deformierter Wirbelkörper mit derDarstellung der kyphotischen Deformität ausreichend,ist für die radiologische Diagnosestellung einer lumba−len Form der Erkrankung die Darstellung von Grund−und/oder Deckplattenveränderungen, von Schmorl−Knötchen oder von Zwischenwirbelraumerweiterungenohne Keilwirbelbildung zu fordern.

CT und MRT. Computertomographie und Magnetreso−nanztomographie liefern nur selten zusätzliche Infor−mationen. Die MRT kann jedoch bei der Beurteilung vonFrühformen des Morbus Scheuermann hilfreich sein.Auch können die sekundär degenerativen Bandschei−benveränderungen zuverlässig beurteilt werden(Abb. 3a u. b).

Knochenszintigraphie. Sie ist vor allem in der Differen−zialdiagnostik von Residuen eines Morbus Scheuer−mann wertvoll. Radiologisch nachgewiesene Verände−rungen nach Morbus Scheuermann sind im Szinti−gramm nahezu immer negativ. Ist dies nicht der Fall,muss die Diagnose überprüft werden und nach ent−zündlicher oder posttraumatischer Ursache der radio−logischen Befunde gefahndet werden.

Weitere bildgebende Verfahren. Weitere spezielleVerfahren können zusätzliche Informationen liefern,werden jedoch nicht routinemäßig eingesetzt (Video−rasterstereographie, single photon emission computedtomography [SPECT]).

Differenzialdiagnostik

Eine wichtige Differenzialdiagnose des abgelaufenenMorbus Scheuermann sind multiple Kompressionsfrak−turen. Die radiologischen Befunde können sehr ähnlichsein. Im Gegensatz zu posttraumatischen Veränderun−gen findet sich beim Morbus Scheuermann aber eineungestörte spongiöse Mikroarchitektur. Weiterhinkommen neben kongenitalen Kyphosen vor allemOsteochondrodystrophien (Morbus Morquio, MorbusHurler) als differenzialdiagnostische Überlegung in

Abb. 3 n a Sagittales MRT der LWS einer 42−jährigen Frau mit Darstellung von typischenSchmorl−Knötchen (Pfeil) bei durchgemachtem Morbus Scheuermann. b Korrespondie−rendes seitliches Röntgenbild der LWS.

Abb. 2 n Seitliche Röntgenaufnahme der BWS eines 32−jährigenMannes mit kurzbogiger Kyphose bei Morbus Scheuermann(Pfeil).

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Betracht. Die Verschmelzung der Randleistenknochen−kerne mit dem Wirbelkörper kann verzögert stattfin−den, sodass die Randleisten gelegentlich auch über das20. Lebensjahr hinaus persistieren können (Abb. 4). DieDifferenzialdiagnose der Spondylodiszitis lässt sichneben dem oben beschriebenen szintigraphischen Be−fund auch recht gut in der Computertomographieklären, wo sich im Falle eines abgelaufenen MorbusScheuermann regelmäßig Randsklerosen um die Zonedes Bandscheibeneinbruches finden (Abb. 5a u. b).

Therapie

Die Frage, inwiefern eine Behandlung beschwerdefreierPatienten im floriden Stadium der Erkrankung sinnvollist, lässt sich derzeit nicht abschließend beurteilen.Grundsätzlich jedoch stehen konservative und opera−tive Therapiemethoden zur Verfügung.

Konservative Therapie

Die konservative Behandlung des Morbus Scheuermannfußt auf 3 Säulen:n medikamentöse Therapie,n Krankengymnastik,n Korsett−Behandlung.

n Medikamentöse Therapie

Bei akuter Schmerzsymptomatik ist eine kurzzeitigeMedikation mit nichtsteroidalen Antirheumatika an−gezeigt.

n Krankengymnastik

Ziel der krankengymnastischen Maßnahmen ist einer−seits die ventrale Entlastung der Wirbelkörper, umnormale Regenerationsvorgänge zu unterstützen undandererseits die Behandlung von schmerzhaften Funk−tionsstörungen der kompensatorisch überlasteten

Therapieziele

n Verhinderung des Auftretens bzw. der Progres−sion einer schwerwiegenden Wirbelsäulendefor−

mitätn ventrale Entlastung der Wirbelkörpern Schmerzreduktion bzw. −beseitigungn Vermeidung/Minimierung myofaszialer Kontrak−

turenn Versuch der Korrektur der Wirbelsäulendeformi−

tät

Abb. 4 n

Seitliches Rönt−genbild derLWS. Persistie−rende Randleis−te (Pfeil) beieinem 17−jähri−gen Mädchen.

Abb. 5 n a Röntgenbild der LWS eines18−jährigen Mannes mit Unruhe derGrundplatte L4 und der Deckplatte L5. Ver−schmälerung des Zwischenwirbelraumes.Sklerosierung des subchondralen Kno−chens. Befund radiologisch vereinbar mitdem einer Spondylodiszitis.

b Das Computertomogramm mit axialemSchnitt durch die Grundplatte von L4 zeigtdie typischen Randsklerosen um die osteo−lytischen Herde (geschlossene Pfeile). DieOsteolysen (gestrichelte Pfeile) sind durchHerniation von Bandscheibenmaterialbedingt. Diagnose: abgelaufener MorbusScheuermann.

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Wirbelsäulenabschnitte mit den entsprechenden seg−mentalen myofaszialen Strukturen. Zwar gelingt dieBehandlung dekompensierter Funktionsstörungen ins−besondere mit den Methoden der manuellen Medizinrecht gut. Ein Effekt einer krankengymnastischen The−rapie auf die strukturelle Kyphose ist nicht ausreichendbelegt. Biofeedbackverfahren und Elektrostimulationsind häufig versucht worden. Ein ausreichend sichererNachweis der Wirksamkeit steht jedoch aus.

Es existiert eine Vielzahl von funktionell orientiertenkrankengymnastischen Verfahren, die sich therapeu−tisch mit diesem Problem der Kyphosekorrektur beiMorbus Scheuermann auseinandergesetzt haben. InTab. 1 sind die wichtigsten Methoden genannt.

Letztlich ist das Ziel aller funktionell orientiertenVerfahren, durch die Ökonomisierung der täglichen Be−wegungsabläufe eine Schmerzreduktion bis hin zurSchmerzfreiheit zu erreichen. Je mehr kompensatori−sche Kapazität ein Organismus besitzt, desto geringerwerden die klinischen Auswirkungen der kyphotischenDeformität bleiben. Es ist deshalb heute akzeptiert, beivorhandenen Beschwerden und gesicherter Diagnosemöglichst früh mit einer krankengymnastischen Be−übung zu beginnen. Da man von einer teilweise belas−tungsabhängigen Verursachung der Deformität aus−geht, wird vielfach auch bei Beschwerdefreiheitversucht, pathologische Belastungen während desWachstums im Sinne einer Wachstumslenkung aufkrankengymnastischem Wege zu vermindern.

Ziel der Behandlung ist u. a. die Vermeidung oderMinimierung von myofaszialen Kontrakturen. Auch imErwachsenenalter werden schmerzhafte Störungenbehandelt. Hier handelt es sich zumeist um dekompen−sierte myofasziale Funktionsstörungen wie obenbeschrieben. Bei allen Patienten kommt eine funktions−medizinisch fundierte manuelle Behandlung der loka−len und segmentalen sowie der in der Verkettung ge−störten Muskulatur, der Gelenke und auch der faszialenStrukturen zur Anwendung. Hypomobil funktionsge−störte Gelenke können aus einer definierten Ausgangs−

stellung mobilisiert (repetitive Behandlung ohne Im−puls) oder manipuliert (einmalige Behandlung mitImpuls) werden, wenn sich die genannte Ausgangsstel−lung schmerzfrei einstellen lässt und eine Probemobi−lisation schmerzfrei möglich ist. Triggerpunkte könnenmanuell, neuraltherapeutisch oder mittels Akupunkturbehandelt werden. Muskulatur in erhöhtem Span−nungszustand wird zunächst relaxiert. Erst anschlie−ßend kann bei fortbestehendem Befund die reflekto−risch gehemmte Muskulatur durch Fazilitations−maßnahmen in den zeitlichen Ablauf der Muskelakti−vität reintegriert werden. Tatsächliche Kräftigungenreflektorisch gehemmter Muskulatur, die ja nicht imeigentlichen Sinne abgeschwächt ist, sind bei einer er−folgreichen Rebalancierung der Muskulatur nur seltennötig. Besonders bei Adoleszenten kann bei zunehmen−der Progredienz auch eine Indikation zur stationärenIntensivphysiotherapie mit Einleitung einer Korsett−behandlung gesehen werden.

" Bei konservativer Therapie mit und ohne Korsett−behandlung muss über das weitere Fortschreiten derDeformität und über den Korrekturverlust nach Ab−schluss der Behandlung aufgeklärt werden. Bereitsvorhandene Wirbelkörperdeformitäten können nichtrückgängig gemacht werden.

n Korsettbehandlung

Das Anliegen der Korsettbehandlung ist der Ausgleichder dysbalancierten Zug− und Druckkräfte der Wirbel−säule mit dem Ziel der ventralen Entlastung der Wir−belkörper. Eine Indikation zur Korsettversorgung be−steht bei fortschreitender Deformität trotz intensiverPhysiotherapie und ausreichender Wachstumsreservedes Skeletts (Risser−Zeichen). Die Wachstumsreservesollte möglichst 3± 4 Jahre betragen. Die Grenze einerKorsettbehandlung ist bei ca. 708 Kyphosewinkel nachCobb anzusehen. Bei stärkeren Kyphosen ist aus bio−mechanischen Gründen eine Wirksamkeit der Korsett−behandlung nicht mehr anzunehmen. Das Wirkprinzipder Korsettbehandlung ist eine Dreipunktabstützungmit resultierender mechanisch unterstützter, teilaktiverAufrichtung der Wirbelsäule. Obgleich die vorüberge−hende Wirksamkeit einer Korsettbehandlung gesichertscheint, kann es bei und nach der Entwöhnung zu dau−erhaften Korrekturverlusten kommen, sodass die Mög−lichkeit einer tatsächlichen Wuchslenkung durch Kor−settbehandlung unterschiedlich beurteilt wird. Bereitsbestehende Keilwirbeldeformitäten sind nicht rever−sibel. Da die Belastung von Patient und Familie nichtunerheblich ist, sollte die Korsettbehandlung nur be−gonnen werden, wenn eine realistische Chance aufdauerhafte Verbesserung des Befundes besteht.

Tabelle 1

Funktionell orientierende krankengymnastische Ver−fahren zur Kyphosekorrektur bei Morbus Scheuermann

Verfahren Indikation

Methode nach Brügger nichtfixierte Kyphosen

funktionelle Bewegungslehrenach Klein−Vogelbach

nichtfixierte Kyphosen

Kyphosebehandlung nachLehnert−Schroth

teilfixierte Kyphosen

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Für die Kyphosebehandlung kommen unterschiedlicheKorsettformen in Betracht:n Das Boston−Korsett ermöglicht bei Integration einer

sternalen Pelotte die Dreipunktabstützung mit ent−sprechender teilaktiver Korrektur der Kyphose undBeckenaufrichtung (Abb. 6).

n Beim Gwschend−Korsett handelt es sich um einreklinierendes PE−Korsett. Die Behandlungsdauersollte 1,5±2 Jahre nicht unterschreiten. Im 1. Thera−piejahr wird eine Tragedauer von 23 Stunden täg−lich empfohlen. Danach werden unterschiedlicheTherapieperioden angegeben. Eine Kombination mitkrankengymnastisch unterstützter aktiver Therapieerscheint sinnvoll.

" Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Kor−settbehandlung keine Standardtherapie zur Kyphose−korrektur bei Morbus Scheuermann darstellt und imEinzelfall sorgfältig indiziert werden sollte.

Operative Therapie

Wegen des langsam progredienten Verlaufes und dersehr selten auftretenden neurologischen Defizitsymp−tomatik der Scheuermann−Kyphose ist eine operativeKorrektur nur selten indiziert. Eine operative Behand−lung kommt meist erst nach Wachstumsabschluss inBetracht.

" Empfohlene Indikation zur operativen Korrektur:Kyphosewinkel > 708 nach Cobb.

Insgesamt sollte nach allgemeiner Ansicht die Opera−tionsindikation zurückhaltend gestellt werden. Bei nochvorhandener Wachstumsreserve kann eine alleinigedorsale Stabilisierung und Wachstumsblockade emp−fohlen werden. Durch derartige zumeist transpediku−läre Fixationen, die eher langstreckig durchgeführtwerden müssen, sollen Aufrichtungen um bis zu 208erreicht werden. Bei höhergradigen Kyphosen wird vor−wiegend eine ventrodorsale Korrekturspondylodeseempfohlen. Hierbei wird man ein ventrales Release mitAusräumung der Bandscheiben und Durchtrennung deranterioren ligamentären Strukturen durchführen. Dieintersomatische Implantation von keilförmigen Spänenoder Cages (hohe Seite nach ventral) ist möglich.

Auch ein ventro−dorso−ventrales Vorgehen ist mög−lich (Abb. 7a ± e). Mit dem ventrodorsalen oder ventro−dorso−ventralen Vorgehen sind sehr gute Korrektur−ergebnisse um bis zu 408 möglich.

Ist ausnahmsweise ein ventrales Vorgehen nur überwenige Etagen notwendig, kann man auf einen limi−tierten interkostalen Zugang ausweichen. Bei gleicherIndikation bietet die Minithorakotomie mit und ohneRippenresektion unter Verwendung von speziellenSpreizsystemen eine gute Alternative. Die Anzahl dererreichbaren Segmente ist jedoch deutlich begrenzterals beim offenen Vorgehen. Ein Verfahrensumstieg beiunzureichender ventraler Erreichbarkeit der Kyphosesollte präoperativ besprochen sein.

Im Bereich des thorakolumbalen Überganges, tief−thorakal bis ca. Th10, empfiehlt sich ein Zugang vonlinks, während Zugänge ab Th10 und kranialer von bei−den Seiten möglich sind. Hochthorakal ist das rechts−seitige Zugehen besser möglich. Auch thorakoskopi−sches Vorgehen für das ventrale Release ist beschrieben.Dieses Vorgehen ist technisch anspruchsvoll und zeit−aufwendig. Thorakoskopisches ventrales Operieren inBauchlage kann simultan mit dorsalen Operations−schritten kombiniert werden. Ob die Korrekturergeb−nisse im Langzeitverlauf denen herkömmlicher Verfah−ren entsprechen, kann derzeit allerdings nichtabschließend beurteilt werden.

Abb. 6 n Bostenkorsett. Geeignet zur Behandlung der Scheuer−mannkyphose.

OP−Schritte und Tricks

Beim Verschluss der Thorakotomie nach Rippenresek−

tion hat es sich bewährt, die Rippen umfassenden

Nähte so zu legen, dass die interkostalen Gefäß−Ner−

ven−Bündel außerhalb der Nähte zu liegen kommen.

Ansonsten können hartnäckige Beschwerden resultie−

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Komplikationen

Konservative Therapie

Neurologische Komplikationen der Erkrankung sindselten. Im Rahmen des Morbus Scheuermann werdenallerdings gehäuft thorakale Bandscheibenvorfälle be−obachtet, die ihrerseits wiederum für neurologischeAusfälle verantwortlich sein können und einer operati−ven Behandlung bedürfen. Einengungen des Spinalka−nales aufgrund der fortschreitenden Bandscheibende−generation sind selten, aber möglich. HochgradigeKyphosen über 1008 führen gehäuft zu einer Beein−trächtigung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit.Begleitskoliosen oder Spondylolysen sind zumeist ge−ringgradig ausgeprägt und ohne Progredienz. Klinischrelevante Einschränkungen der Wirbelsäulenbeweg−lichkeit sind bei ausgeprägten Erkrankungsformenmöglich.

Abb. 7 n 29−jähriger Mann mit sympto−matischer Scheuermann−Kyphose.a Seitliche Röntgenaufnahme der BWS mitthorakolumbalem Übergang im Stand. Ty−pische Veränderungen der Wirbel Th9 ± L1.Die BWS−Kyphose beträgt 1028. Indikationzur Durchführung einer Korrekturspondy−lodese, hier ventro−dorso−ventral.

b ± d Gleicher Patient wie in Abb. 7 a nachoffenem ventralem Release und dorsalerKorrekturspondylodese, bereits mit deut−licher Korrektur der Kyphose. e Abschluss−kontrolle nach ventro−dorso−ventraler Kor−rekturspondylodese Th6 ± L2 mit ventralerFusion und Instrumentation Th8 ± L1. Diethorakale Kyphose beträgt 648.

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Bei der Korsettbehandlung treten gelegentlich Haut−affektionen auf. Diese können allergisch bedingt oderDruckfolge sein. Es empfiehlt sich auch beim konserva−tiven Vorgehen eine schriftliche Dokumentation derAufklärung vorzunehmen.

Operative Therapie

Die Komplikationsrate der operativen Korrektur richtetsich neben dem operativen Vorgehen (rein dorsal oderkombiniert, mit oder ohne offene Thorakotomie) vorallem nach der präoperativ vorhandenen Ausprägungund der Rigidität der Kyphose. Die Korrektur fixierterKyphosen ist mit einem erheblichen Risiko neurologi−scher Komplikationen verbunden. Die Hoffnung durchein intraoperatives neurophysiologisches Monitoringmit Ableitung somatosensorischer Potentiale zusätz−liche Sicherheit zu erhalten, hat sich im Wesentlichennicht erfüllt.

Insgesamt sind bei operativer Behandlung vor allem3 Gruppen von Komplikationen zu nennen:n zugangsbedingte Komplikationen,n implantatassoziierte Komplikationen,n korrekturbedingte Komplikationen.

Im Einzelnen sind folgende spezifische Komplikationender operativen Kyphosekorrektur bei Morbus Scheuer−mann beschrieben:n neurologische Defizite bis zum irreversiblen kom−

pletten sensomotorischen Querschnittsyndrom,n unzureichende Korrektur,n Korrekturverlust,n Pseudarthrosenbildung,n Materialversagen,n prominente Implantate mit Weichteilaffektionen bis

hin zur lokalen Ulzeration,n persistierende Rückenschmerzen,n gastrointestinale Obstruktion,n Hämatopneumothorax,n Postthrorakotomiesyndrom.

Begutachtung

Leichte radiologisch nachweisbare Veränderungen derWirbelsäule im Sinne eines Morbus Scheuermann ohneHyperkyphose und ohne bzw. mit unspezifischer Klinikbedingen weder im Kindes− noch im Erwachsenenaltereine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder einenGrad der Behinderung (GdB).

Bei Korsettbehandlung mit reklinierenden Orthesenbesteht ein GdB von 30 (Schwerbehindertengesetz,SchwbG). Hals einschließende Orthesen, die jedoch beidieser Diagnose nahezu nicht verwendet werden, wür−

den einen GdB von 50 implizieren. Besteht im Erwach−senenalter eine starke Kyphose nach Korsettbehand−lung fort, ist ein GdB von 20± 30 vorhanden.Nach operativer Korrektur einer Scheuermannkyphoserichtet sich der GdB nach Strecke und Lokalisation derFusion. Ein GdB von 20 ist regelmäßig vorhanden. Nurbei persistierendem Rundrücken mit kompensatori−scher Hyperlordose der angrenzenden Wirbelsäulenab−schnitte ist ein GdB von 30 gerechtfertigt.

Hypolordosen der LWS bzw. pathologische Kypho−sen des thorakolumbalen Überganges nach MorbusScheuermann führen in einem höheren Prozentsatz zubelastungsabhängigen Beschwerden, die auch stärkerausgeprägt sind als bei vergleichbaren thorakalenDeformierungen und daher entsprechend höher ein−zuschätzen sind.

Wehrdienst

Die Beurteilung der Wehrdiensttauglichkeit richtet sichnach einer zentralen Dienstvorschrift, in der sowohl Artals auch Grad der körperlichen Einschränkung in nu−merischer Abfolge festgelegt sind. Körperliche Gebre−chen werden als ¹Fehlernummer“ bezeichnet. Hiervongibt es 82. Die für den Morbus Scheuermann infragekommenden Abschnitte sind die Fehlernummern 42(FNr. 42 ¹Wirbelsäule“) und 43 (FNr. 43 ¹Brustverfor−mung“). Die Schwere der Ausprägung wird in den Gra−dationen I ± VII definiert. Gradation V bedeutet zeitwei−lige, Gradation VI dauernde Befreiung vom Wehrdienst.Die Gradation VII hat eine Freistellung von der Grund−ausbildung mit einer Verwendung ¹für bestimmteTätigkeiten des Grundwehrdienstes“ zur Folge. Die Gra−dationen IV±VIII erfordern eine fachärztliche Unter−suchung durch einen Orthopäden oder Chirurgen. DieBerufsanamnese ist zu berücksichtigen.

Sport

Im floriden Stadium des Morbus Scheuermann kanneine zeitlich begrenzte, beschwerdeabhängige Ein−schränkung der sportlichen Belastung vorhanden sein.

Unter Beachtung radiologischer Kriterien der Er−krankung (s.o.) ist im Stadium 1 lediglich von wett−kampfmäßiger Aktivität in Sportarten mit starkerkyphosierender Beanspruchung der Wirbelsäule (z.B.Rudern, Kanusport, Radsportarten) abzuraten. AuchGewichtheben und andere Sportarten mit starker axia−ler Belastung der Wirbelsäule sind bei noch offenenWachstumsfugen nicht zu empfehlen. Gegen Ballsport−arten, Turnen und Leichtathletik hingegen bestehenkeine Einwände. In diesem Stadium ist eine Befreiungvom Schulsport nicht angezeigt.

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Im Stadium 2 und 3 sind wirbelsäulenentlastendeSportarten (Schwimmen) sowie Sportarten in wech−selnder Körperhaltung (Laufen und in begrenztem Um−fang auch Mannschaftssportarten) zu empfehlen. Wirdmit einem Korsett behandelt, kann dies bei der sport−lichen Tätigkeit abgelegt werden. Es kann in diesenStadien eine Sportpause sowie eine zeitweise Befreiungvom Schulsport angezeigt sein. Die Einschränkung dersportlichen Belastbarkeit der Wirbelsäule ist, außer beischweren Deformierungen, mit Wachstumsabschlussbeendet.

Perspektiven

Insgesamt ist die Prognose des klassischen thorakalenMorbus Scheuermann gut. Oftmals haben die Patiententrotz sichtbarer Kyphose keine oder wenig Beschwer−den, insbesondere wenn die kyphotische Deformität 608unterschreitet. Nach Wachstumsabschluss wird dieklinische Symptomatik meist deutlich geringer. EineProgredienz der Kyphose kann dann durch Bandschei−bendegeneration eintreten. Deutlich schlechter ist diePrognose bei lumbalen Manifestationsformen. Hier sindperspektivisch lumboischialigiforme Beschwerden(50%) oder Bandscheibenfrühdegenerationen (25 %)möglich.

Literatur

Fürderer S, Eysel P. Kyphosen. In: Krämer J (Hrsg). Wirbelsäule, Tho−

rax. In: Wirth CJ, Zichner F (Hrsg). Orthopädie und Orthopädi−

sche Chirurgie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2004

Gschwend N. Zur Prognose der Scheuermann’schen Krankheit. Pra−

xis 1964; 53: 547

Loder E, Amsler H, Gschwend N. Die fliegermedizinische Beurteilung

der Wirbelsäule. Dübendorf: FAJ, 1962

van Tulder MW, Assendelft WJ, Koes BW, Boutler LM. Spinal radio−

graphic findings and non−specific low back pain. A systematic

review of observational studies. Spine 1997; 22: 427 ± 434

Korrespondenzadressen

Priv. Doz. Dr. med. R. Kayser

CharitØ ± Universitätsmedizin Berlin

Campus Benjamin Franklin

Zentrum für Spezielle Chirurgie des Bewegungsapparates

Klinik für Orthopädie und Klinik für Unfall− und

Wiederherstellungschirurgie

Hindenburgdamm 30

12200 Berlin

Telefon: 030/8445−4073

Telefax: 030/8445−4464

E−mail: [email protected]

Prof. Dr. med. U. Weber

CharitØ ± Universitätsmedizin Berlin

Campus Benjamin Franklin

Zentrum für Spezielle Chirurgie des Bewegungsapparates

Klinik für Orthopädie

Hindenburgdamm 30

12200 Berlin

Telefon: 030/8445−3076

Telefax: 030/8445−4545

E−mail: [email protected]

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CME−FragenDie folgenden Fragen beziehen sich auf den vorangehenden Beitrag. Bitte schicken Sie uns die

entsprechenden Lösungsbuchstaben. Jeweils eine Antwort ist richtig. Die Vergabe von CME−Punkten

ist an die korrekte Beantwortung der Multiple−Choice−Fragen gebunden.

Welche Aussage zurÄtiologie desMorbus Scheuermannist richtig?

1 A Die Erkrankung wird durch verminderte Festigkeit von Grund− und Deckplatte verursacht.B Es handelt sich um eine Erbkrankheit mit autosomal−dominantem Erbgang.C Es handelt sich um eine aseptische Knochennekrose.D Die Ätiologie der Erkrankung ist unbekannt. Es kommt eine Kombination verschiedener

Faktoren in Betracht.E Der Morbus Scheuermann wird mechanisch durch eine lokale Überlastung verursacht und

tritt deshalb bei Sportlern vermehrt auf.

Welche Aussagen sindrichtig?Die Diagnostik desMorbus Scheuermannerfolgt

2 1. radiologisch.2. mittels MRT.3. klinisch.4. mittels CT.5. szintigraphisch.A Nur Aussagen 1 und 3 sind richtig.B Nur Aussagen 1 und 4 sind richtig.C Nur Aussagen 1 und 5 sind richtig.D Nur Aussagen 2 und 3 sind richtig.E Nur Aussagen 3 und 4 sind richtig.

Wie ausgeprägt musseine Kyphose derBrustwirbelsäule eines12−jährigen Kindes sein,damit man von einemMorbus Scheuermannsprechen kann?

3 A Bis 30�.B Über 30�.C Über 45�.D Über 60�.E Über 70�.

Welche Aussagen sindrichtig?Radiologische Hinweisefür die Diagnose einesMorbus Scheuermannsind:

4 1. eine keilförmige Deformierung eines Wirbelkörpers.2. Unruhe in Grund− und Deckplatte.3. Schmorl−Knötchen.4. drei oder mehr kyphotisch deformierte Wirbelkörper.A Nur Aussagen 1, 2 und 3 sind richtig.B Nur Aussagen 2 und 3 sind richtig.C Nur Aussagen 2, 3 und 4 sind richtig.D Alle Aussagen sind richtig.E Alle Aussagen sind falsch.

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Welche Aussagezur Behandlung desMorbus Scheuermanntrifft nicht zu?

5 A Eine Behandlung mit Physiotherapie ist immer notwendig.B Die Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Deformität.C Die Behandlung richtet sich nach der Lokalisation der Deformität.D Eine Korsettbehandlung ist nur am wachsenden Skelett sinnvoll.E Eine operative Behandlung kann bei ausgeprägten Deformitäten sinnvoll sein.

Welche Aussagen sindrichtig?Bei der konservativenTherapie des MorbusScheuermann Typ I

6 1. ist eine lokale Behandlung ausreichend.2. richtet sich die Behandlung nach dem funktionellen Befund.3. sind bei der Behandlungsplanung insbesondere die kompensatorisch hyperlordotische

Hals− und Lendenwirbelsäule zu beachten.4. ist eine Befreiung vom Schulsport notwendig.A Nur Aussagen 1 und 3 sind richtig.B Nur Aussagen 2 und 4 sind richtig.C Nur Aussagen 2 und 3 sind richtig.D Alle Aussagen sind richtig.E Alle Aussagen sind falsch.

Welche Aussagen sindrichtig?Die primäre Behandlungeines symptomatischenMorbus ScheuermannTyp I, Grad III nachGschwend, mit einerBWS−Kyphose von 55�bei einem 12−jährigenKind kann durchgeführtwerden:

7 1. medikamentös.2. physiotherapeutisch.3. mit Korsett.4. operativ.A Nur Aussagen 1, 2 und 3 sind richtig.B Nur Aussagen 2, 3 und 4 sind richtig.C Nur Aussagen 1, 2 und 4 sind richtig.D Alle Aussagen sind richtig.E Alle Aussagen sind falsch.

Welche Aussage istrichtig?Wann ist eine operativeBehandlung des MorbusScheuermann in allerRegel in Erwägung zuziehen?

8 1. Bei einer Kyphose von über 70�.2. Nach Wachstumsabschluss.3. Bei einer Kyphose von 60� und Schmerzen.4. Bei Progredienz der Deformität von > 5� pro Jahr.A Nur Aussagen 1 und 4 sind richtig.B Nur Aussagen 2 und 3 sind richtig.C Nur Aussagen 1 und 2 sind richtig.D Nur Aussagen 2 und 4 sind richtig.E Alle Aussagen sind richtig.

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Welche Aussagensind richtig?Bei der Behand−lung eines MorbusScheuermann undbegleitender Defor−mitäten (Skoliose,Spondylolisthesis)ist

9 1. die klinische Symptomatik durch die Grundkrankheit bestimmt.2. die klinische Manifestation der Begleitdeformitäten oft führend.3. die Behandlung der Begleitdeformitäten immer notwendig.4. die Behandlung der Begleitdeformitäten selten indiziert.5. die Behandlung der Begleitdeformitäten meist nicht notwendig.A Nur Aussagen 1 und 3 sind richtig.B Nur Aussagen 1 und 4 sind richtig.C Nur Aussagen 1 und 5 sind richtig.D Nur Aussagen 2 und 4 sind richtig.E Nur Aussagen 2 und 5 sind richtig.

Welche Aussagensind richtig?Sportliche Betäti−gung bei Patientenmit MorbusScheuermannist

10 1. Bestandteil der Behandlung.2. sinnvolle Freizeitbeschäftigung.3. verboten. Vom Schulsport ist zu befreien.4. im floriden Stadium verboten.5. im floriden Stadium nicht angezeigt, wenn es sich um Radsport, Gewichtheben oder

Rudern handelt.A Nur Aussagen 1, 2 und 4 sind richtig.B Nur Aussagen 1, 2 und 5 sind richtig.C Nur Aussagen 2 und 5 sind richtig.D Nur Aussagen 1 und 2 sind richtig.E Alle Aussagen sind richtig.

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CME−AntwortbogenBitte kopieren, ausfüllen und an die unten angegebene Adresse senden.

A. Angaben zur Person

Name, Vorname, akad. Titel:

Straße, Hausnr.: PLZ/Ort:

Ich bin Mitglied der Ärztekammer: Jahr meiner Approbation:

Ich befinde mich in der Weiterbildung zum:

Ich habe eine abgeschlossene Weiterbildung in/für: seit/Jahr der Facharztanerkennung:

Spezialisierung innerhalb des Fachgebiets: q nein q ja, welche?

Ich möchte folgende Zusatzbezeichnungen erwerben:

Ich habe folgende Zusatzbezeichnungen: seit:

Ich bin tätig als: q Assistenzarzt q Oberarzt q Chefarzt in folgender Klinik:

q Niedergelassener Arzt, seit q im Ballungsraum q im ländlichen Raum

q Sonstiges (bitte eintragen):

Führen Sie in Ihrer Praxis diagnostische und therapeutische Auftragsleistungen im Bereich des Fortbildungsthemas

durch?

q nein q ja, welche?

Bieten Sie in der Diagnostik und Therapie im Bereich des Fortbildungsthemas Besonderheiten in Ihrer Praxis/Klinik an?

q nein q ja, welche?

Machen Sie diese ggf. als Praxisbesonderheiten geltend?

q nein q ja, welche?

Ich bin Abonnent: q ja q nein, der Fragebogen ist aus/von:

q Zeitschrift q thieme−connect q Kollegen q der Klinik q Bibliothek q Sonstiges

B. Didaktisch−methodische Evaluation

1. Wie viele Patienten diagnostizieren/behandeln Sie im Zusammenhang mit dem Fortbildungsthema pro Jahr?

2. Bitte benennen Sie die 3 wichtigsten für Sie noch offenen Probleme in der Diagnostik/Therapie des

Fortbildungsthemas:

3. Bezüglich der Diagnostik/Therapie im Rahmen des Fortbildungsthemas

q fühle ich mich nach Studium des Beitrages in meiner Strategie bestätigt.

q hat sich meine Strategie folgendermaßen verändert ± bitte benennen:

4. Wurden aus der Sicht Ihrer täglichen Praxis wichtige Aspekte des Themas

a) außer Acht gelassen? q nein q ja, welche?

b) zu knapp abgehandelt? q nein q ja, welche?

c) überbewertet? q nein q ja, welche?

5. Etwa wieviel Prozent des Beitrages haben Ihnen

a) zur Auffrischung bereits bekannten Wissens gedient: q < 10 % q < 25 % q < 50 % q ³ 50 %

b) zur Erweiterung Ihres Spezialwissens gedient: q < 10 % q < 25 % q < 50 % q ³ 50 %

6. Die Diagnostik/Therapie im Zusammenhang mit dem Fortbildungsthema wird

q von mir begonnen und vom Hausarzt weitergeführt

q von mir begonnen und bis zur endgültigen Diagnosestellung bzw. Therapieeinstellung durchgeführt

q Diagnostik, Therapie und Langzeitkontrolle erfolgen durch mich (in Abstimmung mit dem Hausarzt).

q von mir überwiegend als Auftrags−/Konsiliarleistung erbracht.

Online−Teilnahme unter http://cme.thieme.de

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7. Für die Diagnostik/Therapie im Zusammenhang mit dem Fortbildungsthema ziehe ich regelmäßig andere Fachgrup−

pen hinzu. q nein q ja, welche?

8. Ergeben sich für Sie aus wirtschaftlichen Gründen Limitierungen im Einsatz von im Beitrag genannten Diagnose−/

Therapieverfahren? q nein q ja, welche?

9. Stehen Ihnen aus logistischen Gründen Limitierungen im Einsatz von im Beitrag genannten Diagnose−/

Therapieverfahren nicht/nur eingeschränkt zur Verfügung? q nein q ja, welche?

10. Die Fragen lassen sich q aus dem Studium des Beitrages allein beantworten.

q nur unter Zuhilfenahme zusätzlicher Literatur beantworten.

11. Ich habe für die Bearbeitung des Beitrags (inkl. Antwortbogen) Minuten benötigt.

D. Ihr Ergebnis

E. ErklärungIch versichere, dass ich die Beantwortung der Fragen selbstund ohne fremde Hilfe durchgeführt habe.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ort/Datum

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Bitte senden Sie den vollständig ausgefüllten Antwortbogen und einen an Sie selbst adressierten und ausreichend frankierten Rückumschlag an denGeorg Thieme Verlag KG, CME, Joachim Ortleb, Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart. Einsendeschluss ist der 30. 4. 2008 (Datum des Poststempels).Die Zertifikate werden spätestens 14 Tage nach Erhalt des Antwortbogens versandt. Von telefonischen Anfragen bitten wir abzusehen.

Nicht−Abonnenten bitte hierCME−Wertmarke aufkleben bzw.Abonnentennummer eintragen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

wird vom Verlagausgefüllt Sie haben . . . . . . . . . . . von . . . . . . . . . Fragen richtig beantwortet und somit bestanden

nicht bestanden

CME−Punkt(e)erhalten

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ort/Datum

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C. Wissenstest

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5678

910

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Teilnahmebedingungen der zertifizierten Fortbildung

Für diese Fortbildungseinheit können Sie bis zu3 Fortbildungspunkte im Rahmen des Fortbildungs−zertifikates der Ärztekammern erhalten. Hierfürn müssen 70 % der Fragen richtig beantwortet sein.n muss die oben stehende Erklärung vollständig

ausgefüllt sein. Unvollständig ausgefüllte Bögenkönnen nicht berücksichtigt werden!

n muss im entsprechenden Feld des AntwortbogensIhre Abonnentennummer eingetragen oder eineCME−Wertmarke aufgeklebt sein.

CME−Wertmarken für Nicht−AbonnentenCME−Wertmarken (für Teilnehmer, die die Orthopädieund Unfallchirurgie up2date nicht abonniert haben)können beim Verlag zu folgenden Bedingungenerworben werden: 6er−Pack Thieme−CME−Wertmarken,Preis 63,± Euro inkl. MwSt., Artikel−Nr. 901916; 12er−Pack Thieme−CME−Wertmarken, Preis 99,± Euro inkl.MwSt., Artikel−Nr. 901917. Bitte richten Sie Bestel−lungen an: Georg Thieme Verlag KG, Kundenservice,Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart.

Wichtige HinweiseDie CME−Beiträge der Orthopädie und Unfallchirurgieup2date wurden durch die Nordrheinische Akademiefür ärztliche Fortbildung anerkannt. Die Orthopädieund Unfallchirurgie up2date ist zur Vergabe der Fort−bildungspunkte für diese Fortbildungseinheit berech−tigt. Diese Fortbildungspunkte werden von anderenzertifizierenden Ärztekammern anerkannt. Die Vergabeder Fortbildungspunkte ist nicht an ein Abonnementgekoppelt!

Pädiatrische Orthopädie und Unfallchirurgie

140 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2 ê2007 ê125 ± 140

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