15. Internationale Architekturbiennale 2016 · PDF fileAlvaro meets Aldo’, inszeniert...

download 15. Internationale Architekturbiennale 2016  · PDF fileAlvaro meets Aldo’, inszeniert auf der “ewigen” Baustelle von Alvaro Siza auf der Giudecca. Foto: Andrea Avezzù

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    15. Internationale Architekturbiennale 2016

    KONFRONTATIONReporting from the front: Nicht wegducken, Stellung beziehen, das ist die Forderung an die Architektur. Die 15. Architekturbiennale legt den Finger in die Wunden der Zeit. Der Weg nach Vendig lohnt. Cecilia Fabiani erklrt, warum.

  • md | 6.2016

    Geht es bei Architekturausstellungen denn nicht um einladende, interessante, schne Bauten? Bei der Biennale Venezia nur bedingt, denn die DNA des immerzu bedeutender werdenden Events liegt in der Kunst, wo man schon immer den Puls der Avantgarde misst. Debatte ist da derzeit angesagt, rund ums Thema Architektur, und Alejandro Aravena, Leiter der diesjhrigen Schau, wei wovon er redet. Das Jahr 2016 wird der 1967 geborene Architekt aus Chile als Jahr des Erfolgs erinnern; neben dem Auftrag der Bien-nale wurde er fr seine Entwrfe mit dem Pritzker-Preis gekrnt: ffentliche Bauten und Wohnprojekte, die Individualitt frdern und den Bewoh-nern Raum fr Anpassungen und nderungen zugestehen. Diese Projek-te zeugen von einem Engagement mit politischem Beiklang, das an die Bewe-gungen von 1968 erinnert, aber Themen von heute beinhaltet.

    BAUEN IST KEIN SELBSTZWECK

    Als Theoretiker und Kurator der Biennale demonstriert Alejandro Aravena seinen kritischen Ansatz im Arsenale und im zentralen Pavillon in den Giardini. Fr die Hauptausstellung lud er 88 Entwerfer aus insgesamt 37 Lndern ein. Sie sind jung, international und groteils so unbekannt wie nie zuvor 50 nehmen zum ersten Mal an der Biennale teil, 33 sind unter 40 Jahre alt abgesehen von einigen gewichtigen Namen wie Snozzi, Zumthor, Piano, Grafton Architects, Studio Mumbai, Shigeru Ban, Kengo Kuma, Studio SANAA, Foster oder Chipperfield, Souto de Moura, Ando. Egal, inhaltlich sind sich alle einig. Alle zeigen sie , was sie bewegt, was ihnen Sorgen macht, was fr sie vor und was nach der Archi-tektur kommt, in gewisser Weise sogar, weshalb sie entwerfen. Es geht um zentrale Fragen unseres Daseins und der Bezug zur Architektur ist klar. Die muss sich den wichtigen Themen stellen, es gibt keinen anderen Weg: angefangen beim Flchtlings -thema, Migrationen aus geopolitischen Grnden ber klimatische Vernder -ungen, Naturkatastrophen, Landflucht bis hin zur Entwicklung der Gro-

    und Megastdte, Bevlkerungswachs-tum, Material-, Wohnungs- und Geld-not. Die Konfrontation der Architektur macht auch nicht Halt vor Mll- und Umweltfragen, auch nicht vor Wirtschafts krisen, Pandemien und selbst Kriegen.

    Das Konzept ist berzeugend. Verblf-fend ist, wie viele Architekten und Planer bereits an entsprechenden Entwrfen arbeiten und Lsungen an-bieten. Die Zeiten, in denen ein Bau nur funktional, umweltfreundlich mit korrekter Materialverwendung und

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    Beitrag von Portugal:

    Neighbourhood Where Alvaro meets Aldo, inszeniert

    auf der ewigen Baustelle von Alvaro Siza auf der Giudecca.

    Foto: Andrea Avezz Courtesy La Biennale di Venezia

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    Beitrag der Trkei: Ein Bootsrumpf gefllt mit Treibgut steht fr offene Grenzen und Parallelen zwischen den Hafenstdten Istanbul und Venedig (vorherige Doppelseite). Foto: Cemal Emden

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    sthetisch relevant sein musste, sind lngst vorbei und selbst der Rummel um die Star-Archis ist out. Heute sind die Herausforderungen andere. Um Probleme zu lsen, bentigen wir Kreativitt und Erfindergeist, meint Aravena. Aus diesem Grund whlte er

    als symbolkrftiges Biennale-Motiv ein Foto von Bruce Chatwin, das die deutsche Archologin Maria Reiche in Sdamerika zeigt, whrend sie mit einer Aluleiter unterwegs ist, um die Nazca-Lilien zu erforschen, ohne sie zu zertre-ten. Nach dem Motto: Mangel an

    Mitteln kann frdernd wirken. Das Aus-stellungsdesign ist karg, aber gekonnt von Aravena selbst gestaltet und wurde aus recycelten berresten vergangener Biennale-Editionen stilecht realisiert: Schilder haben Baustellen charakter. Alles scheint in progress zu sein.

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    Waterfront die schwimmende Schule von Kunl Adeyemi, angelandet im Arsenale und mit Ziel auf Afrika. Ausstellung, kuratiert von Biennale-Leiter Alejandro Aravena. Foto: Jacopo Salvi Courtesy La Biennale di Venezia

    Der Beitrag von Spanien wurde mit dem Goldenen

    Lwen fr den besten Lnderpavillon ausgezeichnet:

    Unfinished. Er zeigt unvollendete Bau projekte,

    deren Eigentmer die aktuelle Immobilien krise ruiniert hat.

    Foto: Fernando Maquiera

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  • md | 6.2016

    Schade nur, dass die zweisprachigen Infotexte mit Werkdokumentation zu lang und zu klein geschrieben sind. Viele Besucher fotografieren die Schilder deshalb mit dem Handy.

    AKTIVE KATALOGE

    Da ist es gut zu wissen, dass man die Infotexte in den Katalogen (kompakt oder in zweibndiger Ausgabe) wieder-findet und klugerweise nicht alphabe-tisch, sondern geordnet nach dem Ausstellungsparcours. Ratsam wre es, mit dem Kompaktkatalog durch die Ausstellung zu laufen. Besser noch, man fragt direkt das junge Bodenpersonal. Das sind keine Aufpas-ser, sondern echte cataloghi attivi. Als aktive Kataloge begleiten sie die Besucher durch einzelne Ausstellungs-abschnitte und geben fundiert Auskunft in mehreren Sprachen. Ein Geheimtipp, den man nutzen sollte, denn die Infor-mationsdichte ist hoch. Oft ist es erst das Hintergrundwissen, welches ein angemessenes Verstndnis des Darge-boteten ermglicht: sei es im Hauptge-bude der Giardini Andes Shadow,

    eine Installation ber das Projekt der offenen Schulklassen in den chileni-schen Anden von Elton und Lniz, der Umgang mit dem ffentlichen Raum des West Village von Liu Jiakun in China, die Bambusbauten von Simon Vlez, die Formensprache gegen die Globalisie-rung von Vo Trong Nghia in Vietnam oder Spaniens Mllberge, die Batlle I Roig in Landschaften umwandelt. Der Besuch der Biennale beansprucht mehr denn je viel Zeit und Aufmerk-samkeit: Modelle, Zeichnungen, begeh-bare Installationen, Fotos, Videos man wrde gerne alles vertiefen; im Arsena-le die Recherche des Kumbh-Mela- Treffens in Indien von Rahul Mehrotra, die Materialeinsparungsberechnungen von Ochsendorf-Block- Dejong, die Krankenhuser von TAMassociati in Afrika oder die schwimmende Schule von Kunl Adeyemi in Nigeria.Insgesamt 65 Lnder stellen in den Giardini, im Arsenale und in der Stadt aus, dazu etliche Parallelveranstaltun-gen und Sonderprojekte, dazu Lesun-gen, Schulprogramme und vieles mehr. An Spanien mit Unfinished ging der Preis der Lnderbeitrge kreative

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    Deutscher Pavillon: Das Deutsche Architekturmuseum

    (DAM) kuratierte die Ausstellung Making Heimat.

    Die Berliner Architekten Something Fantastic

    durchbrachen Wnde, Symbol fr die Offenheit des Landes.

    Foto: Felix Torkar

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  • md | 6.2016

    Andes Shadow, eine Installation ber das Projekt der offenen Schulklassen in

    den Anden von Elton und Lniz. Die Architekten wollen auf

    diese Weise Stadtkindern ein Naturerlebnis ermglichen.

    Foto: Francesco Galli Courtesy La Biennale di Venezia

    Autorin: Cecilia Fabiani

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    Anstze aus den fr viele Wohneigent-mer katastrophalen Folgen der spani-schen Immobilienkrise. Inwieweit Architekten heute noch Spielraum gelassen wird, ein Projekt von A bis Z selbst durchzufhren und mit welchem Budget, damit beschftigt sich das Team Bravoure im Belgischen Pavillon: Bravoure, eine Auswahl von Projekten bis hinauf zum Mastab 1:1. Home Economics, der theoretische Beitrag von UK, analysiert neue Wohnmodelle. Ein konzeptioneller Entwurf, der sich mit Fragen zu Privatbesitz, Generatio-nenwechsel, Vernderung der Gesell-schaft auseinandersetzt. hnliche Fragen stellt sich auch Japan. Jedoch mit konkreten Antworten, die zugleich poetisch sind: En-art of nexus, wobei En im Japanischen steht fr den Bezug zwischen Menschen und Dingen. Es sind Entwrfe, die den sozialen Wan-del wahrnehmen und den gemein-schaftlichen Zusammehalt frdern.Deutschland thematisierte mit Making Heimat die aktuellen Flchtlings strme hnlich wie Finnland und sterreich und analysierte die Arrival Cities, die Ankunftsstadtviertel des Landes. Die

    Offenheit Deutschlands symbolisieren die aufgebrochenen Wnde des Deutschen Pavillons. Auch die Trkei analysiert das Thema der offenen Grenzen. Gemeinsamkeiten zwischen Istanbul und Venedig demonstrieren Darzan im Arsenale an einem Boots-rumpf gefllt mit Treibgut.

    ES GEHT UM ZUSAMMENHALT

    Israel hingegen wnscht sich eine Zusammenarbeit von Wissenschaft und Architektur, whrend Dnemark den Blick lenkt auf das Gemeinwohl und auf den Menschen in seinem Arbeits-umfeld und dem Bedrfnis nach bezahlbarem Wohnraum, siehe unsere Kolumne auf Seite 58 f.Portugal konzentrierte seinen Beitrag Neighbourhood auf Alberto Sizas Sozialwohnungsprojekte. Ort des Beitrags ist eine in die Jahre gekomme-ne Baustelle auf der Insel La Giudecca. Dort kann der Besucher nicht nur Sizas in Europa fertiggestellten Sozialbauten per Video bewundern, sondern auch den Ist-Zustand eines sehr engagierten, jedoch am Ende leider unvollendeten

    sozialen Wohnungsbauprojekts mit Husern von Aymonino, Rossi und auch Siza. Der Ort auf