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Audiotechnik I Analoge Audiotechnik: 10. Tutorium Prof. Dr. Stefan Weinzierl 04.07.2013 Musterlösung: 5. Juli 2013, 15:07 1 Frequenzgang eines dynamischen Lautsprechers 1) Leiten Sie anhand der vereinfachenden mechanischen und elektrischen Ersatzschaltbilder die Gesamtübertragungsfunktion des elektrodynamischen Lautsprechers her. Diskutieren Sie das Zu- sammenspiel der Einzelübertragungsfunktionen zur Gesamtübertragungsfunktion. Losung: Siehe KT1_SCF_UE05.pdf 2 Elektrostatischer Lautsprecher Ein elektrostatischer Lautsprecher besteht aus zwei elektrsch geladenen Platten von denen eine beweglich gelagert ist und als Membran fungiert. Legt man eine Signalspannung an die beiden Plat- tenanschlüsse ergibt sich eine Kraftwirkung auf die Membran. Diese folgt aus dem Coulomb’schen Gesetz. Für die Kraftwirkung zwischen zwei geladenen Platten im Abstand d voneinander gilt: F = AU 2 2d 2 wobei: A: Fläche der elektrisch wirksamen Lautsprechermembran (Plattenfläche) U: Elektrische Spannung zwischen den Platten : Dielektrizitätskonstante d: Abstand zwischen den Platten 1) Geben Sie einen Ausdruck für die Richtcharakteristik dieses Lautsprechers bei tiefen Frequenzen an. Lösung: Der Lautsprecher verhält sich bei tiefen Frequenzen (also λ >> l, wo l der Durchmesser des Strah- lers, siehe Möser Technische Akustik, Kap.3, S. 82 hier) wie ein Dipolquelle (siehe beigefügte .pdf und Skript Kommunikationstechnik für Beweis/Nachweis), besitzt also prinzipiell3 eine Achtercha- rakteristik. 2) Unter der Annahme eines linearen Betragsfrequenzgangs der Membranschnellen v(t) des Laut- sprechers: Welchen Frequenzgang weist der Membranhub x(t) auf? Lösung: Als zeitliches Integral von der Schnelle ist die Auslenkung x()= 1 v(), also prinzipiell ein Tiefpass mit 6 dB pro Oktave (siehe Baukastenbild dafür). 1

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Audiotechnik IAnaloge Audiotechnik: 10. Tutorium

Prof. Dr. Stefan Weinzierl 04.07.2013Musterlösung: 5. Juli 2013, 15:07

1 Frequenzgang eines dynamischen Lautsprechers

1) Leiten Sie anhand der vereinfachenden mechanischen und elektrischen Ersatzschaltbilder dieGesamtübertragungsfunktion des elektrodynamischen Lautsprechers her. Diskutieren Sie das Zu-sammenspiel der Einzelübertragungsfunktionen zur Gesamtübertragungsfunktion.

Losung: Siehe KT1_SCF_UE05.pdf

2 Elektrostatischer Lautsprecher

Ein elektrostatischer Lautsprecher besteht aus zwei elektrsch geladenen Platten von denen einebeweglich gelagert ist und als Membran fungiert. Legt man eine Signalspannung an die beiden Plat-tenanschlüsse ergibt sich eine Kraftwirkung auf die Membran. Diese folgt aus dem Coulomb’schenGesetz. Für die Kraftwirkung zwischen zwei geladenen Platten im Abstand d voneinander gilt:

F =εAU2

2d2

wobei:

A: Fläche der elektrisch wirksamen Lautsprechermembran (Plattenfläche)U: Elektrische Spannung zwischen den Plattenε: Dielektrizitätskonstanted: Abstand zwischen den Platten

1) Geben Sie einen Ausdruck für die Richtcharakteristik dieses Lautsprechers bei tiefen Frequenzenan.

Lösung:Der Lautsprecher verhält sich bei tiefen Frequenzen (also λ >> l, wo l der Durchmesser des Strah-lers, siehe Möser Technische Akustik, Kap.3, S. 82 hier) wie ein Dipolquelle (siehe beigefügte .pdfund Skript Kommunikationstechnik für Beweis/Nachweis), besitzt also prinzipiell3 eine Achtercha-rakteristik.

2) Unter der Annahme eines linearen Betragsfrequenzgangs der Membranschnellen v(t) des Laut-sprechers: Welchen Frequenzgang weist der Membranhub x(t) auf?

Lösung:Als zeitliches Integral von der Schnelle ist die Auslenkung x(jω) = 1

jωv(jω), also prinzipiell ein

Tiefpass mit 6 dB pro Oktave (siehe Baukastenbild dafür).

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3) Welche zwei prinzipbedingten Nachteiele bezüglich der Wiedergabequalität elektrostatischerLautsprecher kann man aus der Lautsprecherformel für die Kraft ablesen?

Lösung:1) Der Antriebskraft ist umgekehrt quadratisch zum Abstand und damit auch zu der Auslenkung,was zu quadratischen Verzerrungen der Signalform und hohem Klirrfaktor bei den tiefen Frequenzenführt.2) Der Antriebskraft steigt quadratisch mit der Signalspannung, was als Folge hat, dass die Si-gnalspannung quadratisch verzerrt in Auslenkung (Schalldruck) umgewandelt wird, und zu großenVerzerrungen vor Allem bei niedrigen Spannungswerten und Nulldurchgängen führt.Allerdings kann man mit kleineren Leistungen sehr hohen Schallpegel erzeugen!

4) Wie könnte man diesen Nachteilen konstruktiv begegnen?

Lösung:Erstens könnte man die elektrostatischen Lautsprecher nur auf hochfrequenten-Anwendung be-schränken, also nur als Hochtöner beschreiben. Zweitens könnte der Arbeitsbereich im linearerenKennlinienbereich der quadratischen Funktion verschoben/begränzt werden. Das könnte erreichtwerden entweder beim Betreiben der Lautsprecher mit sehr hohen Eingangsspannungen (nicht emp-fehlenswert, da sinusförmig) oder mit Anlegen einer hohen Gleichspannung (gefährlich, aber nutz-lich).

3 Partialschwingungen

1) Bei welcher Bauform der Lautsprechermembran treten bevorzugt Partialschwingungen auf?Durch welche konstruktiven Maßnahmen lassen sich diese verhindern bzw. reduzieren?

Lösung:Als Partialschwingungen bezeichnet man die Tatsache, dass eine Lautsprechermembran nicht mehrkonphas, also nicht mehr als ganzes mit gleicher Phase schwingt, sondern dass sie in schwingendeTeilbereiche mit örtlich unterschiedlichen Phasen zerfällt, die durch Knotenlinien voneinander ge-trennt sind (Abbildung siehe Skript S. 49). Dieser Effekt tritt besonders bei Einwegsystemen mitKonuslautsprechern bei hohen Frequenzen auf.Eine Möglichkeit, Partialschwingen zu verringern, besteht also darin, das Antriebssystem zu wech-seln. Bei elektrostatischen Lautsprechen, bei denen die antreibende Kraft gleichmäßiger über diegesamte Fläche verteilt wird, treten deutlich weniger Partialschwingungen auf.Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Steife der Membran durch Auswahl eines anderen Ma-terials oder einer anderen Form zu erhöhen.

2) Warum treten beim elektrostatischen Lautsprecher keine Partialschwingungen auf? Warum sinktder Wirkungsgrad von elektrostatischen Lautsprecher bei tiefen Frequenzen ab?

Lösung:Der elektrostatisch Lautsprecher ist das reziproke Pendant zum Kondensatormikrofon. Auch hierfinden wir eine statisch gelagerte, elektrisch vorgespannte Elektrode, vor der wiederum eine freibe-wegliche Gegenelektrode angeordnet ist. Das Abstrahlverhalten ist prinzipbedingt das eines Dipolsalso achtförmig. Deshalb ist die Effektivität dieses Wandlers vor allem im tieffrequenten Bereichschlecht (Massekurzschluss). Ein weiterer Grund, sind die baulich begrenzten Membranhübe. Für

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die Kraftwirkung zweier Elementarladungen Q1 und Q2 im Abstand l voneinander gilt das Cou-lombsche Gesetz:

F =Q1Q2

4πεd2=C2U2

4πεd2(1)

D.h. die Effektivität des Lautsprechers sinkt quadratisch je weiter sich die Membranen aufgrund ihrerAuslenkungen voneinander entfernen. Der Arbeitspunkt muss durch eine sehr hohe Vorspannung(einige Hundert bis Tausend Volt) aus dem quadratischen Bereich der Kennlinie in einen annäherndlinearen Bereich gehoben werden.Da die Antriebskraft frequenzunabhängig räumlich homogen auf der Membranfläche angreift, wirddie Ausbildung von Partialschwingung sehr erschwert.

4 Lautsprecher Abstrahlung

Gegeben sei ein elektrodynamischer Lautpsrecher mit folgender Gehäusekonstruktion:

Abbildung 1: Elektrodynamischer Lautsprecher - Aufbau

Dabei ist der Membrandurchmesser x = 20 cm, das Volumen V = 30 L, der Öffnungsdurchmesserd = 5 cm unc die Länge l = 10 cm.

1) Unter der Annahme, dass sich die Membran wie ein starrer Kolben bewegt, skizzieren Sie dieRichtcharakteristik des Lautsprechers in einem Polardiagramm für eine Frequenz von f1 = 344 Hzund f2 = 3440 Hz.

Lösung:Die Abstrahlung des Lautsprechers folgt der sogenannten Spaltfunktion si(x) = sinx

x. Die genaue

Formel für den Schalldruck im Fernfeld ergibt sich zu:

pfern = pQsin(π x

λsin(θ))

π xλsin(θ)

(2)

Darin ist pQ die Schalldruck-Abstrahlung in 0 Grad-Richtung, x die Länge des Strahlers (in diesemFalle also gleich dem Membrandurchmesser x), λ die Wellenlänge der abgestrahlten Frequenz, die

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betrachtet wird und θ der Winkel gegen die 0 Grad-Richtung. Für tiefe Frequenzen (mit x << λ )ergibt sich eine annähernd kugelförmige Abstrahlung. Im konkreten Fall ergibt sich für die Frequenz344 Hz und einer Schallgeschwindigkeit von 344 m/s eine Wellenlänge von λ1 = c

f1= 344m/s

344Hz= 1m.

Die Formel für den Schalldruck ergibt sich also in Abhängigkeit von θ zu:

pfern,f1 = pQsin(π

5sin(θ))

π5sin(θ)

(3)

Bei einer Abstrahlrichtung von 90 Grad ergibt sich eine Abschwächung des Schalldrucks der 0 Grad-Richtung um den Faktor

sin(π5sin(π/2))

π5sin(π/2)

= 0.935. (4)

Das entspricht also einer Pegelabnahme von 20log10(0.935) = −0.579dB. Dies wird im folgendenBild (qualitativ) veranschaulicht:

Abbildung 2: Abstrahlungscharakteristik für f = 344Hz

Für höhere Frequenzen wird die Abstrahlcharakteristik zunehmend keulenförmig. Im Falle einesTons der Frequenz 3440 Hz (λ2 = 0.1m) ergibt sich der Schalldruck im Fernfeld zu:

pfern,f2 = pQsin(2πsin(θ))

2πsin(θ)(5)

Die Minima ergeben sich dann an den Stellen, an denen der Zähler null und der Nenner ungleich0 wird (also nicht für θ = 0 Grad!). Dies ist der Fall, wenn das Argument des Sinus in Zähler einganzzahliges Vielfaches von π annimmt:

sin(2πsin(θ)) = 0→ 2πsin(θ) = κπ → θ = sin−1(κ

2) (6)

Mit Einsetzen von κ = 1, 2 bekommt man θ1 = ±30 Grad und θ2 = ±90 Grad. Grafisch sieht dasGanze so aus wie in Abbildung 3.

2) Beschreiben Sie die frequenzabhängige Wirkung der Öffnung der ansonsten geschlossenen Boxmit der kreisförmigen Öffnung vom Durchmesser d und der Halslänge l. Bei welcher Frequenz wirddurch die Öffnung die meiste Schallleistung nach aussen abgegeben?

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Abbildung 3: Abstrahlungscharakteristik für f = 3440Hz

Lösung:Die Gleichung für die Resonanzfrequenz eines Helmholtz-Resonators lautet:

f0 =c

√S

V l(7)

Das Boxenvolumen und die Öffnung der Lautsprecherbox wirken gemeinsam als Helmholtzresona-tor. Die Resonanzfrequenz des Helmholtzresonators liegt dabei sehr tief, sodass sie die Abstrahlungtiefer Frequenzen unterstützt. Auf diese Weise ist es möglich, den Frequenzgang von Lautsprechernmit kleinen Membranen und schlechterer Abstrahlung im Tieftonbereich stärker an den konstan-ten Frequenzgang anzunähern. Die Abstimmung des Resonators erfolgt durch die Wahl der Längeder Röhre. Solche Lautsprecher werden als „Bassreflexboxen“ bezeichnet, die eingebaute Röhre als„Bassreflexröhre“. Die Resonanzfrequenz lässt sich also wie Folgend berechnen:

Querschnittfläche der Röhre:

S = πr2 = π(d

2)2 = π(

0.05m

2)2 = 1, 96 · 10−3m2 (8)

Volumen:

V = 30L = 30 · (10−1m)3 = 30 · 10−3m3 (9)

Resonanzfrequenz:

f0 =c

√S

V l=

344m/s

√1, 96 · 10−3m2

30 · 10−3m3 · 0, 1m= 44, 25Hz (10)

3) Skizzieren Sie den frequenzabhängigen Übertragungsfaktor des Lautsprechers, bestehend aus demelektrodynamischen Treiber und der in 2) diskutierten Öffnung der Box.

Lösung:Der Frequenzgang des elektrodynamischen Lautsprechers ergibt sich zu:Der prinzipieller Frequenzgang eines Helmholtz-Resonators ist ähnlicher deren eines Bandpass Filters1. Ordnung mit einer sehr tiefen Resonanzfrequenz:

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Abbildung 4: Frequenzgang elektrodynamischen Lautsprechers

Abbildung 5: Frequenzgang eines Helmholtz-Resonators

Da diese beiden Systeme parallelgeschaltet sind, erhält man das Gesamtsystem durch inkohärenteAddition der Amplitudengänge. Die Resonanzfrequenz des Helmholtzresonators wird so eingestellt,dass der Resonator dafür sorgt, dass der konstante Teil des Lautsprecherfrequenzgangs nach untenerweitert wird. In der folgenden Grafik wird veranschaulicht, wie das Ergebnis der Leistungsadditionder zweier Frequenzgänge aussehen kann (vereinfachtes Bild).

50 100 150 200 250 300 350 400−15

−10

−5

0

5

Frequenz

ab

s(H

1)

(dB

)

H1

50 100 150 200 250 300 350 400−15

−10

−5

0

5

Frequenz

ab

s(H

1)

(dB

)

H2

50 100 150 200 250 300 350 400−200

−100

0

100

Frequenz

ab

s(H

1)

(dB

)

H1 + H2 parallel

Abbildung 6: Veranschaulichung der Leistungsaddition zweier Frequenzgänge

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