Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?

Frühjahrssymposium der Maternus-Klinik für Rehabilitation "KopfschmerzenDiagnose - Ursachen - BehandlungExperten klären auf“14. März 2015 , Bad Oeynhausen

Margarete Ilona Schymura Psychologische PsychotherapeutinBiofeedback-Therapeutin DGBfB e.V.Leitung Biofeedback in der Schön Klinik Bad Arolsen

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie? Was ist Biofeedback?

Mit Hilfe von Biofeedback können körperliche Vorgänge, die normalerweise nicht oder kaum wahrgenommen werden, mit technischen Hilfsmitteln visuell oder akustisch zurückgemeldet werden. Das „Sichtbarmachen“ von Zusammenhängen zwischen Körper und Psyche ermöglicht nicht nur ein besseres Verständnis der Erkrankung, sondern zeigt auch konkreteMöglichkeiten der Beeinflussung auf.

Das Prinzip des Biofeedback beruht auf der operanten Konditionierung:

eine physiologische Funktionsänderung tritt häufiger oder stärker auf, wenn diese Veränderung kontingent zurückgemeldet wird,und die Feedbacksignale die Funktion positiver Verstärker der erfolgreichen Kontrolle übernehmen. Das Verhalten verändert sich nachhaltig durch die angenehmen und unangenehmen Konsequenzen (Feedbacksignal). Die Selbstwirksamkeit wird durch die Erfahrung erfolgreicher Kontrolle verbessert, so dass der Einsatz eigener Bewältigungsversuche steigt, ganz im Sinne des „Lernens am Erfolg“.

Welche Körperfunktionen können durch Biofeedback beeinflusst werden?

Muskelaktivität, Hautleitwert, Herzfrequenz, Blutdruck, Hauttemperatur, Blutvolumenpuls, Atemfunktionen, Hirnaktivität.

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie? …. bei dieser Vielfalt an Beschwerden, die uns in der psychosomatischen Klinik begegnen?

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... Biofeedback als Baustein in einer multimodalen Therapie…

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... welche Biofeedback-Interventionen können bei Kopfschmerzen eingesetzt werden?

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... die Biofeedbackbehandlung

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Stressprofil

Bsp.1: Pat. mit Spannungskopfschmerzen, Depressionen

Das Stressprofil ist sinnvoll für die Verdeutlichung psychophysiologischer Zusammenhänge. Diese werden in ein individuelles Störungsmodell eingebettet. Auf diese Weise kann das psychosomatische Krankheitsverständnis bei Patienten „eindrucksvoll“ unterstützt werden.

Das Stressprofil unterteilt sich in eine

1.Entspannungsphase: in der möglicherweise vorhandene Entspannungskompetenzen zurückgemeldet werden,

2. Ankündigungsphase: zeigt den Einfluß von Erwartungen („innerer Faktoren“) an,

3. Stressphase: zeigt den Einfluß äußerer Faktoren an,

4. Erholungsphase:zeigt die Effektivität der Erholung nach Stress an.

Pfeil nach oben: muskuläre Anspannung; Pfeil nach unten Muskelentspannung; Temp. Pfeil nach oben: Entspannung, nach unten Stressreaktionen

Temperatur

M. Trapezius li

M. Trapezius re

Biofeedback bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Stressprofil

Bsp.2 Pat. Mit Migräne, sozialer Angststörung, Depressionen

Pfeil nach oben SCL, BVP, HF: vegetative Erregung, Pfeil nach unten vegetative Erholung

Hautleitwert (SCL)

Temperatur (T)

Atmung (RSP)

Herzfrequenz (HF)

Periphere Durchblutung (BVP)

Biofeedbackverfahren - Was wirkt wie?... Bsp.3: Das Stressprofil bei Pat. mit Spannungskopfschmerzen und Depressionen

vorher nachher

Biofeedbackverfahren - Was wirkt wie?... Bsp.4: Das Stressprofil bei Pat. mit Spannungskopfschmerzen und Depressionen

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... der Ablauf einer Biofeedback-Sitzung

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das EMG-Biofeedback

• Äußere und innere „kognitive“ Stressoren lösen länger anhaltende Verkrampfungen der Stirn und/oder der Nackenmuskulatur aus und führen zu diffusen Schmerzzuständen, auf der Verhaltensebene zur Vermeidung von körperlichen und sozialen Aktivitäten und langfristig zur Schonung.

• Wenn Muskeln angespannt werden, laufen elektrische und mechanische Vorgänge ab: In dem Nerven, der vom Gehirn zum Muskel führt, leitet zunächst eine elektrische Erregung den Wunsch nach motorischer Aktivität weiter. Den Nerv verbindet am peripheren Ende die neuromuskuläre Endplatte mit dem Zielmuskel. Durch die elektrische Erregung schüttet der Nerv an dieser Endplatte einen Botenstoff, das Acetylcholin, aus. Der Botenstoff öffnet Ionenkanäle in der Muskelmembran. Durch die Kanäle strömen positiv geladene Ionen in die Muskelzelle. Auf diese Weise entsteht nun auch in der Muskelzelle eine elektrische Spannung, das sogenannte Aktionspotential. Dieses Aktionspotential breitet sich per Dominoeffekt über die gesamte Muskelzelle aus und verursacht eine Zuckung des Muskels, der Muskel spannt sich an.

Quelle: Lexikon der Neurowissenschaft, 2014, Springer

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das EMG-Biofeedback

• Beim EMG-Biofeedback wird auf der Haut mittels Oberflächenelektroden die elektrische Aktivität im ruhenden Muskel (Spontan-Aktivität) und bei unterschiedlich stark willkürlich kontrahiertem Muskel (Muskel-Aktionspotentiale) gemessen. Es erfolgt eine Rückmeldung des elektrischen Erregungsniveaus des Stirn- bzw. Nackenmuskels in Form eines akustischen und/oder optischenSignals.

• Die gemessenen körperlichen Prozesse werden kontinuierlich als ein visuelles/akustisches Signal an Patienten zurückgemeldet. Ziel des EMG-Biofeedbacks ist eine Senkung des Erregungsniveaus der Stirnmuskulatur auf ca. 3 µV zu erreichen, die derSchulter-Nackenmuskulatur auf unter 5µV, (Cram et al, 1980), um Kontrolle über das aktuelle Erregungsniveau zu erhalten unddieses in die gewünschte Richtung zu verändern.

• Darüber hinaus ist es das Ziel, die Wahrnehmung für den Anspannungszustand der Muskulatur zu fördern, die Körperhaltung und die Bewertung des Schmerzes zu verändern, um langfristig und nachhaltig eine Reduktion des Schmerzes herbeizuführen beziehungsweise alternative Schmerzbewältigungsstrategien anzuwenden.

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das EMG-Biofeedback

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das EMG-Biofeedback

Feedback „Berge malen"

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das EMG-BiofeedbackBsp.3: Pat. mit Spannungskopfschmerzen und Depressionen

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Handerwärmungstraining

• Beim Handerwärmungstraining wird über einen Temperatursensor am Finger die periphere Temperatur gemessen und am Bildschirm als Feedback in Form einer Kurve, eines Videos etc. angezeigt.

• Die Hauttemperatur erlaubt Rückschlüsse über zentrale vegetative Prozesse, ist von der sympathischen Steuerung der Durchblutung abhängig.

• Je wärmer die Hand ist, umso besser ist die Durchblutung und somit die Entspannung. Der Blutvolumenpuls (BVP) kann zur Überwachung der relativen Durchblutung ebenfalls eingesetzt werden. Verschiedene Strategien wie Wärmevorstellung, Suggestionen des autogenen Trainings helfen Patienten dabei, sich besser zu entspannen. Das Feedback zeigt, wie erfolgreich die einzelnen Strategien sind.

• Beim Temperatur-Biofeedback lernen Patienten, gezielt eine Steigerung ihrer Fingertemperatur und damit der peripheren Durchblutung zu bewirken.

• Der genaue Wirkmechanismus ist unklar: was wird trainiert? Gefäßerweiterung peripher? Kann die periphere Vasoregulation auf intra- und extracraniale Gefäße übertragen werden?

• Man kann davon ausgehen, dass das Handerwärmungstraining allgemein die Entspannungsfähigkeit fördert.

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Handerwärmungstraining

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Handerwärmungstraining

Bsp.4: Pat. mit Spannungskopfschmerzen und Depressionen

vorher nachher

Biofeedback bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Handerwärmungstraining

Bsp.4: Pat. mit Spannungskopfschmerzen und Depressionen

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Vasokonstriktionstraining

•Dieser Methode liegt die Gefäßtheorie der Migräne zugrunde. Der Tonus der Arteria temporalis soll als eine wesentliche Ursache der schmerzauslösenden Gefäßerweiterung bei einem Migräneanfall darstellen. Mittels einem Infrarot-Durchblutungsmesser (Photoplethysmograph) wird an der Schläfenarterie der Blutvolumenpuls erfasst, also die Menge But, die in einer bestimmten Zeiteinheit durch das Gefäß fließt, ein Maß für die Gefäßweite darstellt.

•Auf die Bewältigung des akuten Migräneanfalls zielt das Vasokonstriktionstraining ab, bei dem eine willentliche Verengung der Schläfenarterie trainiert wird. Durch unmittelbare Rückmeldung der Gefäßweite können Patienten lernen, die Schläfenarterie zu verengen. Zunächst wird die Gefäßverengung im schmerzfreien Intervall eingeübt. Später können diese Strategien bei den ersten Anzeichen eines echten Migräneanfalls angewendet werden, um die Kopfschmerzattacke abzumildern oder sogar zu verhindern.

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Vasokonstriktionstraining

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das VasokonstriktionstrainingBsp.5: Pat. mit Migräne, Panikstörung und Depressionen

1. Sitzung Letzte Sitzung

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Neurofeedback oder EEG-Biofeedback

• Als weitere Biofeedback-Intervention zur Migränebehandlung kann das Neurofeedback eingesetzt werden. Hintergrund sind klinische Befunde, dass Migräne-Patienten allein in Erwartung neuer Aufgaben ein Erwartungspotential (CNV) aufweisen. Die CNV zählt zu den langsamen Hirnpotentialen, ist eine sekundenlang anhaltende Negativierung, welche besonders im Bereich Cz beobachtbar ist. Es handelt sich um eine niedrigfrequente Gleichspannungsverschiebung im EEG, welche 300ms nach einem ersten Hinweisreiz auftritt, also, wenn eine Person nach einem ersten Reiz einen zweiten erwartet.

• Bei langsamen Hirnpotentialen handelt es sich um eine spezifische Erregungsform, die bewußtem Erleben und Aufmerksamkeit zugrunde liegt. Die langsamen Hirnpotentiale können in einem Neurofeedback-Training therapeutisch genutzt werden. Beim SCP-Training werden diese Gleichspannungsverschiebungen mittels optischem Feedback in die negative (nach oben) oder positive (nach unten) Richtung trainiert. Negativierung geht mit einer Senkung der neuronalen Erregungsschwellen und somit der Erhöhung exitatorischer postsynaptischer Potentiale, Positivierung mit einer Erhöhung der neuronalen Erregungsschwellen und der Senkung der EPSP einher.

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Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Neurofeedback oder EEG-Biofeedback

Mit einer Paste werden Elektroden - meist genügen 3 - auf der Kopfhaut befestigt und die Schwankungen des elektrischen Potentials gemessen.

Das Feedback ist in modernen Neurofeedback-Systemen vielfältig: in Computerspielen können mehrere Eigenschaften im Spiel gleichzeitig von der Hirnwellenanalyse in Echtzeit gesteuert werden, verschiedene Videos können durch das Feedback verändert werden, indem sie vernebelt, verpixelt oder kleiner und größer gemacht werden.

Dem Gehirn werden somit auf verschiedene Art und Weise wichtige Informationen über die inneren Zustandsänderungen gespiegelt. Das Therapieziel ist die Senkung exzitatorischer postsynaptischer Potentiale, also eine Verringerung des Aktivierungsniveaus bei der Verarbeitung von Reizen.

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Neurofeedback oder EEG-Biofeedback

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das Neurofeedback oder EEG-BiofeedbackBsp.6: Pat. mit Migräne, Tinnitus aurium, Depressionen

1. Sitzung Letzte Sitzung

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... das NeurofeedbackBsp.6: Pat. mit Migräne, Tinnitus aurium, Depressionen

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... aus Sicht der Forschung?

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... aus Sicht der Forschung?

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... aus Sicht unserer Patienten?

• 72% unserer Patienten erlebten 2014 die Biofeedbacktherapie für sich als hilfreich• 65% unserer Patienten konnten ihr Therapieziel mit Biofeedback erreichen• 85% unserer Patienten empfehlen das Biofeedbackverfahren weiter

• N=212

Biofeedbackverfahren bei Kopfschmerzen - Was wirkt wie?... Zusammenfassend kann man sagen… Biofeedback….

• …fördert die Selbstkontrolle über Körperfunktionen• … fördert mehr Selbstkontrolle über den Kopfschmerz• … fördert die Selbstwirksamkeit• … fördert allgemeine Entspannungskompetenz• ... ist eine Behandlungsmethode, die bei Patienten eine hohe Akzeptanz findet, somit die Compliance unterstützt• ... entspricht dem Trend zu nichtmedikamentösen Behandlungen, in Ergänzung zur pharmakologischen Therapie und ganzheitlicher

Medizin• … benötigt je nach Krankheitsbild zwischen10-40 Trainingssitzungen, um nachhaltige Effekte erzielen zu können, im ambulanten

Setting möglich, im stationären Setting ist die multimodale Therapie nach wie vor am effektivsten.

Literatur

• Birbaumer, N. & Schmidt, R.F. (1996). Biologische Psychologie, 3. Aufl., Springer, Berlin, Heidelberg, New York.

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• Sargent, J. D., Green, E. E., & Walters, E. D. (1973 a). Preliminary report on the use of autogenic feedback training in the treatment of migraine and tension headaches. Psychosomatic Medicine 35 (2) 129-135.

• Sargent, J. D., Walters, E. D., & Green, E. E. (1973 b.). Psychosomatic self-regulation of migraine headaches. Seminars in Psychiatry 5 (4), 415-428.

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• Stokes, D.A. & Lappin, M.S.,+ (2010). Neurofeedback and biofeedback with 37 migraineurs: a clinical outcome study, Behavioral and Brain Functions, 6-9.

• Sturgis, E.T., Tollison, C.D. & Adams, H.E. (1978). Modification of combined migraine-muscle contraction headaches using BVP and EMG feedback. J Appl Behav 11(2): 215–223.

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