1) Position der Geriatrie im...

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Leitfaden Geriatrie im Land Bremen Organisationsstruktur für die geriatrische Behandlung im Land Bremen Fallidentifikation und Fallsteuerung (1998) Prof. Dr. med. N. Wrobel Klinikum Bremen Nord, Bremen 1) Position der Geriatrie im Gesundheitsversorgungssystem 1.1 Medizinische Ausgangslage Unser Gesundheitswesen unterliegt einem ständigen Anpassungsdruck. Dabei spielen die dramatischen Veränderungen eine zentrale Rolle, ohne die eine Zukunfts- oder auch nur eine Gegenwartsbetrachtung des Gesundheitswesens nicht möglich ist. Die Lebenserwartung in Deutschland hat sich in 90 Jahren praktisch verdoppelt. Die Alters- „Pyramide“ entwickelt sich zum Alters- „Pilz“ (24) (Abb.1). •Demographische Entwicklung Abb. 1) Demographische Entwicklung von 1910-2030 Ältere Patienten werden sowohl in den chirurgischen als auch konservativen Disziplinen zum Regelfall. Damit bestimmen sie mit ihren Krankheitsspektren, ihren Therapiebedürfnissen und ihrem sozialen Umfeld die Aufgabenstellung für alle Teile des Gesundheitssystems. Akute Krankheit, Multimorbidität (4,5,22,25) und Krankheitsfolgen (13) bilden die typische Konstellation älterer Patienten bei ihrer stationären Aufnahme (Abb.2). Die Krankheitsfolgen sind dabei als geriatrietypische Leitsymptome aufzufassen. Schmerzen, reduzierte körperliche

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Leitfaden Geriatrie im Land BremenOrganisationsstruktur für die geriatrische Behandlung im Land Bremen

Fallidentifikation und Fallsteuerung (1998)Prof. Dr. med. N. Wrobel

Klinikum Bremen Nord, Bremen

1) Position der Geriatrie im Gesundheitsversorgungssystem

1.1 Medizinische Ausgangslage

Unser Gesundheitswesen unterliegt einem ständigen Anpassungsdruck. Dabei spielen diedramatischen Veränderungen eine zentrale Rolle, ohne die eine Zukunfts- oder auch nur eineGegenwartsbetrachtung des Gesundheitswesens nicht möglich ist. Die Lebenserwartung inDeutschland hat sich in 90 Jahren praktisch verdoppelt. Die Alters- „Pyramide“ entwickeltsich zum Alters- „Pilz“ (24) (Abb.1).

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•Demographische Entwicklung

Abb. 1) Demographische Entwicklung von 1910-2030

Ältere Patienten werden sowohl in den chirurgischen als auch konservativen Disziplinen zumRegelfall. Damit bestimmen sie mit ihren Krankheitsspektren, ihren Therapiebedürfnissen undihrem sozialen Umfeld die Aufgabenstellung für alle Teile des Gesundheitssystems.Akute Krankheit, Multimorbidität (4,5,22,25) und Krankheitsfolgen (13) bilden die typischeKonstellation älterer Patienten bei ihrer stationären Aufnahme (Abb.2). Die Krankheitsfolgensind dabei als geriatrietypische Leitsymptome aufzufassen. Schmerzen, reduzierte körperliche

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und psychische Belastbarkeit, Bewegungseinschränkungen oder zusätzlich Lähmungen führenzu Immobilität und Hilflosigkeit. Diese Patienten verlieren die Fähigkeit zur Selbsthilfefähig-keit und weisen deshalb einen hohen Pflegebedarf auf (Abb.2).

Abb.2) Fallidentifikation in der Geriatrie

Die poststationäre, selbständige Lebensführung ist durch diese Problemkonstellation in Fragegestellt.Läßt sich der Patient durch diese Merkmale identifizieren, ist die Indikation zur Behandlungin der Geriatrie ohne Probleme zu stellen. Mit der Orientierung an den Leitsymptomen„Krankheitsfolgen“ (Fähigkeitsstörungen, Integrationsstörungen) (Abb.2) entsteht allerdingsein permanenter Konflikt mit der ICD (= International Classification of Diseases), die reinkrankheitsbezogen klassifiziert. Auf dieser Basis allein ließe sich die Geriatrie als Leistungs-erbringerin im bestehenden Gesundheitsversorgungssystem nicht positionieren. Abhilfekönnte die ICIDH ( = International Classification of Impairments [Schädigungen und Ausfäl-le], Disabilities [Fähigkeitsstörungen] and Handicaps [Integrationsstörungen, Beeinträchti-gung - im z.B. sozialen Umfeld]) (13) schaffen, mit der insbesondere Fähigkeitsstörungenklassifiziert werden könnten. Allerdings kann mit der Einführung dieser Kodierung nicht ge-rechnet werden. Als Konsequenz muß ein geriatrischer Patient unverändert und zwingendüber die ICD identifiziert werden.

1.2 Zielsetzung

In der Geriatrie lautet die Zielsetzung Wiederherstellung, Verbesserung oder Erhaltung der

Selbständigkeit zur eigenständigen Bewältigung des Alltags. Demgegenüber stehen die

Geburt

Tod

-Diabetes mellitus

-Kognition

-Katarakt

-Hörstörung

-Prostatahyperplasie

-...

-...

-u.a.Akut

Mineralverlust

Osteoporose

Gelenkverschleiß

Arthrose Arthritis

Gefäßverengung( Arteriosklerose)

Kopf Beine Herzkranzgefäße

SchmerzenReduzierte körperliche und

psychische BelastbarkeitLähmung

ImmobilisationHilflosigkeitPflegebedarf

Verlust der Fähigkeit zur

Selbstversorgung

OrganenachlassendeFunktion

Geriatrische Syndrome

z.B.

Schlaganfall

Amputation

Herzinfarkt

z.B.

Gelenkersatz

nach Fraktur

Geriatrie

z.B.

Wirbelsäulen-fraktur

Ziel: Selbständigkeit

Leb

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Gelenk

Knochen

Arterie

z.B.

Verwirrtheit bei

Fieber oder

Exsikkose oder

Medikamenten-

nebenwirkung

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Grundsätze der kurativen Organversorgung mit hohem, apperativen Diagnostikaufwand undmedikamentöser Therapie (14,26).Daraus darf unter keinen Umständen eine Nachrangigkeit der medizinische Versorgung in derGeriatrie abgeleitet werden. Ganz im Gegenteil erfordern Akutkrankheit (22) und Multimor-bidität (5) (Abb.2) eine besondere Spezialisierung im diagnostischen und pharmakotherapeu-tischen Umgang innerhalb dieser Problemkonstellation (16,20,23).

Abb.3) Postmorbide und poststationäre Lebensqualität

In der praktischen Arbeit besteht ein integrativer Ansatz aus Akut- Rehabilitations- und So-

zialmedizin mit hoher Pflegekompetenz. Eine strikte Trennung oder gar Abgrenzung dieser

Bereiche verbietet sich grundsätzlich bei älteren Patienten. Bei konsequenter Segmentierungwürde der Patient unnötig wertvolle therapeutische Zeit für seine Restitution verlieren, die ausgesundheitsökonomischen Gründen tatsächlich nicht mehr zur Verfügung steht (26).Aus diesem Grund muss ein geriatrisch identifizierter Patient direkt oder frühzeitig zur medi-zinischen und rehabilitativen Behandlung in die Geriatrie aufgenommen werden.

1.3 Abgrenzung

Dem steht das bisherige medizinische System gegenüber, das mit seinen vorgehaltenen Mit-teln versucht, eine probate und adäquate Versorgung zu gewährleisten. Es ist allerdings zuerkennen, daß dies nicht gelingen kann.Ganz deutlich ist das an unscharfen Akut-Einweisungdiagnosen älterer Patienten zu erkennen.Diese Unschärfe ergibt sich aus dem Umstand, geriatrische Probleme einzig medizinisch be-

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schreiben zu wollen. So wird konventionell das vorgehaltene diagnostische und medizinische

Inventar eingesetzt, allerdings mit unbefriedigenden Ergebnissen. Stationäre Pflege oderDrehtüreffekt werden zum Regelfall.Durch die demographischen Entwicklung ist die Zuspitzung dieses ineffizienten Ablaufesvorprogrammiert. Das Gesundheitsversorgungssystem gerät so in eine Sackgasse und wirdeine sachadäquate Versorgung unter diesen Bedingungen nicht realisieren können.

2. Geriatrieentwicklung in Bremen

2.1 Politische Zielsetzung

Das Land Bremen hat dem Aufbau einer stationären geriatrischen Medizin im Rahmen derKrankenhausplanung eine hohe Priorität eingeräumt. Leitlinien waren dabei:• Die Regionalisierung der medizinischen, pflegerischen und rehabilitativen Behandlungs-

angebote im Sinne von Wohnortnähe und Erreichbarkeit.• Die Ausrichtung der Angebote auf eine frühzeitige Mobilisierung und Rehabilitation im

Sinne einer rechtzeitigen und frühen Verknüpfung von Akutmedizin und medzinischenRehabilitation.

• Der Vorrang ambulanter vor teilstationärer und medizinischer und rehabilitativer Hilfe.• Die Durchlässigkeit von stationären und ambulanten medizinischen und therapeutischen

Behandlungsangeboten und die Vernetzung medizinischer und sozialer Hilfen zur Unter-stützung der geriatrischen Hilfen.

• Die Qualifizierung der Behandlungsangebote durch eine geriatrisch orientierte Aus-, Fort-und Weiterbildung der ärztlichen, pflegerischen und sozialen Dienste.

• Die frühzeitige Stärkung von Selbsthilfepotentialen.• Eine humane, der Würde des Menschen entsprechende Betreuung von Sterbenden und

deren Angehörigen. (10).Dabei war sich das Land bewußt, daß ein zunehmender Bedarf für geriatrische Medizin nurdurch gleichzeitigen Abbau von akutmedizinischen Behandlungsplätzen gerechtfertigt seinkönnte.

2.2. Die Klinik für Medizinische Geriatrie und Rehabilitation im ZentralkrankenhausBremen-Nord

Als erste Klinik wurde die Klinik für Medizinische Geriatrie und Rehabilitation mit Tageskli-nik am ZKH Bremen Nord 1995 eingerichtet. Sie verfügt über zwei Stationen mit je 30 Bettenund eine angegliederte Tagesklinik mit 20 Therapieplätzen. Ihre Errichtung signalisierte Pio-nierfunktion für die Geriatrieweiterentwicklung in Bremen. Als eigenständige Klinik hat sieeinen überregionalen Versorgungsauftrag (SGB V, §109) an einem Krankenhaus der Schwer-punktversorgung. Die Behandlung von Krankheiten und Krankheitsfolgen in der Geriatrieleitet sich ab aus einem biographischen Verständnis der Krankheitsentstehung (Abb.2). EineBeschränkung „nur“ Alterskrankheiten (5), oder Patienten ab einem bestimmten Alter (z.B. ab60) zu behandeln, besteht nicht.Die Eigenständigkeit der Geriatrie - Klinik ist durch ihre Binnen- und Organisationsstrukturund selbstverständlich durch ihre inhaltliche Zielsetzung begründet. Mittelpunkt jeglicherArbeit ist das in der Geriatrie obligat wirkende therapeutische Team (Abb. 4) das im Sinne derStrukturqualität eine definierte Besetzung und numerische Stärke aufweist (Arzt, Pflege, Phy-siotherapie, Ergotherapie, Physikalische Therapie, Logopädie, Neuropsychologie, Sozial-

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dienst), und einen definierten Behandlungsablauf (15,19,26) und ein definiertes therapeuti-

sches Behandlungskonzept (z.B. nach Bobath) (3) verfolgt.

Abb. 4) Rehabilitationsteam in der Geriatrie

2.3 Qualitätssicherung

Qualitätsmanagement mit Struktur- und Prozeßstandards ist elementarer Bestandteil geriatri-schen Arbeitens (15). Im Behandlungsverlauf werden medizinische-, Therapie- und Pflege-ziele definiert und in regelmäßigen Verlaufskontrollen hinterfragt. Mit den Möglichkeiten desGeriatrischen Assessments lassen sich Behandlungsresultate i.S. der Ergebnisqualität abbil-den.Die qualitätssichernde Transparenz läßt Aussagen zu der immer wieder betonten und gefor-derten wirtschaftlichen Leistungserbringung im medizinischen Sektor zu. Die Wirtschaftlich-keit der Geriatrie ist inzwischen durch vergleichende Untersuchungen mit der herkömmlichenBehandlung nachhaltig bewiesen (7a). Belege für die qualitätssichernde Arbeit der Geriatrie inBremen sind die regelmäßig erstellten Jahresberichte der Geriatrischen Klinik des ZKH-Nord(27) bzw. die derzeit universitär begleitete Evaluation von 4 geriatrischen Kliniken im LandBremen (7) (Abb. 5).

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Abb. 5) Qualitätssicherung: Jahresbericht, Evaluation

2.4 Patientenidentifikation/Geriatrisches Assessment

Die Zahl der für eine geriatrische Behandlung in Frage kommenden Patienten aus unter-schiedlichen Fachabteilungen ist extrem hoch (10). Bei mehr als 60% der im konservativenBereich behandelten Patienten und in einem ähnlich hohen Rahmen für Patienten nach chirur-gischen Eingriffen müßte diese Indikation gestellt werden.Durch diese hohe Anzahl wird aufgrund der begrenzten Geriatrie-Kapazität eine Auswahl derPatienten unumgänglich. Es müssen zwangsläufig die Patienten identifiziert werden, die mitder definierten Zielsetzung in der Geriatrie das beste Behandlungsergebnis aufweisen werden.Das ist nur möglich mit Hilfe eines standardisierten Auswahlverfahrens, das über zukünftigeBehandlungsverläufe und -ergebnisse Aussagen zuläßt. Eine Einschätzung nur nach medizini-schen Gesichtspunkten ist inadäquat (Abb.6).Mit dem Geriatrischen Assessment steht ein evaluiertes Instrumentarium (2, 17, 18) für dieIdentifikation der Patienten zur Verfügung. Damit stellt sich die Frage, ob und wie ein stan-dardisiertes Assessment fachübergreifend für eine zeitkritische Patientenidentifikation einge-führt werden könnte.

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Abb. 6) Multidimensionales Geriatrisches Assessment

3. Leitfaden Geriatrie

3.1 Hintergrund

Die Errichtung der Klinik für medizinische Geriatrie und Rehabilitation hat zu ganz unter-schiedlichen Reaktionen geführt:Einerseits wurde Unverständnis bei vielen medizinischen Leistungserbringern mit dem Hin-weis geäußert, aktuell und immer schon ältere Patienten behandelt zu haben. Anderseits wur-de aber auch die Fähigkeit einer adäquaten medizinische Versorgung in der Geriatrie in Fragegestellt.Von den Kostenträgern wurde eine unnötig teuere Leistungserweiterung betont, die so be-gründet wurde, daß Patienten für die Behandlung in der Geriatrie ihrer Meinung nach zu langein den akutmedizinischen Kliniken verweilen, bevor sie schließlich verlegt werden.Dies deckte sich aber mit dem therapeutischen Anspruch der medizinischen Geriatrie, mög-lichst frühzeitig den medizinischen Aspekt der Behandlung mit einem Rehabilitationskonzeptzu verbinden.

In der praktischen Arbeit der Kostensicherung stellte sich dann sehr schnell heraus, daß sei-tens der Krankenkasse die erforderlichen Verweildauern in der Geriatrie zum Erreichen einesoptimalen Behandlungsergebnisses sehr kritisch gesehen wurde. Der monetäre Aspekt dieserHaltung war überaus deutlich. Auch seitens des häufig eingeschalteten Medizinischen Dien-stes der Krankenkassen (MdK) bestand zudem Unklarheit über Behandlungskonzepte undVerweildauererfordernisse in der geriatrischen Therapie. Diese Vorbehalte führten dazu, daß

Geriatrisches

Assessment

Soziale

Funktio

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Häusliche Umgebung

Ökonomischer Status

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Psychische FunktionenKognitive F

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•Geriatrisches Assessment

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Kostenübernahmeerklärungen durch die Krankenkassen nur für zu kurze Behandlungsdauernerteilt wurden und über den MDK in fast jedem Einzelfall seitenlange Begründungen für dieFortsetzung der Behandlung erforderlich machten. Dies führte zu einer unangemessenen Bela-stung des ärztlichen Dienstes in der Geriatrie. Außerdem wurden häufig auch nach erbrachtenLeistungen retrospektiv (!) Beträge trotz zugesicherter Kostenübernahme gekürzt, was zuweiteren, zeitaufwendig zu bearbeitenden Streitfällen führte. Nachdem alle beteiligten Institu-tionen erkannt hatten, daß in der angelaufenen Form eine sinnvolle Zusammenarbeit nichtmöglich ist, wurde die Entwicklung eines ‘Leitfaden Geriatrie im Land Bremen’ vereinbart, indem Rechte und Pflichten der Krankenkassen, des MDK und der Krankenhäuser gegenüberder geriatrischen Klinik festgelegt werden sollte.Dieser Ansatz ist gleichzusetzen mit konkreten Überlegungen zur fachlichen und wirtschaftli-chen Effizienz medizinischer Behandlungsmethoden bei älteren Menschen im Krankenhausvor dem Hintergrund knapp bemessenen finanzieller Ressourcen. Die Gesamtbehandlungszeitder Patienten gilt hierfür als wichtigster Parameter. Damit müssen gleichrangig sowohl Be-handlungszeiten in Akutbereichen als auch in der Geriatrie in diese Überlegungen einbezogenwerden.

Mit dem ‘Leitfaden Geriatrie’ (11) (Abb. 7) wurde im Land Bremen für Ärzte im stationärenund ambulanten Sektor das notwendige Instrumentarium für eine zeitkritische Patientenidenti-fikation zur Verfügung gestellt. Er verpflichtet Ärzte, den richtigen Patienten frühzeitig in dieGeriatrie zu verlegen. Der Leitfaden Geriatrie regelt nicht nur Direkt- und interdisziplinäreVerlegungsverfahren, sondern auch die Interaktionen zwischen den Geriatrien, den Kostenträ-gern und dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Dabei müssen die Akut-Vorverweil-auern und die mittlere Behandlungszeiten in der Geriatrie notgedrungen auf der Grundlage desICD-9 definiert werden. Durch festgelegte Verfahrenswege werden die zeitaufwendige Rück-fragen und ärztliche Stellungnahmen auf ein Mindestmaß reduziert.

Abb.7) Leitfaden Geriatrie im Land Bremen

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3.2 Ärztliches Gutachten

Für die Patientenidentifikation reicht eine Klassifizierung nach ICD-9, wie einleitend entwik-kelt, nicht aus, um die entscheidenden Krankheitsfolgen darzustellen. Weiter hätte sich einkomplettes geriatrisches Assessment in einem ärztlichen Gutachten nicht durchsetzen lassen.So wurde ein Gutachten mit den Items Krankheit, Fähigkeitsstörungen, Pflege, Hilfsmittel,Soziale Unterstützung, Medizinische Probleme und Medikation entwickelt, das sich thema-tisch an das Assessment nach AGAST (1) und mit der Beschreibung von Fähigkeitsstörungenan die ICIDH anlehnt. Durch einfache, semiquantitative Aussagemöglichkeiten zu den Fähig-keitsstörungen wird die Bereitschaft für eine reliable Beurteilung gefördert (Abb. 8).Mit diesem vereinfachten Gutachten soll erreicht werden, daß die wichtigsten Entscheidungs-kriterien für eine Behandlung in der Geriatrie berücksichtigt werden.Dieses Gutachten dient als Anfrage zur Behandlung in der Geriatrie. Die definitive Entschei-dung zur Aufnahme erfolgt jedoch erst nach Beurteilung durch ärztliche Mitarbeiter der Ge-riatrie. Durch diese Prozedur werden spezifische Kenntnisse und Nomenklatur in ärztlichesDenken und Beurteilen transferiert, somit auch die gewünschte „Geriatrisierung“.

A n :

Z e n t r a lk r a n k e n h a u s B r e m e n - N o r d

K lin ik f ü r M e d iz in is c h e G e r ia t r i e u n dR e h a b i l i t a t io n m it T a g e s k l in ikK l in ik d ir e k t o r : D r . N . W r o b e l

H a m m e r s b e c k e r S t r a ß e 2 2 82 8 7 5 5 B r e m e n

Ä r z t l i c h e s G u ta c h t e n

z u r A u f n a h m e in d e r � M e d iz in is c h - G e r ia t r i s c h e n K l in ikin d e r � T a g e s k l in i k

P a t i e n t /P a t i e n t in :

N a m e , V o rn a m e :

G e b u r ts d a tu m :

W o h n o r t : :

T e l e f o n : :

D e r z e i t i g e r :

A u f e n th a l t :

S e i t : :

K r a n k e n k a s s e :

A n g e h ö r ig e : (K o n ta k t a d r e s s e , g e n a u e A d r e s s e u n d T e l e f o n - N r .)

V o r b e h a n d e ln d e r A r z t :

- A u f k le b e r -

A b s e n d e r : - S t e m p e l -

S ta t i o n :

T e le f o n :

A r z t :

A b s e n d e r : - S t e m p e l -

S ta t i o n :

T e le f o n :

A r z t :

V e rm e r k K l in ik - n i c h t a u s f ü l l e n -K o n s i l :

T e l e f o n : ( 0 4 2 1 ) 6 6 0 6 - 1 8 0 2

S e k r e t a r ia t

F a x : ( 0 4 2 1 ) 6 6 0 6 - 1 8 0 6

V o r d ru c k d e s Z e n t ra lk ra n k e n h a u s B re m e n - N o rd

K lin ik f ü r M e d iz in i s c h e G e r ia tr i e u n dR e h a b i l i ta t io n

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Abb.8) Ärztliches Gutachten

3.3 Kriterien im Akutbereich

Wie einleitend aufgezeigt (vgl. Positionierung der Geriatrie, Abb.2), ist bei sehr vielen der

akut aufgenommen Patienten die Indikation zur Behandlung in der Geriatrie zu stellen. Die

Gesamtbehandlungszeit (Akut- und Weiterbehandlung) unterliegt jedoch einer zeitlichen Li-

mitierung. Um dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungserbringung für die gesamte Be-handlungszeit gerecht zu werden, müssen auch die Vorbehandlungszeiten diagnosebezogen(nach ICD) auf bestimmte Zeiträume begrenzt werden (Abb. 9). Hiermit soll erreicht werden,

OP-Datum: _____________

Hauptdiagnose:______________________________vom ____________

ICPM: _____________

Relevante Nebendiagnosen: Bei Fraktur: � vollbelastbar

� teilbelastbar

__________kg� übungsstabil� instabil

Fähigkeitstörungen nicht Pflegerische Problemeintakt intakt

1) Selbstversorgung Persönliche Hygiene PPR A____________S____________An/AuskleidenNahrungsaufnahme Dekubitus (wo)Urin- / Stuhl - Kontinenz | |

2) Körperliche Bett allein verlassen Beweglichkeit Bett mit Hilfe verlassen

Gleichgewicht Sonden (Art)Sitzen Arme Beine Katheter (Art)

3) Fortbewegung Stehen

GehenTreppen steigen Sonstige

4) Kommunikation Sprechen(Sprach-)VerständnisHören (z.B. Gehhilfe, Rollstuhl, Prothese, etc)

Sehen

5) Verhalten Mitwirkung bei TherapieStimmung

6) Kognition zeitlichörtlichzur Personsituativ WohnsituationAufmerksamkeitMerkfähigkeitAdäquates Umsetzen vonAnweisungen Soziale Kontakte und HilfenGedächtnis

nein ja

7) Sonstige NeglectSchluckstörungSchwindelSchmerz Entlassung wohin möglich ?Weitere:

Medizinische Probleme Medikation(internistisch, chirurgisch, neurologisch, sonstige)

Beweglichkeit

orientiertSoziale Unterstützung

Hilfsmittel

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daß die Entscheidungsprozesse zur Verlegung in die Geriatrie sehr frühzeitig (also nicht nachzwei und mehr Wochen) in Gang gesetzt werden.

Verweildauerkatalog

ICD-Bereich

oder

ICD

Häufigste ICD Entscheidungzeitraum

Akutbereich fürWeiterbehandlung Geriatrie

[Tage]

Mittlere Verweildauer

Geriatrie

[ Tage ]

1. Cerebrovasculäre Erkrankungen

„Schlaganfall“

430 - 438 434.0,.1,.9

433.0,.1,.2,.3,.8,.9

435

436

437

342

430-432

3 - 5

Einzelfall

38

2. Bewegungsapparat

Frakturen 804 - 825

905

996.4

804.0 - .9

812.0 - .5

820.0 - .9

821.0 - .3

828

905

996.4

operativ

10-14

konservativ

10

3-5

28

Osteoarthropathie 713 - 733 713.0 - .9

714.0 - .1

715.0 - .9

719.9

733.0

781.2

operativ

10-14

konservativ

3-5

23

3. Herz - Kreislauf-

Erkrankungen

410 - 416

440 - 448

410

412

414

416

428

443.9

8-10 23

und weitere

4. Sonstige 736.9, 997.6 Einzelfall 49

332.0,.1

357.0,.2,.9

340

341

und weitere

12-14

Einzelfall

21 - 28

und Einzelfall

Abb.9) Verweildauerkatalog

3.4 Kriterien in der Geriatrie

Nach Aufnahme des Patienten in die Geriatrie wird innerhalb von drei Tagen ein standardi-siertes Assessment (1) durchgeführt. Dabei werden Aussagen zum Rehabilitationspotentialund den Behandlungszielen getroffen.

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3.5 §301 SGB V

Gemäß der Vorgaben des § 301 SGB V soll der gesamte, bisher papiermäßig abgewickelteSchriftverkehr zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern per Datenfernübertragung erfol-gen. Die genaue Vorgaben werden in den Vereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden derKrankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft getroffen. Dabei werden sowohldie Nachrichteninhalte als auch die jeweiligen rechtlichen Verpflichtungen zur Übersendungbestimmter Nachrichten geregelt.Der übliche Weg einer Kostensicherung in einem Akutkrankenhaus stellt sich so dar, daß mitdem Nachrichtentyp AUFN (Aufnahme) die Kostenübernahme bei der Krankenkasse für denvoraussichtlichen Behandlungszeitraum beantragt wird. Die Krankenkasse wird daraufhin dieKostenübernahme mit dem Nachrichtentyp KOUB (Kostenübernahme) an das Krankenhausübermitteln. Ist der Kostenübernahmezeitraum des Nachrichtentyps KOUB abgelaufen, bean-tragt das Krankenhaus mit dem Nachrichtentyp VERL (Verlängerungsanzeige) die Verlänge-rung der Kostenübernahmeerklärung bei der Krankenkasse. Besteht aber auf Seiten der Kran-kenkasse ein Erläuterungsbedarf für die mit Nachrichtentyp AUFN oder VERL beantragteBehandlungsdauer, kann die Krankenkasse mit dem Nachrichtentyp ANFM (Anforderungs-satz medizinische Begründung) eine medizinische Begründung für den Krankenhausaufenthaltbeim Krankenhaus anfordern. Das Krankenhaus hat die Begründung dann über den Nach-richtentyp MBEG (Medizinische Begründung) an die Krankenkasse zurückzusenden. Darauf-hin wird durch die Krankenkasse die Kostenübernahme für den Verlängerungszeitraum wie-der über den Nachrichtentyp KOUB mitgeteilt.Dieser Ablauf ist fest vorgegeben und wird in den genutzten Software-Produkten so umge-setzt.Aus der starren EDV-Ablaufsystematik ergibt sich, daß seitens der Krankenhäuser immer nurdann eine medizinische Begründung mit dem Nachrichtentyp MBEG übertragen werden kann,wenn vorher eine Anforderung durch die Krankenkassen über den Nachrichtentyp ANFMerfolgt ist.

Diese starre Regel widerspricht der Umsetzung der Bestimmungen des ‘Leitfaden Geriatrie’.Sinnvoll wäre bereits bei der Beantragung der Kostensicherung mit dem NachrichtentypAUFN die Mitübertragung der konkret ermittelten ‘Fähigkeits-/Funktionsstörungen’ über denNachrichtentyp MBEG.Es muß definitiv anerkannt werden, daß im Bereich der Geriatrie nur anhand der Aufnahme-diagnose nach ICD-9 (wie einleitend entwickelt) keine Einschätzung der erforderlichen Be-handlungsdauer durch die Krankenkasse erfolgen kann.Dieses geplante starre System führt also dazu, daß das Krankenhaus erst mit Verspätung dieKostenübernahme erhält, weil zuerst der erforderliche „Pflichtverkehr“ mit ANFM (Anforde-rung der Begründung) abgelaufen sein muß, bevor die betroffenen Softwareprodukte dieÜbertragung einer Begründung zulassen.

Es wäre wünschenswert, wenn die betroffenen Spitzenverbände sich darauf verständigenkönnten, daß in diesen Fällen eine seitens des Krankenhauses freiwillig zu erbringende Be-gründung für die Dauer des Krankenhausaufenthaltes mit übertragen werden kann, um denadministrativen Ablauf zu vereinfachen und sicherzustellen, daß das Krankenhaus möglichstschnell eine Kostenübernahmeerklärung erhält. Solange dieses aber nicht der Fall ist, mußleider der nach § 301,1SGB V für die medizinische Begründung zulässige Weg der manuellen

Übersendung der Begründung erfolgen, was sicherlich nicht im Sinne des Gesetzgebers fürdiesen Paragraphen sein kann.

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Abb. 10) Aufnahmebogen Geriatrie

Aufnahme Geriatrievollstationär teilstationär� �

Aufnahmemodusintern extern primär� � �

1. (Haupt-)Aufnahmediagnose(ICD-9)_______________________________________

2. Relevante Nebendiagnosen (ICD-9)

wenig mäßig stark

3. Fähigkeits-/FunktionstörungenSelbsthilfefähigkeit Basisfunktionen (ADL)(z.B. Hygiene, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung......)

� � �

Kognition � � �Neuropsychologische Störungen (z.B. Neglect, Apraxie....) � nein � ja

Mobilität � � �Feinmotorik/ Manuelle Geschicklichkeit � � �Sturzrisiko � nein � ja

Kommunikation � � �Visus � � �Gehör � � �Ernährungszustand � � �Soziale Kontakte und Unterstützung � adäquat � nicht adäquatWohnungssituation � adäquat � nicht adäquat

4. Potential: � gut Bemerkung:

� mäßig eingeschränkt� eingeschränkt

5. Ziel:

6. Voraussichtliche Behandlungsdauer: ____________ Tage

Datum Arzt, Stempel

Aufkleber

beeinträchtigt

OP-Datum:

____________

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Um den absehbaren, aufwendigen Schriftverkehr vermeiden zu können, wurde ein standardi-sierter Aufnahmebogen entworfen (Abb. 10).Dieser ist auf das Assessment abgestimmt (s.o. 3.4 Kriterien in der Geriatrie) (z.B. ADL -Selbsthilfefähigkeit, MMS - Kognition, Tinetti - Sturzgefährdung, Geld zählen - Feinmotorik,Sehen, usw) und trifft Aussagen zum Rehabilitationspotential und zu den Behandlungszielen.Dieser wird parallel zur elektronischen Datenübermittellung den Kostenträgern zugestellt.

Dieser faktisch administrative Mehraufwand kann aber positiv als ein qualitätssichernderAspekt interpretiert werden. Dieser Aufwand macht jedoch nur dann einen Sinn, wenn da-durch eine inhaltlich-fachliche Verbindlichkeit für die Kostenträger hergestellt wird. Jedenachfolgende Argumentation muß sich dann streng auf diese eingegangene Verbindlichkeitbeziehen.

Auch dies ist ein Weg der Geriatrisierung des Systems. Die Mitarbeiter der Kostenträger, ins-besondere auf der Sachbearbeitungsebene, und MdK lassen sich so auf die Inhalte und Beson-derheiten der geriatrischen Behandlung, die sich gerade nicht durch die ICD abbilden lassen,einstellen.

Dieses Verfahren hat Gültigkeit für alle voll- und teilstationären Aufnahmemodi, d.h. beiAufnahmen aus dem eigenen oder Fremdkrankenhaus oder bei Direkteinweisungen oder -aufnahmen.

3.6 Mittlere Verweildauern

Nach Aufnahme in die Geriatrie wird zunächst von Behandlungszeiten von 28 Tagen im voll-und von 10 Tagen im teilstationären Bereich ausgegangen. Bei absehbarer Überschreitungdieser Zeiten werden geriatrisch-medizinische Begründungen erforderlich. Diese Begründun-gen sind strikt auf den Behandlungsprozeß ausgerichtet und thematisch ebenfalls standardi-siert (Abb. 11).

Mit einem modifizierten Barthel-Index (12) wird die Entwicklung zur Selbständigkeit im Be-reich der Selbsthilfe, der Orientierung und der Kommunikation dokumentiert. Jedoch sind füralle relevanten Sektoren (Medizin, Pflege, Fähigkeitsstörungen, Sozialer Hintergrund, etc)freie Formulierungen möglich.In einem Verweildauerkatalog sind jedoch die spezifischen, mittlere Behandlungszeiten inAbhängigkeit von ICD aufgelistet, womit sich in jedem Fall individuelle (Abb. 9) Behand-lungszeiten ableiten lassen.

Analog zu der § 301 AUFN stellt sich bei der Erstellung und Übersendung der Verlänge-rungsanzeige (VERL) eine ähnliche Problematik dar, da hier ein vereinbarter Verlängerungs-antrag übersandt werden muß, der sehr gut in Form von Textbausteinen mit dem Nachricht-entyp MBEG übertragen werden könnte. Die in diesem Segment vorgesehene maximal 10Textzeilen ′a 70 Stellen machen dieses jedoch unmöglich. Hier sollte durch die Spitzenver-bände ebenfalls eine Möglichkeit geschaffen werden, mehr als 10 Textzeilen zu übertragen,um ebenfalls eine vollständige Abwicklung des Kostensicherungsverfahrens per EDV zu er-möglichen.

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Verlängerungsantrag Geriatrievollstationär teilstationär� �

Weiterbehandlung Tagesklinik� ab:______________ (Datum)

Aktivitäten des täglichen Lebens, Mobilität, Orientierung und Kommunikationsfähigkeit

Aufn. Aktuell Ziel

Essen (für TK: Stabilisierung,Ausbau, IADL)

- völlig selbständig oder mit wenig Hilfe � �- nicht selbständig essen, muß gereicht werden � �

Waschen, Zähneputzen, Kämmen(persönliche Toilette)

- selbständig � �- mit Handreichung � �- nicht möglich � �

Toiletten-, Steckbecken - U-Flaschenbenutzung

- kommt vollkommen alleine zurecht � �- braucht Hilfe � �- kommt nicht zurecht � �

An- und Ausziehen

- völlig selbständig � �- zur Hälfte mit Hilfe � �- kommt nicht zurecht � �

Stuhlgang

- immer unter Kontrolle � �- gelegentlich nicht unter Kontrolle � �- regelmäßig nicht unter Kontrolle � �

Wasserlassen

- immer unter Kontrolle,bzw. kommt selbst mit Hilfsmitteln zurecht � �- gelegentlich nicht unter Kontrollebzw. braucht Hilfe beim Umgang mit Katheter � �- regelmäßig nicht unter Kontrolle � �

Aufkleber

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Abb.11) Standardisierte Verlängerungsbögen

Gehen

- Selbständig � �- 50m mit Aufsicht � �- 50m mit Hilfe einer Person oder Gehilfe � �- keine 50m, auch nicht mit Hilfen � �

Treppenstufen hinauf und hinab gehen

- selbständig � �- mit Hilfe oder Aufsicht einige Stufen � �- nicht möglich � �

Orientiertheit

- volle Orientierung � �- zur Person, Ort oder Zeit � �- zu keiner Qualität � �

Kommunikationsfähigkeit

- Kommunikationsvermögen intakt � �- eingeschränktes Kommunikationsvermögen � �- keine Kommunikation möglich � �

Rollstuhlbenutzung (falls „Gehen“ nicht möglich)

- selbständig, z.B. Wechsel Bett-Rollstuhl � �- braucht Hilfe oder Aufsicht bei Rollstuhlbenutzung� �- braucht maximale Hilfe oder nicht rollstuhlfähig � �

Medizinische Probleme

Sonstiges

Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung

- therapeutischer Hausbesuch (Datum) �- Organisation ambulanter Dienste und Therapiemaßnahmen �- Unterweisung der Angehörigen �- Wohnraumanpassung �- Hilfsmittelversorgung �- Sonstige �

Voraussichtliche Behandlung bis : ______________Datum

Voraussichtliche Behandlungsdauer Tagesklinik : ______________Tage

Datum Arzt,Stempel

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4. Fazit

Die Notwendigkeit der Einführung des Leitfadens begründet sich durch die Definition derGeriatrie, die sich durch den ICD nicht ableiten läßt. Solange keine dafür passenden medizini-schen Codes eingeführt sind, bleibt der ICD zwangsläufig das ausschlaggebende Maß. In An-betracht der demographischen Entwicklung muß dieser Ansatz jedoch zu ineffektiven Versor-gungsleistungen führen. Es ist daher dringlich zu fordern, daß eine andere, die Patienten ein-deutig charakterisierende Systematik verbindlich eingeführt wird. Diese Systematik muß sichan den Krankheitsfolgen der Patienten orientieren.Mit dem zwischen Kostenträger, Landesbehörde und geriatrischen Fachklinik vereinbartenLeitfaden Geriatrie steht ein Instrument für Entscheidungsprozesse zur Verfügung. Mit ihmwerden Indikationsstellung und Zeitpunkt zur Behandlung in der Geriatrie definiert.Gleichzeitig werden geriatriespezifische Nomenklatur und Wechselbeziehungen zwischenGeriatrie und medizinischen Bereichen, Kostenträgern und Medizinischer Dienst der Kran-kenkassen festgelegt.Abschied muß von der Vorstellung genommen werden, daß sich die Versorgung älterer Pati-enten in verschiedene medizinische Leistungsbereiche zu verteilen hat. Aufgrund der wirt-schaftlichen Verfassung des medizinischen Versorgungssystems muß Konsens darüber herge-stellt werden, daß nur durch das Zusammenwirken der unterschiedlichen Versorgungseinhei-ten optimale Behandlungsergebnisse für den Patienten zu erzielen sind.Vor diesem Hintergrund wurde der Leitfaden Geriatrie entwickelt und in Kraft gesetzt.

5. Addendum

Mit der Einführung des neuen DRG-Entgeltsystems haben sich seit dem Jahr 2000 die Rah-menbedingungen im Krankenhausversorgungssystem grundsätzlich geändert. Wie die ande-ren, in der AWMF vertretenen Fachdisziplinen, musste sich die Geriatrie auf das neue Ab-rechnungssystem einstellen. Mittels Fall- und Leistungsdefinition ist das Leistungsspektrumder Geriatrie inzwischen DRG-konform abgebildet und in vielen MDC-Bereichen inzwischenauch sachadäquat vergütet.In der DRG-Abrechnungspraxis ist die Komplexprozedur 8-550 zur existenziell wichtigstenAbrechnungsziffer geworden. Diese Prozedur, im Klinikum Bremen Nord „erfunden“, wurdebereits zwei Monate nach Einführung des australischen AR-DRG-Systems in Deutschlandbereits im Jahr 2000 in den Prozedurenkatalog OPS aufgenommen.Die DRG-Fall- und Leistungsdefinition sowie die leistungsrechtliche Zuordnung ist in einemupdate 2006 zur Vorlage bei der Landesplanungsbehörde dokumentiert.

Prof. Dr. med. .N. WrobelDirektor der Klinik für Medizinische Geriatrie und RehabilitationKlinikum Bremen NordHammersbeckerstr. 22828755 Bremen

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