13. Qualitätsmanagement in der Schule · Lernfortschritt der Schüler größer ist bzw. deren in...

27
13. Qualitätsmanagement in der Schule Stephan Gerhard Huber & Nadine Schneider Qualitätsmanagement ist ein Leitbegriff, der heute sowohl in privatwirtschaftlichen als auch in öffentlichen Handlungsfeldern von größter Relevanz ist. Vor allem im Bildungsbereich spielen Fragen nach der Qualität im Rahmen von Schulentwicklung eine zunehmend bedeutende Rolle: Was ist eine gute Schule? Was ist guter Unterricht? Wie können Schule und Unterricht verbessert werden? 13.1. Schulqualität im Kontext: Input, Prozess, Outcome Der Schlüsselbegriff in dieser Diskussion ist »Qualität«. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Substantiv »Qualitas« ab und bedeutet »Beschaffenheit«. Die Qualität eines Systems ergibt sich demnach aus bestimmten, messbaren Eigenschaften. Diese objektive Qualität, verstanden als Beschaffenheit eines Systems, ist eigentlich wertneutral. Übertragen auf Schule gäbe es damit keine guten oder schlechten Schulen, sondern nur Schulen mit bestimmten Eigenschaften, in denen sie sich ähneln oder durch die sie sich unterscheiden. Werden an ein System konkrete Anforderungen gestellt, so erhält der ursprünglich wertneutrale Qualitätsbegriff eine Wertung. Historisch betrachtet dominierte in der Wirtschaft bis in die 60er- Jahre des letzten Jahrhunderts ein herstellerorientierter Qualitätsbegriff. Fehlerfreie Produktion und Prüfung des Endproduktes standen im Mittelpunkt der Qualitätssicherung. Der Perspektive der Kunden, sowohl die der externen als auch die der internen, wurde keine Bedeutung beigemessen. Aufgrund von Absatzkrisen setzte sich seit Anfang der 70er-Jahre ein zunehmend kundenorientierter Qualitätsbegriff durch. Nach der DIN EN ISO-Norm wird Qualität verstanden als die »Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen« (Stawicki, 2001). »Qualität ist demnach eine Frage der Passung zwischen Anforderungen und realisiertem Angebot« (Riecke-Baulecke, 2004, S. 15). Ein erweitertes Verständnis von Qualität zeigt folgende Definition: »Qualität heißt nicht nur genau das zu liefern, was der Kunde wollte, sondern auch das, was er gewollt hätte, wenn er richtig beraten worden wäre« (Soo Chul Bang zit. in: Stabstelle für Verwaltungsreform im Innenministerium Baden-Württemberg, 1999). Auf Schule übertragen würde ein konsequent herstellerorientiertes Qualitätsverständnis bedeuten, dass die Lehrer bestimmen, was unter Qualität von Unterricht und Schule zu verstehen ist, ohne dabei gesetzliche Anforderungen und Interessen der Schüler und deren Eltern, weiterführender Schulen und einstellender Betriebe etc. zu beachten. Für ein Verständnis von Schulqualität greift aber auch ein rein kundenorientierter Qualitätsbegriff zu kurz. Eltern wollen z.B. wissen, wie Schule die Zukunftsperspektiven ihrer Kinder in der »Wettbewerbsgesellschaft« verbessern kann, und ob sie ihre Kinder das lehrt, was zukünftig wichtig und auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist. Sie wollen aber auch, dass ihre Kinder in der Schule einen Schutzraum genießen, sich wohl fühlen, nicht unnötigem Druck ausgesetzt sind, dass sie individuell gefördert werden und ihre Potenziale entfalten können. Die Anforderungen an Schule in einem staatlich verantworteten Schulsystem sind aber nicht ohne Weiteres aus den Wünschen der Kunden mit unterschiedlichen, möglicherweise widersprüchlichen Interessen abzuleiten, sondern vorrangig aus dem Bildungs- und Erziehungsauftrag in der Verfassung und den Schulgesetzen. Aufgrund unterschiedlicher Ausgestaltung, verschiedener Ausgangsbedingungen und unterschiedlicher Schulkontexte kommt es zu unterschiedlichen Qualitäten. Mortimore (1991) definiert eine gute bzw. wirksame Schule als eine, in welcher der

Transcript of 13. Qualitätsmanagement in der Schule · Lernfortschritt der Schüler größer ist bzw. deren in...

13. Qualitätsmanagement in der Schule

Stephan Gerhard Huber & Nadine Schneider

Qualitätsmanagement ist ein Leitbegriff, der heute sowohl in privatwirtschaftlichen als auch in

öffentlichen Handlungsfeldern von größter Relevanz ist. Vor allem im Bildungsbereich spielen

Fragen nach der Qualität im Rahmen von Schulentwicklung eine zunehmend bedeutende Rolle:

Was ist eine gute Schule? Was ist guter Unterricht? Wie können Schule und Unterricht verbessert

werden?

13.1. Schulqualität im Kontext: Input, Prozess, Outcome

Der Schlüsselbegriff in dieser Diskussion ist »Qualität«. Der Begriff leitet sich vom lateinischen

Substantiv »Qualitas« ab und bedeutet »Beschaffenheit«. Die Qualität eines Systems ergibt sich

demnach aus bestimmten, messbaren Eigenschaften. Diese objektive Qualität, verstanden als

Beschaffenheit eines Systems, ist eigentlich wertneutral. Übertragen auf Schule gäbe es damit keine

guten oder schlechten Schulen, sondern nur Schulen mit bestimmten Eigenschaften, in denen sie

sich ähneln oder durch die sie sich unterscheiden.

Werden an ein System konkrete Anforderungen gestellt, so erhält der ursprünglich wertneutrale

Qualitätsbegriff eine Wertung. Historisch betrachtet dominierte in der Wirtschaft bis in die 60er-

Jahre des letzten Jahrhunderts ein herstellerorientierter Qualitätsbegriff. Fehlerfreie Produktion und

Prüfung des Endproduktes standen im Mittelpunkt der Qualitätssicherung. Der Perspektive der

Kunden, sowohl die der externen als auch die der internen, wurde keine Bedeutung beigemessen.

Aufgrund von Absatzkrisen setzte sich seit Anfang der 70er-Jahre ein zunehmend

kundenorientierter Qualitätsbegriff durch. Nach der DIN EN ISO-Norm wird Qualität verstanden

als die »Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung,

festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen« (Stawicki, 2001). »Qualität ist demnach

eine Frage der Passung zwischen Anforderungen und realisiertem Angebot« (Riecke-Baulecke,

2004, S. 15). Ein erweitertes Verständnis von Qualität zeigt folgende Definition: »Qualität heißt

nicht nur genau das zu liefern, was der Kunde wollte, sondern auch das, was er gewollt hätte, wenn

er richtig beraten worden wäre« (Soo Chul Bang zit. in: Stabstelle für Verwaltungsreform im

Innenministerium Baden-Württemberg, 1999).

Auf Schule übertragen würde ein konsequent herstellerorientiertes Qualitätsverständnis bedeuten,

dass die Lehrer bestimmen, was unter Qualität von Unterricht und Schule zu verstehen ist, ohne

dabei gesetzliche Anforderungen und Interessen der Schüler und deren Eltern, weiterführender

Schulen und einstellender Betriebe etc. zu beachten. Für ein Verständnis von Schulqualität greift

aber auch ein rein kundenorientierter Qualitätsbegriff zu kurz. Eltern wollen z.B. wissen, wie

Schule die Zukunftsperspektiven ihrer Kinder in der »Wettbewerbsgesellschaft« verbessern kann,

und ob sie ihre Kinder das lehrt, was zukünftig wichtig und auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist. Sie

wollen aber auch, dass ihre Kinder in der Schule einen Schutzraum genießen, sich wohl fühlen,

nicht unnötigem Druck ausgesetzt sind, dass sie individuell gefördert werden und ihre Potenziale

entfalten können.

Die Anforderungen an Schule in einem staatlich verantworteten Schulsystem sind aber nicht ohne

Weiteres aus den Wünschen der Kunden mit unterschiedlichen, möglicherweise widersprüchlichen

Interessen abzuleiten, sondern vorrangig aus dem Bildungs- und Erziehungsauftrag in der

Verfassung und den Schulgesetzen. Aufgrund unterschiedlicher Ausgestaltung, verschiedener

Ausgangsbedingungen und unterschiedlicher Schulkontexte kommt es zu unterschiedlichen

Qualitäten. Mortimore (1991) definiert eine gute bzw. wirksame Schule als eine, in welcher der

Lernfortschritt der Schüler größer ist bzw. deren in Noten gemessenen Leistungen besser sind, als

von ihren Eingangsvoraussetzungen her zu erwarten gewesen wäre.

Die Qualität von Schule ausschließlich auf Schülerleistung zu reduzieren, also auf messbare

Ergebnisse durch reine Outputkontrolle im Sinne der reinen Qualitätssicherung, zeigt allerdings ein

einseitig begrenztes Bild von Schulqualität. Schülerleistungen sind nur ein im Kontext von Schule

zu betrachtendes Merkmal von Schulqualität im Sinne von Leistungen einer Schule.

Laut Creemers (1996) verwendet man in einigen Ländern den Begriff »Qualität« (Quality)

synonym zu »Wirksamkeit« (Effectiveness), allerdings sei Ersterer nicht präzise genug, da er noch

vager angelegt ist als der Terminus Wirksamkeit. So kann Qualität eben sowohl Effektivität als

auch Effizienz bedeuten oder Aussagen über Inhalte und Prozesse umfassen. Aus diesen Gründen

wird von vielen anerkannten Forschern der Begriff Wirksamkeit bevorzugt, da er sich auf Aussagen

über den Zusammenhang zwischen Zielvorstellungen und zu deren Erreichung notwendigen

Maßnahmen bezieht. Das heißt, erzieherisches Geschehen wird im Hinblick auf sein Ergebnis

untersucht. Für Creemers ist erzieherische Wirksamkeit der Kernbegriff der

Erziehungswissenschaft und Schulforschung schlechthin. Eine integrative Erziehungstheorie bzw.

Schultheorie zieht – so Creemers – den »Input«, die ablaufenden Prozesse, den Kontext, in dem

schulische Erziehung und Bildung stattfinden, und deren Ergebnisse in Betracht.

Levine und Lezotte (1990) definieren Schulqualität bzw. Schulwirksamkeit als Herstellung eines

gewünschten Ergebnisses. Bollen (1996) definiert Qualität und Wirksamkeit als das Ausmaß, in

dem eine Bildungsorganisation als soziales System, ausgestattet mit Ressourcen und Mitteln, ihre

Ziele erreicht, ohne Mittel und Ressourcen zu vergeuden und ohne ihre Mitglieder unangemessener

Belastung auszusetzen.

Bereits Anfang der 70er-Jahre griff Cronbach (1972) bei der Evaluation und Qualitätssicherung im

Bildungsbereich auf ein Strukturmodell zurück, das die Komplexität von Schule widerspiegelt.

Cronbachs Strukturmodell, das Ditton (2000a, 2000b, 2002) für den schulischen Bereich weiter

ausdifferenzierte, unterscheidet

1. gegebene Bedingungen des Curriculums,

2. seine Ziele und Intentionen,

3. beteiligte Institutionen,

4. konkrete Lehr- und Lernsituationen mit den Einzelelementen Personen, Inhalte und Methoden,

5. erzielte kurzfristige Ergebnisse sowie

6. langfristige Wirkungen.

Abb. 104: Strukturmodell zur Evaluation und Qualitätssicherung im Bildungswesen (vgl. Cronbach, 1972, zit. in Ditton, 2002,

S. 776 f.)

Ein ähnliches, aber grafisch vereinfachtes Modell von Dubs (1998) unterscheidet drei grundlegende

Qualitätsbereiche zur Erfassung und Beurteilung der Schulqualität: Input, Prozesse und

Output/Outcome (vgl. Abbildung 105).

Abb. 105: Grundlegende Bereiche der Schulqualität (vgl. Dubs, 1998)

Der Bereich der Inputqualitäten (auch Kontext-, Strukturqualitäten) umfasst all jene Faktoren,

welche als Ressourcen oder als Rahmenbedingungen in den Leistungserbringungsprozess der

Schule eingehen und mithin dessen Qualität beeinflussen. Inputqualitäten sind bezogen auf

Leistungsvoraussetzungen und die Arbeitsbedingungen einer Organisation. Im Handlungskontext

von Schule bedeutet dies:

Leistungsvoraussetzungen der Mitarbeiter: Zahl der Lehrkräfte, Stärken und Schwächen,

fachlich-methodische Kompetenzen, Belastung, Gesundheitszustand des Kollegiums usw.,

Ausstattung und arbeitshygienische Bedingungen: Zustand der Arbeitsmittel, finanzielle

und räumliche Bedingungen, Lehr- und Lernmittel usw.,

Maß an Eigenständigkeit: Budgetierungsrechte, personelle Auswahlmöglichkeiten, flexible

Arbeitszeitmodelle usw.,

Ökologie: Gestaltung der Schule und des Schulhofs, Energiesparmaßnahmen usw.

Die Prozessqualitäten beziehen sich auf das Schulleben als Ganzes und sie sind durch die

Wirksamkeit der Abläufe in einer Organisation gekennzeichnet. Im Handlungskontext von Schule

sind dies insbesondere die Lern- und Arbeitsprozesse der Lernenden und Lehrenden. Dazu

gehören:

Unterrichtsprozesse: Ziele, Inhalte, Didaktik und Methodik, Organisationsformen, Lern-

und Leistungskontrollen, Zeitrhythmen usw.,

Kooperation von Lehrkräften und Schülern: Regeln, Vertrauen, Möglichkeiten der

Konfliktlösung usw.,

Soziales Klima: Ausmaß an Toleranz, demokratische Mitgestaltung, Gewaltfreiheit usw.,

Kooperation innerhalb des Kollegiums: Unterrichtsplanung und -gestaltung, allgemeine

pädagogische Aufgaben, Konferenzarbeit, Netzwerkarbeit usw.,

Schulleitungshandeln: Führungshandeln bei Unterrichts-, Personal-, Schul- und

Qualitätsentwicklung, Entwicklung und Umsetzung des Schulprogramms, Delegation von

Verantwortung, Unterstützung bei Teamarbeit, Mitarbeitergespräche usw.,

Kooperation mit Eltern: Elterngespräche, Elternabende, Integration der Eltern in das

Schulleben usw.,

Gremienarbeit: zielorientierte Beschlüsse, Partizipation, Informationsfluss, Transparenz

usw.,

Verlässlichkeit: Garantie von Ansprüchen auf Unterricht und bestimmte Öffnungszeiten

usw.,

Verwaltungsarbeit, Hausmeisterei: Arbeit unter pädagogischen Prämissen,

Kooperation mit Schulaufsicht, mit Wirtschaft und anderen externen Partnern: gegenseitige

Information, Unterstützung, Transparenz, gemeinsame Reflexion usw.

Die so genannten Produktqualitäten (auch Ergebnis-, Wirkungsqualitäten, Output und Outcome)

stellen den Bezug zum »Leistungsabnehmer« her und bilden damit die Grundlage für die

»Kundenorientierung«. Mit ihnen werden Effekte beschrieben, die eine Organisation erzielt. Im

Handlungskontext von Schule sind solche Effekte beispielsweise:

Schülerleistung: Erreichen von Bildungsstandards und Zielen in den Bildungs- und

Lehrplänen, fachliche und überfachliche Kompetenzen, Leistungen in kognitiven, sozialen,

sportlichen und künstlerischen Bereichen usw.,

Integrations- und Abbruchsquote: Anzahl der Schüler, die eine erfolgreiche Schullaufbahn

realisieren, in Bezug zu denen, die vor Abschluss der letzten Klasse die Schule verlassen

usw.,

Werdegang der Absolventen: Erfolg bei Bewerbungen für eine weiterführende Ausbildung

oder Tätigkeit und spätere berufliche Laufbahn usw.,

Öffentliches Ansehen: Stellung und Prestige der Schule, Akzeptanz in der Öffentlichkeit

usw.

Buhren (2004) unterscheidet bei der Schul- bzw. Unterrichtsqualität ebenfalls zwischen Input,

Prozess und Output/Outcome, benennt jedoch weiterhin explizit genannte Kontextfaktoren, »die im

Umfeld der Schule wirken und einen indirekten Einfluss auf die schulischen Prozessen haben«

(ebd., S. 18; vgl. auch den Beitrag von Buhren »Evaluation der eigenen Schule – die Innen- und

Außensicht« in diesem Buch). Geht es um die Gestaltungsmöglichkeiten, die die Einzelschule hat,

stehen Prozess- und Outputqualitäten im Vordergrund.

13.2. Qualitätsmanagement

Qualitätsmanagement hat die kontinuierliche Verbesserung unter Anpassung an sich verändernde

Rahmenbedingungen und Anforderungen zum Ziel. Zum einen geht es dabei um die Entwicklung

von (Arbeits-)Abläufen und Prozessen in Richtung dessen, was angestrebt und nötig ist

(Qualitätsentwicklung), und zum anderen um die Sicherung der Veränderungen und

Verbesserungen, die infolge dieser Entwicklung erreicht werden (Qualitätssicherung). Das

Management von Qualität meint das bewusste Gestalten dieser beiden Vorgänge. Es geht nicht um

die Frage, was zuerst geschehen muss, die Entwicklung oder die Sicherung von Qualität. Es geht

darum, wie diese beiden Arbeitsbereiche systematisch und sinnvoll miteinander in Beziehung

gesetzt werden.

Abb. 106: Differenzierung des Begriffs Qualitätsmanagement

Nach Dubs (2005, S. 1 f.) kann Qualitätsmanagement neben dieser oftmals zentralen

1. Entwicklungsfunktion auch weitere, sich ergänzende oder widersprechende Funktionen erfüllen,

nämlich

2. Kontrolle der Wirksamkeit einer Organisation,

3. Rechtfertigung gegenüber der Öffentlichkeit und Nachweis für die erbrachte Qualität sowie

4. Erhöhung der Sichtbarkeit der Qualität nach außen als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit.

Die Österreichische Qualitätssicherungsagentur AQA beschreibt Qualitätsmanagement wie folgt:

»Die Gesamtheit von Maßnahmen zur Gewährleistung und Entwicklung der Qualität unter

Berücksichtigung einer Qualitätspolitik und Zielsetzungen. Qualitätsmanagement schließt die

Qualitätsplanung, Qualitätskontrolle, Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung ein.«

Ähnlich äußern sich auch Ritz und Steiner (2003). Sie stellen Qualitätsmanagement als einen

Prozess dar und differenzieren ihn in Qualitätsplanung, Qualitätssteuerung, Qualitätsprüfung und

Qualitätssicherung.

Abb. 107: Der Qualitätsmanagementprozess (vgl. Ritz, 2002)

1. Die Qualitätsplanung legt insbesondere die zu erreichenden Qualitätsziele und sonstigen

Qualitätsanforderungen fest. Zur Definition dieser Anforderungen wird einerseits auf die Wünsche

der Kunden und anderer Bezugsgruppen, andererseits auf Vorgaben übergeordneter Instanzen –

z.B. auf die strategischen Ziele der Schulkommission oder der Bildungsdirektion – zurückgegriffen.

2. Die Qualitätssteuerung basiert auf den Ergebnissen der Qualitätsplanung. Sie umfasst alle

Aktivitäten, die nötig sind, um die Erfüllung der Qualitätsziele sicherzustellen. Im Vordergrund

stehen dabei

mitarbeiterbezogene Maßnahmen (z.B. Schulung, Anreizsystem, Information, Integration,

Verteilung der Qualitätsverantwortung),

kulturbezogene Maßnahmen (z.B. Führungsschwerpunkte, Leitbild, Kommunikation,

Information, Anreizsystem, Personalauswahl) und

organisationsbezogene Maßnahmen (z.B. Aufbau- und Ablauforganisation, Installation von

Qualitätszirkeln, Koordination und Verankerung der Qualitätsverantwortung).

3. Zur Phase der Qualitätsprüfung zählen Maßnahmen zur Ermittlung der Qualitätsanforderungen

der Abnehmer von Bildungsleistungen, aber auch anderer Anspruchsgruppen. Hinzu kommen

ergänzende Maßnahmen zur Evaluation der Erreichung der Anforderungen. Gegenstand der

Überprüfung sind dabei sowohl die Organisation als Ganzes wie auch Teilbereiche (Abteilungen)

und einzelne Mitarbeiter der Schule. Es wird unterschieden zwischen der internen Selbstevaluation

und der externen Fremdevaluation.

4. Die Qualitätssicherung im Sinne der Qualitätsmanagementdarlegung enthält alle geplanten und

systematischen Tätigkeiten, die innerhalb des Qualitätsmanagementsystems verwirklicht und wie

erforderlich dargelegt sind, um angemessenes Vertrauen zu schaffen, dass die angebotenen

Dienstleistungen die jeweilige Qualitätsanforderung erfüllen werden. Konkret geht es dabei in

erster Linie um alle Aktivitäten, die eine institutionelle Qualitätszertifizierung sicherstellen.

Zwischen den einzelnen Phasen des Qualitätsmanagements besteht ein enger Zusammenhang.

Insbesondere setzen Qualitätsplanung und Qualitätsprüfung klare Vorstellungen von der

anzustrebenden Qualität voraus. Die anzustrebende Qualität sollte letztlich der von den Kunden

(subjektiv) gewünschten Qualität entsprechen (vgl. Ritz & Steiner, 2003).

Auch für Ditton (2002) ist Qualitätsmanagement ein weit gefasster Begriff. Qualitätsmanagement

erhält, fördert und verbessert die Qualität systematisch und grenzt sich demnach ab von

Qualitätskontrolle, die sich auf die Ermittlung der Verfahrens- und Produktqualität beschränkt. Ein

höherer Grad der Institutionalisierung sowie geregelte Zuständigkeiten, Kompetenzen und

Befugnisse bei der Planung und Umsetzung von qualitätsverbessernden Maßnahmen kennzeichnen

das Qualitätsmanagement. Idealerweise sollte sogar die Wirksamkeit des

Qualitätssicherungssystems selbst einer Prüfung unterzogen und daraufhin weiterentwickelt

werden.

Qualitätsmanagement ist ein zyklischer Prozess, ein »ständige[r] Kreislauf des Planens, Handelns,

Prüfens und Verbesserns« (Reese, 2005, S. 2), der als Kreislauf dargestellt werden kann (Huber,

2004):

Abb. 108: Idealtypischer Kreislauf des Qualitätsmanagements in Schule

Als erster wesentlicher Schritt zu einem Qualitätsmanagement gilt die Ist-Stands-Erhebung in Form

einer Qualitätsanalyse bzw. einer Bestandsaufnahme. Hier besteht die Schwierigkeit darin, alle

relevanten Qualitätsmerkmale zu erfassen. Ziel ist es, die Komplexität von Qualität einzugrenzen

und zu reduzieren. Indem eine Beschränkung auf bestimmte Gegenstandsbereiche stattfindet, wird

die Qualitätsanalyse für alle Beteiligten handhabbar. Es muss ein Kompromiss aus

Messgenauigkeit und Aufwand gefunden werden.

Mit der Erhebung des Ist-Standes können Stärken und Schwächen identifiziert werden. Die genaue

Analyse der Verbesserungsbereiche ermöglicht eine Ableitung der nächsten Entwicklungsschritte

und die Erstellung eines Aktionsplans, wobei die Kapazitäten und Prioritäten berücksichtigt

werden. Im nächsten Schritt erfolgt die konsequente Umsetzung dieses Plans (Reese, 2005, S. 2).

Natürlich muss dieser Prozess überprüft bzw. wiederholt werden, um eine kontinuierliche

Qualitätsverbesserung zu ermöglichen.

Ausgehend von einer Vision von Schule bzw. von einem Leitbild oder von einer Bestandsaufnahme

kommt es zur Erstellung eines Schulprogramms. Das Schulprogramm entsteht im Idealfall

aufgrund einer doppelten Perspektive, nämlich einem Blick nach vorn sowie einer Bilanzierung

vergangener und gegenwärtiger Bemühungen. Dann folgen drei sich überlappende Phasen des

Change Management: Initiierung, Implementierung und Institutionalisierung. Der

Qualitätskreislauf schließt sich, wenn der Institutionalisierung eine Evaluation folgt, die Hinweise

auf den Erfolg des Schulentwicklungsprozesses sowie auf die zu planenden nächsten Schritte gibt.

Soll Change Management in Einzelschulen durch im jeweiligen Land oder Bezirk vorhandene

Angeboten an Innovationsanstößen und Innovationsprojekten angeregt werden, müssen zunächst

die Zugangsmöglichkeiten der einzelnen Schulen zu Informationen über solche

Innovationsangebote sichergestellt sein. Darüber hinaus müssen die Innovationsbestrebungen

vonseiten der Schulaufsicht, des zuständigen Trägers bzw. der jeweiligen Kommune, den Eltern,

Schülern und den Lehrkräften mitgetragen werden, von deren Bereitschaft und Engagement der

Erfolg wesentlich abhängt. Anregung und Begleitung durch externe Berater und Moderatoren

können hilfreich sein, das Ausmaß an Problemlöse- und Veränderungskompetenz der einzelnen

Einrichtung zu erhöhen.

Die Initiierung von Qualitätsmanagement ist nicht beschränkt auf die pädagogischen

Führungskräfte bzw. die Steuergruppen in den Schulen, obwohl ihnen sicherlich eine große

Bedeutung zukommt, indem sie wichtige Kollegen einbinden und entsprechende

Rahmenbedingungen schaffen. Initiierung und Anstöße können von verschiedenen Richtungen an

Schulen herangetragen werden.

Bei der Implementierung von schulischen Innovationen ist zunächst die Bildung von gemeinsam

getragenen Zielvorstellungen wesentlich. Dann werden konkrete Maßnahmen geplant, wobei die

Planung Modifikationen zulässt, und Verantwortlichkeiten werden auf Kollegen übertragen, deren

Engagement und Motivation so genutzt werden. Lehrerfortbildung und kooperationsfördernde

Maßnahmen können Anknüpfungspunkte sein.

Bei der Institutionalisierung kontinuierlicher Qualitätsmanagementstrukturen und -prozesse ist es

wichtig, die Innovation in die organisatorische Struktur der Schule einzubetten, auftauchende

Widersprüche mit geltenden Regelungen zu überwinden, die einzelnen Innovationen mit anderen

schulischen Aktivitäten und dem Unterricht zu koordinieren sowie die Bereitschaft und den

Rückhalt des Kollegiums stetig zu überprüfen und sicherzustellen, ebenso wie die Vermittlung der

für die Umsetzung nötigen neuen Kompetenzen.

Abb. 109: Prozess des Qualitätsmanagements

Zusammenfassend lässt sich konstatieren: Qualitätsmanagement beinhaltet alle systematisch

eingesetzten Verfahren zur Qualitätsverbesserung in Schulen. Diese Verfahren stehen jedoch meist

unverbunden und ohne gegenseitige Bezüge nebeneinander. Auch ist keine einheitliche Methodik

der Verfahren erkennbar. Das macht einen Vergleich oftmals schwer.

In einem weiten Sinn trägt Qualitätsmanagement zur Verbesserung der Organisation bei und ist

Bestandteil der Organisationsentwicklung, die laut French und Bell (1994) eine langfristige

Bemühung ist, die Problemlösungs- und Erneuerungsprozesse in einer Organisation zu verbessern,

vor allem durch eine wirksamere und auf Zusammenarbeit gegründete Steuerung der

Organisationskultur. Dies kann unterstützt werden durch Berater und/oder durch Anwendung von

Theorie und Technologie, wie sie etablierte Qualitätsmanagement-Modelle (vgl. unten) bieten.

Eine besondere Verantwortung hierbei kommt den Führungskräften zu. In Schulen ist für

Qualitätssicherung und -entwicklung eine entsprechend motivierte und kompetente Schulleitung

wesentlich. Selbst von der Notwendigkeit einer sinnvollen Weiterentwicklung der Schule

überzeugt, sollte sie gemeinsame Zielvorstellungen verhandeln, eine Kultur des Vertrauens und des

Respekts vor der Arbeit der anderen fördern, Initiativen wecken und bündeln, Teamstrukturen

fördern und auch auf ein angemessenes Aufwand-Nutzen-Verhältnis achten. Diese Aufgabe kann

jedoch die Schulleiterin oder der Schulleiter nicht allein angehen. Vielmehr sind kooperative

Strukturen, beispielsweise Steuergruppen (vgl. Rolff, 2001), gefordert, die entsprechend qualifiziert

sind.

13.3. Qualitätsmanagement- und Controlling-Modelle

Qualitätsmanagementmodelle oder -systeme finden in Wirtschaftsunternehmen seit Jahrzehnten

Anwendung. Qualität herzustellen muss Anliegen jeder Organisation und all ihrer Mitarbeiter sein.

Wegen dieser übergeordneten Bedeutung wird ein Qualitätsmanagement zum Teil auch als eine

Philosophie oder als eine umfassende Führungsstrategie verstanden. Kunden-, Produkt-,

Mitarbeiter-, Prozess- und Gemeinwohlorientierung sind die Bestandteile und zugleich die Ziele

von Qualitätsmanagement. Diese sind nur begrenzt stabil und daher kontinuierlich

weiterzuentwickeln.

Die gegenwärtige Diskussion um Qualitätsmanagement in Schulen ist eingebettet in die

Entwicklung, dass in vielen Ländern eine größere Eigenverantwortlichkeit und eine zunehmende

Profilierung der Einzelschule angestrebt werden. Solche Dezentralisierungstendenzen, die Schulen

und ihren Akteuren (unterschiedliche große) Freiräume bei der Gestaltung zugestehen, werden

oftmals begleitet von gleichzeitigen Zentralisierungsbestrebungen, die eine Kontrolle der

Zielerreichung garantieren sollen (Rechenschaft in externen Evaluationen, Schul-TÜV). Dabei

nutzen die einzelnen Länder grundsätzlich ein ähnliches Vorgehen zur Qualitätsverbesserung, zu

dem die Festlegung von Kriterien, Indikatoren und Standards in Qualitätsbereichen gehört.

In vielen Bundesländern in Deutschland und Österreich und in vielen Kantonen in der Schweiz

werden Qualitätsmanagementmodelle für den schulischen Kontext eingeführt. In den

»Qualitätsrahmen«, »Referenzrahmen für Schulqualität«, »Qualitätsbereichen« etc. werden

vielfältige Kriterien einer »guten Schule« formuliert. Sie werden hier nicht im Einzelnen

vorgestellt, da sie im regionalen Kontext durch Informationsmaterial ohnehin sehr detailliert

dargestellt werden. Diese Informationen sollten von Steuergruppen abgerufen werden. In diesem

Kapitel sollen die grundsätzlicheren Modelle vorgestellt und ansatzweise im Hinblick auf ihre

Machbarkeit und ihren Nutzen diskutiert werden.

13.3.1. Total Quality Management (TQM)

Ein besonders einflussreicher und weit verbreiteter Ansatz, der weniger für ein konkretes Verfahren

des Qualitätsmanagements steht, sondern mehr ein Oberbegriff für verschiedene Vorgehensweisen

ist, die sich durch charakteristische Gemeinsamkeiten auszeichnen, ist der des Total Quality

Managements (TQM). TQM ist »nicht nur eine verfeinerte Qualitätssicherung. Vielmehr geht es

darum, ein Qualitätsbewusstsein und eine Qualitätssicherung in allen Phasen der

Wertschöpfungskette zu schaffen, und zwar bei allen Führungskräften und Mitarbeitern. TQM wird

damit zu einem umfassenden Denk- und Handlungsansatz, der sich in der

Unternehmensphilosophie, also dem Selbstverständnis und Leitbild eines Unternehmens, sowie im

konkreten Führungskonzept für das gesamte Unternehmen niederschlägt« (Töpfer & Mehdorn,

1994, S. 8). TQM zielt auf die Steigerung von »Effizienz« und »Effektivität«. Im schulischen

Kontext bestimmt Effizienz das Verhältnis des Outputs der Schule zu ihrer Vision, ihren

Ressourcen (Input) und ihrem Lehrplan bzw. der Unterrichtsgestaltung (Prozesse). Je besser die

gesetzten Ziele mit den verfügbaren Mitteln erreicht worden sind, desto höher ist die Effizienz der

Schule. Effektivität bestimmt das Verhältnis des Outputs sowie der Effizienz der Organisation zu

den Ansprüchen und Erwartungen der »Kunden« (Schüler, Gesellschaft, Hochschulen, Wirtschaft,

Eltern). Je besser sie z.B. durch einen guten Lebens- und Berufserfolg der Absolventen erfüllt sind,

desto höher ist die Effektivität der Schule.

Systematisches und nachhaltiges Qualitätsmanagement im Sinne von TQM erfordert von allen

Mitarbeitern, im besonderen Maße jedoch von den Vorgesetzten, einen partnerschaftlichen

Umgang miteinander. Der zielgerichtete Führungsstil sollte dabei Vorbildfunktion besitzen und

kooperativ bzw. partizipativ sein. Zentraler Anspruch für alle ist es, die Leistung zu erbringen, die

der Kunde erwartet (und die er zu bezahlen bereit ist). Dies wird durch Prozessorientierung

erreicht. Unterschiedliche, jedoch zusammengehörige Tätigkeiten sollen zu ganzheitlichen

Geschäftsprozessen gebündelt werden, die Mitarbeiter mit sowohl ausführenden als auch

steuernden/kontrollierenden Aufgaben betraut und ihr Wissen und Können verstärkt genutzt

werden, indem die Qualitätsverantwortung am Ort der Problemlösung liegt (vgl. Riecke-Baulecke,

2004, S. 20). Die jeweils nächste Produktions- bzw. Dienstleistungsstufe wird als interner Kunde

verstanden, der genauso wie ein externer Kunde eine fehlerfreie Leistung erwartet. Durch

Mitarbeiterorientierung sollen die Mitarbeiter in ein System kontinuierlicher

Verbesserungsprozesse (Prozessqualität) einbezogen werden.

Abb. 110: Bezugsrahmen und Leitideen des TQM-Konzepts (vgl. Riecke-Baulecke, 2004, S. 21)

13.3.2. European Foundation of Quality Management (EFQM)

Eine der einflussreichsten Formen des TQM-Konzepts ist das Modell der European Foundation of

Quality Management (EFQM). Es wird sowohl für interne Qualitätsanalysen als auch für

Zertifizierung und Preisverleihung eingesetzt. Wie eine Art Self-Assessment lässt sich ein Stärken-

Schwächen-Profil im Rahmen einer Selbstbewertung erstellen und daraus lassen sich wiederum

Verbesserungsbereiche identifizieren sowie qualitätsfördernde Maßnahmen ableiten (vgl. Arnold &

Faber, 2000, S. 85). EFQM schlägt folgenden prinzipiellen Ablauf einer Selbstbewertung vor.

Abb. 111: Prinzipieller Ablauf einer Selbstbewertung (vgl. European Foundation for Quality Management, 1999, S. 10)

Methoden wie die Selbstbewertung durch einen Workshop, Fragebogen, Matrixdiagramme,

Standardformulare oder die Simulation einer Bewerbung um den Europäischen Qualitätspreis

können zur Anwendung kommen. Organisationsspezifische Bedingungen wie beispielsweise die

Organisationskultur oder die spezifische Zielsetzung, die mit der Selbstbewertung verbunden ist,

spielen bei der konkreten Vorgehensweise eine entscheidende Rolle (vgl. Arnold & Faber, 2000,

S. 86).

Die Qualität einer Organisation wird in mehrere Bereiche oder Dimensionen differenziert, die

entsprechend ihrer (angenommenen) Bedeutung gewichtet werden.

Abb. 112: Das EFQM-Modell für Excellence (vgl. http://www.ebz-beratungszentrum.de/organisation/efqm.html)

Die »Befähiger«-Kriterien repräsentieren die Tätigkeiten und Handlungen und die ihnen zugrunde

liegenden spezifischen Instrumente und Konzepte einer Organisation. Sie sind ursächlich für die

Leistungen und Ergebnisse, welche durch die »Ergebnis«-Kriterien des Modells ausgedrückt

werden. Für jeden der neun Bereiche, die wiederum jeweils aus mehreren Teilkriterien bestehen,

gibt es Indikatoren und Bewertungsstufen, die in Punkten ausgedrückt werden. Diese Punkte

werden dann für jeden Bereich addiert. Aus der unterschiedlichen Gewichtung der Bereiche

errechnet sich eine Gesamtpunktzahl, maximal 1000 Punkte (vgl. Gonon, 1998, S. 28 f.).

Das EFQM-Modell baut auf einer Reihe grundsätzlicher Konzepte auf, wie Kunden-, Prozess- und

Mitarbeiterorientierung. Da es die wichtigsten Interessensgruppen der Organisation berücksichtigt,

wie beispielsweise Mitarbeiter, Kunden, Kapitalgeber, Partner, aber auch die Gesellschaft, wird in

der Wirtschaftswissenschaft bei diesem Modell von einem so genannten Stakeholder-Ansatz

gesprochen. EFQM ermöglicht es, Qualitätsvergleiche zwischen Organisationen und

Zertifizierungen durch Festlegung von Mindestpunktzahlen vorzunehmen. Wie aussagekräftig

solche Qualitätsvergleiche sind, ist aufgrund unterschiedlicher Ausgangsbedingungen umstritten. In

Seminaren und Trainings, die im Rahmen von Netzwerken organisiert werden, können jedoch

Anregungen zur Wahrnehmung von Stärken und Schwächen der eigenen Organisation sowie zum

Lernen von Stärken anderer gegeben werden. Das EFQM-Modell ist Grundlage verschiedener

Qualitätspreise wie beispielsweise des European Quality Award (EQA), der das beste europäische

Unternehmen prämiert (vgl. Riecke-Baulecke, 2004, S. 21 f.). Es wird selbst hinsichtlich seiner

Struktur und Inhalte regelmäßig evaluiert und ggf. modifiziert. Eine umfangreiche Änderung

erfolgte im Jahr 1999 mit der Integration von Aspekten des Wissens- und Innovationsmanagements

sowie des organisationalen Lernens und der Lernkultur.

13.3.3. EFQM im schulischen Kontext

Im schulischen Kontext steht EFQM häufig im Mittelpunkt des Interesses, da es ein

prozessorientierter, ganzheitlicher und transparenter Ansatz ist. Er richtet die Aufmerksamkeit auf

diejenigen Aspekte einer Organisation, die als erfolgsrelevant identifiziert werden. Voraussetzung

dafür ist jedoch, dass die Zusammenhänge zwischen den Kriterien transparent sind.

Die EFQM-Kriterien im schulischen Kontext beinhalten:

1. Führung: eine Kultur des umfassenden Qualitätsmanagements in der Schule vorleben, anregen,

unterstützen, fördern und geeignete Rahmenbedingungen schaffen,

2. Politik und Strategie: langfristige Entwicklungsziele mit dem dahinter liegenden Wertesystem

(Philosophie) definieren, entwickeln, formulieren; konkrete Maßnahmen planen, umsetzen und

systematisch evaluieren,

3. Mitarbeiterorientierung: Fähigkeiten der Mitarbeiter fördern und weiter entwickeln, damit sie ihr

gesamtes Potenzial einbringen können; Ziele vereinbaren und Ergebnisse evaluieren, Information

und Kommunikation gestalten und verbessern,

4. Ressourcen: Ressourcen (Finanzen, Gebäude, Informationen, Wissen, Kompetenzen usw.)

effektiv und effizient einsetzen,

5. Prozesse: die für den Erfolg wesentlichen Schlüsselprozesse identifizieren, führen, systematisch

evaluieren und verbessern,

6. »Kundenzufriedenheit«: Ergebnisse, Dienstleistungen und der Beziehungen aus Sicht der

unterschiedlichen Kundengruppen beurteilen und bewerten,

7. Mitarbeiterzufriedenheit: die Organisation aus Sicht der Mitarbeiter (z.B. Zufriedenheit

hinsichtlich Organisation, Kommunikation, Personalplanung und -entwicklung) beurteilen und

bewerten,

8. Einfluss auf die Gesellschaft: Wünsche und Erwartungen der lokalen, nationalen und

internationalen Gemeinschaft erfüllen: z.B. Zusammenarbeit mit näheren und entfernten Partnern,

Umgang mit gesellschaftlichen Problemfeldern, Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit,

9. Ergebnisse: Ergebnisse bezüglich des Auftrag durch die Gesellschaft und Kunden beurteilen und

bewerten sowie vereinbarte Ziele und Erwartungen aller an der Schule Interessierten (so genannte

Stakeholder) erfüllen: Ergebnisse und Trends im Vergleich mit anderen Schulen, z.B. hinsichtlich

der Lernerfolge, der Erfüllung schulischer Anliegen, der Erfüllung gesellschaftlicher Anliegen (vgl.

http://www.projekt-pin.net/kurse/pin-schule-schulentw-c).

Der Führung kommt eine besondere Bedeutung zu. »Exzellente Ergebnisse im Hinblick auf

Leistung, Kunden, Mitarbeiter werden durch eine Führung erreicht, welche Politik und Strategie,

Mitarbeiter und Ressourcen auf ein hohes Niveau vorantreibt«

(http://www.qs.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/qualitaetssicherung/PDF/Administration/QA_A

dmin_Kriterien.pdf). Zentrale Führungsaufgabe, und damit Aufgabe der (erweiterten) Schulleitung,

ist es, alle Mitglieder einer Organisation als verantwortliche und kompetente Beteiligte in das

schulische Qualitätsmanagement mit ein zu beziehen. Die Qualität beschränkt eben nicht auf

Kontrolle. Damit geht Qualitätsmanagement im Sinne des Total Quality Managements, an das sich

das EFQM-Verfahren anlehnt, einen Schritt weiter als bisherige Versuche der Qualitätssicherung in

Schulen, die zwar eine formale Bewertung der Organisation und der Schüler zu bestimmten Zeiten

vornahmen, jedoch ohne direkte Rückbindung auf andere Prozesse oder auf die Führung der

Schule. »In einer Schule bedeutet dies also, dass Führung, Verwaltung, Lehrer, Schüler und Eltern

für die Qualität in ihren Bereichen und für die ganze Organisation verantwortlich sind. Dabei

erstreckt sich die Verantwortung sowohl auf die eigene Entwicklung und Zufriedenheit als auch auf

die Befriedigung der Kundenwünsche (in diesem Falle Gesellschaft, Hochschulen, Arbeitgeber

oder Schulbehörden)« (http://www.projekt-pin.net/kurse/pin-schule-schulentw-c).

In der schulischen Praxis integrieren verschiedene Projekte das EFQM-Verfahren, wie folgende

Beispiele aus den deutschen Bundesländern zeigen.

Abb. 113: Projekt Regionale Kompetenzzentren (ProReKo)

Abb. 114: Projekt Qualität an berufsbildenden Schulen (QuabS)

13.3.4. Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff.

Die Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff. stellt eines der international und branchenübergreifend am

weitesten verbreiteten Modelle für den Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems in

Organisationen dar. Sie wurde in den 1980er-Jahren mit dem Ziel entworfen, höhere

Produktqualität, aber auch höhere Qualität der Produktion insgesamt zu erreichen (vgl. Arnold &

Faber, 2000, S. 46). Insgesamt gibt es über 10.000 ISO-Normen in den verschiedensten Bereichen

(vgl. Gonon, 1998, S. 18). Die Übersetzung der Begrifflichkeiten lautet wie folgt:

DIN = Deutsches Institut für Normierung e.V.

EN = europäische Norm

ISO = International Organization for Standardization – ein internationaler

Zusammenschluss von Normierungsinstituten mit Sitz in Genf.

Die inhaltlichen Kernstücke der Norm, die für Bildungseinrichtungen und

Dienstleistungsunternehmen relevant ist, sind die Darlegungs- und Forderungsnormen DIN EN ISO

9001 bis 9003. Dies sind Normen zur externen Darlegung der Anforderungen an ein

Qualitätsmanagementsystem. DIN EN ISO 9001, die umfassendste Norm, beschreibt ein

Qualitätsmanagement-Modell, welches die gesamte Wertschöpfungskette bearbeitet. Sie formuliert

20 folgende Themen, die das Qualitätsmanagementsystem abdecken soll:

1. Verantwortung der Leitung,

2. Qualitätsmanagementsystem,

3. Vertragsprüfung,

4. Designlenkung,

5. Lenkung der Dokumente und Daten,

6. Beschaffung,

7. Lenkung der vom Kunden bereitgestellten Produkte,

8. Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von Produkten,

9. Prozesslenkung,

10. Prüfungen,

11. Prüfmittelüberwachung,

12. Prüfstatus,

13. Lenkung fehlerhafter Produkte,

14. Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen,

15. Handhabung, Lagerung, Verpackung, Konservierung und Versand,

16. Lenkung und Qualitätsaufzeichnungen,

17. Interne Qualitätsaudits,

18. Schulung,

19. Wartung,

20. Statistische Methoden.

Diese Forderungen werden als »Qualitätssicherungselemente« bezeichnet und beziehen sich nicht

explizit auf die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen, sondern auf die Abläufe und Prozesse,

welche die Qualitätsfähigkeit der Organisation sicherstellen sollen (vgl. Arnold & Faber, 2000,

S. 46 f.).

Die eigentliche Arbeit muss im Vorfeld der Zertifizierung innerhalb der Organisation erfolgen. Die

20 Anforderungen müssen für die spezifischen Zwecke der Organisation angepasst bzw. übersetzt

werden. Es empfiehlt sich ein dreiteiliges Verfahren:

1. Vorbereitungsphase mit der Selbstevaluation24

,

24

Die Führungskräfte sind dafür verantwortlich, die Mitarbeiter für die angestrebte Zertifizierung zu motivieren.

Mittels einer Selbstevaluation, die das Leitbild der Organisation berücksichtigt, werden qualitative und quantitative

Differenzen zwischen den Anforderungen der ISO-Norm und der Ist-Situation der Organisation eruiert. Die

Differenzen bestimmen den Handlungsbedarf für die interne Projektarbeit.

2. Dokumentationsphase mit der Erstellung des Qualitätshandbuches und der übrigen

Dokumentation25

,

3. Validierungsphase mit der eigentlichen (Erst-)Zertifizierung (vgl. Gonon, 1998, S. 19 f.).

Im Zentrum der eigentlichen Zertifizierung stehen zwei Verfahren, das Qualitätsaudit sowie die

Zertifizierung im engeren Sinn. »Das Qualitätsaudit ist eine systematische und unabhängige

Untersuchung, um festzustellen, ob die qualitätsbezogenen Tätigkeiten und damit

zusammenhängende Ergebnisse den geplanten Anordnungen entsprechen, und ob diese

Anordnungen tatsächlich verwirklicht und geeignet sind, die gesetzten Ziele zu erreichen« (DIN

EN ISO 8402, 1995-08, Ziffer 4.9). »Dabei wird das Qualitätsaudit typischerweise auf ein QM-

System oder auf Elemente davon, auf Produkte oder auf Prozesse (einschließlich Dienstleistungen)

angewendet, ist jedoch nicht darauf beschränkt. Solche Qualitätsaudits werden auch Systemaudit,

Verfahrensaudit, Produktaudit oder Dienstleistungsaudit genannt« (ebd.). Sie werden von Personen

durchgeführt, »die keine direkte Verantwortung in den zu auditierenden Bereichen haben« (ebd.);

allerdings ist eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern sinnvoll.

»Eine Zertifizierung ist die Beurteilung der Konformität eines Qualitätsmanagementsystems

anhand vorgegebener Kriterien durch unabhängige Dritte. Im Rahmen eines Audits wird ermittelt,

ob ein Unternehmen die Bedingungen zur Zertifizierungserteilung erfüllt« (Arnold & Faber, 2000,

S. 49).

Der Prozess der eigentlichen Zertifizierung, der sich in der Regel alle drei Jahre wiederholt und

damit der kontinuierlichen Verbesserung dient, lässt sich in die folgenden Schritte gliedern:

1. Auswahl der branchenspezifischen akkreditierten Zertifizierungsstelle (nach dem

Informationsgehalt des Zertifikats, nach der Kompetenz der Zertifizierungsstelle),

2. Anmeldung bei der Zertifizierungsstelle,

3. Fragebogen26

und Projektgespräch27

,

4. Handbuchprüfung28

5. Handbuchprüfbericht29

,

6. Vor-Audit (nur bei Bedarf und nach Vereinbarung),

25

Das Qualitätssystem wird erarbeitet, indem die Aufbau- und Ablauforganisation dargestellt werden. Es werden

Schlüsselprozesse definiert und anschließend diese Prozesse gemäß den 20 Anforderungen der ISO-Norm analysiert.

Im Qualitätsmanagementhandbuch werden die Abläufe dokumentiert. 26

Die Zertifizierungsstellen vergeben in der Regel als Erstes einen Fragebogen, der als grobes Raster prüft, ob die

Grundvoraussetzungen für eine Zertifizierung gegeben sind. Die Fragen sind teilweise nur anzukreuzen oder mit

Kurzkommentaren zu beantworten. 27

Treten bei der Kontrolle des Fragebogens durch die Zertifizierungsstelle keine Mängel auf, wählt der zuständige

Zertifizierer den Auditor aus, der dann das erste Gespräch (Projektgespräch) mit der Organisation führt. Im

Projektgespräch werden die Voraussetzung zur Zertifizierung noch einmal vor Ort geprüft und die Termine und der

Umfang der Verfahrensschritte abgesprochen. In diesem wird begrenzt »auditiert«, sicher aber empfehlend und

schulend fokussiert, welche Bereiche noch der Ergänzung bedürfen. Die Organisation gewinnt gleichzeitig Eindrücke

von der Qualifizierung des Auditors. Dadurch entsteht das notwendige gegenseitige Vertrauen, um das

Zertifizierungsverfahren erfolgreich ausführen zu können. 28

Nach Vorlage des in internen Audits erstellten Handbuchs bei der Zertifizierungsstelle prüft der Audit-Leiter das

QM-System. Grundsätzlich muss das Handbuch nicht nach der DIN EN ISO 9000 Reihe gegliedert sein. Bedingung ist

lediglich, dass das Handbuch und die Verfahrensanweisungen alle nach DIN EN ISO vorgesehene Elemente

ausreichend abarbeiten. 29

Der Bericht des Audit-Leiters wird als Ergebnis der Handbuchprüfung erstellt. Er weist eventuelle systematische

Mängel aus, die sich als Abweichung zur Norm darstellen. Bei geringeren Abweichungen werden vom Auditor in der

Regel Empfehlungen abgegeben, die meist sehr sinnvoll, aber nicht zwingend zu übernehmen sind. Die

schwerwiegenden Abweichungen müssen unbedingt beseitigt werden, da sie zum Scheitern der Zertifizierung führen

können. Diskussionen sind aufgrund der Subjektivität der Auditoren durchaus erwünscht. Die Entscheidungen müssen

sich jedoch im Zweifel an der Norm orientieren, wobei in kritischen Fällen Schiedsstellen befragt werden können.

7. Zertifizierungs-Audit,

8. Zertifizierung. (In Anlehnung an die quality-Datenbank; vgl.

http://www.quality.de/lexikon/index.htm)

13.3.5. DIN EN ISO im schulischen Kontext

ISO 9000 ff. dient (vor allem in Schulen) dazu, als eine Art Basismodell für das

Qualitätsmanagement eine intensive Auseinandersetzung mit dem Qualitätsbegriff einzuleiten11.

Standardisierbare Prozesse werden durch die Dokumentation offengelegt und sowohl für die

interne als auch für die externe Kommunikation transparent (vgl. Gonon, 1998, S. 21 f.). Daneben

werden Voraussetzungen geschaffen, die organisatorischen Prozesse kontinuierlich zu überprüfen

und zu optimieren (vgl. ebd., S. 20). Entscheidend ist hierbei, und dies ist eine zentrale

Führungsaufgabe, die Mitarbeiter einzubeziehen und ihnen Verantwortung zu übertragen. Im

Kontext von Schule kann die ISO-Norm jedoch nur ansatzweise realisiert werden. ISO zielt auf die

Verbesserung der Prozesse der Organisation, auf Planung und Steuerung, nicht auf methodisch-

didaktische Abläufe. »Der Nutzen von ISO 9000 ff. für die Unterrichtsqualität ist umstritten, weil

die Bedeutung von standardisierten Prozessen im Bereich Schule und Unterricht ungeklärt ist«

(ebd., S. 21). Da die Norm mit ihren 20 Forderungen einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund

besitzt, ist sie in Struktur und Sprache in vielen Punkten schulfremd. »So wird beispielsweise

Dienstleistung als ›Produkt‹ bezeichnet. Daher erfordert die Umsetzung auf den

Dienstleistungsbereich und speziell auf die Schulen von Anwenderinnen und Anwendern eine

Transferleistung, und die Begrifflichkeiten müssen zuerst für die breite schulische Wirklichkeit

übersetzt und angepasst werden« (ebd., S. 23). Eine »zunehmende Bürokratisierung« ist in der

Kritik, da die Regelungen eines Qualitätsmanagementhandbuches »die Qualität nicht verbessern,

sondern Innovationen behindern und die Selbstverantwortung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

einschränken« (ebd., S. 21). Kritik wird auch noch an anderer Stelle laut: »Der größte Nachteil des

Systems besteht darin, dass es, einer Norm entsprechend, lediglich rein mechanistische Elemente

der Vorhergehensweise enthält und wesentliche Kriterien eines umfassenden

Qualitätsmanagementsystems vermissen lässt« (Kamiske, 1999, S. 1 zit. in: Riecke-Baulecke,

2004, S. 24). Kunden- bzw. Mitarbeiterorientierung bleibe ein »Lippenbekenntnis« (Gonon, 1998,

S. 20) der ISO-Norm. Und weiter: »Es ist sehr wohl möglich, mit einer guten Prozessbeschreibung

ein Zertifikat für die ISO 9000 zu erhalten, da ein wesentliches Element – nämlich die Ergebnisse –

nicht in Bewertung einbezogen werden« (Kamiske, 1999, S. 2 zit. in: Riecke-Baulecke, 2004,

S. 24). Auch ein solches Unternehmen könnte demnach ein Zertifikat erhalten, so eine bekannte

ironische Zuspitzung, das »Rettungsringe aus Beton« produziert.

Abb. 115: Aufbau der QM-Dokumentation nach DIN EN ISO 9000 ff. (vgl. ISO 9000:2000, Muster-Qualitätshandbuch, S. 4, zit. in:

Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, 2003, S. 13)

13.3.6. Balanced Scorecard (BSC)

Im Unterschied zum Qualitätsmanagement wird mit Controlling stärker die Umsetzung einer

Unternehmungsstrategie fokussiert. Ebenfalls aus der Betriebswirtschaft, genauer aus dem

Rechnungswesen, stammt die Balanced Scorecard, die übersetzt werden kann mit »ausgewogener

Berichtsbogen«. Sie wurde von Robert S. Kaplan und David P. Norton im Rahmen des

Forschungsprojekts »Performance Measurement in Unternehmen der Zukunft« entwickelt. In

diesem Projekt wurden die Controllingkonzepte in zwölf US-amerikanischen Unternehmen,

darunter Apple, DuPont, General Electric, HP etc., untersucht. Als Management- und

Steuerungssystem verfolgt die BSC das Ziel, »die Strategien einer Organisation in klar formulierte,

messbare und damit überprüfbare Steuerungsgrößen zu übertragen« (Arnold & Faber, 2000, S. 76).

Die Berücksichtigung finanzieller, meist in die Vergangenheit gerichteter Kennzahlen der Führung

und Steuerung, beispielsweise Wert der Produktionsanlagen, Umsatz, Gewinne, Investitionen in

Lagerbestände, Ausstattung etc., wurde Ende der 80er-Jahre als nicht ausreichend bewertet und

bedurfte daher einer Ergänzung durch weitere Perspektiven. Diese weiteren Perspektiven sind zum

einen Interessensgruppen (Stakeholder) wie Mitarbeiter oder Kunden, zum anderen beispielsweise

Kundenzufriedenheit, Anzahl der Produktneueinführungen, Fluktuationsquote,

Mitarbeiterqualifikation etc. Die Besonderheit der BSC im Gegensatz zu traditionellen Modellen

des Rechnungswesens liegt in ihrer langfristigen, strategischen Ausrichtung. »Ziele und

Kennzahlen leiten sich aus der Vision und den Strategien ab und nehmen die Leistung der

Organisation aus den folgenden vier Perspektiven in den Blick:

1. Finanzwirtschaftliche Perspektive,

2. Kundenperspektive,

3. interne Prozessperspektive sowie

4. Lern- und Entwicklungsperspektive« (ebd., S. 77).

Abb. 116: BSC als Rahmen zur Umsetzung von Vision und Strategie in operative Größen (vgl. Kaplan & Norton, 1997, S. 9)

Als Kennzahlensystem, das organisationsspezifisch entwickelt werden muss, liegen die

Besonderheiten in der ganzheitlichen Darstellung von Organisationszusammenhängen und in der

Art ihrer Entstehung. Ziele und Kennzahlen werden über Ursache-Wirkung-Beziehungen verknüpft

und Ergebnisgrößen und Leistungstreiber30

definiert, durch die die Strategie transparent und

messbar wird. Dabei zeigen die Kausalketten die Bedeutung jedes Ziels, jeder Kennzahl und jeder

Maßnahme im Hinblick auf die Strategieumsetzung.

In einem Kaskaden-Vorgehen werden für jede der vier Perspektiven folgende Schritte vollzogen:

1. Klärung und Herunterbrechen von Visionen und Strategien,

2. Kommunikation und Verknüpfung von strategischen Zielen und Maßnahmen,

3. Planung, Festlegung von Zielen und Abstimmung strategischer Initiativen,

4. Verbesserung von strategischem Feedback und Lernen (vgl. Arnold & Faber, 2000, S. 77).

30

Ergebnisgrößen und Leistungstreiber zeigen, wie eine Strategie erreicht wird, wobei Ergebnisgrößen in der Regel

Spätindikatoren und Leistungstreiber Frühindikatoren sind. Jede Ergebnisgröße ist von mehreren Leistungstreibern

abhängig, die die eigentlichen Stellhebel zum Erreichen der Ergebnisse darstellen. Seine Leistungstreiber muss jede

Organisation individuell definieren (vgl. Wolter, 2002 in: http://www.symposion.de/qw/qw_08.htm).

Abb. 117: Kennzahlenkaskade (http://www.4managers.de/fileadmin/4managers/folien/BalancedScorecard_04.pd)

Die Kennzahlenkaskade ist weniger Kontrollinstrument als vielmehr ein Mittel der

Kommunikation, Information und des Lernens. Führungskräfte und Mitarbeiter sind aktiv in die

Strategietransformation und -umsetzung eingebunden. In so genannten Teamprojekten formulieren

Führungskräfte Strategien und Visionen und übersetzen diese in Ziele. Durch das Kaskaden-

Vorgehen zur Ableitung der Ziele und Messgrößen kommt auch den Mitarbeitern der operativen

Ebenen Bedeutung zu, indem sie die bereichs-, abteilungs- oder arbeitsplatzspezifische

Interpretation und Übersetzung leisten und letzten Endes für die konkrete Umsetzung, Strategien

und Ziele sorgen (vgl. Arnold & Faber, 2000, S. 78).

Bei der Implementierung der BSC in einer Organisation sind folgende fünf Phasen zu durchlaufen:

1. Strategische Grundlagen klären:

Voraussetzungen überprüfen,

strategische Stoßrichtung festlegen,

BSC in Strategieentwicklung integrieren.

2. Organisatorischen Rahmen schaffen:

BSC-Architektur bestimmen,

Projektorganisation festlegen,

Projektablauf gestalten,

Information, Kommunikation und Partizipation sicherstellen,

Methoden und Inhalte standardisieren und kommunizieren,

kritische Erfolgsfaktoren berücksichtigen.

3. Eine BSC entwickeln:

strategische Ziele ableiten,

Ursache-Wirkung-Beziehungen aufbauen,

Messgrößen auswählen,

Zielwerte festlegen,

strategische Aktionen bestimmen.

4. Übertragung in die Organisation gewährleisten:

BSC organisationsweit einführen,

BSC auf nachgelagerte Einheiten herunterbrechen,

BSC zwischen den Einheiten abstimmen,

Qualität sichern und Ergebnisse dokumentieren.

5. Kontinuierlichen BSC-Einsatz sicherstellen:

BSC »leben« und kommunizieren,

Mitarbeiter mithilfe der BSC führen,

BSC in das Berichtswesen integrieren,

kontinuierliche Evaluation (vgl. Horváth & Partner, 2000).

13.3.7. BSC im schulischen Kontext

Formen und Bedeutung von Bildungscontrolling geraten zunehmend in den Fokus des Interesses

von Bildungswissenschaften und Bildungspraxis. Eine Übertragung auf den schulischen Kontext

erscheint bei diesem Modell zunächst schwierig aufgrund der in hohem Maße

betriebswirtschaftlich orientierten Vorgehensweise der Ableitung von Strategien, Identifikation von

Messgrößen und Ableitung von Maßnahmen. Das Beraternetzwerk für Schulentwicklung der

Sächsischen Akademie für Lehrerfortbildung unternimmt jedoch den Versuch, die BSC in den

Schulkontext zu integrieren. Die BSC dient hier als Grundlage für die (Weiter-)Entwicklung eines

Schulprogramms. Folgende Schritte empfehlen die Berater:

1. BSC-Projektteam bilden:

Planung des Projektablaufs (Zeitplan, Meilensteine),

Ermittlung einzubeziehender Gruppen (Lehrer, Schüler, Eltern etc.),

Informations- und Kommunikationsformen der Projektarbeit festlegen.

2. Ist-Analyse:

Ermittlung bereits vorhandener BSC-Elemente (Vision, Ziele, Aktionen etc.),

Analyse des eventuell bereits vorhandenen Schulprogramms.

3. Soll-Konzept – BSC als neues Schulprogramm:

Erarbeitung einzelner BSC-Elemente unter Einbezug relevanter Gruppen (z.B.

Anspruchsgruppen bei Leitbildentwicklung, Lehrer bei Festlegung von Mess- und

Zielgrößen etc.),

kontinuierliche Information über aktuellen Stand der BSC sicherstellen.

4. Einführung/Umsetzung:

Verantwortlichkeiten festlegen (Wer ist für die Umsetzung der Aktion zuständig?),

Evaluationszeitpunkte festlegen (Wann werden einzelne Zielgrößen überprüft?),

Steuerungsmaßnahmen (Korrekturen) ermöglichen.

5. Evaluation/Reflexion:

Ergebnisse des ersten Jahres vorstellen (Öffentlichkeitsarbeit),

Abweichungen diskutieren und Schlussfolgerungen daraus ziehen Soll-Konzept

entsprechend anpassen.

Die BSC dient hier in erster Linie als Instrument bzw. Hilfsmittel zur Selbstevaluation. Folgende

Elemente integrieren die Berater in eine Ist-Analyse zur Ermittlung bereits vorhandener BSC-

Elemente für Schule:

Abb. 118: Elemente einer BSC für die Schule (vgl. http://www.sn.schule.de/~salf/pm/material/bsc_schule.ppt)

13.4. Evaluation im schulischen Kontext

In Schulen reflektieren Lehrkräfte seit jeher die Qualität ihrer Arbeit, z.B. im Rahmen ihrer

Unterrichtsplanung, in informellen Gesprächen oder in Konferenzen. Eine Reflexion wird jedoch

professionell, wenn sie regelmäßig und systematisch erfolgt. Erst dann ist sie fester Bestandteil des

schulischen Qualitätsmanagements. Diese Art der Reflexion, das Überprüfen und Evaluieren der

Qualität der Arbeit, verbunden mit dem Wunsch nach Verbesserung und Optimierung von Schule

und Unterricht, ist meist noch nicht fester Bestandteil im schulischen Alltag.

Häufig wird der Begriff Evaluation noch nicht klar abgegrenzt verwendet. Im engen Sinn gilt

Evaluation als die Beschreibung einer Maßnahme, die einen erreichten Zustand, den Erfolg oder

Fortschritt überprüft. Im weitesten Sinn kann Evaluation auch als ein umfassendes Kontroll- und

Managementsystem für Qualität verstanden werden (Ditton, 2002). Evaluation beinhaltet also auch

Erfolgs-, Wirkungs- oder Qualitätskontrolle und Begleit-, Effizienz- oder Bewertungsforschung.

In der Praxis wird Evaluation meist in einem Spannungsverhältnis zwischen Rechenschaftslegung

einerseits und Verbesserungsbemühung andererseits erlebt (Huber, 1999; Altrichter, 2004; Buhren,

2004). Zu unterscheiden ist neben der Zielsetzung der Evaluation zudem, welche Kriterien man

anlegt und welcher Instrumente man sich bedient, ob Standards vorgegeben sind oder diese selbst

formuliert werden. Auch kann und muss differenziert werden, wer die Evaluation durchführt.

Abb. 119: Differenzierung des Begriffs Evaluation I: Evaluation nach Zielsetzung (d. Verf.)

……Eine weitere Differenzierung würde wie folgt aussehen (Altrichter, 2004):

Abb. 120: Differenzierung des Begriffs Evaluation II: Zwecke von Evaluation (vgl. Altrichter, 2004)

Bei Evaluation werden die Begriffe Selbst- versus Fremdevaluation und interne vs. externe

Evaluation unterschieden. Dass die einzelnen Evaluationsformen, in erster Linie Selbst- und

Fremdevaluation, in der schulischen Praxis nicht unabhängig voneinander stattfinden, sondern

Hand in Hand gehen, zeigt Abbildung 121.

Abb. 121: Evaluationskreislauf (vgl. Tegethoff, 1999, S. 14, frei nach Rolff, 1995)

Die interne Evaluation dient einerseits der Selbststeuerung und andererseits der

Rechenschaftslegung gegenüber den Anspruchsgruppen. Die externe Evaluation verfolgt das Ziel,

der Innensicht der Schule eine Außensicht gegenüberzustellen. Gleichzeitig liefert die externe

Evaluation den Schulbehörden steuerungsrelevante Informationen (Bildungsdirektion des Kt.

Zürich, 2001).

Neben dem Identifizieren von Defiziten mittels einer Bestandsaufnahme sowie der Verbesserung

dieser Defizite kann Evaluation auch dazu dienen, den bisherigen schulischen bzw. unterrichtlichen

Erfolg zu bestätigen. Generell erfordert jede Evaluation im Hinblick auf ihre Konsequenzen für die

Praxis eine enge Kooperation von Evaluatoren und Evaluierten (vgl. Ditton, 2002). Ebenso wie die

Einbeziehung der Evaluierten in die Planung des Programms sind gemeinsam definierte

Bewertungsmaßstäbe, z.B. Standards, die sich wiederum an den zuvor festgelegten Zielen

orientieren, sowie eine gemeinsame Analyse der Daten und die entsprechende Rückspiegelung der

Daten an die Beteiligten und Betroffenen von Bedeutung. »Nur durch die gemeinsame Analyse der

Daten können mögliche Widersprüche aufgeklärt, Ursachen für bestimmte Erkenntnisse gefunden

und Kausalzusammenhänge erforscht werden« (Buhren, 2004, S. 16). Auf diese Art wird (Selbst-

)Evaluation zu einem Verfahren für die schulische Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung

und kann dem Anspruch, den Schule an Evaluation hat, nämlich Evaluation als eine »die Praxis

beratende, praxisbegleitende und unmittelbar in die Praxis integrierte Evaluation« (Ditton, 2002,

S. 779) gerecht werden.

Um die Diskussion der Differenzierung des Begriffs Evaluation zusammenzufassen, lässt sich in

Anlehnung an Kromrey, ähnlich auch Altrichter (2004), folgende Tabelle konstruieren:

Abb. 122: Konzeptualisierung von Evaluation

Je nachdem, wie man die hier aufgeworfenen Fragen beantwortet, handelt es sich um verschiedene

Arten der Evaluation. Obwohl vom Begriff her bei einer Evaluation die Sammlung und

Auswertung von Daten zum Zweck der Beurteilung (summative Funktion) im Vordergrund steht,

geht es sowohl bei der internen wie der externen Evaluation letztlich vor allem um die

Qualitätsentwicklung (formative Funktion). Anders ausgedrückt: Bei der internen und externen

Evaluation stehen die Feedback- und die Entwicklungsfunktion im Vordergrund.

Abb. 123: Schulqualitätsmanagement im Gesamtzusammenhang (vgl. Huber & Büeler, 2009)

Der mit diesem Qualitätsmanagementmodell festgelegte Miteinbezug von lokalen, kommunalen

und regionalen Instanzen steht in Übereinstimmung mit der Erkenntnis, wonach nachhaltige

Qualitätsentwicklung durch die Balance von Impulsen von unten (bottom up) und von oben (top

down) zu gewährleisten ist. Die externe Evaluation steht in diesem Spannungsfeld in einer

vermittelnden Position, indem sie sowohl die Schule selbst wie auch die Schulaufsicht mit

Informationen zu qualitätsrelevanten Aspekten der Schule bedient.

Wie bereits bemerkt kommt auch bei der Evaluation den Führungskräften in Schulen, also der

Schulleitung, eine besondere Verantwortung zu. Bartz (2005, S. 3) beschreibt als Aufgaben der

Schulleitung im Zuge von Evaluation:

»bei allen schulischen Vorhaben und Maßnahmen bereits in der Planung vorzusehen, die

Evaluationsergebnisse kommunikativ zu validieren und sie sowohl für die Steuerung des

Entwicklungsprozesses wie für die Implementation nach Erprobung zu nutzen,

die Erwartung klar zu äußern, dass bei der Planung von Vorhaben und Maßnahmen immer

auch die Evaluationsplanung berücksichtigt wird, und die Überprüfung der Zielerreichung

durch Evaluation zu fordern,

die Lehrkräfte, die Fachkonferenzen oder Jahrgangsteams dabei zu unterstützen, geeignete

Verfahren der Evaluation einzusetzen.«

Die Schulleitung kann diese Aufgaben auf zweierlei Arten umsetzen: zum einen formell als

Auftraggeber von Projekten und deren Evaluation, zum anderen informell,

»indem sie oder er zum Beispiel in Beratungs- und Beurteilungsgesprächen nachfragt, in

welcher Weise sich die Lehrkraft der Wirksamkeit ihrer Arbeit vergewissert,

indem sie oder er den Anspruch auf eine solche Vergewisserung durch Evaluation deutlich

vertritt und

indem sie oder er Material wie zum Beispiel Fragebögen zum Schülerfeedback zur

Verfügung stellt« (ebd.).

Entscheidend ist, dass schulisches Qualitätsmanagement, z.B. in Form von Evaluation, von den

Beteiligten, also in erster Linie von der Schulleitung und dem Kollegium, nicht als zusätzliche und

äußerst aufwändige Aufgabe erlebt wird, sondern dass das Ziel konkret ist und dass der Aufwand

für die Durchführung so gering wie nötig bleibt. Unterstützung »von außen« sollen beispielsweise

Kriterien- und Fragenkataloge sowie Instrumente zur Datenerhebung bieten, wie sie zum Beispiel

von Ministerien, der Schulaufsicht und von Landesinstituten oder von Universitäten entwickelt

werden.

13.5. Schlussbemerkungen

13.5.1. Bisherige Erfahrungen beim Übertragen von Qualitätsmanagement aus der Wirtschaft

Die Erfahrungen mit Qualitätsmanagementsystemen oder -modellen, die meist einen technischen

bzw. betriebswirtschaftlichen Hintergrund besitzen, sind in Schulen oft ambivalent:

Eine Schwierigkeit ergibt sich aus der im Vorfeld notwendigen »Übersetzung« der aus

schulfremden Kontexten stammenden Terminologie in die jeweilige Schulsituation. Lehrkräfte

sehen sich oftmals Problemen bei der Konkretisierung der eher abstrakten Formulierungen in

entsprechende Modellkriterien gegenüber. Es muss eine Übersetzung in und eine Anpassung an den

vorherrschenden organisationalen Kontext geben. Und auch trotz Übersetzung besteht die Gefahr,

dass die aus der Wirtschaft stammenden und extrem formalisierten Modelle als schulfremd

wahrgenommen werden, da individuelle Ansprüche der Einzelschule unberücksichtigt bleiben und

oftmals Anknüpfungspunkte an bisherige Qualitätsentwicklungsbemühungen fehlen bzw.

verborgen bleiben. Das Problem der Skepsis gegenüber dem eher wirtschaftlich geprägten

Vokabular identifiziert auch eine Studie, in der Altrichter (2000) sechs Schulen und ihre

Erfahrungen mit Qualitätsmanagementmodellen untersucht. Weiterhin nennt Altrichter den Mangel

an Informationen sowie fehlende Verbindlichkeiten als problematische Aspekte bei der Einführung

von klassischen QM-Modellen in Schulen.

13.5.2. Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Qualität

Positiv ist, dass durch die Beschäftigung mit Qualitätsmanagementsystemen oder -modellen ein

gemeinsames Verständnis von Qualität (im jeweiligen Kontext) entwickelt und ein systematischer

Qualitätsmanagementprozess angestoßen werden kann. Zudem berücksichtigen umfassende

Verfahren im Sinne des Total Quality Management alle relevanten Interessengruppen und

ermöglichen somit einen systematischen Gesamtüberblick über alle Aktivitäten einer Organisation.

Aufgrund ihrer Standardisierung stellen diese Verfahren einen Bezugs- bzw. Bewertungsrahmen

für alle Beteiligten dar.

Zu beachten sind u.a. zentrale Aspekte:

13.5.3. Kompetenzen

Notwendig ist, dass die schulischen Akteure entsprechend qualifiziert werden, so die Ergebnisse

von wissenschaftlichen Begleitungen. Der zeitliche, personelle und materielle Aufwand, der bei der

Implementierung schulischen Qualitätsmanagements entstand, wurde von den Beteiligten als

erheblich eingeschätzt, zumal häufig weder die Eingangsqualifikation optimal war, noch eine

angemessene prozessbegleitende Unterstützung durch einen Berater stattfand. Kritisch wurde

bemerkt, dass die neuen Aufgaben im Rahmen des Qualitätsmanagements in das Spektrum der

bestehenden Aufgaben integriert werden sollten, ohne dafür Ressourcen zur Verfügung zu haben.

Teilweise zeigte sich daraufhin deutlich Überlastung bei den Akteuren. »Es ist zudem davon

auszugehen, dass Aufgaben im schulischen QM wie andere Überlastungen auf Kosten des

Unterrichts gehen, da einerseits dessen Gestaltung und Förderung neben Zeit auch Motivation

erfordert, andererseits Mängel in diesem Bereich kaum nach außen dringen und damit zu

Konsequenzen führen können. Diese Annahme wird durch die häufig getroffene Äußerung

bestätigt, schulisches QM führe vom Kerngeschäft Unterricht weg bzw. ließe dafür kaum noch

Zeit« (Tenberg, o.J., S. 58; Altrichter, 2004; Obermeyer, 2003; Tenberg, o.J.). Eine ausreichende

und angemessene Qualifikation und die Bereitstellung entsprechender Ressourcen – vor allem Zeit

– sind grundlegend. Lehrkräfte sind in der Regel hinsichtlich ihres Wissens und ihrer Erfahrungen

im Umgang mit wissenschaftlichen Methoden der Evaluation nur unzureichend qualifiziert.

Tenberg (o.J., S. 58) empfiehlt, dass die erforderlichen Informationen und Qualifikationen bzgl. des

Instrumentariums mit ausreichender Zeit von – im Schulbereich – qualifizierten Experten vermittelt

werden sollten, damit es nicht dazu kommt, dass eventuell Daten »unsauber« erhoben werden,

dadurch Verfälschungen entstehen und die Ergebnisse damit wertlos sind.

13.5.4. Motivation

Grundsätzlich ist ein hohes Maß an Bereitschaft aller Beteiligten erforderlich, besonders der

Schulleitung (vgl. Esser, 2005) und der Steuergruppe. Viel Zeit und umfangreiche personelle und

materielle Ressourcen müssen aufgewendet werden. »Die wichtigsten Voraussetzungen sind dabei

Transparenz, Beteiligung möglichst aller Kolleginnen und Kollegen (wenigstens informativ) und

eine breite Zustimmung zur Einführung innerhalb der Schule« (Reese, 2005, S. 4). Tenberg (o.J.,

S. 59) spricht sich ebenfalls für eine aktive Beteiligung aller Kollegen bereits bei der Entscheidung

für ein Qualitätsmanagement aus: Die Implementierung eines solchen »... kann zwar von

schulintern ausgewiesenen Referenten administriert werden, dabei sollten diesen KollegInnen

jedoch überwiegend operative bzw. kommunikative Aufgaben obliegen, Gestaltungs- und

Entscheidungsprozesse aber beim Gesamtkollegium bleiben«.

Darüber hinaus müssen Passungen hergestellt werden:

13.5.5. Konzeptionelle Passung (Passung erster Ordnung)

Die Qualität einer Evaluation hängt ab von der Abstimmung zwischen dem Evaluationsobjekt, der

Evaluationsfunktion, der Kompetenz und Akzeptanz der Evaluatoren, den Evaluationsmaßstäben

und den Evaluationsverfahren sowie -methoden. Es ist also nicht nur relevant, wie die

methodologische und methodische Qualität ist, sondern vielmehr, ob sie – ausgehend von der

Zielsetzung – das erreicht, was sie erreichen will. Entscheidend ist eine klare Zielorientierung, denn

Evaluationen sind kein Selbstzweck und keine Modeaktivität, sondern müssen sich an Zielen

ausrichten und daran messen lassen (Evaluation der Evaluation). Im pädagogischen Kontext ist eine

pädagogische Zieljustierung entscheidend. Deutlich ist auf die Notwendigkeit einer Passung der

Evaluation mit der Zielsetzung hinzuweisen (»Passung erster Ordnung«, einer konzeptionellen

Passung sozusagen).

13.5.6. Soziale Passung (Passung zweiter Ordnung)

Darüber hinaus muss beachtet werden, dass zum einen Bildungsprozesse und Bildungsprodukte

höchst komplex sind und zum anderen es sich vorrangig um soziale Prozesse im schulischen

Kontext handelt, in die Menschen unterschiedlichen Alters (Schüler und Lehrer) involviert sind.

Umso größer ist die Bedeutung, die der sozialen Akzeptanz zukommt, zumal einfache

Transaktionsmodelle aufgrund des professionellen Selbstverständnisses psychologisch und faktisch

nicht funktionieren. Akzeptanz ist entscheidend, einerseits, wenn es um die Mitwirkung bei einer

Evaluation geht, und zwar sowohl bei der Datenerhebung (also Fragebogen ausfüllen, sich

interviewen lassen, sich beobachten lassen) wie auch im Umgang mit den Evaluationsergebnissen.

Dabei ist ohne Belang, um welche Art der Evaluation es sich handelt, denn letztendlich ist immer

das Ziel (vor allem aus einer pädagogischen Perspektive), eine positive Veränderung, eine

Verbesserung zu erreichen. Auch hier muss eine Passung beachtet werden, die man »Passung

zweiter Ordnung« nennen könnte: eine soziale Passung, eine Passung des sozialen Kontextes, eine

Passung mit der Organisations- bzw. Schulkultur. Beachtet man dies nicht, wird vermutlich

Reaktanz die Folge sein. Reaktanz ist das psychologische Phänomen der Reaktion auf die

Einengung der eigenen Handlungsfreiheit, was dazu führt, zumindest für sich selbst erlebt, eine

gewisse Freiheit wiederherzustellen, z.B. durch Verweigerung.

13.5.7. Transparenz als Grundlage für Akzeptanz – Akzeptanz als Konsequenz aus sozialer Passung und Wahrnehmung der konzeptionellen Passung (soweit jeweils vorhanden)

Bedeutend ist v.a. für die Passung zweiter Ordnung das Vorhandensein von Transparenz. Fehlende

Transparenz geht oft einher mit dem Erleben hoher Unbestimmtheit, folglich mit Unsicherheit,

demzufolge oft mit Widerstand. Beteiligte können durch Transparenz des Verfahrens das

Bewusstsein einer gewissen – selbst, wenn nicht vollständigen – Kontrolle über das Verfahren

erlangen. Transparenz ist notwendig zur Erhöhung der Akzeptanz, natürlich nur, wenn auch die

Passung erster Ordnung vorliegt.

Zusammenfassend muss betont werden: Es müssen zwei Arten von Passung beachtet werden, eine

konzeptionelle Passung erster Ordnung und eine kulturelle, eine soziale Passung zweiter Ordnung.

Sie entscheiden über die Qualität der Evaluation.

13.5.8. Rolle und Verantwortung der Schulleitung und der Steuergruppe

Den Schulleitungen und auch den Steuergruppen kommt eine besondere Verantwortung zu. Ihre

Aufgabe ist es, den Evaluationsprozess klar und transparent zu planen und durchzuführen, die

Evaluationsergebnisse systematisch zu analysieren, daraus Ziele und Maßnahmen für die (Weiter-

)Entwicklung abzuleiten, auch diese wiederum in den Evaluationsprozess zu integrieren und alle an

Evaluation Beteiligten, in erster Linie die Lehrkräfte, zu unterstützen. Die Schulleitung kann diese

Aufgaben auf zweierlei Arten umsetzen: Zum einen direkt als Auftraggeber von Projekten und

deren Evaluation, zum anderen indirekt, indem sie konkret nachfragt, in welcher Weise sich die

Lehrkräfte der Wirksamkeit ihrer Arbeit vergewissern, indem sie den Anspruch auf eine solche

Vergewisserung durch Evaluation deutlich vertritt und indem sie Ressourcen zur Verfügung stellt.

13.5.9. Notwendigkeit der Unterstützung

Bei dieser Arbeit benötigen Schulen zunächst Unterstützung. Ausmaß, Umfang und Art der

Unterstützung unterscheiden sich je nach Schule sehr stark und können meist nur individuell

festgestellt und zufriedenstellend gegeben werden (vgl. hierzu u.a. Hopkins, 1996). Viele Schritte

der Qualitätsentwicklung bedürfen der Unterstützung durch externe Berater (Coaches, Mentoren,

Supervisoren) als Impulsgeber, Motor und Experten, die zum einen Expertise bezüglich des

Instrumentariums aufweisen, zum anderen bezüglich der Organisation Schule (vgl. Tenberg, o.J.,

S. 59). Sie stehen in der Praxis den Schulen jedoch nicht immer zur Verfügung. Zukünftig sollten

sie aber vermehrt abgerufen werden können. Neben diesen nur schulindividuell ermittelbaren

Unterstützungsbedarfen lassen sich auch einige für alle Schulen notwendige Unterstützungsmodule

ermitteln. So benötigen alle Schulen z.B. Unterstützung bei der Einführung der

Managementinstrumente, bei der Dokumentation, bei der Moderation des Prozesses oder auch

konkrete Hilfsmittel wie Kriterienkataloge oder standardisierte Fragebögen. Für diesen Bedarf

müssen Unterstützungssysteme bereitgestellt werden. Prinzip sollte aber auch hier das System der

Nachfrage sein: Schulen ermitteln und formulieren ihren Bedarf eigenständig und wählen einen

entsprechenden Berater.

Zum Abschluss noch zwei Hinweise:

13.5.10. Qualitätsmanagement und Schulevaluation sind nicht Selbstzweck

Entscheidend ist, dass Qualitätsmanagement und Schulevaluation die Ziele erreichen helfen, die die

Schule in einer demokratischen Gesellschaft hat. Das bedeutet, dass konsequenterweise auch

Qualitätsmanagementverfahren sich daran messen lassen müssen, inwieweit sie eine Justierung im

Hinblick auf pädagogische Ziele ermöglichen (vgl. Huber, 2005). In diesem Sinne kann

Qualitätsmanagement zu einer Orientierung an pädagogischen Prämissen wie Mündigkeit,

Anerkennung, Vertrauen sowie kooperativer Selbsttätigkeit beitragen.

13.5.11. Kultur des Vertrauens

Abschließend sei ein zentraler Gedanke angedeutet, der u.a. auch von Rosenbusch (2005)

angesprochen wird: Schule braucht eine Kultur des Vertrauens. Die »Logik des Vertrauens« zu sich

selbst und zu anderen (so Rosenbusch) muss einerseits Schulleitungshandeln bzw.

Schulmanagement insgesamt bestimmen, aber eben auch alle Aktivitäten der Qualitätsüberprüfung.

Schulen muss aber auch von »außen« Vertrauen entgegengebracht werden. Die strukturelle

Umsetzung von Vertrauen ist Eigenverantwortung, Entlassen in die Mündigkeit. Dieses

Entlassenwerden in die Mündigkeit darf nicht wieder ausgehebelt werden durch eine Kultur des

Misstrauens, das engmaschig überwacht, sondern muss – wie oben ausgeführt – begleitet werden

von Unterstützung durch Professionalisierung auf allen Ebenen (der Lehrkräfte, der Steuergruppe,

der Schulleitung, der Schulaufsicht etc.), durch Auswahl geeigneten Personals sowie angemessene

Qualifizierung und entsprechende Unterstützungssysteme.