1. Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren · Abraham nimmt diese Weisung auf und vertraut...

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1. Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren Leitgedanken: Gott suchen – Gott erfahren: was heißt das überhaupt? Die Gottesfrage als das „Kerncurriculum“ (Mirjam Schambeck) religiösen Lernens ist vielen S fremd geworden. Während einige mit ihr „fertig“ zu sein behaupten, Gott für sie kein Thema mehr zu sein scheint, ist anderen die Fraglichkeit Gottes selbst fraglich, weil ihnen seine Existenz sowie sei- ne Eigenschaften gegeben, nicht hinterfragbar sind. Die meisten S dürften sich zwischen diesen beiden Extremen befinden: angezogen von der Herausforderung, über den Gott der Bibel nachzudenken, aber zugleich nachhaltig ir- ritiert durch ein unterkomplexes naturwissenschaftliches Denken, in dem dieser Gott keinen Platz mehr hat. Aus dem Religionsunterricht der Grundschule sind die Kin- der mit wichtigen Gottes-Geschichten der Bibel vertraut: sie kennen Abraham, Jakob und Esau, Josef, Mose, selbst- verständlich Jesus, den 23. Psalm und das Vaterunser. Und doch fehlt es ihnen oft an Gewandtheit im Umgang mit diesen Geschichten: einmal, weil sie oft (aber keineswegs immer) entwicklungsbedingt ein heteronomes, absolutis- tisches Gottesbild entwickelt haben, vor allem aber, weil sie außerhalb des Religionsunterrichts diesem Gott nur selten begegnen und ihr Gottesbild wenig Gelegenheit findet, gleichsam mitzuwachsen. Der sogenannte Traditi- onsabbruch hat dazu geführt, dass für die meisten Kinder der Religionsunterricht zum einzigen religiösen Lernort ge- worden ist – es sei denn, sie wären in Kindergarten, Grund- schule oder zu Hause Kindern aus anderen Religionen, meist dem Islam, begegnet. Hier setzt das Eingangskapitel von „Leben gestalten“ an. Indem bewusst an Themen des Grundschulunterrichts angeknüpft und diese behutsam (Bindung Isaaks) weiter- geführt werden, sollen die S Angebote erhalten, die ihre Gottesvorstellung wachsen und reifen lassen können. Da- bei soll der intellektuellen Herausforderung, die die Aus- einandersetzung mit dieser Gottesvorstellung bedeutet, nicht ausgewichen werden: die Methode „Die großen Fra- gen“ (vgl. SB S. 25) lädt vielmehr dazu ein, nicht alles ein- fach hinzunehmen, sondern in eine Haltung der Kritik, des Staunens, der Reflexion hineinzuwachsen, um schließlich in ihr Gott als Grund des Fragens und Staunens zu finden. Die Geschichte Abrahams, die aus dem halbnomadischen Leben im Zweistromland in das Abenteuer des Gottvertrau- ens – mit all seinen Zweifeln und Abwegen – führt, soll die Kinder auf diesem Weg begleiten. Kompetenzen und Inhalte: Das Kapitel bedient im Wesentlichen folgende Standards des Bildungsplans: 1. Mensch sein – Mensch werden Die Schülerinnen und Schüler wissen, dass im christlichen Verständnis der Mensch von Gott geschaffen, angesprochen und zur verantwort- lichen Mitgestaltung der Schöpfung berufen ist. 2. Welt und Weltverantwortung Die Schülerinnen und Schüler können die Freude an der Schöpfung und Gefährdun- gen der Schöpfung exemplarisch aufzeigen; ein biblisches Beispiel in eigenen Worten wiedergeben, das dazu auffordert, Fremden respektvoll zu begegnen. 3. Hermeneutik: Bibel und Tradition Die Schülerinnen und Schüler können Bibelstellen auffinden und nachschlagen; kennen ausgewählte biblische Erzähltexte und Psal- mentexte. 4. Die Frage nach Gott Die Schülerinnen und Schüler wissen, dass Religionen von Gott in Bildern und Sym- bolen sprechen, und können ein biblisches Bild für Gott erläutern; kennen Lebensgeschichten von Menschen, die mit Gott ihren Weg gegangen sind. 7. Religionen und Weltanschauungen Die Schülerinnen und Schüler können an Beispielen zeigen, wie das Christentum im Judentum verwurzelt ist und einige Konsequenzen nen- nen, die sich für den Umgang der beiden Religionen miteinander ergeben. Zur Diagnose der Lernausgangslage: Gerade am Anfang des Religionsunterrichts des Gymna- siums, auf jeden Fall aber zu Beginn des Themas „Gott su- chen – Gott erfahren“ ist es wichtig, nicht nur das kognitive Vorwissen der Lernenden festzustellen, sondern auch ihre Fähigkeit, dieses Wissen mit Blick auf ihre eigene Religi- osität / Spiritualität, mit Blick auf die christliche Tradition sowie mit Blick auf fremde Religionen anzuwenden. Dazu bieten sich folgende Aufgabenstellungen an: 12

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1. Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

Leitgedanken:

Gott suchen – Gott erfahren: was heißt das überhaupt? Die Gottesfrage als das „Kerncurriculum“ (Mirjam Schambeck) religi ö sen Lernens ist vielen S fremd geworden. Während einige mit ihr „fertig“ zu sein behaupten, Gott für sie kein Thema mehr zu sein scheint, ist anderen die Fraglichkeit Gottes selbst fraglich, weil ihnen seine Existenz sowie sei-ne Eigenschaften gegeben, nicht hinterfragbar sind. Die meisten S dürften sich zwischen diesen beiden Extremen be finden: angezogen von der Herausforderung, über den Gott der Bibel nachzudenken, aber zugleich nach hal tig ir-ritiert durch ein unterkomplexes naturwissenschaft liches Denken, in dem dieser Gott keinen Platz mehr hat.

Aus dem Religionsunterricht der Grundschule sind die Kin-der mit wichtigen Gottes-Geschichten der Bibel vertraut: sie kennen Abraham, Jakob und Esau, Josef, Mo se, selbst-verständlich Jesus, den 23. Psalm und das Vaterunser. Und doch fehlt es ihnen oft an Gewandt heit im Umgang mit diesen Geschichten: einmal, weil sie oft (aber keineswegs immer) entwicklungsbedingt ein heteronomes, absolutis-tisches Gottesbild ent wickelt haben, vor allem aber, weil sie außerhalb des Religionsunterrichts diesem Gott nur selten begeg nen und ihr Gottesbild wenig Gelegenheit findet, gleichsam mitzuwachsen. Der sogenannte Traditi-onsabbruch hat dazu geführt, dass für die meisten Kinder der Religionsunterricht zum einzigen religiösen Lernort ge-worden ist – es sei denn, sie wären in Kindergarten, Grund-schule oder zu Hause Kindern aus anderen Religionen, meist dem Islam, begegnet.

Hier setzt das Eingangskapitel von „Leben gestalten“ an. Indem bewusst an Themen des Grundschulunterrichts angeknüpft und diese behutsam (Bindung Isaaks) weiter-geführt werden, sollen die S Angebote erhalten, die ihre Gottesvorstellung wachsen und reifen lassen können. Da-bei soll der intellektuellen Herausforderung, die die Aus-einandersetzung mit dieser Gottesvorstellung bedeutet, nicht ausgewichen werden: die Methode „Die großen Fra-gen“ (vgl. SB S. 25) lädt vielmehr dazu ein, nicht alles ein-fach hinzunehmen, sondern in eine Haltung der Kritik, des Staunens, der Reflexion hineinzuwachsen, um schließ lich in ihr Gott als Grund des Fragens und Staunens zu finden. Die Geschichte Abrahams, die aus dem halbnomadischen Leben im Zweistromland in das Abenteuer des Gottvertrau-ens – mit all seinen Zweifeln und Abwegen – führt, soll die Kinder auf diesem Weg begleiten.

Kompetenzen und Inhalte:

Das Kapitel bedient im Wesentlichen folgende Standards des Bildungsplans:

1. Mensch sein – Mensch werdenDie Schülerinnen und Schüler

● wissen, dass im christlichen Verständnis der Mensch von Gott geschaffen, angesprochen und zur verantwort-lichen Mitgestaltung der Schöpfung berufen ist.

2. Welt und WeltverantwortungDie Schülerinnen und Schüler

● können die Freude an der Schöpfung und Gefährdun-gen der Schöpfung exemplarisch aufzeigen;

● ein biblisches Beispiel in eigenen Worten wiedergeben, das dazu auffordert, Fremden respektvoll zu begegnen.

3. Hermeneutik: Bibel und TraditionDie Schülerinnen und Schüler

● können Bibelstellen auffinden und nachschlagen; ● kennen ausgewählte biblische Erzähltexte und Psal-

mentexte.

4. Die Frage nach GottDie Schülerinnen und Schüler

● wissen, dass Religionen von Gott in Bildern und Sym-bolen sprechen, und können ein biblisches Bild für Gott erläutern;

● kennen Lebensgeschichten von Menschen, die mit Gott ihren Weg gegangen sind.

7. Religionen und WeltanschauungenDie Schülerinnen und Schüler

● können an Beispielen zeigen, wie das Christentum im Judentum verwurzelt ist und einige Konsequenzen nen-nen, die sich für den Umgang der beiden Religionen miteinander ergeben.

Zur Diagnose der Lernausgangslage:

Gerade am Anfang des Religionsunterrichts des Gym na-siums, auf jeden Fall aber zu Beginn des Themas „Gott su-chen – Gott erfahren“ ist es wichtig, nicht nur das kognitive Vorwissen der Lernenden festzustellen, sondern auch ihre Fähigkeit, dieses Wissen mit Blick auf ihre eigene Religi-osität / Spiritualität, mit Blick auf die christliche Tradition sowie mit Blick auf fremde Religionen anzuwenden. Dazu bieten sich folgende Aufgabenstellungen an:

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Page 2: 1. Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren · Abraham nimmt diese Weisung auf und vertraut sich Gott an: er lässt Altes hinter sich, dieses Alte wirkt nach (Schatten) und

Vorstellungen von GottWelche Vorstellungen oder Bilder verbindest du mit dem Wort Gott? Zeichne, male oder beschreibe sie möglichst genau.

ÖÖ Die S werden dazu angeregt, „ihr“ Gottesbild zu malen oder in Worte zu fassen (vgl. auch AA 1 auf S. 8). Der Lehr-kraft ermöglichen diese Darstellungen wertvolle Einblicke in den Kenntnis- und Entwicklungsstand der S.

ABC der GottesnamenEntwerft ein ABC der Gottesnamen. Überlegt euch für je-den Buchstaben des Alphabets einen passenden Gottesna-men: der Allmächtige, der Barmherzige, der Chaosbezwin-ger usw.

ÖÖ Die S entwerfen ein „ABC der Gottesnamen“ (in Anleh-nung an die islamische Tradition der 99 Namen Gottes). An-gesichts „schwieriger“ Buchstaben (C, X, Y) ruft der Impuls nicht nur das Vorwissen der S ab, sondern zugleich ist die sprachliche Kompetenz gefragt und gefordert.

„Ich bin der Gott, an den keiner mehr glaubt“.Der Dichter Wolfgang Borchert hat vor über 60 Jahren in ei-nem Theaterstück einen alten Mann auftreten lassen: Gott. Dieser Gott klagt: „Ich bin der Gott, an den keiner mehr glaubt“. Verfasse eine kurze Rede, die mit diesem Satz be-ginnt.

ÖÖ Die „Reden“ sollten eingesammelt und in Ruhe ausge-wertet werden. Die Auswertung eröffnet L Einblicke in den Entwicklungsstand der S: welches Gottesbild artikulieren die S, welche Handlungsmöglichkeiten billigen sie ihm zu, welche Gründe formulieren sie für die Entfremdung von Gott und Mensch? Die so gewonnenen Einsichten müssen bei der konkreten Planung und Umsetzung der UE berück-sichtigt werden.

Alle Vorschläge zielen auf eine erste reflexive Auseinander-setzung mit der Gottesfrage, zu der bekannte Inhalte / Ge-schichten erinnert und bearbeitet werden müssen. Sie pro-vozieren unterschiedliche Reaktionen, die als Hilfe stellung für die Planung der weiteren Unterrichtsreihe wahrgenom-men und genutzt werden sollen. Erwartbar zu Möglichkeit 1 sowie zu Möglichkeit 3 ist der Hinweis, dass es nicht statt-haft sei, sie Gott bildlich oder gar menschlich vorzustellen. Hier sollte ggf. behutsam auf die Menschwerdung Gottes hingewiesen werden, durch die das Bilderverbot relativiert wird: Christus selbst ist das „Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15).

1. Bildeinstiegsseite (S. 7)

Hinweise zum Bild:Die Wiener Genesis ist eine vermutlich im 6. Jahrhundert in Syrien entstandene illustrierte Handschrift der Genesis in der Übersetzung der Septuaginta. Der Bild ausschnitt stellt den Dialog zwischen Gott und Abraham nach Gen 15,1–5

dar. Die wenigen Bildelemente sind hoch symbolisch: eine geöffnete Tür im Rücken Abrahams, ein langer Schatten, der sich nach rechts verjüngt, Abrahams Hände sind ehr-fürchtig verhüllt, sei ne Gestalt ist hell gekleidet. Gott er-scheint als Hand, den Arm umhüllt ein Stoff, der die Farben des rest lichen Bildes aufnimmt und die Schöpfermacht Got tes andeutet. Die Hand weist ins Leere. Abraham nimmt diese Weisung auf und vertraut sich Gott an: er lässt Altes hinter sich, dieses Alte wirkt nach (Schatten) und geht ins Ungewisse. Im Mut, sich auf dieses Un gewisse einlassen zu können, erfährt er Gottes be frei ende Macht.

Hinweise für den Unterrichtsverlauf:

Vorbereitung:Ggf. Bild „Die Verheißung an Abraham“ auf Folie kopieren oder das Bild „Mose und der brennende Dornbusch“  M 1  à S. 21 in entsprechender Anzahl kopieren

Hinführung:Die S betrachten und beschreiben das Bild.

Erarbeitung:Sie unternehmen erste Deutungsversuche der Bild ele men-te. Die Bildersprache ist für die S gut zugänglich, die oben angedeutete Interpretation auch in einer 5. Klasse erreich-bar. Irritierend für die S sind mög licher wei se die „Hörner“ Abrahams, die sich als Brüche im Perga ment erklären lassen. Die Haltung der ehrfürchtig verdeck ten Hände ist Ministrant / innen u. U. aus Sakra ment s an dach ten (Velum, sakramentaler Segen) vertraut und soll te thematisiert wer-den. Sie erinnert zudem an das Mär chen motiv aus „Stern-taler“.

Vertiefung:S vergleichen den Aufbruch Abrahams (Gott gewährt neue Möglichkeiten, eröffnet neue Perspektiven) mit der Lösung des Sterntaler-Märchens: Das Mädchen wird für Selbst-losigkeit belohnt „und war reich für sein Lebtag“, bei Ab-raham führt die Begegnung mit Gott dagegen zu einem Aufbruch ins Neuland. Den S soll deutlich werden, dass die Begegnung mit Gott Menschen herausfordert, Neues zu beginnen.

ÖÖ Querverweis:

Dieses Bild kann auch im Kontext des Kapitels „Religionen haben ihre eigene Sprache“, ins besondere S. 171, und der Methodenseite „Bilder sehen lernen“, S. 119, eingesetzt werden. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, von der Doppelseite 12 / 13 aus auf dieses Bild zurückzugreifen, Deutungen zu überprüfen, ggf. zu er wei tern oder das Bild erst an dieser Stelle ausdrücklich zu thematisieren.

Alternativer Einstieg:Anstelle der Bildbetrachtung „Die Verheißung des Ab-raham“ kann auch das Bild „Mose und der brennende Dornbusch“  M 1  à S. 21 in Form einer Kopiervorlage als Einstieg genutzt werden. Die S können die Kopiervorlage

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

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farbig ausmalen. Die so entstandenen bunten Bilder kön-nen besprochen, erklärt und zur Deutung der Theophanie-Erzählung verwendet werden. Das Bild ruft die Erinnerung an die Dornbuscherzählung wach und bringt z. B. den Doppelcharakter der Begegnung mit dem Heiligen nach R. Otto, die Dialektik des Tremendum und Faszinosum, das den S aus der Rezeption von (z. B. Kriminal-)Filmen in einer säkularen Variante vertraut ist, zum Ausdruck: Gott begeg-net als das, das mich bis ins Letzte fasziniert, aber mich zugleich zurückschrecken lässt.

2. Wie Menschen sich Gott vorstellen (S. 8 / 9)

Diese Doppelseite will zum Theologisieren mit Kindern anregen1 (vgl. auch S. 25, Methode: Die großen Fragen): Kinder sind nicht nur Empfän ger von Theologie oder Ver-kündigung, sondern selbst Subjekte ihrer reli gi ösen Vor-stellungen. Kinder sind „Theologen“ (Anton A. Bucher). Kindertheologie lässt sich – nach Friedrich Schweizer – un-terscheiden in eine Theologie der Kinder, eine Theologie mit Kindern und eine Theologie für Kinder. Alle drei As-pekte sind bedeutsam: Kinder sollen ermutigt werden, ihre eigenen Gottesvorstellungen zu artikulieren und zu reflektieren (Theologie der Kinder), sie sollen als Subjek-te ihrer Gottesvorstellungen geachtet werden (Theologie mit Kindern) und sie haben einen Anspruch auf ihnen entsprechende und sie ansprechende Theologie – auf den folgenden Seiten in Aus einandersetzung mit der Abraham-Geschichte entwickelt. Religiöse Kompetenz braucht und bildet diese Fähigkeit zur Artikulation und Reflexion von Gottesvorstellungen in Auseinandersetzung mit der christ -lichen Tradition.Die gängigen Theorien zur Entwicklung des religiösen Ur-teils (Fowler, Oser / Gmünder) können eine Hilfe stel lung bei der Deutung der Gottesbilder geben, sind aber nicht über-zubewerten.

Hinweise für den Unterrichtsverlauf:

Vorbereitung:Je nach Lernausgangslage sollte aus den AA auf den S. 8 / 9 ausgewählt werden. Für AA 2 auf S. 9 müssen geeignete (z. B. Orff-)Instrumente bereitstehen oder von den S mitge-bracht werden. Auch ist es möglich, mit Alltagsmaterialien Geräusche zu erzeugen. Ggf. sollte ein geeigneter Raum aufgesucht werden, um andere Klassen nicht zu stören. Es bietet sich eine Kooperation mit dem Fach Musik an.

1 Hilfreiche und kurz gefasste Hinweise zum Konzept der Kindertheologie bieten: Friedhelm Kraft / Martin Schreiner, Zehn Thesen zum didaktisch-methodischen Ansatz der Kindertheologie, in: Theo-Web. Zeitschrift für ReligionsPäd ago gik 6 (2007), H. 1, 21–24 (https://www.theo-web.de / zeit-schrift / ausgabe–2007–01 / 4.pdf).

Hinführung:Entweder über AA 1 (S. 8) oder über die Bilder auf S. 8 wer-den die S angeregt, ihre Gottesvorstellungen zu themati-sieren und zu reflektieren. Hierfür muss ihnen unbedingt Zeit eingeräumt werden.Alternativ können die Bilder auch nur betrachtet und dann über AA 2 (S. 8) analysiert werden – dabei kommt aber die Thematisierung der individuellen Vorstellungen (an und mit denen der weitere Unterricht arbeitet) zu kurz!

Erarbeitung I:Als Anleitung zur Reflexion in konstruktiver Auseinander-setzung mit der jüdisch-christlichen Tradition (Dekalog, Schöpfung) thematisiert AA 3 (S. 8) das Bilderverbot. Hier sollten die S im gemeinsamen Gespräch die Aporien ihrer Aussagen über Gott entdecken und the matisieren lernen. Die Lehrkraft kann das Gespräch über einen Impuls (TA) behutsam lenken:

„Der Gott, den wir sehen / abbilden / verstehen, ist nicht Gott.“

Hausaufgabe:AA 4 (S. 8) das nimmt die Thematik des Schöpfergottes auf und leitet an, Konsequenzen des biblischen Gott-Denkens in den Blick zu nehmen. Der AA sollte als Hausaufgabe (über einen längeren Zeit raum!) gegeben werden und erst nach der Bearbeitung der Bindung Isaaks (s. S. 16 / 17) aus-gewertet werden.

Erarbeitung II:Der Textauszug aus „Anna schreibt an Mister Gott“ auf S. 9 bietet eine Alternative zum Einstieg über die Gottesbilder auf S. 8. Vor allem aber leitet er zur weiteren Reflexion der Gottesvorstellungen an, indem die Logik des Gott-Denkens eingeführt wird. Anna führt sich widersprechende Attribu-te Gottes an, die sich auch in den Schülervorstellungen ge-funden haben könnten. Als Lösung der logischen Probleme des Redens über Gott klingt im letzten Satz die Möglichkeit der Anrede Gottes („Mister Gott“) an.AA 2 (S. 9, Tonbild von Gott) schließt hier an, indem ein emotionaler Zugang zur Gottesthematik aufgeführt wird. Adressat dieser Aufführung kann Gott selbst sein (ohne dass dies ausdrücklich thematisiert werden sollte; wenn S diesen Aspekt einbringen, soll er aber stehen bleiben). Diese Adressierung Gottes im aufführenden Gebet wird fortgesetzt auf S. 33, AA 3 („Lied der Trommel“).

3. Den eigenen Weg gehen (S. 10 / 11)

Hinweise für den Unterrichtsverlauf:

Vorbereitung:Die Lehrkraft verfasst und erprobt einige Wegbeschrei-bungen durch das Schulgebäude, um das Spiel aus AA 2 (S. 10) vorführen zu können. Muster: Gehe vom Klassenzim-mer aus ca. 10 Schritte nach links, dann …Weiterhin müssen  M 2  à S. 22 auf Folie sowie die Ar-

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

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beitsblätter  M 3  à S. 23 und  M 4  à S. 24 in ausreichen-der Anzahl kopiert werden.

Hinführung:L lädt die S ein, Gedankenspaziergänge durch das Schulge-bäude zu unternehmen (AA 2, S. 10).

Erarbeitung:Die Lerngruppe spricht über die „Spaziergänge“ durch die Schule. L bittet, Anfangsgeschichten aus den ersten Schul-tagen zu erzählen (vgl. AA 1, S. 10). Wie haben die S sich im neuen Schulgebäude gefühlt? Wie haben sie sich zurecht-gefunden? Wer oder was hat ihnen geholfen?L kann dabei die Begriffe Irrgarten und Labyrinth einführen (Info-Box, S. 10), um die Erfahrungen besser zu beschreiben.Nach der Lektüre des Sachtextes auf S. 10 sammeln die S, wer ihnen hilft, den eigenen Weg zu gehen. L trägt die Be-griffe (TA) zusammen:Eltern, Lehrer / innen, Wegweiser …

Vertiefung:AA 3 (S. 10) soll die S dazu anregen, ein Bild für ihr eigenes Leben zu finden. L präsentiert  M 2  à S. 22 (das Labyrinth der Kathedrale von Chartres) auf Folie, weist auf seinen spezifischen Aufbau hin und überlegt gemeinsam mit den S, welche Bedeutung Labyrinthe in Bezug auf den Lebens-weg haben könnten. So zum Beispiel machen Labyrinthe darauf aufmerksam, dass jemand (Gott) unser Leben zu einem Ziel begleiten will.

In der nächsten Unterrichtsstunde erarbeiten die S in einer „Lesekonferenz“ eigenständig die Geschichte von Kosmos und Neuner (S. 11). Der kurze Textauszug aus Jutta Richters Jugendbuch „Hinter dem Bahnhof liegt das Meer“ lädt ein, die religiöse Dimension des Wegbegleitermotivs zu erkun-den. Mithilfe von  M 3  à S. 23 erarbeiten sich die S einen Zugang zur Geschichte.Nach dessen Bearbeitung erhalten sie  M 4  à S. 24, das die Fortsetzung der Geschichte skizziert.

Hinweis:Lehrkräfte, die nicht oder nicht (nur) mit der Abraham-Geschichte arbeiten wollen (die wegen ihres Potenzials für das interreligiöse Lernen und die Begegnung mit dem Islam allerdings von großer Bedeutung ist!), können an die Schutzengel-Geschichte gut anschließen, indem sie die Tobit-Geschichte aus der Bibel bearbeiten. Das IRP Freiburg (www.irp-freiburg.de) bietet hierzu immer noch den aus einzelnen Unterrichtshilfen zusammengestellten Band „Glaubenspuren“ an, auf den hier verwiesen werden kann.

4. Abraham bricht auf (S. 12 / 13)

Mit dieser Doppelseite beginnt eine kleine thematische Einheit (S. 12 bis 19) zur Abraham-Geschichte. Der Ge-schichtenzyklus verbindet Judentum, Christentum und Is-lam; an unterschiedlichen Akzentuierungen (Gen 22 / Sure 37:102–109) werden verschiedene Aus prä gungen des Glau-

bens an den Gott Abrahams deutlich, deren Kenntnis die interreligiösen Kompetenz der S fördern soll.Doch handelt es sich um mehr als um ein Vehikel der in-terreligiösen Verständigung. Als zentrale Geschichte der jüdisch-christlichen Tradition ist die Kenntnis des Abra-ham-Zyklus ebenfalls von großer Bedeutung. Sie hat, mit einem Wort Rudolf Englerts, reale „Macht“ über Menschen gewonnen.2 An der Abraham-Ge schich te kann deutlich werden, dass die Begegnung mit dem Gott Abrahams Menschen „bildet“, indem er sie herausfordert. Aus diesem Grund wurde auf die Be handlung der schwierigen Passage Gen 22 nicht verzichtet: gerade hier, wo die Verheißung auf dem Spiel steht, steht Gott selbst auf dem Spiel. Für die S steht bei der Besprechung dieses Textes nicht weniger als ihr eigenes Gottesbild auf dem Prüfstein: Ist der liebe Kin-dergott, den nicht wenige von ihnen mit sich tragen, wirk-lich so lieb – oder nicht doch zuweilen auch fern, unnahbar, fremd, beängstigend?Schließlich steht im Hintergrund die existenzielle Frage nach der Erfahrbarkeit Gottes in unserer Wirklichkeit. Alle Arbeitsaufträge zielen darauf, diese Erfahrbarkeit nicht in material fassbaren Begebenheiten, sondern in der befrei-ten Freiheit des Menschen zu entdecken: sowohl am Bei-spiel Abraham, der als Halbnomade in fortgeschrittenem Alter Neues beginnt, indem er sich auf die Herausforde-rung des Gottesgedankens einlässt, als auch am Beispiel Saras, deren ungläubiges Staunen den Anbruch des Neuen nicht aufhält, sondern sogar vorwärtsbringt (Isaak erinnert in seinem Namen bis heute an das ungläubige Lachen Sa-ras).

Um den Charakter der Abraham-Geschichten als einen ei-genen Geschichtenzyklus den S zu verdeutlichen, bietet es sich an, bei den Hefteinträgen auf verschiedene „Kapitel“ der Abrahamerzählung aufmerksam zu machen. Dies wird jeweils bei der Vorbereitung zu den Stunden als TA mitauf-geführt.

Projektvorschlag:Falls die Arbeit mit „Leben gestalten“ mit diesem Kapitel zu Beginn des Schuljahres begonnen hat, bietet es sich an, anhand des Bildes von Gerhard Richter mit der Vorberei-tung der Gestaltung eines Adventskalenders zu beginnen (etwa Anfang November), der unter dem Leitmotiv „Eine neue Seite aufschlagen“ steht. Analog zu AA 1 (S. 13) könn-ten die S Situationen / Per sonen suchen / benennen, durch die „eine neue Seite“ aufgeschlagen wird (je nach Schulsi-tuation können weitere Klassen mit einbezogen werden). Nach Recherche und Gestaltung einer Seite in hinreichen-der Größe für eine Ausstellung (mind. DIN A3) werden die Seiten durch eine weitere Seite abgedeckt, die analog zu Richters Bild so präpariert wird, dass die rechte untere

2 Englert nennt als eine Grundfrage religiöser Bildung: „Welchen Ge-schichten will ich Macht über mich geben?“ Um der Macht religiö ser Ge-schichten auf die Spur zu kommen, müssen diese Geschichten zunächst gekannt werden!

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

Page 5: 1. Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren · Abraham nimmt diese Weisung auf und vertraut sich Gott an: er lässt Altes hinter sich, dieses Alte wirkt nach (Schatten) und

Ecke nach vorn gewölbt ist und so zum Aufblättern einlädt. Im Advent können diese Plakate an geeigneter Stelle Tag für Tag ausgestellt und in Ge brauch genommen werden.

Hinweise für den Unterrichtsverlauf:

Vorbereitung:Evtl. Karte des Vorderen Orients (analog der Karte auf S. 12) besorgen; TA: 1. Kapitel: Abraham bricht auf

Hinführung:Die Klasse betrachtet das Bild „Umgeschlagenes Blatt“ von Gerhard Richter (S. 13). L bittet S, Situationen zu überlegen, in denen „eine neue Seite“ im Leben aufgeschlagen wird (Geburt, Umzug, Hochzeit, Schulwechsel …). L kann die Er-gebnisse an der Tafel protokollieren.

Erarbeitung:S lesen den Text auf S. 12 einschließlich der Worterklärun-gen auf S. 13. Auf der Karte S. 12 sollte der Weg von Abra-ham nachvollzogen werden. Steht eine Wandkarte zur Verfügung, kann zusätzlich die Entfernung, die Abraham in der Erzählung zurücklegt, ermittelt werden. Den S sollte bewusst werden, dass Abraham nicht nur einen Ortswech-sel vollzieht, sondern seine Lebenssituation wechselt: die regional gebunde nen Halbnomaden wechseln in eine Ge-gend, die jenseits ihrer Vorstellungskraft liegt.Um den S eine erste Identifikation mit Abraham zu er mög-lichen, bietet sich AA 1 (S. 12) an. Die Farbgebung sollte durch die S später erläutert werden. (AA 1 [S. 183] bietet einen ähnlichen AA, auf den ggf. Bezug genommen werden kann.) An dieser Stelle bietet es sich auch an, die Bedeu-tung von Farben zu thematisieren.

TA: Farben

Die Farbe … steht für … im Christentum:

Weiß Licht, Sauber-keit, Hellig-keit, Freude; Festfarbe

Erste „Grundfarbe“ des Christentums: Taufkleid, Erstkom-munion; Unterge-wand des Priesters im Gottesdienst, Gewandfarbe der Ministrant / innen, Festfarbe

Grün Hoffnung, Frühling, Natur

Zweite „Grundfar-be“: Hoffnungsfar-be, z. B. an Sonnta-gen außerhalb der Festzeiten

Rot Liebe, Blut, Warnfarbe

Farbe der Be-GEIST-erung (Pfingsten), der Märtyrer

Die Farbe … steht für … im Christentum:

Violett Farbe des Übergangs, der Dämme-rung, des Geheimnis-vollen

Farbe der Umkehr und Buße (Advent, österliche Bußzeit)

Blau Himmel, Wei-te, Ferne …

Marienfarbe

Schwarz Dunkelheit, Trauer

Selten: Beerdigung

Grau Angst, Bedro-hung, Nebel, Ungewissheit

Gelb / Gold Helligkeit, Reichtum, Licht

– (wird verwendet, um liturgische Gerä-te und Gewänder zu verzieren)

Braun Erde –

Vertiefung / Weiterarbeit:Hierbei bieten sich verschiedene Wege an.

● Eher kognitiv ausgerichtet ist AA 2 (S. 12). Hier soll in einem Dialog (evtl. unter Hinzunahme der Methoden-seite zu Rollenspielen, S. 139) diskursiv geklärt werden, was für und was gegen einen Aufbruch ins Ungewisse spricht.

● Der Rückgriff auf das Einstiegsbild des Kapitels (S. 7) in Verbindung mit Gen 15,5 erlaubt einen stärker emotio-nalen Zugang. L lädt dazu ein, das Bild auf S. 7 gemein-sam zu betrachten und zu beschreiben. Erst, wenn mög-lichst viele der symbolischen „Botschaften“ des Bildes beschrieben worden sind, dürfen die S das Bild deuten: den Schatten, den Abraham wirft (und der ihn in der Vergangenheit festhält?), den Blick, die Hände – aber auch die Farben von Gottes „Ringelpulli“, die die Farben der von ihm geschaffenen und mit ihm verbundenen Erde sind.

● Auf jeden Fall muss der Kinderwunsch von Abraham und Sara thematisiert werden. Dies kann im Anschluss an das Bild auf S. 7 geschehen oder – kürzer – nach der Lektüre von Gen 15,5. Die Bedeutung kann den S über eine zweite Kapitelüberschrift als Hefteintrag bewusst gemacht werden: 2. Kapitel: Die Nachkommen Abra-hams und Saras. Die Erarbeitung kann in einer eigenen Stunde erfolgen.

Vorbereitung:TA: 2. Kapitel: Die Nachkommen Abrahams und Saras; Lied „Kinder“ der Wise Guys (Clip im Internet unter www.wise-guys.de) oder ggf. ein anderes aktuelles, gut verständliches Lied zum Thema besorgen, ggf. Liedtext als Kopiervorlage vorbereiten

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

Page 6: 1. Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren · Abraham nimmt diese Weisung auf und vertraut sich Gott an: er lässt Altes hinter sich, dieses Alte wirkt nach (Schatten) und

Hinführung:L erinnert S an das Bild von Gerhard Richter. Diesmal steht die leere neue Seite im Vordergrund. Abraham hat sich auf den Weg gemacht – aber das, was er und Sara sich wün-schen, nämlich ein Kind, ist nicht da.

Erarbeitung:L spielt den S das Lied „Kinder“ der Wise Guys vor. Der Lied-text kann den S ausgeteilt werden. Das Gespräch über das Lied sollte darauf aufmerksam machen, dass eigene Kinder die Perspektive der Eltern auf die Kinder und auf die Welt grundsätzlich verändern.Daran anschließend kann AA 2 (S. 13) bearbeitet werden: Die S suchen nach Gründen, warum Abraham und Sara sich nach einem Kind sehnen. Dabei werden die S zu einem Per-spektivenwechsel angehalten: sie müssen sich in die Rolle von Eltern versetzen, die sich ein Kind wünschen (das sie selbst ja sind). Da einige der S möglicherweise auch schon die Erfahrung gemacht haben, nicht erwünscht zu sein, sollte mit entsprechenden Antworten unbedingt behut-sam umgegangen werden.Wenn es sich jahreszeitlich ergibt, kann z. B. anhand des Bildes auf S. 109 auch noch thematisiert werden, welche Rolle Kinder in unserer Gesellschaft an Weihnachten spie-len: als Projektionsfläche eigener Wünsche und Sehnsüch-te, als Ort von Heimat (Ernst Bloch) und Geborgenheit usw.

Als Vertiefung / Projekt kann – auch hier evtl. in Verbindung zu einem Weihnachtsgottesdienst – AA 3 (S. 13) in der Klas-se geplant und durchgeführt werden.

5. Auf dem Weg mit Gott (S. 14 / 15)

Hinweise für den Unterrichtsverlauf:

Vorbereitung:TA: 3. Kapitel: Gott zu Gast bei Abraham und Sara;Digitalkamera

1. Stunde

Hinführung:L liest den S die Abraham-Erzählung (S. 14) Gen 18,1–15.21,1–3 vor.

Erarbeitung:AA 1 (S. 14) wird in Gruppen bearbeitet. L achtet darauf, dass die verschiedenen dargestellten Szenen die ge samte Geschichte widerspiegeln. Die fertigen Stand bilder werden vor der Klasse präsentiert, gedeutet und fotografiert.

Vertiefung:Die S bearbeiten AA 1 (S. 15).

Hausaufgabe:Die S erhalten den Auftrag, Materialien zum Thema: Be-gegnung (v. a. mit fremden Menschen) für eine Collage mitzubringen, z. B. Bilder von ankommenden Reisenden, Flüchtlingen, Asylsuchenden.

2. StundeVorbereitung:L stellt aus den Fotos, die in der letzten Stunde nach AA 1 (S. 14) entstanden sind, ein Arbeitsblatt zusammen, auf dem der Text Gen 18 in Einzelszenen abgebildet ist, und vervielfältigt das AB. (Hinweis: Die Fotos sollten nicht in der „richtigen“ Reihenfolge abgedruckt werden.Materialien für eine Collage mitbringen (lassen); ggf.  M 5 à S. 25 „Jalda“ als Kopiervorlage bereitstellen

Hinführung:Als Wiederholung werden die vorbereiteten Foto-Arbeits-blätter ausgeteilt. Die S sollen die Fotos ausschneiden und in die richtige Reihenfolge bringen, eine passende Be-schriftung suchen und die Fotos ins Heft kleben. Da es in der Stunde um das Verhalten Abrahams zu den Fremden geht, sollte AA 1 (S. 15) herangezogen werden, um die Be-gegnung mit den Fremden noch deutlicher herauszustel-len.

Erarbeitung:L bittet die S, AA 2 (S. 14) zu bearbeiten. Die fertigen Colla-gen werden am Ende der Stunde im Plenum präsentiert.

Vertiefung:L. liest  M 5 à S. 25 vor (alternativ: teilt den Text in Kopie aus). L bittet die S, Fremdheitserfahrungen, die im Text ge-nannt werden, zu benennen. Die Erfahrungen werden an der Tafel gesammelt (TA):

● Jalda und ihre Eltern stammen aus Afghanistan, sie sind in Deutschland fremd

● die Religion / Kultur in Deutschland ist ihnen fremd ● die religiösen Bräuche (Kopftuch!) Jaldas sind den

Mitschüler / innen fremd ● Jalda will sich vor Fremden nicht leicht bekleidet zei-

gen, das, was Jalda schwer fällt [schwimmen], ist für uns „normal“

● …

Danach werden die genannten Punkte sortiert (Fremd-heitserfahrungen der S, Fremdheitserfahrungen Jaldas). Abschließend suchen die S nach Kompromisslösungen. Da-für kann auf S. 188 f. (Wenn es zum Streit kommt) zurückge-griffen werden, um Vorurteile zu dechiffrieren.

Alternativvorschlag zur Vertiefung:L erinnert die S an die Szene Ex 3 (Offenbarung an Mose, vgl. auch Kopiervorlage „Dornbusch“  M 1  à S. 21 und die Fremdheitserfahrung des Mose, die Gott durch die Nen-nung seines Namens und die Erinnerung, dass bereits die Väter ihm vertraut haben, überwindet. Den S wird die Doppelfunktion von Namen bewusst: sie überwinden Fremdheit und schaffen Vertrauen; sie gehören zu den Charakteristika einer Person; sie geben der Person „eine Geschichte“.Über AA 2 (S. 15) kann diese Funktion von den S mit Blick auf ihre eigene Namensgeschichte überprüft wer den.

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

Page 7: 1. Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren · Abraham nimmt diese Weisung auf und vertraut sich Gott an: er lässt Altes hinter sich, dieses Alte wirkt nach (Schatten) und

6. Abrahams Gott ist anders (S. 16 / 17)

Die Doppelseite ist von entscheidender Bedeutung für die Reflexion des Gottesbildes der S. Es ist damit zu rechnen, dass einige S durch die Geschichte starke Irritationen ih-res Gottesbildes erfahren. Diese bergen – oft unvorherseh-bar – große Lernchancen. Auf entsprechende Äußerungen der S sollte daher behutsam eingegangen werden.

Hinweise für den Unterrichtsverlauf:

Vorbereitung:Für Bildrecherche AA 2 (S. 17) Computerraum;TA: 4. Kapitel: Abrahams Gott ist anders

Hinführung:Die S betrachten und beschreiben das Bild von Remb-randt ausführlich. Deutlich werden sollte das Erschre cken im Gesicht Abrahams sowie das Entsetzen im Ge sicht des Engels, den Abraham nicht sehen kann. Die S sollten er-kennen, dass in Rembrandts Interpretation die Einsicht Ab-rahams in das, was er tut, eine Erfahrung der Güte Gottes ist, die keine Menschenopfer will. Zur Erläuterung sollte der abgedruckte Bibeltext Gen 22 hinzugezogen werden. Abschließend fassen die S ihre Ergebnisse in kurzen Texten zusammen (AA 1, S. 17).

Erarbeitung I:Im Zentrum der Stunde steht die Erarbeitung der Mehr-dimensionalität des biblischen Textes, der nicht nur eine Botschaft über den Glauben Abrahams, sondern auch eine Erinnerung an die Überwindung der Menschenopfer ent-hält und beide Perspektiven für uns heute miteinander ver-mischt. Mithilfe des Sach tex tes auf S. 16 erarbeiten sich die S weitere Zugänge zum Text. Sie fassen die verschiedenen Perspektiven zusammen. Dazu notiert der / die L die beiden ersten Zeilen des TA (s. u.) an der Tafel, die die S ergänzen (Beispiele in Klammern). L fasst die beiden Sätze an der Tafel schriftlich zusammen. S übernehmen den TA ins Heft:

Abraham glaubt … (Gott will, dass ich meinen Sohn opfere)Abraham lernt … (Gott will nicht, dass ich meinen Sohn opfere)Abraham entdeckt, dass Gott anders ist, als er glaubt.

Wer Gott glaubt, lernt Gott kennen.

Erarbeitung II:Ggf. ist es sinnvoll, den Bibeltext mit der entsprechenden Sure im Koran zu vergleichen (Hinweise zum Koran finden sich im SB auf S. 77).

ÖÖ Sure 37: 102–109

Und als er das Alter erreichte, wo er mit dem Vater (Ibra-him) arbeiten konnte, sagte dieser: „O mein lieber Sohn, ich sehe im Traum, dass ich dich opfere, überlege nun, was du meinst“. Er erwiderte: „O mein Vater, tue, was dir befoh-len, du wirst mich, so Gott will, als einen der Standhaften

finden“. Und als die beiden sich dem Befehl Gottes gefügt und er ihn auf die Schläfe gelegt hatte, da riefen wir ihn: „O Ibrahim, du hast wirklich das Traumgesicht wahr gemacht! Also belohnen wir die Rechtschaffenen.“ Dies, dies war of-fenbare Prüfung und wir lösten ihn (den Sohn) durch ein großes Opfer, aus und ließen sein (Ibrahims) Gedenken un-ter den Späteren weiterleben. Friede sei über Ibrahim. Also belohnen wir die Rechtschaffenen.

Die S stellen fest, dass sich die Geschichten unterscheiden: Der Sohn (der im Koran keinen Namen trägt) willigt in sei-ne Bindung und Opferung ein, während er in der Bibel zu-letzt sprachlos bleibt, nur eingangs Fragen stellt. Weil der Sohn Abrahams in das Opfer einwilligt, wird er von Gott „durch ein großes Opfer“ ausgelöst. Hier liegt der Schwer-punkt auf der Be gründung des Opfers, während die Bibel den Schwer punkt darauf legt, dass Isaak nicht geopfert wird.

Vertiefung:Die Rezeptionsgeschichte der Erzählung von der Bindung Isaaks gibt verschiedene Deutungen der Erzählung frei. Die S können den AA 2 (S. 17) bearbeiten und nach Bildern re-cherchieren sowie deren Deutung ergründen.

7. In der Wurzel vereint (S. 18 / 19)

Die Doppelseite zeigt auf, dass die Abraham-Ge schichte Grundlage für den „Trialog“ der Religionen bilden kann. An dieser Stelle kann es sinnvoll sein, weitergehende Informa-tionen zum Islam zu geben.

Hinweise für den Unterrichtsverlauf:

Hinführung:L und S betrachten das Stammbaum-Bild auf S. 19. Die S äußern anhand der dargestellten Symbole (Kleidung, Tora, Text: 12. Sure / Koran, NT) Vermutungen über die Bedeu-tung an. Die Zeichnung, in der Judentum und Christentum „Nebenzweige“ darstellen, kann thematisiert / kritisch hin-terfragt werden.

Erarbeitung:Die S erarbeiten die Texte auf S. 18 mithilfe von AA 2. Mög-liche Lösung:

Judentum Y Christentum V Islam Z

Avram Abraham Ibrahim (Name)

zerstört Statu-en der Götzen

glaubt nicht an Stern, Sonne, Mond

glaubt an den einen Gott

glaubt an den einen Gott

glaubt an den einen Gott

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

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Vertiefung:AA 4 kann hier oder als Abschlussaufgabe für die ge samte UE verwendet werden. Dann kann AA 3 als Ab schluss des Abraham-Zyklus verwendet werden.

8. Gott erfahren (S. 20 / 21 und 22 / 23)

Diese vier Seiten thematisieren gestufte Gotteserfahrun-gen: das Sprechen über oder von Gott, das Glauben Gottes, das Sprechen mit Gott und die liturgische Feier. Die Seiten können nacheinander bearbeitet wer den oder in arbeits-teiliger Gruppenarbeit.

Hinweise für den Unterrichtsverlauf:

Vorbereitung:Arbeitsaufträge kopiert für alle Gruppen vorbereiten; Ge-betbücher, Präsentationsmaterialien (Plakatkarton) bereit-stellen

Hinführung:L erinnert die S an die vielen Gottesbilder, die die S im Ver-lauf der UE entwickelt bzw. kennengelernt haben. Das Got-tesbild der jüdisch-christlichen Tradition hat eine klare Op-tion: es ist die Vorstellung eines personalen Gegenübers, das eine Beziehung zu uns haben will.Alternativ wird der Text auf S. 24 gelesen, um im Kontrast zu anderen Gottesvorstellungen das monotheistische und personale Bild der eigenen Tradition zu profilieren.Anschließend werden die S in vier Arbeitsgruppen ein-ge teilt, die menschliches Verhalten zu dieser Gottesvor-stellung thematisieren.

Erarbeitung:

Gruppe 1: S. 20 – Von Gott sprechenArbeitsauftrag:Lest zunächst die Texte auf S. 20 und bearbeitet dann den AA 1 bis AA 3. Überlegt anschließend, was ihr den anderen über das „Von Gott sprechen“ mitteilen wollt, und gestaltet dazu ein Präsentationsplakat. Hilfestellung zur Plakatge-staltung findet ihr auf S. 61.

Gruppe 2: S. 21 – Gott glaubenArbeitsauftrag:Lest das Gedicht von Rudolf Otto Wiemer auf S. 21 und klärt zunächst, was es im Leben des „Brummers“ geben könnte, das man alles nicht sehen kann. Besprecht dann, was es im Leben von uns Menschen gibt, das man nicht sehen kann.Diskutiert anschließend die Zeichnung und bearbeitet in der Gruppe den AA 1a und 1b.

Es geht auf der Seite um das „Gott glauben“. Was versteht Augustinus unter „glauben“? Findet für möglichst viele der Bedeutungen, die Augustinus nennt, andere Begriffe, an die bzw. denen man glauben kann, und klärt, was das Be-sondere am Glauben an Gott sein könnte.Überlegt anschließend, was ihr den anderen über das „Gott glauben“ mitteilen wollt, und gestaltet dazu ein Präsentati-

onsplakat. Hilfestellung zur Plakatgestaltung findet ihr auf S. 61.

Gruppe 3: S. 22 – Mit Gott sprechenArbeitsauftrag:Lest zunächst die Texte auf S. 22 und bearbeitet dann den AA 2 und AA 3. Besprecht in der Gruppe aber auch, warum wir in unserer Alltagssprache immer wieder Redewendun-gen wie die, die im Kasten aufgeführt sind, benutzen.Überlegt anschließend, was ihr den anderen über das „Mit Gott sprechen“ mitteilen wollt, und gestaltet dazu ein Prä-sentationsplakat. Hilfestellung zur Plakatgestaltung findet ihr auf S. 61.

Gruppe 4: S. 23 – Gott feiernArbeitsauftrag:Bearbeitet im Buch die S. 23. Plant mithilfe des Buches und der ausliegenden Gebet- / Liederbücher einen Abraham-Gottesdienst. Entwerft ein Einladungsplakat zu dem Got-tesdienst. Hilfestellung zur Plakatgestaltung findet ihr auf S. 61.

Vertiefung:Die Klasse sollte diskutieren, ob sie den Gottesdienst feiern möchte.

9. Impuls: Können Götter sterben? (S. 24)

Der Text führt in ein fremdes Gottesverständnis ein und thematisiert zugleich den Schöpfungsgedanken. Hier kann vertiefend / binnendifferenzierend gearbeitet werden: Die S können den Text lesen und kontrastierend zum Gottes-bild der abrahamitischen Tradition darstellen, wie die Ger-manen sich im Edda-Lied Götter vorstellen. Thematisiert werden kann der Aspekt der Sterblichkeit der Götter aller-dings auch in einer Diskussion (vgl. auch die Methodenseite 25!), zu der zuvor natürlich Argumente gesammelt werden müssen. Besonders interessierte S können ausgehend vom Text durch weitere, eigenständige Recherchen Merkmale des Götterglaubens in der vorchristlichen Zeit im europäi-schen Raum zusammen- und ggf. der Klasse vorstellen.

10. Methode: Die großen Fragen (S. 25)

Die Methodenseite kann dazu genutzt werden, die S ei-gene „große Fragen“ formulieren zu lassen. Anschließend können diese Fragen gesammelt und in eine Rangfolge gebracht werden. Dadurch sollten philosophische oder theologische Fragen der Kinder angestoßen werden. Es ist auch möglich, die Fragen anhand des Schemas von Kant in Wissens-, Glaubens- und Handlungsfragen zu sortieren. Der / die L kann ein Tafelbild entwickeln, bei dem ein sche-matisch dargestellter Mensch die verschiedenen Fragen stellt. Als Antwortversuch kann nach Ps 8 (s. S. 84) zitiert (und farbig auf die Figur geschrieben) werden: „Was ist der Mensch, dass sogar Du, Gott, an ihn denkst?“

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

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11. Rückblick und Ausblick: Gott suchen – Gott erfahren – Gott begegnen (S. 26)

Überprüfung der Kompetenzen

a) Aufgaben zur Selbstevaluation

Vorstellungen von GottBetrachte deine gemalten und geschriebenen Vorstellun-gen und Bilder von Gott: Entsprechen sie noch deinem jet-zigen Verständnis von Gott? Würdest du Gott heute anders darstellen und beschreiben? Male und schreibe erneut.

ABC der GottesnamenBetrachte noch einmal dein ABC der Gottesnamen. Welche Namen findest du noch zutreffend, welche möchtest du austauschen? Verbessere / ergänze dein ABC.

„Ich bin der Gott, an den keiner mehr glaubt“.Schaue dir noch einmal deine Rede an. Schreibe eine Ant-wort auf diesen Monolog Gottes, in der du deine Meinung dazu äußerst und begründest. Du kannst auch in Gebets-form schreiben.

b) Abschlussaufgabe

Fertige ein Leporello zur Abraham-Geschichte an. Schneide dazu ein DIN-A4-Blatt in zwei gleich breite Streifen und kle-be sie aneinander. Falte die Streifen so, dass sechs Seiten entstehen. Gestalte jede Seite entweder mit einem Bild zur Abraham-Geschichte oder mit einem Elfchen.Dein Leporello soll mindestens zwei Bilder und zwei Elf-chen enthalten. Die restlichen Seiten kannst du gestalten wie du möchtest. Achte darauf, dass deutlich wird, welche Bedeutung die Geschichte Abrahams als Gottesgeschichte hat.

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

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((Bitte Bilddaten liefern)) M 1

Mose und der brennende Dornbusch

Dietrich Kirsch, Da erschien ihm der Herr im Feuer. Linolschnitt

© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2011 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten. 978–3–12–006377–3 | Leben gestalten 1 Ausgabe S | Lehrerband 21

1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

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((Bitte Bilddaten liefern)) M 2

Das Labyrinth in der Kathedrale von Chartres

Die Zeichnung stellt das Labyrinth der Kathedrale im französischen Ort Chartres dar. Es stammt aus dem 13. Jahrhundert. Es ist aus schwarzen und grauen Steinplatten in den Fußboden eingelassen und hat einen Durchmesser von knapp 13 Metern. Der Weg vom Eingang zur Mitte ist mehr als 260 Meter lang!

© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2011 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten. 978–3–12–006377–3 | Leben gestalten 1 Ausgabe S | Lehrerband22

1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

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Lesekonferenz

Lesen ist etwas Eigenartiges. Nicht nur, dass merkwürdige Striche und Punkte auf einem Blatt Papier für uns eine ganz besondere Bedeutung haben, weil wir gelernt haben, dass es sich um Buchstaben handelt, die wir verstehen können. Mehr noch: wenn wir eine Geschichte lesen, entsteht eine Vorstellung von ihrer Welt in unserem Kopf. Diese Vorstellungen sind bei jedem Leser / jeder Leserin unterschiedlich.

1. Findet euch zu dritt oder zu viert zusammen.

2. Lest den Text über Kosmos und Neuner auf der Seite 11 in eurem Buch.

3. Tauscht euch über eure unterschiedlichen Vorstellungen aus. a) Wie hat euch der Text gefallen? b) Welche Gefühle hattet ihr beim Lesen? c) Was ist ungewöhnlich?

4. Klärt gemeinsam, was ihr nicht verstanden habt.

5. Welcher Satz aus der Geschichte ist für euch besonders wichtig? Warum?

6. Am Ende des Textes sagt Kosmos zu Neuner:

Welche Gedanken könnten Neuner durch den Kopf gehen?

7. Nehmt Stellung: Soll Neuner seinen Schutzengel verkaufen?

„Ich bin ja auch noch da!“

© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2011 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten. 978–3–12–006377–3 | Leben gestalten 1 Ausgabe S | Lehrerband 23

1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

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Neuner hat seinen Schutzengel verkauft …

Neuner hat seinen Schutzengel verkauft. Doch dann ist er krank geworden, schwer krank. Kosmos ist bei ihm geblieben, aber jetzt ist auch er ratlos. Dann fällt ihm die sagenhafte Königen von Caracas wieder ein. Er nimmt all seinen Mut zusammen und sucht und findet sie. Und tatsächlich: die Königin will helfen.

Kosmos mit der roten Baseballkappe geht vor. Der kleine weiße Hund, der Brutus heißt, trippelt neben ihm her und die Königin folgt und ihre Absätze klappern ganz laut in der stillen Villenstraße.An der Uferböschung bleiben sie stehen. Weil die Königin ihre Schuhe ausziehen muss. Mit den Klapperab-sätzen kann sie nicht klettern.

Jetzt muss ich’s ihr sagen, denkt Kosmos, ich hab’s doch versprochen.Er räuspert sich.„Da wär noch was, Frau Königin! Der Kleine, der redet im Fieber. Ganz wirres Zeug und so, das meis-te hab ich ja nicht verstanden, aber ein Wort hat er immer ganz deutlich gesagt: ‚Schutzengel‘, hat er gesagt, immer wieder ‚Schutzengel!‘ Und da hab ich ihm versprochen, ich gebe das Geld zurück und bring ihm dafür den Engel wieder …“„In Ordnung, Kosmos!“, sagt die Königin. „Den Engel kriegst du. Der hilft sowieso nur dem, dem er gehört. Also muss er auch bei dem bleiben, zu dem er gehört. Das ist so mit Schutzengeln, verstehst du. Ich hätte ihn gar nicht annehmen dürfen. Ist schon in Ordnung. Neuner bekommt ihn zurück.“„Aber“, sagt Kosmos und zögert, „da gibt es noch ein Problem!“„Und das wäre?“„Ich hab nicht mehr alles, versteh’n Sie, ich hab schon was ausgeben müssen vom Geld!“Kosmos bricht ab, er wagt es nicht, die Königin anzusehen.

Der kleine weiße Hund hat sich hingesetzt, schaut auf zu Kosmos und hält seinen Kopf schief.Die Königin schweigt. Sie schweigt, weil sie nichts sagen kann, weil ihr die Tränen in die Augen steigen.„Das mit dem Geld, das tut mir leid!“, sagt Kosmos nach einer Weile.„Schwamm drüber!“, antwortet die Königin. „Und nun bring mich endlich zu Neuner, der braucht jetzt seinen Schutzengel und alles andere … alles andere, das regeln wir später.“Das Treibholzfeuer brennt hell und hoch und beleuchtet das Flussufer. Glatzenpeer liegt an der Stützmauer und pennt.Die anderen sitzen im Kreis um Neuner herum, als die Königin kommt.„Neuner! Neuner, guck mal, wen ich dir mitgebracht habe!“, ruft Kosmos.Aber Neuner antwortet nicht. Mit fiebrigen Augen starrt er in den Himmel. Sein Atem geht schwer.„Wir haben alles versucht!“, sagt die rote Ilse.Mundharmonikajonny hat seinen Pullover ausgezogen, damit er weich liegt, der Kleine, und Hein Schoop hat die ganze Zeit Fratzen geschnitten, sogar das Glasauge hat er rausgenommen und in die Luft geworfen, um Neuner zum Lachen zu bringen.„Aber Neuner hat nicht gelacht“, sagt die rote Ilse. …

„Er braucht einen Arzt!“, sagt die Königin von Caracas. „Das sieht gar nicht gut aus.“Aber Kosmos schüttelt den Kopf.„Er braucht seinen Engel! Den Engel zuerst!“„Kannst du mich verstehen, Neuner?“, fragt die Königin.Da dreht Neuner den Kopf, sieht sie mit fiebrigen Augen an und nickt.

„Ich bringe dir deinen Schutzengel zurück, Neuner!“, sagt die Königin. „Es war ein Fehler, ihn zu kau-fen. Es tut mir leid! Er gehört zu dir. Er wird jetzt wieder auf dich aufpassen!“Da lächelt Neuner und er flüstert: „Jetzt kann ich ans Meer.“Und dann macht er die Augen zu.

(aus: Jutta Richter: Hinter dem Bahnhof liegt das Meer)

Neuner wird gesund, und ans Meer kommen er und Kosmos auch noch, weil die Königin von Caracas ihnen weiter hilft.

1. Besprich dich mit deinem Partner: a) Kann man Schutzengel überhaupt verkaufen? b) Hat sich Neuners Schutzengel verkaufen lassen? c) Wird Neuner krank, weil Kosmos den Schutzengel verkauft hat?

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren

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Jalda

Was Klamotten betrifft, sind sich die vier Freundinnen einig. Sie rennen durch den Laden zu den Umkleideka-binen. Alle wollen den gleichen Pulli ausprobieren, nur in anderen Farben. In solchen Momenten merkt Jalda gar nicht mehr, dass sie anders aussieht als ihre Freundinnen: Sie trägt als Einzige ein Kopftuch. „Für mich ist das schon normal“, sagt sie.

Jalda ist ein zwölfjähriges Mädchen, ihre Eltern stammen aus Afghanistan. Kurz vor Jaldas Geburt kamen sie nach Deutschland. Mit den Eltern spricht Jalda Persisch und mit ihren zwei Brüdern und drei Schwestern Deutsch. Vor drei Monaten ist die Familie [umgezogen].Jalda kam in eine andere Schule, auf ein Gymnasium. „Ich war sehr aufgeregt“, erzählt sie über ihren ersten Schultag. Was würden die anderen Kinder zu ihrem Kopftuch sagen? […]Jalda ist Muslimin, ihre Religion ist der Islam. Sie glaubt an Allah und will wie viele muslimische Frauen Kopf-tuch tragen.

„Sie soll anziehen, was sie möchte“, sagt ihr Vater. Er will ihr das nicht vorschreiben. Doch ihre Mutter, die selbst Kopftuch trägt, wollte ihre Tochter lieber ohne Tuch sehen. „Ich hatte Angst, dass Jalda in der Schule Probleme bekommt“, sagt sie. Dass sie von Mitschülern wegen des Tuchs gemobbt wird. Oder dass Lehrer sie benachteiligen. Doch würde das passieren? Jalda wollte ihrer Mutter nicht widersprechen. Sie dachte mehre-re Monate darüber nach: „Ich fühle mich wohl, wenn ich Kopftuch trage.“ Also machte sie das.

Für Jalda ist das Tuch ein Zeichen ihrer Religion, mehr nicht. Auch für andere Leute ist es ein Zei-chen, aber ein ganz anderes: Wenn sie Frauen mit Kopftuch sehen, dann finden sie das fremdartig und unverständ-lich. Manche sagen, dass das Kopftuch ein Zeichen für die Unterdrückung der Frau sei. In einigen muslimi-schen Ländern werden Mädchen nämlich dazu gezwungen, sich zu verschlei-ern. Sogar mit Gewalt. Auch in Deutschland gibt es muslimische Familien, die ihre Töchter nicht ohne Kopftuch aus dem Haus lassen wür-den – und nach der Meinung der Mädchen gar nicht fragen. Deshalb schauen manche Leute auch komisch, wenn sie ein Kopftuchmädchen sehen.

Jalda sagt, dass sie selbst entschieden habe, wann und ob sie ein Kopftuch umlegen will: „Jeder sollte das freiwillig machen.“ Sie findet es blöd, wenn Leute glauben, bei allen Muslimen sei das so mit dem Zwang: „Das sind schlimme Vorurteile.“

Auch die Politiker streiten sich oft über das Thema Kopftuch. Zum Beispiel darüber, ob Lehrerinnen im Unter-richt eins tragen dürfen. Einige Politiker finden das vollkommen in Ordnung. Sie sagen, dass das zur Religi-onsfreiheit gehöre, die für jeden in Deutschland gelten müsse. Viele andere meinen, dass Lehrer Vorbilder seien und deshalb nicht eine spezielle Religion vorleben sollten.

In Jaldas Klasse trägt sonst niemand ein Kopftuch. Wenn sie von den anderen gefragt wird, warum sie ein Kopftuch anhat, sagt sie: „Ich halte mich an Gottes Gesetze, die im Koran stehen.“ Und dazu gehört für sie das Kopftuch. […] [Im Koran] stehen zum Beispiel Regeln für ein gemeinsames Zu-sammenleben. Und daraus lesen viele Gläubige, dass sich Frauen nicht unbedeckt vor Fremden zeigen sollen.

Es gibt aber auch viele Musliminnen, die kein Kopftuch tragen. Zwei von Jaldas Schwestern zum Beispiel. „Ich brauche kein Kopftuch, um gläubig zu sein“, sagt eine von ihnen. Sie liest trotzdem oft im Koran. […]

Über manche Fragen ihrer Mitschüler kann Jalda nur lachen. Juckt die Kopfhaut? „Ich spüre das Tuch gar nicht“, sagt Jalda dann. Ist es im Sommer nicht viel zu heiß? Auch diese Frage findet Jalda ein bisschen witzig. Es gibt dicke Tücher für den Winter und dünne für den Sommer.Beim Sport macht sie mit, mit einem speziellen Kopftuch, das nicht verrutschen kann. Jalda liebt Turnen und Leichtathletik. Nur Schwimmen will sie nicht. Denn genauso wenig, wie sie sich unbedeckt vor Fremden zeigen will, möchte sie die Jungs aus der Klasse in Badehose sehen. „Wahrscheinlich würde ich nur zu Boden

gucken“, sagt sie. Vom Schwimmunterricht lässt sie sich deshalb befreien. […]

(aus: Dein Spiegel 11 / 2010)

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1.  Mitten im Leben: Gott suchen – Gott erfahren