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1. Schriftliche Textsorten der Wissenschaftskommunikation Zum Stand der Untersuchungen 1.1 Überblick über die Textsorten 1.2 Die theoretische Kommunikation 1.3 Didaktische Textsorten (Fortsetzung) 2. Mündliche Textproduktion und –rezeption in der Wissenschaftskommunikation 2.1 Überblick 2.2 Die Vorlesung

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1. Schriftliche Textsorten der Wissenschaftskommunikation Zum Stand der Untersuchungen

1.1 Überblick über die Textsorten 1.2 Die theoretische Kommunikation 1.3 Didaktische Textsorten (Fortsetzung)

2. Mündliche Textproduktion und –rezeption in der Wissenschaftskommunikation

2.1 Überblick2.2 Die Vorlesung

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3) Das Protokoll

Listen von Desideraten (Moll 2001):

Inhaltliche Gestaltung:

- Probleme bei der Gewichtung von Wesentlichem und Unwesentlichem; - - Argumentationsverlauf nicht nachvollziehbar;- Zusammenhang nicht erkennbar: einzelne Abschnitte unverbunden;- entweder zu starke Reduktion (gefährdet Nachvollziehbarkeit) oder zu geringe

Reduktion (führt zu einem „Verlaufsprotokoll“);- Unzureichende Einbettung in den Seminarkontext (fehlendes Anknüpfen an die

letzte Sitzung);- fehlende begriffliche Konsistenz und Klarheit;- Verweise auf „handouts“ zu Referaten, ohne deren Inhalt zu resümieren;- Arbeitsaufträge nicht präzise;- zu starker Personenbezug (s. „Verlaufsprotokoll“) auf Seminarleiterln, Referentln

etc. (,‚Wer hat was wann gesagt?“)

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Sprachliche Gestaltung:

- stichwortartige, d.h. nicht ausformulierte Fragmente;- wörtliches Übernehmen der gesprochenen Sprache;- fehlende sprachliche Mittel des Argumentierens (z.B. operative

Prozeduren);- fehlende sprachliche Mittel zur Text-Organisation und Verknüpfung der

einzelnen Abschnitte (deiktische und operative Prozeduren);- Vernachlässigung der Leser-Orientierung;- Unsicherheiten bei der Verwendung von Formulierungen der „alltäglichen

Wissenschaftssprache“;- Unsicherheiten bezüglich der Verwendung von direkter und indirekter Rede;- Unsicherheiten bezüglich der Tempus-Verwendung: Präsens / Präteritum;- Unsicherheiten bezüglich Orthographie, Interpunktion, Syntax, Kasus,

Genus etc.

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Formale Gestaltung:

- unübersichtlich: Sinneinheiten werden nicht in Abschnitte gegliedert;- unvollständige bzw. falsche Angaben in den „Kopf“-Zeilen;- „Krankheiten“ des Computer-Zeitalters: übertriebenes Markieren,

unterschiedlichste Schrifttypen etc.;- inkonsequente bzw. fehlende Markierung von Begriffen bzw.

metasprachlichen Ausdrücken;- Literaturangaben falsch oder unvollständig oder nicht vorhanden;- im Seminar verwendete Textbeispiele, Graphiken, Transkripte etc. fehlen im

Anhang;- „Unterschrift“ — Unsicherheiten bezüglich der Verbindlichkeit.

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Didaktische Hinweise für die Umsetzung (Moll 2001):

Fähigkeit zur Wissensgewichtung (Faktenwissen nicht allein), Aneignung von Wissen über Funktion des Protokolls, über komprimierende Prozesse beim Protokollieren, Verfahren der zusammenfassenden Wiedergabe, der Mitschriftenerstellung, sprachliche Mittel und Handlungsformen.

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Erkennen von charakteristischen sprachlichen Handlungen und Handlungsmustern:

Lehrervortrag, Aufgabe-Lösungsmuster, Assertieren, Begründen, Erklären und Reproduktion der Bedeutung.

Phasen unterscheiden:

Vorphase (Korrekturen, Nachträge, Organisatorisches), Hauptphase (direkt fachbezogen), aber auch Exkurse; Schlussphase oft mit Zusammenfassung. Arbeitsaufträge, Planungen. Differenzierung der verschiedenen Protokolltypen.

Komprimieren üben:

Sprachliche Mittel des Protokolls; sehr stark auf mentale Prozesse abhebend.

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4) Das Exzerpt

Der Zweck des Exzerpierens besteht in der „quantitativen Verminderung des Primärtextes bei möglichst weitgehender Erhaltung seiner Informationsqualität“ (Ehlich 1981).

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Exzerpieren für mündliche oder schriftliche Prüfungs-vorbereitungen:

Das Exzerpt dient dazu, einen Primärtext in seiner Gesamtheit zu rezipieren. Ziel ist die komprimierte Verschriftlichung des Argumentationsverlaufs, der zentralen Thesen und der theoretischen Position der VerfasserInnen, um zu einem späteren Zeitpunkt einen schnellen Zugriff auf die wesentlichen Gedanken des Textes zu gewährleisten. Ein solches Exzerpieren zielt auf eine verkürzte „Wiedergabe“ des Gesamttextes ab. Ehlich (1981) bezeichnet solche Exzerpte als „objektorientiert“.

Exzerpieren für Seminararbeiten oder Referate:Dient das Lesen wissenschaftlicher Veröffentlichungen dazu, sich gezielt Wissen zu bestimmten Fragestellungen anzueignen, verändern sich Form und innere Struktur des Exzerptes. Bei solchen Exzerpten steht nicht der zusammenhängende Argumentationsverlauf des Gesamttextes im Mittelpunkt. Der individuelle Fokus ist ausschlaggebend für die Gewichtung und Selektion der als geeignet erachteten Inhalte, deshalb spricht Ehlich (1981) in diesem Zusammenhang von einem „subjektorientierten“ Exzerpt.

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Eine Durchsicht von Exzerpten, die von deutschen und ausländischen Studierenden im Rahmen der Sprachkurse „Effektiv studieren“ erstellt wurden, macht folgende Problembereiche deutlich:

- Argumentationsverlauf durch zu starke Verkürzung und Auslassungen nicht mehr nachvollziehbar;

- Argumentationsverlauf durch fehlende Verknüpfungen (logische Relationen) nicht mehr nachvollziehbar;

- das Exzerpt ist so umfangreich und eng an den Primärtext angelehnt, dass es seinen Zweck des „optimierten Wissenstransfers“ nicht mehr erfüllt;

- starres Festhalten an der Gliederung des Primärtextes, was häufig einer sinnvollen Reduktion entgegensteht;

- beim Versuch, sich vom Primärtext zu lösen und eigene Formulierungen zu finden, kann sich die „Informationsqualität“ verändern;

- Schwierigkeiten bei der Verwendung von Indikativ / Konjunktiv (indir. Redewiedergabe) bzw. Präsens / Präteritum;

- Schwierigkeiten bei der Verwendung der „alltäglichen Wissenschaftssprache“;- keine vollständige Literaturangabe auf dem Exzerpt;- wörtliche Zitate sind optisch nicht von eigenen Formulierungen zu unterscheiden;- fehlende Seitenangaben bei wörtlichen Zitaten;- unübersichtliche Seitengestaltung und fehlende Gliederung durch Absätze.

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5) Die Seminararbeit

Seminararbeiten werden geschrieben, um die selbständige Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Literatur zu einer Fragestellung sowie die dazu erforderlichen Handlungsformen einzuüben und sich so auf spätere Veröffentlichungen vorzubereiten.

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Sprachliche Handlungsformen:

- beschreiben und zusammenfassen:Stand der Forschung, wissenschaftliche Entwicklung, methodische und theoretische Ansätze, eigener Untersuchungsansatz, Quellen und Materialien;

- vergleichen und kontrastieren:Vergleichsgegenstand auswählen, Quellen und unterschiedliche Standpunkte gegenüberstellen, Ähnlichkeiten und Unterschiede herausarbeiten;

- analysieren und interpretieren:zu untersuchenden Gegenstand detailliert beschreiben, Fragestellung präzisieren relevante Aspekte und Zusammenhänge herausarbeiten, Einzelergebnisse deuten und zueinander in Beziehung setzen, Beobachtungen abstrahieren und zusammenfassen, mögliche Interpretationen diskutieren oder relativieren;

- argumentieren:erfolgt im Rahmen des Analysierens und Interpretierens: die eigene Position begründen bzw. erklären durch Verweis auf andere Studien / Quellen, Textmaterial, Autoren, eigene Ergebnisse etc.;

- Schlussfolgerungen ziehen:aus Einzelanalysen Schlüsse ziehen, Einzelergebnisse zusammenfassen und in einen größeren Kontext einordnen, Konsequenzen formulieren, die aus den Ergebnissen entstehen, Bewertungen vornehmen.

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2.1 Überblick- bisher keine systematische Beschäftigung mit mündlicher Kommunikation innerhalb der Forschung

2.2 Die Vorlesung

Die Vorlesung lässt sich klassifizieren als eine mündlich realisierte Textsorte in einer direkten Kommunikationskonstellation (vgl. Grütz 1995, Cherubim 1989). Dabei gilt zu bedenken, dass eine Vorlesungen zwar überwiegend mündlich realisiert wird. Sie kann jedoch abhängig von der Disziplin, vom Thema und anderen Faktoren auch schriftlich durch Tafelanschriebe, Overheadfolien und schriftliches Begleitmaterial bis hin zu Skripten unterstützt werden.

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Die Planung der Vorlesung kann eher spontan oder nicht spontan bzw. kontrolliert organisiert sein.

Insgesamt sollte man Vorlesungen auf einer Intensitätsskala zwischen

den Graden spontan bis nicht spontan, mündlich bis geschrieben sowie Verwendung gesprochener bis Verwendung schriftlicher Sprache einordnen. Für den Fremdsprachenunterricht kann aufgrund der Plazierung der Vorlesungen auf der Skala auf den Schwierigkeitsgrad für das Hörverstehen geschlossen werden (Grütz 1995, 53).

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Beispiel einer Eröffnungshandlung:

“so` ich hab mich jetz also auch nich besonders vorbereitet muß ich sagen sondern einfach (1) so wie ichs immer mache`(0,2) deshalb erwarten Sie jetzt nich (2) eine besonders großartige Leistung`’ (1,5) sondern nehmen Sie’s so wie Sie’s immer nehmen` (0,5) ja’ (0,2) also`es ist (0,2) ganz normale Vorlesung`(0,5)” (17-22)

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Der Dozent formuliert sehr häufig den Sprechakt der Ankündigung:

- die Ankündigung eines Themenbeginns (“so`jetzt geht’s also wieder (0,5) zur Sache sag ich mal (1,5)” (22-23)), - die Ankündigung einer kurzen differenzierten Darstellung (“wenn mans mal so ganz kurz sich mal versucht klar zu machen” (40-41)),- die Ankündigung der wiederholenden Zusammenfassung von Vergangenem (“so` und wir haben beim letzten Mal gesagt” (48-49)), - die Ankündigung eines Subthemas (“so und wenn wir jetzt vom Näherungsverfahren sprechen” (58-59)), - die Ankündigung der differenzierten Bearbeitung eines Themas (“und zwar” (25)), - die Ankündigung der wiederholenden Erklärung (“ich erklär das gleich noch mal” (80)), - die Ankündigung eines Beispiels (“und das möcht ich ich hier an solch einem kleinen (0,5) Beispiel ma* (0,5) k* klar machen` (0,5)” (138-139).

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Häufig werden auch Zeigehandlungen verwendet, um den Hörer auf Geschriebenes an der Tafel oder im Umdruck aufmerksam zu machen:

- “äh ich hab das für den (0,2) Biegestab mal angeschrieben (0,2)” (63-64)- “die sehen dann halt (1) alle mal (0,2) hingeschrieben (2) etwas so aus`(1)” (89-91)- “also das is jetzt hier Kapitel eins zwei` (2) das is also alles hier im Umdruck” (139-141)

Eine weitere intensiv benutzte Form sind die Bewertungshandlungen, mit denen der Dozent den Fokus des Verstehens auf bestimmte Dinge lenkt: - “`das is also eine ganz fundamente* fundamentale und (0,2)

allgemeingültige Methode`(1)” (39-40); - “das geht also wunderbar auf`(0,2) ja’ (0,2)” (108-109)).

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Verwendung finden auch Schlusshandlungen:- “alles solche Sachen kann man damit machen” (38) oder

- “ja`das war also der (0,5) Punkt das Wichtigste`(1) (45-46).

Es finden sich auch Kommentare:- “ich hab nich alles nochmal erzählt das würde ja drei Stunden dauern`´”

(115-116)

oder Ratschläge:- “und das is jetz so (0,5) das was äh vielleicht jetz für den nächsten Punkt hier (0,5) ganz (0,5) ä:h (0,2) wesentlich is`das man so einigermaßen den Überblick bewahrt`ja’ “ (117-119).

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Deutlich zeigt sich auch eine interaktive Form, bei der der Dozent die Lerner ständig anspricht, ihm in seinen Gedankengängen voraus-zueilen. Grütz nennt das kognitive Ordnungsschema FRAGE-ANTWORT:

Beispiel: - “so und jetz is die Frage `´ (0,5) räuspern (1,5) was is eine Näherungslösung” (215-216) oder - “jetz überlegen wir uns mal wie könnte denn” (226).

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Schriftsprache oder gesprochene Sprache:

Der Dozent verwendet in den strukturierenden Sprechakten sehr oft umgangssprachliche Redewendung wie:- “so` jetzt gehts also wieder (0,5) zur Sache sag ich mal (1,5)” (22-23) oder - “und das möcht ich hier an solch einem kleinen (0,5) Beispiel ma* (0,5) k* klar machen` (0,5)” (138-139)

Er benutzt Klammerabschwächungen, die typisch für Gespräche sind: - “so` jetzt gehts also wieder (0,5) zur Sache sag ich mal (1,5)” (22-23)

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Es finden sich intensive Verschleifungen:- “dann hab ich gesagt” (109); - “ich erklär das gleich noch mal” (80); - “und das möcht ich hier” (138); - “so und jetz is die Frage`´ “ (215).

Auch der Satzbau stammt häufig aus der gesprochenen Sprache, insbesondere was die Verbstellung betrifft:

- “u:nd das erste was wir uns überlegen müssen was (1) muß diese analytische Lösung eigentlich erfüllen” (157-159); - “so und jetz is die Frage`´ (0,5) räuspern (1,5) was is eine Nährlösung`”(215-216); - “und Sie sehen das is ne Differentialgleichung” (....?)

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Es finden sich auch Satzabbrüche:- “ich leit das nich mehr alles im Detail her (0,2) das / irgendwas muß man auch wissen” (165-166)

Und auch in der Forschung tendiert man dazu, derartige gesprochensprachlich und eher spontan formulierten Vorlesungen als defizitär zu behandeln (Stegner 1986; Röder 1989; Hofmann 1989). Als positive Beispiele werden in der Forschung oder in den Lehrwerken Texte wie diese angeboten:

“Unsere heutige Vorlesung, die ca. 55 Minuten umfassen wird, beschäftigt sich mit einer Thematik (...). Ich gebe Ihnen zunächst einen Überblick über die Folge der einzelnen Gliederungsabschnitte, damit Sie die wesentlichen Informationen übersichtlich gegliedert, in verkürzter Form mitschreiben können und wir im Anschluß an diese Vorlesung darüber im Seminar diskutieren können.” (Hofmann 1989).

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Monteiro u.a. (1997) untersuchen Vorlesungssequenzen aus den Ingenieurwissenschaften inhaltlich-funktional im Hinblick auf die Textstrukturierung sowie auf die frequente Lexik und Syntax. Dabei wird die Vorlesung als eine geschlossene thematische Einheit, nicht eine zeitliche Einheit von 90 Minuten aufgefasst.

Es finden sich drei unterschiedliche Textsegmente:

a) strukturbestimmende Textsegmente d.h. obligatorische Textsegmente, die immer in einer festen Reihenfolge in der Vorlesungssequenz auftreten. Das sind das Sequenzthema, die Fragestellung, eine mehr oder weniger explizite Ankündigung und die Bearbeitung einer Fragestellung.

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b) stellungsabhängige Textsegmentedie sowohl obligatorisch als auch fakultativ sein können, die aber - wenn sie vorkommen - immer an spezifischen Stellen der Vorlesung auftreten. Dazu gehören innerhalb des Sequenzthemas die Überleitung, die Rekapitulation, die komplementär auftreten, und fakultativ ein Nachtrag, der als Ergänzung zum vorangegangenen Sequenzthema vorkommt; innerhalb der Fragestellung die Zusammenfassung und der Abschluss;

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c) stellungsunabhängige Textsequenzen die innerhalb einer Vorlesung beliebig oft und an mehr oder weniger beliebigen Stellen vorkommen können und meistens fakultativ sind.Dabei handelt es sich zum einen um organisatorische oder bezugsstiftende Textsegmente, die als Hinweise bezeichnet werden können (Informationen zu beruflicher Praxis, didaktischer und methodischer Vorgehensweise, andere Veranstaltungen, Skript etc.), zum anderen auch stark thematische gebundenen Segmente wie Definitionen, oder auch diejenigen, die interaktionsintendierend sind (Witze, Assoziation, persönliches Erlebnis u.a.).

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Eine Überleitung ist ein stellungsabhängiges Textsegment. Es kommt meistens am Ende eines Sequenzthemas vor. Beispiel:

- Bisher ham wir uns beschäftigt mit Körpern die fest sind / wie man das so schön sagt / also mit Festkörpermechanik

Die Ankündigung eines neuen Sequenzthemas leitet ein neues Sequenzthema ein und wurde bei allen Vorlesungen festgestellt.Beispiel:

- Und das erste / was wir jetzt machen ist / dass wir uns mit der Hydrostatik beschäftigen

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Innerhalb bzw. zwischen den strukturbestimmenden und stellungsabhängigen Textsegmenten treten stellungsunabhängige Textsegmente mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit an unterschiedlichen Stellen einer Vorlesungssequenz auf. Dabei handelt es sich nach Monteiro hauptsächlich um zwei Sorten:

um Hinweise, die 1) organisatorisch oder 2) bezugsstiftend sind (z.B. Informationen zu beruflicher Praxis, zur didaktischen Vorgehensweise, zum Skript, weiterführenden Themen etc.).

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Beispiel: Hinweis auf didaktische/methodische Vorgehensweise:

Dann kann ch also nur noch mal appelieren / das jetzt entweder schnell zu lernen / ich machs Ihnen kurz vor / aber nicht in jeder Einzelheit / Sie müssen das können / das gehört zur mathematischen Ausbildung / und äh in der Mathematik wird as ja auch geübt / und hier ham wa noch ganz einfache Gleichungen /Matrizengleichungen äh die wir zu lösen ham / also stürzen sie sich da mal hinein.

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Auf der anderen Seite können stellungsunabhängige Textsegmente auch stark thematisch gebunden sein, wie etwa eine Definition, eine Bewertung oder eine Konvention, aber auch solche, die interaktionsagierend fungieren wie der Witz, die Bemerkung zur Textgeschichte, die Assoziation und das persönliche Erlebnis.

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Linguistischen Untersuchungen von Wirtschaftsvorlesungen (Schlabach, 1999):

Es ergeben sich drei Gruppen von Handlungsmustern, die zu den jeweiligen Themen und Unterthemen einer Vorlesung erscheinen:

- das einleitende Handlungsmuster (z.B. einleiten), - das bearbeitende Handlungsmuster (z.B. bearbeiten, bewerten, konkretisieren) und - anderen, weniger auf ein Thema bezogene

Handlungsmuster (Hinweisen auf Skript, Begrüßen etc.).

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Als Textbauplan für eine Wirtschaftsvorlesung entwickelt Schlabach folgende Abfolge:

Nach einer Begrüßung erfolgt fakultativ die Rekapitulation. Daran schließt sich obligatorisch das Hauptthema der Vorlesung an, dass jeweils mit einem einleitenden Handlungsmuster und sodann mit einem bearbeitenden Handlungsmuster. Die Unterthemen werden sodann wiederum mit Handlungsmustern wie Einleiten, Bearbeiten (rekursiv) und fakultativ Konkretisieren, Zusammenfassen, Abschließen und Überleiten dargestellt. Es kann beliebig ein Hinweis erfolgen, dann der Abschied.

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Auf der Textoberfläche finden sich zahlreiche Gliederungssignale, die für das Textverstehen relevant sind.

Empirisch ermittelte Beispiele von Schlabach:

- lexikalischer Art wie „Ich hab äh noch einen Punkt äh“, - parasprachliche Gliederungssignale wie fallende Intonation oder Pause, Wechsel im Sprechtempo, Gestik, Mimik sowie - visuelle Formen wie Tafelanschrieb, Folienwechsel, in Unterlagen blättern.

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Stegner (1986) analysiert 40 Stunden einer Vorlesung der Fachbereiche Energie- und Nachrichtentechnik. Dabei stellt er zwei unterschiedliche Textbaupläne der Vorlesungen fest.

Hofmann (1989) erkennt im Gegensatz zu Stegner (1986) keine durchgehend feststellbare Makrostruktur von Texten. Sie geht vielmehr auf der Basis der Auswertungen von 19 Hospitationen (10 mit Tonband) in Vorlesungen und Seminaren des Fachstudiums Biologie direkt zu Sprechhandlungstypen über.

Grütz (1995) untersucht Vorlesungen der Betriebswirtschaft mit dem Instrumentarium der Textlinguistik. Eine Vorlesung ist als spezifische Kombination von Vorbereitetheit und Spontaneität, von konzeptioneller Schriftlichkeit und realisierter Mündlichkeit zu Erfassen.