110. § 26 VOB/A - Aufhebung der...

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Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010 110. § 26 VOB/A - Aufhebung der Ausschreibung Aufhebung der Ausschreibung 1. Die Ausschreibung kann aufgehoben werden: a) wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht, b) wenn die Verdingungsunterlagen grundlegend geändert werden müssen, c) wenn andere schwerwiegende Gründe bestehen. 2. Die Bewerber und Bieter sind von der Aufhebung der Ausschreibung unter Angabe der Gründe, gegebenenfalls über die Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, unverzüglich zu unterrichten. Die Unterrichtung erfolgt auf Antrag der Bewerber oder Bieter schriftlich. 110.1 Vergleichbare Regelungen Der Vorschrift des § 26 VOB/A vergleichbar sind im Bereich der VOB § 26a VOB/A und im Bereich der VOL §§ 26, 26a VOL/A. Die Kommentierungen zu diesen Vorschriften können daher ergänzend zu der Kommentierung des § 26 herangezogen werden. 110.2 Änderungen in der VOB/A 2006 In § 26 erfolgten im Rahmen der VOB/A 2006 keine Änderungen. 110.3 Bieterschützende Vorschrift Wie § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB entnommen werden kann, ist das Verfahren vor der Vergabekammer eröffnet, wenn die Einhaltung von Vergabevorschriften nachzuprüfen sein kann, deren Nichtbeachtung Unternehmen in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzen kann. Damit kann auch die Aufhebung einer im offenen Verfahren erfolgten Ausschreibung eines öffentlichen Bauauftrags nicht außerhalb der Nachprüfung im Verfahren nach §§ 107 ff. GWB stehen. Diese Maßnahme kann nämlich der Regelung in § 26 Nr. 1, § 26a Nr. 1 VOB/A Abschnitt 2 bzw. VOL/A widersprechen, bei der es sich um eine Bestimmung über das Vergabeverfahren handelt, auf deren Einhaltung Unternehmen nach § 97 Abs. 7 GWB Anspruch haben. Insoweit besteht Einigkeit, dass jedenfalls solche Bestimmungen § 97 Abs. 7 GWB unterfallen, die (auch) zum Schutz wohlberechtigter Interessen von am Vergabeverfahren teilnehmenden oder daran interessierten Unternehmen aufgestellt worden sind. Um solch eine Bestimmung handelt es sich bei der Regelung in § 26 Nr. 1, § 26a Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A Abschnitt 2. § 26 Nr. 1 mag zwar ursprünglich allein aus haushaltsrechtlichen Gründen Aufnahme in die VOB/A bzw. VOL/A gefunden haben, um haushaltsrechtlich gebundenen Auftraggebern eine kostenfreie Loslösung von einer einmal eingeleiteten Ausschreibung zu ermöglichen. Jedenfalls durch die Verbindlichkeit, die § 26 Nr. 1, § 26a Nr. 1 VOB/A Abschnitt 2 infolge § 6 VgV für 5872 5873 5874

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110. § 26 VOB/A - Aufhebung der Ausschreibung Aufhebung der Ausschreibung 1. Die Ausschreibung kann aufgehoben werden:

a) wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht, b) wenn die Verdingungsunterlagen grundlegend geändert werden müssen, c) wenn andere schwerwiegende Gründe bestehen.

2. Die Bewerber und Bieter sind von der Aufhebung der Ausschreibung unter Angabe der

Gründe, gegebenenfalls über die Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, unverzüglich zu unterrichten. Die Unterrichtung erfolgt auf Antrag der Bewerber oder Bieter schriftlich.

110.1 Vergleichbare Regelungen Der Vorschrift des § 26 VOB/A vergleichbar sind im Bereich der VOB § 26a VOB/A und im Bereich der VOL §§ 26, 26a VOL/A. Die Kommentierungen zu diesen Vorschriften können daher ergänzend zu der Kommentierung des § 26 herangezogen werden.

110.2 Änderungen in der VOB/A 2006 In § 26 erfolgten im Rahmen der VOB/A 2006 keine Änderungen.

110.3 Bieterschützende Vorschrift Wie § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB entnommen werden kann, ist das Verfahren vor der Vergabekammer eröffnet, wenn die Einhaltung von Vergabevorschriften nachzuprüfen sein kann, deren Nichtbeachtung Unternehmen in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzen kann. Damit kann auch die Aufhebung einer im offenen Verfahren erfolgten Ausschreibung eines öffentlichen Bauauftrags nicht außerhalb der Nachprüfung im Verfahren nach §§ 107 ff. GWB stehen. Diese Maßnahme kann nämlich der Regelung in § 26 Nr. 1, § 26a Nr. 1 VOB/A Abschnitt 2 bzw. VOL/A widersprechen, bei der es sich um eine Bestimmung über das Vergabeverfahren handelt, auf deren Einhaltung Unternehmen nach § 97 Abs. 7 GWB Anspruch haben. Insoweit besteht Einigkeit, dass jedenfalls solche Bestimmungen § 97 Abs. 7 GWB unterfallen, die (auch) zum Schutz wohlberechtigter Interessen von am Vergabeverfahren teilnehmenden oder daran interessierten Unternehmen aufgestellt worden sind. Um solch eine Bestimmung handelt es sich bei der Regelung in § 26 Nr. 1, § 26a Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A Abschnitt 2. § 26 Nr. 1 mag zwar ursprünglich allein aus haushaltsrechtlichen Gründen Aufnahme in die VOB/A bzw. VOL/A gefunden haben, um haushaltsrechtlich gebundenen Auftraggebern eine kostenfreie Loslösung von einer einmal eingeleiteten Ausschreibung zu ermöglichen. Jedenfalls durch die Verbindlichkeit, die § 26 Nr. 1, § 26a Nr. 1 VOB/A Abschnitt 2 infolge § 6 VgV für

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Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge im Anwendungsbereich des § 100 GWB erlangt hat, beinhaltet diese Regelung jedoch in diesem Bereich ein vergaberechtliches Gebot, ein Vergabeverfahren nur aus den dort genannten Gründen aufzuheben. Dieses Gebot hat bieterschützende Wirkung. Es dient dazu sicherzustellen, dass die Aufhebung der Ausschreibung nicht als Maßnahme der Diskriminierung einzelner Bieter missbraucht werden kann, weil hiernach die Aufhebung der Ausschreibung nur in ganz engen Ausnahmefällen vergaberechtlich zulässig ist (BGH, B. v. 18.2.2003 - Az.: X ZB 43/02; OLG Koblenz, B. v. 10.4.2003 - Az.: 1 Verg 01/03; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; VK Brandenburg, B. v. 30.7.2002 - Az.: VK 38/02; 2. VK Bund, B. v. 15.06.2004 - Az.: VK 2 – 40/03; 3. VK Bund, B. v. 16.03.2007 - Az.: VK 3 – 13/07; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; VK Hessen, B. v. 10.06.2004 - Az.: 69 d - VK - 27/2004; B. v. 10.06.2004 - Az.: 69 d - VK - 28/2004; 1. VK Sachsen, B. v. 5.9.2002 - Az.: 1/SVK/073-02; VK Schleswig-Holstein, B. v. 04.02.2008 - Az.: VK-SH 28/07; B. v. 26.07.2006 - Az.: VK-SH 11/06; B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 05/06; B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 04/06; B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 03/06; B. v. 14.09.2005 - Az.: VK-SH 21/05; VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06).

110.4 Sinn und Zweck der Vorschrift Die Bestimmungen über die Aufhebung der Ausschreibung (§ 26, § 26a VOB/A, § 26 VOL/A) dienen neben einem Schutz der Bieter vor einer nutzlosen Erstellung zeit- und kostenintensiver Angebote auch der Diskriminierungsabwehr (BayObLG, B. v. 15.7.2002 - Az.: Verg 15/02; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; VK Schleswig-Holstein, B. v. 23.10.2009 - Az.: VK-SH 14/09; VK Südbayern, B. v. 29.07.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-27-05/09; B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 06.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-19-05/07; B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06), da sie den Auftraggeber daran hindern, die Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren zu schaffen (VK Südbayern, B. v. 06.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-19-05/07).

110.5 Geltungsbereich

110.5.1 Ausschreibungen Die Vorschrift bezieht sich explizit nur auf "Ausschreibungen". Ausschreibungen finden nur bei offenen und nichtoffenen Verfahren statt, so dass schon aufgrund des Wortlauts grundsätzlich davon auszugehen sein dürfte, dass § 26 VOB/A bzw. VOL/A nur für diese Arten der Vergabe gilt, nicht dagegen für die freihändige Vergabe bzw. für das Verhandlungsverfahren (1. VK Bund, B. v. 28.4.2003 - Az.: VK 1 - 19/03).

110.5.2 Freihändige Vergabe bzw. Verhandlungsverfahren oder Wettbewerblicher Dialog

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110.5.2.1 Grundsatz Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Nach einer Auffassung bezieht sich die einschränkende Formulierung des § 26 Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A lediglich auf die Öffentliche (Offene) sowie die Beschränkte (Nichtoffene) Ausschreibung, nicht jedoch auf die Freihändige Vergabe (Verhandlungsverfahren). Dies bedeutet, dass eine Aufhebung des Vergabeverfahrens auch auf andere, nicht in § 26 VOB/A bzw. VOL/A aufgeführte Gründe gestützt werden kann, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden ist (VK Detmold, B. v. 19.12.2002 - Az.: VK.21-41/02). Nach der Gegenmeinung ist § 26 VOB/A bzw. VOL/A im Rahmen des 2. Abschnitts im Lichte des höherrangigen § 101 Abs. 4 GWB auszulegen, der Verhandlungsverfahren einschließt. § 26 VOB/A bzw. VOL/A gelten auch für die Aufhebung eines ausgeschriebenen Verhandlungsverfahrens (1. VK Bund, B. v. 31.08.2009 - Az.: VK 1 - 152/09; VK Brandenburg, B. v. 17.9.2002 - Az.: VK 50/02). § 26 VOB/A bzw. VOL/A ist auch auf die Aufhebung eines Verhandlungsverfahrens auf der Stufe eines vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs anzuwenden. Ein solcher Teilnahmewettbewerb ist lediglich ein unselbständiger Annex zu dem eigentlich bezweckten Verhandlungsverfahren und ist von der Existenz des Vergabeverfahrens abhängig. Eine Aufhebung wirkt in diesem Fall nicht als Aufhebung nur des vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs, sondern stets als Aufhebung des Verhandlungsverfahrens (VK Brandenburg, B. v. 30.7.2002 - Az.: VK 38/02).

110.5.2.2 Geltung des Transparenzgebotes und des Diskriminierungsverbots Verhandlungsverfahren sind zwar weniger formalisiert als offene und nicht offene Verfahren; eine Reihe von Vorschriften der VOB/A bzw. VOL/A, in deren Überschrift bzw. Text dies deutlich gemacht wird, gelten hier nicht. Trotz der dadurch bedingten größeren Freiheiten für den Auftraggeber handelt es sich beim Verhandlungsverfahren um eine von drei Vergabearten, § 101 Abs. 1 GWB, die ebenso wie die anderen Vergabearten - abgesehen von den ausdrücklich normierten Ausnahmen - in vollem Umfang und in allen Verfahrensschritten der VOB/A bzw. der VOL/A und insbesondere den allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen des § 97 GWB unterliegt. Die Nichtgeltung von § 26 VOB/A bzw. VOL/A für die Verfahrenseinstellung impliziert nicht gleichzeitig eine Freistellung von allen anderen vergaberechtlichen Vorgaben; die Entscheidung, das Verfahren nicht fortzuführen, muss sich vielmehr am Transparenzgebot und am Diskriminierungsverbot messen lassen (VK Brandenburg, B. v. 14.12.2007 - Az.: VK 50/07; B. v. 30.7.2002 - Az.: VK 38/02; 1. VK Bund, B. v. 28.4.2003 - Az.: VK 1 - 19/03).

110.5.2.3 Verhandlungsverfahren über Kreativleistungen Gerade bei Kreativleistungen ist es Sinn des Verhandlungsverfahrens, über Verhandlungen eine Annäherung des Angebots an die Vorstellungen des Auftraggebers herbeizuführen. Auch wenn man dem Auftraggeber einen weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Einschätzung der in der Präsentation gezeigten Kreativleistung zubilligt, so

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macht er es sich zu einfach und schafft keine ausreichende Beurteilungsbasis für die Ausübung seines Beurteilungsermessens, wenn er bei dieser Sachlage die Angebote ohne weitere, über Verhandlungen anzustellende Bemühungen verwirft und ein neues Verfahren in die Wege leitet, um dort neue Ideen präsentiert zu bekommen. Auch bei Zubilligung subjektiver Momente auf Seiten des Auftraggebers ist es willkürlich, wenn nicht mit herausragenden Bietern der Versuch einer Optimierung unternommen, sondern stattdessen einfach ein völlig neues Verfahren mit neuen Bietern begonnen wird. Diese Vorgehensweise widerspricht dem Transparenzgebot und wird weder dem Anspruch der Bieter - die erhebliche finanzielle Aufwendungen getätigt haben - auf ein faires Verfahren gerecht, noch lässt es sich mit der generellen Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber zu sorgfältigem Umgang mit Haushaltsmitteln vereinbaren. Denn ein neues Verfahren ist nicht nur für die Bieter, sondern auch für den Auftraggeber mit erheblichen Kosten verbunden (1. VK Bund, B. v. 28.4.2003 - Az.: VK 1 - 19/03)

110.5.3 Aufhebung von Verfahren nach der VOB/A-SKR Vorschriften über die Aufhebung einer Ausschreibung fehlen in der VOB/A-SKR bzw. VOL/A-SKR . Ein Rückgriff auf die Regelung in § 26 VOB/A bzw. VOL/A kann grundsätzlich nicht erfolgen (VK Brandenburg, B. v. 22.09.2008 - Az.: VK 27/08). Eine Beendigung des Verfahrens wird sicherlich jederzeit möglich sein, wenn die in § 26 VOB/A bzw. VOL/A genannten Gründe vorliegen. Darüber hinaus werden solche Umstände in Betracht kommen, die auch bei rein privaten Auftraggebern einen Abbruch von Vertragsverhandlungen zulassen, ohne dass dadurch schuldhaft das zwischen den Verhandlungsparteien bestehende vorvertragliche Vertrauensverhältnis verletzt wird. Wegen dieses Pflichtenverhältnisses kann der Bieter auf die Einhaltung der grundlegenden Regeln eines Vergabeverfahrens vertrauen, da er seinerseits Geld und Zeit in die Bewerbung und das Ausfüllen des Leistungsverzeichnisses steckt. Deshalb ist ein uneingeschränkter und willkürlicher Entschluss zur Aufhebung ebenso wenig zulässig wie eine nur zum Schein erfolgte Aufhebung. Eine Aufhebung darf nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen und muss dem Transparenzgebot genügen (OLG München, B. v. 12.07.2005 - Az.: Verg 008/05; VK Brandenburg, B. v. 14.12.2007 - Az.: VK 50/07; VK Düsseldorf, B. v. 02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 - L).

110.6 Ermessensentscheidung

110.6.1 Allgemeines Eine Aufhebungsentscheidung nach § 26 VOB/A bzw. VOL/A steht im Ermessen der Vergabestelle (BGH, B. v. 10.11.2009 - Az.: X ZB 8/09; KG Berlin, B. v. 21.12.2009 - Az.: 2 Verg 11/09; OLG Bremen, B. v. 17.3.2003 - Az.: Verg 2/2003; OLG Düsseldorf, B. v. 04.07.2005 - Az.: VII - Verg 35/05; OLG Koblenz, B. v. 08.12.2008 - Az.: 1 Verg 4/08; B. v. 23.12.2003 - Az.: 1 Verg 8/03; OLG München, B. v. 29.09.2009 - Az.: Verg 12/09; B. v. 29.03.2007 - Az.: Verg 02/07; OLG Naumburg, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 12/05; Thüringer OLG, B. v. 20.06.2005 - Az.: 9 Verg 3/05; BayObLG, B. v. 17.02.2005 - Verg 027/04; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; 1. VK Brandenburg, B. v. 18.01.2007 - Az.: 1 VK 41/06; 2. VK Brandenburg, B. v. 28.06.2005 - Az.: VK 20/05; 1. VK Bund, B. v. 14.02.2008 - Az.: VK 1 - 12/08; B. v. 10.04.2007 - Az.: VK 1 - 20/07; 2. VK

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Bund, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 2 - 60/07; 3. VK Bund, B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; B. v. 02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 – L; VK Münster, B. v. 13.12.2005 - Az.: VK 24/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.10.2005 - Az.: VK-SH 27/05; VK Südbayern, B. v. 29.07.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-27-05/09; B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06; B. v. 14.12.2004 - Az.: 70-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 69-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 68-10/04; B. v. 13.07.2004 - Az.: 46-06/04; B. v. 13.07.2004 - Az.: 39-05/04). Ein Bieter hat - auch wenn ein Aufhebungsgrund vorliegen mag - keinen Anspruch auf Aufhebung, sondern nur auf ermessenfehlerfreie Entscheidung der Vergabestelle (BGH, B. v. 10.11.2009 - Az.: X ZB 8/09). Dieses Ermessen kann - wie sonst auch - mit dem Ergebnis auf Null reduziert sein, dass nur eine Aufhebung – als ultima ratio - ermessensfehlerfrei wäre (KG Berlin, B. v. 21.12.2009 - Az.: 2 Verg 11/09; OLG Dresden, B. v. 28.03.2006 - Az.: WVerg 0004/06; B. v. 6.6.2002 - Az.: WVerg 0005/02; OLG Koblenz, B. v. 08.12.2008 - Az.: 1 Verg 4/08; OLG Naumburg, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 12/05; VK Baden-Württemberg, B. v. 05.09.2005 - Az.: 1 VK 51/05; 1. VK Brandenburg, B. v. 18.01.2007 - Az.: 1 VK 41/06; 3. VK Bund, B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; VK Münster, B. v. 13.12.2005 - Az.: VK 24/05; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 21.04.2005 - Az.: 1 VK LVwA 17/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09; B. v. 06.10.2005 - Az.: VK-SH 27/05; B. v. 1.4.2004 - Az.: VK-SH 05/04; VK Südbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06). Dies ist z.B. der Fall, wenn der Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 lit. a - c VOB/A gleichzeitig einen Verstoß gegen andere Vergabevorschriften darstellt und der Zuschlag schon deswegen rechtswidrig wäre. Weitere Voraussetzung ist, dass die Rechtswidrigkeit nur durch die Aufhebung beseitigt werden kann (VK Südbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06; B. v. 13.07.2004 - Az.: 46-06/04; B. v. 13.07.2004 - Az.: 39-05/04). Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt außerdem nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa dann, wenn eine wettbewerblich und wirtschaftlich fundierte Vergabe nicht mehr möglich ist (OLG Rostock, B. v. 06.03.2009 - Az.: 17 Verg 1/09; VK Berlin, B. v. 04.05.2009 - Az.: VK - B 2 - 5/09; 3. VK Bund, B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; 1. VK Sachsen, B. v. 10.04.2007 – Az.: 1/SVK/020-07; 1. VK Brandenburg, B. v. 18.01.2007 - Az.: 1 VK 41/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09; VK Südbayern, B. v. 29.07.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-27-05/09; B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06) oder ein Bieter einseitig und schwerwiegend beeinträchtigt wird (BayObLG, B. v. 17.02.2005 - Verg 027/04; VK Südbayern, B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06; VK Münster, B. v. 17.11.2005 - Az.: VK 21/05). Eine Pflicht zur Aufhebung kommt weiterhin namentlich bei der Wahl eines unzulässigen Vergabeverfahrens (z.B. der Wahl der nationalen öffentlichen statt des EU-weiten Offenen Verfahrens - VK Lüneburg, B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006 -; VK Niedersachsen, B. v. vom 16.10.2008 - Az.: VgK-30/2008; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09;), der Erstellung grob unvollständiger oder falscher Verdingungsunterlagen (OLG Rostock, B. v. 06.03.2009 - Az.: 17 Verg 1/09; 1. VK Brandenburg, B. v. 18.01.2007 - Az.: 1 VK 41/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09) oder der gezielten Verschaffung eines wettbewerbsverzerrenden Informationsvorsprungs

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zugunsten eines einzelnen Bieters in Betracht (Thüringer OLG, B. v. 20.06.2005 - Az.: 9 Verg 3/05), ebenso, wenn eine sachgerechte Wertung der Angebote mangels Vergleichbarkeit nicht möglich ist (1. VK Brandenburg, B. v. 18.01.2007 - Az.: 1 VK 41/06) oder eine nicht verfahrensneutrale Leistungsbeschreibung in Verbindung mit einer mangelhaften Dokumentation vorliegt (VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06) oder bei Nichtbekanntgabe der das Hauptkriterium Preis ausfüllenden Regeln (VK Südbayern, B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06) oder einer Änderung des Beschaffungsgegenstandes (VK Niedersachsen, B. v. vom 16.10.2008 - Az.: VgK-30/2008) oder einer Vorabvergabe von bestimmten Leistungsteilen, wenn dadurch eine Kalkulation der verbleibenden Leistungsteile nicht möglich ist (VK Arnsberg, B. v. 26.05.2009 - VK 10/09) oder einer Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien (1. VK Bund, B. v. 31.08.2009 - Az.: VK 1 - 152/09). Eine Aufhebung der Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 lit. b oder c VOB/A wegen Unklarheit der Verdingungsunterlagen kommt nur dann in Betracht, wenn eine Auftragsvergabe auf der Grundlage der bisherigen Verdingungsunterlagen für den Auftraggeber oder die Bieter unzumutbar geworden ist. Eine Aufhebung der gesamten Ausschreibung ist nicht gerechtfertigt, wenn der Nachteil durch die unklaren Verdingungsunterlagen einen klar abgrenzbaren Teilbereich der Verdingungsunterlagen berührt und durch eine Klarstellung und eine nochmalige Abgabe eines Angebotes zu einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses eine Gleichbehandlung aller Bieter erreicht wird (1. VK Bund, B. v. 24.03.2005 - Az.: VK 1 - 14/05; 2. VK Bund, B. v. 11.02.2005 - Az.: VK 2 - 223/04). Der öffentliche Auftraggeber kann auch berechtigte Gründe haben, warum er eines von sämtlich den Ausschreibungsbedingungen zuwiderlaufenden Angeboten dennoch als zuschlagsfähig einstuft, etwa weil ihm die vorgekommenen Abweichungen im Hinblick auf die eigenen Interessen als Auftraggeber nicht gewichtig erscheinen. Es vermag nicht einzuleuchten, warum der Auftraggeber, der ein Beschaffungsvorhaben durch öffentliche Ausschreibung dem Wettbewerb öffnet, trotz des Scheiterns der Angebotseinholung jedem Bieter gegenüber weiterhin der Bindung an das Vergaberecht unterworfen und gezwungen werden soll, sein Interesse an einem möglichst zeitnahen Abschluss des Beschaffungsvorhabens zurückzustellen. Daher ist es legitim, in der genannten Sonderkonstellation ausnahmsweise den Zuschlag auf ein Angebot zu gestatten, wenn die Vergabestelle meint, mit diesem ungeachtet etwaiger Mängel das Beschaffungsvorhaben verwirklichen zu können; eine Pflicht zur Aufhebung besteht deshalb nicht (Thüringer OLG, B. v. 20.06.2005 - Az.: 9 Verg 3/05). Die Konstellation der Mangelhaftigkeit sämtlicher teilnehmenden Angebote allein reicht also zu einer Ermessensreduzierung auf Null und der Pflicht zur Aufhebung nicht aus, da diese Konstellation dem § 26 Nr. 1 lit. a VOB/A bereits tatbestandsmäßig zugrunde liegt, ohne dass dies auf der Rechtsfolgeseite der Norm zwingend die Aufhebung zur Folge hätte (BGH, B. v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; Urteil v. 01.08.2006 – Az.: X ZR 115/04; OLG München, B. v. 29.09.2009 - Az.: Verg 12/09B. v. 29.03.2007 - Az.: Verg 02/07; OLG Naumburg, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 12/05; VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08; 1. VK Sachsen, B. v. 19.05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; VK Lüneburg, B. v. 21.07.2008 - Az.: VgK-25/2008; 3. VK Bund, B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; B. v. 20.09.2006 - Az.: VK 3 - 108/06; VK Südbayern, B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; VK Münster, B. v. 13.12.2005 - Az.: VK 24/05; 1. VK Bund, B. v. 14.02.2008 - Az.: VK 1 - 12/08; B. v. 10.04.2007 - Az.: VK 1 - 20/07; B. v. 07.12.2005 - Az.: VK 1 - 146/05; 2. VK Brandenburg, B. v. 28.06.2005 - Az.: VK 20/05; anderer Auffassung 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 17.04.2007 - Az.: 1 VK LVwA 04/07).

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Auch das in § 97 Abs. 2 GWB verankerte Gleichbehandlungsgebot greift bei dieser Sachverhaltskonstellation nicht. Schließt die Vergabestelle einen Bieter aus dem Wettbewerb aus, so erlischt das Rechtsverhältnis, aus dem sein Anspruch auf Gleichbehandlung erwächst, jedenfalls dann, wenn das beanstandete Angebot tatsächlich mit Mängeln behaftet ist, die ihm die Teilnahmefähigkeit am Wettbewerb und die Zuschlagsfähigkeit nehmen. Gleiches gilt für den Fall, dass die Vergabeprüfungsinstanzen ein von der Vergabestelle vergaberechtswidrig zugelassenes mangelhaftes Angebot des Antragstellers ausschließen. Das hindert zwar nicht das Fortbestehen etwaiger „nachvertraglicher” Treue- und Loyalitätspflichten, die dazu dienen, dem Bieter die Prüfung und Inanspruchnahme vergaberechtlichen Rechtsschutzes zu ermöglichen. Ein zwingend ausgeschlossener Bieter ist gleichwohl nicht länger „Teilnehmer an einem Vergabeverfahren” im Sinne des § 97 Abs. 2 GWB und ist insbesondere des Anspruchs auf Gleichbehandlung mit den übrigen im Wettbewerb verbliebenen Bietern verlustig gegangen. Der rechtmäßige oder gar zwingende Ausschluss nimmt einem Bieter ohne Rücksicht auf die Wertungsfähigkeit anderer Angebote den Anspruch auf Gleichbehandlung nach § 97 Abs. 2 GWB und führt zur Zurückweisung des Nachprüfungsantrags (OLG Naumburg, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 12/05). Diese Entscheidung ist aber mit der neuen Rechtsprechung des BGH (B. v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06) nicht mehr vereinbar. Sollte ein Auftraggeber also im Rahmen der Prüfung und Wertung zu dem Ergebnis gelangen, dass sämtliche Angebote Fehler enthalten, die zum zwingenden Angebotsausschluss führen, hat er zu prüfen, ob er nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 lit. a) VOB/A aufhebt. In diesem Fall kann der Auftraggeber nach § 3 a Nr. 4 lit. a) oder Nr. 5 lit. a) VOB/A ggf. in einem vereinfachten Verfahren ein neues Vergabeverfahren einleiten. Hält der Auftraggeber ein solches Vorgehen nicht für zweckmäßig, hat er unter strikter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 97 Abs. 2 GWB) das Vergabeverfahren fortzuführen. Unzulässig ist es dann z.B., fehlende Nachweise und Erklärungen nur bei einem Bieter nachzufordern. Aus Gründen der Chancengleichheit ist hierzu allen Bietern Gelegenheit zu geben. Diese nachgereichten Unterlagen, die ordnungsgemäß und rechtzeitig beim Auftraggeber eingegangen sind, hat der Auftraggeber seiner wiederholten formalen Angebotsprüfung zugrunde zu legen und bei den weiteren Wertungsstufen zu berücksichtigen. Deshalb sind auch diese Stufen der Angebotswertung zu wiederholen. Die Ergebnisse hat der Auftraggeber im Vergabevermerk zu dokumentieren (OLG München, B. v. 29.09.2009 - Az.: Verg 12/09; VK Lüneburg, B. v. 21.07.2008 - Az.: VgK-25/2008; 2. VK Brandenburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; 1. VK Sachsen, B. v. 19.05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09). Der Auftraggeber kann in diesen Fällen auch z.B. aus Gründen der Praktikabilität den Mangel bei allen Angeboten unberücksichtigt lassen und die Wertung weiter fortsetzen (VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08; 3. VK Bund, B. v. 20.09.2006 - Az.: VK 3 - 108/06; B. v. 20.03.2006 - Az.: VK 3 - 09/06). In Anbetracht dessen, dass die Anordnung zur Aufhebung einer Ausschreibung eine endgültige Maßnahme darstellt und einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatautonomie und die Vertragsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers bildet, kann nicht jede Unklarheit in den Verdingungsunterlagen zur Aufhebung der Ausschreibung führen (VK Münster, B. v. 05.04.2006 - Az.: VK 5/06; B. v. 10.03.2006 - Az.: VK 2/06). Dies gilt z.B. dann, wenn es sich dabei nur um ein untergeordnetes technisches Detail handelt und die Bieter die Verdingungsunterlagen offensichtlich alle aufgrund ihrer Fachkunde entsprechend

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richtig ausgelegt haben, so dass vergleichbare Angebote vorhanden sind (VK Münster, B. v. 05.04.2006 - Az.: VK 5/06).

110.6.2 Enge Auslegung Die Vorschrift des § 26 VOB/A bzw. VOL/A ist nach ihrem Sinn und Zweck eng auszulegen (BGH, Urteil vom 8.9.1998 - Az.: X ZR 48/97; OLG Düsseldorf, Urteil vom 8.1.2002 - Az: 21 U 82/01; 1. VK Bund, B. v. 29.09.2009 - Az.: VK 1 - 167/09; 2. VK Bund, B. v. 11.12.2008 - Az.: VK 2 – 76/08; B. v. 02.07.2004 - Az.: VK 2 – 28/04; B. v. 24.06.2004 - Az.: VK 2 – 73/04; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; VK Schleswig-Holstein, B. v. 23.10.2009 - Az.: VK-SH 14/09). Sie trägt dem Vertrauen des Bieters darauf Rechnung, dass das Ausschreibungsverfahren entsprechend seinen Funktionen und seinem Regelungszusammenhang normalerweise durch den Zuschlag an einen der Teilnehmer, das heißt die Erteilung des Auftrags, seinen Abschluss findet (OLG Naumburg, B. v. 13.10.2006 - Az.: 1 Verg 7/06; B. v. 13.10.2006 - Az.: 1 Verg 6/06; BayObLG, B. v. 15.7.2002 - Az.: Verg 15/02; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; VK Südbayern, B. v. 17.08.2004 - Az.: 20-04/04). Die enge Auslegung knüpft also an die schützenswerten Interessen der Bieter an. Denn bejaht man die Voraussetzungen der Bestimmung, so kann der Auftraggeber sich rechtmäßig von der Ausschreibung lösen, ohne Schadensersatzansprüche der Bieter – auch solche, die sich lediglich auf das negative Interesse richten – gewärtigen zu müssen. Anzuerkennen sind daher nur solche Gründe, die dem Auftraggeber trotz sorgfältiger Prüfung erst nach Beginn der Ausschreibung bekannt geworden und von ihm nicht zu vertreten sind und die darüber hinaus ein solches Gewicht haben, dass ihm ein Festhalten an der Ausschreibung nicht zugemutet werden kann (1. VK Bund, B. v. 29.09.2009 - Az.: VK 1 - 167/09).

110.6.3 Alternative zur Aufhebung Der Auftraggeber muss im konkreten Fall prüfen, ob er die Ausschreibung aufhebt oder einen anderen, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eher entsprechenden Weg beschreiten kann, um das von ihm mit der Aufhebung angestrebte Ziel - z. B. Änderung der Leistungsbeschreibung - zu erreichen. Kann etwa der Auftraggeber alle Bieter über einen Fehler im Leistungsverzeichnis informieren und kann er den Bietern Gelegenheit geben, neue Preisangebote einzureichen und entsteht hierdurch keine große Verzögerung des Verfahrens, ist eine solche Alternative in Betracht zu ziehen (OLG Düsseldorf, B. v. 19.11.2003 - Az.: VII - Verg 59/03; 1. VK Bund, B. v. 10.04.2007 - Az.: VK 1 - 20/07; B. v. 26.9.2003 - Az.: VK 1 - 81/03; ähnlich 2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; 2. VK Brandenburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; VK Baden-Württemberg, B. v. 15.08.2005 - Az.: 1 VK 47/05). So berechtigen etwaige Änderungen des Bauentwurfs, die nach Auftragserteilung über § 1 VOB/B angeordnet werden könnten, nicht zur Aufhebung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 8.1.2002 - Az.: 21 U 82/01).

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110.6.4 Pflicht zur Aufhebung Eine Pflicht zur Aufhebung ist immer dann gegeben, wenn ohne die Aufhebung das Wettbewerbsprinzip, das Gleichbehandlungsgebot oder das Diskriminierungsverbot verletzt würde (1. VK Sachsen, B. v. 17.09.2007 - Az.: 1/SVK/058-07; B. v. 10.04.2007 – Az.: 1/SVK/020-07; 1. VK Brandenburg, B. v. 18.01.2007 - Az.: 1 VK 41/06; VK Hamburg, B. v. 25.7.2002 - Az.: VgK FB 1/02) oder - als "ultima ratio" -, wenn das bisherige Verfahren mit derart gravierenden Mängeln behaftet ist, dass diese im Rahmen einer chancengleichen und wettbewerbsgerechten Eignungs- und Angebotsprüfung nicht mehr heilbar sind (OLG Koblenz, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 4/05; 1. VK Sachsen, B. v. 10.04.2007 – Az.: 1/SVK/020-07; B. v. 18.08.2006 - Az.: 1/SVK/077-06; VK Münster, B. v. 17.11.2005 - Az.: VK 21/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09; B. v. 06.10.2005 - Az.: VK-SH 27/05). Von einer derartigen Pflicht zur Aufhebung als einzig rechtmäßige Maßnahme ist ausnahmsweise auszugehen, wenn eine wettbewerblich und wirtschaftlich fundierte Vergabe nicht mehr möglich ist (1. VK Sachsen, B. v. 10.04.2007 – Az.: 1/SVK/020-07; 1. VK Brandenburg, B. v. 18.01.2007 - Az.: 1 VK 41/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09), sinnlos wäre oder aber Bieter einseitig und schwerwiegend beeinträchtigen würden. Eine derartige Pflicht zur Aufhebung besteht etwa in den Fällen, in denen irreparable Mängel der Leistungsbeschreibung vorliegen, sofern diese erheblich sind. In diesen Fällen kann einem Bieter ein vergaberechtlicher Anspruch auf Aufhebung des Vergabeverfahrens erwachsen, um so die Chance zu erhalten, in einem sich anschließenden, neuen Vergabeverfahren ein Angebot zu einem konkurrenzfähigen Preis anzubieten (VK Münster, B. v. 17.11.2005 - Az.: VK 21/05; VK Lüneburg, B. v. 4.9.2003 - Az.: 203-VgK-16/2003). Benennt ein Auftraggeber vergaberechtswidrig reine Eignungskriterien als Zuschlagskriterien, kann er diesem Vergabefehler nicht dadurch abhelfen, dass er bei der Wertung nur den Preis als Zuschlagskriterium verwendet und die Eignungskriterien außer Betracht lässt. Die Angabe der Zuschlagskriterien soll den Bietern die Möglichkeit einräumen, ihr Angebot den Kriterien entsprechend auszurichten. Es widerspricht dem Transparenzgrundsatz, nachträglich weitere Kriterien hinzuzufügen oder umgekehrt solche wegzulassen. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Bieterreihenfolge die gleiche ist, nennt ein Auftraggeber von vornherein nur den Preis als Zuschlagskriterium. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass Bieter bei einer solchen Konstellation andere Preise bieten. Eine sachgerechte Wertung ist einem Auftraggeber deshalb in der Regel nicht mehr möglich. Einerseits würde er gegen Vergaberecht verstoßen, würde er der Wertung die Eignungskriterien neben dem Preis zugrunde legen, andererseits kann er die Wertung nicht nur auf den Preis stützen. Ist folglich eine sachgerechte Wertung der Angebote in aller Regel nicht mehr möglich, liegt grundsätzlich ein wichtiger Grund nach § 26 Nr. 1 Buchst. c) VOB/A vor, der zur Aufhebung berechtigt bzw. verpflichtet (VK Baden-Württemberg, B. v. 07.10.2005 - Az.: 1 VK 56/05). Dies gilt jedoch nicht, wenn alle Bieter - außer einem - vom Verfahren auszuschließen sind, da es dann gar nicht zu einem Vergleich der Angebote unter Zugrundelegung der unzulässigen Zuschlagskriterien kommt (VK Baden-Württemberg, B. v. 07.10.2005 - Az.: 1 VK 56/05). Versendet der Auftraggeber irrtümlicherweise ein unvollständiges Blankett des Leistungsverzeichnisses an die Bieter und stellt er darüber hinaus einigen Bietern das

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Leistungsverzeichnis in digitaler Form zur Verfügung, bei dem zumindest bei zwei Bietern im schriftlichen Leistungsverzeichnis fehlende Positionen enthalten sind, ist ein transparentes die Gleichbehandlung aller Bieter wahrendes Verfahren ist nicht mehr durchführbar, da die Leistung nicht gemäß § 9 Nr. 1 VOB/A eindeutig und so erschöpfend beschrieben ist, dass alle Bieter die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen. Miteinander vergleichbare Angebote können daher nicht vorliegen. Der Wettbewerb kann auf der Grundlage unterschiedlicher Leistungsverzeichnisse nicht aufrechterhalten werden und ist daher aufzuheben (VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2005 - Az.: VK - 30/2005 – B). Stellt eine Vergabestelle nur einem Bieter wettbewerbs- und preisrelevante Kalkulationsgrundlagen zur Verfügung und macht sie diese anderen Bietern nicht auch zugänglich, liegt ein Verstoß des Auftraggebers gegen § 17 Nr. 6 Absatz 2 VOL/A durch Ungleichbehandlung vor, die mangels vergleichbarer Angebote zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führt. Grundlage der Regelung des § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A wie auch der Parallelregelung in § 17 Nr. 7 Abs. 2 VOB/A ist das Prinzip der Gleichbehandlung aller Teilnehmer an einem Vergabeverfahren. Eine solche Änderung kann auch während eines Vergabeverfahrens nicht mehr in zulässiger Weise durch den Auftraggeber vorgenommen werden. Es ist nämlich denkbar, dass neben den Bietern, die ein Angebot abgegeben haben, auch andere Bewerber, die sich bisher nicht am Wettbewerb beteiligten, ein Angebot unterbreiten könnten (VK Sachsen, B. v. 17.09.2007 - Az.: 1/SVK/058-07).

110.6.5 Literatur

• Müller-Wrede, Malte / Schade, Verena, Anspruch ausgeschlossener Bieter auf Aufhebung, VergabeR 2005, 460

110.7 Teilaufhebung

110.7.1 Teilaufhebung von einzelnen Losen § 26 VOB/A lässt auch eine Teilaufhebung zu, obwohl der Wortlaut dies - anders als § 26 Nr. 2 VOL/A - nicht ausdrücklich vorsieht. Wenn eine Ausschreibung, die mehrere Lose umfasst, wegen eines Aufhebungsgrundes, der nur ein Los betrifft, insgesamt aufgehoben werden müsste, so würden die Bieter, die für die anderen Lose Angebote abgegeben haben, unverhältnismäßig benachteiligt. Da die VOB/A den Zuschlag als den Normalfall und die Aufhebung als Ausnahmefall ansieht, ist die Aufhebung - soweit dies nicht mit sonstigen Nachteilen verbunden und technisch sowie wirtschaftlich sinnvoll ist - auf den erforderlichen Umfang zu beschränken. Die Teilaufhebung einer Ausschreibung, bezogen auf eines von mehreren Losen, kann beispielsweise als milderes Mittel im Vergleich zur Gesamtaufhebung zulässig sein, wenn nur die Verdingungsunterlagen für ein Los wesentlich geändert werden müssen oder für nur ein Los keine annehmbaren Angebote abgegeben wurden (VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; 1. VK Sachsen, B. v. 14.03.2007 - Az.: 1/SVK/006-07; B. v. 17.7.2002 - Az.: 1/SVK/069-02; VK Südbayern, B. v. 20.7.2002 - Az.: 27-06/02).

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110.7.2 Teilaufhebung von einzelnen Positionen Eine Leistung, die nicht in Lose aufgeteilt wurde, ist einer weiteren Aufspaltung in kleinere Einheiten, die etwa als Lose gelten könnten, nicht zugänglich. Eine solche Ausweitung der Analogie aus § 26 VOL/A ist nicht möglich und widerspricht der rechtlichen Systematik der Analogie. Denn wenn schon die Voraussetzungen für einen Analogieschluss bestehen (Regelungslücke, vergleichbarer Lebenssachverhalt, vergleichbare Vorschrift), so ist der dann gezogene Analogieschluss eng anzuwenden und darf nicht nochmals ausgeweitet werden. In einer Ausschreibung können also nicht einzelne Positionen aufgehoben werden (1. VK Sachsen, B. v. 17.7.2002 - Az.: 1/SVK/069-02).

110.8 Aufhebungsgründe des § 26 VOB/A § 26 nennt verschiedene Gründe, nach denen eine Ausschreibung aufgehoben werden kann. Die Aufzählung in § 26 Nr. 1 VOB/A ist als abschließend zu betrachten (VK Magdeburg, B. v. 6.3.2000 - Az.: VK-OFD LSA-01/00; 1. VK Sachsen, B. v. 18.06.2009 - Az.: 1/SVK/017-09; B. v. 17.07.2007 - Az.: 1/SVK/046-07; VK Südbayern, B. v. 7.6.2000 - Az.: 120.3-3194.1-08-05/00, B. v. 20.6.2000 - Az.: 25-11/00, B. v. 27.4.2001 - Az.: 08-04/01).

110.8.1 Kein den Ausschreibungsbedingungen entsprechendes Angebot (§ 26 Nr. 1 Buchstabe a)) Der Auftraggeber kann das Vergabeverfahren unter Beachtung der Mitteilungspflichten (§ 26a VOB/A bzw. VOL/A) gemäß § 26 Nr. 1 lit. a) VOB/A bzw. VOL/A aufheben, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht (VK Münster, B. v. 13.12.2005 - Az.: VK 24/05; 1. VK Sachsen, B. v. 17.07.2007 - Az.: 1/SVK/046-07). Ein Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 lit. a) VOB/A bzw. VOL/A besteht nicht, wenn zumindest ein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht (OLG Koblenz, B. v. 18.12.2003 - Az.: 1 Verg 8/03; OLG München, B. v. 02.03.2009 - Az.: Verg 01/09; VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; 1. VK Sachsen, B. v. 18.06.2009 - Az.: 1/SVK/017-09; B. v. 17.07.2007 - Az.: 1/SVK/046-07). Ein Angebot ist nicht nur nach dem Wortlaut des § 26 Nr. 1 lit. a) VOB/A bzw. VOL/A ausreichend, um den Aufhebungsgrund nach dieser Vorschrift zu versagen. Auch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, wonach eine Regelung im Vergaberecht, nach der die Aufhebung der Ausschreibung zulässig ist, wenn nur ein gültiges Angebot vorliegt, als richtlinienkonform zu werten ist, bedeutet im Unkehrschluss nicht, dass die Ausschreibung auch nach deutschem Recht aufgehoben werden kann, wenn lediglich ein wertbares Angebot vorliegt (VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; VK Schleswig-Holstein, B. v. 24.10.2003 - Az.: VK-SH 24/03). Eine Aufhebung trotz Eingangs eines einzigen wertbaren Angebotes ist vielmehr lediglich dann gerechtfertigt, wenn nach dem Sachverhalt eine der anderen Fallgruppen des § 26 VOB/A vorliegt (VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008). Nach § 26 Nr. 1 lit. a) VOB/A kann eine Ausschreibung aufgehoben werden, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Hiervon wird

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auch ausgegangen, wenn die eingegangenen Angebote wegen unangemessen hoher Preise gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A keine Berücksichtigung finden können (VK Baden-Württemberg, B. v. 29.04.2009 - Az.: 1 VK 15/09).

110.8.2 Notwendigkeit der grundlegenden Änderung der Verdingungsunterlagen (§ 26 Nr. 1 Buchstabe b))

110.8.2.1 Keine vorherige Kenntnis des Auftraggebers von der Notwendigkeit der Änderung Für eine Aufhebung können nur Gründe angeführt werden, die dem Ausschreibenden nicht bereits vor Einleitung der Verfahrens bekannt waren. Erst nachträglich, das heißt nach Beginn der Ausschreibung bekannt gewordene Gründe berechtigen zur Aufhebung wegen der Notwendigkeit einer grundlegenden Änderung der Verdingungsunterlagen (OLG Düsseldorf, B. v. 08.03.2005 - Az.: VII - Verg 40/04; B. v. 03.01.2005 - Az.: VII - Verg 72/04; VK Brandenburg, B. v. 17.9.2002 - Az.: VK 50/02, B. v. 30.7.2002 - Az.: VK 38/02; 2. VK Bund, B. v. 11.12.2008 - Az.: VK 2 – 76/08; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; VK Nordbayern, B. v. 12.10.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 25/06; 1. VK Sachsen, B. v. 18.08.2006 - Az.: 1/SVK/077-06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 24.10.2003 - Az.: VK-SH 24/03; VK Südbayern, B. v. 17.08.2004 - Az.: 20-04/04). Die Vergabestelle hat vor Ausschreibung mit der gebotenen und ihr möglichen Sorgfalt zu prüfen, ob alle erkennbaren Eventualitäten berücksichtigt sind (OLG Düsseldorf, B. v. 08.03.2005 - Az.: VII - Verg 40/04; 2. VK Bremen, B. v. 23.1.2002 - Az.: VK 11/01).

110.8.2.2 Keine Zurechenbarkeit der Gründe zum Auftraggeber Die Gründe, die eine Aufhebung rechtfertigen sollen, dürfen nicht der Vergabestelle zurechenbar sein (OLG Düsseldorf, B. v. 08.03.2005 - Az.: VII - Verg 40/04; LG Leipzig, Urteil vom 31.05.2007 - Az.: 6 O 2003/06; 2. VK Bremen, B. v. 23.1.2002 - Az.: VK 11/01;m 2. VK Bund, B. v. 11.12.2008 - Az.: VK 2 – 76/08; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; VK Köln, B. v. 03.01.2007 - Az.: VK VOB 44/2006; VK Nordbayern, B. v. 12.10.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 25/06; 1. VK Sachsen, B. v. 18.08.2006 - Az.: 1/SVK/077-06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09; B. v. 23.10.2009 - Az.: VK-SH 14/09; VK Südbayern, B. v. 17.08.2004 - Az.: 20-04/04), z.B. ein fehlerhaft erstelltes Leistungsverzeichnis (VK Köln, B. v. 03.01.2007 - Az.: VK VOB 44/2006; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 17/06; B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 16/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09; B. v. 23.10.2009 - Az.: VK-SH 14/09). Ein Auftraggeber hat die Aufhebung einer Ausschreibung nicht zu vertreten, wenn er sich zum Zeitpunkt der Ausschreibung auf eine gerichtliche Entscheidung stützen darf und sich die Rechtsprechung dann ändert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die damalige gerichtliche Entscheidung materiell-rechtlich zutreffend war. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Amtshaftung besteht bei einem materiell unrechtmäßigen Verhalten eines Amtswalters ein eigenständiger Entschuldigungsgrund, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht sein Verhalten nach sorgfältiger

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Prüfung und Würdigung als objektiv rechtmäßig gebilligt hat. Die Rechtsprechung des BGH geht nämlich auf die Erwägung zurück, dass von einem Beamten keine bessere Einsicht als von einem Kollegialgericht verlangt werden könne, das seine Entscheidung nach sorgfältiger Prüfung der Rechtslage trifft. Dies muss auch für Angestellte gelten. Es spielt auch keine Rolle, wenn es sich bei der gerichtlichen Entscheidung (nur) um eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz handelt. Der summarische Charakter einer Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz bezieht sich - jedenfalls bei Entscheidungen der Gerichte oberer Instanzen - nicht auf die Behandlung von Rechtsfragen, sondern nur auf die Behandlung beweisbedürftiger Tatsachen, denn es handelt sich (auch haftungsrechtlich) um volle Rechtsprechungsakte. Für die Rechtsanwendung gelten gegenüber dem Erkenntnisverfahren keine Besonderheiten (LG Leipzig, Urteil vom 31.05.2007 - Az.: 6 O 2003/06).

110.8.2.3 Allgemeines zur Notwendigkeit der grundlegenden Änderung Für eine grundlegende Änderung der Verhältnisse ist eine derartige Änderung erforderlich , dass eine Auftragsvergabe auf der Grundlage der bisherigen Verdingungsunterlagen für den Auftraggeber oder die Bieter unzumutbar geworden ist (OLG Düsseldorf, B. v. 03.01.2005 - Az.: VII - Verg 72/04; 2. VK Bund, B. v. 11.12.2008 - Az.: VK 2 – 76/08; VK Sachsen, B. v. 07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 17/06; B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 16/06; VK Südbayern, B. v. 17.08.2004 - Az.: 20-04/04). Streitig in der Rechtsprechung ist, ob man die Maßstäbe anzulegen hat, wie sie für eine Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) gefordert werden (so 1. VK Sachsen, B. v. 8.11.2001 - Az.: 1/SVK/104-01, eher ablehnend BayObLG, B. v. 15.7.2002 - Az.: Verg 15/02). Die Umstände müssen aber so erheblich sein, dass eine Anpassung der Angebote nicht in Betracht kommt. Zu berücksichtigen ist bei der Anwendung des § 26 Nr. 1 Buchstabe b) VOB/A bzw. VOL/A auch, in welchem Stadium sich das Vergabeverfahren befindet. Je weiter es fortgeschritten ist, desto eher verdient das Vertrauen des Bieters in dessen Abschluss durch Zuschlagserteilung und damit seine Amortisationschance den Vorrang (BayObLG, B. v. 15.7.2002 - Az.: Verg 15/02). Grundlegend sind Änderungen auch dann, wenn eine nicht voraussehbare ganz entscheidende Abänderung der bisherigen Bauabsicht, die durch die Verdingungsunterlagen ausgedrückt wird, notwendig ist und dies nicht durch bloße, im Bereich des Zumutbaren liegende Änderungen einzelner Positionen erreicht werden kann (LG Leipzig, Urteil vom 31.05.2007 - Az.: 6 O 2003/06). Eine wesentliche Änderung kann auf der Bedarfs- oder der Finanzierungsseite liegen. Mit dem Begriff "wesentlich" wird verdeutlicht, dass die Änderung der Grundlagen der Ausschreibung nicht unbedeutend, sondern einschneidend und nachhaltig sein muss (VK Hamburg, B. v. 14.8.2003 - Az.: VgK FB 3/03). Eine reine Motivänderung auf Seiten der Vergabestelle (z.B. die Entscheidung für eine wirtschaftlichere Ausführungsart) reicht für eine Aufhebung nicht aus, da § 26 Nr. 1 Buchstabe b VOB/A bzw. VOL/A nicht darauf abstellt, ob der Auftraggeber die Verdingungsunterlagen ändern will, sondern ob er sie ändern muss (VK Südbayern, B. v. 17.08.2004 - Az.: 20-04/04).

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110.8.2.4 Fehlerhaftes Leistungsverzeichnis Eine rechtmäßige Aufhebung mit der Begründung, die Verdingungsunterlagen müssen grundlegend geändert werden, setzt in jedem Fall voraus, dass die Gründe für die Änderung dem Ausschreibenden bei Erstellung der Verdingungsunterlagen nicht bekannt gewesen sind und nicht von dem Auftraggeber verursacht wurden. Fehler und Unzulänglichkeiten in der Leistungsbeschreibung zählen regelmäßig nicht dazu. Sie sind in jedem Fall dem Ausschreibenden anzulasten. Ein überarbeitungsbedürftiges Leistungsverzeichnis aufgrund mangelnder Sorgfalt bei der Erstellung rechtfertigt keine Aufhebung nach § 26 Nr. 1 b VOB/A bzw. VOL/A (OLG Naumburg, B. v. 13.10.2006 - Az.: 1 Verg 7/06; B. v. 13.10.2006 - Az.: 1 Verg 6/06; OLG Düsseldorf, B. v. 16.02.2005 - Az.: VII - Verg 72/04; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 17/06; B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 17/06; B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 16/06; VK Magdeburg, B. v. 2.4.2001 - Az.: VK-OFD LSA-03/01; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09; B. v. 23.10.2009 - Az.: VK-SH 14/09). Ähnlich argumentiert das KG Berlin (B. v. 15.3.2004 - Az.: 2 Verg 17/03). Auch wenn falsche Mengenangaben in Leistungsverzeichnissen vergaberechtlich sehr bedenklich sind, gerade weil sie zur Spekulation einladen, müssen sie im Interesse der Allgemeinheit am raschen Abschluss der Vergabeverfahren bis zu einem gewissen Maße toleriert werden, solange keine unlauteren Motive des Auftraggebers zu Tage treten. Soweit in der Fachliteratur die Ansicht vertreten wird, für aus konkretem Anlass erfolgte fiktive Mengenänderungen müsste die in § 2 Nr. 3 VOB/B vorgesehene 10%ige Abweichung die Grenze des Zulässigen bilden und größere Abweichungen die Aufhebung des Vergabeverfahrens auslösen, kann dies jedenfalls nicht schon für derartige Abweichungen bei einzelnen Positionen, unabhängig von deren Volumen und Verhältnis zum gesamten Vergabeprojekt, gelten. Eine rechtmäßige Aufhebung ist im Rahmen des Auffangtatbestandes z.B. des § 26 Nr. 1 d) VOL/A in Form eines anderen schwerwiegenden Grundes möglich, wenn dem öffentlichen Auftraggeber ein Festhalten an seiner ursprünglichen Vergabeabsicht aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen vergaberechtlich unmöglich oder unzumutbar ist. Dabei können diese schwerwiegenden Gründe sowohl in der Person des Ausschreibenden liegen als auch auf Veränderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zurückzuführen sein. Nur solche Gründe kommen in Betracht, deren Gewicht unter Berücksichtigung aller Interessen den anderen in § 26 VOL/A genannten Gründen gleichkommt. Um das Vorliegen eines „anderen schwerwiegenden Grundes“ nach z.B. § 26 Nr. 1 d) VOL/A bejahen zu können, bedarf es daher nicht nur eines schwerwiegenden Fehlers im Vergabeverfahren. Vielmehr ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zusätzlich erforderlich, dass der betreffende Aufhebungsgrund nicht auf den Auftraggeber zurückzuführen ist, also nicht der Risikosphäre des Auftraggebers zuzuordnen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt ein „anderer schwerwiegender Grund“ nur dann vor, wenn dieser nicht in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers fällt bzw. für diesen vor Versendung der Verdingungsunterlagen nicht voraussehbar war. Denn der Teilnehmer an einer Ausschreibung darf erwarten, dass der Auftraggeber seine Verdingungsunterlagen vor deren Absendung mit der gebotenen und ihm möglichen Sorgfalt prüft. Demzufolge ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Fehler oder Widersprüche in den Verdingungsunterlagen grundsätzlich zu Lasten des Auftraggebers gehen. Die Verpflichtung des Auftraggebers, die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben (§ 8 Nr. 1 VOL/A), darf nicht auf den Bieter abgewälzt werden. Diesem Grundsatz liefe es zuwider, dem Auftraggeber im Falle fehlerhafter Verdingungsunterlagen einen legitimen Aufhebungsgrund nach § 26

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VOL/A einzuräumen. Zu berücksichtigen sind dabei zudem die rechtlichen Folgen, die mit der Annahme eines Aufhebungsgrundes nach § 26 VOB/A bzw. § 26 VOL/A einhergehen. Wird nämlich das Vorliegen eines solchen Aufhebungsgrundes bejaht, indiziert dies die Rechtmäßigkeit der Aufhebung und wird dem Antragsteller die Möglichkeit entzogen, erfolgreich Schadensersatz für seine aufgrund der Aufhebung nutzlosen Aufwendungen geltend zu machen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09; B. v. 23.10.2009 - Az.: VK-SH 14/09).

110.8.2.5 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• hat sich der Auftraggeber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verpflichtet, einen Teil der planfestgestellten und ausgeschriebenen Straße zunächst nicht zu bauen und eine Umplanung vorzunehmen und war die Änderung der Bauabsicht nicht vorhersehbar, weil sie auf einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die Beklagte einstellen durfte, beruht und konnte der geänderten Bauabsicht auch nicht durch zumutbare Änderung einzelner Positionen der Ausschreibung Rechnung getragen werden, da auch beabsichtigt war, ergänzend eine andere Variante zu prüfen und war deshalb nicht absehbar, in welcher Weise sich die Gesamtbaumaßnahme ändern würde, handelt es sich um eine grundlegende Änderung (LG Leipzig, Urteil vom 31.05.2007 - Az.: 6 O 2003/06)

• Schon im Rahmen der Planfeststellung waren verschiedene Trassenführungen erörtert worden. Wäre die Beklagte verpflichtet, der Klägerin den Zuschlag zu erteilen auf deren Angebot, beschränkt auf die Bauabschnitte 1 und 2 aus der bisher planfestgestellten Trassenführung, hätte sie sich von vornherein weiteren planerischen Spielraums begeben. Daran ändert es nichts, dass später die Bauabschnitte 1 und 2 entsprechend der Planfeststellung neu ausgeschrieben wurden

• ist eine wettbewerblich und wirtschaftlich fundierte Vergabe nicht mehr möglich und ist eine Vergabe für den Auftraggeber sinnlos geworden und sind je nach Entscheidung des Auftraggebers entweder diejenigen Bieter, die ihr Angebot nach der neuen oder nach der alten Ausbildungsverordnung strukturiert haben, einseitig und schwerwiegend beeinträchtigt, liegt ein schwerwiegender Aufhebungsgrund im Sinn von § 26 Abs. 1 lit. d) VOL/A vor, weil der Auftraggeber im laufenden Ausschreibungsverfahren feststellen musste, dass die von ihm erstellte Leistungsbeschreibung hinsichtlich des entscheidenden Aspektes nicht hinreichend klar im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A war, was die Bieter dazu veranlasst hatte, bei Erstellung ihrer Angebote von gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen auszugehen (1. VK Sachsen, B. v. 18.08.2006 - Az.: 1/SVK/077-06)

• eine kalkulationserhebliche Unklarheit der Verdingungsunterlagen hat allerdings nicht zwingend die Aufhebung der Ausschreibung und Wiederholung des gesamten Vergabeverfahrens zur Folge. Diese Maßnahme kommt als „ultima ratio “ vielmehr nur dann in Betracht, wenn eine Korrektur im laufenden Verfahren nicht mehr möglich ist (etwa weil die Leistungsbeschreibung grundlegend überarbeitet werden muss). Genügt hingegen eine Klarstellung zu einem einzigen Punkt, reicht es aus, das Vergabeverfahren in ein früheres Stadium zurückzuversetzen, in dem eine Korrektur des Fehlers noch möglich ist und so den Bietern die Gelegenheit zu geben, ihre Angebote zu überarbeiten (OLG Koblenz, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 4/05)

• sollte sich herausstellen, dass tatsächlich ein Dimensionsfehler vorliegen würde und müsste es zutreffender Weise statt Kilogramm Tonnen heißen, kann eine Aufhebung der Ausschreibung insbesondere dann geboten sein, wenn ein ordnungsgemäßes

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Leistungsverzeichnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem anderen als dem tatsächlichen Wettbewerbsergebnis geführt hätte (VK Nordbayern, B. v. 04.10.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 30/05)

• Gründe in rechtlicher Hinsicht können sein nicht vorhersehbare Verbote, Nutzungsbeschränkungen, das nicht Zustandekommen des bisher mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden Eigentumserwerb sowie die Verweigerung umweltrechtlicher Genehmigungen; in technischer Hinsicht können gravierende Abweichungen der Boden- oder Grundwasserverhältnisse von den bisherigen Berechnungen, die im Nachhinein erkannt werden, genannt werden (VK Südbayern, B. v. 17.08.2004 - Az.: 20-04/04)

110.8.3 Andere schwerwiegende Gründe (§ 26 Nr. 1 Buchstabe c)) Die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes erfordert eine Interessenabwägung, für die die jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalls maßgeblich sind (OLG Düsseldorf, B. v. 03.01.2005 - Az.: VII - Verg 72/04; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09).

110.8.3.1 Keine vorherige Kenntnis des Auftraggebers von den Gründen § 26 Nr. 1 Buchst. c) VOB/A setzt im Gegensatz zu den übrigen Aufhebungstatbeständen nicht voraus, dass der Auftraggeber den Aufhebungsgrund nicht zu vertreten hat. Gerade dann, wenn der Auftraggeber den Aufhebungsgrund bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte vermeiden können, sind jedoch besonders hohe Anforderungen an das Gewicht des Aufhebungsgrundes zu stellen (2. VK Bund, B. v. 11.12.2008 - Az.: VK 2 – 76/08). Der Auffassung, dass der Aufhebungsgrund grundsätzlich nach Beginn der Ausschreibung ohne vorherige Kenntnis des Auftraggebers aufgetreten sein muss, wenn der Aufhebungsgrund des § 26 Nr. 1 c VOB/A eingreift, ist nicht beizutreten. Die Frage der Kenntnis und des Entstehungszeitpunktes des schwerwiegenden Mangels einer Ausschreibung ist allein unter dem Gesichtspunkt der Schadensersatzpflicht erheblich, denn der Auftraggeber, der den Auftragsgrund vor Beginn der Ausschreibung kennt und ihn zu vertreten hat, macht sich gegenüber dem Unternehmer schadensersatzpflichtig, der durch die Beteiligung am Angebotsverfahren erhebliche Aufwendungen tätigt. Die Vorschrift des § 26 Nr. 1 c VOB/A nimmt eine Einschränkung in dem Sinne, dass der Aufhebungsgrund grundsätzlich nach Beginn der Ausschreibung ohne vorherige Kenntnis des Auftraggebers aufgetreten sein muss, gerade nicht vor. Auf dieser Linie liegt auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Danach sei ein schwerwiegender Grund im Sinne des § 26 Nr. 1 c VOB/A nicht ohne Weiteres schon deshalb gegeben, weil der Ausschreibende bei der Einleitung oder der Durchführung des Verfahrens fehlerhaft gehandelt habe. Ein Fehler des Ausschreibenden könne nicht immer und jedenfalls nicht schon deshalb ohne Weiteres genügen, weil der Auftraggeber es dann in der Hand hätte, nach seiner freien Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlichen Aufträgen bestehenden Bindungen zu entgehen. Eine solche Folge wäre mit Sinn und Zweck des Ausschreibungsverfahrens, insbesondere auch im Hinblick auf die Vorgaben des Rechts der europäischen Gemeinschaften nicht zu vereinbaren. Im Einzelnen bedürfe es daher für die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwägung, für die die

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Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich sind. Danach kann ein rechtlicher Fehler des Vergabeverfahrens zu einem schwerwiegenden Mangel in diesem Sinne führen, wenn er einerseits von so großem Gewicht ist, dass eine Bindung des öffentlichen Auftraggebers mit Recht und Gesetz nicht zu vereinbaren wäre, und andererseits von den an dem öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmenden Unternehmen, insbesondere auch mit Blick auf die Schwere dieses Fehlers, erwartet werden kann, dass sie auf diese rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen Rücksicht nehmen. Die Ausführungen zeigen, dass selbst dann ein schwerwiegender Grund im Sinne des § 26 Nr. 1 c VOB/A vorliegen kann, wenn die Aufhebungsgründe aus der Sphäre des Ausschreibenden herrühren oder auf seinem Verschulden beruhen, jedoch das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung sein kann, einen schwerwiegenden Grund im Sinne des § 26 Nr. 1 c VOB/A zu bejahen (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.: 1 Verg 4/09). Es besteht auch kein berechtigtes Bieterinteresse, den Auftraggeber in solchen Fällen gleichsam zum Gefangenen seines eigenen Fehlers zu machen und ihn zu zwingen, einen als schwerwiegend falsch erkannten Weg fortzusetzen. Zwar hat jeder Bieter nach § 97 Abs. 7 GWB Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Er hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber zu Lasten der Verwirklichung der durch § 97 GWB geschützten Grundsätze des Wettbewerbs und der Diskriminierungsfreiheit ein fehlerhaftes Verhalten fortsetzt (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.: 1 Verg 4/09). Vgl. ansonsten die Kommentierung RZ 5908.

110.8.3.2 Keine Zurechenbarkeit der Gründe zum Auftraggeber Vgl. die Kommentierung RZ 5910.

110.8.3.3 Strenge Anforderungen

110.8.3.3.1 Rechtsprechung Schwerwiegende Gründe sind nicht mit "triftigen" Gr ünden gleichzusetzen. An eine Aufhebung sind wegen der von den Bietern aufgewandten Kosten sowie der aufgewandten Zeit strenge Anforderungen zu stellen (OLG Dresden, B. v. 28.03.2006 - Az.: WVerg 0004/06; OLG Düsseldorf, B. v. 26.01.2005 - Az.: VII - Verg 45/04; B. v. 03.01.2005 - Az.: VII - Verg 72/04; B. v. 19.11.2003 - Az.: VII - Verg 59/03; OLG München, B. v. 27.01.2006 - Az.: VII - Verg 1/06; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; B. v. 11.08.2004 - Az.: 1 VK 56/04; B. v. 14.9.2001 - Az.: 1 VK 24/01; 2. VK Bund, B. v. 11.12.2008 - Az.: VK 2 – 76/08; VK Hamburg, B. v. 25.7.2002 - Az.: VgK FB 1/02; VK Lüneburg, B. v. 27.01.2005 - Az.: 203-VgK-57/2004; VK Magdeburg, B. v. 2.4.2001 - Az.: VK-OFD LSA- 03/01; VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; VK Nordbayern, B. v. 12.10.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 25/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09; B. v. 14.09.2005 - Az.: VK-SH 21/05). Nicht jedes rechtlich oder tatsächlich fehlerhafte Verhalten der Vergabestelle reicht zur Begründung aus. Ein Aufhebungsgrund ist daher nur dann zu bejahen, wenn einerseits der Fehler von so großem Gewicht ist, dass ein Festhalten des öffentlichen

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Auftraggebers an dem fehlerhaften Verfahren mit Gesetz und Recht schlechterdings nicht zu vereinbaren wäre und andererseits von den Bietern, insbesondere auch mit Blick auf die Schwere des Fehlers, erwartet werden kann, dass sie auf die Bindung des Ausschreibenden an Recht und Gesetz Rücksicht nehmen (OLG Dresden, B. v. 28.03.2006 - Az.: WVerg 0004/06; OLG München, B. v. 27.01.2006 - Az.: VII - Verg 1/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09).

110.8.3.3.2 Regelung des HVA B-StB 03/2006 Wird die Aufhebung der Ausschreibung erwogen, so ist § 26, gegebenenfalls § 26a VOB/A zu beachten. Dabei sind an die Beurteilung der Aufhebungsvoraussetzungen sowie an die Beendigung des Vergabeverfahrens nach § 122 GWB strenge Anforderungen zu stellen (Ziffer 2.5 Abs. 16).

110.8.3.4 Schwerwiegender Grund als Summe von Einzelgesichtspunkten Ein schwerwiegender Grund kann sich auch aufgrund einer Gesamtbetrachtung aus einer Reihe von Einzelgesichtspunkten ergeben, die jeder für sich noch nicht schwerwiegend wären (1. VK Sachsen, B. v. 18.08.2006 - Az.: 1/SVK/077-06; VK Lüneburg, B. v. 27.01.2005 - Az.: 203-VgK-57/2004; VK Hamburg, B. v. 25.7.2002 - Az.: VgK FB 1/02).

110.8.3.5 Unzureichende Finanzierung

110.8.3.5.1 Grundsatz Die Unternehmen, die sich an einer Ausschreibung beteiligen, für die der Ausschreibende die Einhaltung der Regeln der VOB/A bzw. VOL/A zugesagt hat, können erwarten, dass der Ausschreibende sich im Hinblick darauf bereits im Vorfeld der Ausschreibung entsprechend verhalten hat. Der Bieter darf deshalb davon ausgehen, dass nur Leistungen ausgeschrieben sind, von denen der Ausschreibende bei pflichtgemäßer Ermittlung ihrer voraussichtlichen Kosten annehmen kann, sie mit den hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln auch bezahlen zu können. Bei dem gebotenen strengen Maßstab, der insoweit anzulegen ist, ist demgemäß eine Aufhebung der Ausschreibung regelmäßig dann nicht nach § 26 Nr. 1 b oder c VOB/A bzw. VOL/A gerechtfertigt, wenn die fehlende Finanzierung bei einer mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführten Ermittlung des Kostenbedarfs bereits vor der Ausschreibung dem Ausschreibenden hätte bekannt sein müssen (BGH, Urteil vom 5.11.2002 - Az.: X ZR 232/00; OLG Koblenz, B. v. 15.01.2007 - Az.: 12 U 1016/05; 1. VK Bund, B. v. 11.06.2008 - Az.: VK 1 – 63/08; B. v. 17.01.2008 - Az.: VK 1 - 152/07; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; 1. VK Sachsen, B. v. 5.9.2002 - Az.: 1/SVK/073-02; VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.02.2005 - VK-SH 02/05; im Ergebnis ebenso VK Hessen, B. v. 28.02.2006 - Az.: 69 d VK - 02/2006). Unter § 26 Nr. 1 c) VOB/A bzw. VOL/A ist auch der Fall zu subsumieren, dass selbst das Mindestangebot für zu hoch befunden wird (VK Südbayern, B. v. 21.8.2003 - Az.: 32-07/03).

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Die dem öffentlichen Auftraggeber insoweit gegebene Aufhebungsmöglichkeit leitet sich aus dem für die öffentliche Hand geltenden Gebot sparsamer Wirtschaftsführung ab. Hierzu stünde es im Widerspruch, wenn der Auftraggeber trotz einer mit der gebotenen Sorgfalt ermittelten Kostenschätzung verpflichtet würde, den Zuschlag auf ein Angebot zu erteilen, dass den von ihr veranschlagten Kostenrahmen erheblich übersteigt. Zweck des Vergaberechts ist es, dem Auftraggeber in einem solchen Fall die Möglichkeit einzuräumen, eine Ausschreibung vorzeitig zu beenden, um so der öffentlichen Hand eine sparsame Verwendung der ihr anvertrauten Mittel zu ermöglichen. Mit diesem Zweck wäre es unvereinbar, wenn in jedem eingeleiteten Vergabeverfahren auch ein Zuschlag erteilt werden müsste. Auch der Bieter, der im Rahmen einer Ausschreibung das annehmbarste Angebot abgegeben hat, hat deshalb nicht von vornherein Anlass, darauf zu vertrauen, dass ihm der ausgeschriebene Auftrag erteilt wird (VK Berlin, B. v. 05.11.2009 - Az.: VK - B 2 – 35/09; 1. VK Bund, B. v. 11.06.2008 - Az.: VK 1 – 63/08; B. v. 17.01.2008 - Az.: VK 1 - 152/07). Für die Frage der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel kann es nicht auf das errechnete „Vergabebudget“ des einzelnen Gewerks ankommen. Abzustellen ist vielmehr auf das Gesamtvolumen des Bauvorhabens. In den kommunalen Haushalt z.B. wird das Projekt insgesamt eingestellt und nicht losweise. Sofern Unterkonten für einzelne Lose eingerichtet werden, sind diese wechselseitig deckungsfähig. Sollte sich also beispielsweise ein Los preisgünstiger als erwartet erweisen, kann der eingesparte Betrag anderweitig innerhalb des Gesamtvorhabens ausgegeben werden. Ein Auftraggeber kann sich daher nicht darauf berufen, ihm würden die finanziellen Mittel fehlen solange er nicht nachweist, dass das zur Verfügung stehende Gesamtbudget überschritten ist. Für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Aufhebung aufgrund fehlender Haushaltsmittel kann es folglich nur auf das Gesamtbudget eines Projekts ankommen, nicht jedoch auf die Einzellose (VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; VK Berlin, B. v. 05.11.2009 - Az.: VK - B 2 – 35/09).

110.8.3.5.2 Anforderungen an die Kostenschätzung Die Umstände, welche die Beantwortung der Frage der ausreichenden Finanzierung entscheidend beeinflussen, stehen im vorhinein nicht fest; der eine Ausschreibung ins Auge fassende Auftraggeber muss sich vielmehr aufgrund einer Prognose entscheiden, die aus nachträglicher Sicht unvollkommen sein kann. Es ist deshalb schon im Ansatz verfehlt, der vom Auftraggeber durchgeführten Kostenschätzung entgegen zu halten, selbst das günstigste Bieterangebot habe deutlich über der Kostenschätzung gelegen, und schon aus dieser - erst nachträglich offenbar gewordenen - Differenz abzuleiten, die Kostenschätzung des Streithelfers sei offensichtlich falsch gewesen. Festzuhalten ist auch, dass eine Prognose notwendigerweise Schätzung ist. Eine genaue Kostenberechnung kann im Vorhinein nicht erfolgen. Möglich ist nur eine zeitnahe Aufstellung, die alle bereits bei ihrer Ausarbeitung erkennbaren Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch vertretbaren Weise unter Berücksichtigung vorhersehbarer Kostenentwicklungen berücksichtigt. Ob eine solche Kostenermittlung gegeben ist, ist eine Frage des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 5.11.2002 - Az.: X ZR 232/00; OLG Koblenz, B. v. 15.01.2007 - Az.: 12 U 1016/05; 1. VK Bund, B. v. 11.06.2008 - Az.: VK 1 – 63/08; B. v. 17.01.2008 - Az.: VK 1 - 152/07; VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.02.2005 - VK-SH 02/05; VK Südbayern, B. v. 21.8.2003 - Az.: 32-07/03).

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Die VK Brandenburg übernimmt für die Kostenschätzung die Maßstäbe, welche die Rechtsprechung an die Ermittlung des voraussichtlichen Auftragswerts im Sinn von § 3 VgV stellt (VK Brandenburg, B. v. 14.12.2007 - Az.: VK 50/07). Vgl. dazu die Kommentierung RZ 3157. Die Beteiligten eines Vergabeverfahrens haben nach diesen Grundsätzen eine Kostenschätzung hinzunehmen, die aufgrund ihrer objektiv vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint. Daran wird es regelmäßig fehlen, wenn die Kostenschätzung auf erkennbar unrichtigen Daten beruht oder wichtige Aspekte außer Acht lässt oder pauschal und auf ungeprüft anderen Kalkulationsgrundlagen beruhende Werte übernimmt (VK Hessen, B. v. 28.02.2006 - Az.: 69 d VK - 02/2006; VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.02.2005 - VK-SH 02/05). Überschreitet im Rahmen eines im Wettbewerb um die ausgeschriebene Leistung zustande gekommenen Preisniveaus und -gefüges nur eines von vier Angeboten den Schwellenwert und weist dieses Angebot einen sehr großen Abstand zu den übrigen Geboten auf, während die übrigen diesen Wert zum Teil deutlich unterschreiten, ist es rechtsfehlerhaft, allein aus einem vom Sachverständigen ermittelten Schätzwert auf eine schuldhafte Fehlschätzung des Gesamtauftragswertes zu schließen (BGH, Urteil v. 27.11.2007 - Az.: X ZR 18/07). Für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit zugrunde gelegten Kostenschätzung sind die aktuellen Preisentwicklungen vor der Prüfung der Aufhebung mit einzubeziehen (VK Nordbayern, B. v. 27.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/08). Für eine ordnungsgemäße Kostenschätzung muss der Auftraggeber gegebenenfalls eine Anpassung der Kalkulationsgrundlage an geänderte Umstände vornehmen, um überhaupt eine geeignete Grundlage für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rahmen des § 26 Nr. 1 lit. c VOL/A zu erhalten. Macht er dies nicht, kommt es auf die Frage, zu welcher Verteuerung die Änderung der Kalkulationsgrundlage im Einzelnen geführt hat, nicht an. Ebenso ist unbeachtlich, ob die prozentuale Abweichung des Angebotspreises eines Bieters den noch tragbaren Rahmen einhält, um von einem wirtschaftlichen Angebot auszugehen, da die Kostenschätzung des Auftraggebers bereits den Anforderungen an eine zeitnahe und ordnungsgemäße Kostenschätzung nicht entspricht (1. VK Bund, B. v. 11.06.2008 - Az.: VK 1 – 63/08). Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber für die Frage, ob überteuerte Angebote vorliegen, seine eigene vorab aufgestellte Kostenberechnung zum Vergleich heranzieht. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine zutreffende Kostenberechnung handelt und dass diese den aktuellen Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Ausschreibung entspricht bzw. eine Prognose bis zur tatsächlichen Bauausführung beinhaltet. Die Darlegungslast liegt insoweit bei dem Auftraggeber (VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08). Es ist von einem Auftraggeber nicht zu verlangen, dass eine im Vorfeld erstellte Kostenberechnung immer exakt deckungsgleich mit dem später herausgegeben Leistungsverzeichnis ist, da sich immer auch noch Änderungen ergeben können. Wenn allerdings ein Auftraggeber eine Ausschreibung aufheben möchte, weil alle Angebote überteuert seien, trifft ihn die Pflicht, eine aktualisierte Aufstellung zu machen, die dem

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Leistungsverzeichnis und damit den vom Bieter zu kalkulierenden Positionen entspricht (VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08).

110.8.3.5.3 Beispiele aus der Rechtsprechung

• als derartiger schwerwiegender Grund ist z. B. auch die wesentliche Änderung in den allgemeinen Markt-, Währungs- und Baupreisverhältnissen anzusehen, sofern diese sich auf das konkrete Vorhaben erheblich auswirkt (OLG Celle, Urteil v. 25.06.2008 - Az.: 14 U 14/08)

• die für die Aufhebung der Ausschreibung maßgebliche Kostenschätzung der Ag basiert auf einem, was auch von der ASt nicht bestritten wird, vergleichbaren Auftrag , der im Rahmen der Sanierung des Hochhauses Süd an die ... vergeben wurde. Die Ausführung dieses Auftrags erfolgte in der Zeit von März bis November 2006. Die im Rahmen dieses Auftrages vergebenen Leistungen und die dazugehörigen Leistungspositionen des Leistungsverzeichnisses sind mit den ausgeschriebenen Leistungen des streitgegenständlichen Auftrags identisch. Der Ag lag somit für die jetzt ausgeschriebene Leistung ein auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung ermittelter Wettbewerbspreis vor, der mit einem Index in Höhe von 4% aktualisiert und an die zwischenzeitlich erfolgte Erhöhung der Mehrwertsteuer angepasst wurde. Diese von der ASt angewandte Methode der Kostenschätzung ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BGH gibt es keine Regel, wie die Kostenschätzung zu erfolgen hat. Dies ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls. Wenn es eine zeitnahe identische Ausschreibung gibt, bestehen keine Bedenken dagegen, den dort ermittelten Preis zum Ausgangspunkt für die Kostenschätzung im vorliegenden Verfahren zu machen (1. VK Bund, B. v. 17.01.2008 - Az.: VK 1 - 152/07)

• der Auftraggeber hat diese Schätzung der Gesamtvergütung ordnungsgemäß, also objektiv und unter richtiger Einschätzung aller Umstände vorzunehmen, wobei an die Schätzung selbst keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Die Kostenschätzung als ein der Ausschreibung vorgeschalteter Vorgang ist mit gewissen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten behaftet; sie kann nicht an den gleichen Maßstäben wie das Angebot der Teilnehmer am Ausschreibungsverfahren gemessen werden. Ihrem Gegenstand nach bildet sie eine Prognose, die dann nicht zu beanstanden ist, wenn sie unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch vertretbaren Weise erarbeitet wurde. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist daher die Frage, ob die der Entscheidung des Auftraggebers zugrunde liegende Prognose den an sie zu stellenden Anforderungen genügt. Dem Charakter der Prognose entsprechend können dabei lediglich die bei ihrer Aufstellung vorliegenden Erkenntnisse berücksichtigt werden, nicht jedoch solche Umstände, die erst im Nachhinein bei einer rückschauenden Betrachtung erkennbar und in ihrer Bedeutung ersichtlich werden. Aus der Sicht der Beteiligten sind ihre Ergebnisse hinzunehmen, wenn die Prognose aufgrund der bei ihrer Aufstellung objektiv vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint. Daran wird es regelmäßig fehlen, wenn die Kostenschätzung auf erkennbar unrichtigen Daten beruht oder wichtige Aspekte außer Acht lässt oder pauschal und auf ungeprüft anderen Kalkulationsgrundlagen beruhende Werte übernimmt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Auftraggeber bei der Kostenschätzung eine gewisse Toleranz zugebilligt werden muss. Sie liegt bei Neubauten im Bereich der

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Kostenschätzung bei 30 %, bei der Kostenberechnung bis zu 20 % oder 25 %. Grundlage der Kostenermittlung ist die DIN 276 in der Fassung 1993. Diese Norm gilt für die Ermittlung und die Gliederung von Kosten im Hochbau und erfasst die Kosten für Maßnahmen zur Herstellung, zum Umbau und zur Modernisierung der Bauwerke sowie die damit zusammenhängenden Aufwendungen. Die DIN 276 gilt für Kostenermittlungen, die auf der Grundlage von Ergebnissen der Bauplanung durchgeführt werden (VK Brandenburg, B. v. 14.12.2007 - Az.: VK 50/07)

• die vorliegende Kostenberechnung der Antragsgegnerin, bzw. die Kostenberechnung des beauftragten Ingenieurbüros, die der Antragsgegnerin zuzurechnen ist, ist nach der Überzeugung der Vergabekammer nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist die kurz vor Bekanntmachung erstellte Schätzung des beauftragten Ingenieurbüros aus April 2007, die auf dem Leistungsverzeichnis der Ausschreibung beruht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin wurden in der Kostenberechnung alle zum Zeitpunkt ihrer Erstellung bekannten Daten methodisch vertret- und verwertbar berücksichtigt. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht fest, dass das beauftragte Ingenieurbüro für alle wesentlichen Positionen des Leistungsverzeichnisses geschätzte Preise mittels eines speziellen EDV-Programms berechnet hat. Als Grundlage hierfür wurden die Preise des aktuell geltenden Zeitvertrags Kanalreparaturen 2007 der Antragsgegnerin sowie das Ergebnis eigener Preisanfragen am Markt u.a. für Stahlpreise und die Preise vergleichbarer Baumaßnahmen in anderen Orten herangezogen. Die Preise des Zeitvertrages für vergleichbare ausgeschriebene Leistungen durften auch als aktuelle Marktpreise von der Antragsgegnerin bewertet werden, da die Antragsgegnerin entsprechende Leistungen, die mit den ausgeschriebenen auch vergleichbar sind, zu den dort genannten Preisen aktuell beschafft (VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B)

• die Schätzung des Auftraggebers beruht auf den Preisen für die seither laufenden Dienstleistungsverträge und einem Abschlag von jeweils 30% bzw. 20 % auf die einzelnen Lose. Weder aus dem Vergabevermerk noch aus den Akten des Antragsgegners oder den in den beiden Nachprüfungsverfahren gewechselten Schriftsätzen ergibt sich jedoch eine nachvollziehbare Begründung für diese Abschläge. Es liegt also keine Kostenschätzung vor, die Grundlage für die Behauptung eines unwirtschaftlichen Angebotes sein könnte. Vielmehr gibt es nur eine unzureichende Kalkulation über den zu erwartenden Kostenumfang, auf die allein sich der Antragsgegner nicht als Beleg für die Behauptung, die Ausschreibung habe zu keinem wirtschaftlichen Ergebnis geführt, berufen könnte (VK Hessen, B. v. 28.02.2006 - Az.: 69 d VK - 02/2006)

• es entspricht der einhelligen Ansicht, dass der Auftraggeber, der nach Öffnung der Angebote feststellt, dass er die ausgeschriebene Leistung in der ursprünglichen Form nicht haben möchte, etwa weil die Haushaltsmittel nicht ausreichen, diesen Konfliktsfall nur durch Aufhebung und Neuausschreibung lösen kann (VK Baden-Württemberg, B. v. 15.08.2005 - Az.: 1 VK 47/05)

• die Vergabestelle hat grundsätzlich die Möglichkeit, bei einem sachlichen Grund von einer Ausschreibung Abstand zu nehmen und die Ausschreibung vorzeitig zu beenden. Diese Möglichkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die abgegebenen Angebote deutlich über den zur Verfügung stehenden Kosten liegen und die Vergabestelle als Teil der öffentlichen Hand wegen des Gebots, mit den ihr anvertrauten Mitteln sparsam umzugehen und zu wirtschaften, verpflichtet ist, ein Vergabevorhaben wegen der Finanzierungslücke aufzugeben (VK Bremen, B. v. 21.09.2005 - Az.: VK 10/05)

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• insbesondere nicht voraussehbare, aber entscheidende Veränderungen der Finanzierungsgrundlage können zur Aufhebung der Ausschreibung führen (VK Südbayern, B. v. 17.08.2004 - Az.: 20-04/04)

• eine Überschreitung der geplanten Haushaltsmittel in Höhe von ca. 0,5% des Haushaltsansatzes ist kein Aufhebungsgrund. Eine Aufhebung ist nur gerechtfertigt, wenn die abgegebenen Gebote deutlich über den geschätzten Kosten liegen (VK Südbayern, B. v. 21.8.2003 - Az.: 32-07/03)

• werden die haushaltsrechtlichen Vorgaben zur Finanzierung einer Bauleistung auf politischen Druck hin um 10% abgesenkt, kann diese fehlerhafte Berechnung der Kosten der Leistung keine Aufhebung rechtfertigen, die sich von der Höhe her auf das (scheinbare) Überschreiten dieses fehlerhaft ermittelten Haushaltsansatzes bezieht (1. VK Sachsen, B. v. 5.9.2002 - Az.: 1/SVK/073-02)

110.8.3.6 "Inhaltsleere" von Angeboten auf eine funktionale Leistungsbeschreibung Für eine Aufhebung ist erforderlich, dass eine Auftragsvergabe auf der Grundlage der bisherigen Verdingungsunterlagen für den Antragsgegner oder die Bieter unzumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit für die Bieter lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, wenn sich mehrere Bieter zur Abgabe eines Angebotes im Stande gesehen haben. Auch für den Auftraggeber lässt sich eine solche Unzumutbarkeit nicht eindeutig feststellen, wenn die Inhaltsleere einer funktionalen Leistungsbeschreibung auf den Vorgaben des Auftraggebers beruht (Brandenburgisches OLG, B. v. 19.9.2003 - Az.: Verg W 4/03).

110.8.3.7 Fehlerhafte Leistungsbeschreibung Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Eine fehlerhafte Leistungsbeschreibung ist immer dem Auftraggeber zuzurechnen; insoweit liegt kein die Aufhebung rechtfertigender Grund im Sinne von § 26 Nr. 1 Buchstabe c) VOB/A bzw. VOL/A vor (OLG Düsseldorf, B. v. 16.02.2005 - Az.: VII - Verg 72/04; VK Baden-Württemberg, B. v. 14.9.2001 - Az.: 1 VK 24/01). Dennoch kann eine Ausschreibung mit einer fehlerhaften Leistungsbeschreibung aufgehoben werden, was allerdings zu Schadenersatzansprüchen führen kann. Nach anderer Auffassung ist ein schwerwiegender Aufhebungsgrund im Sinn von § 26 Abs. 1 lit. d VOL/A gegeben, wenn der Auftraggeber im laufenden Ausschreibungsverfahren feststellen muss, dass die von ihm erstellte Leistungsbeschreibung hinsichtlich mehrerer Aspekte nicht hinreichend eindeutig im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A ist, was die Bieter mit großer Wahrscheinlichkeit dazu veranlasst hat, bei der Kalkulation ihrer Angebote von gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen auszugehen. Der schwerwiegende Grund ist hier gegeben, weil eine Reihe von Einzelgesichtspunkten vorliegen, welche jeder für sich wohl noch nicht schwerwiegend wäre, sich dies aber aus einer Summierung der Einzelgründe im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ergibt (14 zum Teil sehr umfängliche Rügen und Einwendungen der Bieter und daraus resultierend 3 Bieterrundschreiben mit ergänzenden Informationen, Forderungen der Bieter, auch mit anwaltlicher Unterstützung, nach Aufhebung der Ausschreibung u. a. wegen undurchsichtiger und

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widersprüchlicher Leistungsbeschreibung und Ausschreibungsunterlagen und eklatanter Verstöße gegen das Vergaberecht). Der Auftraggeber ist dann angesichts der zahlreichen gerügten Widersprüche und Fehler in der Ausschreibung nicht mehr in der Lage, im Rahmen der Wertung der Angebote nachvollziehbar zu entscheiden, ob vergleichbare Angebote vorlagen, die seine Qualitätsanforderungen einhalten. Hinzu kommt, dass ganz erhebliche Differenzen in den Angebotsendsummen bestehen (VK Lüneburg, B. v. 27.01.2005 - Az.: 203-VgK-57/2004). Zu den Einzelheiten eines Schadenersatzanspruchs vgl. die Kommentierung RZ 5956.

110.8.3.8 Unwirtschaftliches Ergebnis der Ausschreibung

110.8.3.8.1 Rechtsprechung Der Aufhebungsgrund "unwirtschaftliches Ergebnis einer Ausschreibung" ist in der VOB/A - im Gegensatz zu § 26 Nr. 1 Buchstabe c) VOL/A - nicht ausdrücklich enthalten. Dieser Grund kann aber auch als schwerwiegender Grund angesehen werden (VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B). Hintergrund der dem öffentlichen Auftraggeber gesetzlich gegebenen Aufhebungsmöglichkeit ist das Gebot an den öffentlichen Auftraggeber, aus haushaltsrechtlichen Gründen die Mittelverwendung sparsam und wirtschaftlich durchzuführen. Würde der Auftraggeber trotz sorgfältig ermittelter Kostenschätzung verpflichtet werden, den Zuschlag auf ein Angebot zu erteilen, das kostenmäßig erheblich über dem von ihm veranschlagten Kostenansatz liegt, würde dies das Gebot zur sparsamer Wirtschaftsführung unterlaufen . Dies hat zur Konsequenz, dass der Bieter nicht schon von vornherein eine Zuschlagserteilung erwarten kann, auch wenn er das annehmbarste Angebot abgegeben hat. Hingegen muss er grundsätzlich darauf vertrauen können, dass der Auftraggeber nur Leistungen ausschreibt, von denen der Ausschreibende bei pflichtgemäßer Ermittlung ihrer voraussichtlichen Kosten annehmen kann, sie mit den hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln auch bezahlen zu können (1. VK Bund, B. v. 11.06.2008 - Az.: VK 1 – 63/08). Bei der Entscheidung, ob dieser Aufhebungsgrund vorliegt, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Vergabestelle, bei welcher der Vergabestelle ein erheblicher Ermessensspielraum eröffnet ist. Die Vergabekammer kann nur überprüfen, ob ein Ermessensfehler vorliegt (VK Nordbayern, B. v. 27.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/08). Das Ergebnis einer Ausschreibung ist dann nicht wirtschaftlich, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis der Angebote für den öffentlichen Auftraggeber nicht akzeptabel ist (VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; im Ergebnis ebenso 1. VK Bund, B. v. 11.06.2008 - Az.: VK 1 – 63/08), oder es liegen qualitativ keine zufrieden stellenden Angebote vor, weil den Bietern zum Beispiel die erforderliche Fachkunde fehlt (VK Münster, B. v. 10.7.2001 - Az.: VK 15/01) oder wenn selbst das günstigste Angebot wesentlich über dem Marktpreis liegt (1. VK Bund, B. v. 11.06.2008 - Az.: VK 1 – 63/08). Nach einer anderen Auffassung beurteilt sich die Wirtschaftlichkeit eines Angebots letztlich danach, ob ein Angebot im Preis unangemessen von der Leistung abweicht (VK Nordbayern, B. v. 27.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/08). Dies kann der Auftraggeber nach

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verschiedenen Gesichtspunkten beurteilen. So besteht die Möglichkeit, eigene Kostenschätzungen, vergleichbare Marktpreise oder andere eingegangene Angebote heranzuziehen (VK Nordbayern, B. v. 30.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/08; B. v. 27.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/08). Ein bloßer preislicher Vorteil von 15,28 % genügt nicht, um per se die Unwirtschaftlichkeit der übrigen, preislich näher beieinander liegenden Angebote zu indizieren (VK Baden-Württemberg, B. v. 27.09.2004 - Az.: 1 VK 66/04). Eine Mehrausgabe um beinahe 100 % bewegt sich in einer Größenordnung, die mit dem Gebot zu sparsamer und wirtschaftlicher Verwendung von Haushaltsmitteln nicht mehr zu vereinbaren ist. Die Überlegung, durch gesonderte Ausschreibung der einzelnen Lose mehr als 2 Bieter zur Abgabe eines Angebotes bewegen und damit auch günstigere Preise durch verstärkten Wettbewerb zu erzielen, ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Zwar hätten diese strategischen Erwägungen bereits vor Bekanntmachung angestellt werden können, jedoch konnte zum damaligen Zeitpunkt nicht erwartet werden, dass lediglich zwei Bieter im Verfahren auftreten würden, wobei ein Bieter zudem ein Zusammenschluss von drei am (lokalen) Markt bedeutenden Unternehmen der Branche ist. Dies bestätigt auch die Tatsache, dass das Interesse an der Ausschreibung sich in 14 Anforderungen der Verdingungsunterlagen niedergeschlagen hat. Damit kann zwar nicht sicher festgestellt werden, dass die Neuausschreibung tatsächlich einen günstigeren Preis erzielen wird, zumal bei getrennter Ausschreibung der einzelnen Lose ggfs. eine Verteuerung durch die getrennte Baustelleneinrichtung und -koordination durch verschiedene Auftragnehmer denkbar ist. Angesichts der großen Abweichung der eingegangenen Angebote von der Kostenschätzung erscheint es jedoch möglich und realistisch, dass die durch die Neuausschreibung entstehenden Kosten im Vergleich zu den möglichen Ersparnissen weit geringer ins Gewicht fallen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung zur Aufhebung sachlich gerechtfertigt und vertretbar und nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden, als sie den öffentlichen Belangen des Haushalts den Vorzug vor dem Interesse der Antragstellerin auf Erteilung des Auftrages gegeben hat (VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B). Ein Angebot zu einem Preis, der unterhalb der Kostenschätzung der Vergabestelle selbst liegt, kann nicht unwirtschaftlich im Sinne von § 26 VOB/A bzw. VOL/A sein und schon gar nicht einen anderen schwerwiegenden Grund für die Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 VOB/A bzw. VOL/A liefern. Anderenfalls hätte es die Vergabestelle bei einer Vielzahl von Vergaben in der Hand, im Falle eines ihr nicht genehmen wirtschaftlichen Ergebnisses der Ausschreibung diese aufzuheben, nämlich immer dann, wenn das Angebot des preisgünstigsten Bieters wegen formeller oder inhaltlicher Fehler auszuschließen ist. Mit Rücksicht auf die Schutzinteressen der Bieter, die sich häufig mit erheblichem finanziellen Aufwand an dem Ausschreibungsverfahren beteiligt haben, wäre dies nicht akzeptabel und mit dem Schutzzweck der bieterschützenden Vorschrift des § 26 VOB/A bzw. VOL/A, der die Aufhebung der Ausschreibung als Ausnahmefall verstanden wissen will, nicht zu vereinbaren (VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.09.2005 - Az.: VK-SH 21/05). Die Vergabestelle darf zur Feststellung einer Unwirtschaftlichkeit der eingegangenen Angebote nicht auf kostengünstigere Vergleichsangebote von Bietern abstellen, die sie zuvor wegen Nichterfüllung der Anforderungen der Ausschreibung ausgeschlossen hat oder ausschließen müsste. Denn mit der Annahme des Ausschlussgrundes hat die Vergabestelle bereits inzident dessen kalkulationserhebliche, auf die Wettbewerbstellung der Bieter sich auswirkende Bedeutung bejaht, so dass sie folgerichtig von der Möglichkeit eines

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ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Preisen der ausgeschlossenen Angebote und ihrer Mängel ausgehen muss. Damit entfällt die Eignung jener Angebote nicht nur für eine Zuschlagserteilung, sondern für jegliche wertende Berücksichtigung im Vergabeverfahren (VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.09.2005 - Az.: VK-SH 21/05). Die VK Hessen differenziert in dieser Frage. Nach ihrer Auffassung kann das Angebot eines z.B. nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 a) VOL/A ausgeschlossenen Bieters zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der verbliebenen Angebote herangezogen werden, wenn die Gründe für den Ausschluss nicht preisrelevant sein konnten (VK Hessen, B. v. 28.02.2006 - Az.: 69 d VK - 02/2006). Nach Auffassung der VK Bund ist der öffentliche Auftraggeber aus haushaltsrechtlichen Gründen zu einer sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung verpflichtet. Das Ergebnis eines Vergabeverfahrens ist dann nicht wirtschaftlich, wenn keines der Angebote ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Dies ist der Fall, wenn selbst das Mindestgebot wesentlich über dem Marktpreis liegt. Der Marktpreis ist durch eine ordnungsgemäße Kostenschätzung des Auftraggebers zu ermitteln . Unterstützend können aktuelle Preise bei vergleichbaren Projekten hinzugezogen werden (1. VK Bund, B. v. 11.06.2008 - Az.: VK 1 – 63/08; 2. VK Bund, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 2 - 60/07). Müssen sich die Bieter neben der Planung, Kalkulation etc. der ausgeschriebenen Leistung am Markt auch noch ein geeignetes Grundstück in der relativ kurzen Zeit der Angebotsabgabe suchen und rechtlich durch Vorverträge sichern, stellt sich die Frage, ob hierdurch überhaupt ein Wettbewerb stattfinden kann. Bereits die Tatsache, dass lediglich zwei Bieter ein wertbares Angebot abgegeben haben, weil alle anderen kein Grundstück nachgewiesen haben, zeigt, dass den Bietern die Grundstücksbeschaffung offenbar kaum möglich war. Die wenigen Grundstückseigentümer haben damit entscheidenden Einfluss auf die einzelnen Angebote der Bieter nehmen können. Sind die Bieter aber nicht in der Lage, langwierige Grundstücksverhandlungen zu führen, kann der Auftraggeber bei der Frage nach der Wirtschaftlichkeit eines Angebots keine Abzüge bezüglich der anrechenbaren Grundstücksgröße machen (VK Nordbayern, B. v. 30.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/08). Sind zum Zeitpunkt der Angebotserstellung unstreitig keine Fördermittel für die Leistung oder Teile der Leistung erhältlich, können aber zwischenzeitlich wieder Förderanträge gestellt werden, kann dies den Bietern zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht vorgehalten werden. Die fiktive Einrechnung von Fördermitteln durch den Auftraggeber bei der Frage, ob ein wirtschaftliches Angebot vorliegt, stellt ein ungewöhnliches Wagnis für die Bieter dar (VK Nordbayern, B. v. 30.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/08).

110.8.3.8.2 Regelung des HVA B-StB 03/2006 Die Aufhebung einer Ausschreibung kann in besonders begründeten Ausnahmefällen auch dann erwogen werden, wenn aufgrund von eingegangenen Nebenangeboten erkannt wird, dass unzweckmäßig ausgeschrieben wurde und dadurch eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Mittel nicht gewährleistet wäre. Vor einer Verwertung der Idee eines Nebenangebots ist zu prüfen, ob Urheberrechte verletzt würden (§ 20 Nr. 3 und § 27 Nr. 3 VOB/A Ziffer 2.5 Nr. 18).

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Wird bei einer Beschränkten Ausschreibung die Ausschreibung wegen unangemessen hoher Preise aufgehoben, so sollte bei einer erneuten Beschränkten Ausschreibung der Bieterkreis gewechselt bzw. eine Öffentliche Ausschreibung vorgesehen werden (Ziffer 2.5 Nr. 19).

110.8.3.9 Veränderung von Terminen durch ein Nachprüfungsverfahren Kann der vertraglich vorgesehene Anfangstermin für die Inanspruchnahme von ausgeschriebenen Leistungen auf Grund der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nicht eingehalten werden, zieht dies grundsätzlich ebenso wenig die zwangsläufige Notwendigkeit nach sich, das Vergabeverfahren aufzuheben, wie eine nachprüfungsbedingte Verzögerung des Baubeginns bei der Vergabe von Bauleistungen. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens kann sich nur dann als unumgänglich erweisen, wenn Anpassungen an den Zeitablauf unmöglich und deshalb Wettbewerbsverzerrungen zu besorgen sind (OLG Naumburg, B. v. 13.10.2006 - Az.: 1 Verg 7/06; B. v. 13.10.2006 - Az.: 1 Verg 6/06; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 17/06; B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 16/06; KG Berlin, B. v. 13.8.2002 - Az.: KartVerg 8/02).

110.8.3.10 Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist Nach Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist wird der Vertrag nicht schon mit dem Zuschlag geschlossen; vielmehr stellt der Zuschlag in diesem Fall ein neues Angebot dar, das der Annahme durch den Bieter bedarf. Nimmt der Bieter dann den Zuschlag an, kommt der Vertrag zustande. Nur wenn er den Zuschlag ablehnt und aufgrund des verspäteten Zuschlags auch mit keinem anderen Bieter ein Vertrag zustande kommt, ist das Vergabeverfahren durch Aufhebung aus schwerwiegendem Grund (§ 26 Nr. 1 Buchstabe c) VOB/A bzw. VOL/A) zu beenden. Allein der Fristablauf genügt zur Beendigung nicht (BayObLG, B. v. 1.10.2001 - Az.: Verg 6/01, B. v. 12.9.2000 - Az.: Verg 4/00, B. v. 21.5.1999 - Az.: Verg 1/99; OLG Naumburg, B. v. 13.10.2006 - Az.: 1 Verg 7/06; B. v. 13.10.2006 - Az.: 1 Verg 6/06; VK Nordbayern, B. v. 19.11.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 50/08; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 17/06; B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 16/06; VK Südbayern, B. v. 25.7.2002 - Az.: 26- 06/02).

110.8.3.11 Mangelnde Eignung aller Bieter Die Nichteignung aller beteiligten Bieter ist an sich geeignet, einen Aufhebungsgrund darzustellen (2. VK Bund, B. v. 24.06.2005 - Az.: VK 2 – 70/05; B. v. 24.06.2004 - Az.: VK 2 – 73/04).

110.8.3.12 Anders nicht heilbarer Vergaberechtsfehler Die Aufhebung der Ausschreibung wegen eines anders nicht heilbaren Vergaberechtsfehlers aufgrund entsprechender Entscheidungen der Vergabekammer ist ein Aufhebungsgrund wegen eines schwerwiegenden Grundes (1. VK Bund, B. v. 29.09.2004 - Az.: VK 1 – 162/04; B. v. 23.09.2004 - Az.: VK 1 – 129/04; B. v. 23.09.2004 - Az.: VK 1 –

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126/04; ähnlich VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.09.2005 - Az.: VK-SH 21/05 für einen schwerwiegenden Fehler des Vergabeverfahrens). Die im Sinne von § 22 VOB/A unterlassene Kennzeichnung der vorgelegten Angebote stellt einen gravierenden Vergaberechtsverstoß dar, der objektiv selbst durch eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens auf den Zeitpunkt der Angebotseröffnung kein rechtmäßiges Vergabeverfahren mehr erwarten lässt. Damit können die entsprechend § 22 Nr. 3 VOB/A erforderlichen Feststellungen durch den Auftraggeber nicht mehr zweifelsfrei getroffen werden. Der Auftraggeber hat keine Möglichkeit bei einer Verpflichtung durch die Vergabekammer zur erneuten Prüfung der Angebote diesen Kennzeichnungsmangel zu heilen (1. VK Sachsen, B. v. 24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v. 24.02.2005 - Az.: 1/SVK/004-05). Vgl. auch die Kommentierung zu § 22 VOB/A Rz. 5124. Bewirkt die Ausschreibung praktisch eine vergaberechtlich grundsätzlich nicht zulässige Monopolstellung eines Bieters, bewirkt sie eine Wettbewerbsverengung oder verhindert sogar die Entstehung eines Wettbewerbs. Sie macht den potenziellen Bietern einen Marktzutritt praktisch unmöglich . Ein solcher Mangel der Ausschreibung, der das dem Vergabeverfahren innewohnende Wettbewerbsprinzip, den Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit und den Grundsatz der Transparenz verletzt, ist als schwerwiegend zu bezeichnen (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.: 1 Verg 4/09). Trotz der Geltung der VOB/A ist der Ausschreibende auch dann, wenn kein Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 c VOB/A besteht, nicht gezwungen, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen. Es kann viele Gründe dafür geben, die unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 26 Nr. 1 a-d VOL/A erfüllt sind, den Ausschreibenden hindern, eine einmal in die Wege geleitete Ausschreibung ordnungsgemäß mit der Erteilung des Zuschlags an die Bieter zu beenden. Hierzu kann sich der Ausschreibende insbesondere dann veranlasst sehen, wenn eine Diskriminierungsfreiheit oder die Korrektur des Fehlers im Laufe des Vergabeverfahrens und dessen Fortsetzung nicht möglich ist, weil sich der Fehler auf die Erstellung der Angebote ausgewirkt und somit durch eine Wiederholung der Angebotsbewertung nicht zu beseitigen ist. Daraus ist abzuleiten, dass ein „Vertretenmüssen“ des zur Aufhebung der Ausschreibung führenden Grundes dann der Ausschreibung nicht entgegensteht, wenn das Vergabeverfahren im Hinblick auf den Aufhebungsgrund nicht mehr diskriminierungsfrei und wettbewerbsrechtlich wirksam fortgesetzt werden kann. Die Möglichkeit, bei einem solchen sachlichen Grund eine Ausschreibung durch Aufhebung zu beenden, ist notwendige Folge davon, dass es Zweck des Vergabeverfahrens ist, einen ordnungsgemäßen Wettbewerb zu gewährleisten. Wird nach der Ausschreibung der Bieterkreis auf diejenigen Unternehmen - faktisch - beschränkt, die über ein bestimmtes Produkt verfügen bzw. darauf verlässlichen Zugriff haben, kann gegenüber allen anderen Unternehmen kein diskriminierungsfreier Wettbewerb mehr stattfinden. Dann bleibt nur noch die Aufhebung der Ausschreibung. Es ist dann Sache der Vergabestelle, neue (diskriminierungsfreie) Ausschreibungsbedingungen zu formulieren (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.: 1 Verg 4/09).

110.8.3.13 Vergleichbare Entscheidung einer Vergabekammer Hat eine Vergabekammer – z.B. unter Berufung auf Beschlüsse eines Vergabesenats zu vergleichbaren Sachverhalten – festgestellt, dass eine Leistungsbeschreibung ein ungewöhnliches Wagnis für die Bieter enthält und dem Auftraggeber aufgegeben, das

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zugrunde liegende Vergabeverfahren aufzuheben, bezieht sich diese Entscheidung zwar nur auf die diesen Nachprüfungsverfahren jeweils zugrunde liegenden Sachverhalte und entfalten keine unmittelbare Wirkung für andere Ausschreibungen. Liegt jedoch derselbe Fehler auch anderen Ausschreibungen zugrunde, die eine identische Leistungsbeschreibung haben, ist es vergaberechtlich über § 26 Nr. 1 lit. c) VOB/A legitimiert, wenn der Auftraggeber als an Recht und Gesetz gebundener öffentlicher Auftraggeber die Vorgaben der Vergabekammer auch für ein Verfahren umsetzt, das nicht unmittelbar von dem Beschluss erfasst wird (3. VK Bund, B. v. 30.09.2004 - Az.: VK 3 - 116/04).

110.8.3.14 Entschluss zur Aufgabe des Beschaffungsvorhabens Ein schwerwiegender, nicht vorhersehbarer Grund kann darin liegen, dass der Auftraggeber beschließt, von dem Beschaffungsvorhaben endgültig Abstand zu nehmen (OLG Düsseldorf, B. v. 26.01.2005 - Az.: VII - Verg 45/04).

110.8.3.15 Verlängerung der Bauzeit und geänderte Losaufteilung Eine beabsichtigte Verlängerung der Bauzeit von 36 Monaten auf 48 Monate und die Aufteilung eines Loses 2 in zwei Teillose sind keine schwerwiegenden und für die Vergabestelle nicht vorhersehbaren Umstände, die eine Rückgängigmachung der Ausschreibung erlauben, sondern dies sind Fragen der Planung des Umfangs des Beschaffungsvorhabens und damit für die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Planung vorhersehbare Umstände (OLG Düsseldorf, B. v. 26.01.2005 - Az.: VII - Verg 45/04).

110.8.3.16 Drohender Verfall von Fördermitteln Bei einem VOF-Verfahren ist der Verzicht auf eine Auftragsvergabe nach der Rechtsprechung sachlich nachvollziehbar und damit vergaberechtlich zulässig, wenn ein Auftraggeber durch zwei vorausgegangene Nachprüfungsverfahren in Zeitnot gerät und die Durchführung eines Projektes selbst erledigt, um bewilligte Fördermittel zeitnah abrufen zu können (VK Brandenburg, B. v. 17.08.2004 - Az.: VK 23/04).

110.8.3.17 Politische Neubewertung eines Beschaffungsvorhabens Die VK Brandenburg lässt die Aufhebung einer Ausschreibung auch dann zu, wenn sie auf sachlichen Gründen, nämlich auf einer politisch angestoßenen Neubewertung der mit der Gründung einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft verbundenen Vor- und Nachteile, beruht. Maßgeblich ist allein die Sachlichkeit der der Aufhebung zugrunde liegenden Gründe. Bei der Beurteilung der Sachlichkeit ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Danach kann das Vorliegen eines sachlichen Grundes auch bejaht werden, wenn die Tatsachen, die zur ursprünglichen Entscheidung der Einleitung des Vergabeverfahrens geführt haben, sich nicht geändert haben, der Auftraggeber nunmehr eine andere Bewertung dieser Tatsachen vornimmt. Solange diese abändernde Bewertung nicht auf unsachlichen Erwägungen des Auftraggebers beruht, steht es ihm frei, auf die Vergabe zu verzichten (VK Brandenburg, B. v. 30.08.2004 - Az.: VK 34/04).

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Diese Rechtsprechung eröffnet dem Auftraggeber einen weiten Spielraum zur Aufhebung von Ausschreibungen, ohne finanzielle Konsequenzen fürchten zu müssen, und ist mit der ganz überwiegenden Rechtsprechung zur engen Auslegung von § 26 VOB/A nur schwer vereinbar. Anderer Auffassung ist die VK Bund . Hätte der Auftraggeber bereits bei sorgfältiger Vorbereitung der vorliegenden Ausschreibung erkennen können, dass die Tariftreueforderung vergaberechtlich voraussichtlich keinen Bestand haben würde - worauf insbesondere eine Entscheidung eines Vergabesenats hindeutete - und stellt der Auftraggeber dennoch eine mit dieser Rechtsprechung ersichtlich nicht zu vereinbarende Tariftreueforderung auf und modifiziert diese auch nach Rügen nicht, so kann den Bietern eine Aufhebung, die zu einem Wegfall nicht nur ihrer Zuschlagschancen im laufenden Vergabeverfahren, sondern auch ihres Anspruches auf Ersatz des negativen Interesses führen würde, nicht zugemutet werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Mängel der Ausschreibung solches Gewicht hätten, dass ein Festhalten des Auftraggebers an der Ausschreibung von den Bietern unter Berücksichtigung der Bindung des Auftraggebers an Recht und Gesetz billigerweise nicht erwartet werden kann. Eine solche Situation liegt dann nicht vor, wenn der Auftraggeber nur deshalb nicht an der Ausschreibung festhält, weil er aus politischen Gründen eine Vergabe auf der Grundlage des vor dem Inkrafttreten des novellierten GWB am 24. April 2009 geltenden und nach § 131 Abs. 8 GWB n.F. für das vorliegende Verfahren weiterhin maßgebenden Rechts ablehnt. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Bieter durch das Bejahen einer rechtmäßigen Aufhebung von vornherein um etwaige Ansprüche auf Ersatz ihrer Aufwendungen zu bringen (1. VK Bund, B. v. 29.09.2009 - Az.: VK 1 - 167/09).

110.8.3.18 Richtlinie des VHB 2008 zu § 26 Nr. 1 Buchstabe c) Bei der Prüfung, ob eine Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 c) aus einem schwerwiegenden Grund aufgehoben werden darf, sind strenge Anforderungen zu stellen. Nur solche Gründe, die erst nach Einleitung des Vergabeverfahrens auftreten und nicht vom Auftraggeber zu vertreten sind, berechtigen zur Aufhebung ohne die Gefahr einer Schadensersatzpflicht (Richtlinien zu 351 – Vergabevermerk: Entscheidung über die AufhebungEinstellung – Ziffer 1).

110.8.3.19 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• eine zur Aufhebung aus schwerwiegendem Grund berechtigende Sachlage kann u. a. eintreten, wenn im Rahmen des Vergabeverfahrens überhaupt nur ein Angebot eingegangen ist und sich dem Auftraggeber deshalb keine Vergleichsmöglichkeiten bieten, so dass der auch von den europarechtlichen Vorgaben bezweckte Wettbewerb nicht in ausreichendem Umfang erreicht wurde. Eine Aufhebung kann jedoch angesichts der hieran zu stellenden strengen Anforderungen dann nicht mehr rechtmäßig erfolgen, wenn mehrere Angebote eingegangen sind und lediglich nach der Prüfung der Angebote nur eines in der Wertung verbleibt (VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008)

• allein die Absicht, die Ausschreibungsstrategie zu ändern, stellt ebenfalls keinen schwerwiegenden Grund im Sinn des § 26 Nr. 1 Buchstabe c VOB/A dar. Angesichts des bereits dargestellten Vertrauensschutzes der Bieter sind an das

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Vorliegen eines solchen Grundes strenge Anforderungen zu stellen, insbesondere dürfen die zugrunde liegenden Umstände für den Auftraggeber nicht bereits vor der Bekanntmachung vorhersehbar gewesen sein. Da die Entscheidung, die einzelnen Leistungsabschnitte nun getrennt auszuschreiben, ausschließlich die Frage der Planung des Umfangs des Beschaffungsvorhabens betreffen, die der Antragsgegnerin bereits im Zeitpunkt der Bekanntmachung möglich war, bildet sie für sich genommen keinen schwerwiegenden Grund im Sinne der Vorschrift (VK Düsseldorf, B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B)

• die Aufhebung einer Ausschreibung aus schwerwiegendem Grund ist dann noch möglich, wenn die geforderten Referenzen von den Bietern unterschiedlich verstanden werden und deshalb eine Wertung der unterschiedlichen Angebote nicht möglich ist (OLG Frankfurt, B. v. 24.10.2006 - Az.: 11 Verg 008/06, 11 Verg 009/06)

110.9 Sonstige Aufhebungsgründe

110.9.1 Kein Kontrahierungszwang In ständiger Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof herausgearbeitet, dass trotz Geltung der VOB/A (bzw. der VOL/A) der Ausschreibende auch dann, wenn kein Aufhebungsgrund nach § 26 VOB/A bzw. VOL/A besteht, nicht gezwungen werden kann, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen. Damit wäre die Annahme, es müsse in jedem Fall eines eingeleiteten Vergabeverfahrens ein Zuschlag erteilt werden, schlechthin unvereinbar (BGH, B. v. 18.2.2003 - Az.: X ZB 43/02; BGH, Urteil vom 5.11.2002 - Az.: X ZR 232/00; EuGH, Urteil vom 16.9.1999 - Az.: C-27/98, Urteil vom 17.12.1998 - Az.: T-203/96. Vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 114 GWB RZ 2189. Die Ausschreibung eines beabsichtigten öffentlichen Auftrages stellt also noch kein Vertragsangebot des öffentlichen Auftraggebers dar, an das er letztlich nach zivilrechtlichen Grundsätzen gebunden wäre. Auch wenn sich im Rahmen einer Ausschreibung ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis entwickeln mag, können aus einer Verletzung der aus diesem Vertrauensverhältnis resultierenden Pflichten und der dieses Rechtsverhältnis prägenden Regeln durch den Ausschreibenden lediglich Schadenersatzansprüche nach vertragsrechtlichen Grundsätzen entstehen. Dagegen besteht kein Anspruch darauf, dass der öffentliche Auftraggeber einen der Ausschreibung entsprechenden Vertrag mit einem hierfür geeigneten Bieter auch tatsächlich abschließt. Die Ausschreibung selbst ist dafür kein Rechtsgrund und lässt sich auch nicht in entsprechender Weise hierfür heranziehen. Da die Vorschriften, die im einzelnen die Aufhebung einer Ausschreibung regeln, z. B. § 26 VOB/A, ebenfalls nicht als Rechtsgrundlage angesehen werden können und lediglich Grundlage für mögliche Schadenersatzansprüche bieten können, hat der jeweilige Bieter, auch wenn er das günstigste Angebot abgegeben haben sollte, letztlich keinen Anspruch darauf, dass in jedem Falle ein entsprechender Auftrag erteilt wird (OLG Frankfurt, B. v. 25.10.2000 - Az.: 11 Verg. 2/99).

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110.9.2 Rechtsfolge einer sonstigen Aufhebung (Schadenersatz) Ob die Aufhebung einer Ausschreibung durch die in § 26 VOB/A normierten Gründe gedeckt ist, ist demnach lediglich für die Frage nach Schadensersatzansprüchen bedeutsam (OLG Koblenz, B. v. 15.01.2007 - Az.: 12 U 1016/05; OLG Celle, Urteil vom 30.5.2002 - Az.: 13 U 266/01; LG Düsseldorf, Urteil v. 29.10.2008 - Az.: 14c O 264/08; 1. VK Bund, B. v. 4.12.2001 - Az.: VK 1 - 43/01; VK Lüneburg, B. v. 22.5.2002 - Az.: 203-VgK-08/2002).

110.9.2.1 Allgemeines Der Bieter mit dem annehmbarsten Angebot verdient im Interesse einer fairen Risikobegrenzung Vertrauensschutz davor, dass seine Amortisationschance durch zusätzliche Risiken vollständig beseitigt wird, die in den vergaberechtlichen Bestimmungen keine Grundlage finden. Er darf mit Blick auf die mit Kosten und Arbeitsaufwand verbundene Erarbeitung eines Angebots bei einem öffentlichen Auftrag regelmäßig darauf vertrauen, dass die mit seiner Beteiligung verbundenen Aufwendungen nicht von vornherein nutzlos sind, insbesondere dass der Auftraggeber nicht leichtfertig ausschreibt und die Ausschreibung nicht aus anderen Gründen als den in § 26 VOB/A bzw. VOL/A genannten beendet (BGH, Urteil vom 8.9.1998 - Az.: X ZR 48/97; OLG Koblenz, B. v. 15.01.2007 - Az.: 12 U 1016/05; 2. VK Bund, B. v. 02.07.2004 - Az.: VK 2 – 28/04; BayObLG, B. v. 15.7.2002 - Az.: Verg 15/02).

110.9.2.2 Aufhebung einer Ausschreibung ohne anschließende Auftragsvergabe Erst durch die Erteilung des Auftrags erweist es sich als berechtigt, auf die eine Realisierung von Gewinn einschließende Durchführung der ausgeschriebenen Maßnahme vertraut zu haben. Unterbleibt die Vergabe des Auftrags, kommt hingegen regelmäßig nur eine Entschädigung im Hinblick auf Vertrauen in Betracht, nicht im Ergebnis nutzlose Aufwendungen für die Erstellung des Angebots und die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren tätigen zu müssen (BGH, Urteil vom 8.9.1998 - Az.: X ZR 48/97, Urteil vom 5.11.2002 - Az.: X ZR 232/00; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.1.2001 - Az.: U (Kart) 9/00).

110.9.2.3 Aufhebung einer Ausschreibung mit anschließender - unveränderter - Auftragsvergabe Auch der Bieter, der im Rahmen einer geschehenen Ausschreibung das annehmbarste Angebot abgegeben hat, hat deshalb nicht von vornherein Anlass, darauf zu vertrauen, dass ihm der ausgeschriebene Auftrag erteilt wird und er sein positives Interesse hieran realisieren kann. Regelmäßig kann vielmehr ein sachlich gerechtfertigter Vertrauenstatbestand, der zu einem Ersatz entgangenen Gewinns einschließenden Anspruch führen kann, erst dann gegeben sein, wenn der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich - wenn auch unter Verstoß gegen die VOB/A - erteilt wurde. Erst durch die Erteilung des Auftrags erweist es sich als berechtigt, auf die eine Realisierung von Gewinn einschließende Durchführung der ausgeschriebenen Maßnahme vertraut zu haben (BGH, Urteil vom 8.9.1998 - Az.: X ZR 48/97, Urteil vom 5.11.2002 - Az.: X ZR 232/00; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.6.2003 - Az.: 5 U 109/02).

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Ein solcher Anspruch kommt vor allem in Betracht, wenn das Vergabeverfahren tatsächlich mit einer Auftragserteilung seinen Abschluss gefunden hat und der Zuschlag bei regelrechter Durchführung des Vergabeverfahrens nicht dem tatsächlich auserwählten Bieter, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem (übergangenen) Bieter hätte erteilt werden müssen (OLG Dresden, Urteil v. 27.01.2006 - Az.: 20 U 1873/05; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.1.2001 - Az.: U (Kart) 9/00; Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 18.1.2001 - Az.: 11 U 139/99). Im Falle einer unzulässigen Aufhebung der Ausschreibung hat der öffentliche Auftraggeber dem einzigen Bieter den entgangenen Gewinn (positives Interesse) zu ersetzen, wenn dieser mit seinem Angebot zu berücksichtigen gewesen wäre. Dies gilt erst Recht, wenn der öffentliche Auftraggeber das Vorhaben nicht endgültig aufgibt, sondern die Ausführung einzelner Gewerke über einen längeren Zeitraum hinweg nacheinander vornehmen lässt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 8.1.2002 - Az.: 21 U 82/01).

110.9.2.4 Aufhebung einer Ausschreibung mit anschließender - veränderter - Auftragsvergabe Der Schluss, dass der annehmbarste Bieter berechtigterweise darauf vertrauen durfte, den Auftrag zu erhalten, kann gleichwohl dann gezogen werden, wenn der später tatsächlich erteilte Auftrag bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand betrifft (OLG Dresden, Urteil v. 27.01.2006 - Az.: 20 U 1873/05). Bestehen insoweit erhebliche Unterschiede, kommt ein solcher Schluss hingegen regelmäßig nicht in Betracht. Die Unterschiede stehen dann dafür, dass der ausgeschriebene Auftrag nicht zur Ausführung gelangt ist. Ein Anspruch, der den Ersatz entgangenen Gewinns einschließt, kann deshalb in diesen Fällen regelmäßig nur dann bestehen, wenn der sich übergangen fühlende Bieter auf Besonderheiten verweisen kann, die den Auftraggeber hätten veranlassen müssen, ihm - auch - den geänderten Auftrag zu erteilen (BGH, Urteil vom 5.11.2002 - Az.: X ZR 232/00; Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 18.012001 - Az.: 11 U 139/99).

110.9.2.5 Verzicht auf die Vergabe einer ausgeschriebenen Leistung Dem öffentlichen Auftraggeber muss es möglich sein - also insbesondere ohne das Erfordernis schwerwiegender Gründe oder einer Ausnahmesituation - die Aufhebung eines Vergabeverfahrens herbeizuführen, wenn er gänzlich Abstand von der Vergabe eines zunächst ausgeschriebenen Auftrages nehmen will. Denn er soll nicht allein deshalb, weil er ein öffentliches Vergabeverfahren eingeleitet hat, eine Leistung in Auftrag geben müssen, von deren Beschaffung er aus welchen Gründen auch immer - mangelnde finanzielle Mittel, fehlerhafte Einschätzung, Wegfall oder anderweitige Befriedigung des Bedürfnisses - nunmehr endgültig Abstand nehmen will. Einem solchen Verzicht ist gleich zu setzen die Erledigung mit eigenen Möglichkeiten oder die Erledigung über ein Inhouse-Geschäft (OLG Brandenburg, B. v. 19.12.2002 - Az.: Verg W 9/02). Ein solcher Verzicht darf aber nicht sachwidrig sein. Es ist mit den vergaberechtlichen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere des Diskriminierungs- und des Willkürverbots nicht vereinbar, ein Vergabeverfahren wegen des Mangels an mehreren geeigneten Bewerbern aufzuheben, wenn der Auftraggeber durch die von ihm vorgenommene

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Auswahl der Eignungsanforderungen und der hierfür verbindlich geforderten Eignungsnachweise den Schwerpunkt des Wettbewerbs in den Bereich der bieterbezogenen Eignungsprüfung verlagert hat, was bei einer Ausschreibung freiberuflicher Leistungen nach VOF durchaus sinnvoll sein kann, zulässig erscheint und jedenfalls von keinem Bewerber gerügt worden ist. Die geringe Zahl der Verhandlungspartner – hier sogar die Reduzierung auf einen einzigen Bieter – ist notwendige, jedenfalls vorhersehbare Folge dieser Vergabestrategie und rechtfertigt daher nicht, auf die Fortführung des Verhandlungsverfahrens zu verzichten (OLG Naumburg, B. v. 17.05.2006 - Az.: 1 Verg 3/06).

110.9.2.6 Literatur

• Dähne, Horst, Schadensersatz wegen unberechtigter Aufhebung einer Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 VOB/A, VergabeR 2004, 32

110.9.3 Beispiele aus der Rechtsprechung

• die Befürchtung, mit einem Nachprüfungsverfahren überzogen zu werden, ist kein "anderer schwerwiegender Grund" für eine Aufhebung (VK Nordbayern, B. v. 12.10.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 25/06)

• können Wahlpositionen wegen einer hierfür von der Vergabestelle nicht erstellten Bewertungsmatrix nicht gewertet werden, liegt hierin kein schwerwiegender Grund , der eine Aufhebung der Ausschreibung erfordert (OLG München, B. v. 27.01.2006 - Az.: VII - Verg 1/06)

• wenn ein den Wettbewerb verzerrender Informationsvorsprung zu einem vor allem in preislicher Hinsicht überlegenen Angebot des betreffenden Bieters führt und dieses Angebot für die Entscheidung über den Zuschlag relevant wäre, wird der Auftraggeber im Allgemeinen die Ausschreibung aufheben müssen (OLG Rostock, B. v. 9.5.2001 - Az.: 17 W 4/01)

• schwerwiegende Gründe, die eine Aufhebung des Verfahrens unabweisbar machen, müssen auch dann zu diesem Schritt berechtigen, wenn die Aufhebungsgründe bereits bei Verfahrenseinleitung hätten bekannt sein können. Die Vergabestelle kann nicht gehalten sein, ein Ausschreibungsverfahren fortzuführen, das erkennbar - und unheilbar - rechtswidrig ist und dessen Entscheidungen mit dem Risiko behaftet bleiben, jederzeit (verfahrenskonform) mit Aussicht auf Erfolg angegriffen zu werden. Die Konsequenzen eines fahrlässig fehlerhaft eingeleiteten Vergabeverfahrens sind vielmehr evtl. Schadensersatzansprüche des benachteiligten Bieters (VK Bremen, B. v. 6.1.2003 - Az.: VK 5/02)

• nicht jeder Fehler in einem Leistungsverzeichnis rechtfertigt die Aufhebung des Verfahrens aufgrund § 26 Nr. 1 c VOB/A. Eine ungenaue Leistungsbeschreibung in fünf Positionen (davon eine Bedarfsposition, die nicht in die Wertungssumme einfließt) bei einem Gesamtumfang von über 110 Positionen kann nicht als schwerwiegender Grund im Sinne des § 26 Nr. 1 c VOB/A angesehen werden (VK Magdeburg, B. v. 2.4.2001 - Az.: VK-OFD LSA-03/01)

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• lediglich geringfügige Änderungen einzelner Positionen der auszuführenden Leistung sowie geringfügige Änderungen in der Beschaffenheit der Leistung sind kein Grund zur Aufhebung der Ausschreibung, sondern können zulässigerweise in der Vertragsabwicklung gemäß § 2 VOB/B aufgefangen werden (1. VK Sachsen, B. v. 8.11.2001 - Az.: 1/SVK/104-01)

• die Unklarheiten einer Leistungsbeschreibung führen jedoch dann nicht zur Aufhebung einer Ausschreibung, wenn infolge dieses Mangels Angebote eingehen, die noch miteinander verglichen werden können (VK Düsseldorf, B. v. 22.7.2002 - Az.: VK - 19/2002 - L)

• ein vom Antragsteller gegen den Auftraggeber durchsetzbarer zwingender Aufhebungsgrund gemäß § 26 Nr. 1 b) VOB/A besteht nicht, wenn nur marginale, aber keine grundlegenden Änderungen der Verdingungsunterlagen vonnöten sind (1. VK Sachsen, B. v. 9.4.2002 - Az.: 1/SVK/021-02)

• ist dagegen ein Leistungsverzeichnis missverständlich, was z. B. dadurch bestätigt werden kann, dass mehrere Bieter das von der Vergabestelle Gewollte auch tatsächlich missverstanden haben und handelt es sich der Sache nach um einen zentralen Punkt, ist es der Vergabestelle nicht zumutbar, den Zuschlag trotz Aufdeckung der Missverständlichkeit zu erteilen. Eine grundlegende Änderung der Verdingungsunterlagen im Sinne einer Korrektur der missverständlichen Formulierungen ist in dieser Situation geboten, um nachfolgende Auseinandersetzungen auf der vertraglichen Ebene zu vermeiden (2. VK Bund, B. v. 19.7.2002 - Az.: VK 2 - 44/02; im Ergebnis ebenso 1. VK Bund, B. v. 06.12.2006 - Az.: VK 1 - 133/06)

• das rechtswidrige Verlangen nach einer Tariftreueerklärung und das rechtswidrige Mitwirken einer nach § 16 VgV ausgeschlossenen Person rechtfertigen eine Aufhebung wegen eines schwerwiegenden Grundes im Sinne von § 26 Nr. 1 Buchstabe c) (Hanseatisches OLG Hamburg, B. v. 4.11.2002 - Az.: 1 Verg 3/02)

110.10 Beweislast für das Vorliegen von Aufhebungsgründen Der öffentliche Auftraggeber trägt die Beweislast dafür, dass er zur Aufhebung der Ausschreibung berechtigt ist (OLG Düsseldorf, B. v. 03.01.2005 - Az.: VII - Verg 72/04; OLG Saarbrücken, Urteil vom 2.7.2003 - Az: 1 U 113/03 - 31, 1 U 113/03).

110.11 Rechtsnatur der Aufhebung Bei der Aufhebung handelt es sich um einen internen, aber endgültigen Beschluss des Auftraggebers, das Ausschreibungsverfahren zu beenden. Dieser Beschluss ist eine (nicht empfangsbedürftige) Willenserklärung, die nicht unbedingt schriftlich niedergelegt sein muss, auch wenn dies aus Transparenzgründen zu empfehlen ist (VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.09.2005 - Az.: VK-SH 21/05; B. v. 24.10.2003 - Az.: VK-SH 24/03; VK Brandenburg, B. v. 21.05.2008 - Az.: VK 9/08; B. v. 30.7.2002 - Az.: VK 38/02). Nach einer anderen Auffassung stellt die Erklärung der Aufhebung des Vergabeverfahrens eine einseitige, den Empfang bedürftige Willenserklärung dar, die zunächst einmal nur zum Inhalt hat, dass das Vergabeverfahren nach dem Willen der

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Vergabestelle nicht weitergeführt soll, sondern aufgehoben ist. Einer solchen Erklärung kommt nicht die gleiche Wirkung wie der Erklärung zur Zuschlagserteilung zu. Als einseitig abzugebende, empfangsbedürftige Erklärung hat sie in der Folge ihrer Abgabe „nur“ die Wirkung, dass die Bieter mit Abgabe dieser Erklärung durch die Vergabestelle an ihre bereits abgegebenen Angebote nicht mehr gebunden sind (VK Thüringen, B. v. 20.05.2008 - Az.: 250-4003.20-1121/2008-011-EF).

110.12 Bekanntmachung der Aufhebung Das (vorvertragliche) Rechtsverhältnis, welches durch die Ausschreibung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern entsteht, kann nicht durch eine bloß behördeninterne Willensbildung, sondern nur dadurch beendet werden, dass die Entscheidung zur Aufhebung des Vergabeverfahrens den Bietern bekannt gemacht wird. Dies gebietet es, für die Außenwirksamkeit der Aufhebungsentscheidung auf deren Bekanntgabe gegenüber dem jeweiligen Bieter abzustellen (OLG Düsseldorf, B. v. 28.2.2002 - Az.: Verg 37/01; OLG Koblenz, B. v. 10.4.2003 - Az.: 1 Verg 1/03; VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.02.2005 - VK-SH 02/05; im Ergebnis ebenso VK Brandenburg, B. v. 21.05.2008 - Az.: VK 9/08). Die Bekanntmachung kann insbesondere bei öffentlichen Auftraggebern im Sinne des § 98 Satz 1 Nr. 1 GWB nur durch dessen zuständiges Organ erfolgen. Eine Bekanntmachung erfolgt auch nicht dadurch, dass ein Bieter irgendwie von dem internen Aufhebungsbeschluss erfährt. Eine Bekanntmachung muss vielmehr zielgerichtet und mit Bekanntgabewillen an denjenigen erfolgen, den der Inhalt der bekannt zu gebenden Erklärung betrifft (VK Brandenburg, B. v. 30.7.2002 - Az.: VK 38/02).

110.13 Rechtsfolge der Bekanntmachung Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Nach einer Auffassung ist durch die bekannt gemachte Aufhebung der Ausschreibung das Vergabeverfahren ex tunc beendet. Die Aufhebung bewirkt, dass alle im Rahmen der Ausschreibung eingereichten Angebote erlöschen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufhebung rechtmäßig oder deshalb rechtswidrig ist, weil keiner der Aufhebungsgründe des § 26 VOB/A bzw. VOL/A vorliegt. Daran wird auch nichts dadurch geändert, dass alle Bieter auf Rückfrage der Vergabestelle erklärt haben, sich an ihr Angebot gebunden halten. Die Vergabestelle kann ein einmal aufgehobenes Verfahren nicht wieder aufnehmen. Aus der Tatsache, dass im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes die Aufhebung einer Ausschreibung im Nachprüfungsverfahren überprüft und aufgehoben werden kann, folgt aber nicht, dass die Vergabestelle ihre Entscheidung über die Aufhebung der Vergabe als unwirksam einstufen bzw. die Aufhebung einer Ausschreibung aufheben und ein einmal aufgehobenes Verfahren - auch nicht mit Zustimmung der Bieter - ohne weiteres einfach fortsetzen kann (2. VK Bremen, B. v. 13.11.2002 - Az.: VK 6/02). Nach einer anderen Meinung kann im Gegensatz zur Zuschlagserteilung die Erklärung der Aufhebung schon durch das Handeln der Vergabestelle korrigiert, d. h. aufgehoben, zurückgenommen, widerrufen und damit in ihrem Inhalt abgeändert werden. Die Vergabestelle ist nicht gehindert, die einmal erklärte Aufhebung einer Ausschreibung in der

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Weise zu korrigieren, dass sie nunmehr erklärt, das Vergabeverfahren (doch) fortsetzen zu wollen. Dies führt zwar nicht gleichsam automatisch dazu, dass die Bieter nunmehr wieder an ihr Angebot gebunden sind. Das Vergabeverfahren kann aber jedenfalls mit den Angeboten fortgesetzt werden, zu denen sich die Bieter nach Korrektur der Aufhebungserklärung ("Aufhebung der Aufhebung") durch die Vergabestelle positiv erklärt haben (VK Thüringen, B. v. 13.2.2003 - Az.: 216-4002.20-003/ 03-EF-S). Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Aufhebungsgrundes nach § 26 VOB/A bzw. VOL/A ist für die Frage der Wirksamkeit der Aufhebung irrelevant und daher nicht zu prüfen (1. VK Bund, B. v. 9.4.2001 - Az.: VK 1 - 7/01).

110.14 Unterrichtungspflicht (§ 26 Nr. 2)

110.14.1 Sinn und Zweck Von dem internen Verwaltungsentschluss der Aufhebung haben die beteiligten Wettbewerber zunächst keine Kenntnis und halten nach wie vor Sach- und Personalmittel für die ausgeschriebene Leistung vor, weshalb sie unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) zu benachrichtigen sind (VK Schleswig-Holstein, B. v. 24.10.2003 - Az.: VK-SH 24/03).

110.14.2 Form Eine besondere Form der Unterrichtung ist zunächst nicht vergaberechtlich vorgeschrieben, das heißt sie kann auch mündlich oder fernmündlich geschehen. Erst auf Antrag der Bewerber oder Bieter hat die Vergabestelle die Mitteilung der Aufhebungsgründe entsprechend schriftlich vorzunehmen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 24.10.2003 - Az.: VK-SH 24/03).

110.14.3 Notwendiger Inhalt bei einer Aufhebung nach § 26 Nr. 1 Buchstabe a) Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, bei einer Aufhebung nach § 26 Nr. 1 Buchstabe a) VOB/A bzw. VOL/A die Gründe detailliert mitzuteilen. Es genügt vielmehr, den Wortlaut des § 26 Nr. 1 Buchstabe a) VOB/A bzw. VOL/A wiederzugeben (VK Nordbayern, B. v. 2.7.1999 - Az.: 320.VK-3194-11/99). Nach einer anderen Meinung reicht eine Formalbegründung im Fall des § 26 Nr. 1 a VOB/A bzw. VOL/A nicht aus. Der Bieter hat ein Recht auf Information über die wirklichen Gründe der Aufhebung, damit er sich über die Bedeutung im Hinblick auf ein eventuell neues Ausschreibungsverfahren ein hinreichendes Bild machen kann (VK Düsseldorf, B. v. 5.2.2001 - Az.: VK - 26/2000 - L).

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110.14.4 Regelung des HVA B-StB 03/2006 Alle Bewerber und Bieter sind von der Aufhebung der Ausschreibung bzw. Beendigung des Vergabeverfahrens gemäß § 122 GWB gemäß § 26 Nr. 2 bzw. § 26a Nr. 1 VOB/A zu unterrichten. Bei Vergaben ab den EG-Schwellenwerten ist gemäß § 26a Nr. 3 VOB/A auch das Amt für amtliche Veröffentlichungen der EG über die Aufhebung bzw. Beendigung zu informieren (Ziffer 2.5 Nr. 20).

110.15 Rücknahme der Aufhebung Vgl. dazu die Kommentierung RZ 5972.

110.16 Missbrauch der Aufhebungsmöglichkeit (Scheinaufhebung) In Ausnahmefällen ist zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber wirklich ernsthaft aufgehoben hat oder ob er unter Missbrauch seiner Gestaltungsmöglichkeiten nur den Schein einer Aufhebung gesetzt hat.

110.16.1 Allgemeines Ein Missbrauch der Aufhebungsmöglichkeit liegt noch nicht vor, wenn der vom Auftraggeber angenommene Aufhebungsgrund tatsächlich nicht vorliegt oder es sich um einen Grund handelt, der bereits bei Bekanntmachung der Ausschreibung vorgelegen hat. Für einen Rechtsmissbrauch bedarf es vielmehr sachfremder, nicht am Grundsatz des fairen, transparenten und chancengleichen Vergabeverfahrens im Sinne des § 97 Abs. 1, 2 GWB orientierter Erwägungen (2. VK Bund, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 2 - 60/07; VK Brandenburg, B. v. 17.5.2002 - Az.: VK 23/02).

110.16.2 Gesamtzusammenhang Die Unwirksamkeit einer Aufhebung kann sich aus dem Gesamtzusammenhang des Vorgangs ergeben. Führt der Auftraggeber in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufhebung eine Vergabe im freihändigen Verfahren durch und informiert er die Bieter nicht über die Absicht, die Aufträge unverzüglich nach der Aufhebung freihändig zu vergeben, so dass die Tatsache der Zuschlagserteilung für einige Bieter völlig überraschend kommt und ihnen erst im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens bekannt wird, lässt also der Auftraggeber die Bieter bewusst im Unklaren und beteiligt sie nicht, um eine für ihn selbst möglichst genehme Art der Vergabe ohne Rücksicht auf die legitimen Interessen der Bieter durchführen zu können, handelt es sich bei diesem Sachverhalt um eine Scheinaufhebung, die die Unwirksamkeit der Aufhebung zur Folge hat (1. VK Bund, B. v. 26.9.2003 - Az.: VK 1 - 81/03; VK Münster, B. v. 17.1.2002 - Az.: VK 23/01).

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110.16.3 Offensichtliche Bevorzugung eines Bieters Soll die Aufhebung der Ausschreibung lediglich dazu dienen, der Vergabestelle entweder sofort ohne weitere Ausschreibung vergaberechtswidriger Weise die Möglichkeit zur freihändigen Vergabe an einen Bieter zu ermöglichen oder zumindest durch eine Neuausschreibung diesem die Möglichkeit zu eröffnen, ein erneutes Angebot vorzulegen, wird die Möglichkeit der Aufhebung damit missbräuchlich verwandt, da die Vergabeabsicht der Vergabestelle unbestritten ist und offensichtlich darauf zielt, den Auftrag ausschließlich an einen bestimmten Bieter zu vergeben (OLG München, B. v. 12.07.2005 - Az.: Verg 008/05 – ein sehr anschaulicher Fall; OLG Düsseldorf, B. v. 19.11.2003 - Az.: VII - Verg 59/03; Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.: 1 Verg 4/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.02.2005 - VK-SH 02/05; 2. VK Bund, B. v. 22.12.2004 - Az.: VK 2 – 157/04; B. v. 12.11.2004 - Az.: VK 2 – 163/04; 3. VK Bund, B. v. 30.09.2004 - Az.: VK 3 - 116/04; VK Arnsberg, B. v. 23.1.2003 - Az.: VK 2-27/2002; 1. VK Bund, B. v. 29.09.2004 - Az.: VK 1 – 162/04; B. v. 23.09.2004 - Az.: VK 1 – 132/04; B. v. 23.09.2004 - Az.: VK 1 – 129/04; B. v. 23.09.2004 - Az.: VK 1 – 126/04; B. v. 4.12.2001 - Az.: VK 1 - 43/01).

110.16.4 Rechtsfolge einer Scheinaufhebung Bei einer Scheinaufhebung hat der Auftraggeber immer noch den Willen, einen öffentlichen Auftrag zu vergeben. Deshalb hat das ursprüngliche Ausschreibungsverfahren seinen Fortgang zu nehmen, und zwar ab dem Punkt, zu welchem die rechtswidrige Aufhebung erfolgt ist. Hat zu diesem Zeitpunkt ein Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt und der Senat z.B. die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels nach § 118 Abs.1 Satz 3 GWB verlängert und wird in diesem Stadium durch die Vergabestelle in einem fortdauernden Vergabeverfahren dennoch der Zuschlag erteilt, ist dieser wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, § 115 Abs. 1, § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB, § 134 BGB. Dieselbe Rechtsfolge, nämlich die Nichtigkeit des Zuschlages, tritt auch dann ein, wenn nach der Aufhebung einer Aufhebung ein Ausschreibungsverfahren an der Stelle fortzusetzen ist, an welcher die rechtswidrige Aufhebung stattgefunden hat. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Zuschlag sei nicht in dem ursprünglichen, sondern in einem anderen neuen Verfahren erteilt worden. Würde man dies so sehen, wäre eine Umgehung des Zuschlagsverbotes jederzeit leicht dadurch möglich, dass nach der Aufhebung einer Ausschreibung unverzüglich der betreffende oder lediglich abgewandelte Auftrag freihändig vergeben werden könnte; der Bieterschutz durch ein geregeltes Vergabe- und Nachprüfungsverfahren wäre ad absurdum geführt. Handelt der Auftraggeber in dieser Weise, stellt dies deshalb eine unzulässige Umgehung des Zuschlagverbots dar (OLG München, B. v. 12.07.2005 - Az.: Verg 008/05).

110.17 Neues Vergabeverfahren im Anschluss an die Aufhebung

110.17.1 Allgemeines Die Vergabestelle ist nach der Aufhebung der Ausschreibung in der Wahl eines neuen Vergabeverfahrens nicht frei. Sie muss vielmehr prüfen, welche Ausschreibung bzw. Vergabe nach den Bestimmungen der §§ 3, 3 a VOB/A bzw. VOL/A zur Anwendung kommt (2. VK Bremen, B. v. 13.11.2002 - Az.: VK 6/02).

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110.17.2 Entsprechende Anwendung des § 26 Nr. 5 VOL/A In entsprechender Anwendung des § 26 Nr. 5 VOL/A Abschnitt 2 wird anzunehmen sein, dass eine Auftragsvergabe in dem neuen Verfahren dann vergaberechtswidrig wird, wenn gegen die Aufhebung des vorherigen Verfahrens ein Nachprüfungsantrag mit dem Ziel der Wiederaufnahme dieses Verfahrens gestellt wird . Dafür spricht, dass ansonsten der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nunmehr für statthaft erachtete Rechtsschutz in bestimmten Fällen ins Leere liefe: Die Vergabestelle könnte das mit Neuausschreibung begründete Vergabeverfahren ungeachtet des Nachprüfungsantrags im vorherigen Verfahren weiterführen und dort mit Auftragsvergabe durch Zuschlagserteilung vollendete Tatsachen schaffen. Das Zuschlagsverbot nach § 115 Abs. 1 GWB hinderte diese Folge nicht: Es ist abhängig von der Zustellung des Nachprüfungsantrags an den Auftraggeber und damit nur wirksam in dem Verfahren, das mit dem Nachprüfungsantrag angegriffen wird. Richtet der Antrag sich gegen die Aufhebung der Ausschreibung, schützt das Zuschlagsverbot den Antragsteller mithin nur vor der - eher theoretischen - Möglichkeit, dass der Auftraggeber von sich aus das Verfahren wieder aufnimmt, fortführt und einem Konkurrenten den Zuschlag erteilt. In dem durch Neuausschreibung des Auftrags - möglicherweise nach Organisationsänderungen auch noch unter Regie einer anderen Vergabestelle - neu begründeten selbständigen Vergabeverfahren entfaltet das für das vorherige Verfahren geltende Verbot keine Wirkung. Vor diesem Hintergrund spricht bei dieser Konstellation viel dafür, dass der Antragsteller, um sein Ziel - Aufhebung der Aufhebung der Ausschreibung und Erlangung des Zuschlags im vorherigen Vergabeverfahren - erreichen zu können, nach Stellung seines gegen die Aufhebung gerichteten Nachprüfungsantrags die Neuausschreibung gegenüber der zuständigen Vergabestelle unverzüglich rügen (§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB) und, wenn die Rüge erfolglos bleibt, in dem neuen Verfahren ebenfalls einen Nachprüfungsantrag stellen muss, mit dessen Zustellung er auch dort vor einer anderweitigen Zuschlagserteilung geschützt wird. Unterlässt er eine unverzügliche Rüge der Neuausschreibung und ist er infolgedessen mit einem Nachprüfungsantrag in dem neuen Vergabeverfahren präkludiert, würde sein im Erstverfahren gestellter Nachprüfungsantrag auf eine Verfahrenssituation abzielen, die § 26 Nr. 5 VOL/A Abschnitt 2 gerade verhindern will: Die parallele Durchführung zweier selbständiger Vergabeverfahren über ein- und denselben Auftragsgegenstand (OLG Koblenz, B. v. 10.4.2003 - Az.: 1 Verg 1/03).

110.17.3 Regelung des HVA B-StB 03/2006 Je nach Lage des Einzelfalls kann nach Aufhebung einer Ausschreibung in Betracht kommen:

• Zurückstellen der Baumaßnahme und spätere erneute Ausschreibung • Unmittelbar anschließende erneute Ausschreibung • Verhandlung mit einem oder mehreren Bietern über die Änderung der Angebote

zwecks Freihändiger Vergabe bzw. Verhandlungsverfahren (§ 3 Nr. 4 bzw. § 3a Nrn. 4 und 5 VOB/A)

Nach Aufhebung eines Offenen oder Nichtoffenen Verfahrens darf ein neues Vergabeverfahren, sofern die ursprünglichen Vergabeunterlagen grundlegend geändert

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werden, grundsätzlich nur als Offenes, gegebenenfalls als Nichtoffenes Verfahren durchgeführt werden (Ziffer 2.5 Nr. 21).

110.18 Überprüfung der Aufhebungsentscheidung in einem Vergabenachprüfungsverfahren Vgl. zur Möglichkeit der Überprüfung der Aufhebungsentscheidung in einem Vergabenachprüfungsverfahren die Kommentierung zu § 114 GWB RZ 2186.

110.19 Richtlinie des VHB 2008 Endet ein förmliches Vergabeverfahren nicht durch die Erteilung eines Auftrags, ist es aufzuheben (Richtlinien zu 351 – Vergabevermerk: Entscheidung über die AufhebungEinstellung – Ziffer 1).

110.20 Literatur

• Burbulla, Rainer, Aufhebung der Ausschreibung und Vergabenachprüfungsverfahren, ZfBR 2009, 134

• Dieck-Bogatzke, Britta, Probleme der Aufhebung der Ausschreibung - Ein Überblick über die aktuelle Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, VergabeR 2008, 392

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