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Demokratiedefizite im Globalisierungsprozess Prof. em. Dr. Georg Auernheimer CC-BY Georg Auernheimer

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Demokratiedefizite im Globalisierungsprozess

Prof. em. Dr. Georg Auernheimer

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Vorschau/Gliederung

1. Einleitung: Um was geht es?

2. Der schleichende Verlust an Demokratiea. der Wettbewerbsstaatb. die geballte Wirtschaftsmachtc. die Konstruktion der EU (Lissabon-Vertrag)

3. Direkte informelle Einflussnahmen

4. OECD, IWF und Weltbank

5. Ansätze von Widerstand u. Transparenz

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Die Transatlantischen Freihandelsabkommen

• Geheimverhandlungen unter Ausschluss von Parlamentariern, Gewerkschaften, Umweltver-bänden

• Geheimhaltung der Verhandlungsprotokolle auf Jahrzehnte

• Anspruch der EU-Kommission auf exklusive Ratifizierung

• Streitschlichtungsverfahren• ein Regulierungsrat zur künftigen Regulierung

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Globalisierung seit 1990

• Ende der „halbierten Globalisierung“ (1917/49 – 1989) mit der Implosion des RGW

• digitale Revolution (world wide web)• transnationale Wertschöpfungsketten• Monopolisierung der Wirtschaft• Bedeutungszuwachs der Finanzmärkte• das neoliberale Programm von Freihandel, De-

regulierung, Privatisierung – maßgebend für die Strukturanpassungsprogramme von IWF u. Weltbank

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Das neoliberale Programm,Washington Consensus 1990

• Abbau nationaler Schutzschranken für Waren-handel und Kapitalverkehr, generell Liberalisie-rung der Märkte

• Deregulierung der Finanzmärkte• „Schlanker Staat“, „Entbürokratisierung“,

Privatisierung von öffentlichen Diensten u. Staatsvermögen

• Arbeits- und sozialrechtliche DeregulierungCC-BY Georg Auernheimer

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DER SCHLEICHENDE VERLUST AN DEMOKRATIE

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Folgen der Globalisierung

• Multis können die Standortvorteile verschiedener Länder nutzen – niedrige Löhne, niedrige Sozial-standards u. Steuern dort, hohe Qualifikation, wissenschaftliches Know-how und moderne Kommu-nikationssysteme hier.

• Die Globalisierung bedingt daher auch in den Ländern des Zentrums einen Wettbewerb um niedrige Steuern, Lohnkosten u. Umweltstandards.

• Die Auslagerung von Teilen der Produktion ermög-licht die Verrechnung hoher Gewinne in Ländern mit niedrigen Steuern.

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Der selbst gefesselteWettbewerbsstaat

• Im Steuersenkungswettlauf auf dem Weg zum „Schuldnerstaat“ (C. Offe)

• Konsequenz: Einschränkung staatlicher, spez. sozialstaatlicher Leistungen

• Privatisierung/ Public-Private-Partnership• Konsequenz: Einschränkung öffentl. Kontrolle• „Reform“ des Arbeitsmarkts, mehr „atypische“

Beschäftigungsverhältnisse (Leiharbeit etc.)• Konsequenz: Schwächung der Gewerkschaften

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„Imperative der Standortsicherung“

„Die lähmende Aussicht, dass sich die natio-nale Politik in Zukunft auf das mehr oder weniger intelligente Management einer er-zwungenen Anpassung an Imperative der ‚Standortsicherung‘ reduziert, entzieht den politischen Auseinandersetzungen den letzten Rest von Substanz“ (Jürgen Habermas: Die post-nationale Konstellation, Ffm. 1998, S.95).

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Die „Launen der Finanzmärkte“

Seit der Finanzkrise „leben die Regierungen in lähmender Furcht vor den Launen der Finanz-märkte u. den Urteilen der Rating-Agenturen […] Wo die entscheidende Gewalt von den Finanzmärkten ausgeht, kann es zwar freie Wahlen geben, aber sie werden zur Farce“ (Erhard Eppler/SPD in der Süddeutschen Zeitung v. 6. 9. 11).

Rolf-E. Breuer, ehem. Vorstandssprecher der Deut-schen Bank, sprach von der „fünften Gewalt“ (Die Zeit v. 18.5.2000). CC-BY Georg Auernheimer

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Regulatory Capture (Beute)

Joseph Stieglitz: Wirtschaftswissenschaftler, Berater von B. Clinton u. der UNO, 1997 – 2000 Chefökonom der Weltbank:

„Die Banken waren nicht nur zu groß geworden, dass der Staat sie vor dem Zusammenbruch ret-ten musste, sie besaßen auch so viel politische Macht, dass die Regierung ihnen keine politische Beschränkung mehr auferlegen konnte“ (Stieglitz 2010, S.73).

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Kontrollverlust bei Finanztransaktionen

Staatlicher Kontrollverlust• bei Hedgefonds u. anderen „Schattenbanken“

aufgrund von Intransparenz (spez. Handel mit Finanzpaketen, sog. „strukturierten Wertpa-pieren“ außerhalb der Börsen)

• aufgrund der Gründung von Tochtergesell-schaften von Banken (z.B. der Deutschen Bank)

• aufgr. der Finanzströme in Steueroasen (50 %)

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„Hot money“

Die Lockerung der Kapitalmarktkontrollen kann Staaten in Schwierigkeiten bringen. Vor allem Kapital, das in Entwicklungs- und Schwellenländer fließt, ist oft nur kurzfristig angelegt. Wenn Spekulationsgelder plötzlich in großem Umfang abgezogen werden, kann es zu Währungsverfall und Schwächung der Banken-systeme kommen (J. Stieglitz 2004, S.23).Zeitungsmeldung v. 12.08.13: „Allein im Juli trennten sich ausländische Anleger von indischen Schuldtiteln im Volumen von zwei Mrd. $. Im Vormonat war es gar zu einem Rekordabfluss von 5,4 Mrd. aus den indischen Bondmärkten gekommen“ (jw).

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Offene Worte

„Der Nationalstaat als fundamentale Einheit organisierten menschlichen Lebens ist nicht mehr die wichtigste schöpferische Kraft: ‚Internationale Banken und multinationale Konzerne handeln auf eine Weise, die dem politischen Konzept des Nationalstaats weit voraus ist‘“ (Zbigniew Brzezinski in „Between two Ages“, NY 1970, S.56 mit Zitat aus einer Studie).

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Theseüber den Funktionswandel des Staates:

Unter dem Druck der Verhältnisse kann der Staat die klassische Funktion des bürgerlichen Staates nicht mehr erfüllen, nämlich den Ausgleich der Interessen zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Gewinnmaximierung und Mehrheitsinteressen.

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Zur Erinnerung: der Ordoliberalismus(Alfred Müller-Armack, Walter Eucken)

• Steuerung der Marktwirtschaft unerläßlich• soziale Gestaltung (Sozialstaatsgebot)• Balance zwischen Kapital und Arbeit garantieren

(Betriebsverfassung, Sozialpartnerschaft)!• Monopolbildung und bedrohliche wirtschaftliche

Übermacht verhindern (Kartellgesetzgebung)• Mischwirtschaft (private u. staatl. Unternehmen)• Haftung der Unternehmen

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Die geballte Wirtschaftsmacht

• 40% der Weltwirtschaft werden von 147 Konzernen kontrolliert (Team der ETH Zürich 2011).

• 80% der globalen Wirtschaftsleistung wird 800 Trans-nationalen Unternehmen (TNU) zugerechnet (ebd.)

• Schon 1990 kontrollierten fünf Konzerne 77% des globalen Getreidemarkts (heute 4 TNU 90%),10 TNU oder Multis 76% der Autoproduktion,4 TNU 70% des Telekomm-Marktes,7 TNU 90% der Ausrüstung für medizinische Geräte(Eric Toussaint 1990).

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Wolfgang Streeck (ehem. Direktor des MPI für Gesellschaftsforsch.) sieht die Staaten „unter der Kontrolle internationaler, gegen politische Beteili-gung isolierter Regierungs- und Finanzdiplomatie“ (2013, S.78).

Christoph Matznetter (österr. Abgeordneter der SPÖ u. Staatssekretär): „Mitte der 1980er Jahre ist durch die weltweite Deregulierung das System des Kapitalismus umgebaut worden. Dieser Umbau hat dazu geführt, dass die auf den Nationalstaat zuge-schnittene Demokratie ausgehebelt worden ist“ (2013, zit. nach H. Hofbauer 2014, S.160).

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Die Verlagerung von Entscheidungen auf supra-nationale Ebenen begünstigt nach Markus Wissen (2011) machtvolle Interessen.

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Begünstigung machtvoller Interessen“ – warum?

• hohe Intransparenz der Entscheidungswege• geringe parlamentarische Kontrolle• stark expertokratische Elemente• weniger klare, teilweise konkurrierende

Zuständigkeit der 28 Ressorts• Historisch enge Verzahnung von europäischer

Wirtschaft und EU-Kommission

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Unternehmensinteressen über-repräsentiert• Mindestens 15.000 Lobbyisten, Vertreter von Unter-

nehmen, Verbänden und NGOs sind am Sitz der EU-Kommission tätig.

• In 64 % der 1200 Expertengremien der EU-Kommis-sion sind Unternehmensinteressen überrepräsentiert.(K. Frenzel, in: Blätter f. dt. u. internat. Politik 6/08, S.17-20)

• „Die EU ist aufgrund der politischen Relevanz und ihrer hoheitlichen Rechte zu einer Hochburg für Lob-byisten geworden“ (Frantz & Martens 2006, S.109). Ein Autor spricht von einer „fast schon mythischen In-transparenz der europ. Entscheidungsprozesse“ (ebd.)

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Die Besetzung der EU-Kommission

• Die 28 Kommissare werden von „ihren“ Regierungen nominiert u. vom EU-Parlament bestätigt

• Leitung durch den Präsidenten, nominiert vom Europäischen Rat der EU-Mitglieder

• Verwaltungsebene: Generalsekretariat und Generaldirektionen (= Ressorts)Beispiele für fragwürdige Besetzungen: Jonathan Hill, Finanzlobbyist, für Finanzmarktregulierung, Miguel Arias Cañete (Öllobby) als EU-Energiekommissar

• Die EU-Administration beschäftigt 33.000 Mitarbei-ter/innen

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Das EU-Parlament, 751 Sitze,zur Zeit sieben Fraktionen

• Das EU-Parlament hat kein Initiativrecht im Gesetz-gebungsverfahren, es kann nur die Vorlagen der EU-Kommission mit Änderungsvorschlägen zurückwei-sen.

• Üblich geworden: informelle Absprachen im „Trilog“ mit EU-Kommission und Rat der EU

• Auch bei der Besetzung der EU-Kommission verbleibt ihm nur Bestätigung oder Ablehnung der von den Regierungen der Mitgliedsstaaten vorgeschlagenen Kommissare nach Anhörung durch einen Ausschuss.

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Rechte des EU-Parlaments

• in der Außen- und Sicherheitspolitik kein Mitsprache-recht

• im Wettbewerbsrecht (betr. u.a. das Kartellrecht, Vergaberecht der öffentlichen Hand) nur Anspruch auf Konsultation

• Bei der Gemeinsamen Handelspolitik sind Ände-rungsvorschläge möglich (betr. CETA u. TTIP)

• Das Budgetrecht sieht vor: Einigungszwang mit dem Rat der EU über den Haushaltsentwurf der Kommis-sion.

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mangelnde demokrat. Legitimation

• Das Bundesverfassungsgericht hat den EU-Organen, spez. dem Parlament in seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag vom 30.06.2009 nur eine eingeschränkte demokratische Legitimation zugesprochen.

• Dies ist nach Ansicht des BVerfG nur deswegen hinnehmbar, wenn und weil der Kompetenzumfang, die politische Gestaltungsmacht und der Grad der selbständigen Willensbildung der Unionsorgane kein staatsanaloges Niveau erreicht habe (M. Hoppe 2012).

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Aquis communautaire der EU

• Primärrecht: EG- und EU-Vertrag• Sekundärrecht: Verordnungen, Richtlinien,

Empfehlungen der EU-Kommission,Entscheidungen des EuGH(31 Bände, ca. 85.000 Seiten)

• 80 % der Entscheidungen des Dt. Bundestags beruhen auf Entscheidungen der EU-Kommis-sion (Klein 2008, S.203, vgl. Frantz/Martens 2006, S.108).

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Fesseln: die Maastricht-Kriterien

• Neben der Inflationsrate• Haushaltsdefizit pro Jahr 3 Prozent des BIP• Staatsverschuldung max. 60 Prozent des BIP,

verschärft durch den Fiskalpakt (2012)• überprüft von der EU-Kommission

A. Bovenschulte (SPD Bremen) & A. Fisahn (Jurist): „Im Ergebnis verlieren die nationalen Parlamente so unmittelbar das letzte Wort in Sachen Haushalts-politik.“ – „Fiskalpakt entmachtet Bundestag“(zit. nach Hofbauer 2014, S.93).

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Verlust der nationalen Souveränität

„Die nationale Souveränität in der Gesetz-gebung – speziell beim Arbeitsrecht, sowie in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist fast auf Null reduziert worden“ (Fabrizio Tomaselli von der Basisgewerkschaftsunion Italiens im Interview, jW v. 23.10.2014).

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„Der europ. Nationalstaat unter demDruck der Globalisierung“ (J. Habermas 2009)

a. Verlust an staatlichen Kontrollmöglichkeiten/ Autonomie/ Souveränität

b. Demokratiedefizite (Beispiel: die Brüsseler Expertokratie)

c. Einschränkung der wirtschafts- und sozial-politischen Interventionskapazität

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Wie schaffen wir eineeuropäische Öffentlichkeit?

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Das Kriterium „kollektive Einheit“

Die Politikwissenschaftlerin Wendy Brown (USA) vertritt die These:„Damit das Volk sich selbst regieren kann, muss es eine identifizierbare kollektive Einheit geben, in der die Verteilung seiner Macht organisiert und über die diese ausgeübt wird“(Wendy Brown, 2012, zit. nach Hofbauer 2014, S.175).

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EZB, ESM

• Die EZB ist autonom, parlamentarischer Kontrolle entzogen.

• ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), gegr. im Febr. 2012 von den 17 Staaten der Eurozone als Kapitalgesellschaft mit Stimm-recht nach Größe der Einlagen, Sperrminorität für BRD; Bedingung für Unterstützung: „Strukturreformen“, Sparauflagen

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DIREKTE INFORMELLE EINFLUSSNAHMEN

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Der „Drehtüreffekt“

• Mehr als 100 Leihbeamte aus der Wirtschaft sollen 2012 in den Bundesministerien beschäftigt gewesen sein.

• Wirtschaftsvertreter sind auf allen Ebenen z. T. direkt an der Gesetzesarbeit beteiligt. Beispiel: Die EU-Chemikalien-Richtlinie (2004) wurde von einem Vertreter der BASF maßgeblich mit formuliert.

• Politiker/innen wechseln in Chefetagen von Unter-nehmen (prominente Beispiele: Riester, Koch, Niebel, Bahr). Wirtschaftsvertreter, vor allem aus der Finanz-branche, übernehmen politische Ämter.

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Lobbyismus• Mindestens 15.000 Lobbyisten, Vertreter von Unter-

nehmen, Verbänden und NGOs sind am Sitz der EU-Kommission tätig.

• In 64 % der 1200 Expertengremien der EU-Kommis-sion sind Unternehmensinteressen überrepräsentiert.(K. Frenzel, in: Blätter f. dt. u. internat. Politik 6/08, S.17-20)

• „Die EU ist aufgrund der politischen Relevanz und ihrer hoheitlichen Rechte zu einer Hochburg für Lob-byisten geworden“ (Frantz & Martens 2006, S.109). Ein Autor spricht von einer „fast schon mythischen In-transparenz der europ. Entscheidungsprozesse“ (ebd.)

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Die „Corporatocracy“ (Jeffrey Sachs)

• Der Council on Foreign Relations (CFR, gegr. 1921)

• Die Atlantik-Brücke e.V. (gegr. 1952)• Der „Atlantic Council“ (gegr. 1961)• Die Trilaterale Kommission (gegr. 1973)• Der European Round Table of Industrualists

(ERT, gegr. 1983)• Das Weltwirtschaftsforum, engl. World

Economic Forum (WEF), gegr. 1987 (1971)CC-BY Georg Auernheimer

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From left to right (top): Karl Beurle (Thyssen), Carlo De Benedetti (Olivetti), Curt Nicolin (ASEA), Harry Gray (United Technologies), John Harvey - Jones (ICI), Wolfgang Seelig (Siemens), Umberto Agnelli (Fiat), Peter Baxendell (Shell), Olivier Lecerf (Lafarge Coppée), José Bidegain (Cie de St Gobain), Wisse Dekker (Philips).

Der European Round Table of Industrualists

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Der European Round Table (ERT)• gegr. 1983 von 17 europ. Konzernvertretern, heute 

45 Mitglieder (fast alle TNU)• Gründungsmotiv: europäisches Binnenmarkt-

Konzept• zweimal pro Jahr Treffen mit Politiker/inne/n und 

Vertretern der Medien• Grundintention „Wachstum in Europa schaffen“ 

(2012), Abbau wachstumshemmender Regulierungen! Nach diesem Kriterium alle Gesetze durchkämmen!

• u.a. Flexibilisierung des Arbeitsmarkts!CC-BY Georg Auernheimer 

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ERT und EU

„Man kann behaupten, dass nicht die Regie-rungen die Durchführung des Binnenmarkt-konzeptes anregten, sondern der Round-Table und seine Mitglieder“ (Peter Sutherland,  EU-Kommissar und Vorsitzender bei Goldman-Sachs, zit. bei W. Wolf 2009)

1986 wurde die Einheitliche Europäische Akte unterzeichnet. Dieser Vertrag bildete die Grundlage für ein umfangreiches Sechsjahresprogramm mit dem Ziel, die Probleme des freien Handels über die EU-Binnengrenzen hinweg zu lösen, und führte zur Schaffung des „Binnenmarktes“.

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Abschließende Kennzeichnungen

• „eine Verschmelzung von unternehmerischer u. staatlicher Macht“, Wendy Brown, US-Politik-wissenschaftlerin

• „Entmachtungsspirale“ der Parlamente (Frantz & Martens 2006, Politikwissenschaftlerinnen)

• „Postdemokratie“ (Colin Crouch 2003, brit. Sozio-loge u. andere Autoren)

• „marktkonforme Demokratie“, Angela Merkel

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OECD, Internationaler Währungsfonds + Weltbank

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Die Organization for Economic Coop. and Developement (OECD)• gegr. 1961, 20 Gründungsmitglieder• heute 34 Mitgliedstaaten, neben den Industrie-

staaten Schwellenländer wie Türkei u. Mexiko• regelmäßige Wirtschaftsberichte für die Mitglieder 

mit wirtschaftspolitischen Empfehlungen, neoliberal orientiert, 2001 Mitarbeit bei den Milleniumszielen der UNO

• 1995 – 98 institutioneller Rahmen für die Geheimver-handlungen über das Multilaterale Investitionsab-kommen MAI

• Organisator der PISA-Studien, damit indirekte Ein-flussnahme auf nationale BildungssystemeCC-BY Georg Auernheimer 

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Internationaler Währungsfonds

• eine sog. Bretton-Woods-Institution, gegr. 1944, und Sonderorganisation der UNO, Funktion: Hilfe für Staaten in wirtschaftl. Schwierigkeiten, Ausweitung des Welthandels

• 188 Mitgliedsstaaten, Stimmgewicht nach Einlagen, damit Veto der USA, Dominanz der G8 bzw. G7

• Kreditvergabe nach drei Maßgaben: Austerity, Markt-öffnung, Privatisierung (schließt ein: Kürzung von Sozialprogrammen, keine Subventionen, Deregulie-rung des Arbeitsmarktes u. des Bankensektors)

• 1977 – 2010 kein Antrag von Industriestaaten wg. SouveränitätsverlustCC-BY Georg Auernheimer 

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Politik des IWF, Fallbeispiele

• Privatisierung der Wasser- und Stromversorgung in S-Afrika, unzumutbare Preiserhöhung f. Townships

• Privatisierung des Gesundheitssystems auf den Philip-pinen

• Ende der Agrarsubventionen u. der Preiskontrollen in Äthiopien – Existenzbedrohung für Kleinbauern

• Privatisierung von Commons in Peru

Nach Klaus Müller (2002) fiel das Wachstum von IWF-Klienten niedriger aus als von vergleichbaren Staaten ohne IWF-Beistand.

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Die Weltbankgruppe

• Bretton-Woods-Institution und Sonderorganisation der UNO wie der IWF, gegr. 1944 

• auch Gewichtung der Stimmen nach Kapitalanteilen• neben der Internat. Bank für Wiederaufbau u. Ent-

wicklung (IBRD)• die Multilateral Investment Guarantee Agency

(MIGA) zum Schutz von Investoren vor Enteignungen, Transferbeschränkungen etc. und

• das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) zur Organisation der Streitschlich-tungsverfahren

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ANSÄTZE VON WIDERSTANDUND TRANSPARENZ

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 Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, S-Afrika) Die Bolivarische Allianz (Bolivien, Ecuador, Cuba, Nikaragua, Venezuela, einige Karibikstaaten)

 LobbyControl (seit 2004) Wikileaks (ab 2006), investigativer Journalismus Campact (Internetforum u. Kampagnenplattform) Avaaz (Internetforum u. Kampagnenplattform, internat.) attac

 regionaler Widerstand, Alternativen, Ansätze selbstbestimmten Lebens

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