07 Phyt Bei Zlusbeschwerde

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Einleitung Nahezu jede Frau erlebt in der Zeit von Menarche zu Menopause ein Beschwerde- bild im Zykluszusammen- hang. Dabei treten viele ver- schiedene Krankheitsbilder auf (vgl. Abbildung 1). Was sind die Ursachen für die Zyklusbe- schwerden und -anomalien, wie kann man sie pathophysiologisch erklären? Der Schlüssel dafür liegt sicherlich im neuroendokrinen Zusammenspiel von Grosshirn, Hypothalamus, Hypophyse und der Impulsweiterleitung auf die Ziel- organe Schilddrüse, Nebennierenrinde und Ovar, die für das Gesamtkonzept der Hormonsynthese im Zyklus verantwort- lich sind. Prolaktin Prolaktin ist das einzige peripher mess- bare Hormon der zentralen Impulswei- terleitung. Der basale Wert des Prolaktins reicht jedoch oft zur korrekten Informa- tion nicht aus, ein TRH- oder Metoclopra- mid-Stimulationstest kann hier klare Hinweise geben, ob Stressimpulse oder Ernährungsmangelzustände zu einer Erhöhung der Prolaktinausschüttung führen, die dann wieder sekundär eine Veränderung der Östrogen- und Proges- teronsekretion nach sich ziehen (latente Hyperprolaktinämie). Die Hauptwirk- weise von Mönchspfeffer-Extrakten liegt in ihrer dopaminergen, prolaktinsenken- den Wirkung. Eine klare Indikationsstel- lung für ein dennoch komplex wirkendes Phytotherapeutikum, das sich im breiten Einsatz in der täglichen gynäkologischen Praxis bestätigt. Weitere Ursachen Ursachen findet man genauso in anderen Zielorganen des Neuroendokrinums, wie zum Beispiel in der Schilddrüse. Dys- funktionen der Schilddrüse können Aus- wirkungen auf den Zyklus haben, die sich in einer Blutungsveränderung, in der Stärke der Blutung oder auch in Be- schwerden zeigen, welche sich im Ver- lauf des Zyklus manifestieren. Das Ovar ist meistens sekundär beteiligt und zeigt die Veränderung in einer lutea- len Insuffizienz, in einem LUF (fehlender Eisprung) oder einem polyzystischen Ovarsyndrom. Weitere Störungen findet man in der Nebennierenrinde, die auch häufig wieder sekundär durch die ACTH- Stimulation der Hypophyse bedingt sind. In gleicher Weise kann hier eine Verände- rung im Prostaglandinstoffwechsel statt- finden, was häufig mitverantwortlich ist, wenn es allein um eine Schmerzsympto- matik geht. Weiter ist immer das Östro- gen-Progesteron-Verhältnis zu bedenken und nicht die Absolutwerte für einen har- monischen Zyklus. Auch Leberfunktions- störungen können die Ursache für Ver- änderungen im Hormonkreislauf sein. Hysterisch oder psychisch instabil? Mit dieser provokativen Frage werden wir bei Zyklusstörungen oft konfrontiert. Denn viele Syndromerkrankungen der Frau, wie das PMS oder das klimakteri- sche Syndrom, gehen neben körperlichen Erscheinungen auch mit emotionsbeglei- teten Stimmungsveränderungen einher. Der Ansatzpunkt für eine Erklärung sol- cher Phänomene ist ganz klar die Psycho- Neuroendokrino-Immunologie, die die Interaktion der verschiedenen interak- tionsvermittelnden Neurotransmitter auf- zeigt und uns auch erklärt, warum diese Veränderungen bei Frauen parallel lau- fen können. Der Ansatz zur Therapie die- ser Beschwerdebilder kann so nicht ein- fach nur in der symptomatischen Lösung durch Substitution oder Ausschaltung des Endprodukts bestehen. Eine kom- plexe Therapieform muss möglich wer- den, die eine neuroendokrine Regelung im Dopamin- und Serotoninsystem ge- währt, sodass wieder eine korrekte Hor- monstimulation und eine normale Kör- perempfindung resultieren können. Die Unwissenheit über diese Zusammen- hänge und das Dogma, dass Frauen leicht als emotional vulnerabel betrach- tet werden, führt häufig dazu, dass sie gar nicht über diese Syndrome sprechen wollen, oder es ablehnen, dass sie zu einer solchen Krankheitsgruppe gehören sollen. Hier lässt gute Aufklärung die Frauen akzeptieren, dass ihre Verände- rungen eben diesem Krankheitsbild ent- sprechen, und dass man ihnen mit verschiedensten Ansätzen helfen kann, wieder zu einer normalen Regulation zurückzukommen. Phytotherapeutika als kausale Therapie Neuroendokrine Zusammenhänge sind nahezu für alle Zyklusstörungen und zyklusabhängigen Beschwerden verant- wortlich. Also sollte der Ansatz auch hier liegen und eine neuroendokrine Regula- tion hervorrufen. Therapie sollte kausal sein, nicht nur symptomatisch. Und hier sind Phytotherapeutika möglich und sinnvoll! Was wünschen wir, und was haben wir bereits in der Phytotherapie? Wirkprinzip und Wirkstoffnachweis machen in der normalen Praxis erst den indikationsbe- zogenen Einsatz von Phytotherapeutika möglich. Studien zur Überprüfung und der Nachweis von indikativer Phytothe- rapie sind grosse Anliegen und zu för- dern. Die Phytotherapeutika, die schon wissenschaftlich überprüft wurden, sind Vitex agnus castus, Cimicifuga und Hy- pericum perforatum. Sie haben deshalb 17.SCHWEIZERISCHE TAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, SOLOTHURN, 14. NOVEMBER 2002 Phytotherapie bei Zyklusbeschwerden und -anomalien Astrid Blank Abbildung 1: Zyklusbeschwerden und -anomalien Dysmenorrhö A-, Oligo-, Polymenorrhö Schmierblutungen prä-, post- menstruell Hypo-, Hypermenorrhö Akne; Obstipation; Fluor; Kolpitis Kopfschmerz; Migräne Prämenstruelles Syndrom phytotherapie 1•2003 14

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Page 1: 07 Phyt Bei Zlusbeschwerde

EinleitungNahezu jede Frau erlebt in

der Zeit von Menarche zu

Menopause ein Beschwerde-

bild im Zykluszusammen-

hang. Dabei treten viele ver-

schiedene Krankheitsbilder auf

(vgl. Abbildung 1).

Was sind die Ursachen für die Zyklusbe-

schwerden und -anomalien, wie kann

man sie pathophysiologisch erklären?

Der Schlüssel dafür liegt sicherlich im

neuroendokrinen Zusammenspiel von

Grosshirn, Hypothalamus, Hypophyse

und der Impulsweiterleitung auf die Ziel-

organe Schilddrüse, Nebennierenrinde

und Ovar, die für das Gesamtkonzept der

Hormonsynthese im Zyklus verantwort-

lich sind.

ProlaktinProlaktin ist das einzige peripher mess-

bare Hormon der zentralen Impulswei-

terleitung. Der basale Wert des Prolaktins

reicht jedoch oft zur korrekten Informa-

tion nicht aus, ein TRH- oder Metoclopra-

mid-Stimulationstest kann hier klare

Hinweise geben, ob Stressimpulse oder

Ernährungsmangelzustände zu einer

Erhöhung der Prolaktinausschüttung

führen, die dann wieder sekundär eine

Veränderung der Östrogen- und Proges-

teronsekretion nach sich ziehen (latente

Hyperprolaktinämie). Die Hauptwirk-

weise von Mönchspfeffer-Extrakten liegt

in ihrer dopaminergen, prolaktinsenken-

den Wirkung. Eine klare Indikationsstel-

lung für ein dennoch komplex wirkendes

Phytotherapeutikum, das sich im breiten

Einsatz in der täglichen gynäkologischen

Praxis bestätigt.

Weitere UrsachenUrsachen findet man genauso in anderen

Zielorganen des Neuroendokrinums, wie

zum Beispiel in der Schilddrüse. Dys-

funktionen der Schilddrüse können Aus-

wirkungen auf den Zyklus haben, die

sich in einer Blutungsveränderung, in

der Stärke der Blutung oder auch in Be-

schwerden zeigen, welche sich im Ver-

lauf des Zyklus manifestieren.

Das Ovar ist meistens sekundär beteiligt

und zeigt die Veränderung in einer lutea-

len Insuffizienz, in einem LUF (fehlender

Eisprung) oder einem polyzystischen

Ovarsyndrom. Weitere Störungen findet

man in der Nebennierenrinde, die auch

häufig wieder sekundär durch die ACTH-

Stimulation der Hypophyse bedingt sind.

In gleicher Weise kann hier eine Verände-

rung im Prostaglandinstoffwechsel statt-

finden, was häufig mitverantwortlich ist,

wenn es allein um eine Schmerzsympto-

matik geht. Weiter ist immer das Östro-

gen-Progesteron-Verhältnis zu bedenken

und nicht die Absolutwerte für einen har-

monischen Zyklus. Auch Leberfunktions-

störungen können die Ursache für Ver-

änderungen im Hormonkreislauf sein.

Hysterisch oder psychischinstabil? Mit dieser provokativen Frage werden

wir bei Zyklusstörungen oft konfrontiert.

Denn viele Syndromerkrankungen der

Frau, wie das PMS oder das klimakteri-

sche Syndrom, gehen neben körperlichen

Erscheinungen auch mit emotionsbeglei-

teten Stimmungsveränderungen einher.

Der Ansatzpunkt für eine Erklärung sol-

cher Phänomene ist ganz klar die Psycho-

Neuroendokrino-Immunologie, die die

Interaktion der verschiedenen interak-

tionsvermittelnden Neurotransmitter auf-

zeigt und uns auch erklärt, warum diese

Veränderungen bei Frauen parallel lau-

fen können. Der Ansatz zur Therapie die-

ser Beschwerdebilder kann so nicht ein-

fach nur in der symptomatischen Lösung

durch Substitution oder Ausschaltung

des Endprodukts bestehen. Eine kom-

plexe Therapieform muss möglich wer-

den, die eine neuroendokrine Regelung

im Dopamin- und Serotoninsystem ge-

währt, sodass wieder eine korrekte Hor-

monstimulation und eine normale Kör-

perempfindung resultieren können. Die

Unwissenheit über diese Zusammen-

hänge und das Dogma, dass Frauen

leicht als emotional vulnerabel betrach-

tet werden, führt häufig dazu, dass sie

gar nicht über diese Syndrome sprechen

wollen, oder es ablehnen, dass sie zu

einer solchen Krankheitsgruppe gehören

sollen. Hier lässt gute Aufklärung die

Frauen akzeptieren, dass ihre Verände-

rungen eben diesem Krankheitsbild ent-

sprechen, und dass man ihnen mit

verschiedensten Ansätzen helfen kann,

wieder zu einer normalen Regulation

zurückzukommen.

Phytotherapeutika alskausale TherapieNeuroendokrine Zusammenhänge sind

nahezu für alle Zyklusstörungen und

zyklusabhängigen Beschwerden verant-

wortlich. Also sollte der Ansatz auch hier

liegen und eine neuroendokrine Regula-

tion hervorrufen. Therapie sollte kausal

sein, nicht nur symptomatisch. Und hier

sind Phytotherapeutika möglich und

sinnvoll!

Was wünschen wir, und was haben wir

bereits in der Phytotherapie? Wirkprinzip

und Wirkstoffnachweis machen in der

normalen Praxis erst den indikationsbe-

zogenen Einsatz von Phytotherapeutika

möglich. Studien zur Überprüfung und

der Nachweis von indikativer Phytothe-

rapie sind grosse Anliegen und zu för-

dern. Die Phytotherapeutika, die schon

wissenschaftlich überprüft wurden, sind

Vitex agnus castus, Cimicifuga und Hy-

pericum perforatum. Sie haben deshalb

17. SCHWEIZERISCHE TAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE,

SOLOTHURN, 14. NOVEMBER 2002

Phytotherapie bei Zyklusbeschwerdenund -anomalienAstrid Blank

Abbildung 1:Zyklusbeschwerdenund -anomalien

● Dysmenorrhö● A-, Oligo-, Polymenorrhö● Schmierblutungen prä-, post-

menstruell● Hypo-, Hypermenorrhö● Akne; Obstipation; Fluor; Kolpitis● Kopfschmerz; Migräne● Prämenstruelles Syndrom

phytotherapie 1•200314

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schon grossen Anklang in der normalen

schulmedizinischen Praxis gefunden.

Phytotherapie bedeutet auch ein weites

Feld an Erfahrungsmedizin. Und so

heisst es für jemanden, der sich damit

noch nicht lange beschäftigt und der den

Zusammenhang oder den Hintergrund

kennen will, welche Pflanze wie einge-

setzt werden kann, diese Erfahrungen

zu sammeln, um leicht an Hand der

Anamnese und der Beschwerdebeschrei-

bungen der Frau die richtige Phytothera-

pie zu indizieren.

MönchspfefferEine neue Indikation: Mönchspfeffer, das

Präparat, das gegen das prämenstruelle

Syndrom auch in meiner Praxis einge-

setzt wird. Es kann aber auch bei Makro-

mastie als Wachstumsstopper verwendet

werden.

Fall: Eine 22-jährige Patientin kam in

meine Praxis, nachdem sie eine Mamma-

reduktionsplastik beidseitig erlebt hatte,

die sie selbst bezahlen musste, mit Ma-

kromastie und Ptose zwei Jahre zuvor

(vgl. Abbildung 2).

Die Frau zeigte eine kontrazeptive Un-

verträglichkeit, weil jede Antibabypille,

die sie einnahm, sofort wieder zu einem

Brustwachstum führte. Nachdem der

Prolaktinspiegel unauffällig war, ver-

schrieb ich Agnus castus in einer hohen

Dosierung, nämlich 60 mg pro Tag. Die

Patientin, die auch eine Oligomenorrhö

angab, berichtete primär von einer Zy-

klusregulierung, das heisst es kam wie-

der zu einem harmonischen Gleich-

gewicht der Hormone innerhalb des

Zyklus. Eine Östrogendominanz wurde

somit weggenommen. Danach stellte

sich primär ein Wachstumsstopp ein,

und nach ungefähr neun Monaten der

Therapie sogar eine Grössenreduktion.

Die Patientin war natürlich überglück-

lich. Mittlerweile kann sie mit einer Mini-

pille verhüten, und die Frage zählt hier,

was ist das Wirkprinzip? Ist wirklich al-

lein der dopaminerge Effekt Erfolg ver-

sprechend, oder dürfen wir im Rahmen

unserer neuen Kenntnisse vielleicht so-

gar erwarten, dass Mönchspfeffer eine

Progesteron-Rezeptorinduktion hervor-

ruft, die für viele Therapieschritte ver-

antwortlich sein könnte?

Dysmenorrhö ist ein häufiges Thema

in der gynäkologischen Praxis, sei sie

einmalig oder chronisch rezidivierend.

Natürlich gilt es organische Ursachen aus-

zuschliessen, Myome, Endometriose, ein

wichtiges Thema bei Kinderwunsch, was

ja auch häufig erst später erfolgt. Aber

auch eine Endomyometritis, eine CK-Ste-

nose oder eine Lageanomalie sind abzu-

klären, ebenso sind endokrinologische

Ursprünge zu ergründen, und über die

Ernährung ist herauszufinden, ob eine

Veränderung im Prostaglandin-Stoffwech-

sel vorliegt, die allein die Schmerzemp-

findlichkeit so steigern könnte.

SchafgarbeAchillea millefolium wird eigentlich nicht

als Phytotherapeutikum gegen Dysme-

norrhö aufgeführt, ist aber trotzdem ein

potentes Mittel, das Patientinnen be-

schwerdefrei machen kann (vgl. Abbil-

dung 3).

Fall: Eine 42-jährige Patientin kam mit

zunehmender Dysmenorrhö, ohne ein

organisches Korrelat, in die Praxis. Die

Patientin beklagte zusätzlich, neben

ihren zunehmenden Beschwerden unter

dem Zyklus, Herzstolpern und thoraka-

les Engegefühl um die Periodezeit.

Primäre Therapie war Schafgarbe in al-

koholischer Lösung, wie sie bei uns ver-

fügbar ist. Die Patientin berichtete bin-

nen zweier Monate von einer deutlichen

Beschwerdereduktion, aber noch nicht

von einer Beschwerdefreiheit. In der

Folge wurde eine Kombinationstherapie

mit Weissdorn durchgeführt, und die Pa-

tientin war innerhalb von vier Monaten

und ist bis heute beschwerdefrei. Was

war das Wirkprinzip? Allein die Spasmo-

lyse, oder ist wirklich eine Hormonregu-

lation von dieser Pflanze zu erwarten?

Wo können wir diese allenfalls angesie-

delt sehen?

PestwurzAuch diese Pflanze war heute schon häu-

fig ein Thema, sie ist ja auch mittlerweile

renommiert für Migräne, aber auch in

der Gynäkologie ist sie ein wunderbares

Mittel zur Regulation von Dysmenorrhö

und zyklusabhängigen Kopfschmerzen.

Fall: 17-jährige Patientin, primäre Dys-

menorrhö, immer mit Kopfschmerzen

kombiniert. Die Untersuchung brachte

kein organisches Korrelat zu Tage, und

es wurde, obwohl bei primärer Dys-

menorrhö eigentlich angebracht, keine

endoskopische Untersuchung zum Aus-

schluss einer Endometriose durchge-

führt. Die Patientin wünschte auch noch

keine Kontrazeptiva, sondern wollte eine

natürliche Therapie. Sie erhielt ein Pest-

wurzextrakt, 3-mal 25 mg pro Tag, also

täglich 75 mg, bei Bedarf. Die Patientin

nahm das Präparat ein, wenn sich bei

einsetzender Periode auch Kopfschmer-

zen einstellten. Schon im ersten Zyklus

unter dieser Medikation war die Patien-

tin recht schnell beschwerdefrei und

brauchte im Verlauf ihres Zyklus keine

weiteren Analgetika mehr. Wirkprinzip:

Wirklich nur Spasmolyse, wirklich die

Leukotrien-Synthese-Hemmung, oder be-

steht auch ein antihistaminischer Ef-

fekt?

HypermenorrhöAuch heute noch ist dies ein Krankheits-

bild, bei dem als Ultima ratio operative

Eingriffe gemacht werden, wenn den

Frauen kein anderes Therapieprinzip of-

fenbar gemacht wird. Organische Ursa-

chen sind klar abzuklären, aber gerade

17. SCHWEIZERISCHE TAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE,

SOLOTHURN, 14. NOVEMBER 2002

Abbildung 2:Mönchspfeffer – Agnus castusWachstumsstopp bei Makromastie

● 22. LJ, Z.b. Oligomenorrhö; Z.n.Mammareduktionsplastik bds. beiMakromastie und Ptose 2001.Z.b. Kontrazeptivaunverträglich-keit, induzierte Brustwachstum

● Jetzt erneut Brustwachstum undprämenstruelle Mastodynie!!

● Therapie: Agnus castus 60 mg/Tag● Erfolg: Zyklusregulierung!

Primär WachstumsstoppMammae bds., dannminimale Grössenreduktion

Abbildung 3:Schafgarbe – Achilleae millefo-lium herbaDysmenorrhö

● 42. LJ, zunehmende sek. Dysme-norrhö bei fehlendem organi-schen Korrelat; Pat. beklagt zu-sätzlich Herzstolpern undthorakales Engegefühl umPeriodenzeit.

● Therapie: Schafgarbe in alkohol.Lösung

● Erfolg: deutliche Beschwerde-reduktionKombination mit Weissdorn in al-kohol. Lsg. führte zu Beschwerde-freiheit

● Wirkprinzip? Spasmolyse;Hormonregulation?

phytotherapie 1•200315

Page 3: 07 Phyt Bei Zlusbeschwerde

sie ermöglichen dennoch den Einsatz

einer phytotherapeutischen Therapie,

um abzuklären, ob eine Regulation nicht

doch möglich ist. Auch bei mir ist das

Mittel der ersten Wahl bei Hyperme-

norrhö das Hirtentäschel, das es bei uns

als Fertigpräparat gibt.

Fall: 46-jährige Patientin mit einem im-

mer regelmässigen Zyklus (vgl. Abbil-

dung 4).

In diesem Jahr trat zum ersten Mal eine

sehr starke Blutung auf. Die Hausärztin

hatte schon eine Anämie festgestellt. Es

konnte kein organischer Befund nachge-

wiesen werden, auch keine hormonellen

Auffälligkeiten, die einen Hinweis auf

eine Lutealinsuffizienz gegeben hätten.

Die Patientin erhielt 200 mg Hirtentä-

schelkraut als Fertigpräparat, das sie ab

Beginn der Blutung 4- bis 6-mal täglich

einnahm. Erfolg: Schon ab Beginn der

ersten Medikation stellte sich eine nor-

male Blutungsstärke ein. Die Medikation

war zwei bis drei Tage notwendig. Eine

vollständige Abheilung hat die Patientin

bisher nicht erreicht. Wir haben uns noch

keinen Auslassversuch erlaubt, da die

Patientin wirklich in eine starke Anämie

geraten war. Sie ist bis jetzt unter Medi-

kation, aber sehr häufig können wir se-

hen, dass innert drei bis sechs Monaten

der alleinigen Anwendung eines Phyto-

therapeutikums unter der Periode die

Frau das Medikament gar nicht mehr

braucht, da es zu einer Regulierung der

Periodenblutung kommt.

Ist das Wirkprinzip wirklich nur auf einen

gefässverengenden und verdichtenden

Effekt zurückzuführen? Sicher gibt es

hier noch andere Angriffspunkte, die

dann auch zu einer Regulation mit bei-

tragen können.

BlutwurzAuch bei mir ist die Blutwurz Mittel der

zweiten Wahl bei einer Hypermenorrhö.

Hier ein Indikationsgebiet, das man mitt-

lerweile sehr häufig in meiner gynäkolo-

gischen Praxis antrifft, denn dieses neue

Verhütungsmittel, das die folgende,

40-jährige Patientin erhielt, ist weiterhin

auf dem Vormarsch.

Fall: 40-jährige Patientin, Zustand nach

gestagenhaltiger IUP-Einlage. Sie hatte

nach der Einlage eine Dauerschmierblu-

tung, seit fünf Wochen. Vorher hatte sie

nie Auffälligkeiten mit Blutungsstörun-

gen. Die Patientin erhielt als Medikation

Tormentilla-Urtinktur, von der sie alle zwei

bis drei Stunden fünf Tropfen einnehmen

musste. Dies bewirkte innerhalb von drei

Tagen einen Blutungsstopp, bis heute.

Auch hier stellt sich die Frage, ob das

Wirkprinzip der Droge wirklich nur ein ge-

fässverengendes und verdichtendes ist.

FrauenmantelEin wunderschönes Phytotherapeuti-

kum, das bei mir bei einer Kombination

von Dysmenorrhö und chronischem

Fluor zum Einsatz kommt.

Fall: 28-jährige Patientin, Zustand nach

Konisation, mit chronischem, unspezifi-

schem Fluor, sekundäre Dysmenorrhö

nach operativer Sanierung der Zer-

vixdysplasie mit zunehmender Intensität

(vgl. Abbildung 5).

Die Patientin erhielt einen Frauenmantel-

tee, den sie oral und lokal anwenden

musste. Hier wurde eine Scheiden-

spülung, allein mit Frauenmantel, ohne

weiteren Zusatz, durchgeführt. Die Com-

pliance war sehr gut. Nach vier Monaten

war der Fluor unauffällig, also Fluor al-

bus. Es war noch eine leichte Dysme-

norrhö vorhanden. Wir führten die orale

Einnahme von Frauenmantel weiter, und

die Patientin wurde nahezu beschwerde-

frei. Sie hat am ersten Tag der Blutung

noch eine leichte, tolerable Dysme-

norrhö, die keinerlei Analgetika bedarf.

Ist das Wirkprinzip hier wirklich nur

spasmolytisch oder adstringierend und

antibakteriell, oder wo ist hier der Wirk-

ansatz für die kombinative Wirkung die-

ses Phytotherapeutikums zu suchen?

Frauenmantel ist auch der Therapieansatz

bei prämenstrueller Schmierblutung,

auch beim prämenstruellen Syndrom.

Frauenmantel in alkoholi-scher LösungFall: 32-jährige Frau, seit zweiter Geburt

Zyklusstörungen mit Schmierblutungen,

die prämenstruell während drei bis vier

Tagen auftraten. Hier hatte sich der Hor-

monzyklus nach der Geburt nicht ein-

reguliert. Therapie: Frauenmantel in

alkoholischer Lösung, 2-mal täglich ein-

zunehmen. Innerhalb kurzer Zeit zeigte

die Frau wieder einen stabilen, regel-

mässigen Zyklus, so wie sie es von der

Zeit vor der Geburt gewohnt war. Auch

hier stellt sich wie immer die Frage: Was

ist das Wirkprinzip? Ist es wirklich der

hormonregulierende Effekt, und wo ist

der Ansatz zu sehen?

JohanniskrautMittel der Wahl in der Phytotherapie,

wenn es um eine antidepressive Thera-

pie geht. Hier als Mittel der Wahl beim

prämenstruellen Syndrom, das seinen

Ausdruck auch in der depressiven Ver-

stimmung allein im serotoninergen Sys-

tem haben kann.

Fall: 29-jährige, allein lebende Frau, bis-

her ohne Kinder (vgl. Abbildung 6).

Die Patientin kam mit einem ausgepräg-

ten prämenstruellen Syndrom und einer

ausgeprägten Mastodynie in die Praxis.

Das Gespräch führte relativ schnell zu

ihrem unerfüllten Kinderwunsch, wobei

noch zu bemerken ist, dass keine Part-

nerschaft vorhanden war. Die Patientin

hatte den fixen Wunsch, dies möglichst

bald herbeizuführen. Unser Gespräch,

aber auch die Therapie in Form einer täg-

lichen Einnahme von 425 mg Johannis-

kraut, verhalfen der Frau innert drei

Monaten, einen Wandel ihrer Lebens-

17. SCHWEIZERISCHE TAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE,

SOLOTHURN, 14. NOVEMBER 2002

Abbildung 5:Frauenmantel – AlchemillavulgarisDysmenorrhö und chron. Fluor

● 28. LJ, Z.n. Konisation; chron. un-spez. Fluor gen.; sek. Dysme-norrhö mit zunehmender Inten-sität

● Therapie: Frauenmantel-Tee oralund lokal, täglich 4 Essl. auf600 ml kochendes Wasser; plusSitzbad

● Erfolg: nach 4 Monaten TherapieFluor albus; leichte Dysmenorrhöam 1. ZT

● Wirkprinzip?Spasmolytisch; adstringierend;antibakteriell; hormonregulierend

Abbildung 4:Hirtentäschel – Bursa pastorisHypermenorrhö

● 46. LJ, Zyklus regelmässig mitsehr starker Blutung, kein organi-scher Befund

● Therapie: Hirtentäschelkraut200 mg ab Beginn der Blutung4- bis 6-mal 1 Kpsl. täglich

● Erfolg: normale Blutungsstärke;Medikation 2 bis 3 Tage notwen-dig

● Wirkprinzip?Gefässverengender und verdich-tender Effekt

phytotherapie 1•200316

Page 4: 07 Phyt Bei Zlusbeschwerde

führung zu vollziehen. Sie hat sich ein-

fach mal auf ein anderes Thema konzen-

triert, und strebte eine berufliche Verän-

derung mit Fortbildung an. Darin geht

sie im Moment auf, ohne Mann – und

ohne prämenstruelle Beschwerden.

CimicifugaDie Traubensilberkerze ist nicht nur in

den Wechseljahren das Mittel der Wahl.

Postpartale Erschöpfungszustände ge-

hören ebenso zum Indikationsspektrum

von Cimicifuga racemosa.

Fall: 32-jährige Frau, nach der zweiten

Geburt. Zustand nach gestagenhaltiger

IUP-Einlage in der Stillzeit. Der Zyklus

war nach der Schwangerschaft nie

zurückgekommen. Zustand bei induzier-

ter Amenorrhö unter hormonhaltiger

Spirale. Die Patientin beklagte nach drei

Monaten zunehmende Müdigkeit, Haar-

ausfall und Antriebslosigkeit. Dies war

ein klarer Verdacht auf Östrogenmangel,

der sich für mich bei der gynäkologi-

schen Untersuchung durch eine leichte

vaginale Atrophie bestätigte. Die Patien-

tin erhielt von mir ein Cimicifuga-Präpa-

rat, 40 mg pro Tag, und war nach zwei

Monaten beschwerdefrei. Ist es das

Phyto-SERM-Prinzip, oder wo liegt der

Ansatz? Ist es das serotoninerge Wirk-

prinzip von Cimicifuga, das die Frau re-

lativ rasch aus ihrem Erschöpfungszu-

stand herausgeholt hat?

MeisterwurzDiese Pflanze kann gegen chronischen

Fluor und rezidivierende Kolpitis ein-

gesetzt werden, die auch häufig post-

menstruell auftreten.

Fall: Eine 50-jährige Patientin mit unre-

gelmässigem Zyklus kam in die Praxis.

Sie litt seit Monaten an einer postmenst-

ruellen, unspezifischen Kolpitis mit an-

haltendem unspezifischem Fluor. Wir

einigten uns auf eine Therapie mit Meis-

terwurz, den sie als Tee trank und aus-

serhalb der Periodenzeit auch lokal als

Spülung anwendete. Die Patientin führte

das regelmässig durch und war nach fünf

Monaten symptomfrei. Auch hier wieder

die ständige Frage: Wo ist das Wirkprin-

zip zu sehen, wirklich adstringierend, an-

tibakteriell? Wo ist der Ansatz?

Und ich denke, dass uns bei diesen Fra-

gen nur die Pharmaindustrie und die

Universitäten weiterhelfen können. Hier

sollten unsere Frauen in der Praxis mit

all ihren Beschwerden neue Therapie-

ansätze in der Phytotherapie kennen

lernen können. Sie sollten nicht nach

den neuesten Hormonstudien-Ergebnis-

sen auf verschlossene Türen treffen.

Natürlich reicht dies oft nicht als alleini-

ges Kriterium aus, und es ist uns auch

bewusst, dass wir mit der Frau eine Le-

bensführungs- und Lebensstil-Überprü-

fung machen dürfen. Ist es wirklich ihr

Weg, auf dem sie sich gerade befindet?

Auch eine Ernährungsberatung hat häu-

fig ihre Berechtigung, denn eine Frau,

vor allem, wenn sie voll berufstätig ist,

hat oft zu wenig Zeit, um an eine ge-

sunde Ernährung zu denken. Sport ist

ein Thema, an das man bis ins hohe Al-

ter erinnern kann, damit jede Frau jenen

Bereich findet, mit dem sie ihren Körper

immer wieder in Fluss bringen und die

Kopfarbeit ausgleichen kann.

Als Schlussfolgerung fordere ich, dass die

Phytotherapeutika das Mittel der ersten

Wahl bei den komplexen Krankheitsbil-

dern der Frau sein sollten, und dass die

Hormontherapie oder die zyklusunter-

drückende Kontrazeptivatherapie in der

Praxis nur zu wählen sind, wenn kein an-

derer Lösungsweg gegeben ist. ●

Anschrift der Referentin:

Dr. med. Astrid Blank

Pirmasenserstrasse 24–26

D-67655 Kaiserslautern

E-Mail: [email protected]

17. SCHWEIZERISCHE TAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE,

SOLOTHURN, 14. NOVEMBER 2002

Abbildung 6:Johanniskraut – HypericumperforatumPrämenstruelles Syndrom

● 29. LJ, OGOP allein lebend; Kin-derwunsch; depressive Verstim-mung prämenstruell mit Wein-anfällen

● Therapie: Hypericum perforatum425 mg/Tag

● Erfolg: nach 3 Monaten deutlicheStimmungsaufhellung, neue Plänefür Umschulung, kein PMS mehr

● Wirkprinzip? SerotoninergerEffekt

interessiert?Rosenfluh Media, Schaffhauserstrasse 13, 8212 Neuhausen am RheinfallTelefon 052-675 50 50, Fax 052-675 50 51, E-Mail: [email protected]

phytotherapie 1•200317