129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den...

40
ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT GLOBALEGERECHTIGKEIT weltweit 2/2015 Ostern: neues Leben aus dem Sterben SEITE 2, 4 Migrierte: ihre Hoffnung und unsere? SEITE 7, 16, 29

Transcript of 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den...

Page 1: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT GLOBALEGERECHTIGKEITweltweit

2/20

15

Ostern: neues Leben aus dem Sterben SEITE 2, 4Migrierte: ihre Hoffnung –und unsere? SEITE 7, 16, 29

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1

Page 2: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

VORWORT

entdeckten auch, dass es kurz vor dem Tod zueinem abrupten Anstieg der Hirnstromaktivitätkommt. Werden Nahtod-Phänomene also voneinem solchen Nervenzellengewitter hervorgeru-fen? Stimulieren der oberen Schläfenlappenlöste bei Patienten schon «künstlich» das Emp-finden aus, sie würden ihren Körper verlassenund von oben auf ihn schauen. Allerdings kamendurch Medikamente und elektrische Hirnstimula-tionen ausgelöste «Halluzinationen» bruchstück-haft und verworren daher – Nahtod-Patientengeben ihre Erlebnisse dagegen klar, detailliertund in sich logisch wieder, obwohl das Gehirnsie medizinisch gesehen gar nicht produzierthaben kann. Oder wie bei Pamela Reynolds, derdie Ärzte mit einer Gehirnoperation das Lebenretten konnten: Obwohl sie unter Vollnarkoseund über Strecken des Eingriffs klinisch tot war,beschrieb Reynolds später Details der Operationund wiederholte Gespräche des Neurochirurgenmit einer Assistentin. Für mich ist klar, dass sich das Wesen des Men-schen nicht allein auf seine Biologie reduzierenlässt, sondern eine eigenständige, von ihr unab-hängige – seelische – Dimension enthält. Sielässt uns staunen, wenn Patienten, deren Wie-derbelebung nur Minuten beanspruchte, eineLebensrückschau beschreiben, in der sie alles ineiner bisher nie dagewesenen Klarheit erkennenund mit Kriterien der Liebe als wichtigstes Le-bensprinzip neu begreifen. Jedenfalls wünscheich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, möglichstviel von der Hoffnung und Zuversicht, die derungarisch-schweizerische Architekt Stefan vonJankovich noch Jahrzente nach seinem schwe-ren Unfall ausdrückte: «Ich war nie glücklicherals während meines Todes.»

Theo Bühlmann

Liebe Leserin, lieber Leser Ist der irdische Tod für Sie auch nicht das Endedes Lebens? In keiner Zeit vor unserer haben so viele Menschen gewagt, an diesem Glaubenzu zweifeln – der für mich und vermutlich auchfür Sie als Auferstehung Kern und Frohbotschaftdes christlichen Glaubens ist. Für sie stirbt mitdem Körper unser ganzes Sein, das einst lachte,weinte, dachte, sich freute, litt und liebte. Er-schafft der Körper unsere Existenz – oder ist erauf der Erde nur der Ort, wo sich etwas entfaltet,das unsterblich ist? Die Seele, welche eineBrücke zum ewigen Leben, zum Göttlichenschlägt? Anfangs des 20. Jahrhunderts bauteder US-Arzt Duncan MacDougall eine Waage,die ein Bett samt einem Körper auf drei Grammgenau wiegen konnte. Er stelle fest, dass Men-schen im Augenblick des Todes 21 Gramm ver-loren – das Gewicht von sieben Würfel Zucker.Für ihn war es der Beweis, dass es einen Stoffnamens Seele tatsächlich gibt.Eben Alexander, Neurochirurg an der HarvardUniversity, zog sich 2008 eine Form von Hirn-hautentzündung zu, an der 90 Prozent der Patien-ten sterben. Doch Alexander hatte Glück, nachsieben Tagen erlangte er das Bewusstsein wiederund wurde gesund. Und erzählte, er habe denKörper verlassen und sei in eine andere Welt ge-reist: Wolken von Schmetterlingen seien dortherumgeflogen. Die Bäume hätten ihre Knospengeöffnet, wenn er in ihre Nähe kam. Die Bewoh-ner sangen und tanzten. Und er habe ein Wesenangetroffen, das vor allem aus Licht zu bestehenschien und eine überwältigende Liebe ausstrahlte.Heute ist der Neurochirurg überzeugt, dass seinGeist im Jenseits war. Denn er studierte seineKrankenakte und kam zum Schluss, dass er alldas, was er in seinem Koma erlebte, unmöglichgeträumt oder zusammenfantasiert haben konnte.Denn seine Grosshirnrinde – jene Region, woGedanken, Gefühle oder Träume entstehen –war «komplett ausgefallen».Natürlich werden Nahtod-Erzählungen ebenfallsin Frage gestellt. Wird ein Mensch verletzt, über-flutet der Körper das Gehirn automatisch mitEndorphinen, die euphorisch machen. Mediziner

2

Brücke zum Ewigen

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 2

Page 3: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

AUFTAKT

INHALT

BEWEGT4 Auferstehungswunder in Gottes Schöpfung

ALLEWELT6 Nachrichten aus aller Welt

STANDPUNKT7 Herzlichkeit überwindet Grenzen

LEBENSGRUND8 Bosnien: 20 Jahre nach dem Krieg

MERKWÜRDIG11 Kohärenz in der Entwicklungspolitik

BLICKWECHSEL12 Selbstliebe ist nicht Egoismus

ZEITENWANDEL14 «Missionarisches» Wirken gestern – heute

THEMENSEITEN16 Not und Vorurteile

überwinden durch Integration

GLAUBENSVIELFALT24 Befreiungsritual: Jüdisches Pessachfest

27 KREUZQUER

NOTHILFE28 Hilfe für Flüchtende vor dem IS im Irak

STREIFZÜGE29 Nachrichten aus den Gemeinschaften

BRÜCKENSCHLAG31 Krebsdiagnostik bei Kindern in Äthiopien

PROJEKTHILFE32 (Berufs-)Bildung für Frauen in Mali

PROJEKTHILFE34 Kindertagesstätte in Itapetininga, Brasilien

PROJEKTHILFE37 Gesundheitsklinik in Bolivien

ANGEBOTE38 Veranstaltungen von Herausgebergemeinschaften

8 Hoffnung auf Versöhnung in Bosnien 1995 ging der Bosnienkrieg zu Ende. Der Dayton-Vertrag versuchte, einen Friedensprozess zwischen Kroaten, Serbenund Bosniaken in Gang zu setzen. Doch ist das in einemLand möglich, das schon in der Völkerwanderungszeit derAntike Brennpunkt verschiedener Ethnien, Religionen warund weit ins 20. Jahrhundert «Spielball» europäischer Gross-mächte blieb?

16 Vom Begreifen der Not zur Integration WeltWeit zeigt am Beispiel nordafrikanischer Flüchtlings-ströme nach Europa, wie gross die Existenznot und Verzweif-lung von MigrantInnen ist. Und wie wir nicht nur ihreHoffnung auf ein besseres Leben, sondern auch unsere näh-ren, indem wir konkret versuchen, in der Schweiz wohnendeMenschen in die gesellschaftliche Teilhabe und Mitgestaltungeinzubinden.

Titelbild: Schmetterlinge – hier der einheimische Schwalbenschwanz(Ankawu, Wikipedia) – sind mit ihren vier Leben ein Sinnbild für Verwandlung und Auferstehung in Gottes Schöpfung.

Besuchen Sie uns unter: www.weltweit.chund im Facebook: http://www.facebook.com/ZeitschriftWeltWeit

3

2/20

15

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 3

Page 4: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

4

THEO BÜHLMANN

Wir alle machen irgendwann die Erfahrung, dass «das Weizen-korn in die Erde fallen und sterben» muss, um «wiedererweckt»zu werden, aufzukeimen, zu wachsen und schliesslich Frucht zutragen. Dies scheint zum Leben zu gehören. Licht gibt es ohnedas Dunkle nicht. Ohne die Angst, Not und Verzweiflung desKarfreitags, ohne die Leere des Karsamstags ist die vom An-fangsschreck in Freude sich steigernde Auferstehung nicht zu

haben. Dann klettert das Dasein in die kraftvollen Aufbruch- und Be-geisterungshöhen von Pfingsten; unaufhaltsam, überschwänglich.

In solchen Spannungsbögen geschehen die Schöpfungswunder.Sie zeigen sich nur schon in der Verrücktheit, dass Materie nichttot bleibt, sondern Göttliches in ihr ruht, aus der sich das Wun-der Leben entfalten kann. Wer sich intensiv in das Leben in sei-nen vielfältigen Ausgestaltungen und unglaublichsten Vorgängenvertieft, erfährt eine Reise des Staunens.

Schöpfungswunder aus SterbensprozessenOstern zeugt mit seiner Auferstehung von göttlichen Wundern des Lebens, die unsere Vorstellungskraftübersteigen.

Der Schwalbenschwanz, «König» der einheimischenTagfalter. (Bild: Gerhard Obermayr)

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 4

Page 5: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

5

Der Schmetterling ist ein Symbol desaus dem Tod ins ewige Licht steigendenLebens.

Die Bilder aus den vier Leben des Schwalbenschwanzes auf die-sen ersten Seiten zeugen davon: Das Weibchen des grössteneinheimischen Tagfalters heftet – nachdem es sich mit einemMännchen gepaart hat, das zuvor von ihrem Duft kilometerweitangelockt worden ist – befruchtete Eier auf Dill, Fenchel- undRüeblikraut. Es ist eine bewundernswerte Fähigkeit des Schmet-terlings, genau die richtigen Pflanzen «seiner Sprösslinge» zukennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen,die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse im modischrot-schwarz-grünen Kleid entwickeln. Weil sie zu auffällig schönsind für eine Tarnung, fahren sie bei Bedrohungen eine gelbe,übel riechende Gabel aus, wodurch sie als Beute für Vögel unap-petitlich wirken. Die ausgewachsene Raupe sucht ein Versteckund befestigt sich mit einem um sich gesponnenen «Seiden-gurt». Bald platzt ihre Raupenhaut, aus der sie sich aus ihremnun zu engen Kleid «herausschält»: Zum Vorschein kommt einegrüne Puppe, die langsam braun wird – und am Schluss des Ver-

wandlungsprozesses im Innern die Schmetterlingsflügel durch-scheinen lässt. Hinter der Puppenruhe verbirgt sich ein echtesWunder, das weder biologisch noch chemisch hinlänglich erklär-bar ist: Der Raupenkörper löst sich auf, wird breiartig und for-miert sich zum fertigen Falter mit zusammengefalteten Flügeln.Verrückt dabei ist auch: Dieses im Sommer sich in zwei, drei Wochen bildende Geschöpf «weiss», dass es vor dem Winterdiesen Umwandlungsprozess für fast ein halbes Jahr anhaltenmuss, denn wenn es zu früh «zur Welt» käme, würde es erfrieren.Wenn es so weit ist, schlüpft der Schmetterling schliesslich ausder Puppenhülle, faltet seine nassen Flügel auf und lässt sie ander Luft härten. Dann startet er seinen ersten Flug und entdeckteine neue Welt aus Sonnenwärme und Blütennektar. Der wun-dersame Kreis eines weiteren Lebens ist vollendet und beginnteinen neuen. Nicht umsonst ist der Schmetterling schon langeund in verschiedensten Kulturen ein Symbol des Lebens oderder Seele, die aus der Dunkelheit des Todes ins ewige Licht steigt.

Derartige Wunder einer Schöpfung, die unsere Vorstellung über-steigt, können wir durchaus als weiteren Grund sehen, um dieTodesgewissheit für unser eigenes Lebensende zu relativieren.Auch nicht wirklich erklärbare menschliche Nahtod-Erlebnisseweisen – nach der Lebensrückschau und dem Gang durch dieDunkelheit – in ein warmhelles, göttliches Licht der Liebe und Erkenntnis – und lassen eine neue Lebenswirklichkeit für unserahnen.

2/20

15

Die vier Leben des Schwalbenschwanzes: Aus einem millimeter-grossen Ei (Bild: Silvia Reiche) schlüpft die Raupe (Bild: Peter Kuhn),diese häutet sich zur Puppe (Bilder: Sandra Malz/ t-online.de), aus der schliesslich die Flügel durchscheinen und sich wie in einerletzten Geburt der Schmetterling entfaltet (Bild: Lorraine).

Lepidoptera bedeutet Schuppen-flügler: Der botanische Namedes Schmetterlings weist aufdessen in einem Schuppen-

mosaik angeordnete Flügel hin. (Bild: Hans-Peter Fehr)

BEWEGT

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 5

Page 6: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

6

Im Schatten der derzeitigen Bemühungen, Ebola, Malaria unddie medikamentenresistente Tuberkulose zu bekämpfen, gewinntin Afrika eine weitere tödliche Krankheit an Boden: Krebs. «Afrikaist mit den rasant zunehmenden Krebsfällen, die inzwischen mehrMenschen dahinraffen als HIV/Aids, völlig überfordert, vor allemweil es an allen Ecken und Enden an Krebsspezialisten fehlt»,meint Menzisi Thabane, ein in Südafrika praktizierender Onko-loge. Politische Entscheidungsträger des Kontinents hätten esversäumt, dem Kampf gegen den Krebs mit seinen Millionen To-desopfern Priorität einzuräumen. Bis 2020 rechnet die Weltge-sundheitsorganisation (WHO) weltweit mit 16 Millionen neuenKrebsfällen. Zu 70 Prozent werden Entwicklungsländer betroffensein, deren Chancen, die Krankheit wirksam zu bekämpfen, auf-grund unterschiedlicher Faktoren extrem gering sind. In einerVielzahl von Fällen stecken Infektionskrankheiten hinter den Krebs-erkrankungen. So führen Hepatitis B und C häufig zu Leberkrebs,humane Papillomviren (HPV) zu Gebärmutterhalskrebs. Nach Angaben des simbabwischen Gesundheitsministeriums kommenauf 7000 Krebspatienten gerade einmal vier Onkologen. Ein ähn-lich gravierender Fachkräftemangel herrscht in Westafrika. Erverhindert eine umfassende Therapie der Patienten. Hinzu kom-men die hohen Behandlungskosten. Jeffrey Moyo, IPS

Beachten Sie zu diesem Thema unser Hilfsprojekt in Äthiopien:Seite 31.

Trotz zahlreicher UN-Abkommen, die Menschen gegen Folter,Verschwindenlassen, willkürliche Festnahmen und andere Men-schenrechtsverletzungen schützen sollen, nimmt die Zahl derStaaten zu, die Verstösse gegen die Konventionen mit dem

Kampf gegen den Terror rechtfertigen. Wie der jordanische Prinzund Chef des UN-Menschenrechtshochkommissariats, ZeidRa’ad Al-Hussein, kritisierte, ist weltweit der gefährliche Trend zubeobachten, im Kampf gegen den internationalen TerrorismusMenschenrechtsverletzungen zu billigen. Die Welt aber brauchepolitische Entscheidungsträger, welche die Gesetze und Abkom-men achteten, die geschaffen worden seien, um Diskriminierung,Entrechtung, Gräuel und exzessive Gewalt zu beenden. «Nurdann können wir uns selbst von dem derzeit bedrohlichen undschier unerschöpflich scheinenden Vorrat an Krisen befreien, dieuns zu ersticken drohen.»Im letzten Jahr beschrieb der US-Senat in einem erschütterndenBericht die Foltermethoden, mit denen der Auslandsgeheim-dienst CIA nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001Gefangene gequält hatte. Inzwischen gibt es etliche Staaten wieJordanien, Pakistan und Saudi-Arabien, welche die Todesstrafe,die Hinrichtung von «Terroristen» sowie das öffentliche Auspeit-schen von Bloggern und politischen Dissidenten als Anti-Terror-Massnahmen rechtfertigen. Die Opfer seien Minderheiten undpolitische Gegner, beispielsweise auch im Iran oder in Syrien.Zeid zufolge erleben viele Staaten herbe Rückschläge bei denbürgerlichen und politischen Rechten. «Der Raum für Kritik fälltunter dem Gewicht schlecht durchdachter oder missbräuchli-cher Anti-Terrorismus-Strategien in sich zusammen. Menschen-rechtler stehen deshalb in vielen Teilen der Welt unter einemenormen Druck.» Thalif Deen, IPS

Im südwestindischen Bundesstaat Andhra Pradesh steht fast200000 indigenen Waldbewohnern die Umsiedlung bevor, min-destens 276 indigene Dörfer werden geopfert. Sie müssen einemMegastaudamm am Godavari weichen, dem zweitgrössten Flussdes südasiatischen Landes nach dem Ganges. Die Regierunghat zwar versprochen, alle Betroffenen angemessen zu entschä-digen. Doch konkrete Zusagen wurden nicht gemacht. Seit Generationen leben diese Gemeinschaften von der kleinbäuerli-chen Landwirtschaft und als traditionelle Jäger und Sammlervom Verkauf von Waldprodukten auf den nahegelegenen Märk-ten. In Dutzenden Dörfern in der Nähe der Baustelle helfenNichtregierungsorganisationen bei der Umstellung auf nachhal-tige Agraranbaumethoden.Der Sardar-Sarovar-Damm am Narmada in Zentralindien hatte2005 die Umsiedlung von 300000 Menschen erforderlich ge-macht. Zehn Jahre später warten noch immer 40000 darauf, an-gesiedelt oder für den Verlust ihres Landes entschädigt zu werden.Am Hasdeo-Bango-Staudamm im Bundesstaat Chhattisgarh wur-den 2011 die Bauarbeiten abgeschlossen. Sie bedeuteten denUntergang von 52 mehrheitlich indigenen Dörfern. Den betroffenenMenschen fehlt es bis heute an grundlegenden Dienstleistungen. Stella Paul, IPS

Indien: 200 000 Ver-triebene durch Stau-dammprojekt?

Verbrechen im Namendes Anti-Terror-Kampfes

Afrika: Krebserkran-kungen nehmen zu

Afrikanisches Spital: Es fehlt an medizinischenFachkräften. (Bild: Jeffrey Moyo, IPS)

ALLEWELT

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 6

Page 7: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

SR. CONSILIA HOFER

Mit der modernen Technik hat sich das Weltbild in jeder Hinsichtverändert. Jede Nachricht liegt offen für jedermann, alles ist ab-rufbar. Achtung und Diskretion werden kaum wahrgenommen.Persönliche, uns reservierte Botschaften werden zum Allgemein-gut. Nur der Mensch, der dahintersteht, der eigentlich gemeintist, verschwindet in der Fülle der Eindrücke. Er wird nur gebraucht,um die Technik zu ermöglichen, die ihn aber schliesslich über-steigt. Sie hinterlässt Leere und unersättliche Gier nach Mehr.Menschen tauchen ein im virtuellen Nebel der Medien und wer-den ihre Sklaven.

Was geschieht aber dort, wo die Technik nicht hinreicht? Wo dieArmut jeder Möglichkeit die Grenzen setzt? Viele Tausend Menschen fristen ihr Leben im Elend. Kinder hun-gern und sterben in den Armen der kranken und hilflosen Mütter.Ein würdigeres Leben, eine bessere Zukunft scheint jenseits derMöglichkeiten.

Wohl zeigen hier und dort Reklamebilder eine andere Welt auf.Es wird das Verlangen wach, die gezeigten Möglichkeiten derreichen Welt selber zu besitzen. Die Hoffnung auf eine bessereExistenz wird bekräftigt, der Wunsch nach Geld und einem un-beschwerlichen Leben grösser – eine Fata Morgana?

Heimat und Geborgenheit entstehendurch Menschen.

Es ist verständlich, dass sich vieleMenschen in ihrer Not aufmachenund die Überfahrt nach Europawagen in der Hoffnung, bald undleicht die Wohlstandsstufen zu erklimmen. Sie werden aber alslästige Eindringlinge, als illegaleEinwanderer, als Gesindel abge-tan. Kaum jemand empfindet mitihnen ihre tiefe Not, die tiefe Ver-lassenheit eines Obdachlosen, eines arbeitslosen, heimatlosenMenschen.

Die Technik und die Medien kön-nen Länder und Kontinente ver-binden. Aber sie können keinemenschliche Wärme ausstrahlen.Heimat und Geborgenheit entste-hen durch Menschen: wenn wirunsere Herzen in verstehenderLiebe öffnen.

7

Unsere Herzen öffnenTechnik hat die Wahrnehmung der Welt verändert – doch die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen sind dieselben geblieben.

Sr. Consilia Hofer ist FranziskanerMissionsschwester von Maria Hilfund leitet die Schweizer Gemein-schaft in Auw (AG). Sie arbeitete

sechs Jahre in Bogotá, Kolumbien,und war Oberin der ProvinzEuropa. (Bild: Maya Jörg)

STANDPUNKT

2/20

15

Eine Nothilfe-Unterkunft in derSchweiz (Bild: papierlosezeitung.ch)

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 7

Page 8: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

8

ANNINA GUTMANN *

Im Sommer 2014 ist das Land von der schlimmsten Überschwem-mung seit Menschengedenken heimgesucht worden (WeltWeit4/2014 berichtete). Die Zerstörungen werden teilweise als nochgravierender empfunden als diejenigen aus dem Bosnienkrieg1992 bis 1995. Grund genug, einen Blick auf die grundlegendeSituation des geprüften Landes zu wagen.Es besteht heute aus der muslimisch-kroatischen FöderationBosnien und Herzegowina sowie aus der Serbischen Republik(«Republika Srpska»). Mit dieser Aufteilung werden drei ethnischeGruppen unterschieden: die serbischen, die kroatischen sowiedie muslimischen Bosnier (Bosniaken). Die Spannungen zwi-schen ihnen waren ausschlaggebend für den damaligen Krieg

und sind noch heute spürbar. Zwarwurde unter internationaler Beteiligungeine staatstragende «bosnische Nation»konstruiert. Diese sei aber (noch) nichtvorhanden und stelle eigentlich ein Wi-derlager gegen potenziell auseinander-strebende Nationalitäten dar, analysiertdie Autorin Annette Monika Fath-Lihi c.

Geschichtlicher EinblickIn der bosnischen Geschichte gab esZeiten, in denen die Bevölkerung einer-seits friedlich mit- und nebeneinanderlebte, andererseits ist die frühere Ver-gangenheit des Landes von Krieg undKonflikten zwischen verschiedenen Völkergruppen geprägt. Schon in derAntike sammelten sich in der Regionunterschiedliche Einwanderungsgrup-pen mit verschiedenen Sprachen undTraditionen. Nach der Romanisierungund der Teilung in Ost- und West-Romum 395 n.Chr. lag das Gebiet direkt ander Grenze zwischen den Kulturkreisenund wurde von der römisch-katholischenund der byzantinisch-orthodoxen Kirche

beeinflusst. Im 6. und 7. Jahrhundert nahmen slawische Völkerdas Land ein; ihre Traditionen vermischten sich mit bereits be-stehenden und dominierten diese. Später wurde die kyrillischeSchrift eingeführt und fortan neben der lateinischen Schrift ausder römischen Zeit verwendet. Im späteren Mittelalter waren unterschiedliche Teile des Landes dem kroatischen, ungarischenund serbischen Königreich untergeordnet. Das «Milletsystem»trennte gesellschaftliche Gruppen religiös und wirtschaftlich von-einander ab und unterschied zwischen bosnischen Muslimen,Katholiken, Serbisch-Orthodoxen und Juden.

Muslimische Frauen kaufen auf dem Markt inSarajevo ein. (Bilder: Annina Gutmann)

Versöhnung unter Serben,Kroaten und Bosniaken?Vor 20 Jahren ging der Bosnienkrieg zu Ende. Doch noch immer ist er für die Menschen von Bosnien und Herzegowina allgegenwärtig.

* Annina Gutmann hat 2014 ihr Studium an der Pädagogischen Hoch-

schule Zürich abgeschlossen. Sie bereiste 2013 Bosnien und Herzego-

wina und schildert in diesem Beitrag eigene Eindrücke.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 8

Page 9: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

9

LEBENSGRUND

2/20

15

Jugoslawien und der BosnienkriegZu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde ein innerlich zerrissenesBosnien und Herzegowina von Territorialansprüchen europäischerGrossmächte und 1912 und 1913 durch Balkankriege geprägt.Nach dem Ersten Weltkrieg blieben kleine Staaten zurück, diesich zu einer konstitutionellen Monarchie unter einem serbischenKönig zusammenschlossen. 1929 wurde die Verfassung von ihmausser Kraft gesetzt und als «Königreich Jugoslawien» eine Dik-tatur ausgerufen. Dieser erste jugoslawische Einheitsstaat igno-rierte ethnische und historische Begebenheiten, wodurch sichdie nationalen Gegensätze verschärften. 1946 wurde schliesslichdie Föderative Volksrepublik Jugoslawien gegründet, bestehendaus den sechs Volksrepubliken Serbien, Montenegro, Mazedo-nien, Bosnien, Kroatien, Slowenien und aus den zwei autonomen Provinzen Vojvodina und Kosovo. Als die sozialisti-sche Republik Jugoslawien (1963 bis 1992) langsam zu zerfallendrohte, kriegerische Auseinandersetzungen häufiger wurden undin den Jugoslawienkrieg mündeten, zeigten sich die unterschied-lichen ethnischen Einstellungen: Während sich die serbischenBosnier eher mit Serbien identifizierten und die jugoslawische Föderation befürworteten, sprachen sich die Bosniaken für ein eigenständiges Bosnien aus. Die kroatische Bevölkerung im Wes -ten hingegen plädierte für einen Zusammenschluss mit Kroatien.Als kurz darauf die Entität «Republika Srpska» als ein Teilstaatvon Bosnien und Herzegowina gebildet wurde, begannen ersteKriegshandlungen mit ethnischen Verfolgungen und Tötungen.

Dies führte zum Bosnienkrieg mit den Machtkämp-fen und zu grässlichen Kriegshandlungen zwischenden verschiedenen Ethnien. Das Massaker an Musli-men in Srebrenica vom Juli 1995 war nur eines vonweiteren schweren Kriegsverbrechen.Der 1995 in Paris unterzeichnete Dayton-Vertrag, derden neuen, international anerkannten Staat Bosnienund Herzegowina installierte, beendete den Krieg

zwischen Kroaten, Serben und Bosniaken. Er stellt die Grundlageder heutigen politischen Situation im Land dar. Seine Verfassungscheint die unterschiedlichen Interessen der drei ethnischenGruppen genügend zu berücksichtigen, um dieses Land zusam-menzuhalten.

Spannungen durch KulturvielfaltWer heute das Land bereist, sieht nirgends nur eine Flagge. Dichtneben der blauen Föderations-Landesflagge Bosniens steht jeneder entsprechenden Republik, in welcher man sich befindet undmit der sich die Menschen oft mehr identifizieren. Reisende ler-nen gleich mehrere Kulturen kennen. In der serbischen Republikstechen die orthodoxen Kirchen mit ihren runden, oft verziertenKuppeln hervor. Verlässt man serbisch-bosnischen Boden, ver-schwindet mit diesen Kirchen auch das kyrillische Schriftbild aufWerbeplakaten: Schmale, hohe Türme, Moscheen der Bosnia-ken, kommen ins Landschaftsbild. Von einem Imam erfahre ich,dass es vor 1950 verboten war, jegliche Form von Religion zupraktizieren. Unzählige Gotteshäuser wurden zu jener Zeit zer-stört, und die Bosniaken praktizierten den Islam in Shoppingzen-tren, Postgebäuden oder Versammlungshallen. Demgegenüberschaut man heute im Süden und Westen des Landes an katholi-schen Klöstern hoch. Dass die Bevölkerung noch immer mit Spannungen lebt, wirddeutlich, wenn man hinter Fassaden blickt. Mostar zum Beispiel,eine märchenhafte Stadt im südlichen Teil von Bosnien-Herzego-

Heuhaufen sindtypisch undschmücken dasLandschaftsbild.

Die Brücke «Starimost» in Mostarüber den Fluss

Neretva, der nachwie vor eine Bar-

riere zwischenden verschiede-nen Ethnien ist.

Strassenmusiker in Mostar – Adila Kazagic lebt inBac ci (Goražde) und verlor im Krieg ihre Nichteund ihren Grossenkel, als eine Bombe im Wohn-zimmer einschlug – und ein Junge vor der Gazi-Husrev-Beg-Moschee in Sarajevo, der auf Quellenfriedvollen Zusammenlebens bauen möchte.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 9

Page 10: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

10

wina, erhielt ihren Namen durch die alte Brücke «Stari most»,welche mit der Altstadt gar zum UNESCO-Welterbe zählt. Diemeisten der vielen Touristen, welche über die anmutig gebogeneBrücke und über dem Fluss Neretva durch die unzähligen Bou-tiquen schlendern, wissen nicht, dass Mostar seit dem Bürger-krieg verwaltungstechnisch zwei Städte bildet: eine kroatischeauf dem westlichen, eine bosniakische auf dem östlichen Ufer.Noch heute gibt es Leute, welche diese Brücke nicht überque-ren. Sie trennt wie eine Barriere die beiden Völkergruppen von-einander und verleiht Mostar den Titel einer «Stadt, die trügt».

Umdenken trotz UnverständnisUnzählige Spuren des Krieges sind zurückgeblieben. Dem Land,dessen Infrastruktur immer noch aufgebaut werden muss, gehtes wirtschaftlich schlecht. Die Arbeitslosenquote beträgt über 43 Prozent. Nach wie vor warnen Plakate in vielen Gebieten vorMinen. Viele wurden durch die grosse Überschwemmung fortge-tragen und hinterlassen teilweise ausserhalb der markiertenZonen eine grosse Gefahr. Noch immer werden in Bosnien unzählige Menschen vermisst.Die Organisation International Comission of Missing Persons(ICMP) nennt 10000 Menschen als heutige Vermisstenzahl ausdem Bosnienkrieg. 1995 waren es 30000. Eine ICMP-Mitarbei-terin erzählt, dass Angehörige der Vermissten oftmals eine im-mense Wut gegenüber «den Anderen» in sich tragen. Damit sinddie Ethnien gemeint, denen man nicht selber angehört. Ihnengibt man die Schuld daran, dass so viel Zerstörung, Wut und

Trauer da ist. Solche Gefühle bestehenselbst nach 20 Jahren noch. Bei ICMPgeht die Suche nach Kriegsopfern weiter.Dabei spielt es keine Rolle mehr, von wel-cher Ethnie man mehr findet; es sind sooder so zu viele. «Wir versuchen der Weltzu sagen, dass wir aus der Vergangenheitgelernt haben», meint meine Gesprächs-partnerin. Unverständnis bleibt, auch wenn sich beivielen in Bosnien und Herzegowina einUmdenken entwickelt hat. Im Gesprächmit Snježana, einer kroatischen Bosnierin,erfahre ich, dass bei ihr vor dem KriegKinder gemeinsam aus allen drei ethni-schen Gruppen aufwuchsen. Aus ihrerSchulzeit sind ihr starke Freundschaftengeblieben, auch wenn sich diese haupt-sächlich auf Telefonanrufe beschränken:«Ich wusste nicht, ob ein SchulkameradeKroate, Serbe oder Bosniake ist. Das warnicht wichtig.» Durch Auswanderungenwährend des Krieges leben ihre Freundeheute über ganz Europa verteilt.

Aus der Realität das Beste machen«Das Bewusstsein von Ethnie und Natio-nalität war unter der Oberfläche schonimmer da», erzählt mir Enver* über die1970er- und 80er-Jahre. Dann wurde esim Krieg plötzlich ausschlaggebend, zuwas für einer Volksgruppe man wirklich

gehörte. Dass die Menschen sehr durchmischt lebten, wurdemitunter ein Grund, wieso der Bosnienkrieg so schwierig gewor-den sei, beschreibt Enver. Wie kann man als Muslim alle Serbenhassen, wenn die eigene Frau eine Serbin ist? Der Krieg brachaus und man konnte sich nicht wirklich zu einer Gruppe beken-nen. Doch die drei Völkergruppen seien anschliessend in die Verfassung eingraviert worden. Dass er heute zu den Bosniakengehört, ist für Enver bloss im Pass festgeschrieben. Er sei keingläubiger und praktizierender Muslim. Vielen Leuten gehe es so;dennoch müssen sie sich entscheiden, ob sie muslimisch, ka-tholisch oder orthodox sind. «Es ist nicht mehr nur eine persönli-che Frage», meint er betroffen, «der Staat gibt vor, auf welcheSeite man gehört.» Ein Zusammenleben ist heute zum gutenGlück wieder möglich. Viele Leute verdrängen die Vergangen-heit; einige tragen noch immer Wut gegenüber «den Andern» mitsich herum. Dann gibt es solche, die das Geschehen bloss als Ge-schichte ihres Landes betrachten. Und wieder andere haben ein-fach gelernt, mit der tragischen Realität von damals umzugehen.Eineinhalb Flugstunden von Zürich entfernt erschüttert es mich,als ich die unzähligen Einschusslöcher an der Häuserfassade betrachte, vor der ich meine frisch gewaschenen Kleider zumTrocknen aufgehängt habe. Ja, hier herrschte Krieg – doch er istglücklicherweise Vergangenheit. Die Hoffnung besteht, dass dieFlutkatastrophe die Menschen mehr zusammenbringt. Es istihnen zu wünschen, dass auch ohne Not ein Miteinander wächst.

* Namen geändert

Endlos lange Opferliste des Massakers in Srebrenica 1995 auf dem FriedhofPotocari. – Einschusslöcher aus dem Bosnienkrieg an Häuserfassaden.

LEBENSGRUND

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 10

Page 11: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

2/20

15

11

CAROLINE MOREL

Die Zauberzahl lautet 0,5. So viele Prozent ihres Bruttonational-produkts soll die Schweiz nach einem Parlamentsbeschluss die-ses Jahr für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. 2015wird die magische Zahl zwar knapp nicht erreicht. Aber immerhinsind fast drei Milliarden Franken für Projekte bestimmt, die denMenschen in den ärmsten Ländern der Welt zugutekommen sollen. Das ist eine nette Summe, möchte man meinen, und siemüsste doch einiges bewirken. Das tut sie auch. Doch der Effektkönnte grösser sein, würde die Schweiz nicht andernorts Mass-nahmen treffen, die den Interessen der Entwicklungsländer zu-widerlaufen. Zum Beispiel in der Aussenwirtschaftspolitik, wo die Schweiz knallhart die Interessen der Schweizer Wirtschaftverfolgt. Globale Wettbewerbsfähigkeit, Attraktivität des Steuer-umfeldes: So lauten die Begründungen für Entscheide, dieSchweizer Unternehmen jubeln lassen, afrikanische Bauernfami-lien aber in den Ruin treiben können. Sinnvoll ist das nicht – undkohärent schon gar nicht. Obschon «Kohärenz» – die Abstim-mung aller Massnahmen zur Erreichung eines übergeordnetenZiels – ein Grundsatz der Schweizer Aussenpolitik ist.

Dieses Trauerspiel lässt sich derzeit in der Schweizer Rohstoff-politik verfolgen, wo sich SWISSAID seit langer Zeit dafür einsetzt,dass Menschen in rohstoffreichen Entwicklungsländern mehrvon ihren Bodenschätzen profitieren können. Vorbedingung fürdie gerechtere Verteilung der Rohstofferlöse ist die Transparenzin den Zahlungsströmen zwischen Rohstofffirmen und den Re-gierungen der Förderländer. Denn nur so kann die dortige Bevöl-kerung von ihren Regierungen Rechenschaft einfordern für dieVerwendung des Rohstoffreichtums. Dies ist ein patentes Mittelzur Bekämpfung der Korruption in Entwicklungsländern unddamit «Hilfe zur Selbsthilfe»: Wenn weniger Geld veruntreut undmehr im Land selber sinnvoll investiert wird, können sich roh-stoffreiche Länder aus eigener Kraft entwickeln. Die Schweizkönnte dazu mit einem Transparenzgesetz einen Beitrag leisten.Im Rahmen der Aktienrechtsrevision, die derzeit in der Ver-nehmlassung steckt, soll dies auch geschehen. Bloss: Ausge-rechnet der Rohstoffhandel soll von der Transparenzpflicht

ausgenommen werden, obschon die Schweiz mit Milliardenkon-zernen wie Glencore, Vitol oder Trafigura der weltweit grössteRohstoff-Handelsplatz ist, wo beispielsweise jedes dritte FassRohöl vertrieben wird. Mit seiner Vorlage lehnt sich der Bundes-rat eng an EU-Richtlinien an, was sie aber zur Alibi-Übung macht.Denn die Förderaktivitäten aller grossen Schweizer Rohstofffir-men sind ohnehin den EU-Regeln unterstellt. Immerhin will derBundesrat vom Parlament die Kompetenz, auch den Rohstoff-handel dem neuen Gesetz zu unterstellen, wenn andere Länderdiesen Schritt machen.Als globaler Leader im Rohstoffhandel müsste die Schweiz aberauch in Bezug auf die Transparenz Verantwortung übernehmenund nicht nur den Profit einstreichen. Für diese entwicklungspo-litische Position sollten sich die PolitikerInnen in der parlamenta-rischen Debatte einsetzen. Der Bundesart argumentiert dagegenwirtschaftspolitisch: Ein Vorprellen der Schweiz könnte Rohstoff-firmen zum Abwandern verleiten – zum Nachteil der SchweizerSteuerzahlenden.

Was die Schweiz mit transparenterem Rohstoffhandel bewirkenkönnte, zeigte SWISSAID zusammen mit der Erklärung von Bernim letzten Sommer mit einer Studie auf. Zwischen 2011 und 2013zahlten Schweizer Ölhändler afrikanischen Regierungen rund 55 Milliarden Dollar für Öllieferungen. Dies entspricht 12 Prozentder gesamten Staatseinnahmen und ist mehr als doppelt so vielals die globale Entwicklungshilfe an diese Länder. Im Vergleichdazu nehmen sich auch die drei Milliarden jährliche SchweizerEntwicklungshilfe bescheiden aus. Aber eben: Kohärenz ist zwar Ziel, aber längst nicht Realität derAussenpolitik. Hilfswerke arbeiten indessen auf verschiedenenEbenen weiter darauf hin. So wurde im Verbund mit rund 50 an-deren Organisationen Mitte Januar die Konzernverantwortungs-Initiative lanciert. Sie will dafür sorgen, dass Schweizer Konzerneweltweit Menschenrechte und Umweltvorschriften respektieren,und dass die Opfer eine reelle Chance erhalten, zu ihrem Rechtzu kommen. Wird die Initiative angenommen, ist auch dies einwichtiger Schritt in Richtung von mehr aussenpolitscher Kohä-renz.

Kohärenz in der Entwicklungspolitik

MERKWÜRDIG

Unter dieser Rubrik erklärt WeltWeit einen «merkens-würdigen» entwicklungspolitischen Begriff oder beantwortet eine spannende Frage aus dem Entwicklungszusammenhang.

In dieser Ausgabe tut dies Caroline Morel. Sie ist seit 2002 Geschäftsleiterin von SWISSAID,der Schweizerischen Stiftung für Entwicklungszusammenarbeit. Sie studierte Ethnologie undhat einen Nachdiplomabschluss in Entwicklungszusammenarbeit (NADEL ETH Zürich). Caroline Morel ist zudem Präsidentin von Alliance Sud und Mitglied der beratenden Kommis-sion für internationale Zusammenarbeit.

Caroline Morel

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 11

Page 12: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

12

FRANZISKA BISCHOF-JÄGGI

Wir leben in einer Zeit, in der wir sehr gefordert sind: von derSchnelllebigkeit der Technik und der Medien, von wirtschaftli-chen Verunsicherungen und ganz banalen Sicherheitseinbussenin der Öffentlichkeit. Wäre es nicht auch möglich, dass bei unsein Anschlag passiert, wie er kürzlich in Australien in einem Caféoder in Paris auf einer Redaktion passiert ist? Begründete, ge-fühlte oder auch nur erahnte Gefahren und Bedenken beun-ruhi-gen uns vielleicht mehr, als wir wahrhaben wollen. Sie nagen anunserem Urvertrauen, Selbstwertgefühl, an unserem Vertrauen inMitmenschen, und sie schüren Misstrauen, Zweifel, Sorgen undweitere Befürchtungen. So passierte mir gestern ein Vorfall, der mich zutiefst erschreckte.Oder genauer gesagt meine Reaktion. Ich war alleine in derStadt unterwegs, um Besorgungen zu erledigen – als eine Fraumittleren Alters ohne Taschen auf mich zusteuerte. Ich erkanntegleich, dass sie mich demnächst ansprechen wird, und weil ichsie nicht kannte und nicht einordnen konnte, verlangsamte ichmeinen Schritt und beobachtete sie sehr genau. Sie fragte michnach einem Weg. Ich verstand sie zuerst nicht und musste nach-fragen. Nochmals fragte sie mich – dieses Mal akustisch ver-ständlicher – nach dem Weg an einen bestimmten Ort in derStadt. Jetzt verstand ich sie. Sie sprach Englisch mit einem un-überhörbaren und undefinierbaren Akzent. Weil ich nicht wusste,wie gut sie Englisch verstand, nahm ich meine rechte Hand zuHilfe und gestikulierte während der ganzen Wegerläuterung.

Trickbetrügerfalle? Die andere Hand hielt dabei die ganze Zeit meine umgehängteHandtasche fest umschlungen. Ich schäme mich zwar, das so zu offenbaren, aber das ist noch nicht alles! Bevor ich ihr antwor-tete, hatte ich kurz hinter mich geschaut und meinen Kopf nachlinks und rechts gedreht, ob ich nicht in eine Trickbetrügerfalletappe. Ist das nicht unglaublich!? Die Frau bedankte sich sehr höflich bei mir, schenkte mir einwarmes Lächeln und machte sich ziemlich zügig daran, meinemWegbeschrieb zu folgen. Ich aber stand sicher noch zwei Sekun-den da und wusste nicht, ob ich mich nun schämen oder recht-fertigen sollte, oder ob das Repertoire an Möglichkeiten dochvielfältiger sei. Von aussen sah mir bestimmt niemand an, wasinnerlich abging, doch in mir drin war die Sache noch lange nichtvorüber. Es beschäftigte mich, wie stark wir inzwischen auf Vor-sicht getrimmt worden sind, so dass auch ich jemandem, der umHilfe bittet, zuerst misstraue! Genau das erschüttert mich.

Unser christlicher Grundauftrag lautet doch: «Liebe deinenNächsten so wie dich selbst!» Angewandt auf die geschilderteSituation bedeutet dieser Grundsatz doch nichts anderes, alsdass ich in meinen Werten verunsichert war und dies gegen aus-sen auch «kundtat». Wie aber wäre die Situation verlaufen, hätteich mich nicht verunsichern lassen und hätte den christlichenGrundsatz voll gelebt? Sowohl ich als auch mein Gegenüberhätten davon nur profitiert! Aber ich habe mich in die Angst voreiner Bedrohung hineinmanövrieren lassen, welche vielleicht in nur einem von 1000 Fällen oder noch weniger oft wirksamwürde.

«Liebe ... wie dich selbst!»Mit dem Teil des Grundsatzes meine ich natürlich nicht, dass wirin Selbstverherrlichung abdriften und Selfies (selbstgemachteFotos von sich selbst) en masse produzieren sollen, um sieselbstverliebt der ganzen Welt zur Verfügung zu stellen. Dennhinter diesem Vorhaben verbirgt sich mit Bestimmtheit wiederumdas Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Liebe.Die Selfiesucht vieler Menschen stellt bloss eine Kompensationfür andere, nicht erfüllte Bedürfnisse dar. Sie hat weder mit ech-ter Anerkennung noch mit wahrer Selbstliebe zu tun. Dazu ge-hörte eher, sich selbst mindestens so viel Zeit zu gönnen, wie wirall den News, den durch sie transportierten Verunsicherungenund den medialen Erwartungen schenken. Wetten, wir wärenselbstsicherer? Wetten, wir wären alle wieder weit standhafterund toleranter anderen und auch uns selbst gegenüber?

Nur wenn ich auch mich als bestenFreund annehme, trage ich zum Friedenin der Welt bei.

Sich auch etwas verzeihen Ich möchte einen Gedankenschritt weiter gehen: Ist Ihnen fol-gende Situation auch schon passiert? Sie haben Besuch unddieser schüttet den Kaffee aus. Selbstverständlich entschuldigter sich sofort – und selbst reagiert man mit Beschwichtigung:«Ist doch kein Problem! Das kann jedem passieren! Und so-wieso, es ist ja schon fast wieder aufgeputzt. Warte, ich machdir rasch einen neuen Kaffee.» Wie aber fällt die Reaktion aus,wenn uns selbst das Missgeschick passiert? Egal ob zu Hause

Lieben – sich selbst?Beim Hauptgebot «Liebe deinen Nächsten – wie dich selbst» wird der zweite Teil oft ignoriert oder egoistisch gelebt.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 12

Page 13: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

2/20

15

13

tragen! Weil bei zu viel Selbstlosigkeit letztlich auch die Nächs -tenliebe unter die Räder kommt.Denn wer mit sich selbst im Reinen ist, tritt auch gegen aussenanders, nämlich positiver auf. Und da wir nun mal die Verkörpe-rung von uns selbst sind, haben wir genau zwei Möglichkeiten:uns eben als besten Freund zu sehen – oder uns selbst dasLeben täglich schwerzumachen. Ich entscheide mich für dieerste Variante und möchte versuchen, mehr danach zu leben.Und nochmals zum Anfang: Damit verbunden muss ich mit mirselbst auch vereinbaren, wie viel Misstrauen und Argwohn ich imAlltag anderen gegenüber Platz geben will. Meine Antwort lautet:Nur gerade so viel, wie ich mir selbst auch eingestehe. Und daich mich ja entschieden habe, zu 100 Prozent als mich selbst zuleben, zu lieben, zu versöhnen, hat das Konsequenzen! «Liebedeinen Nächsten wie dich selbst» ist wahrlich eine grosse Her-ausforderung!

Franziska Bischof-Jäggi ist pädagogische Psychologin sowie Paar- und

Familientherapeutin. Sie ist Mutter von vier Kindern und führt die Power-

management GmbH in Zug, ein Kompetenzzentrum für Work-Life-Balance.

oder anderswo: Wir alle neigen dazu, uns zu ärgern. «Ach wiedoof aber auch! Wie habe ich mich wieder angestellt!» Vielleichtfolgt sogar Selbstabwertung: «Sowas kann aber auch wirklichnur mir passieren!» Interessanterweise fällt die Reaktion meistauch so aus, wenn dem Partner oder den eigenen Kindern das-selbe geschieht: Wir reagieren in unserer Familie weit wenigerverständnisvoll und schon gar nicht beschwichtigend wie beieinem Freund. Das ist doch aber einfach nicht fair und alles an-dere als christlich – uns selbst gegenüber!

Mich als besten Freund annehmen«Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» bedeutet in diesemFall, sich selbst und seinesgleichen kleinere Alltagsmissge-schicke genauso zu verzeihen, wie wir das bei einem Freundtäten!Wir alle tragen eine grosse Aufgabe und damit verbunden eineVerantwortung mit uns herum: Wir sollten uns selbst akzeptierenund lieben! Nur wer mit sich selbst tolerant umgeht, sich gegen-über auch immer wieder versöhnlich gesinnt ist – nur wenn ichüber mich selbst und meine Fehler auch lachen kann, mich ein-fach als besten Freund annehme, so ‹wie ich bin›: Nur so kannich mit einem wesentlichen Schritt zum Frieden in der Welt bei-

Bild: Georgette Baumgartner-Krieg

BLICKWECHSEL

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 13

Page 14: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

14

SR. LAURENCIA MERZ *

Nach kurzen Jahren gemeinsamen Unterwegsseins mit Jesusvon Nazareth standen sie um ihn, seine Jünger und sicher auchdie Frauen, die er gerufen hat, und hörten vor der Auffahrt zumVater sein letztes Wort als Auftrag für die Zukunft: «Geht hinausin alle Welt und verkündet allen Geschöpfen das Evangelium!»(Mk 16,14). Und sie zogen hinaus in die Welt, sie von damalsund alle, die er im Lauf der Jahrhunderte gerufen hat. Sie waren

unterwegs, gesandt in seinem Auftrag, die frohe Botschaft derLiebe Gottes zu uns Menschen bekannt zu machen! Die Nach-richt der Erlösung aller Menschen wurde von vielen aufgenom-men und verstanden, von Juden der damaligen Welt wie auchvon den Menschen, die Paulus «Heiden» nannte und einen an-dern Gott verehrten. Ihnen allen wurde das Tor zum Glauben anden dreieinigen Gott geöffnet. Die Verkündigung geschah oftunter harten Bedingungen, bis Verfolgung und Tod. Selbst Hin-richtungen von Glaubensboten befruchteten den Boden in aller

Von grösseren Mädchen gelei-tete kirchliche Kindergruppe. Sr. Laurencia Merz hat sichdafür eingesetzt, dass in vielenPfarreien solche Gruppen ge-bildet wurden. (Bilder: Ingenbohler Schwes -tern)

Menschen mit seiner Barmherzigkeit umfangenFormen und auch Inhalte missionarischen Wirkens wandeln sich. Die Verkündigung aber bleibt trotz allemWandel ein Glaubensauftrag.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 14

Page 15: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

2/20

15

15

panern, Chinesen, Deutschen, Polen, Italienern, Holländern usw.In diese Multikulturalität wächst man nur langsam und mit vielKenntnis, Einfühlung und Verständnis hinein. Der «religiöseRaum» all dieser verschiedenen Menschengruppen ist vielfältig,vielschichtig und will respektiert sein, was ebenso schwierig ist.Die religiösen Erfahrungen, Spiritualitäten und Mystiken lassensich nicht einfach unter einem Mantel einfangen. Der Glaube anGott, an eben ihren Gott, hat verschiedene Ausdrucksformen,welche die MissionarInnen achten und schätzen sollen. Oft ist esaber auch nötig, Unmenschliches oder Unsoziales, das durchAberglauben verursacht wurde, zu klären und auf Änderungenhinzuarbeiten.

Es bedeutet Vertrauen schaffen, Hoff-nung geben, auf Gottes Liebe aufmerk-sam machen.

Kirche als Erneuerungsbewegung Als grosse Hilfe und Bereicherung erfuhr ich die Führung undOrientierung der lateinamerikanischen Kirche. Die grossen Kon-ferenzen von Medellín 1968, Puebla 1979, Santo Domingo 1992und Aparecida/Brasilien 2007 veränderten Strukturen und er-schufen Neues betreffs Sicht und Priorität. Sie zeigten neue Me-thoden für die Evangelisierung auf und leiteten sie nach demPrinzip «Sehen – Urteilen – Handeln» in die Praxis um. Die Kircheist missionarisch und alle Menschen sind durch die Taufe geru-fen, VerkünderInnen der Frohen Botschaft von Jesus Christus zusein. Papst Franziskus führt diese Forderungen in seiner Verlaut-barung «Evangelii Gaudium» (2013) weiter, bestätigt sie und wer-tet unter anderem die Volksfrömmigkeit als Frucht desEvangeliums auf: «Alle Menschen sind Protagonisten der FrohenBotschaft in der heutigen Welt» (EG 122). Von da erhalten wir dieevangelische Kraft, um hinauszugehen und als Pilger unterwegszu sein und zu bleiben: «Den Andern die Liebe Jesu bringen, unddies spontan und überall: auf der Strasse, auf Plätzen, bei derArbeit, auf dem Weg» (EG 127). Für uns heisst das: auf die Men-schen zugehen, ihnen persönlich begegnen, Interesse zeigen fürihre Sorgen, ihr Leben. Es bedeutet Vertrauen schaffen und Hoff-nung geben, auf Gottes Liebe aufmerksam machen. Und dies,wo immer wir sind. Solche Erfahrungen mit Menschen sind fürMenschen mit einer Mission immer bereichernd und Ausdruckder Gnade Gottes, sein Geschenk.

Mit diesem «neuen Gesicht» meiner Aufgabe versuche ich alsMissionarin und Ordensschwester alle Tage unterwegs zu seinzu den Armen in meiner ländlichen Umgebung von São Caetano,Pernambuco. Ich fühle mich gerufen und berufen, mitzuwirken,das «innere Feuer» in unseren Herzen wachzuhalten und zuhüten, damit die Glut nicht unter der Asche erlischt. Ich bin auchdankbar, dass Gott durch uns viele Menschen mit seiner Liebeund Barmherzigkeit umfangen kann.

* Die Ingenbohler Schwester Laurencia Merz aus Einsiedeln (SZ), gebo-

ren 1937, war seit 1978 in Bahia, Brasilien, in pastoralen und sozialen

Aufgaben tätig. Seit 2007 lebt sie in São Caetano, Pernambuco.

Welt – es entwickelten sich christliche Nationen.

Geändertes MissionsverständnisIm Wandel der Geschichte hat sich das Bild und Gesicht desMissionars geändert. Grundlegend bleiben der von Gott empfan-gene Auftrag, das Feuer im Herzen und die Gnade, von ihm ge-rufen zu sein.In uns steigt das Bild von Missionaren und Ordensschwesternvon früher auf, die ausgezogen sind in weite Ferne, zu Land undzu Wasser, um meistens nie mehr zurückzukommen. Männerund Frauen lebten das Ja als Antwort auf Gottes Ruf in radikalerund heroischer Weise, wie es eben jene Zeit – ohne mit heutevergleichbarem technischem Fortschritt – forderte. Heute be-staunen und lesen wir die Erlebnisse und Erfahrungen in anders-artigen Lebensräumen aus ihren Aufzeichnungen. Den Glaubens-verkündern damals wie auch heute blieb und bleibt ein Leben in einem fremden Land mit anderer Sprache und unbekannterKultur nicht erspart. Aber das äussere missionarische Bild hat sich geändert. Ausmeiner persönlichen Erfahrung als Ordensschwester und Missio-narin in Brasilien seit 1976 gestehe ich: Auch ich habe in all denJahren eine Wandlung erfahren. Die für mich fremde Welt Brasi-liens ist mir Heimat geworden. Wie kam es zu dieser innerenWandlung? Es gab vieles zu erfüllen an unausweichlichen Bedin-gungen: Loslassen des Gewohnten, auch der eigenen Mentalität– nicht predigen und alles schon oder besser wissen wollen –Offenheit dem Neuen gegenüber, der Wirklichkeit mit ihrem Sys -tem und den sozioökonomischen Strukturen des Landes, derLebensweise der verschiedenen gesellschaftlichen Schichtenusw. Dies forderte von mir guten Willen und dauerndes Studium,auch Aneignen neuer Kulturtechnik: Ich musste mich mit Unbe-kanntem auseinandersetzen, wollte verstehen und das Fremdelieben lernen. Brasilien mit seinen vielen verschiedenen Ethnien,dem Völkergemisch aus Afrika, den Stämmen der Ureinwohner,den Indios und mit all den Migrierten aus der ganzen Welt – Ja-

Frauengruppe aus dem regenarmen Nordosten. Schwester Laurencia(Zweite von rechts) arbeitete mit ihnen, um ihre Alltagsweisheit wach-zuhalten und ihr Selbstbewusstsein als Frauen und Mütter zu stärken,damit sie sich nicht mehr als «Sklavinnen» ihrer Männer verstehen.

ZEITENWANDEL

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 15

Page 16: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

16

Der Sport bietet eine gute Integrationsmöglichkeit.(Bild: Damenfussballmanschaft Dortmund)

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 16

Page 17: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

17

2/20

15

THEO BÜHLMANN

Europa hat seinen «Grenzschutz» weit ins Vorfeld unseres Konti-nents verschoben. Es überzieht Nord- und Westafrika allmählichmit einem unüberblickbaren Geflecht bilateraler Abkommen zurEindämmung der Flüchtlingsströme. Afrikanische BürgerInnenwerden mit strafrechtlichen sowie polizeilich-militärischen Instru-mentarien zunehmend durch ihre eigenen Staaten an der Aus-reise gehindert. Auch die Schweiz ist in diese Richtung aktiv undbeteiligt sich auch an der Agentur für operative Zusammenarbeitan den EU-Aussengrenzen (Frontex).

Unendliche Verzweiflung ...Am verzweifeltsten und ärmsten sind oft Flüchtlinge in innerafri-kanischen Flüchtlingstrecks, für die ein teures Ticket nach Europa– wofür nicht selten ein ganzes Dorf Geld sammelt – undenkbarist. Wieso Menschen ihre Heimat verlassen – sofern sie nicht be-reits auf der Flucht geboren wurden –, entspringt vielfältigstenMotiven und Nöten. Oft ist es das Gefühl, bleiben bedeutete«sein Leben wegzuwerfen», ohne Arbeit und sonstige Perspek-tiven. Dazu stellt Flucht für viele «Zudiener» ein einträgliches Geschäft dar. Eines davon ist die neue Methode von Schleuser-banden, ausrangierte Frachtschiffe mit syrischen Kriegsflücht-lingen vollzupferchen, sie per Autopilot ungebremst Richtungitalienische Felsenküste zu schicken und frierend, hungernd, ver-durstend sich selbst zu überlassen (selbst bei Sturm). Grausamist aber nicht nur das Verhalten der Schlepper; Europa machtdurch das Dichtmachen seiner Grenzen Flüchtlingsreisen nochgefährlicher. Dabei wird die soeben beschriebene Fluchtart nochals sicherer eingestuft als jene in kleinen Booten, welche alleinletztes Jahr im Mittelmeer 3400 Menschen das Leben kostete.Papst Franziskus bat 2013 auf der Insel Lampedusa, wo zwi-schen Tunesien und Sizilien viele Flüchtende stranden, um Ver-zeihung «für die Gleichgültigkeit», auch jener, «die mit ihrenEntscheidungen auf höchster Ebene dieses Drama erst geschaf-fen haben. Unser Wohlstand hat uns unsensibel für die Schreieder Anderen gemacht.»Europa kann sich der Verantwortung für das Elend seiner ehe-maligen Kolonien letztlich nicht entziehen. Ein Geflüchteter ausMosambik sagte es an der Grenze zu Algerien so: Wir werdenweiterhin «kommen und euch das Brot aus dem Mund reissen.Denn viele haben nichts mehr zu verlieren. In mein Land zurück-zukehren bedeutet den Tod, hierzubleiben auch.»

... jenseits von MenschenrechtenDer Mythos, es seien die Stärksten und Besten, die weggehen,beleidigt jene zurückgebliebene Mehrheit, die weiterhin jedenTag beispielsweise mit der Hacke aufs Feld zieht, und schlägtohne Gnade auf Migranten selbst zurück. Trotz dutzendfacherAbschiebungen und Todeskämpfe wird ein glückloser Heimkeh-rer daheim als Versager behandelt. Um der sozialen Verachtungzu entrinnen, stürzt er sich, wenn es nur irgendwie geht, bald in den nächsten fatalen Reiseplan. Wer es schliesslich in einFluchtziel schafft und weiss, dass er die Grenzbarriere kein zwei-tes Mal überwinden kann, klammert sich um jeden Preis am Migrationsland fest.Offshore-«Lösungen» europäischer Migrationsbekämpfung inden vorgelagerten Regionen setzen Betroffene schweren Men-schenrechtsverletzungen aus. Auf Malta beispielsweise wurdenAnkömmlinge bis zu 18 Monate eingesperrt. Die Zustände in denüberfüllten Internierungslagern gefährden die geistige Gesund-heit der Insassen, sagte eine UN-Kommission. In Libyen gibt es«Auffanglager» entlang von fünf Migrationsrouten. In Tripolisoder Bengasi aufgegriffen, werden Flüchtlinge wie Vieh in unbe-lüfteten und heissen Containern 1500 Kilometer ohne Wasser, in Erbrochenem und Kot sitzend, durch die Wüste nach Kufrahtransportiert. Dort werden sie nach Monaten der Haft von derPolizei an die Grenze zum Sudan gebracht und in einem einge-

Fluchtwege aus der VerzweiflungNiemand gibt ohne Not seine Heimat auf und flüchtet zu uns. Doch wie kommen wir zusammen mit Migrierten zu guten Zukunftsperspektiven?

THEMENSEITEN

Filmtipps:

«Zwischen den Welten»: Der lange Weg der Integration von Yusuf Yesilöz,einer jungen Kurdin, Schweiz 2006. Dokumentarfilm 54 Minuten (ab 16 Jahren).«Destination Liebe»: Fünf Protagonisten aus dem Kongo, Libanon, Kolum-bien, Indien und Frankreich entdecken unser Land in einer Liebesbezie-hung mit einem Schweizer, einer Schweizerin. Schweiz 2002,Dokumentar-DVD 56 Minuten (ab 16 Jahren).«Anderswo daheim. Chancen und Herausforderungen der multikulturellenGesellschaft»: Von der Begegnung mit anderen Kulturen, von Ängsten, Vor-urteilen und deren Überwindung – sowie vom Thema Patriotismus undHeimat. DVD-Video mit 2 Animations- und 7 Dokumentarfilmen (130 Minu-ten) mit Begleitmaterial und Arbeitsblättern. CH/A 2013 (ab 6 Jahren, füralle Schulstufen). Weitere Informationen und Bestellung: education21, Tel. 031 321 00 30,

www.filmeeinewelt.ch

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 17

Page 18: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

18

Ein beglückendes Miteinander Es bringt niemandem etwas, Menschen auszugrenzen, die hier leben. Aber wie kann das konkret gehen,gute Kontakte und sogar Freundschaften zu bisher Fremden aufzubauen?

Herzöffnende FamilienferienSeit einigen Jahren laden das Solidaritätsnetz Ostschweiz unddie ökumenische Gemeinde Halden St. Gallen zu einer Familien-ferienwoche ein. Im Herbst 2014 verbrachten fast 70 Leute ausIran, Irak, Syrien, Türkei, Äthiopien, Eritrea, dem Kongo und derMongolei im Wallis eine Woche, in der die Sonne nicht nur vomHimmel strahlte, sondern auch in den Herzen der Teilnehmen-den. Im Leitungsteam und vor allem im Küchenteam arbeitetenFlüchtlinge und SchweizerInnen zusammen. Die innere Sonnestrahlte bei Spiel, Sport und Basteln und ganz besonders beimTanzen am Abend. Je eine Nationengruppe – auch «dieSchweiz» – gestaltete einen Abend mit ihrem typischen Essen,mit Informationen über die Situation in ihrem Land und mit Tän-zen aus ihrer Kultur. Auch eine eritreische Kaffeezeremonie fehltenicht. Besonders ergreifend erlebten wir eine Friedensfeier, beider wir auf einer Weltkarte auf die Länder, aus der die Flüchtlingekamen und in denen ihre Angehörigen leben, eine Kerze stellten.Josef Wirth

«Schön, dass Sie wieder da sind»Als meine Frau und ich nach dreieinhalb Jahren Einsatz in Ko-lumbien in die Schweiz an den Ort zurückkamen, wo ich fünfJahre als katholischer Seelsorger gearbeitet hatte, gingen wir inden Sonntagsgottesdienst. Nachher warteten wir draussen aufmeinen Schwiegervater. Viele Einheimische gingen mit einemfragenden Blick, aber ohne zu grüssen, an uns vorbei. Da kamplötzlich ein Mann freudestrahlend auf uns zu und sagte in sei-nem unverkennbaren tschechischen Akzent: «Willkommen in unserer Heimat – schön, dass Sie wieder da sind, Herr Wenk.»Herr Stepanek war 1968 als Flüchtling zu uns gekommen.

«Bruder» und «Schwester»Mohamed war als Ahmadyia-Muslim wegen Verfolgung und Be-drohung aus Pakistan geflohen. Er feierte mit seiner Glaubens-gemeinschaft jeweils im Dachzimmer unseres ökumenischen

Zentrums das Freitagsgebet. Eines Vormittags sahen wir unsüberraschend in der Altstadt. Strahlend kam er von der anderenStrassenseite auf mich zu, breitete die Arme aus und sagte: «Wieschön, am frühen Morgen seinen ‹Bruder› zu treffen.»Die Hindufrau Anita feierte mit uns interreligiöses Gebet. Als wiruns zum dritten Mal trafen, kam sie auf mich zu und umarmtemich. «Aber Anita, das geht doch nicht für dich als Frau ausSüdindien!», erwiderte ich. «Ja», sagte sie, «wären wir in Indien,wär’ das so – aber ich lebe hier, und da bin ich Schweizerin.»Seither habe ich – so wage ich zu sagen – auch eine Inderin alsSchwester.Charlie Wenk

Chor der NationenEin Ort, an dem erfahrbar wird, wie eine «bessere Welt» mit Mi-granten und Fluchtlingen aussehen könnte, ist fur mich der Chorder Nationen Luzern (es gibt ihn auch in Bern, Glarus und Zürich:www.chordernationen.ch). Mit 95 Männern und Frauen aus 25 Ländern singen wir jeden Mittwoch Lieder aus den verschie-denen Herkunftsnationen. Die Hälfte von ihnen kommt aus demAusland. Fur sie und für Einheimische ist das gemeinsame Sin-gen oft wie Medizin. Und manche beschreiben den Chor sogarals ein kleines Paradies. Gerade jene, die einen steinigen Weghinter sich haben oder deren Aufenthalt noch nicht geklärt ist,sagen, dass sie bei den Chorproben alle Schwierigkeiten verges-sen können. Hier fuhlen sie sich ganz akzeptiert. Nur die Musikzählt. Der Chorleiter Bernhard Furchner zitiert Yehudi Menuhin:«Musik ist die Muttersprache des Menschen.» Mit ihr erreicht derChor die Herzen der SängerInnen und der Zuhörenden. Es istwohl zu spuren, dass wir zusammen Lieder singen, die jeweilsvon einem Chormitglied eingebracht wurden und diesem viel bedeuten. Wie unlängst das chinesische Liebeslied «The moonrepresents my heart», das uns eine taiwanesische Sängerin mitunermudlicher Geduld beibrachte. Nicola Neider Ammann

spielten Deal an Schlepper verkauft, die den Flüchtlingen gegenetwa 500 Dollar helfen, wieder an die libysche Küste zu kom-men. Dort wieder verhaftet geht es zurück nach Kufrah usw. Manche versuchen es auch an den mit Kletterblockaden, Klingel-draht, Scheinwerfern und Sensoren ausgerüsteten Hochsicher-heitszäunen der spanischen Enklave Ceuta an Marokkos Nord-küste. Oder bei Melilla: Dort sind es sechs Meter hohe und elfKilometer lange Gitterzäune mit Wachtürmen. Serge von der Elfenbeinküste versuchte schon 30 Mal, die Festung Europa zuüberwinden, auch im Schlauchboot und sogar über die Grenz -

linie schwimmend; sechs Mal auch erfolglos bei Melilla. LetztesMal campierte er sechs Wochen unter löchrigen Plastikplanenund Wolldecken in den Waldhügeln vor der Befestigung und war-tete mit andern Wagemutigen auf den richtigen Moment. Dannrennen sie zu Hunderten oder gar Tausenden an verschiedenenOrten auf die Grenzanlage zu, stellen sich Knüppeln, Gummi-schrott Steinen und Tränengas der Soldaten und versuchen, denZaun zu überklettern. Sie werden entkräftet und verletzt zurückin marokkanische Grossstädte abgeschoben – aber manchekommen durch.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 18

Page 19: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

THEMENSEITEN

19

2/20

15

Heimatgefühl im ExilManuela* und ich haben uns an der Berufsfachschule kennen-gelernt. Ich bin 1995 in die Schweiz geflüchtet. Nach einem Jahrkam meine neunjährige Tochter nach. 1999 startete ich mit 27 Jah-ren eine Lehre als Damenschneiderin. Da ich die Sprache nochmangelhaft beherrschte, kam ich im Unterricht nicht nach; unddas Berufsbildungssystem der Schweiz war mir so fremd, dassich etwas verloren war. In den ersten sechs Monaten wurde miralles zu viel und ich wusste nicht wie weiter. Da bemerkte dieSchweizerin Manuela meine Situation und half mir, wo sie konnte.Als sie mich an Weihnachten 2000 zum Essen zu ihren Eltern ein-lud, gab sie mir den Schlüssel zur schweizerischen Gesellschaft.Fünf Jahre lang war ich da und noch nicht zu Hause hier. DiesesEssen gab mir Geborgenheit und vor allem das Familiengefühl,das ich durch mein Leben im Exil sehr vermisst hatte. Sie hat inmeinem Herzen die Stelle meiner Schwester, die bei der PKK warund 1993 vom türkischen Militär ermordert wurde, eingenommen.Manuela ist gleich alt wie meine verstorbene Schwester. Ich bin mittlerweile seit 19 Jahren in der Schweiz, und sie ist fürmich immer da. Natürlich bin ich auch für sie da. Sie hat michunterstützt, damit ich Karriere machen konnte. So konnte ich sieauch im Integrationsprojekt, welches ich 2009 gegründet undgeleitet habe, anstellen. Sie arbeitet immer noch in diesem Pro-jekt und unterstützt Flüchtlinge, die eine Lehre absolvieren.Emine*, Kurdin

Schaufeln für FranzösischGawa* ist Anfang 2013 als Flüchtling aus dem Tibet in die Schweizgekommen. Ohne tägliche Beschäftigung hat er nach einer Mög-lichkeit gesucht, sich nützlich zu machen, wenn möglich in Kontakt mit anderen zum Französischüben. Ich selber suchte

jemanden zum Schneeschaufeln.Wir haben uns also auf diesenTausch geeinigt, und daraus istschnell eine Freundschaft entstan-den. Während eines tibetischen Essens, das Gawa für gemeinsameFreunde zubereitet hatte, hat einerder Freunde seine schnelle und zu-verlässige Arbeitsweise gesehenund ihn dann in seiner Polierwerk-statt angestellt. Jetzt arbeitet Gawaschon seit einem Jahr dort und hateine eigene Wohnung. Sein Lebenhat sich verändert und meinesauch!Unser Dream-Team in La Chaux-

de-Fonds ist schnell auf etwa zwanzig Personen* gewachsen,TibeterInnen und SchweizerInnen, die ein Netz zur gegenseitigenUnterstützung bilden. Seit Gawa Arbeit gefunden hat, hat er mirmehrere Landsleute vorgestellt, die in der gleichen Situationsind, und der solidarische Austausch unter allen geht weiter. Wirhaben erfahren, dass ein junges tibetisches Pärchen 500 Frankenzusammentragen musste, um die Gebühren für ihre Hochzeit zubezahlen. Da haben wir beschlossen, ein Fest mit tibetischemEssen, Gesang und Tanz zu organisieren, um das nötige Geld zusammeln. Das war ein grosser Erflog und eine schöne Kennen-lern-Gelegenheit für beide Seiten.Geneviève*

HausgastfreundschaftMein Mann Tschiggo* arbeitet als Jugendarbeiter bei der Kircheund hörte von der Anfrage einer Sozialarbeiterin. Sie suchte fürden junge Tahir* aus Afghanistan eine Familie, um ihm ab und zubesuchen zu können; er wolle die Schweizer Menschen besserkennen lernen. Wir luden ihn zum Kaffeetrinken ein. Er erzählteuns von seiner unbefriedigenden Wohnsituation. Da wir ein gros-ses Haus haben und hin und wieder Menschen in schwierigenLebenssituationen bei uns zu Gast haben, boten wir ihm an, beiuns zu wohnen. Nach einiger Zeit des gegenseitigen Abwägenszog er vor einem halben Jahr ein. Als Tahir zu uns kam, brauchteer viele Medikamente, um schlafen und arbeiten zu können. Erwar und ist traumatisiert von seinen Fluchterfahrungen, ausser-dem krank vor Kummer und Einsamkeit. Es ist faszinierend, dasser schon nach kurzer Zeit keine Medikamente mehr gebraucht

* Diese Menschen wurden im Wettbewerb «Dream-Teams 2014» der Schwei-

zerischen Flüchtlingshilfe (SFH) für ihre gelebte Integration ausgezeichnet.

Gemeinnützerische Arbeit statt Warten:Die Caritas organisiert zusammen mitdem Strasseninspektorat der Stadt Luzern Putzequipen und Abfallentsor-gungen mit Asylsuchenden. (Bild: Priska Ketterer)

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 19

Page 20: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

20

hat. Als Sippenmensch sind andere Menschen für ihn die besteMedizin. Er war starker Raucher; seit Kurzem hat er damit aufge-hört. Obwohl bezüglich Arbeit sein Start in der Schweiz hart ist,will er eine Ausbildung machen; und er hat Ziele vor Augen.Manchmal wunderten sich die SpielkameradInnen unserer Kinder,dass ein dunkelhäutiger Mann bei uns wohnt. Doch bald merktensie, dass er ein gewöhnlicher Mensch ist und auch manchmalauf dem Trampolin herumtobt. Einmal machte Tahir ein Dankes -essen bei uns für alle SchweizerInnen, die ihm geholfen haben.Die Sozialarbeiterin war dabei, seine Hausärztin, Mitarbeiter des Asylzentrums und vom Folter- und Traumazentrum, eine Be-kannte aus der Nachbarschaft und wir. Es war interessant, dieseunterschiedlichen Menschen und ihre Geschichte mit Tahir zuhören. Bei schweizerischen und afghanischen Leckereien kamman einander näher. Einige blieben bis am frühen Morgen umdie Feuerschale im Garten sitzen. Es war ein sehr berührendesErlebnis, und Tahir blühte förmlich auf!Anette*

Gemeinsames Stärken im Dorf Mit dem Ziel, das gute Zusammenleben von Menschen aus ver-schiedenen Kulturen und Religionen zu fördern, organisierte unsere Integrationsgruppe erfolgreich Begegnungsfeste, Ge-sprächsabende, Deutschkurse, einen Frauentreff, multikulturelleWanderungen mit der Pfadi, eine Bosnienreise usw. Nachhaltigen Eindruck hinterlassen bis heute die christlich-mus-limischen Anlässe. Bestürzt erfuhren wir zwei Tage nach derGründung unserer Gruppe von den brutalen Terroranschlägenauf das World Trade Center in New York. Die Befürchtung, Vorur-teile und Gräben zwischen den Völkern und Religionen könntensich noch vertiefen, weckte den Gedanken an ein gemeinsamesGebet zwischen Christen und Muslimen. Wir merkten, wie vageunsere Vorstellungen und erst recht das Wissen über andere Re-ligionen und insbesondere den Islam sind. Der in Reiden wohn-hafte, ausgebildete Imam Mirsad Mujadzic, der in der Schweiz

allerdings als Chauffeur arbeitet, erklärte sich spontan zu einerZusammenarbeit bereit. Er bereitete gemeinsam mit den katholi-schen und reformierten Seelsorgern die ersten christlich-musli-mischen Anlässe vor. Gut 100 Personen unterschiedlicher Kulturen und Religionenhatten sich am 24. April 2002 zum ersten besinnlichen Anlass inder Johanniterkommende Reiden eingefunden. Der Ort für einGebet der Religionen hätte passender nicht sein können, wasauch äusserlich sichtbar war: Kreuz und Halbmond als Symbolevon Christentum und Islam an der Wand der altehrwürdigen Johanniterkommende – eines Gebäudes, das zur Zeit der Kreuz-züge und somit des Krieges zwischen den Religionen erbautworden war! Nun standen die beiden Symbole da als Zeichender Bereitschaft zum Dialog, zum Miteinander statt Gegeneinan-der, als Zeichen des Friedens und der Versöhnung anstelle vonGewalt. Nach den Ausführungen der christlichen Seelsorger be-grüsste Mirsad Mujadzic die Anwesenden mit den Worten «assalam aleikum – der Friede sei mit euch». Aufmerksam lauschtendie BesucherInnen dem Gesang aus der zweiten Sure des Korans.Neben den sechs Hauptprinzipien des Islams stellte er die fünfHauptpflichten jedes Moslems vor: der Glaube an den einen Gott,das Gebet fünfmal täglich, die Verpflichtungen des Fastens unddes sozialen Verhaltens gegenüber Armen sowie – wenn möglich– die Wallfahrt nach Mekka. Angeführt von den drei Seelsorgernfand sich die Versammlung in eindrücklicher Weise zu einem gemeinsamen Gebet, das Elemente der 1. Sure aus dem Koranund des «Unser Vater» enthielt. Es zeigte, was möglich ist, wennder Fokus auf das Gemeinsame, den Glaube an den einen Gottund die Bereitschaft zur Versöhnung gerichtet ist. An weiteren christlich-muslimischen Anlässen standen das Pil-gern und Wallfahren in den verschiedenen Religionen, Traditionenrund um Sterben und Tod sowie die Dankbarkeit im Zentrum.Der Besuch der Moschee im nahen Zofingen, die eindrücklicheReise nach Bosnien und viele Gespräche schlugen bleibendeBrücken zwischen den Religionen.Monika Fischer

THEO BÜHLMANN

Die Integrationsarbeit des Kantons Basel-Stadt inspiriert vieleKantone und strahlt auf Bundesebene aus. Sie folgt dem Grund-prinzip des Förderns und Forderns möglichst ab dem ersten Aufenthaltstag von migrierten Menschen. Sie werden persönlichbegrüsst und bei «Willkommen in Basel» beispielsweise infor-miert über Aufenthaltsbewilligungen, Arbeitsrecht, Steuersystemund Sozialversicherungen, Kindergarten, Schulen, kostenlose

Deutschkurse, Beratungsstellen, Freizeit und Kultur. Der Stadt-plan «Begegnung und Bewegung» hilft, die wichtigsten Anlauf-stellen und Begegnungsorte zu finden. «Fordern» kann, fallsnotwendig, auch bedeuten, mit Zugezogenen verbindliche «Mi-grationsvereinbarungen» abzuschliessen. Sie benennen Integra-tionsdefizite und -ziele und gehen sie mit verpflichtendenFörderangeboten an. Bei Nichteinhaltung gibt’s Sanktionsmög-lichkeiten. Der Kanton kann eine Aufenthaltsbewilligung an dieseVereinbarungen knüpfen.

Bis sie ein Teil von uns sind Wie das «Basler Integrationsmodell» zeigt, kommt es allen zugute, wenn Migrierte in die Gesellschaft eingegliedert werden.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 20

Page 21: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

21

2/20

15

Langzeitziel ist die Chancengleichheit von Zugezogenen undEinheimischen. Das bedeutet Gegenseitigkeit von Rechten undPflichten. Entscheidend ist der Aufbau einer Haltung, die Inte-gration als gegenseitigen Prozess versteht, der von allen eineMitgestaltung erfordert. Dieser Grundauftrag von «IntegrationBasel» bedingt präventives Engagement und Sensibilisierungengegen benachteiligendes, diskriminierendes und rassistischesVerhalten. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich dieseemanzipatorischen Investitionen volkswirtschaftlich auszahlenwerden: indem sie die «Symptomkosten» der bisherigen Auslän-derpolitik – überhöhte Sozial-, Gesundheits- und Sicherheits -kosten – letztlich reduzieren.

Integration als gegenseitiger Prozessfordert alle.

Die baslerischen Integrationsbestrebungen orientieren sich andrei Leitideen. Erstens: Ein Hauptfundament bildet das vorhan-dene Potenzial der Beteiligten, welches genutzt und gefördertwird. Viele Migrierte zeichnen sich durch Mehrsprachigkeit, inter-kulturelle Erfahrungen und Kompetenzen zur Kulturvermittlungaus. Zweitens: Integration wird als gesamtgesellschaftlicher Pro-zess gesehen und meint die positive Einbindung aller Gesell-schaftsmitglieder. Da viele Spannungen und Probleme aufgrundfehlenden Wissens und mangelhafter Kommunikation überhaupterst entstehen, ist es absolut nötig, Informationslücken zuschliessen und Vorurteile auf allen Seiten abzubauen. Die Vor-stellung aus den Siebzigerjahren vom allgemeinen Nachholbe-darf von MigrantInnen soll gemäss Basler Integrationsleitbildverabschiedet werden. Man sei bisher zu sehr von zu überwin-denden Defiziten ausgegangen, ohne ihnen gleichzeitig die Sta-tuspositionen in der Gesellschaft zu öffnen. Basel hat sich darumschwergewichtig einer Wohnraumentwicklung angenommen,welche alle Menschen gleichberechtigt am beruflichen und ge-

sellschaftlichen Leben beteiligt und mitverantwortlich macht.Dies bedeutet auch, Ein- und Ausgrenzungen unter dem Deck-mantel nationaler, ethnischer und religiöser Vorurteile abzubauen.Gleichwohl gehe es nicht darum, «unterschiedliche Lebenswei-sen in einer modernen, ausdifferenzierten Gesellschaft wegzuar-gumentieren, sondern ihnen Raum zu lassen». Jedoch müssendie hierarchischen und sozialen Ungleichheiten im Umgang mitMigrantInnen benannt und längerfristig beseitigt werden. Dazugehöre die Geschlechtergleichstellung.Drittens verlangt Integration einen sorgsamen Umgang mit Diffe-renz. Weder sollen soziale oder strukturell bedingte Problemeoberflächlich einer Herkunft übergestülpt noch als Geschlechter-unterschiede ignoriert werden. Es wird eine umfassende Sozial-politik umgesetzt, die dem Gleichberechtigungssatz folgt.Insbesondere soll der strukturbedingte soziale Abstieg vermiedenwerden. MigrantInnen arbeiten überdurchnittlich oft in nichtquali-fizierten Berufen. Entsprechend ist – verglichen mit SchweizerIn-nen – ein grösserer Teil von ihnen von schlechteren Wohnver-hältnissen, von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebedürftigkeit be-troffen. Viele ihrer Kinder haben – und bieten – Schwierigkeitenin der Schule. Es gibt darum in Basel Aufbauangebote vor allemim Bildungs- und Arbeitsbereich, wie beispielsweise der zweijäh-rige Integrations- und Berufswahlkurs für MigrantInnen (mit Auf-enthaltsbewilligung B und C) im Alter zwischen 16 und 20 Jahren.

Eine solch umfassende Integrationspolitik begründet Hoffnungauf ein fruchtbares gesellschaftliches Miteinander. Sie steht einerrepressiven Migrationspolitik entgegen, welche Angekommeneentrechtet und zu BürgerInnen zweiter Klasse macht. Freudeüber kulturelle und ethnische Vielfältigkeit wird so greifbar. Undsie hilft uns, über eigene Schatten zu springen. Dazu gehört auch,immer wieder zu fragen: Wie können wir als SchweizerInnen globale Ungleichheit, die Flucht mitverursacht, abbauen helfen –etwa bei Rohstofffirmen, betreffs Klimawandel, Waffenausfuhroder durch ein (selbst-)kritisches Konsumverhalten?

Kultur und speziell dieMusik wirken völkerverbin-dend: Junge Tamilin (Hindu)spielt am Begegnungssemi-nar im Januar 2015 ihre traditionelle Musik. (Bild: Christian Weber, mission 21)

THEMENSEITEN

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 21

Page 22: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

22

Neue «Helden des Alltags» Einst Geflüchtete und ihre Minderheitsgemeinschaften leisten unermüdlich und unentgeltlich wertvollsteIntegrationsarbeit, von der wir lernen können.

HEIDI RUDOLF

«Es gibt zu viele Opfer, die bei dem Versuch sterben, von Soma-lia nach Jemen zu kommen, von Libyen nach Lampedusa, vomSenegal auf die Kanarischen Inseln oder von Marokko nach Gi-braltar. Es gibt praktisch jeden Tag Tote! Wenn die Menschen ihreigenes Leben aufs Spiel setzen, um zu überleben, dann ist daseine Art Alarmsignal, das die internationale Gemeinschaft dazubringen müsste, sich zu fragen: Warum geschieht das? Wie können wir diese verzweifelte Situation ändern?» Dies schrieb António Guterres, UN-Flüchtlingskommissar, 2006. Menschengefährden auch heute ihr Leben, um es zum Beispiel von Syrienoder Somalia übers Meer nach Europa zu schaffen. Dahinterstecken unvorstellbare Verzweiflung und Angst – aber auch eineebenso starke (Über-)Lebenskraft und die Hoffnung auf eine Zukunft. Die Vergangenheit war so schrecklich, dass die Zu-kunftsgefahr nicht mehr abschreckt. Dies galt vor 30 Jahren fürdie Flüchtlinge aus Indochina, dann aus Sri Lanka und heute aus afrikanischen und arabischen Ländern. Sie wissen, dassviele auf der Flucht sterben und dass sie nicht mit offenen Armenempfangen werden. Und wir? Wir reden immer nur grad vondenen, die «aktuell» sind, im Moment von Syrern, Irakern undEritreern. Dies gilt aber genauso für die (vielen jungen) Menschenaus Somalia. Mit diesem Anfang wollte ich zeigen, was das eigene Engage-ment für die Integration von Menschen, für ein neues Leben, dieKulturvermittlung und für die Gesellschaft bedeutet. Menschen,die ihren Landsleuten bei der Integration helfen, sind ja meistselbst von Krieg und Flucht traumatisiert und haben eine innere– meist religiöse – Kraft, die ihnen hilft, über sich hinaus zu den-ken und sich zu engagieren. Das fordert mir tiefen Respekt ab.Die folgenden beiden Beispiele wollen spürbar machen, was zuuns geflüchtete Menschen schaffen.

Mohamed aus Somalia Er ist vor rund 20 Jahren mit seiner Frau übers Meer nach Italiengeflüchtet. Die zweimonatige Tochter mussten sie bei der Gross-mutter lassen. Hier angekommen durfte er bleiben, seine Fraunicht. Sie ging nach England, wo schon mehr Somalis lebten(ehemalige Kolonialmacht). Dort lebte sie bis vor Kurzem mit deninzwischen drei Kindern. Er konnte sie erst hierherholen, als erden Schweizer Pass bekommen hatte. Nach dem Tod der Gross-mutter kam die älteste Tochter mit dreizehn Jahren zum Vater. Erhatte, damals war es noch möglich, fast vom ersten Tag an gear-beitet und sein Leben selbst gemeistert. Dies konnte er, weil er

eine gute schulische Ausbildung mitbrachte. Ganz im Gegensatzzu den jungen Somalis, die heute übers Meer nach Europa kom-men: junge Menschen, die während den letzten 20 Jahren nurKrieg erlebt haben, nur unregelmässig zur Schule gehen konntenund teils als Kindersoldaten zwangsrekrutiert waren. Einige sindseit fünf bis sechs Jahren hier, als vorläufig Aufgenommene ohneArbeit. Ohne gutes Deutsch gibt es keine Arbeit, ohne Arbeit keinen guten Deutschkurs. Als vorläufig Aufgenommene erhalten sie keine länger dauernde Ausbildung, nicht einmal indringend benötigten Berufen wie der Pflege alter Menschen. Da hakte Mohamed ein: • Er gründete einen Jugendverein für Sport und Integrations-

kurse. Das hilft «auszulüften» und unsere Gesellschaft besserzu verstehen.

• Er mietete Räumlichkeiten für religiöse Feste und Feiertage.So lernen die jungen Menschen, die kaum einen Religions-unterricht besuchen konnten, mehr über den Islam. Das hilftihnen die eigenen Wurzeln kennen zu lernen, Boden unterden Füssen zu bekommen und sich so zu integrieren.

• Er nimmt sie mit an schweizerische Veranstaltungen, damitsie mehr Kontakte bekommen als mit stundenweisen Jobs.

• Er fühlt sich verantwortlich für die jungen Frauen, die teils alleine mit den Kindern hier sind, und für die jungen Männer,die allein hierhergeflüchtet sind.

All das «Wurzelnschlagen» wäre ohnedie religiös-sozialen Zentren, ohne dasintensive Engagement Migrierter nichtmöglich.

Vignarajah aus Sri Lanka Auch die erste Generation von Tamilen aus Sri Lanka, deren Le-ben im Krieg besonders gefährdet war, hatte eine bessere Aus-bildung als die später gekommenen. Diese hatten wegen desKrieges oft keine geregelte Schule. Als Vignarajah in die Schweizkam, kamen besonders viele «unbegleitete Jugendliche» ohneihre Familien. Er war dreizehn Jahre alt, als er hier landete.«Seine» Gruppe hatte sich fast vom ersten Tag an zusammenge-schlossen, sich gegenseitig geholfen, auch mit der Sprache undKontakten zu Schweizern, eine Fernausbildung in Hinduismusgemacht und mit Religionsvermittlung begonnen. Vignarajah be-

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 22

Page 23: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

Gemeinschaftsfördende AfrikanerInnen-Wallfahrtnach St-Maurice. (Bild: Jacques Michel, Missio)

23

THEMENSEITEN

2/20

15gann in Basel in einem Keller mit einem ersten kleinen Hindu-tempel. Auch seine Freunde starteten an verschiedenen Ortenmit Gebetsräumen. Er spürte, wie wichtig die Religion und dasGebet fürs psychische Überleben in einer völlig andern Gesell-schaft sind. Er wollte auch den später angekommenen Tamilen,und heute der zweiten Generation, diese Chance geben. Er tatdies alles neben seiner Ausbildung und Arbeit als Informatiker.Vignarajah und seine Familie sind heute Schweizer. Aber immernoch kommen Tamilen hierher. Er ist verantwortlich für die HSK-Kurse (Heimatliche Sprache und Kultur). Er organisiertFrauenweiterbildung, Religionsunterricht, Integrationskurse undinformiert über den Hinduismus. Und er hat all die Jahre nichtnur seine Freizeit, sondern auch viel Geld investiert, damit einschöner Hindutempel gebaut und auch integriert werden konnte,damit die Hindus in verschiedenen interreligiösen Gremien ver-treten sind. Die Heimat im Tempel macht es den Tamilen mög-lich, sich – ohne die eigene Kultur und Religion weglassen zumüssen – hier zu integrieren.

Beeindruckende Vorbilder Dies sind nur zwei Beispiele von Flüchtlingen. Da diese im Mo-ment im Fokus der Medien stehen, habe ich sie ausgewählt. Ich könnte von vielen weiteren Frauen und Männern schreiben.Ähnliches könnte von «Arbeitsmigranten» und ehemaligen «Gast-arbeitern» gesagt werden. All die fürs «Wurzelnschlagen» sowichtigen Angebote sowie die spirituell-religiösen und sozialenZentren wären ohne dieses uneigennützige und intensive Enga-gement migrierter Menschen nie möglich geworden. Diese Zen-tren leben von der Freiwilligenarbeit und ohne Steuergelder. Undwie viele von ihnen leben: buddhistische Pagoden, Hindutempel,Sikh-Tempel, alevitische Kulturzentren, Moscheen und kleine biskleinste Migrationskirchen. Wir profitieren von ihrer Kraft und derVielfalt an Kulturen und Religionen – und von Menschen, diedurch ihren Beitrag an unsere Gesellschaft auch Beispiel seinkönnen für uns.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 23

Page 24: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

24

BENNO BÜHLMANN

Gläubige Jüdinnen und Juden feiern jedes Jahr in Jerusalem undan vielen anderen Orten der Welt das Pessach-Fest in Erinne-rung an die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten.Auch für Christen ist dieses Fest von besonderer Bedeutung:Denn auch das letzte Abendmahl Jesu fand in einer Pessach-Woche statt und wird in seiner tieferen Bedeutung letztlich nurvor seinem jüdischen Hintergrund verständlich.

Es ist Sonntag, 7.30 Uhr – unmittelbar vor dem jüdischen Pes-sach-Fest, das wieder einmal mit der Karwoche und dem Oster-fest der Christen zusammenfällt. Auf der Südwestseite desTempelbergs in Jerusalem stehen bereits zahlreiche Pilger undTouristen in der Warteschlange, bevor der Zugang zum Tempel-berg um 8 Uhr geöffnet wird. Das «Maghrebinertor» ist der einzige Zugang, durch den Nichtmuslime zum Tempelberg ge-langen können. Vorerst müssen sie sich am «Checkpoint» einerstrengen Kontrolle der israelischen Behörden unterziehen, die Sicherheitsvorkehrungen wie an einem Flughafen vornehmen.

Angespannte Lage auf dem TempelbergHeute ist das nicht erstaunlich, denn die Situation am Tempel-berg, einer der heiligsten Stätten des Judentums und des Islam,ist wegen der Agitation religiöser Fanatiker angespannt. Kurz vor8 Uhr dröhnen etwa 300 Meter entfernt plötzlich Maschinenge-wehre, während in unmittelbarer Nähe des Felsendoms Rauch-schwaden zu sehen sind. Einige Stunden später werden die

Jerusalem-Pilger erfahren, was sich dort oben abspielt: EinigeDutzend junge Palästinenser werfen Steine auf israelische Poli-zisten und setzen Molotow-Cocktails in Brand. Die Polizei rea-giert mit Blendgranaten und Tränengas. Die Ausschreitungenenden diesmal glimpflich: Zwei Polizisten werden leicht verletzt,Tote sind glücklicherweise keine zu beklagen. Wenige Tage zuvorwurden am Tempelberg Plakate angebracht, die Muslime auffor-derten, diesen am Montag für jüdische Opferrituale freizugeben.Ultranationalisten hatten dazu aufgerufen, in grosser Zahl auf

dem Berg zu beten. Zudemliessen sie schon früher verlauten, dass sie an derStelle des Felsendoms dendritten jüdischen Tempel errichten wollen – was vonden Muslimen als unerträg-liche Provokation wahrge-nommen wird.Nach den jüngsten Aus-schreitungen bleibt bei denTempelberg-BesucherInnenein mulmiges Gefühl zurück.Unter ihnen befindet sichauch eine Pilgergruppe ausder Schweiz, die ihre Reise-pläne kurzfristig anpassenmuss. Für Einheimische gehören solche Vorfälle in-

dessen längst zum Alltag, wie eine in Jerusalem wohnhafte Rei-seleiterin bestätigt: «Gerade vor hohen Festtagen wie Pessachkommen Provokationen und gewalttätige Ausschreitungen aufdem Tempelberg leider gehäuft vor.» Denn nirgendwo sonst sindJudentum, Christentum und Islam so eng verbunden wie an die-sem Ort.

Heiligtümer dreier ReligionenDer alte Tempelplatz Israels, von den Arabern Haram el-Sharif,«erhabenes Heiligtum» genannt, ist das bedeutendste islamischeHeiligtum nach Mekka und Medina. Von dem Felsen, auf demheute der Felsendom steht, soll nach islamischer Glaubensvor-stellung der Prophet Mohammed auf seiner Stute Al-Burak genHimmel geritten sein (Bd291/296).Und am gleichen Ort stand einst der Zweite Tempel als einzig legitimes Heiligtum der Juden, bevor er im Jahr 70 n.Chr. vonden Römern zerstört wurde (als einziges Relikt davon ist nochdie Westmauer übrig geblieben, von den Juden auch «Klage-

Das Pessach-Fest ist für Jüdinnen und Juden eine zentrale Befreiungserfahrung.

Der Tempelberg mit dem Felsendom in Jerusalem und davor die Klage-mauer. Zwischen deren Ritzen werden Zettelchen mit Wünschen undGebeten gesteckt. (Bilder: Benno Bühlmann)

Teil 8: Serie zu Religion und KulturImmer wieder befinden wir uns «Tür an Tür» mit Menschen anderer Religionen, ohne von ihrenGemeinschaften, ihrem religiösen Leben und Feiern eine Ahnung zu haben. Wie hängen ihrMenschsein, ihr gesellschaftlicher Bezug, ihre Beheimatung, ihre Kultur und Bildung mit der religiösen Verwurzelung zusammen? WeltWeit zeigt die Vielfalt an unterschiedlichen Glaubens-traditionen und den damit verbundenen kulturellen Reichtum, der auch bei uns gelebt wird.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 24

Page 25: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

25

2/20

15

GLAUBENSVIELFALT

mauer» genannt). Hier disputierte nach christli-cher Überlieferung auch der zwölfjährige Jesusmit den Schriftgelehrten – und etliche Jahrespäter vertrieb er Händler und Geldwechsleraus dem Tempelvorhof, wie Matthäus berichtet,und sagte: «In der Schrift steht, mein Haus sollein Haus des Gebetes sein. Ihr aber macht dar-aus eine Räuberhöhle.» (Mt 21,12–13)

Wo Jesu Tempelreinigung stattfandDiese «Tempelreinigung» geschieht gemäss Johannes-Evangelium vor einem Pessach-Festund gilt als Auftakt der Passionsgeschichte. Es ist gut möglich, dass die damalige Tempel -aristokratie rund um die Sadduzäer die AktionJesu als offenen Angriff auf ihre Autorität undProfitquelle verstanden hat: Da kritisiert einMann aus Galiläa die gängige Tempeltradition –und die Tempelverantwortlichen bekommenAngst, wollen ihn zum Schweigen bringen undbeschliessen, Jesus zu töten, wie die Bibel berichtet. Falls die Tempelaktion tatsächlich imVorfeld des jüdischen Pessach-Festes stattge-funden hat, ist diese drastische Reaktion realis -tisch: Nach Einschätzung vieler Historikermüsste eine derartige Handlungsweise von derbesonders in Festzeiten wachsamen und strengdurchgreifenden Tempelpolizei unmittelbar ge-ahndet worden sein.

Zu Gast am Pessach-FestFür die Schweizer Reisegruppe, die an diesemTag unter der Leitung der St. Galler TheologinMonika Renz in Jerusalem unterwegs ist, stehtvorerst nicht das «letzte Abendmahl» Jesu imVordergrund, sondern die Teilnahme an einertraditionellen Pessach-Feier, wie sie heute nochjedes Jahr von gläubigen Jüdinnen und Judenin Erinnerung an die Befreiung der Israeliten ausder ägyptischen Sklaverei begangen wird. AufEinladung eines jüdischen Ehepaars – Lea BelzWiseman und David Wiseman – wird es mög-lich, die reichhaltigen Rituale des sogenannten«Sederabends» in einem jüdischen Kibbutz amsüdlichen Stadtrand Jerusalems mitzuerleben.Nach den unerfreulichen Ereignissen vom Vor-mittag ist die Reisegruppe froh, dass sie amAbend dann doch noch in entspannter undfröhlicher Atmosphäre an einem wichtigen Er-eignis innerhalb des jüdischen Festkalendersteilhaben kann. Zur Festvorbereitung wurden im Kibbutz bereitsin der Vorwoche sämtliche gesäuerten Nah-rungsmittel verzehrt und die noch verbleiben-den Reste in einem grossen Hausputz entfernt.Für gläubige Juden ist klar, dass das Haus bis

auf den letzten Krümel gereinigt werden muss, denn am «Festder ungesäuerten Brote» dürfen im Haushalt nur Mazzen vorhan-den sein. Das sind dünne, aus Mehl und Wasser ohne Hefe her-

Lea Belz zündet zu Beginn des Pessach-Festes die Kerzen an.Auf dem Tisch steht der Sederteller mit vielfältigen symboli-schen Speisen. Bei der Aufzählung der zehn Plagen schüttetDavid Wiseman bei jeder Plage mit dem Finger einen TropfenWein zu Boden.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 25

Page 26: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

26

gestellte knusprige Fladenbrote. Sie erinnern an die biblischeÜberlieferung, wonach die Israeliten so rasch aus Ägypten aus-ziehen mussten, dass zum Säuern und Gärenlassen der Broteals Reisenahrung keine Zeit mehr blieb.

Sederteller mit vielfältigen SpeisenVor dem Beginn der eigentlichen Feier des Sederabends («Seder»= Ordnung ) zündet Lea Belz als offizielles Eröffnungsritual derPessach-Woche die Kerzen auf dem Tisch an. Danach spricht ihrEhemann David Wiseman über einen Becher Wein den Kiddusch-Segen und wäscht danach seine Hände in einer Wasserschale.Traditionsgemäss stellt die Jüngste am Tisch die Frage: «Wasunterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten?» Und

David Wiseman antwortet darauf: «An allen anderen Nächtenessen wir Gesäuertes und Ungesäuertes, heute Nacht nur Unge-säuertes.»An diesem Abend stehen auf dem Tisch neben Wein und Maz-zen, die in eine Serviette eingehüllt sind, auch verschiedene Se-derteller bereit, auf denen vielfältige Speisen mit symbolischerBedeutung zu sehen sind: ein gebratener Schafsknochen, Bitter-kraut, Petersilie, ein Gefäss mit Salzwasser, ein gekochtes Ei und Charosset. Lea Belz erklärt den Gästen die genaueren Hintergründe dieserSpeisen: «Der gebratene Schafsknochen auf dem Teller symboli-siert das Lamm, das vor dem Auszug aus Ägypten geschlachtetwurde.» Laut Bibel musste jede israelitische Familie abends dieTürpfosten mit dem Blut eines Schafes oder einer Ziege bestrei-chen, damit an den so markierten Häusern der Todesengel vor-übergehe, während er Gottes Strafaktion an Ägypten vollstrecke.Als letzte Plage für den Pharao habe der Engel des Herrn – soerzählt die Sage – alle Erstgeborenen der Ägypter sterben las-sen, die der Israeliten aber verschont. Das Wort «Pessach» meintdenn auch «Vorübergang» Gottes, «Verschonung» durch Gott.

BefreiungserinnerungWeiter erklärt Lea Belz: «Das Bitterkraut auf dem Teller deutet aufdie bittere Zeit während der Sklaverei in Ägypten hin, währenddas Gefäss mit Salzwasser die vergossenen Tränen und die Eierden Neuanfang symbolisieren.» Nicht fehlen darf an diesem Abendauch das Charosset, ein bräunlich-rotes Mus aus Äpfeln, Rosinen,Zimt, Feigen und gehackten Nüssen, das an die Lehmziegel er-innert, welche die Israeliten in Ägypten für den Pharao herstellenmussten.Im Zentrum der Pessach-Feier steht die vom Hausvater vorgele-sene Erzählung vom Auszug aus Ägypten («Haggada» genannt,was übersetzt «Erzählung» heisst). In vielen Bildern und Symbol-handlungen werden die Fronarbeiten während der Sklaverei dargestellt, der verstockte Pharao und die zehn Plagen sowieder Weg durch das Schilfmeer zur Rettung vor den Ägyptern. Ineiner kurzen Ansprache erläutert David Wiseman, dass die Erin-nerung an diese Befreiungserfahrung für die Juden von heraus-ragender Bedeutung ist: «Wir erinnern uns an der heutigen Feierdaran, dass uns Gott immer wieder die Freiheit schenkt. Gleich-zeitig machen wir uns auch bewusst, dass die Zehn Gebote dieGrenze dieser Freiheit markieren.» Während des Abends werden zahlreiche Lieder in hebräischerSprache gesungen und vier Becher Wein getrunken. Ein fünfterBecher wird gefüllt, aber nicht geleert. Es handelt sich um den«Becher des Elia», der auf die erhoffte letzte Erlösung des VolkesIsrael hinweist. Deshalb wird im Verlaufe der Feier die Tür geöff-net: Erwartet wird für jedes Pessach immer wieder neu die Rück-kehr des Elia, Vorzeichen der Ankunft des Messias, der vor derTür steht.Schliesslich kann der Sederabend nicht beendet werden, bevorder sogenannte «Afikoman» gefunden ist – ein Ritual, das sichbesonders bei den jüngsten Teilnehmenden grosser Beliebtheiterfreut: Gemeint ist damit ein bestimmter Teil der Mazzen, diewährend des Abends versteckt werden, um dann als Nachspeisenach dem eigentlichen Mahl gegessen zu werden. Die Prozedurdes Wiederauffindens des Afikomans stellt gerade für die Kinderein willkommener Spass dar, auf den sie sich während der Feier,die bis zu drei Stunden dauern kann, ganz besonders freuen.

GLAUBENSVIELFALT

Drei Mazzen wurden in eine Serviette eingehüllt –und zum Abschluss der Feier erhält die jüngsteTeilnehmerin ein kleines Geschenk.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 26

Page 27: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

8 1

2

7

3

6

5 4

2/20

15

KREUZQUER

27

«Kurzer Ausruf» – und «Kopf hoch»!

Von der Mitte aus, dem gelben Punkt, strahlenförmig den fett-umrandeten Feldern entlang nach aussen 8 Wörter eintragen, die mit demselben Buchstaben beginnen!Die gesuchten Buchstaben ergeben zuerst im gelben Quadrät-chen, dann im Uhrzeigersinn in den blauen und nochmals imUhrzeigersinn in den violetten 5 Lösungswörter in Mundartaus-drücken, auch mal gedehnt. Noch ein Hinweis: Vielleicht auchschon durch jenes Stadttor geschritten?

1 nacheinander: Kauz, Sonderling nennt man etwa auch …. «brötler» sowie Inselstaat im Nordatlantik, wo im März 2010 der riesige Vulkan Eyjafjallajökull ausgebro-chen war

2 Hochebene im Berner Oberland oberhalb Adelboden ohne die zwei letzten Buchstaben

3 nacheinander: Laubbaum, Mz, wie Ort im Ländle (FL), CH ein Feld sowie Name des «Rüeblikantons»

4 nacheinander: versch. Gerichte im gleichen Gefäss gekocht sowie grösser als Hügel

5 Speisekosten, Mz, die zwei aufeinanderfolgenden, gleichen Mitlaute in einem Feld

6 nacheinander: Lux ist jene der Leuchtstärke sowieergeben wie etwa gewissenhaft

7 nacheinander: Dekret, Verfügung, Anordnung; die bei-den gleichen Mitlaute in einem Feld sowie erstellt keineHäuser, dafür Gräben, Strassen usw. (….. -Unterneh-mung); die ersten beiden Selbstlaute in einem Feld

8 nacheinander: bürgerlicher Vorname von Papst Pius XII.,der erste seiner vier, dt. Schreibweise sowie Probe, Routine, Fertigkeit (Umlaut ein Feld) sowie der erste Buchstabe der österlichen Busszeit

Auflösung des Rätsels aus Heft 1/2015

1 Gesundheit 2 Gesang 3 Blumen 4 See 5 Ostern 6Wind 7 Herbstzeit-lose 8 Kur 9 Kuckuck 10 Natur 11 Firne 12 Fahne 13 Pose 14 Reisen15 Glücksbringer 16 Musik 17 Sonne 18 Berge 19 Lied 20 Liebe

DES LEBENS SICH ERFREUN

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 27

Page 28: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

28

Alles haben sie verlorenDrei Menzinger Schwestern helfen Menschen im Norden Iraks nach Unruhen und Verfolgungen.

ersten Tag Essen, Medikamenteund andere Versorgungsgüter. Ich bin sehr glücklich, dass uns einganzes Team zur Verfügung gestelltwurde: Priester, Schwestern undJugendliche. Sie alle setzen sichTag und Nacht ein, den Menschenin ihrer Not zu helfen. Ärzte undApotheker haben sich in Arbeitstei-lung eine gut funktionierende, einfa-che Klinik eingerichtet. Wir dreiSchwestern, Pflegefachfrauen ausIndien, sind stolz, dem Team anzu-gehören.

Glauben nicht verlorenSeit wir mit diesen intern Vertriebe-nen arbeiten, empfinden wir wirk-lich mit ihnen das Leid, das sie traf.Alles haben sie verloren: ihre Häu-ser, ihr Land, ihr ganzes Eigentum,ihre Arbeit und Ausbildung usw.Jetzt sind sie voll auf unsere Hilfeangewiesen. Wenn wir mit ihnenreden, sehen wir die Tränen in ihrenAugen. Was uns hingegen erstaunt

NOTHILFE

22089

MENZINGER SCHWESTERN

NOTHILFE

Die Schwestern Jaisy (links) und Seraphine mit Kindernin der Bibliothek. (Bilder: Menzinger Schwestern)

SR. NORA KOTTACKAL

Wir drei Schwestern Seraphine, Jaisy und Nora aus der südindi-schen Provinz der Menzinger Schwestern haben unsere neueMission in Ankawa bei Erbil anfangs Februar 2014 aufgenommen.Wir arbeiten für die intern Vertriebenen im Norden Iraks.Wie Sie wissen, wurden durch den IS Menschen gezwungen,ihre Heimat in der Niniveh-Ebene zu verlassen. Dieser Massen-exodus brachte ungefähr 15000 Familien nach Erbil. Es sind vorallem Christen und Jesiden aus Mosul, Karakosh, Berthela usw.Der chaldäische Erzbischof Bashar Matti Warda hat liebenswür-digerweise alle Geflohenen aufgenommen. Die Menschen lebenin Zelten, Wohnwagen, einige in Schulen oder in Bauruinen. Sie wurden bei ihrer Ankunft registriert und erhielten seit dem

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 28

Page 29: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

29

STREIFZÜGE

und tröstet, ist, dass sie ihren Glauben Gott nicht verlorenhaben. Ja, sie bestätigen uns, sie seien eher noch gestärkt worden, denn: «Jesus hat unsere Leben gerettet. Wir glauben anGott wie die Israeliten, eines Tages wird er uns auch ins GelobteLand führen!» Auf unseren Besuchen im Camp haben wir Men-schen getroffen, die schon zwei bis drei Mal fliehen mussten. Ei-nige möchten den Irak verlassen und in einem anderen LandUnterschlupf finden. Dafür benötigen sie Geld und für Visa dierichtigen Beziehungen. Beides fehlt.Ja, unsere Gespräche sind traurig. Jede und jeder von ihnen hateine tragische Geschichte zu erzählen. Ein paar Beispiele untervielen anderen, die uns betroffen machten: «Ich war 30 Jahrelang Lehrerin in Mosul. Ich hatte ein glückliches Leben mit mei-nem Mann und den Kindern. Wir lebten in einem dreistöckigenHaus. Über Nacht verloren wir alles», erzählte eine Frau uns wei-nend. «Wir rannten weg, um unser Leben zu retten, und liessenalles liegen. Jetzt sitze ich da in einem Zelt und bin darauf ange-wiesen, dass mir jemand tägliches Brot bringt.» Ein dreijährigesKind sagte: «Die Terroristen haben alle meine Kleider genommenund meine Spielzeuge gestohlen. Wenn ich die nochmals sehe,werde ich sie töten!» Und ein 75-jähriger Mann klagte: «Wir sindhier angekommen nur mit dem, was wir auf dem Leib trugen.

Aber die Kirchenverantwortlichen waren sehr grosszügig undhaben uns beschenkt mit dem Nötigsten für unser Leben!»

Geflohenen helfenEine andere Erfahrung, die uns Freude bereitet, sind die vielenNeugeborenen im Exil. In einem Camp der Kirche gibt es gar dreiBabys. Das jüngste ist ein Knäblein, das Elias heisst, genanntnach unsere Kirche «Mar Elyia Church». Obwohl unser Bischof eine neue Schule bauen liess, können vieleKinder und Jugendliche den Unterricht nicht besuchen. Aus die-sem Grund bieten wir Kurse an in Informatik, Musik, Englischusw. Wir starteten auch mit einer Bibliothek, wo wir einfache Bü-cher, Spiele für intellektuelle und kreative Aktivitäten wie Puzzles,Holzspiele, Malen, Handarbeiten und mehr anbieten. Viele Ju-gendliche sind zu freiwilligen HelferInnen geworden. Wir träumendavon, eine kurze Ausbildung für Hilfs-Pflegepersonal mit Theo-rie und Praxis anzubieten. Dadurch könnten wir jungen Fraueneine Chance auf Arbeit geben und in den Camps wäre für denPflegedienst besser gesorgt.Wir fragen Sie an, ob Sie uns mit einer kleinen Wohltätigkeits-spende helfen können. Und wir bitten ums Gebet für uns undunsere neue Heimat, den Irak. Gott segne Sie mit seiner Liebeund Freude!

schiedenen Spiel- und Hörstationen müs-sen konkrete Fluchtentscheidungen getrof-fen werden, die es letztlich erlauben, fürdie Probleme und Leiden der Flüchtlingesensibel zu werden. Die Ausstellung desMissio-Trucks zeigt ausserdem globale Zusammenhänge von kriegerischen Kon-

ks/so Über 50 Millionen Menschen sindweltweit auf der Flucht. Was treibt siedazu, die Heimat zu verlassen? Mit wel-chen Gefahren sind sie konfrontiert? Der«Flucht-Truck» von Missio gibt Antwort aufsolche Fragen und er sensibilisiert für dieSituation der Flüchtlinge und stärkt dasweltweite Solidaritätsbewusstsein. Tat-sächlich durchleben Junge und Alte,Frauen und Männer dramatische Situatio-nen, die sie zur Flucht zwingen. Und derWeg auf der Suche nach einer besserenZukunft und einem menschenwürdigenLeben ist mit tragischen Schicksalen gepflastert. ln Zusammenarbeit mit derSchweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH)wird der 20 Meter lange Flucht-Truck mitder Ausstellung «Menschen auf derFlucht» vom 4. bis 12. Mai 2015 in derSchweiz unterwegs sein. Der Ausstellunggelingt es, die Wirklichkeit einer Flucht realitätsnah aufzuzeigen. Dazu versetztman sich mittels interaktiven Bildschirmenin die Rolle eines Flüchtlings aus dem Ostkongo, der vom dortigen Bürgerkrieg eingeholt wird. An sechs thematisch ver-

flikten auf und stellt eine Verbindung zuunserem Konsumverhalten her. Geplant istauch eine Begegnung mit einer direkt betroffenen Person, die Stationen aus ihrer eigenen Flucht-Geschichte erzählen wird.Weitere Informationen auf: www.flucht-truck.

MISSIO: UNTERWEGS FÜR MENSCHEN AUF DER FLUCHT

Der 20 Meterlange Flucht-Truck von Missio.(Bild: Missio)

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 29

Page 30: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

30

WELTWEIT-PROJEKT AM SCHWEIZER FERNSEHEN

Bevölkerung ist unzureichend. Am Sonn-tag, 28. Juni ab 19.20 Uhr wird «mitenand»eindrücklich schildern, wie notwendig un-sere Hilfe ist. Der Beitrag handelt von Mo-hammed, einem kleinen Jungen aus deräthiopischen Provinz, dem aufgrund einerFehldiagnose ein Auge entfernt wurde,bevor er dank besserer Diagnose im TikurAnbessa Hospital erfolgreich gegen Lymph-drüsenkrebs behandelt wurde. Der Fall istheftig und aussergewöhnlich, zeigt aber

Erinnern Sie sich noch ans Aslam-Projektdes Katharina-Werks zur besseren Dia-gnose bei krebskranken Kindern in Äthio-pien, über welches WeltWeit 5/2012berichtete? Dieses Projekt wird durch SRF 1ausgestrahlt in einem Filmbeitrag von Ma-thias Stickel in der Sendung «mitenand»,welche jeweils am Sonntagabend vor derTagesschau ausgestrahlt wird. Äthiopien gehört zu den ärmsten Ländernder Welt. Die medizinische Versorgung der

Am 6. Januar wählte das Provinzkapitelder Redemptoristen in Neustadt (D) dieneue Leitung der Provinz St. Clemens fürdie Jahre 2015 bis 2018. Als Provinzrätewurden die Patres Jan Hafmans, LudgerWolfert, Jürgen Lange und Winfried Paulygewählt. Der Provinzial P. Johannes Rö-melt war bereits im November 2014 direktvon den Provinzmitgliedern mit über 80 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt

worden. Seit 2005 bilden die Redemptoris -ten der Schweiz, der Niederlande, vonFlandern (B) und vom nördlichen TeilDeutschlands eine einzige Provinz. Ihr ge-hören rund 20 Niederlassungen mit rund250 Priestern und Brüdern an. Weltweitgibt es rund 5300 Redemptoristen in 78Ländern. Weitere Infos: www.stclemens.org

DOMINIKANERINNEN: 150 JAHRE KLOSTER ILANZ

REDEMPTORISTEN: PROVINZLEITUNG GEWÄHLT

Trotzdem: Wir Dominikanerinnen wollen indiesem Jahr ganz unbescheiden unsere150 Jahre zelebrieren. Begonnen hat’s mitder Vernissage einer Wanderausstellung, dieAuskunft gibt über uns und unser Wirken.Thematisch zeigt sie sechs Schwerpunkteauf: Gründung, Gemeinschaft, Bildung, Ge-sundheit, Spiritualität und Übersee (China/Taiwan, Brasilien). Es war eine gute Idee,lokale Medien auf diese Vernissage unddamit auf unser Jubiläum aufmerksam zumachen. Wir spüren bereits Echos aus derBevölkerung. Nachdem wir im Kloster selbstdie bebilderten Info-Tafeln Gästen und Be-sucherInnen präsentiert haben, ist nun un-sere Ausstellung am Wandern: Lenzerheide,Lenz, Camuns, Gommiswald usw. Zurzeitbefindet sie sich in Siat, einem Dorf unweitvon Ilanz. Dieses romanischsprachige Dorf

Für ein Kloster sind 150 Jahre kein Alter,wenn man bedenkt, dass in unserer Nach-barschaft die Benediktiner in Disentis ge-rade erst 1400 Jahre gefeiert haben!

ist der Geburtsort von Dr. Johann Fidel De-puoz. Mit einer kleinen Gruppe von Frauensetzte er 1865 den Anfang zu dem, washeute ganz einfach das Kloster Ilanz ist.Um die Bevölkerung von Ilanz auf unserJubiläum und unser Engagement in Über-see aufmerksam zu machen, gingen wirmit einem Stand auf den örtlichen Advents-markt. Wir verkauften gleichzeitig Gestrick-tes zugunsten unserer Aufgaben in Brasilien.Unser eigentliches Jubiläumsfest startetam 13. Juni 2015. Es soll ein Begegnungs-tag mit der Bevölkerung werden, ein Tagder offenen Tür. Wir stecken mitten in denVorbereitungen. Den offiziellen Schluss-punkt des Jubiläumsjahres setzen wir imKloster selbst, am 3. Oktober mit gelade-nen Gästen. Sr. Ingrid Grave

Die neue Provinzleitung der Redemptoris -ten: (von links) Jürgen Lange, Jan Haf-mans, Johannes Römelt, Ludger Wolfert,Winfried Pauly.

Das Kloster Ilanz mit dem Haus der Begeg-nung rechts. (Bild: Dominikanerinnen)

sehr unmittelbar die Notwendigkeit korrek-ter Diagnosen, die nun dank der Unterstüt-zung des Universitätsspitals Basel und desKatharina-Werks immer besser werdenkönnen. Der Filmbeitrag wird später auchim Tessiner und Westschweizer Fernsehenausgestrahlt. Über die neuste Entwicklungim Aslam-Projekt lesen Sie auf Seite 31. Hans Corpataux

STREIFZÜGE

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 30

Page 31: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

31

2/20

15

BRÜCKENSCHLAG

Hoffnung fürKinder mit Krebs Das Aslam-Projekt schafft in Äthiopien Grundlagenzur besseren Diagnose und Heilung von Krebs-krankheiten bei Kindern.

PROJEKTHILFE

34033

KATHARINA-WERK

• Ausbildungsaufenthalte für lokale Pathologen am Institutfür Pathologie der Universität Basel.

• Diagnostik und Weiterbildung via Internet. • Besuche durch unser Team, um die Fortschritte vor Ort zu

verfolgen.

Im Rahmen des Ausbildungsprogrammes am Institut für Patho-logie hat Frau Dr. Mahlet Arayaselassie im Jahre 2012 in Baseleinen Ausbildungsaufenthalt für Hämatopathologie absolviert.Dieser wäre ohne das grosszügige Angebot des Katharina-Werks Basel, Frau Arayaselassie kostenlos bei sich unterzubrin-gen, nicht durchführbar gewesen. Bekanntlich machen hoheUnterkunftskosten Ausbildungen für Leute aus Entwicklungs -ländern unerschwinglich. Inzwischen hat unser Projekt weitere Fortschritte gemacht undauch wir haben viel dazugelernt. Insbesondere wurde es unsklar, wie wichtig es ist, mit den lokalen Partnern auf Augenhöhezu verkehren und sie voll in den Entscheidungsprozess miteinzu-beziehen. So entstand gegenseitiges Vertrauen, das alle Beteilig-ten zur Mitarbeit motiviert. Nach Dr. Arayaselassie haben wir im Herbst 2014 wieder dieGastfreundschaft des Katharina-Werks in Anspruch genommen,um Dr. Tufa Gemechu, den Chef des pathologischen Instituts amTikur-Ambassa-Spital, für einen Ausbildungsaufenthalt am Pa-thologischen Institut der Universität Basel einzuladen. Dr. Tufawurde in die Diagnostik von Knochen- und Weichteiltumoren eingeführt, die häufig bei Kindern vorkommen.

Eine nachhaltige Verbesserung der Krebsdiagnose bei Kindernsetzt neben gut ausgebildeten Ärzten und Laboranten auch einegute allgemeine Organisation aller Teile eines Institutes für Pa-thologie voraus, und dazu gehört eine zuverlässige Datenver-waltung. Deshalb wird als Nächster ein junger äthiopischerInformatiker am Universitätsspital in Basel spezifisch in Spital-informatik ausgebildet. Wir sind stolz darauf, den ersten Spital-informatiker für ganz Äthiopien oder Afrika ausbilden zu dürfen. Das Internet erlaubt uns, dauernd mit unseren Partnern in Kon-takt zu bleiben und diagnostische Probleme zu diskutieren. Dieregelmässigen online-Konferenzen sind ein wichtiger Beitrag zurWeiterbildung der jungen Ärzte. Zusätzlich werden 2015 mehrerePathologen aus Basel nach Addis Abeba reisen, um die Ausbil-dung vor Ort zu vervollständigen. LaborantInnen aus Basel wer-den da die Labororganisation optimieren. So hoffen wir, dasInstitut für Pathologie des Tikur-Ambassa-Spitals Schritt für Schrittzu einem Referenzzentrum für ganz Äthiopien auszubauen.

DanksagungAusser dem Katharina-Werk wollen wir den Mitarbeitern des Institutes fürPathologie, Universität Basel für ihre unentwegte Unterstützung danken:Herrn A. Ernst, Ressort ICT, Universitätsspital Basel für sein Engagementfür die Informatik; Biosystems und Sophistolab, Muttenz, für die Beschaf-fung von Reagentien und Laborzubehör.

NINA HURWITZ

Um die Heilungsaussichten krebskranker Kinder in Äthiopien zuverbessern, muss für eine gute Ausbildung von Fachärzten ge-sorgt werden. Die Schaffung geeigneter Infrastrukturen wie Spital-betten, zuverlässige Versorgung mit Medikamenten und Betreuungder Familien stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Eine un-erlässliche Voraussetzung für adäquate Krebsbehandlung ist diekorrekte Diagnose der Krebsart. Ein Team von Pathologen undHämatologen der Universität Basel und der Universität Coimba-tore in Indien hat die Aufgabe, das Niveau der Krebsdiagnostikzu verbessern. Dafür haben wir drei Ansatzpunkte gewählt:

Online-Weiterbildung: Professor P.Meyer, Spezialist für Augenpathologie,sitzt in seinem Büro in Basel und er-klärt Zuhörern in Äthiopien einenschwierigen Fall. (Bilder: zvg)

Professor A. Tichelli, emeritierter Leiterdes Hämatologischen Zentrallabors desUniversitätsspitals Basel, diskutiert vor

Ort mit Ärzten und LaborantInnen dieQualität der Blutausstriche.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 31

Page 32: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

32

DORIS HORBER *

Die Missionsfranziskanerinnen von Maria Immakulata empfan-gen uns im Haus Orphelinat Saint Joseph, führen uns durch dieRäume der Kinder, die gerade ihr Mittagsschläfchen halten. Injedem Raum sind sechs kleine Bettchen, das Moskitonetzchenauf einem Metallgestell zurückgeschlagen. Sie schlafen friedlich.Ein ganz kleines Bübchen ist drei Monate alt, doch es sieht auswie gerade erst geboren – eine Frühgeburt. In einem Bettchenschlafen Zwillinge. Alle Kinder sind ohne Mutter, da sie währendder Geburt oder kurz nachher gestorben ist. Constanze erzähltdie einzelnen Schicksale, viele Mütter haben Komplikationen mitder Plazenta gehabt. Wir sind sehr berührt. Die Familie gibt dieBabys im Orphelinat ab, wo sie versorgt und ernährt werden.Zurzeit sind 13 Säuglinge und drei etwa halbjährige Kinder in derStation. Manchmal kommt der Papa vorbei und schaut nachihnen oder gibt etwas Mais ab für die Frauen. Wenn die Kinder

grösser sind, kehren sie oft wieder in ihre Familie zu-rück oder im Dorf stellt sich eine Grossfamilie zur Ver-fügung, die Kinder aufzunehmen. Obwohl die Situationim Kinderheim sehr traurig stimmt, sind die Kinder wenigstens gut untergebracht, die medizinische Ver-sorgung ist sichergestellt und dank der Babynahrungaus der Schweiz müssen sie keinen Hunger leiden.Durch die geregelte Ernährung sind die Kinder fast niekrank. Die vier Mamans schauen auch sehr herzlich zuden Babys, lachen mit ihnen und knuddeln sie. Natür-lich geht es nicht so steril und sanft zu und her wie beiden Schweizer Müttern. Ein Baby trinkt allein seineFlasche, ein anderes wird am Arm hochgehoben, Win-deln gibt es keine. So müssen die Frauen umso mehrKinderkleider und Leintücher waschen – jeden Tag ingrossen Plastikgelten auf dem Boden, mit Seife undvon Hand.

Viel lastet auf den Frauen Wir unternehmen zusammen mit den Schwestern undPauline, einem ungefähr zehnjährigen Mädchen, dasmanchmal die einheimische Sprache Bambara über-setzt, einen Spaziergang durchs Dorf. Alle wichtigen

Personen müssen besucht werden: der Chef des Dorfes, derMuselmann, der Medizinmann. Es wird ein sehr eindrücklicher Rundgang durch das reale Lebender Dorfgemeinschaft. Die Hütten stehen dicht beisammen,manchmal gleich anschliessend das Maisfeld, im Innenhofraucht das Feuer. Das Dorf Karangasso umfasst vier Quartiereund viele kleine Nebendörfer. Es leben Christen, Muslime undNaturreligionen friedlich zusammen. Meistens in Grossfamilienmit Alt und Jung. Die Muslimmänner haben oft mehrere Frauenund dementsprechend viele Kinder. Oft sind es fast noch Mäd-chen, die ihr Kleines auf dem Rücken tragen. Die Frauen arbei-ten hier sehr hart. Die ausgetrockneten Felder müssen gehacktund bepflanzt werden, von früh bis spät sind sie auf dem Acker,die Kinder mit dabei. Es werden Baumwolle, Mais, Miel und Erd-nüsse angepflanzt. Die Feldarbeiten dauern von Beginn der Regenzeit im Juni bis zur Ernte Ende November. Auch der Haus-halt, das Waschen, das Kornstampfen und das Kochen für die

Constanze, eine der vier Mamans, mit dreiihrer «Schützlinge». (Bilder: Doris Horber)

PROJEKTHILFE

30067

MISSIONSFRANZISKANERINNEN VON MARIA IMMAKULATA

Menschlichkeit in den AlltagDurch ihr Waisenhaus, ihre Bildungs- und Hilfsprojekte bringen Franziskanerschwestern den Frauen in Karangasso, Mali, Chancen auf ein selbstbestimmteres Leben.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 32

Page 33: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

33

PROJEKTHILFE

2/20

15

ganze Familie ist Frauensache. Einseitige, vitaminarme Ernäh-rung mit Mais und Maniok, fast ohne Gemüse, trägt nicht vielPositives zu einer guten Gesundheit bei. In der Dorfschule werden die Kinder von der 1. bis zur 6. Klasseunterrichtet. Ein Lehrer ist zuständig für 150 bis 180 Schüler ineinem Schulzimmer! Leider sorgt er mit einem dicken Prügel fürZucht und Ordnung. Dieser hinterlässt oft Wunden bei den Kindern.

Bildung und LebenshilfeAm Sonntag besuchen die Schwestern die Kranken des Dorfes –eine zusätzliche Anstrengung, doch für die Dorfbewohner sehrwichtig. Die Mission hat eine kleine medizinische Versorgungs-station – Dispensaire – aufgebaut. Hier findet die erste medizini-

sche Versorgung der Dorfbevölkerung statt. Die Behandlungs-räume sind wohl mit Untersuch, Zahnarzt, Impfung, Labor ange-schrieben, doch die Möglichkeiten sind mehr als dürftig. Oftbleibt auch nur die Chance, ein Schmerzmittel oder ein Aufbau-präparat zu verabreichen. Immerhin bringt seit August eine rich-tige Krankenschwester aus dem Franziskanerorden auf derStation fachliche Unterstützung. Nebenan befindet sich die Schwangerenstation. Eine Kranken-schwester unterstützt die Frauen während ihrer Schwanger-schaft und steht ihnen bei der Geburt zur Seite. Es wäre dankSolaraufbereitung wohl der einzige Ort im Dorf mit warmemWasser, wenn sie funktionieren würde. Während unseres Besu-ches musste eine Frau mit Steisslage ins Krankenhaus von Kou-tiala gefahren werden. Sehr vieles ist im Dorf mit Schweizer Hilfe erbaut und in Betriebgenommen worden: ein kleines Lager für die Verteilung von Mais

und Reis für die Ärmsten; eine Nähstation (mit Tretnähmaschinenaus der Schweiz); eine kleine Boutique mit Stoffangebot und Verkaufsmöglichkeit für die genähten Sachen; ein öffentlichesWC neben den Marktständen als erster Schritt zur Hygiene, aufdie jedoch hingewiesen werden muss; Informationsräume, indenen sie die Frauen hygienisch aufklären und vor allem Alpha-betisierung betreiben können. Das Alphabetisierungsprojekt wirdsehr gerne und von sehr vielen Frauen gut besucht. Sogar Altesind wissbegierig. Im Dezember, wenn die Arbeit auf dem Feldruht, beginnt das Lernprogramm wieder. Die Frauen bringen ihrekleinen Kinder mit und haben grossen Spass, das Alphabet zulernen, ihren Namen zu schreiben, Zahlen kennenzulernen unddamit an ihrer Selbständigkeit zu arbeiten. Im Dorf wird den

Mädchen der Schulbe-such mehrheitlich verwei-gert. Auch sonst ist dieFrau dem Mann sehr un-tertan, sie ist für die Arbeitund das Kinderbekom-men da. Als nächstesProjekt im 2015 wird aufdie Eröffnung eines Kin-dergartens hingearbeitet.Bei der unzähligen Kinder-schar, die im Dorf herum-springt, eine bestimmtwirkungsvolle Planung.

Wertvolle EntwicklungshilfeAuf der Missionsstationkönnen wir in einem sehrschlichten Zimmer woh-nen und wir sind zumEssen bei den Schwes -tern eingeladen. Es ist eineinfaches Leben, das sieführen. Sr. Gloria Ceciliaist schon seit 12 Jahren inAfrika, vorher in Beninund jetzt das fünfte Jahrin Mali. Wir spüren überalldie herzliche Güte, dieSchwester Gloria aus-

strahlt. Für jeden hat sie ein gutes Wort übrig, setzt jedoch auchGrenzen, wo das notwendig ist. Der ihr entgegengebrachte Re-spekt und das Wissen um die wertvolle Arbeit der Missionssta-tion ist allgegenwärtig. Wir können nur staunen und Achtunghaben über so viel Durchhaltewillen und Gottvertrauen.

* Doris Horber ist eine gute Freundin von Laura Schmiedeknecht, Missi-

onsprokuristin der Franziskanerinnen von Maria Immakulata. Zusammen

mit ihrem Mann Urs ist sie Mitte Mai 2014 in einem ausgetüftelten Wohn-

container auf einem Kleinlaster zu einer vierjährigen Weltreise aufgebro-

chen, nachdem sie zuvor ihr Haus in St. Gallen verkauft hatten. Da sie

auch in Mali vorbeikamen, besuchten sie die Missionsstation in Karan-

gasso. Ihre Erlebnisse können auf www.langireis.com verfolgt werden.

Die Missionsstationin Karangasso,welche sich spe-ziell für Frauen einsetzt, mit derleitenden Schwes -ter Gloria.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 33

Page 34: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

PROJEKTHILFE

34

seite stehen, die erwerbslos sind oder aus Krankheitsgründenkein oder ein sehr kleines Einkommen erzielen. Diese Menschenwerden durch das politische und neoliberale System ihrer Rechteberaubt – und Leidtragende sind deren Kinder. Um auch die Kinder dieser Familien im «Bem Me Quer» aufneh-men zu können, haben die Schwestern Jacinta Fátima de Souza

und Vera Ferreira vor längerer Zeit einen Fonds eingerichtet. Ausdiesem Fonds werden nach genauen Abklärungen Teile oder diegesamten Pensionsbeiträge übernommen. Ziel ist es, dass sichdiese Familien – wenn auch mit geringen Beiträgen – trotzdeman der Finanzierung der Betreuungskosten beteiligen. Auch die-sen Kindern gehört das Recht auf eine qualitativ hochwertigeBildung und Betreuung in Würde. Die Ilanzer Dominikanerinnendanken Ihnen von Herzen für Ihren Beitrag an diesen Fonds, derarmen Familien Hoffnung spendet!

PIUS SÜESS

Die Kindertagesstätte «Bem Me Quer» in Itapetininga, Brasiliennimmt seit 1977 Kinder im Alter von drei Monaten bis fünf Jahreauf. Im vergangenen Jahr wurden täglich 102 Kinder von den Ilan-zer Dominikanerinnen und deren Helferinnen ganzheitlich betreut.

Nachdem in der Gründungszeit die Umgebung des Kinder-zentrums noch ein Armenviertel war, hat es sich im Verlauf dervergangenen Jahre deutlich verbessert: Vessere Arbeitsmöglich-keiten und damit die Verbesserung der Einkommenssituationverbunden mit besseren Sozialleistungen ermöglichen vielen Familien heute ein würdiges Leben. Ursprünglich wurden diearmen Kinder gratis betreut, heute bezahlen die meisten einenangemessenen Pensionsbeitrag.

Trotz der Erfolgsgeschichte: Wir dürfen jene Eltern nicht verges-sen, die in diesem Quartier auch heute noch auf der Schatten-

Schwester Vera (Bildmitte mit Rücken zur Kamera)hilft mit weiteren Mitarbeiterinnen den Kindernbeim Mittagessen. Und der Opa bringt seinen Enkelin das «Bem Me Quer»: DIe Schwestern Ana Paulaund Jacinta empfangen die Kinder.

Warum nicht? Kinder in der Tagesstätte «Bem Me Quer»lieben Geschichten (Bilder: Pius Süess)

PROJEKTHILFE

35005

ILANZER DOMINIKANERINNEN

«Bem Me Quer» heisst «Hab mich lieb» und ist nicht nur der Name, sondern auch Programm der Kindertagesstätte in Itapetininga, Brasilien.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 34

Page 35: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

35

Flüchtlingshilfe bei Erbil im Irak (S. 28–29).

Bekämpfung von Krebskrankheiten bei Kindern in Äthiopien (S. 31).

ALLGEMEINE SPENDEN

Mess-Stipendium (Fr. 10.–)40 001Kinder- und Jugendarbeit («Taufspende»)40 003

Hungernde40 004Lepra und andere Tropenkrankheiten40 005

Waisenhaus, Alphabetisierung und Berufsausbildung für Frauen im west-afrikanischen Mali (S. 32–33).

Fonds der Kindertagesstätte «Bem Me Quer» in Itapetininga, Brasilien (S. 34).

Gesundheitsklinik St. Alfons in Cochabamba, Bolivien (S. 37).

Kinder in Not40 015

WÄHLEN SIE DIE KENNZIFFER IHRER SPENDE.Postkonto: Freiburg 17-6021-7

PROJEKT und NOTHILFE

22089MENZINGER SCHWESTERN

34033KATHARINA-WERK

30067MISSIONSFRANZISKANERINNEN

VON MARIA IMMAKULATA

35005ILANZER DOMINIKANERINNEN

28092REDEMPTORISTEN

Nicht frankierenNe pas affranchirNon affrancare

WeltWeitPostfach 3451701 Freiburg

Ja, ich bestelle Gratis-Probeexemplare von WeltWeit

Ja, ich bestelle ein Jahresabo für CHF 36.– (Europa EUR 35.–/übriges Ausland CHF 54.–)

Ja, ich unterstütze WeltWeit mit einer Spende von CHF

Rechnungsadresse:

Name/Vorname:

Strasse/Postfach: PLZ/Ort:

Telefon: E-Mail:

Datum: Unterschrift:

Ja, ich schenke WeltWeit für ein Jahr und CHF 36.– an

Empfängeradresse:

Name/Vorname:

Strasse/Postfach: PLZ/Ort:

Bei Fragen erreichen Sie WeltWeit unter:

Telefon +41 (0)26 422 11 36

Telefax +41 (0)26 422 11 37

E-Mail: [email protected]

www.weltweit.ch

Zeitschrift

Geschäftsantwortsendung Invio commerciale rispostaEnvoi commercial-réponse

ABOKARTE

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 35

Page 36: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

Liebe Leserin, lieber Leser

Bitte verwenden Sie die Karte oben zur Weitergabe eines Abonnements und den Einzahlungsschein untenzur Unterstützung eines Hilfsprojektes. Herzlichen DANK.

Schenken Sie sich und anderenZuversicht und Perspektiven

WeltWeit vermittelt Ihnen Hoffnung und Optimismus – in einer manchmal entmutigenden Weltentwicklung.

WeltWeit gibt Ihnen christliche und ethische Orientierung –in einem widersprüchlichen Zeitgeschehen.

WeltWeit zeigt Ihnen, wie im Kleinen Grosses möglich ist –in Alltag und Gesellschaft, in Partnerschaft für globale Gerechtigkeit.

11 in der Entwicklungshilfe engagierte Gemeinschaften – eine Zeitschrift.

Mit einem Abonnement und Ihrer

Spende ermöglichen Sie, dass wir

andern Menschen helfen können.

Postkonto: Freiburg 17-6021-7

IBAN: CH56 0900 0000 1700 6021 7

BIC POFICHBEXXX

Herzlichen Dank!

ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT GLOBALEGERECHTIGKEITweltweit

ABOKARTE

36

Empfangsschein / Récépissé / Ricevuta Einzahlung Giro Versement Virement Versamento Girata Einzahlung für / Versement pour / Versamento per

Die AnnahmestelleL’office de dépôtL’ufficio d’accettazione

202

Einzahlung für / Versement pour / Versamento per

Einbezahlt von / Versé par / Versato daKonto / Compte / Conto Konto / Compte / Conto

Einbezahlt von / Versé par / Versato da

� �

� �

CHF CHF

441.

02

170060217>

170060217>

WeltWeitSpendenkonto1701 Fribourg

WeltWeitSpendenkonto1701 Fribourg

17-6021-7 17-6021-7

BAG 1.15 - 10500

� Freie Gabe

� Kennziffer Nr.

� Für folgenden Zweck:

Total

Fr.

Fr.

Fr.

Fr.

Empfangsbestätigung erwünscht:� ja� nein

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 36

Page 37: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

37

2/20

15

PROJEKTHILFE

Die familiäre Klinik der Redemptoristen in Cochabamba, Bolivien, schreibt Gesundheitsprävention gross.

NOTHILFE

28092

REDEMPTORISTEN

SR. ASÚN MOREO*

In der Klinik St. Alfons in Cochabamba sind wir ständig dabei,unseren Aktionsplan zu erfüllen. Dazu gehörte die dreimonatigeKampagne, die wir im Oktober abgeschlossen haben. Unserekleine Klinik hat schon vor Jahren eine spezielle Option für dieFrauen getroffen. Und seit längerer Zeit führen wir alljährlich eineKampagne durch, um die Frauen über die Risiken von Brust-und Gebärmutterkrebs zu informieren, sie zu untersuchen undPräventionsmassnahmen zu treffen.

Nun hat sich gezeigt, dass wir in den vergangenen Jahren offen-bar gute Arbeit geleistet haben. Die Frauen zeigen viel wenigerScheu, über diese «Dinge» zu sprechen und sich untersuchen zulassen. Die Folge ist, dass die Anzahl Krebserkrankungen merk-lich zurückgegangen ist. Zu diesem guten Ergebnis hat sicher dieRegelmässigkeit unserer Kampagnen beigetragen. Viele Frauenmachten es sich zur «Pflicht», daran teilzunehmen und andereFrauen dazu einzuladen, sodass wir jetzt über 300 von ihnen er-reichen.Wir führen auch Kampagnen über Chirurgie, Labor, Echografieund zahnärztliche Behandlung durch, letztere während zwei Mo-naten jährlich. Dieses Paket von Kampagnen hat den positivenEffekt, dass die Menschen einen Sinn für gesundheitliche Prä-

vention entwickeln. Es reduziert auch unsere Kosten, die unsdennoch ständig über den Kopf wachsen.

Wir legen weiterhin Wert darauf, dass wir ein familiäres Gesund-heitszentrum sind: mit einem familiären Umgang, einer möglichstpersönlichen Betreuung, mit Herzlichkeit und natürlich mit Quali-tät der Pflege. Das macht es wohl aus, dass Menschen Vertrauenhaben zu uns und uns in schwierigen Situationen aufsuchen. Wie zum Beispiel kürzlich, als man uns Hernán, einen 29-jährigenMann, brachte, der wegen eines ärztlichen Fehlers (in einer an-deren Klinik) gelähmt blieb. Zusammen mit seinen Nachbarn ver-suchen wir, ihm zu helfen. Aber vor allem die psychischeVerfassung des jungen Mannes ist schwierig, der an einen Roll-stuhl gefesselt und oft einsam ist und kaum noch etwas machenkann. Wie kann er neue Hoffnung schöpfen? Die Hilfsmittel sindbeschränkt.

Obwohl Bolivien Fortschritte macht und sich entwickelt, bleibensehr viele Menschen von Sozialhilfe und Gesundheitsdienstenausgeschlossen. Wir laden Sie ein, die Hoffnungen von Hernánund die Gesundheit unserer zahlreichen Patientinnen und Pa-tienten – alles arme Leute – zu unterstützen. Mit einem herzli-chen und schwesterlichen Gruss!

* Sr. Asún Moreo leitet die Klinik der Redemptoristen in Bolivien.

Klinik Cochabamba: mit einfachen Mittelnprofessionell. (Bilder: Redemptoristen) Die Leiterin und gute Seele der Klinik der

Redemptoristen: Sr. Asún Moreo.

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 37

Page 38: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

38

ANGEBOTE

Mittwoch, 3. Juni, 17.00 Uhr bis Sonntag, 7. Juni, 13.00 UhrMenschen beteiligen, Teamgeist fördern: Kooperieren, Leiten, Führen mit TZIEine praxisnahe Einführung in Haltung und Methode der TZI,TZI-KursLeitung: Sibylle Ratsch, ktw, TZI-Lehrbeauftragte, RCI, AnnetteMüller, RCI

Details und Programme: Katharina-Werk, Holeestr. 123, 4015 Basel

Tel. 061 307 23 23, [email protected], www.katharina-werk.org

Fernblick – Haus der Versöhnung in Teufen AR17.–19. AprilDer Klang des Herzens – Stimme der LiebeUnser Lebenslied mit neuer Kraft und Freude singen. Steffi Schmid

24.–26. AprilWir sind so wunderbar/verflixt verschieden Wochenende für Paare. Margrit und Charlie Wenk-Schlegel

8.–10. MaiHoffnung braucht neue Wege (dreijähriger Weiterbildungsweg)Einstieg und Kennenlernen. Regula Tanner, ktw, HildegardSchmittfull, ktw, Stefanie Paulsberg

14.–17. Mai Das Erleuchtete Herz – der Weg nach HauseHeimkommen in die Einheit; in das Göttliche in dir. Jadranka Marijan-Berendt

Details und Programme: Bildungshaus Fernblick, Bündtstrasse 20 A,

9053 Teufen, Tel. 071 335 09 19, www.fernblick.ch, [email protected]

Dominikanerinnen Ilanz GR – Haus der Begegnung Donnerstag, 23. April 2015 bis Sonntag, 26. April 2015«Balance auf dem Lebensseil»Seinem Leib und seiner Seele Gutes tun, unter der Leitung vonRosita Valaulta

Freitag, 1. Mai 2015 bis Sonntag, 3. Mai 2015«Einstimmen in den Osterjubel»Kreistanzseminar unter der Leitung von Barbara Möri

Freitag, 15. Mai 2015 bis Sonntag, 17. Mai 2015Burnout kommt nicht vom Stress allein!Stress reduzieren – Burnout verhindern – Resilienz aufbauenunter der Leitung von Urs Brandenburger

Samstag, 6. Juni 2015 bis Sonntag, 7. Juni 2015Das Zweimaleins der PaarkommunikationWochenende für Paare unter der Leitung von Hans-Peter Dürund seinem Paarlife-Team

Weitere Kurse und Informationen: Haus der Begegnung, Klosterweg 16,

7130 Ilanz, Telefon 081 926 95 40, www.hausderbegegnung.ch – haus-

[email protected]

Kloster Menzingen ZG11. Juni,17.30–19. Juni 12.30 UhrEinzelexerzitien im Haus der Stille in St. PeterzellLeitung: Sr. Vreni Büchel, Sr. Paula Gasser

2.–3. Mai 2015Einkehrtage im Haus der Stille in HöngenLeitung: Sr. Elisabeth Maria Sauter

22.–25. Mai 2015Pfingsten im Haus der Stille in HöngenLeitung: Sr. Elisabeth Maria Sauter

Anmeldung: Haus der Stille, Dorf 9, 9127 St. Peterzell,

Tel. 071 379 00 27/26, [email protected], www.haus-der-stille.ch

Haus der Stille Höngen, 4712 Laupersdorf, Tel. 062 391 33 45,

062 391 85 43, [email protected], www.kloster-menzingen.ch

Weitere Angebote der Menzinger Schwestern finden Sie auf:

www.institut-menzingen.ch

Kloster Ingenbohl SZAngebot für Kinder der 4.–6. Klasse 10. Juni von 14.00 Uhr–18.00 Uhr Bibelkuchen backen Wir backen miteinander einen Kuchen zum Essen. Einen sehrspeziellen, für dessen Zubereitung wir die Bibel brauchen.Leitung: Sr. Tobia Rüttimann und Sr. Hildegard Zäch Information und Anmeldung unter www.kloster-ingenbohl.ch oder bei

Sr. Hildegard Zäch, [email protected]/

041 825 24 51

Angebote für Schulklassen, Ministranten- und Firmgruppen imHaus Maria TheresiaKlostertage Mit Schulklassen, Ministranten- und Firmgruppen, die einenoder mehrere Klostertage bei uns verbringen möchten, kom-men wir gerne ins Gespräch. Termine nach Vereinbarung dasganze Jahr hindurch.Kontakt und Anmeldeformular: Sr. Hildegard Zäch, 041 825 24 51

[email protected]/www.kloster-ingenbohl.ch

Katharina-Werk Basel Mittwoch, 8. April, 13. Mai, 10. Juni, jeweils 19.30–21.30 Uhr Offene Katharina-Abende (keine Anmeldung erforderlich) «Die Zukunft, die wir meinen – Wählt das Leben»Spirituelle Abende mit Mitgliedern des Katharina-Werks

Montag, 13. April, Mittwoch, 20. Mai, Montag, 15. Juni,10.00–17.00 UhrSchenk dir einen Wüstentag – Thematische Einkehrtage in der StilleVersöhnung – Geschenk für die WeltLeitung: Gudrun Rütten, ktw

Samstag, 30. Mai, 10.00–15.30 Uhr, Kontemplationstag – Via IntegralisSchweigendes Gebet als Übungsweg für den AlltagLeitung: Barbara Alzinger, ktw, Regula Tanner, ktw

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 38

Page 39: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

SCHLUSSPUNKT

VORSCHAU 3/15

SterbehilfeOrientierung zum persönlichen und gemeinschaftlichen Umgang mit dem Lebensende.

Wird die Welt «zur Stadt»?

Situation in NahostEine Gesamtschau von Erich Gysling

Der Ramadan als Friedensbeitrag

IMPRESSUM

WeltWeitAusgabe 2/2015: April-Mai Zeitschrift für Entwicklungspartnerschaft und globale Gerechtigkeit. 56. Jahrgang, Erscheint 6× im Jahr. Websitewww.weltweit.chJahresabonnementSchweiz: CHF 36.– (inkl. 2,5 % MWST.) Europa: Euro 35.–, übrige Länder: CHF 54.–WEMF-beglaubigte Auflage: 10584 Exemplare Herausgebergemeinschaft:P. Toni Rogger SDB (Präsident) Don Boscostrasse 29, 6215 Beromünster, Tel. 041 932 11 11, [email protected]: Theo Bühlmann, Fuchsacker 3, 6233 Büron, Tel. (bitte auf Beantworter sprechen): 041 933 13 23,[email protected], Abonnemente und Werbung:Thérèse Corpataux-Roggo/Chantal Tinguely-Neuhaus, Postfach 345, 1701 FreiburgTel. 026 422 11 36, Fax 026 422 11 37Postkonto: Freiburg 17-6021-7, [email protected]/Gestaltung:Othmar Huber, LuzernSatz, Druck und Versand:Brunner AG, Druck und Medien, 6010 Kriens, www.bag.ch Redaktionsschluss: WeltWeit 3/2015: Mitte April

weltweitHERAUSGEBERGEMEINSCHAFT

MARIANNHILLER MISSIONAREMissionshaus St. Josef, St. Josefsweg 15, 6460 Altdorf, Postkonto Luzern 60-187-8Tel. 041 874 04 40, Fax 041 874 04 41Redaktion: P. Pirmin Supersaxo www.mariannhill.org

KREUZSCHWESTERN INSTITUT INGENBOHLMissionssekretariat, 6440 BrunnenPostkonto Luzern 60-4000-2Tel. 041 825 20 00, Fax 041 825 22 66Redaktion: Sr. Debora Ueckert, Sr. Anna Affolter Tel. 031 337 27 13 oder 041 825 21 04, www.kloster-ingenbohl.ch www.scsc-ingenbohl.org

SCHWESTERN VOM HEILIGEN KREUZ Missionsprokura, Hauptstrasse 11 6313 Menzingen, Postkonto Zürich 80-4085-5Tel. 041 757 40 40, Fax 041 757 40 30Redaktion: Sr. Thomas Limacherwww.kath.ch/kloster-menzingenwww.holycross-menzingen.org

MISSIOInternationales Katholisches MissionswerkRte de la Vignettaz 48, Postfach 1871709 Freiburg, Postkonto Freiburg 17-1220-9Tel. 026 425 55 70, Fax 026 425 55 71Redaktion: Siegfried Ostermannwww.missio.ch

MISSIONS-BENEDIKTINERINNENMissionshaus, 6218 EttiswilPostkonto Luzern 60-23745-1, Tel. 041 982 01 80Redaktion: Sr. Fabiana Wessiepewww.missions-benediktinerinnen.de

SCHWEIZER REDEMPTORISTENBruggerstrasse 143, 5400 BadenPostkonto Bolivien-Mission, Baden 50-182-9Tel. 056 203 00 44, Fax 056 203 00 40Redaktion: P. Anton Schönbächlerwww.redemptoristen.de

MISSIONSFRANZISKANERINNENVON MARIA IMMAKULATAFranziskusstrasse 15, 9463 OberrietPostkonto St. Gallen 90-2312-4, Tel. 071 763 70 40Missionsprokura und Redaktion: Sr. Claudina Bachmann, Laura Schmiedeknecht

FRANZISKANER MISSIONSSCHWESTERN VON MARIA HILFSinserstrasse 12, 5644 AuwPostkonto Luzern 60-20513-6, Tel. 056 668 27 10Mail: [email protected] und Redaktion: Sr. Consilia Hoferwww.fmmh.org

SALESIANER DON BOSCOSDon Boscostrasse 29, 6215 BeromünsterPostkonto Luzern 60-28900-0Tel. 041 932 11 11, Fax 041 932 11 99Redaktion: P. Toni Roggerwww.donbosco.ch

KATHARINA-WERKHoleestrasse 123, Postfach, 4015 BaselTel. 061 307 23 23, Fax 061 307 23 53Redaktion: Heidi Rudolfwww.katharina-werk.ch

DOMINIKANERINNENKlosterweg 16, 7130 IlanzTel. 081 926 95 60, Postkonto 70-188-7Missionsprokur: Sr. Ingrid Grave, Pius Süesswww.kloster-ilanz.ch

Die Schweiz hat die bewundernswerte Fähigkeit, im letzten Moment jede Kurve zu meistern. Vor wenigen Jahren sagte unsBundesrat Merz, die Amerikaner werden sich am Bankgeheimnisdie Zähne ausbeissen. Heute ist es eine Leiche. Wir leben langund gern auf Wolke sieben, bis uns die Realpolitik zur schnellenBodenlandung zwingt. Um uns dann über Nacht mit neuen Reali-täten zu arrangieren.

Peter Bodenmann im «Das Magzin» 9/2014

UNERHÖRT

2/20

15

39

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 39

Page 40: 129250 weltweit 02-15.qxp Layout 1 16.03.15 08:10 Seite 1 ... · kennen und zu finden. Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen, die sich in einigen Wochen zu erstaunlicher Grösse

40

Landsgemeinde in Glarus Der staatspolitische Brauch findet am ersten Sonntag im Mai statt.

die Schweiz bei der Ratifizierung der EuropäischenMenschenrechtskonvention eine Ausnahmeklauselfür die Landsgemeinden eingefügt, da diese eigent-lich verschiedenen Punkten, unter anderem der ge-heimen Stimmabgabe, widersprechen.

Zutritt zum Ring haben nur stimmberechtigte Perso-nen. Es muss der Stimmrechtsausweis den Kontroll-organen vorgewiesen werden. Ein Problem sindPersonen, die unberechtigterweise an der Landsge-meinde abstimmen. ln Glarus werden mittlerweile jedoch Eingangskontrollen vorgenommen. Die ge-genseitige soziale Kontrolle schränkt den Betrugein. Das Gleiche gilt, wenn jemand beide Händehochhält, um abzustimmen. Um diesem Unsicher-heitsfaktor aber entgegenzuwirken, wird seit derLandsgemeinde 2005 mittels farblich eindeutigerStimmrechtsausweise abgestimmt. Die Farbe desAusweises ändert dabei jedes Jahr. Die Einführungeiner elektronisch gestützten Stimmabgabe ist, ob-wohl technisch machbar, vorderhand aus Kosten-

gründen zurückgestellt. Im Kanton wohnhafte schulpflichtigeoder der Schulpflicht entwachsene, nicht stimmberechtigteJugendliche dürfen sich unmittelbar neben der Rednerbühneaufhalten. Es ist jedoch den Stimmberechtigten untersagt, Kinder auf den Ring oder die Sitzplätze mitzunehmen. Für Interessierte stehen Zuschauertribünen zur Verfügung.

Heute gibt es die Landsgemeinde auf kantonaler Ebene nurnoch in Appenzell I.Rh. und Glarus, wo sie die höchste politi-sche lnstanz des Kantons ist. Bei der Glarner Landsgemeindetreffen sich die Stimmberechtigten im Ring auf dem Zaunplatz,auch Landsgemeindeplatz genannt, mitten im Hauptort Glarus.Der Landammann eröffnet und leitet die Landsgemeinde.

Grundlage für jede Stimmberechtigte und jeden Stimmberech-tigten ist das Memorial zur Landsgemeinde. Es enthält dieTraktandenIiste, eine Beschreibung aller Geschäfte, die Stel-lungnahme der Regierung und eine Stimmempfehlung desLandrates (Kantonsparlament). Angehängt sind die Staats-rechnung des Kantons Glarus und der Gesamtvoranschlagdes Kantons Glarus für das neue Jahr. An der Glarner Lands-gemeinde dürfen die Stimmberechtigten raten, mindern, meh-ren und wählen. Das heisst, sie können über jedes einzelneSachgeschäft das Wort verlangen, eine Änderung beantragen,eine Vorlage verschieben oder zurückweisen. Die Richter wer-den an der Landsgemeinde gewählt. Ausgezählt wird nicht,der Landammann schätzt das Mehr aus seiner erhöhten Posi-tion in der Mitte des Rings ab. Im Kanton Glarus ist die Lands-gemeinde trotz Kritiken fast unumstritten. Das Bundesgerichthat diese Art der Entscheidungsfindung geschützt. Zudem hat

Dieser Beitrag stammt aus einem der zwei Bände «Schwei-zer Feste und Bräuche» von Albert Bärtsch. Das umfas-sende und mit über 1100 farbigen Fotos bebilderte nationaleStandardwerk zeigt rund 220 Feste und Bräuche, wie sie inunserer Volksfestkultur gefeiert werden. Die Bücher führen indie Traditionen ein und setzen sie in einen grösseren Kon-text. Mit 272 Seiten und 296 Seiten, in Leinen gebunden mitSchutzumschlag. Sie sind 2009 im Verlag Stutz Druck AGWädenswil erschienen und für 49.80 Franken im Buchhandelerhältlich (ISBN: 978-3-85928-077-9). Oder direkt beim Buchautor: Albert Bärtsch, Im Rohr 5, 8532Warth TG, [email protected], www.baertsch-tg.ch. WeltWeit-Abonnenten offeriert der Autor beide Bände für nur25 Franken (plus 7 Franken für Porto und Verpackung), aufWunsch signiert er sie.

NAHEGEBRACHT

129250_weltweit_02-15.qxp_Layout 1 16.03.15 08:11 Seite 40