1. Vorlesung Gliederung und Einführung · • Test ist umstritten (siehe Searle) Chinesisches...

22
Soft Control (AT 3, RMA) 1. Vorlesung Gliederung und Einführung

Transcript of 1. Vorlesung Gliederung und Einführung · • Test ist umstritten (siehe Searle) Chinesisches...

Soft Control

(AT 3, RMA)

1. Vorlesung

Gliederung und Einführung

SC

2 WS 17/18 Georg Frey

Inhalt der Vorlesung

Rechnergestützte Methoden in der Automatisierungstechnik

• Expertensysteme

Anwendung: Diagnose

• Fuzzy-Systeme

Anwendung: Fuzzy Control (FC)

• Neuronale Netze (NN)

Anwendung: Identifikation und neuronale Regler

• Genetische Algorithmen (GA), Simulated Annealing (SA)

Anwendung: Stochastische Optimierung

• Grundlagen, Einsatzgebiete und Grenzen der vorgestellten Verfahren

Soft Control

SC

3 WS 17/18 Georg Frey

Was ist Soft Control

Drei Klassen von regelungstechnischen Methoden

1. Konventionelle Regelung (Klassische Regelung)

• PID-Regler

2. Moderne Regelung

• Zustandsregler

• Model Predictive Control

3. Soft Control (Intelligente Regelung)

• Fuzzy Control

• Neuronale Netze

• Genetische Algorithmen

Unter Soft Control fasst man Verfahren der Regelungs- und

Steuerungstechnik zusammen, die Methoden des Soft Computing bzw.

der Computational Intelligence einsetzen.

Soft Control = Intelligente Regelung = Wissensbasierte Regelung

SC

4 WS 17/18 Georg Frey

Probleme der konventionellen Regelung

• Für den Entwurf konventioneller Regelungen wird ein makroskopisches Modell

des zu regelnden Prozesses benötigt

• Das Modell kann aus empirischen Wissen über die Dynamik der Strecke

bestehen

• Das Wissen kann durch Messungen der Stell- und Regelgrößen gewonnen

werden

• In der Praxis erfolgt die Einstellung der Regelparameter meist durch Experten

an der laufenden Anlage

Beispiel: Entwurf eines PID-Reglers nach Ziegler und Nichols

Vorteile:

Einfach anzuwenden (wenig freie Parameter festzulegen, nur einfaches

Prozessmodell nötig)

Robust

Probleme:

Zunehmende Komplexität der Anforderungen und Nebenbedingungen

Regelgüte bei komplexen Strecken oft nicht ausreichend

SC

5 WS 17/18 Georg Frey

Probleme der modernen Regelung

• Für den Entwurf moderner Regelungen wird ein mikroskopisches Modell des zu regelnden Prozesses benötigt:

• Das Modell wird durch mathematische Modellbildung ermittelt

• Alternativ können Methoden zur Identifikation eingesetzt werden

Beispiel: Entwurf eines Zustandsreglers

Vorteile:

Fundierte mathematische Basis (Stabilitätsbeweise, ...)

Hohe Regelgüte

Möglichkeit Nebenbedingungen einzubeziehen

Probleme:

Gewinnung des Prozessmodells auf mathematischer Basis ist schwierig bis unmöglich

Umfangreiche Identifikation am Prozess ist oft unerwünscht oder unmöglich

Resultierende Regler sind komplex und für den Anwender schwer verständlich

SC

6 WS 17/18 Georg Frey

Zustand in der Industrie

• Viele konventionelle Regler auf unteren Ebenen

• Der Mensch als „Regler“ auf höheren Ebenen

• SCADA-Systeme (Supervisory Control and Data Acquisition) versorgen den

Anlagenfahrer mit allen benötigten Prozessinformationen und erlauben den

Zugriff auf die Anlage

Vorteile:

Bediener kann intelligente Entscheidungen treffen

Bediener kann durch Erfahrung lernen

Probleme:

Regelgüte hängt von der Erfahrung des Anlagenfahrers ab

Eingriffe des Anlagenfahrers sind subjektiv, oft nicht erklärbar, fehleranfällig

(speziell unter Stress)

Bei abnormen Prozessbedingungen (Alarm) kann die Zeitverzögerung durch

die Entscheidungsfindung des Bedienpersonals bzw. dessen Fehlentscheidung

zu Katastrophen führen (Tschernobyl)

SC

7 WS 17/18 Georg Frey

Folgerungen

In modernen komplexen Anlagen werden Systeme benötigt,

• die den Anlagenfahrer von Routineaufgaben (die durch

konventionelle Regler bisher nicht lösbar sind) entlasten

• die eine Unterstützung des Entscheidungsprozesses bieten, speziell

in abnormen Situationen, in denen der Bediener oft mit sich

widersprechenden Signalen und Zielen konfrontiert ist

Bei der Entwicklung solcher Systeme gilt

• analytische Prozessmodelle sind im Allgemeinen nicht vorhanden

• Ziele der Regelung/Steuerung sind oft nicht exakt formulierbar

• Es handelt sich meist um mehrere sich unter Umständen

widersprechende Ziele

Benötigt werden „intelligente“ Regler

SC

8 WS 17/18 Georg Frey

Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence)

• Das große Ziel der künstlichen Intelligenz (KI) besteht darin,

intelligentes (menschliches) Verhalten durch Computerprogramme

(künstlich) nachzubilden.

• Symbolische, Logik-orientierte KI

Systeme zur Problemlösung

Systeme zur Entscheidungsunterstützung

Wissensbasierte Systeme

Wissenrepräsentationsformalismen und KI-Programmiersprachen

Wissensakquisition und Maschinelles Lernen

• Intelligenz durch Verhaltensimulation

Turing-Test

• Test ist umstritten (siehe Searle)

Chinesisches Zimmer (Symbolmanipulation ≠ Intelligenz)

Philosophische Diskussion über die Begriffe Intelligenz, Wahrnehmung,

Bewusstsein ist nicht Ziel der Vorlesung

Pragmatischer Ansatz

SC

9 WS 17/18 Georg Frey

Computational Intelligence (Soft Computing)

Künstliche Intelligenz

• Klassische Methoden der Künstliche Intelligenz basieren auf der

Verarbeitung von symbolischen Daten

• Beispiel: Expertensysteme

Teilgebiet Computational Intelligence

• Unter Computational Intelligence versteht man Methoden die auf

numerischen Daten arbeiten

• Beispiele: Fuzzy Systeme, Neuronale Netze, Genetische

Algorithmen

• Andere Bezeichnung: Soft Computing

• Intelligente Regler basieren auf Methoden des Soft Computing, deshalb

die Bezeichnung Soft Control

SC

10 WS 17/18 Georg Frey

Expertensysteme

• Kernidee (natürliches Vorbild)

Menschliches abstraktes Denken

• Historie

Erste Expertensysteme Anfang der1970er (Jedoch Probleme durch hohen

Rechenaufwand)

• Anwendung in der Automatisierungstechnik

Heute: Vielfältiger industrieller Einsatz auf höheren Automatisierungsebenen

• Beispiele

Systeme zur unterstützenden Prozessführung

Systeme zur Fehlerdiagnose

Trainingssysteme (Simulatoren)

SC

11 WS 17/18 Georg Frey

Beispiel XPS: Diagnosesystem in der Prozessführung

Quelle: Polke 1994

SC

12 WS 17/18 Georg Frey

Fuzzy Systeme

• Kernidee (natürliches Vorbild)

Umgang mit unscharfem Wissen

• Historie

Mitte der 1960er Zadeh Fuzzy Logik

Mitte der 1970er Mandani Fuzzy Control

• Anwendung in der Automatisierungstechnik

Anfang der 1980er erste industrielle Applikationen

Fuzzy-Regler

• Beispiele

Trocknungsprozesse

Gastherme

Fuzzy Regelung eines invertierten Pendels

Waschmaschine (AEG)

Fuzzy Regelung eines Bohrhammers

SC

13 WS 17/18 Georg Frey

Beispiel Fuzzy: Regelung eines Bohrhammers

Aufgabe: Automatisches Einstellen

von optimaler Drehzahl und

Schlagzahl in Abhängigkeit

von Bohrerdurchmesser und

Materialhärte

Lösung: Insgesamt 20 WENN-DANN-Regeln zur automatischen

Erkennung von Bohrerdurchmesser und Materialhärte

anhand von vier Messgrößen

Regel Nr. 11 als Beispiel:

WENN Leistung=mittel UND Längsbeschleunigung=hoch UND

Querbeschleunigung=hoch UND Längsfrequenz=mittel

DANN Bohrerdurchmesser=24mm

SC

14 WS 17/18 Georg Frey

Neuronale Netze

• Kernidee (natürliches Vorbild)

Konnektionistischer Ansatz zur Wissensspeicherung und Verarbeitung (Neuronen im

Gehirn)

• Historie

Anfänge in den 1970ern

Probleme aufgrund inadäquater Rechentechnik

Neue Interesse in den 1980ern

• Anwendung in der Automatisierungstechnik

Identifikation komplexer Prozesse

Regelung durch inverses Modell

Prädiktion

• Beispiel

Identifikation nichtlinearer Systeme

SC

15 WS 17/18 Georg Frey

Beispiel NN: Identifikation eines Zweitanksystems

h1

h2

qZu

L1

La

v12

va

)1(Zu -kq

)(ˆ1 kh)2(Zu -kq

)2(1 -kh

)1(1 -kh

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500-0.02

0

0.02

0.04

0.06

0.08

0.1

0.12

0.14

0.16

0.18

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 5000

0.002

0.004

0.006

0.008

0.01

0.012

0.014

0.016

0.018

0.02

)(ˆ

)(

1

1

kh

kh real

Modell

SC

16 WS 17/18 Georg Frey

Genetische Algorithmen

• Kernidee (natürliches Vorbild)

Stochastische Optimierung (Evolution in der Natur)

• Historie

Anfänge Mitte der 1960er Holland

• Anwendung in der Automatisierungstechnik

ab Mitte der 1990er für komplexe Optimierungsprobleme (offline)

• Beispiel

Optimierung von Reglerparametern speziell bei vielen Freiheitsgraden (Fuzzy-

Controller)

SC

17 WS 17/18 Georg Frey

Zusammenhang der Verfahren

Fuzzy

Control

Neuronale

Netze Genetische

Algorithmen

Experten-

systeme

Adaptivität

Struktur der Wissensverarbeitung

minimal

(nicht adaptiv)

maximal

unstrukturiert

strukturiert

Populationsstruktur

Topologie

der Netze

unscharfe

Regeln

Regeln

SC

18 WS 17/18 Georg Frey

Einordnung in die Vorlesung

Betrachtet man die bisher vorgestellten Systeme so kann man

sagen, dass wir uns Intelligenz top-down angeschaut haben:

• Expertensysteme

(abstraktes mathematisches Denken)

sind eine Weiterentwicklung von

• Fuzzy-Systemen

(„natürliches“ Fuzzy-Schließen)

diese konnten sich nur entwickeln, auf Basis

der neuronalen Strukturen des Gehirns

• Neuronale Netze

(Lernfähigkeit und Adaption)

entstanden im Laufe der Evolution aus

einfacheren Strukturen durch

• Genetische Algorithmen

(„survival of the fittest“)

Tech

nis

ch

e E

ntw

icklu

ng

un

d V

org

eh

en

in d

er V

orle

su

ng

Natü

rlic

he E

ntw

icklu

ng

SC

19 WS 17/18 Georg Frey

Zusammenfassung

• Die Probleme der industriellen Praxis erfordern den Einsatz

„intelligenter“ Regler

• Die Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz und insbesondere

der Computational Intelligence bietet hierfür eine Reihe von Methoden

• Die Ideen sind alle schon relativ alt

• Der praktische Einsatz ist aber erst seit einigen Jahren möglich

(Rechenleistung)

• Die frühere Skepsis auf der Anwenderseite ist inzwischen deutlich

zurückgegangen

SC

20 WS 17/18 Georg Frey

Aufbau der Vorlesung

1. Einführung Soft Control: Definition und Abgrenzung, Grundlagen

"intelligenter" Systeme

2. Wissensrepräsentation und Wissensverarbeitung (Symbolische KI)

Anwendung: Expertensysteme

3. Fuzzy-Systeme: Umgang mit unscharfem Wissen

Anwendung: Fuzzy-Control

4. Konnektionistische Systeme: Neuronale Netze

Anwendung: Identifikation und neuronale Regler

5. Genetische Algorithmen, Simulated Annealing, Differential Evolution

Anwendung: Optimierung

6. Zusammenfassung & Literaturhinweise

SC

21 WS 17/18 Georg Frey

Literatur zur Vorlesung (benutzte Quellen)

Allgemeines zu Methoden der KI: Umfassendes Nachschlagewerk für Interessierte

• Götz, Güntzer (Hrsg.): Handbuch der künstlichen Intelligenz. Oldenbourg Verlag, 2000.

Expertensysteme: Anwendungsorientierte Darstellungen für die Anwendung in der Leittechnik:

• Polke, M.: Prozeßleittechnik. Oldenbourg Verlag, 1994.

• Ahrens, W.; Scheurlen, H.-J.; Spohr, G.-U.: Informationsorientierte Leittechnik. Oldenbourg Verlag, 1997.

Methoden der Computational Intelligence in der Automatisierungstechnik:

• Fatikow, S.: Neuro- und Fuzzy- Steuerungsansätze in Robotik und Automation. Vorlesungsskript, Karlsruhe, 1994.

• King R.E.: Computational Intelligence in Control Engineering. Marcel Dekker, 1999

SC

22 WS 17/18 Georg Frey

Ziele der Vorlesung

Wissen was Soft Control bedeutet

Für die Automatisierungstechnik relevanten Gebiete der Artificial

Intelligence und speziell der Computational Intelligence kennen:

Expertensysteme

Fuzzy Systeme

Neuronale Netze

Stochastische Optimierungsverfahren

Einsatzgebiete, Vorteile und Nachteile der einzelnen Methoden

kennen

Entwurfsverfahren für spezielle Methoden des Soft Control

verstehen und anwenden können