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Feuchtwarmes Klima, leichte Bekleidung und offenes Schuhwerk sind einige der Gründe, warum Reisen in die Tropen häufig zu Derma- tosen führen. Diese sind meist durch Infektio- nen bedingt. Entsprechende mikrobiologische Untersuchungen sind daher stets angezeigt. Bei unklaren Läsionen kann eine Hautbiopsie weitere nützliche Informationen liefern. ie wichtigsten Krankheitsbilder von Dermatosen nach Tropenaufenthalten sind Infektionen der Haut mit Bakterien und Pilzen, Epizoonosen, In- festation mit tropischen Erregern sowie Hauterscheinungen infolge Kontakt mit Gifttieren oder durch Sonnenlicht bedingte Dermatosen. Ein weiteres Reisesouvenir sind Infektionen, die durch ungeschützen Sexualverkehr über- tragen werden. Diese Erkrankungen sollten daher bei Hautexanthemen nach Reisen differenzialdiagnostisch stets mitberücksichtigt werden. Infektionen der Haut, insbesondere Pyo- dermien und Mykosen Bakterielle Infekte der Haut gehören wohl zu den verbrei- tetsten Reiseerkrankungen. Ein Beispiel sind primäre Insek- tenstiche, welche aufgrund der vorhandenen Mischflora durch Kratzen superinfiziert werden. Eine mögliche Folge davon sind schwerwiegendere Komplikationen wie ein Ekthyma (Abbildung 1). Durch bakterielle (Misch-)Infekte ausgelöste Ulzerationen nach Tropenaufenthalten erfor- dern zwingend bakteriologische Abstriche und eine früh- zeitige antibiotische Abschirmung. Unentdeckt können sol- che Infekte zu ausgedehnten Ulzerationen und lokaler Gewebsdestruktion mit teils fulminantem Verlauf führen. Zudem entwickelt sich oft eine Impetiginisation von vorbe- stehenden Dermatosen. Eine konsequente desinfizierende Behandlung ist daher essenziell. In vielen Fällen begünstigt das feuchtwarme Klima die Entstehung von Mykosen im intertriginösen Bereich. Während diese in unseren Breitengraden vor allem durch Dermatophyten verursacht werden, sind in den Tropen eher Hefe- und Schimmelpilze dafür verantwortlich. Um dann eine gezielte erregerspezifische antimykotische The- rapie einzuleiten, sollte stets vorgängig eine mykologische Kultur angelegt werden. In den Tropen trifft man auch auf 21 medicos 4/2004 INFEKTIONEN Reisedermatosen ZOONOSEN UND ANDERE DERMATOLOGISCHE SOUVENIRS von Peter Schmid-Grendelmeier D Abbildung 1: Ekthymata infolge superinfizierter Insektenstiche in den Tropen.

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Feuchtwarmes Klima, leichte Bekleidung und

offenes Schuhwerk sind einige der Gründe,

warum Reisen in die Tropen häufig zu Derma-

tosen führen. Diese sind meist durch Infektio-

nen bedingt. Entsprechende mikrobiologische

Untersuchungen sind daher stets angezeigt.

Bei unklaren Läsionen kann eine Hautbiopsie

weitere nützliche Informationen liefern.

ie wichtigsten Krankheitsbilder von Dermatosennach Tropenaufenthalten sind Infektionen derHaut mit Bakterien und Pilzen, Epizoonosen, In-

festation mit tropischen Erregern sowie Hauterscheinungeninfolge Kontakt mit Gifttieren oder durch Sonnenlichtbedingte Dermatosen. Ein weiteres Reisesouvenir sindInfektionen, die durch ungeschützen Sexualverkehr über-tragen werden. Diese Erkrankungen sollten daher beiHautexanthemen nach Reisen differenzialdiagnostischstets mitberücksichtigt werden.

Infektionen der Haut, insbesondere Pyo-dermien und MykosenBakterielle Infekte der Haut gehören wohl zu den verbrei-tetsten Reiseerkrankungen. Ein Beispiel sind primäre Insek-tenstiche, welche aufgrund der vorhandenen Mischflora

durch Kratzen superinfiziert werden. Eine mögliche Folgedavon sind schwerwiegendere Komplikationen wie einEkthyma (Abbildung 1). Durch bakterielle (Misch-)Infekteausgelöste Ulzerationen nach Tropenaufenthalten erfor-dern zwingend bakteriologische Abstriche und eine früh-zeitige antibiotische Abschirmung. Unentdeckt können sol-che Infekte zu ausgedehnten Ulzerationen und lokalerGewebsdestruktion mit teils fulminantem Verlauf führen.Zudem entwickelt sich oft eine Impetiginisation von vorbe-stehenden Dermatosen. Eine konsequente desinfizierendeBehandlung ist daher essenziell.

In vielen Fällen begünstigt das feuchtwarme Klimadie Entstehung von Mykosen im intertriginösen Bereich.Während diese in unseren Breitengraden vor allem durchDermatophyten verursacht werden, sind in den Tropeneher Hefe- und Schimmelpilze dafür verantwortlich. Umdann eine gezielte erregerspezifische antimykotische The-rapie einzuleiten, sollte stets vorgängig eine mykologischeKultur angelegt werden. In den Tropen trifft man auch auf

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ReisedermatosenZOONOSEN UND ANDERE DERMATOLOGISCHE SOUVENIRS

von Peter Schmid-Grendelmeier

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Abbildung 1:Ekthymata infolge superinfizierter Insektenstichein den Tropen.

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subkutane Mykosen wie Myzetom oder Chromoblastomy-kose. Dank den heute deutlich besseren hygienischen Ver-hältnissen und aufgrund der kurzen Aufenthalte sind dieseMykosen sehr selten. Bei unklaren, teils exophytischenHauttumoren muss an eine solche mykologische Ursachegedacht werden, und die entsprechenden Kulturen müssenangelegt und Gewebsbiopsien durchgeführt werden.

EpizoonosenDa die Skabies (Krätzmilbe) in vielen Reiseländern insbe-sondere bei der ländlichen Bevölkerung nahezu ende-misch ist, kann diese auch bei Rückkehrern nach engemkörperlichem Kontakt mit der einheimischen Bevölkerungauftreten (Abbildung 2). Hinweise dafür sind papulöse,stark juckende Veränderungen, insbesondere im Bereichder Genitalien sowie in den Interdigitalräumen. Bei Klein-kindern kommt es oft zur Bildung von palmoplantarenPusteln. Die Behandlung mit Hexachlorzyklohexan (Jacu-tin®), Permethrin (Loxazol®) oder Crotamiton (Eurax®) istnicht nur beim Betroffenen angezeigt, sondern auch beiPersonen, die zu ihm engen körperlichen Kontakt haben.Gelegentlich liegt zusätzlich eine Infestation mit Filzläusen(Pediculosis pubis) vor, welche ebenfalls auf die gleicheBehandlung anspricht. Weiter können Kinder auf Reisenauch Pediculi capitis (Kopfläuse) akquirieren. Dank der heu-tigen Behandlungsmethoden mit entsprechenden Sham-poos (z.B. Prioderm®, Loxazol®) kann das früher notwendi-ge vollständige Scheren der Haare in den meisten Fällenvermieden werden.

Die Larva migrans entsteht durch Larven von Parasi-ten, für die der Mensch als Fehlwirt fungieren kann (Abbil-dung 3). Nach Badeferien und durch das Barfussgehen

begünstigt entstehen vor allem plantar serbiginöse, teilspustulöse Hautveränderungen. Eigentlich heilt die Larvamigrans nach einigen Tagen bis Wochen meist selbst ab.Um die Abheilung zu beschleunigen, kann topisch Dio-bendazol-Creme eingesetzt werden oder bei Nichtan-sprechen Albendazol (Zentel® 500 mg über 3 Tage).

Sandflöhe können durch Eiablage unter der Hautwarzenähnliche Hautveränderungen mit zentraler Öffnungverursachen. Solche Läsionen – als Tungiasis oder auch«Jiggers» bezeichnet – finden sich gehäuft subungual undkönnen durch Superinfektion respektive sekundäre Ekze-matisierung zu Komplikationen führen. Die Therapie erfolgtdurch steriles Ausschälen der Eier respektive durch Exzisi-on der Läsion.

Tropische InfekteAls weitere dermatologische Reiseerkrankung ist die kuta-ne Leishmaniose zu erwähnen. Sie zeigt sich teils als ein-zelne, teils auch multiple Ulzeration oder papulöse Verän-derung, besonders an Extremitäten oder im Gesicht.Gerade bei einem nicht abheilenden Ulkus nach Tropen-aufenthalten sollte – neben der Möglichkeit einer bakteriellbedingten Ursache – an eine Leishmaniose gedacht wer-den. Die Diagnosestellung erfolgt mittels Biopsie und neu-erdings auch durch PCR-Diagnostik. Kutane Leishmaniose-herde können in einem bedeutenden Prozentsatz zwarselbst abheilen. Wegen der möglichen Narbenbildung istjedoch in vielen Fällen eine Behandlung sinnvoll. Eine sol-che sollte in Absprache mit einem tropenmedizinisch aus-gebildeten Arzt erfolgen, da die Verwendung der indizier-ten Medikamente (Antimon-Präparate) aufgrund ihresNebenwirkungspotenzials und der vielfältigen Einsatz-möglichkeiten einige Erfahrung voraussetzt.

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Abbildung 2:Skabies der Füsse: Skabiesbefall bei Kleinkindmit typisch papulo-pustulöser Erkrankung.

Abbildung 3:Larva migrans

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Bei Patienten, die längere Zeit in den Tropen ver-bracht haben, ist auch die Lepra (pauzibazilläre Form) inBetracht zu ziehen, welche hyperpigmentierte Areale mitHypästhesien verursacht. Auch hier kann die Diagnose mit-tels Histologie (inklusive Ziehl-Nehlsen- oder FiteFaraco-Färbung) und PCR-Verfahren gestellt werden. Die entspre-chende Behandlung sollte wiederum in Absprache mitdem tropenmedizinischen Kollegen erfolgen.

Kontakte mit GifttierenGifttiere finden sich in den Tropen entweder im Wasseroder am Festland sehr viel häufiger als in unseren Breiten-graden. Im Wasser führen vor allem Kontakte mit Quallenzu meist stark schmerzhaften Hautveränderungen. Dabeientstehen je nach Art der Qualle urtikarielle, blasige oderauch nekrotisch-toxische Hautläsionen. Zudem lösen ein-zelne Quallenarten, insbesondere etwa Würfelquallen(Chironex, vorkommend in Australien, Ozenanien) auf-grund von Toxinen auch lebensgefährliche Reaktionen aus.Schwanzstachelstiche von Rochen führen oft zu sehrschmerzhaften, sekundär häufig ulzerierenden Läsionen,die vielfach nur schlecht heilen und teilweise gar ein chir-urgisches Debridement erfordern. Viele weitere Wasser-lebewesen wie Fische, Seeigel, Giftfische, Anemonen,Würmer und Kegelschnecken können je nach Art und Giftmeist toxische oder auch systemische Hautreaktionen ver-ursachen.

Auf dem Festland stellen vorwiegend Stiche und Bis-se von Skorpionen, Spinnen und den verschiedenstenInsekten ein Problem dar. Stiche von Hymenopteren (Bie-nen, Wepsen) können allergische Reaktionen auslösen.Dabei treten hauptsächlich toxische Reaktionen auf. BeiInsektengiftallergikern darf deshalb ein Notfallset im Reise-gepäck nicht fehlen. Das Set sollte Steroid-Tabletten undAntihistaminika, bei Personen mit schweren Reaktionenauch Adrenalin-Autoinjektoren wie den EpiPen, enthalten.Allenfalls ist auch eine allergologische Abklärung im Hin-blick auf eine spezifische Immuntherapie zu erwägen.

Der blosse Hautkontakt mit Kleinlebewesen wiegewissen Käfern (zum Beispiel der Familie Meloidae undder Spezies Päderus) oder Raupen kann ebenfalls zu toxi-schen Reaktionen mit Rötung und Blasen führen. Die ent-sprechenden Gifte wie Cantharidin oder Paederin sind inden Haaren der Tiere enthalten oder werden durch derenChitinpanzer direkt abgegeben. Deshalb sollte die Hautnach solchen Kontakten unverzüglich mit Wasser gewa-schen werden.

Weiter zu erwähnen sind verschiedenste Schlangen,Molche und Salamander sowie selten auch Säugetiere(Vampire, Schnabeltier) als Auslöser von Hautschädigun-gen. Besonders bei den Giftschlangen können je nach Artzusätzlich auch systemische, teils lebensgefährliche Sym-ptome auftreten.

Sonnenbedingte DermatosenDer Sonnenbrand (Dermatitis solaris) ist wohl die häufigsteHauterscheinung während Tropenreisen. Insbesondere inden ersten Urlaubstagen sollte eine direkte Sonnenexpositi-on vor allem in den Mittagsstunden (12.00 bis 15.00 Uhr)wenn immer möglich vermieden werden. Heutige Sonnen-schutzmittel, speziell Sonnenblocker, bieten zwar einenwesentlich besseren Schutz gegenüber der UV-Bestrahlungals früher. Trotzdem können sie einen Sonnenbrand in vie-len Fällen nicht völlig verhindern, sondern lediglich hinaus-zögern. Einen sehr effizienten Schutz bieten Textilien mit ein-gebautem UV-Schutz. Gerade bei Kleinkindern ist dasVermeiden von direkter Sonnenbestrahlung einerseits unddas Anwenden von Sonnenschutzmassnahmen (Aufenthaltim Schatten, Sonnenblocker, eventuell UV-dichte Textilien)andererseits von enormer Bedeutung.

Eine weitere, häufig unangenehme Komplikation istdie so genannte polymorphe Lichtdermatose. Diese ent-steht meist bei erstmaliger plötzlicher Expositon gegenüberhohen Dosen von UV-Strahlen. Sie manifestiert sich alsEffloreszenzen, die von Patient zu Patient sehr verschieden,beim einzelnen Patienten jedoch relativ monomorph sind.Leichte Formen der polymorphen Lichtdermatose könnenmit topischen Steroiden und systemischen Antihistaminikabehandelt werden. Bei schweren Formen sind kurzfristigsystemische Kortikosteroide notwendig. Eine Präventionder polymorphen Lichtdermatose ist unter Umständendurch ein vorangehendes «Hardening» mittels UV-A-/UV-B-Phototherapie möglich, welche von Dermatologen ange-boten wird. ●

Autor:PD Dr. med. Peter Schmid-GrendelmeierLeiter der Allergiestation Dermatologische Klinik UniversitätsSpital ZürichGloriastrasse 318091 ZürichE-Mail: [email protected]

Interessenkonflikte: keine