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1-10 (13) Berg Fidel Eine Schule für Alle Die inklusive internationale Modellschule Berg Fidel in Münster DAS KONZEPT

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1-10 (13)Berg FidelEine Schule für Alle

Die inklusive internationale Modellschule Berg Fidel in Münster

DAS KONZEPT

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InhaltVorwort Seite1. Münster braucht Modellschulen 52. Inklusion - Eine gute Schule für Alle 53. Geschichte, heutiger Stand und Ausblick 64. Chancen und Auftrag des pädagogischen Konzeptes 9

Leitmotive der Modellschule1. Sich bilden in der Auseinandersetzung mit den Schlüsselproblemen der Welt 112. Werkstatt demokratischen Handelns 11

Aufbau der Schule 11

Schulform und äußere Organisation1. Inklusive Modellschule 122. Aufnahmemodalitäten und Verteilung 123. Schulträger 124. Schulort 12

Pädagogisches Konzept und innere Organisation1. Eine Schule für alle 1-10 (13) 15 2. Gebundener Ganztag 193. Altersgemischte Gruppen 194. Multiprofessionelle Teams 205. Differenzierter Unterricht 206. Demokratie lernen 237. Rückmeldung und Bewertung 238. Muttersprache lernen 249. Vorbereitung auf Beruf/Studium 2410. Schulabschlüsse 27

Organisationsformen des Lernens in der täglichen Praxis1. Freies Arbeiten 272. Projektarbeit/ kontextuelles Lernen 283. Kurse 284. Werkstatt 285. Freiwillige Angebote 286. Außerschulisches Lernen/Herausforderungen 28

Tagesablauf-Jahresstruktur 30Selbst-und Fremdevaluation 32Schulsozialarbeit 32Finanzierung und Personalbedarf 32Wissenschaftliche Begleitung und Kooperationen - die Grussworte 34Anhang 38- Literatur

Inhalt 1-10 (13) Berg Fidel

„Allen Kindern soll ermöglicht werden, in einem gemeinsamen Unter-

richt voll am schulischen Leben teilzuhaben. Erst wenn Systeme dies für

alle Kinder leisten, können wir von umfassender Bildungsgerechtigkeit

sprechen.“

Walter Hircher, Präsident der Deutschen Unesco-Kommission

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1. Münster braucht ModellschulenMünster hat sich erfolgreich auf den Weg gemacht, die von der Landesregierung vorgegebenen Möglichkeiten zur Schulentwick-lung in der Stadt zu nutzen. Die Resonanz auf die Einrichtung einer ersten Sekundarschule und einer städtischen Gesamtschule war überwältigend. Die Nachfra-ge nach längerem gemeinsamem Lernen, gerade auch angesichts der G8-Problematik, konnte auch mit diesen beiden Angeboten nicht gedeckt werden. Darüber hinaus besteht Bedarf an Schul-modellen, die die Anforderungen der Inklusion erfüllen, zum einen, um langfristig das Recht auf Verbleib in allgemeinbildenden Schulen, bei Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbe-darfs, umzusetzen. Münster muss die Zahl der Schul-versager senken. In diesem Sinne heißt Vorbeugen: Integrieren von Anfang an. Zum anderen geht es darum, im Sinne der UN- Behindertenrechtskonvention, für alle Kinder das Recht auf selbstverständlichen Besuch einer Regelschule in ihrem Wohnumfeld, umzusetzen. Münster braucht Modellschulen, weil hier nach Köln die meisten Lehramtsstudenten in NRW ausgebildet werden. Münster braucht Modellschulen angesichts der hohen Studie-rendenzahl einerseits und der

Notwendigkeit, die Lehreraus-bildung an die Herausforderun-gen der Zukunft anzupassen, andererseits. Da Inklusion auch die wohnortnahe Schule verlangt, braucht Münster eine inklusive öffentliche Schule im Süden. Münster braucht die Modellschu-le 1-10 (13) Berg Fidel und leistet damit einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit.Mit dem Beginn des Modells von Klasse 1-10 können zunächst die grundsätzlichen Vorstellungen des pädagogischen Gesamtkon-zeptes umgesetzt werden. Gleich-wohl könnte eine Ausweitung bis zur Klasse 13 und damit bis zur allgemeinen Hochschulreife die besonderen Chancen und Ange-bote des gemeinsamen Lernens und der inklusiven Erziehung noch konsequenter nutzen. Es wird in der Entwicklung des Modells 1-10 also darauf ankom-men, zu überprüfen, ob und wie eine Ausweitung möglich und sinnvoll erscheint.

2. Inklusion - Eine gute Schule für AlleDas vorliegende Konzept wurde in enger Abstimmung mit Eltern, Lehrkräften, Wissenschafle-rinnen und Wissenschaftlern entwickelt. Angesichts der beun-ruhigend hohen Zahl von Schul-abbrechern und Bildungsver-lierern stellt sich für uns immer drängender die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben?

Inklusion sehen wir dabei als Schlüssel zur schrittweisen Etab-lierung eines gerechterenBildungssystems. Mehr Jugend-liche können so zu qualifizieren-den Abschlüssen kommen. Es gibt kein Abschulen und kein Sitzenbleiben mehr. Jeder Mensch kann sich in seinem Tempo entwickeln, erfährt Bestätigung und erzielt Erfolge.

Inklusive Bildung ist als inter-nationale Reformbewegung die größte Herausforderung,die den Bildungssystemen welt-weit bevorsteht. (vgl. UNESCO 2001, Mel Ainscow 2009) Es geht dabei nicht allein und nicht in erster Linie darum, die Tore unserer Regelschulenetwa auch für RollstuhlfahrerIn-nen oder sogenannte Lernbe- hinderte zu öffnen.

Es geht bei Inklusion in erster Linie um eine Revolution in den Köpfen, und nicht um kosme-tische Korrekturen in Archi-tektur oder Bezeichnung der Schule. Es geht um die Etablie-rung einer anderen Kultur und einer anderen Werthaltung.

Eine tatsächlich inklusive Schule ist eine gute Schule für ALLE Kin-der, da sie jedes Kind - auch das hochbegabte, auch das scheinbar normale - in seiner Einzigartig-keit und Verschiedenheit wahr-nimmt und begleitet.

Es geht bei Inklusion in erster Linie um eine

Revolution in den Köpfen.

Inklusion verlangt die wohnortnahe Schule.

Modellschulen, Inklusion, Geschichte, das Konzept 1-10 (13) Berg Fidel

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3. Geschichte, heutiger Stand und AusblickDie Grundschule Berg Fidel hat in ihrer reformorientierten Entwick-lung, die mit dem Namen ihres ersten Schulleiters Dr. Manfred Pollert (1973-2002) verbunden ist, pädagogische Akzente gesetzt, die weit über Münster hinaus Be-achtung gefunden haben.

Kinder aus mehr als 30 Nationen leben im Stadtteil Berg Fidel. In der Stadtteilschule finden sie und ihre Familien seit Beginn einen verlässlichen Partner in al-len Erziehungsfragen. Der jetzige Schulleiter Dr. Reinhard Stähling, der seit 1992 als Konrektor und ab 2002 als Rektor an der Schule arbeitet, führt die Arbeit seines Vorgängers konsequent fort.

Inzwischen wird jedes Kind, welches im Umfeld der Schule wohnt, in der Schule will-kommen geheißen.

Diese inklusive Unterrichtskultur ist zur Basis für das friedliche Zusammenleben im Stadtteil und die guten Schulerfolge seiner Schülerinnen und Schüler ge-worden. Pädagogen, Eltern und Kinder forderten seit langem ein längeres gemeinsames Lernen über die vier Grundschuljahre hinaus.

Anfang 2010 stellte die Schulkon- ferenz den Antrag auf Erweite-

rung der Schule bis zum Schulab- schluss. Im Laufe des Jahreswurde in Kooperation mit der be-nachbarten Geistschule ein Kon- zept vorgelegt, das eine Gemein-schaftsschule von 1-13 an zwei Standorten (Berg Fidel und Geist-schule) aufzeigt.

Dieses Konzept floss in den Schulentwicklungsplan ein, wur-de jedoch wegen schulrechtlicher Bedenken nicht weiter verfolgt. Die Schulkonferenz der Geist-schule befürwortete es, ebenso die eng mit der Schule kooperie-rende, direkt benachbarte Kin-dertagesstätte Berg Fidel.

Inzwischen änderten sich die ge-setzlichen Rahmenbedingungen und die zuvor noch bestehenden rechtlichen Grenzen bei der Zu-sammenführung zweier Schul-formen zu einer Schule konnten erstmals aufgelöst werden:

Das 6. Schulrechtsänderungs-gesetz NRW, das einvernehmlich von SPD und Grünen mit der CDU im Oktober 2011 verabschiedet wurde, sieht nun vor, dass „auf Antrag des Schulträgers und nach Anhörung der Schulen an bis zu 15 Schulen beginnend mit dem Schuljahr 2013/2014 oder dem Schuljahr 2014/2015“ er-probt werden soll, ob durch den Zusammenschluss von Primar-stufe und Sekundarstufe zu einer Schule

die Chancengerechtigkeitund die Leistungsfähigkeit desSchulwesens erhöht werdenund die Schülerinnen undSchüler zu besseren Abschlüs-sen geführt werden können.

Auf dieser Grundlage beantragt die Grundschule Berg Fidel eine Erweiterung ihrer Schule. Es besteht sowohl die Möglich-keit, das Schulgebäude der Grundschule für diesen Zweck zu erweitern, als auch die Fort-führung ab Jahrgang 5 an einem anderen Standort.

„Es ist an der Zeit, Schule auf der Basis der Menschenrechte neu zu definieren als Ort des expansiven Handelns, Entfaltens und Wachsens und alle Struktu-ren zu hinterfragen und abzu-bauen, die Menschen in defensi-ves Verhalten zwängen.“ Prof. Dr. Andreas Hinz

„Angehende Lehrer aller Lehr-ämter müssen die Chance haben, inklusiven Unterricht, den sie selbst als Schüler nie kennen-gelernt haben, praktisch zu erleben und zu reflektieren.“ Dr. Brigitte Schumann

Ziel ist der höchste Erfolg bei jedem Kind.

Modellschulen, Inklusion, Geschichte, das Konzept 1-10 (13) Berg Fidel

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4. Chancen und Auftrag des pädagogischen KonzeptesDas vorliegende Konzept für eine Modellschule stellt den konse-quenten und unserer Meinung nach auch notwendigen Schritt dar, die über drei Jahrzehnte entwickelten pädagogischen Möglichkeiten und positiven Er-fahrungen aus der Grundschule Berg Fidel in der Sekundarstufe weiterzuführen.Das Neue dieses Konzeptes liegt in seinem ganzheitlich ge-dachten Bildungsweg von der Kindertagesstätte bis zum Schul-abschluss, auf dem die jungen Menschen begleitet, gefordert und gefördert werden.Die Chancen dieses pädagogi-schen Konzeptes liegen neben besonderen inhaltlichen Schwer-punkten und innovativen Unter-richtsstrukturen in seinem so-zialen Potenzial und in seinem humanistischen Anspruch, eine Schule für Alle und eine Schule, an der alle bleiben können und letztlich so eine Schule ohne Angst zu sein. Auf diese Weise können gemäß wissenschaftlicher Erkenntnisse die Potenziale aller Kinder entfaltet werden. So wer-den auch besondere Begabungen bei jedem Kind umfassend geför-dert. Das drückt sich auch darin aus, dass die Übergänge ohne Risiko stattfinden, dem Lernen in der Adoleszenz auf besonde-re Art und Weise begegnet, dem relativ hohen Migrantenanteil Rechnung getragen wird. Diese

inklusive öffentliche Schule im Süden Münsters ist die positive und konstruktive Antwort auf eine sich wandelnde, buntere aber auch auseinanderdriftende Ge-sellschaft. - Ziel ist die Schule als

kulturelles Zentrum.- Ziel ist der höchste Erfolg

bei jedem Kind.- Ziel ist es, beispielhafte

Unterstützungssysteme für SchülerInnen und PädagogIn-nen einzurichten.

- Ziel ist auch, durch installierte Formen der Selbst- und Fremdevaluation zum Modell für Schulentwicklungsplanung zu werden und andere Schulen zu inspirieren.

UN – Behindertenrechtskonven-tion, Artikel 24, Bildung1. Die Vertragsstaaten anerken-nen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskrimi-nierung und auf der Grundlage der Chancengleicheit zu ver-wirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel,a) die menschlichen Möglich-

keiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwert-gefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschen-rechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen

Vielfalt zu stärken; b) Menschen mit Behinderungen

ihre Persönlichkeit, ihre Be-gabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und kör-perlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen;

c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen.

2. Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaa-ten sicher, dassa) Menschen mit Behinderung

nicht aufgrund von Behinde-rungen vom allgemeinen Bil-dungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unent-geltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schu-len ausgeschlossen werden;

b) Menschen mit Behinderung gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie le-ben, Zugang zu einem integra-tiven [inklusiven], hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiter-führenden Schulen haben;

c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzel-nen getroffen werden;

d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bil-dungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern.

Eine Schule, an der alle bleiben können.Die Übergänge finden ohne Risiko statt.

Modellschulen, Inklusion, Geschichte, das Konzept 1-10 (13) Berg Fidel

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Leitmotive der Modellschule1. Sich bilden in der Auseinander-setzung mit den Schlüsselproble-men der WeltDer Bildungsauftrag der Schule weist über Schule als Ort der reinen Wissensvermittlung weit hinaus. Bildung ist ein aktiver Prozess der Auseinandersetzung mit sich selbst, dem anderen, der Welt, der Ge-schichte, Gegenwart und Zukunft, dessen Ziel Kompetenz und verant-wortliches Handeln ist.

Die Schule als zentrale Sozialisa-tionsinstanz in unserer Gesellschaft hat die Aufgabe, Bildungsprozesse zu ermöglichen und zu fördern. Das erfordert Zeit – Zeit und Muße! Das pädagogische Konzept der Modellschule schafft dafür Räu-me und Strukturen, sie fordert die SchülerInnen heraus, sich selbst zu erproben in der Auseinander- setzung mit den Schlüsselproble-men der Welt.

2. Werkstatt demokratischen HandelnsBildung verpflichtet zu demokrati-schem Handeln. Dieses demokrati-sche Handeln und dessen Sinnhaf-tigkeit müssen im Alltag erfahrbar sein, müssen gelebt sein. Voraus-setzung dafür ist eine Wertschät-zungskultur. Am Ort des Lernens werden demokratische Verfahren von Beginn an geübt. Ziel der guten Schule ist die Befähigung zur Ver-antwortung in einer Demokratie.

Aufbau der SchuleDas Modell orientiert sich in we-sentlichen Elementen an reform-pädagogischen Schulmodellen wie z.B. der Winterhuder Reformschule, Hamburg, der Laborschule Biele-feld, der Reformschule Kassel, der Evangelischen Schule Berlin Zentrum, der Neuen Schule Wolfs-burg und der Offenen Gesamt-schule Köln.

Die Struktur1. Kindertagesstätte in Berg Fidel

In altersgemischten Gruppen der Altersstufen 4 Monate bis 3 Jahre und der Altersstufe 3-6 Jahre

2. Grundstufe in Berg Fidel Altersgemischte Klassen der Jahrgänge 1-4

3. Eingangsstufe der Sekundarstufe In altersgemischten Klassen der Jahrgänge 5-6

4. Stufe der vielen Lernorte In altersgemischten Klassen der Jahrgänge 7-9 (10)

5. Schulabschlussstufe Ein besonderer Ausbildungs-schwerpunkt liegt in der Vorbe-reitung auf pädagogische Berufe (Erzieher, Heilpädagogin, Sozialpädagoge, Sozialarbeiterin, Lehrer, Psychologin u.a.) in altersgemischten Klassen der Jahrgänge 10-13.

Jedes Kind wird aufgenommen.Bildung ist ein aktiver

Prozess der Auseinander-

setzung mit sich selbst,

dem anderen, der Welt,

der Geschichte, Gegenwart

und Zukunft, dessen Ziel

Kompetenz und verantwort-

liches Handeln ist

Die Schule hat die Aufgabe,

Bildungsprozesse zu ermög-

lichen und zu fördern.

Das erfordert Zeit – Zeit

und Muße!.

„Wer sorgt für Innovationen, Wachstum und Wohlstand? Es sind die Migrantenkinder von heute: Sie machen der-zeit in den Städten fast 40% eines Jahrgangs aus. Sie müssen im Jahr 2025 zu den Eliten des Landes gehören. Gelingt das nicht, ist der Wohlstand der Republik gefährdet.“ Felix Barth, Die Verschwendung der Kindheit

Woher soll ein Vogel wissen, dass er fliegen kann, wenn er sein ganzes Leben bloss mit Mäusen zusammen-kommt? F. X. Kroetz, 1974

Leitmotive und Aufbau der Modellschule 1-10 (13) Berg Fidel

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Schulform und äußere Organisation1. Inklusive Modellschule- in der Grundstufe 4 gebundene

Ganztagsklassen – 5 Vormittags-

klassen, aufbauend auf den

derzeitigen Gegebenheiten der

Grundschule

- Sekundarstufe im gebundenen

Ganztag

- Insgesamt 575 SchülerInnen

- Jahrgang 1-4:

200 SchülerInnen in 9 Klassen

mit je 24 SchülerInnen,

davon je Klasse 5 Förderkinder,

50 AbgängerInnen – davon

10 Förderkinder.

In jeder Klasse leben und lernen

etwa 6 Kinder der Jahrgänge 1-4.

- Jahrgang 5-6:

100 Schüler in 5 Klassen

je 20 SchülerInnen

- Jahrgang 7-9 (10):

150 (200) SchülerInnen,

je 5 Klassen mit 30 SchülerInnen

- Jahrgang 10-13:

125 SchülerInnen, je 5 Klassen

mit 25 SchülerInnen

2. Aufnahmemodalitäten und VerteilungAlle Kinder des Schulumfeldes

werden unabhängig von Leistung,

Ethnie, sozialem Status oder Handi-

cap aufgenommen.

Die Zusammensetzung der Modell-

schule soll die sozioökonomische

Situation des Stadtteils und des nä-

heren Schulumfeldes abbilden. Alle

Schülerinnen, die in der Grundschu-

le aufgenommen werden, haben

das Recht, in die Sekundarstufe der

Modellschule zu wechseln, um ih-

nen so eine kontinuierliche biografi-

sche und schulische Entwicklung zu

ermöglichen.

In die 5 Klassen des Jahrgangs 5-6

werden jeweils etwa 2 Kinder mit

Hauptschulempfehlung, 3 Kinder

mit Realschul- und 3 Kinder mit

Gymnasialempfehlung sowie etwa

2 Kinder mit sonderpädagogischem

Förderbedarf aufgenommen.

Die Auswahl für die Klassengruppen

soll möglichst zu einer ausgewoge-

nen Verteilung von Geschlecht, Re-

ligion, Ethnie, Begabung, Interessen

und vorhandenen Voraussetzungen

führen .

3. Träger der Schule

Diese Schulform sollte allen Kin-

dern unabhängig von ihrer sozialen

Herkunft zugänglich sein. Die Stadt

Münster ist Träger dieser Schule.

4. Ort der Schule

Berg Fidel im Grundstufenbereich

und ggf. ein weiterer Standort für

den Sekundarbereich.

Bildung verpflichtet zu demokratischem Handeln.

Schulform und äußere Organisation 1-10 (13) Berg Fidel

Alle Kinder des Schulum-

feldes werden unabhängig

von Leistung, Ethnie,

sozialem Status oder

Handicap aufgenommen.

Die Zusammensetzung der

Modellschule soll die sozio-

ökonomische Situation des

Stadtteils und des näheren

Schulumfeldes abbilden.

Jährlich erhält die Grund-schule Berg Fidel eine ehrende Urkunde des Jakob Mut Preises.Der Jakob Muth-Preis für inklusive Schule: Unter dem Motto „Gemeinsam lernen – mit und ohne Behinderung“ zeichnet der „Jakob Muth-Preis für inklusive Schule“ Schulen aus, in denen Kin-der mit und ohne Förderbe-darf vorbildlich gemeinsam lernen. Projektträger sind der Beauftragte der Bundes-regierung für die Belange behinderter Menschen, die Bertelsmann Stiftung, die Deutsche UNESCO-Kommis-sion e.V. und die Sinn-Stif-tung. Weitere Informationen:www.jakobmuthpreis.de/

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Pädagogisches Konzept und innere OrganisationDas Lernkonzept orientiert sich an den Bildungsstandards und den Kernlernplänen der Grundschule und der integrierten Gesamtschule NRW.

1. Eine Schule für Alle 1-10 (13)/ inklusiver UnterrichtNicht das pädagogische oder thera-peutische Angebot, sondern die Be-ziehung zum Kind entscheidet über den Erfolg einer Schule für Alle mit gemeinsamem Unterricht. Die in-klusive Entscheidung, dass ein Kind hierher gehört, ist bereits ein sehr bedeutsames Beziehungsangebot.Gesellschaftliche Erwartungen an Lernleistungen von Kindern können allein durch gemeinsamen Unter-richt von schwachen und starken Schülern nicht ausgehebelt werden: Gruppenvergleiche bestehen trotz integrativer Absichten weiter. Denn zusätzliche Förderung schließt heimliche Stigmatisierung nicht aus. Das „leistungsschwache Kind“ soll Mut zum Lernen finden, obwohl es im Alltag durch Vergleiche in der Gruppe häufig mit seinen Defiziten konfrontiert wird. Der Widerspruch besteht darin, dass erst Verglei-che zwischen Bezugsgruppen das jeweilige Kind zu einem „anderen“, nämlich förderbedürftigen machen. Auf dieses Kind wirkt das Bewusst-sein des Unterschiedes zu den „normalen“ Kindern gegebenenfalls entmutigend, das Ziel von Integra-tion würde dann verfehlt.

Die Einladung in eine Regelklasse unter der Prämisse „du gehörst zu uns“ kann den negativen Effekt haben, dass der/die „Behinderte“ die Erfahrung machen muss, trotz verzweifelter Anstrengungen und freundlicher Unterstützung den anderen nicht gewachsen zu sein. Dann kann sogar der gut gemeinte Trost „dafür kannst du andere Sa-chen besser“ angesichts des „Ver-sagens“ als Kränkung wirken.Die Aufgabe der PädagogInnen be-steht daher zeitweilig darin, das am Lernen ge-hinderte Kind nur zu be-gleiten, ernst zu nehmen in seinem ihm zustehenden Gefühl.

Ein erprobter Ausweg aus diesem pädagogischen Dilemma beim Um-gang mit Differenz ist die Einfüh-rung altersgemischter Klassen.Heterogenität wird aber erst auf dem Boden der Achtung, Verläss-lichkeit und Zugehörigkeit zu einem pädagogisch fruchtbaren Faktor. In einem sozialen Klima des Will-kommenseins, der Akzeptanz und der Zuwendung wachsen die Ent-wicklungsmöglichkeiten der ver-schiedenen SchülerInnen. Dann können junge Menschen voneinan-der lernen.Wo aber die Erfahrung von Achtung, Verlässlichkeit und Zugehörigkeit fehlt, führt Heterogenität zu Proble-men.

Achtung, Verlässlichkeit, Zugehö-rigkeit und Begleitung sind Güte-kriterien der inklusiven Schule.

Das Lernkonzept orientiert

sich an den Bildungsstan-

dards und den Kernlernplä-

nen der Grundschule und

der integrierten Gesamt-

schule NRW.

Achtung, Verlässlichkeit,

Zugehörigkeit und Beglei-

tung sind Gütekriterien

der inklusiven Schule.

„Kindern einen Ort zu ge-ben, an dem sie sich selbst erkennen, als ganze Per-sonen entwickeln und mit allen anderen leben lernen, das liegt in der Verant- wortung der jeweiligen Er-wachsenengeneration.“Dr. Irmtraud Schnell

Die Beziehung zum Kind entscheidet über den Erfolg einer Schule.

Pädagogisches Konzept und innere Organisation 1-10 (13) Berg Fidel

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Klassenführung gilt als das Merkmal, das am eindeutigsten Einfluss auf das Leistungsniveau und den Leistungsfortschritt von Schulklassen hat (vgl. Helmke 2003, S.78). Gute Klassenführung ist deshalb eine Schlüsselkompe-tenz für den erfolgreichen inklu-siven Unterricht.

Wichtige Merkmale unserer Klassenführung im inklusiven Unterricht sind:1. Effizientes Regelsystem (ver-

lässliche Regeln, Rituale und Verfahrensweisen sind mit den SchülerInnen verabredet, Konsequenzen bei Verstößen gegen die Regeln werden mög-lichst vorab gemeinsam im Klassenrat vereinbart).

2. Wirksame Unterrichtsorga-nisation (Klassenraum und Unterricht sind vorbereitet, Transparenz und Mitsprache-möglichkeiten für alle Be-teiligten, inhaltliche Klarheit, Differenzierung, Strategien für potenzielle Probleme sind eingeplant, Zeit wird effektiv genutzt).

3. Störungskontrolle (Regelver-stöße werden verlässlich, mit minimalem Aufwand und un-verzüglich im Sinne der Klas-senrat-Verabredung unterbun-den, Beaufsichtigen).

4. Verantwortlichkeit (Verfahren, die den SchülerInnen Verant-wortlichkeit für die Ergebnisse ihrer Arbeit verdeutlichen, z.B. werden SchülerInnen an

Planungen beteiligt, es werden Freiräume gewährt, Lerntage-bücher zur Reflexion genutzt).

5. Zusammengehörigkeit (Aktivi-täten, die dem Gemeinschafts-leben der Klasse dienen, At-mosphäre der Zugehörigkeit)

Öffnung und Strukturierung sind kein Widerspruch, sondern ergänzen sich. In einer gut ge-führten Klasse können Kinder im offenen Unterricht selbstständig arbeiten.

Zur Strukturierung von Freiar-beits- und Wochenplanphasen tragen folgende ausgewählte Elemente bei:- Der Klassenraum ist so ein-

gerichtet, dass Materialien für SchülerInnen zugänglich und übersichtlich erreichbar sind.

- Regeln und Rituale steuern das Verhalten, z.B. nonverbale Sig-nale zur Beendigung der freien Arbeit oder zur Senkung der Lautstärke.

- Kreisgespräche vor bzw. nach der freien Arbeit.

- Ergebnisse der Arbeit werden dokumentiert und reflektiert.

- Materialien sind so gestaltet, dass es Möglichkeiten der Eigenkorrektur und der Korrek-tur durch MitschülerInnen gibt.

- Zeit zum vertiefenden Arbeiten wird gegeben, damit Kinder schon möglichst früh einen so genannten „flow“ erleben.

- Kleine Pausen selbst wählen lassen, damit die SchülerInnen

anschließend die Lern- und Arbeitszeit effektiver nutzen können.Eine additiv verstandene Sonderpädagogik – also eine ambulante sonderpädago-gische Förderung aus dem Koffer – ist ein Musterbeispiel für die Fehlentwicklung integ-rativer Arbeit. Selektive Struk-turen bleiben unter diesen Bedingungen erhalten.

Nicht nur eine Einstellungsän-derung, sondern auch konkrete Schritte in Richtung Teamschule sind daher wesentliche Schritte zur Realisierung von Inklusion wie die:- Gleichverteilung des sonder-

pädagogischen Personals auf alle Klassen.

- Feste multiprofessionelle Teams als Standard.

- Kontinuität des Teams als Basis für die kontinuierliche Förder-arbeit. Die Kinder stellen sich auf stabile Verhältnisse ein, das bewirkt eine Atmosphäre der Zugehörigkeit.

- Gemeinsame Verantwortlichkeit eines Teams für alle Kinder der Klasse.

- Altersmischung.- Gebundene Ganztagsschule.

Kooperation ohne Alternative:Der positiv begleitende Um-gang mit Differenz spielt die entscheidende Rolle für das Gelingen von gemeinsamem Unterricht.

Der positiv begleitende Umgang mit Differenz spielt die entscheidende Rolle.

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2. Gebundener GanztagDer Aufbau der gebundenen Ganz-tagsschule in der Sekundarstufe erfolgt aus dem gebundenen Ganz-tag des Primarbereiches.Der Schultag erfährt eine sinnvolle Rhythmisierung mit einem gesund-heits- und lernfördernden Wechsel von Spannung und Entspannung. Die Rhythmisierung erfolgt didak-tisch sinnvoll und lernpsychologisch begründbar.Gebundener Ganztag hat durch seine bewusste pädagogische Ver-zahnung von Vor-und Nachmittags-unterricht einen Blick auf die Lern-entwicklung, der weiter reicht als additive und offene Ganztagsange-bote. Gerade jüngere SchülerInnen müssen sich nicht so oft auf wech-selnde Inhalte und Personen ein-stellen. Die PädagogInnen können inhaltliche Vertiefungen vornehmen. Zudem besteht im gebundenen Ganztag eine Kontinuität des Per-sonals, der Schülergruppe und der Räume. Die gesamte Klasse bleibt bis 15:30 Uhr zusammen. Verläss-lichkeit hat Priorität, deshalb wird als wesentliche Besonderheit der Modellschule 1-10 (13) jede Ganz-tagsklasse von einem ständigen Team begleitet. In der gebundenen Ganztagsschule entfällt das Thema Hausaufgaben weitgehend.

3. AltersmischungIn altersgemischten Lerngruppen wird die Wirklichkeit besser ab-gebildet als in homogenen Lern-gruppen. Aus der Wahrnehmung

der Unterschiede als etwas Natür-liches resultiert umgekehrt die Einsicht, dass ein Unterricht mit gleichen Anforderungen für alle bei der bestehenden Heterogenität nie gerecht sein kann (Hartmut von Hentig). Das Zusammenleben von jüngeren und älteren Kindern führt zu vielfältigen Erfahrungen. Der Leistungsvergleich der Gleichalt-rigen gerät in den Hintergrund und verliert an Einfluss auf die Gruppen-prozesse. Langsam Lernende oder schwache SchülerInnen empfinden weniger Wettbewerbsdruck und mehr Ermutigung als in Jahrgangs-klassen. Kinder mit auffälligem Ver-halten finden eine tradierte Klas-senstruktur vor und können sich an sozialen Normen orientieren. Einer Aussonderung von Kindern mit Lern- und Verhaltensproble-men wird vorgebeugt. Das Schei-tern eines Kindes an der Messlatte seines Jahrganges führt nicht zum Verlassen der Klasse. Die Zugehörigkeit zur Klasse ist we-gen der Altersmischung gesichert. In altersgemischten Klassen gren-zen Leistungsunterschiede nicht aus, sondern wirken integrativ, indem die katalytische Funktion ko-operativen Lernens genutzt wird. Positive Effekte der Altersmischung zeigen sich nur, wenn diese Chan-cen des kooperativen Lernens ge-nutzt werden. In altersgemischten Lerngruppen können die Schüler-Innen verbleiben, unabhängig von ihrer Begabung. Weder Übersprin-gen noch Sitzenbleiben ist möglich oder nötig.

Die gesamte Klasse bleibt

bis 15:30 Uhr zusammen.

Verlässlichkeit hat Priori-

tät.

In altersgemischten Lern-

gruppen können die

SchülerInnen verbleiben,

unabhängig von Begabung.

Weder Überspringen noch

Sitzenbleiben ist möglich

oder nötig.

Positive Effekte der Alters-

mischung zeigen sich nur,

wenn diese Chancen des

kooperativen Lernens

genutzt werden.

Und: In altersgemischten Klassen ist die Chance für einen liebevollen Umgang zwi-schen Mädchen und Jungen größer als in Jahrgangs-klassen.

Altersgemischte Klassen wirken integrativ.

Pädagogisches Konzept und innere Organisation 1-10 (13) Berg Fidel

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Gerade in der Schulabschluss-stufe sind durch den jahrgangs-übergreifenden Unterricht die Gruppen für vielfältige Angebote hinreichend groß.

In altersgemischten Klassen ist die Chance für einen liebevollen Umgang zwischen Mädchen und Jungen größer als in Jahrgangs-klassen. Kinder meistern die Viel-falt im täglichen Umgang wie mit Geschwistern. Eine „mentale Neuorientierung der Schule“ (Preuss-Lausitz 2005) lässt sich durch die Altersmischung beson-ders der Jahrgänge 1-4 verwirk-lichen. Hier ist es eher möglich aus der Sackgasse hierarchischer Männer- und Frauenbilder ver-schiedener kultureller Herkunft heraus, zu selbsterfüllten Le-bensentwürfen zu finden.Die Schulstruktur behält entspre-chend der gesetzlichen Grund-lage §1 APOSI den Übergang aus dem 4. Jahrgang in den Sekun-darbereich bei.

Lernen ist zutiefst sozial. „Das Ergebnis der Konzen-tration ist das Erwachen des sozialen Gefühls.“, Maria Montessori, vgl. Ludwig 2004.

Die Modellschule übernimmt den erfolgreichen jahrgangsüber-greifenden Unterricht aus der Primarstufe in die Sekundarstufe:- Eingangsstufe: altersgemischte

Klassen der Jahrgänge 5-6- Stufe der vielen Lernorte:

altersgemischte Klassen der Jahrgänge 7-9 (10)

- Schulabschlussstufe: altersgemischte Jahrgänge der Jahrgänge 10-13

4. Multiprofessionelle und konstante TeamsJede Klasse hat ein festes Team bestehend aus LehrerIn, Sonder-pädagogIn, evtl. sozialpädago-gischer Kraft, evtl. Integrations-kraft und evtl. PraktikantInnen.Das sonderpädagogische Perso-nal wird über alle Klassen ver-teilt, unabhängig von der Zusam-mensetzung der Klassen.Diese multiprofessionellen Teams bleiben in jeder Stufe zusammen. Das Gütekriterium verlässli-cher Zugehörigkeit gilt auch für Teams. Das führt zu einer Steige-rung der Effizienz des Handelns, weil Kooperationen wachsen und sich entwickeln. Zur Stützung der multiprofessionellen Zusam-menarbeit im sozioemotionalen Arbeitsfeld wird für alle Teams regelmäßig Teamsupervision durchgeführt. Die Basis für konti-nuierliche Förderarbeit ist damit gegeben. Die Kinder können sich auf stabile Verhältnisse einstel-len. Die Atmosphäre der Zugehö-rigkeit kann wachsen. Der Aus-sonderung wird vorgebeugt.Das Team ist gemeinsam verant-wortlich für die gesamte Klasse. Zuständigkeiten für alle Kinder werden nicht nach Etikettierun-gen aufgeteilt, sondern nach päd-agogischen Fördervorhaben oder

Projekten der gesamten Klasse. Es gibt kaum mehr Additionen von verschiedenen Fördermaß-nahmen für ein einzelnes Kind, sondern Absprachen aller Vorha-ben für die gesamte Klasse. Alle Kinder profitieren von zusätzli-chen pädagogischen Kräften.

5. Differenzierter UnterrichtWer mit heterogenen Gruppen gemeinsamen Unterricht gestal-tet, muss auf innere Differenzie-rung bauen.

Die Kunst des Unterrichtens besteht darin, das Fach nicht zu vernachlässigen, der indi-viduellen Entwicklung jeden Kindes gerecht zu werden und dabei die Gemeinschaft zu pflegen.

„Förderkinder“ sollen nicht durch äußere Differenzierungsmaß-nahmen häufig aus der Klassen-gemeinschaft herausgenommen werden. Diese Kinder verlieren leicht den Anschluss an Themen der Klasse und den Bezug zu den MitschülerInnen. Die Folge ist Isolation statt Inklusion. Gemeinsamer Unterricht fordert daher sowohl innere Differen-zierung als auch Kooperation am gemeinsamen Gegenstand, z.B. in Projekten. In der inklusiven Modellschule wird darauf geachtet, die Balance zu wahren zwischen individuellen Lernangeboten und gemeinsa-men Lernsituationen.

Lernen ist zutiefst sozial.

Pädagogisches Konzept und innere Organisation 1-10 (13) Berg Fidel

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Kinder und Jugendliche arbeiten dann selbstständig, wenn sie sich für ihre Arbeit wirklich interes-sieren und die Aufgaben nicht zu schwer oder zu leicht sind.Lernen ist ein hochindividueller und sozialer Prozess, der von Außen nicht erzwungen, sondern höchstens ermöglicht werden kann. Gerade durch die freien Arbeitsphasen finden Kinder zu sich selbst und zu ihren Interes-sen. Sie fühlen ihren Stellenwert und können sich für die Klassen-gemeinschaft öffnen.Nach jeder freien Arbeitsphase findet eine Gesamtreflexion in der Gruppe statt, wo Arbeitsklima, Fortschritte, gemeinschaftliche Leistungen und Transparenz der Abläufe besprochen werden. Kinder und Jugendliche werden an die eigenen Lernprozesse her-angeführt. Lernen wird als hohes Gut erlebt.

BegabungsförderungKindern und Jugendlichen mit allen Begabungen soll der Unter-richt möglichst gerecht werden. Je älter die Kinder sind, je mehr und vertiefter arbeiten und lernen sie in den Domänen, die ihren Begabungen entsprechen. Dabei soll das Begabungsspektrum möglichst weit gefächert sein, um alle Kinder und Jugendliche adäquat zu fördern vom „prak-tisch-handwerklichen“ bis zum „intellektuell-hochbegabten“, vom „sprachlich-kommunika-tiven“ bis zum „mathematisch-

naturwissenschaftlichen“. Durch die Altersmischung können sich Interessensgruppen bilden, die unabhängig vom Alter auf ho-hem Niveau zusammenarbeiten und lernen. Ältere Jugendliche können als MentorInnen Verant-wortung übernehmen und so ihre Fähigkeiten der Gemeinschaft zur Verfügung stellen und in echten Zusammenhängen erproben und erleben. Die gemeinsame Verantwortlich-keit durch feste multiprofessio-nelle Teams und durch die be-ständige Gruppe der Kinder und Jugendlichen gewährleistet, dass die unterschiedlichen individu-ellen Begabungen erkannt und gefördert werden können. SchülerInnen, die bereits wäh-rend ihrer Schulzeit in bestimm-ten Lernbereichen außergewöhn-liche Fähigkeiten entwickeln, können bereits an Hochschul-seminaren teilnehmen und ein Juniorstudium beginnen.

6. Demokratie lernenProblemlösung und Demokratie direkt: der KlassenratIm Klassenrat kultivieren die SchülerInnen ihr Recht auf Ach-tung. Dort können sie in Ruhe Probleme und Gemeinschaftsauf-gaben behandeln. Der Klassenrat findet einmal pro Woche statt.

Dafür erhielt die Grundschule Berg Fidel 2002 den Demokratie-Preis des Grund-schulverbandes.

Es ist ein urdemokratisches Ziel, Probleme durch gemeinsame Beratungen lösen zu lernen. Alle Menschen haben ohne Ausnahme dieselben Rechte. Dieses Men-schenrecht erleben die Kinder in Berg Fidel, wenn im Alltag und im Klassenratgespräch der Wert jedes Mitglieds geachtet wird.Übergeordnete Fragen, die die ganze Schule betreffen, werden im Schülerrat besprochen. Dieser ist die Versammlung der Klas-sensprecherInnen und findet alle vier Wochen statt. Ist eine Frage komplizierter und betrifft sogar die MitarbeiterInnen der Schule direkt, muss auch die Mitarbei-terInnenkonferenz um eine Stel-lungnahme gebeten werden.Abschließendes Beschlussgre-mium wird in allen die gesamte Schulgemeinde betreffenden Fragen die Schulkonferenz sein.

7. Rückmeldung und BewertungKernaufgabe der Modellschule wird es sein, jeder SchülerIn die optimale Entwicklung zu ermög-lichen. Dies geschieht besonders durch den Aufbau von Selbstver-trauen und Sicherheit. Ein ange-messenes Selbstbeurteilungssys-tem für die Auseinandersetzung mit eigenen und äußeren Maßstä-ben hilft dabei. Ein wettbewerbs-orientiertes Leistungsverständnis ist nicht zielführend, wohl aber das Messen an hohen, individu-ellen oder externen Ansprüchen. Konkurrenzkampf schafft immer Verlierer.

Alle Kinder haben ohne Ausnahme die gleichen Rechte.

Pädagogisches Konzept und innere Organisation 1-10 (13) Berg Fidel

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Die SchülerInnen arbeiten wäh-rend ihrer gesamten Schul-zeit anhand von individuellen Lern-Entwicklungsplänen. Im engen Austausch zwischen dem multiprofessionellen Team, den SchülerInnen und Eltern werden die Lernziele in sinnvollen Zeitab-ständen definiert, der Weg dort-hin entwickelt und regelmäßig überprüft. Wenn der/die Einzelne ein Ziel erreicht hat, meldet er/sie sich zum Test. Bevor Bewer-tungen vorgenommen werden, sollte das Ziel des Lernens und die Form der Bewertung an der Modellschule von allen Beteilig-ten verstanden und akzeptiert werden. Das Ziel ist die verant-wortungs-bewusste SchülerIn/BürgerIn mit Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz.Auf dem Weg dahin muss je-de/r Selbstvertrauen gewinnen, Selbstreflexion erlernen, ebenso wie den Umgang mit Fremdbe-wertung.

Man lernt, sich der Ausein-andersetzung mit gesell-schaftlichen Leistungs-ansprüchen zu stellen.

Die Leistungen der SchülerInnen finden ihre Rückmeldung und Bewertung in zweimal jährlichen Berichtzeugnissen. In diesen Berichtzeugnissen werden die individuellen Lernerfolge und Entwicklungsschritte gewürdigt.Rückmeldungen erfolgen auch durch das Erstellen eines Port-

folios. Auf den Abschluss- oder bewerbungsrelevanten Zeugnis-sen werden die Berichte um die etablierten Schulnoten in Ziffer-form ergänzt.

8. Muttersprache lernenWenn Kinder eine gut gesproche-ne Sprache hören, dann können sie ein Konzept für Grammatik ausbilden. Eltern, die ihren Kin-dern die Muttersprache verbie-ten, damit sie besser Deutsch lernen, bewirken allzu oft das Gegenteil. Es besteht die Gefahr der „doppelten Halbsprachigkeit“.Das Modellprojekt Mulingula wurde vor drei Jahren von Krysty-na Strozyk und Antje Sinemus von der Kontaktstelle für Inter-kulturelles Lernen und Men-schenrechtserziehung in der Grundschule (KIM) entwickelt und soll die Kinder beim korrek-ten Erwerb der Muttersprache unterstützen.Einmal pro Woche kommen MuttersprachlerInnen in die Schule und lesen den Kindern auf z.B. Polnisch, Russisch, Ara-bisch, Türkisch, Spanisch oder Romanes vor und erarbeiten mit ihnen die Texte durch szenisches Spiel oder Malen. Was ein Kind in seiner Muttersprache lernt, kann es auch ins Deutsche übertragen. Der emotionale Zugang zu Texten findet über die Muttersprache statt. Selbstverständlich kann dieses für die Grundschule ent-wickelte Modell in die Sekundar-

stufe übertragen werden (vgl. die momentane Arbeit mit SchülerIn-nen an der Geistschule). 9. Vorbereitung auf Beruf und StudiumNeben dem regulären Unter-richt in der Klassengemeinschaft werden in Kern- und Wahlpflicht-bereichen (Freies Arbeiten, Projekte, Kurse, Werkstätten) für die SchülerInnen ab Klasse 5 erste Erfahrungen in der Berufs-welt gesammelt. Innerschulische Beschäftigung mit Begabungen für besondere Tätigkeiten sowie außerschulische Praktika in Zu-sammenarbeit mit überbetrieb-lichen Einrichtungen, Handwerk, Handel und Industrie sollen für die SchülerInnen auch den Blick weiten für das Berufsleben außerhalb von Schule. In der Schulabschlussstufe werden dar-auf aufbauend weitere Aktivitäten geplant, die den Übergang in das Berufsleben vorbereiten:- Auslandsaufenthalt als Schul-

besuch, als Berufspraktikum, als besondere Lernaufgabe: mindestens 2 Monate. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Euregio Münsterland Twente Enschede gelegt. Die Erfahrung hat zum einen ge-zeigt, dass es sehr schwierig ist Partnerschulen im englisch-sprachigen Ausland zu finden, da Deutsch als Fremdsprache an Bedeutung verliert. Zum an-deren zeichnen sich die Nieder-lande durch hocheffektive und

Das Ziel ist die verantwortungsbewusste SchülerIn/BürgerIn mit Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz.

Pädagogisches Konzept und innere Organisation 1-10 (13) Berg Fidel

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innovative Ausbildungskonzepte aus, die auch deutschen Schul-abgängerInnen zur Verfügung gestellt werden und die oftmals einen ausgeprägten Praxisbe-zug aufweisen.

- In Münster gibt es bisher keine weiterführende Schule, die Niederländisch bis zur NT2- Sprachprüfung anbietet.

- Schulinterne Ausbildung zur pädagogischen MitarbeiterIn bzw. zur ErzieherIn o.ä.

- Berufs- und Sozialpraktika.- Zukunftsplanung mit Aufbau

von Unterstützerkreisen für jede SchülerIn nach Bedarf.

- Individuelle Lernberatung in allen Bereichen der Profilbil-dung und des eigenen Schulab-schlusses.

- Individuelle Schullaufbahn-beratung über Anforderungen, Zeitpunkt und Form der Leis-tungserbringung und der Schulabschlüsse.

Die Berufs- und Studienorien-tierung knüpft an die Lebens- und Erfahrungswirklichkeit der SchülerInnen an, deshalb findet Lernen häufig an realen Lern-orten statt. In diesem Rahmen ist der Bezug auf den regionalen Arbeitsmarkt von Bedeutung so-wie die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit, speziell mit deren Beratungsangeboten.

10. SchulabschlüsseAlle SchülerInnen haben die Mög-lichkeit, ihre Leistungsfähigkeit

so zu entfalten und zu entwickeln, dass stets der höchstmögliche Schulabschluss erreicht werden kann.

Die Anforderungen aller Ab-schlüsse orientieren sich an den allgemeinen Bildungs-standards der Kultusminister-konferenz, den Lernstands-erhebungen und zentralen Abschlussprüfungen sowie insbesondere am Bildungspro-fil der Schule.

Für den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und dem mittle-ren Schulabschluss nehmen die SchülerInnen an den zentralen Prüfungen des Landes NRW teil. Der Hauptschulabschluss nach der Klasse 9 ist nach den gelten-den Richtlinien der Gesamtschule in NRW erreicht, wenn alle Mo-dule, die der 9. Klasse zugeord-net werden können, erfolgreich bearbeitet wurden. In diesem Fall erhalten die SchülerInnen Schulnoten für ein Abschlusszeugnis nach der Klasse 9.

In der Modellschule Berg Fidel können folgende Abschlüsse erworben werden:- Hauptschulabschluss nach

Jahrgangsstufe 9- Hauptschulabschluss nach

Jahrgangsstufe 10- Mittlerer Schulabschluss

(Fachoberschulreife)- Mittlerer Schulabschluss (Fach-

oberschulreife) mit Qualifika-tionsvermerk

- Abschluss des Bildungsgangs im Förderschwerpunkt Lernen nach Jahrgangsstufe 10. Alle Jugendlichen mit ihren jeweils unterschiedlichen Be-hinderungsformen verbleiben bis zum Ende ihrer Schulpflicht in der Schule Berg Fidel.

Im Vollausbau bietet die Schule alle Bildungsgänge und Ab-schlüsse. Die Berufs- und Stu-dienvorbereitungen stehen im Mittelpunkt der Arbeit mit den SchülerInnen in den Jahrgängen 10 bis 13.

Organisationsformen des Lernens in der täglichen PraxisFreies Arbeiten findet in der Klas-se statt: Basis des Modell-Kon-zepts ist das individuelle, koope-rative und selbstverantwortliche Lernen in festen, altersgemisch-ten Klassengruppen.

Die Lernbereiche werden den SchülerInnen in Modulen ange-boten, die konzeptionell für die individuelle Arbeit geeignet sind: Das heißt: Trainieren, Erarbeiten, Vertiefen unter individueller An-leitung in Deutsch, Mathe, Eng-lisch, zweiter Fremdsprache ab Klasse 6. Diese Module werden mit einem Test abgeschlossen, wobei die SchülerInnen den Zeit-punkt selbst bestimmen können.

Den Blick weiten für das Berufsleben außer-halb von Schule.

Pädagogisches Konzept und tägliche Praxis 1-10 (13) Berg Fidel

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SchülerInnen gehen an ihre Grenzen, über-nehmen Verantwortung, erleben neue Perspektiven.

Organisationsformen des Lernens in der Praxis 1-10 (13) Berg Fidel

Projekte: Projektarbeit ist eine tragende Säule im Lernkonzept der Modellschule. Selbstorga-nisation, Eigenverantwortung, Teamarbeit, praktisches Lernen. Fächerübergreifende Zugänge werden genutzt, um Lernen in Sinnzusammenhängen zu ermög-lichen. In der Projektarbeit sind die Freien Forscher Clubs (FFC) an-gesiedelt. Diese arbeiten über 6 Wochen in der Klasse in Kleingruppen zu Schlüsselproblemen. Das Ergeb-nis eines Projektes wird immer präsentiert.

Kurse: Finden klassenüber-greifend über 2 Wochen in ge-lenkter Form in festen Gruppen zu Themen wie den folgenden statt: Methoden der Projektarbeit, Englisch Konversation, Physik, Geschichte, Erweiterung der Grundlagen.

Werkstatt: Die Arbeit in den Werkstätten dient dazu, eigene Fähigkeiten und Interessen ken-nenzulernen und zu vertiefen in den angebotenen Bereichen:Musik, Bewegung, Forschung, Technik, Natur, Kunst, Dar-stellung, Gesellschaft, Kultur, Fremdsprachen, (mindestens eine Werkstatt aus jedem Be-reich) auch Schülerfirmen. Die Werkstatt findet in den Jahr-gängen 1-4 in der Klasse, in den Jahrgängen 5-10 (13) klassen-übergreifend statt.

Freiwillige Angebote, Ateliers: Ermöglichen es den Schüler-Innen, besonderen Neigungen nachzugehen, Hobbys zu pflegen: in Kooperation mit den örtlichen Sportvereinen, Musikschule, Kunstschulen, Zirkuskünstlern, Theater-und Musikergrup-pen; Biobauernhof, Kabarett, Werkstätten, Medienexperten, Stadtteilzentrum Lorenz Süd, Südviertelbüro, AK Südviertel, Arbeitsagenturen, Migrantenver-ein u.v.a.. Außerschulisches Lernen und Herausforderungen: Sie sind mit einer Dauer von 4-6 Wochen pro Jahr ein zentraler Bestandteil und pädagogisches Leitmotiv der Jahresstruktur der Jahrgangs-stufe 7-9. SchülerInnen gehen an ihre Grenzen, übernehmen Verantwortung, erleben Gemein-schaft und neue Perspektiven.

Mögliche Herausforderungen sind: Theaterwochen, Radtour, Wandern, Leben in fremder Fa-milie mit Schulbesuch, Arbeiten auf dem Bauernhof, Renovierung eines Schullandheimes u.a.. Die Schüler bewerben sich schriftlich mit Begründung für eine bestimmte Herausforde-rung. Eine Jury aus SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen stellt die Gruppen zusammen. Die Leitung der Aktivitäten übernimmt ein Erwachsener (Mitarbeiterin, Mit-arbeiter oder externer Experte) oder eine ältere SchülerIn.

Schultagen, Wochen und Schul-jahren liegt jeweils eine Struktur zugrunde, die transparent ist. Individualisierende Lernformen im jahrgangsübergreifenden Unterricht sind für SchülerIn-nen, Eltern und MitarbeiterInnen leicht nachvollziehbar.

Jedes Kind, jeder Jugendliche hat ein eigenes Lerntagebuch, in das es/er die wichtigsten Tätigkeiten einträgt. Regelmäßig reflektie-ren SchülerInnen im Gespräch mit der Lehrkraft, was und wie sie gelernt haben und welche Ziele sie sich für die nächste Zeit setzen. Dabei lernen sie, ihre Anstrengungen und Erfolge zu würdigen. Über Lernlandkarten werden die Lernwege ebenfalls transparent gemacht. Dies ent-spricht einer Art Zeitleiste, auf der Anforderungen in ausgewähl-ten Bereichen in Form von Bei-spielaufgaben und Abbildungen dargestellt sind. So können für das Fach Mathe-matik die ansteigenden Anfor-derungen linear von links nach rechts angeheftet werden. Durch solche Landkarten der Lern-wege finden die SchülerInnen eine Orientierung, wo sie sich auf ihrem Lernweg befinden, und welche kurz-, mittel- oder lang-fristigen Ziele noch vor ihnen lie-gen. Diese erhöhte Transparenz und die Reflexion über individuel-le, aber auch gemeinsame Lern-wege und Ziele führen zu großer Eigenverantwortung.

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Tagesablauf-Jahresstruktur 1-10 (13) Berg Fidel

Zeit Tagesstruktur in allenGruppe Klassen ähnlich

8-9.30 Uhr Freies Arbeiten in der Klasse Individuelle Arbeit in den Kernbereichen: Mathe, Deutsch, Englisch bzw. einer zweiten Fremdsprache. Trainieren, erarbeiten, vertiefen unter individueller Anleitung

10-11.30 Uhr Projekte über ca 6 Wochen In gelenkter Form in festen Gruppen:abwechselnd in der Klasse Themen: Methoden für Projektarbeit, English Projekt - Kurs - Kurse, über ca 2 Wochen, Conversation, Physik, Geschichte, Erweiterung Projekt - Kurs - klassenübergreifend der Grundlagenusw.

12-13 Uhr Werkstatt Eigene Fähigkeiten und Interessen kennen lernen Jg. 1-3/4 in der Klasse und vertiefen in den angebotenen Bereichen: - Musik Jg. 4/5-10(13) klassen- - Bewegung übergreifend - Forschung Technik Natur - Kunst, Darstellung - Gesellschaft, Kultur - Fremdsprachen (mindestens eine Werkstatt aus jedem Bereich) Auch Schülerfirmen13-14 Uhr Mittag und Essen in der Klasse

14-15.30 Uhr Werkstatt Eigene Fähigkeiten und Interessen kennenlernen und vertiefen in den angebotenen Bereichen: - Musik Jg. 4/5-10 (13) - Bewegung klassenübergreifend - Forschung Technik Natur Wechselnd je Halbjahr, - Kunst, Darstellung 2 Werkstätten pro Woche - Gesellschaft, Kultur - Fremdsprachen (mindestens eine Werkstatt aus jedem Bereich) Auch Schülerfirmen

ab 15.30 Uhr Freiwillige Angebote, Ateliers Besonderen Neigungen nachgehen, Hobbys pflegen: In Kooperation mit örtlichen Sportvereinen, Musik- und Kunstschulen, Zirkuskünstlern, Theater- und Musikgruppen, Werkstätten, Medienexperten, Stadtteilzentrum, Beratungsstellen, Arbeitsagenturen, Migranten-Vereinen u.a.

abends Kultur- und Forbildungsangebote Theater- und Musikauftritte, Lesungen, besonders für ältere Jugendliche Vorträge und Diskussionsabende, und Erwachsene Ausstellungen, Freizeittreff

Tagesablauf in der inklusiven Pilotschule Jahresstruktur der Stufe 7-9

Mehrere Wochen im Schuljahr ist kein üblicher Unterricht. Drei Blöcke sind für jeden Schüler in jedem Jahr vorgesehen:

In Kooperation mit Arbeitsagenturen steht für die älteren Schüler dieser Stufe und der Schulabschlussstufe auch die Vorbereitung auf die Berufswelt im Vordergrund.

Struktur der Schulabschluss-Stufe 10-13

Neben dem regulären Unterricht in der Klassengemeinschaft in Kern- und Wahlpflichtbereichen (Freies Arbeiten, Projekte, Kur-se, Werkstätten) sind für die SchülerInnen der Schulabschluss-Stufe folgende Aktivitäten vorgesehen, die den Übergang in das Berufsleben vorbereiten:

Auslandsaufenthalt als Schulbesuch, als Berufspraktikum, als besondere Lernaufgabe: mindestens 2 Monate

Schulinterne Ausbildung zur/m pädagogischen Mitarbeiter/in bzw. zur Erzieher/in o.ä.

Berufs- und Sozialpraktika

Zukunftsplanung mit Aufbau von Unterstützerkreisen für jede/n Schüler/in nach Bedarf

Individuelle Lernberatung in allen Bereichen der Profilbildung und des eigenen Schulabschlusses

Individuelle Schullaufbahnberatung über Anforderungen, Zeitpunkt und Form der Leistungserbringung und der Schulabschlüsse

Herausforderungen Aktivitäten nach Wahl der SchülerInnen, z.B. Theaterwochen, Radtour, Leben in mit schriftlicher Bewerbung und Begründung, fremder Familie mit Schulbesuch, Jury aus SchülerInnen, Eltern und3-4 Wochen LehrerInnen stellt Gruppen zusammen.

Wissen und Können unter Beweis stellen Freie Forscher Clubs intensiv: alleine oder in 4 Wochen Kleingruppe: Arbeiten an selbst gestellten Aufgaben, woran die SchülerInnen zeigen können, was sie gut können. Selbstreflektion in Logbuch. Seminararbeit, Präsentation

Berufs- und Sozialpraktika Arbeitswelt kennenlernen2-6 Wochen

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Selbst- und Fremd-evaluation Der höchstmögliche Erfolg aller SchülerInnen und damit unserer Arbeit ist unser Ziel.

Regelmäßige Fremdbeobachtun-gen und Fremdprotokolle durch StudentInnen des Instituts für Sonderpädagogik der Uni Frank-furt, zweimal pro Jahr, ermögli-chen ein regelmäßiges Feedback zum Unterricht. Die Inklusions-forscherin Dr. Irmtraud Schnell begleitet seit vielen Jahren diese Exkursionen für mehrere Tage in der Grundschule Berg Fidel.

Fremdbeobachtungen und Fremdprotokolle durch KollegIn-nen aus der Schweiz, Österreich und dem gesamten Bundesgebiet bereichern die Arbeit und führen zur ständigen Qualitätsanalyse. Über das Zentrum für Lehrerbil-dung der WWU Münster kommen regelmäßig Lehramtspraktikan-tInnen zu uns in den Unterricht und sammeln wichtige Erfahrun-gen für ihre Lehrerausbildung. Enge Kooperationen mit den Fachhochschulen für Sozialwe-sen ermöglichen den Einsatz von LangzeitpraktikantInnen.

Die vielfältigen Rückmeldungs-möglichkeiten der Gäste unserer Schule bereichern die Arbeit.Regelmäßig hospitieren Schul-praktikerInnen und ForscherIn-nen in unserer Schule, um mit

uns über inklusiven Unterricht zu sprechen. Eine Kultur gegen-seitiger Unterrichtshospitationen der KollegInnen ist zur Selbstver-ständlichkeit geworden. In jedem Team wird seit etwa 20 Jahren regelmäßige Team-Supervision angeboten.

Wir verstehen unsere Arbeit im Ganzen als Prävention: - Prävention von

Benachteiligung - Prävention von Scheitern - Prävention von Desintegra-

tion/ sozialer Isolation- Prävention von Gewalt

und Unfrieden- Prävention von Krankheit/

Sucht

SchulsozialarbeitDie Schulsozialarbeit bildet einen wesentlichen Bestandteil der pädagogischen Arbeit der Schule. Sie wird von allen multiprofessio-nellen Teams mitgetragen und dort koordiniert.

Die Elternarbeit der Klassen-lehrerInnen wird stark flankiert durch aufsuchende Elternarbeit, um Familien, die Hilfe brauchen, die notwendigen mit der Arbeit des Klassenteams koordinier-ten Maßnahmen zukommen zu lassen. LangzeitpraktikantInnen der sozialen Arbeit sind in die-sen Prozess eingebunden und übernehmen in enger Absprache

mit dem Klassenteam und unter Supervision entsprechende Auf-gaben.

Finanzierung und PersonalbedarfDer Raumbedarf der Modell-schule ist in der Primarstufe am Standort Berg Fidel entsprechend der üblichen Berechnungsgrund-lage für integrative Schulen anzu-setzen.Im Sekundarbereich ist für den gebundenen Ganztag in Jahrgang 5/6 in 5 Klassen mit 10 Räumen zu planen.Die Stufe 7/9 (10)ebenso: 5 (7) Klassen mit 10 (14) Räumen.Die Schulabschlussstufe erfor-dert 5 Klassenräume. Die hier berechneten 25 (29) Räu-me in der Sekundarstufe müssten ggf. noch durch Fach- und Mehr-zweckräume ergänzt werden.

Der Personalbedarf orientiert sich an den üblichen Messwerten für den gemeinsamen Unterricht mit SchülerInnen mit Förder-bedarf. In der Primarstufe und in der Sekundarstufe sind Doppel-besetzungen ebenso erforderlich wie auch sonderpädagogische Fachkräfte in jeder Klasse.

Alle SchülerInnen tragen Begabungen in sich.

Evaluationen, Sozialarbeit, Finanzierungen 1-10 (13) Berg Fidel

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Wissenschaftliche Begleitung, Kooperationen, Grussworte 1-10 (13) Berg Fidel

Wissenschaftliche Begleitung und KooperationenDie bisherigen Erfahrungen im Unterricht mit heterogenen Gruppen zeigen, dass alle Kinder Begabungen in sich tragen.

Eine wissenschaftliche Beglei-tung bei dieser herausfordernden Aufgabe ist für uns ein selbstver-ständliches Ziel.Es gibt Kooperationen mit dem ICBF Münster (Internationales Centrum für Begabungsfor-schung; Prof. Dr. Christian Fischer).Die Daten dienen der Praxis, verbessern oder bestätigen sie.Mit ForscherInnen mehrerer deutscher und internationaler Institute steht die Grundschule Berg Fidel in engem Austausch (Dr. Irmtraud Schnell, Frankfurt; Prof. Dr. Simone Seitz, Bremen; Prof. Dr. Andreas Hinz, Halle; Prof. Dr. Susanne Miller, Bielefeld u.a.). Ausdruck dieser Kooperation ist der von uns geplante Praxis- Kongress über „Schule von 1-13“ am 24./25.11.2012 in Münster. Hier werden ExpertInnen zur Unterstützung und zum Erfahrungsaustausch zu Fragen der inklusiven Modellschule mitwirken.

Grussworte

1.Es ist an der Zeit, Schule auf der Basis der Menschenrechte neu zu definieren als Ort des expan-siven Handelns, Entfaltens und Wachsens und alle Strukturen zu hinterfragen und abzubauen, die Menschen in defensives Verhalten zwängen.

Hierzu ist es wichtig, - Menschen das gesamte Welt-

wissen in seiner Komplexität zugänglich zu machen, anstatt sich innerhalb eines kleines Ausschnitts zu bewegen – quasi in einem Mini-Quadrat, in dem nur das Wissen offeriert wird, das in traditionellen Schu-len per tradiertem Unterricht gelehrt wird und als obligato-risches Curriculum den Ler-nenden einzig zur Verfügung gestellt wird, und dies auch noch allen zur selben Zeit.

- vertiefendes, selbstgesteuertes Lernen im unendlichen Feld des Weltwissens in quasi ex-pansiv spiralförmigen Schleifen „erobernd“ zu erfahren, statt eigene Interessen und ernst-hafte Hinwendungsbereitschaft durch übergestülpte Impulse zu verschütten oder durch eine Flut an Reizen und Informatio-nen zu stören.

- mittels der Freiheit im plura-listischen Lernen, Menschen und ihren Suchprozess so zu stärken, dass sie an sich und

ihre (Erkenntnis-) Möglichkeiten glauben. So kann der Respekt für sich selbst, andere und die Welt kontinuierlich wachsen – der konstruktive Umgang mit der Vielfalt von Meinungen, Weltsichten und Handlungs-möglichkeiten wird als soziale Ästhetik wertgeschätzt.

- das Verankern einer inklusiven Schulkultur als entscheidende Basis zu sehen, auf der sich alle Handlungen und Einstellungen aufbauen. Dadurch wird eine sichere, akzeptierende, zusam-menarbeitende und anregende Gemeinschaft mit ihren Werten fokussiert.

- dass eine solche Gemeinschaft ihren Mitgliedern vermittelt, dass jede/r individuell ge-schätzt und respektiert wird und willkommen ist, indem gegen-seitige Unterstützung sowie kooperative Teamarbeit aller Schulmitglieder angestrebt wird.

- genau darauf zu achten und darüber gerechte Grundlagen für bestmögliche Leistungen aller zu schaffen: Das eigen-ständige Arbeiten und Lernen der SchülerInnen ermöglicht den Erwachsenen, sich ggf. um deren besondere Bedürfnisse zu kümmern. Sie haben die Zeit, sich gezielt und individu-ell mit einzelnen SchülerInnen und ihrer Lernentwicklung zu beschäftigen, um sie bei ent-sprechender Anfrage zu unter-stützen. Hierfür bedarf es

regelmäßig fest verabredeter Gespräche.

- anzustreben, inklusive Werte von einer gemeinsamen Philo-sophie getragen sein zu lassen. Die Gemeinschaft an Schulen der Zukunft setzt hohes Ver-trauen in alle SchülerInnen und deren selbstverantwortlich ge-stalteten Lernprozess. Die Rolle der SchülerInnen als eigenstän-dige und selbstverantwortliche LernerInnen korrespondiert mit der Rolle der pädagogisch regressiven, aber hochpräsen-ten LernbegleiterInnen – sicht-bar achten und erkennen sie sich einander als Mensch und Rollenträger.

- Hindernisse für das Lernen und die Teilhabe in allen Be-reichen der Schule abzubauen durch eine kommunikative und kooperierende Beziehungsge-staltung zu den SchülerInnen, also eine dialogische Gestal-tung zwischen allen am Schul-leben Beteiligten mit Blick auf die Person, u. a. in Bezug auf ihre Bedürfnisse, Stärken und Schwächen, Talente und Bemü-hungen.

- Formen von Diskriminierung auf ein Minimum zu reduzieren durch das gemeinsame Aufstel-len und Abstimmen von Regeln, Gesetzen, Geboten und Konse-quenzen bei Missachtung dieser im Schulparlament; so wird SchülerInnen volles Mitspra-che- und Mitgestaltungsrecht gegeben.

- dass der Umgang der Menschen miteinander sich auf allen Ebe-nen gerecht gestaltet, grundge-legt darin, dass hier alle Ent-scheidungen, Angelegenheiten und Konflikte mit allen Schul-mitgliedern im Schulparlament besprochen werden.

- dass, wenn Lerngruppen orga-nisiert werden, dies nie nach Leistungsmaßstäben, sondern stets nach Interessen geschieht. Dann gestalten sich die Lern-aktivitäten der SchülerInnen individuell, selbstbestimmt und frei, im Sinne des pluralisti-schen Lernens.

- Formen der Unterstützung im Schulleben sich nach den Be-dürfnissen der SchülerInnen richten zu lassen, in dem die MentorInnen ihre SchülerInnen individuell beraten und unter-stützen. Der Fokus liegt auf dem Lernprozess, in dem die SchülerInnen ihren Gegenstand selbstständig wählen und ihren Lernplan und Zeitrhythmus individuell ausrichten.

- dass gemäß dem Gleichstel-lungsgebot der Abbau von Hin-dernissen für das Lernen und die Teilhabe aller SchülerInnen angestrebt wird, was die Orga-nisation vielfältiger Unterstüt-zungsformen erfordert, um der Vielfalt der Menschen und ihren Interessen zu entsprechen.

- dass deshalb alle Ressourcen und der Reichtum an Wissen genutzt werden, damit die SchülerInnen ihr Lernen selbst

organisieren können und sich gegenseitig unterstützen. Die Auflösung fester Klassen-verbände und die heterogene Zusammensetzung der Lern-gruppen entsprechen diesem Anliegen.

- dass inklusiver Unterricht auf Vielfalt hin geplant und die Heterogenität einer Lern-gruppe als Bereicherung an-gesehen und für die Gestaltung von Lernarrangements positiv genutzt wird – basierend auf den jeweiligen Interessen der SchülerInnen.

- eigenständige Planungen aller SchülerInnen des je eigenen Lernprozesses, auf der Basis einer positiven Sicht von Unter-schieden zu ermöglichen und SchülerInnen als Subjekte ihres eigenen Lernens souverän eigene Erfahrungen machen zu lassen, so dass sie sich selbst aktiv die Welt erschließen – in Kooperation mit kleinen Inter-essensgruppen, die sehr alters-heterogen sein können.

- „notenfreie Räume“ zu schaf-fen und auch andere Formen von Bewertung kritisch zu hin- terfragen. Stattdessen gilt es Gelegenheiten zu eröffnen, in Gesprächen Ansichten und Meinungen austauschen, auf Festen etwas darzubieten oder bei der community of learners, Erarbeitetes vorzustellen.

- Formen der positiven Ab- hängigkeit zu kreieren, bei denen die Notwendigkeit der

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Zusammenarbeit eine quasi na-türliche Disziplin ergibt, die auf gegenseitigem Respekt basiert. Das Gemeinschaftsverständnis entwickelt sich daraus, dass miteinander basisdemokratisch umgegangen wird und sich darüber die Disziplin innerhalb der Gruppe selbstverantwortlich regelt.

- als zentrales Element einen Dialog über die Unterschiedlich-keit in den Stärken und Inter-essen zu führen, aber auch um Gemeinsamkeiten zu finden und Erfahrungen auszutauschen, sei es im körperlichen, emotiona-len, kognitiven oder spirituellen Bereich.

- Ressourcen zu mobilisieren, indem z. B. die Fachkenntnisse der MitarbeiterInnen voll ausge-schöpft werden und das Kolle-gium Ressourcen entwickelt, um das Lernen und die Teilha-be voll zu unterstützen. Dafür gehen die von den SchülerInnen gewählten MentorInnen in en-gen Austausch.

- sich eng mit den Ressourcen im Umfeld zu verbinden, indem die SchülerInnen die Möglich-keit erhalten, in Absprache mit ihrer/m Mentor/In, Beschäfti-gungen außerhalb der Schule nachzugehen.

- Vielfalt auf allen Ebenen als positiv bedeutungsvoll anzu-sehen: Sie charakterisiert das menschliche (Zusammen-)Leben, prägt es und treibt es an – hierfür gilt es vielfältige

Lernräume wahrzunehmen. - die Überwindung kategorisie-

renden und linearen Denkens und vielmehr die Diversität positiv als Ausgangspunkt für die gemeinsame Gestaltung einer Schule für alle zu neh-men. Pluralistisches Lernen geht von unterschiedlichsten In-teressenslagen aus und betont zirkuläre Lernprozesse.

- als Konsequenz grundsätzlich alle Stimmen gleichermaßen gelten zu lassen und ausdrück-lich auf die Bereitschaft zur Mitgestaltung am Schul- und Gesellschaftsleben zu setzen.

- „Schule“ eine entscheidende Vorbereitung auf die persön-liche und gesellschaftliche Zukunft, in der alle Menschen selbst gestalten und mitwirken können, also essenzielle Bedeu-tung zuzusprechen.

Es ist also Zeit, die „Spielregeln“ für alle zu ändern, statt einige, die bisher nicht „mitspielen“ durften, so einzupassen, dass sie am für alle schwierigen „Spiel“ teilnehmen können. Wir wün-schen den Menschen, die sich in Münster auf diesen Weg machen, alles Gute!

Prof. Dr. Andreas HinzMartin Luther Universität Halle Wittenberg, Leiter des Arbeits-bereiches Allgemeine Rehabili-tations-/Integrationspädagogik, Leiter des Arbeitsbereiches Körperbehindertenpädagogik

Ines BobanMartin Luther Universität Halle Wittenberg, seit 2003 Wissen-schaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Allgemeine Reha-bilitations- und Integrationspä-dagogik, 2003 - 2006 zuständig für den berufsbegleitenden Stu-diengang Integrationspädagogik, Entwicklung der zweiten deutsch-sprachigen Auflage des ‚Index für Inklusion‘ (Halle, 2011/2012)

Robert Kruschel und Anja WetzelMartin Luther Universität Halle Wittenberg

2. Die Grundschule Berg Fidel zeigt seit vielen Jahren, dass sich in-klusive Kulturen und Praktiken realisieren lassen – und das innerhalb eines segregierenden Bildungssystems. Die hier gesammelten Erfah-rungen sind Wegweiser für die Orientierung an der Leitidee Inklusiver Bildung und treiben offensichtlich zu Konsequenz und fortwährender Veränderungsbe-reitschaft an. Die gegenwärtige bildungspolitische Diskussion braucht solche lebenden Wegwei-ser ebenso wie die pädagogische Praxis und der wissenschaftliche Diskurs.

Prof. Dr. Andrea PlatteFachhochschule Köln, Cologne University of Applied SciencesInstitut für Kindheit, Jugend, Familie und Erwachsene (KJFE)

Wissenschaftliche Begleitung, Kooperationen, Grussworte 1-10 (13) Berg Fidel

3. Der Vorschlag, im sozialen Brennpunkt Berg Fidel in Müns-ter eine selektionsfreie inklusive Schule mit gebundenem Ganztag bis zum 13. Schuljahr aufzu-bauen, ist in vielerlei Hinsicht gut begründet:

Bei zehnjährigen Kindern (d.h. nach 3,5 Schuljahren) wirken soziale Herkunftsfaktoren auf den Selektionsentscheid deutlich stärker mit als bei einem Ent-scheid im 15. Lebensjahr, d.h. nach 8,5 Schuljahren. Bei jünge-ren Kindern spielt der schulische Erfahrungshintergrund der Eltern auf den Selektionsentscheid ganz besonders auch bei Mädchen eine signifikant höhere Rolle.Empirische Ländervergleiche machen deutlich, dass eine frühe erste Selektion in verschiedene Ausbildungs- und Schultypen eine höhere soziale Abhängigkeit der Leistungen (im Alter von 15 Jahren) zur Folge hat. Dies hängt damit zusammen, dass sozial Benachteiligte so-wie Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in vier Schuljahren zu wenig Zeit haben, ihr Leistungspotenzial so zu ent-wickeln, dass es auch erkennbar wird und dass sie es selber wahr-nehmen.Bei einem deutlich späteren Selektionsentscheid ist mit günstigen Konsequenzen zu rechnen:- Es werden eher die wirklich

Fähigen in die anspruchsvollen Leistungsgruppen eingeteilt. Die Auslese ist deutlich weniger sozial begründet.

- Viele besonders fähige und sozial benachteiligte Kinder würden nicht mehr durch eine frühe „Abwahl“ ausgeschieden. Dadurch, dass die gesamte Leistungsbreite auch in der Sekundarstufe 1 erhalten bleibt, gibt es für diese Kinder keinen Anlass mehr, ihre Selbstein-schätzung und ihre Leistungen reduzierten Erwartungen und reduzierten Lernzielen anzu-passen.

- Besonders fähige und sozial benachteiligte Kinder/Jugend-liche gehen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Wissen-schaft nicht mehr verloren.

Die durch einen zu frühen Se-lektionsentscheid verursachten sekundären Ungleichheiten sind auch in Deutschland ausgeprägt zu beobachten. Sie sind in den nordischen Ländern mit einem späteren Selektionsentscheid wesentlich geringer (vgl. Coradi Vellacott u.a. 2003, 64-65).Gleichzeitig mit dem Entscheid der Schule Berg Fidel den Sta-tus einer wirklich inklusiven und daher selektionsfreien Schule zu geben, wäre es von entschei-dendem Interesse, noch weiteren zwei Schulen in der Umgebung von Münster einen vergleichba-ren Auftrag zu geben, und diese Projekte wissenschaftlich

zu begleiten und zu evaluieren.

Bruno Achermann, ehem. Dozent Pädagogische Hochschule Zentralschweiz, Hochschule Luzern. Berater für integrative Schul- und Unterrichtsentwicklung

4. Kindern einen Ort zu geben, an dem sie sich selbst erkennen, als ganze Personen entwickeln und mit allen anderen leben lernen, das liegt in der Verant-wortung der jeweiligen Erwach-senengeneration. Die Grundschule Berg Fidel ist solch ein Ort. Was sie auszeich-net und von anderen Schulen unterscheidet, ist, dass sie die Kraft der Kinder füreinander zur Entfaltung bringt und so eine Kultur der Solidarität wächst. Die Sicherheit und Anerkennung, die Kinder erfahren und die ihr Lernen fördert, wird gefährdet durch einen zu frühen Übergang in ein anderes System. Eine Weiterführung des Lernens in altersgemischten Gruppen gibt allen Kindern die Chance, ihre emotional-sozialen und kogniti-ven Potenziale ohne Übergangs-risiken im Heranwachsen zu entfalten.

Dr. Irmtraud Schnell Institut für SonderpädagogikGoethe-Universität Frankfurt

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Anhang, Literatur 1-10 (13) Berg Fidel

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Impressum

Text und Redaktion: Dr. Eva Dammann, Dr. Reinhard Stähling, Barbara Wenders, Dr. Birgit Leonhard, Karl-Heinz Neubert, Dr. Irmtraud Schnell

Fotografie: Grundschule Berg Fidel: Andreas Scholten, Susanne Larssen, Paul Liebert, © PantherMedia: S. 1, 25, 26, 29, 33, 40 Grafik: Katrin Liebert, elemente

Druck: flyeralarm, Mai 2012

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