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DIPLOMATIE Der Friedensstifter Seit Jahren löscht der Basler Günther Baechler politische Flächen- brände auf der ganzen Welt. Jetzt ist er in Nepal im Einsatz. Eine «Misson Impossible». Wie bringt man einen reaktionären König und maoistische Rebellen zur Vernunft? Wie macht man aus einem feu- dalen Herrschaftssystem eine modernen Verfassungsstaat? Sie+ER beobachtete den politischen Feuerwehrmann Daechler bei seiner heiklen Arbeit am Himalaja. TEXT NINA HERMANN FOTOS PETER DAMMANN FOTOS PETER DAMMANN/AGENTUR FOCUS 10 SIE ER| REPORTAGE +

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DIPLOMATIE

Der Friedensstifter Seit Jahren löscht der Basler Günther Baechler politische Flächen-brände auf der ganzen Welt. Jetzt ist er in Nepal im Einsatz. Eine«Misson Impossible». Wie bringt man einen reaktionären König undmaoistische Rebellen zur Vernunft? Wie macht man aus einem feu-dalen Herrschaftssystem eine modernen Verfassungsstaat? Sie+ERbeobachtete den politischen Feuerwehrmann Daechler bei seinerheiklen Arbeit am Himalaja.TEXT NINA HERMANN FOTOS PETER DAMMANN

FOTOS PETER DAMMANN/AGENTUR FOCUS

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LANGER MARSCHBesucher im Maois-ten-Camp in Terain,

ganz im OstenNepals, werden immer

noch misstrauischempfangen. Nach

dem Waffenstillstandhaben die Kämpfer

ihre Frauen und Kin-der zu sich geholt

GEFÄHRLICHE SIGNALE Im Parlament inKathmandu wettertein Abgeordneterder maoistischenFraktion gegen«Ausbeutung undUnterdrückung derMassen»

DIE NEUE FREIHEIT Noch vor ein paarJahren wäre diesesFoto undenkbar gewe-sen: nepalesischeTransvestiten gebenauf dem Women’sFestival in Kathmanduihr erstes Debüt

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D ie Kollegen in Bern waren in grosserSorge, denn mit ihrem Mann am Hi-malaja schien die Fantasie durchge-

gangen zu sein. Zu unglaublich töntenseine Abenteuergeschichten, die er als«vertrauliche Vermerke» aus Kathmanduschickte. Zu schön, um wahr zu sein.

Es war eine «Mission impossible», zuder Günther Baechler im Mai 2005 für dasEidgenössische Departement für auswär-tige Angelegenheiten (EDA) nach Nepalaufgebrochen war. Seit fast einem Jahr-zehnt herrschte in dem kleinen König-reich Bürgerkrieg, und die Maoisten hat-ten im Kampf gegen die Monarchie balddas ganze Land unter ihrer Waffengewalt.König Gyanendra hatte seinerseits zu Jah-resbeginn das Parlament mit den demo-kratischen Parteien aufgelöst und dieAlleinherrschaft übernommen. GüntherBaechlers Job: Frieden stiften.

Ein Bedürfnis, das sich früh in sein Le-ben schlich: «Schon als Kind habe ich esnicht ertragen können, wenn Leute Streitmiteinander hatten», sagt der gebürtigeBasler. Heute ist der 54-Jährige als Frie-

densvermittler rund um den Erdball un-terwegs. Wie an diesem Frühlingstag inKathmandu.

Wir sind auf halbem Weg zum Maois-ten-Sprecher Krishna Mahara, und nichtsgeht mehr. Stau, wie üblich unter der beis-senden Smog-Glocke der Hauptstadt undleichtes Flackern hinter den randlosenBrillengläsern von Günther Baechler. DerFriedensstifter hasst Stillstand, ver-schwendete Zeit und Unpünktlichkeit so-wieso. «

Trotzdem wirkt der schlanke Herr imhellen Anzug noch bedeutend fröhlicherals König Gyanendra, der mit verbitterthängenden Mundwinkeln von einemgrossen Bild am Strassenrand zu uns hi-nüberschaut. Günther Baechler hat ver-sucht, mit dem ihm über den Frieden zureden: «Aber der hört auf niemanden.»Der bullige Monarch gibt sich als Wieder-geburt des hinduistischen Gottes Vishnu,wahrscheinlicher ist für viele Untertanen,dass er hinter dem Palast-Massaker steckt,bei dem im Juni 2001 sein Bruder, der be-liebte König Birendra, samt neunköpfi-

DER THRON WACKELTNoch hängen viele Bilder der

Königsfamilie in den Büroge-

bäuden Kathmandus. Aber

vielleicht wird schon bald

umdekoriert.

Überall und unermüdlich

versucht Günther Baechler (r.)

Verbündete zu gewinnen, um

Nepal zu befrieden. Hier

tauscht er sich mit Dinesh

Battari aus, dem zukünftigen

Botschafter in Bern

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Daheim in Nepal waren die Maoistenauf dem Siegesmarsch. Ihr «Befreiungs-kampf gegen die Ausbeutung und Unter-drückung der Massen» hatte zwar bislangrund Zehntausend Todesopfer gefordert,aber auch die Hoffnungen der Menschengeweckt. In Delhi traf Günther Baechlerjedoch keinen Triumphator, sondern erlernte den gefürchteten Rebellen als einen«kriegsmüden und wissbegierigenMann» kennen. «Wir hatten gleich einenDraht zueinander.»

Es war ein Alleingang. Günther Baech-ler nahm als erster ausländischer Vertre-ter Kontakt zur Maoistenführung auf. Dieinternationale Gemeinschaft stütze unterWortführung der USA den König, um denPalast als Bollwerk gegen die Kommunis-ten in Stellung zu bringen. Ein taktischerSchachzug vorbei an den Realitäten: «Daskonnte in einem armen Land wie Nepal,wo die meisten Menschen links der Mittestehen, nicht funktionieren», so GüntherBaechler.

Und so will es der Lauf der Zeit, dassim Frühjahr 2007 Krishna Mahara seinen

Vertrauten «Gunther» und die SIE+ER-Reporter bittet, auf seiner brandneuen Le-dergarnitur Platz zu nehmen. Sie istschwarz und knallrot, ein Stück Popkul-tur, so dass Andy Warhols berühmterSiebdruck von Mao Zedong sich besserdazu machen würde, als das verblicheneMao-Bild, welches in Gesellschaft der Ge-nossen Marx, Engels, Lenin und Stalin ander Wand gegenüber hängt.

In Delhi war Mahara in Lumpen ge-hüllt, heute trägt er einen elegantes grau-es Jacket, der Vollbart ist ab und sein Ge-sicht strahlt stolz ob der neuen Büroaus-stattung. Günther Baechler schmunzelt,bei aller ihm eigenen Höflichkeit, amü-siert. In Kathmandus Diplomatenkreisensind Kalauer über die plötzliche Luxuslie-be der einstigen Dschungelkämpfer derletzte Schrei.

Bald nach jenem Treffen in Delhi be-gan Nepals Zeitenwende. Die Maoistenüberraschen mit einem Waffenstillstandund das Volk erhebt sich von den Höhendes Himalajas bis ins Flachland an der in-dischen Grenze zu einer riesigen Protest-

welle gegen den unbeliebten Monarchen.Im April 2006, als selbst die Loyalität derArmee bröckelt, muss sich König Gyanen-dra schliesslich selbst entsorgen. Er setztdas Parlament wieder ein und beschränktseine Königsrolle auf rein zeremonielleAufgaben.

Nun schlägt die grosse Stunde desSchweizer Diplomaten, er fädelt den Coupseines Lebens ein: den Friedensvertrag,mit dem Maoistenführer Prachanda undPremierminister Girija Koirala im vergan-genen November das Ende des Bürger-kriegs besiegelten. «Ich konnte die beidenüberzeugen, sich zusammenzusetzen»,bringt es der Friedensstifter auf denPunkt.

Auch zu den demokratischen Politi-kern hatte er schon engen Kontakt, als dieanderen Diplomaten in Kathmandu noch

verwundert fragten: «Wieso triffst du dicheigentlich mit diesen Versagern von denParteien?» Sie waren vor ihrer Entmach-tung durch den König schwach geblieben,kein Wunder: «Worte wie «verhandeln»und «Kompromiss» gibt es in Nepal garnicht, die mussten wir erst einführen», soGünther Baechler.

Verhandlungstechniken hat er mit denDemokraten wie den Maoisten geübt,doch als es vom Rollenspiel auf die politi-sche Bühne ging, standen die Verhand-lungen zwischen der regierenden Sieben-Parteien-Allianz und den gebändigten Re-bellen immer wieder auf der Kippe. Undimmer wieder eilte Günther Baechler andas Krankenbett von Premierminister Gi-rija Koirala, 86 – seit Jahren todkrank,aber dank der Fürsorge eines Genfer Lun-genspezialisten noch heute im Amt –,dann wieder zurück zur Maoistenspitze.Die Kommunisten sitzen heute im Über-gangsparlament und «geben sich plötz-lich sehr staatstragend», wie Günther Ba-echler findet.

Linke Theorien schrecken ihn nicht.

Während des Politik-Studiums in Berlinbegeisterte er sich für die Lehren von LeoTrotzki, bis das revolutionäre Gedanken-gut wieder dem alten Traum wich von ei-ner Welt, in der sich alle vertragen. Ergründet in Bern die FriedensstiftungSwisspeace, leitet sie zwölf Jahre, wechseltdann ins Aussenministerium. Auf demafrikanischen Kontinent, besonders imSudan, sammelte er einschlägige Erfah-rungen in der Konfliktprävention undFriedensvermittlung und diese Erfahrun-gen kristallisierten sich über die Jahre

SCHON DIE KLEINSTENLERNEN KÄMPFENSie wachsen mit Armut, Krank-

heiten und Hunger auf: die

Strassenkinder von

Kathmandu. Mit Zeitungsver-

kauf verdienen sie ein paar

Rappen für sich und ihre Fami-

lien, wenn sie denn überhaupt

eine haben

DER REBELL IST KRIEGSMÜDEEs hat lange gedauert bis

Günther Baechler den nepale-

sischen Maoisten-Führer

Krishna Mahara für sich gewin-

nen konnte. Mit ihm zusammen

arbeitet er jetzt an einer besse-

ren Zukunft für Nepal

«Quot ist Blindtext. Von Geburtan. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es»

b

ger Familie ermordet wurde. Auf die Erfolgsspur brachten den

Schweizer Diplomaten hingegen die kom-munistischen Königsfeinde. Im Juni 2005reiste er in indische Metropole Delhi, demdamaligen Exil der maoistischen Füh-rung. Wenn er wo treffen würde, wussteer nicht. Die Wegweisungen zum Versteckkamen per SMS, er musste einige Maledas Taxi wechseln, bis ihn Krishna Maha-ra in einem winzigen Hinterhofzimmerauf seinem Bett empfing - der Mann, zudem wir unterwegs sind.

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zu einer Grunderkenntnis: «Mit Gewalteinen Staat zu demokratisieren, ist ein Wi-derspruch in sich. Dabei ist egal, ob Ge-walt von den USA oder einer maoisti-schen Bewegung ausgeht: Es bringt im-mer das Gegenteil dessen, was intendiertwurde.»

Noch immer destabilisieren Gewalt-ausbrüche meist jugendlicher Maoistendas Land. Doch Günther Baechler machtKrishna Mahara, der Nummer drei an derMaoistenspitze, keine Vorwürfe. «Mankann das Vertrauen auch sehr schnell wie-der verlieren.» Stattdessen schlägt er vor,die Maoisten als Nächstes in den Prinzi-pien des Föderalismus zu schulen, auf derGrundlage der Schweizer Verfassung. Ma-hara wiegt lächelnd den Kopf nach linksund rechts, womit Nepalesen Zustim-mung signalisieren: «Eine sehr gute Idee.Besonders interessiert mich, wie solch einkleines Land so schnell reich gewordenist.»

Nepal ist dreimal so gross wie dieSchweiz und winzig im Vergleich zu denGiganten, die das Reich umschliessen: In-dien und China. Während die Nachbarnzu globalen Mächten emporschossen, ge-hört Nepal nach dreissig Jahren Monar-chie zu den rückständigsten Ländern der

Welt. Acht von zehn Nepalesen arbeiten inder Landwirtschaft, der durchschnittlicheVerdienst liegt bei 300 Franken im Jahr.

Die eidgenössische Nepalhilfe blicktauf eine lange Tradition zurück. Den An-fang machten bärtige Sennen, die ihreKollegen auf den Höhen des Himalaja indie Geheimnisse der Käseproduktion ein-weihten. «From cheese to peace« – «vomKäse zum Frieden» – ruft ein halbes Jahr-hundert später Günther Baechler in ei-nem übermütigen Moment mit Kollegenüber den Innenhof der Niederlassung derSchweizer Direktion für Entwicklung undZusammenarbeit (Deza) in Kathmandu,wo er sein Büro hat.

Die Nepalesen haben als passionierteZeitungsleser eine klares Bild von derSchweiz: Sie bewundern das Alpenlandwegen seines Reichtums, schätzen es we-gen der grosszügigen Entwicklungshilfeund trauen ihm aufgrund seiner Neutrali-tät auch politisch. Der gute Ruf eilt einemSchweizer Diplomaten voraus, der Rest istArbeit.

Günther Baechler ist ein Workaholic,der Termine gern auf sieben Uhr früh legtund für den die Entspannung erst in derNacht beginnt, vor dem Schlafen, wenn erin seinem gemütlichen HotelappartementMusik einlegt – Eric Clapton, Santana,Mozart, Händel oft auch nepalesische Me-ditations-Folklore «und natürlich NorahJones». Dann wandern die Gedankenauch zu Frau und Tochter in Bern, und ermalt sich aus, «wie schön es wäre, wennich jetzt bei ihnen sein könnte». Doch eswartet schon der nächste Tag und wennder keine Wolken hat, dann schaut er nachdem Aufwachen direkt auf die göttlichenAchttausender des Himalajas.

Wir fliegen mit einer kleinen Propeller-maschine der «Yeti Airlines« in die ande-re Richtung, von Kathmandu in den Süd-westen, wo das Land flach, die Luft schwülund Indien nah ist. Die anschliessendeAutofahrt führt in den Dschungel, durchbrutale Schlaglöcher und aufgeregtes Af-fengebrüll und endet vor einem Schlag-baum, an dem uns die misstrauischen Bli-cke zweier junger Frauen treffen. Sie tra-

gen Tarnanzüge und Gewehre, ihre Ge-sichter sind hübsch und merkwürdig leer.

Niemanden lassen die Maoisten in ihrCamp. Ausser den Inspektoren der Ver-einten Nationen (UN), die als Teil der Frie-densvereinbarung die Entwaffnung derTruppen kontrollieren. Niemanden ausserihnen und Günther Baechler, dem seinVertrauter Mahara kaum einen Wunschabzuschlagen scheint.

Da striktes Presseverbot besteht, be-darf es einiger Erklärungen, Telefonanru-fe und auch des Anbruchs eines neuen Ta-ges, aber dann öffnet sich der Schlag-baum. Günther Baechler hat nicht eineSekunde daran gezweifelt, dass die Repor-ter Zutritt bekommen. Sturer Optimis-mus gehört zu den Grundpfeilern seinesErfolges. Und eine gehörige Portion Lis-tigkeit. Den Fotografen und die Reporte-rin hat er als Kollegen vorgestellt, die fürihn und die Nachwelt den Schweizer Bei-trag zum Friedensprozess dokumentie-ren. Das ist richtig. Den Pfad der Wahrheitverlässt er nie. Aber er umgeht, was denWeg zum Ziel versperrt.

Im Dschungelcamp betreten wir baldeine grosse, malerische Lichtung mitPfadfinderatmosphäre: Junge Menschensägen an Baumstämmen, zimmern anHolzhütten, stehen ums Feuer. Nur einigeMänner, die sich an Krücken über das Ge-lände schleppen, machen das Bild kaputt.

Auch das kommunistische Weltbildhinkt. Statt Uniform trägt eine junge FrauLeonardo DiCaprio auf dem T-Shirt, einKampfgefährte David Beckham. «DieMaoisten sind zum Teil wirklich sympa-thische Leute, aber über ihre Ideologiefes-tigkeit mache ich mir keine Illusionen»,sagt Günther Baechler.

Der Oberste Kommandant ist nicht da,uns empfängt sein Stellvertreter, ein zier-licher Mann in den Dreissigern mit Nike-Trainerjacke, der die ungebetenen Besu-cher bei einem gemeinsamen Tee scheuwie skeptisch beäugt. Mit vertrauensvol-lem Lächeln und ruhiger Stimme erklärtGünther Baechler, warum es für seineVermittlung zwischen Regierung und denMaoisten hilfreich ist, über die Zuständein den Lagern informiert zu sein. Und erdeutet an, dass er im Interesse der Maois-ten Druck machen könne, falls die Versor-gung des Camps nicht so laufen sollte wievon der Regierung zugesichert.

Die Miene des stellvertretenden

FRAUEN-POWER Zum ersten Mal spielenauch die Frauen in allenParteien eine wichtige Rolle.Günther Baechler trifft sichmit ihnen während einesSeminars in Dhulikhel

«Quot ist Blindtext. Von Geburtan. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es»

b

b INFO

Gute Diensteaus dem EDADie Politik der guten Dienste, das Vermittelnzwischen Konfliktparteien, ist traditionell daswichtigste Mittel der Schweizerischen Aussenpolitik.Seit 2004 regelt das Bundesgesetz zur zivilenKonfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderungden Einsatz von Fachleuten aus dem Departementvon Bundesrätin Micheline Calmy Rey. Das Parlamentsprach dafür einen Rahmenkredit von 240 MillionenFranken - unter anderem für Einsätze wie den vonGünther Baechler in Kathmandu.«Wenn es bereits vor dem Beginn formeller Friedens-verhandlungen gelingt, ein Vertrauensverhältnis zuden Konfliktparteien aufzubauen, hat die Schweiz dieChance für erfolgreiche Beiträge im Bereich vonFriedensprozessen», erklärte der Bundesrat in seinerBotschaft zum neuen Gesetz. Die Arbeit von GüntherBaechler in Nepal ist Beweis dafür, dass diePhilospie des neuen Gesetzes tatsächlich greift.

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FERN DER WELT - NAH DEM HIMMEL

Was wird diesem klei-

nen Jungen die Zukunft

bringen: Monarchie,

Demokratie oder eine

maoistische Diktatur –

immer noch ist in Nepal

alles offen

Kommandanten hellt sich auf. Erstmalsschaut er dem Gast offen ins Gesicht. Alsder sich schliesslich nach dem Zustandder vielen schwangeren Genossinnen imLager erkundigt, lächelt ihn sogar die Fraudes abwesenden Kommandanten kurz an.Auch sie trägt diesen merkwürdig leerenBlick.

«An diesen Augen erkennst du einenMenschen, der getötet hat», raunt die Dol-metscherin der Journalistin zu. Die quirli-ge Parmilla, 35, ist selbst eine Anhängerinder maoistischen Idee von der Gleichheit

aller Menschen. Das Kastensystem inNepal erniedrigt weit über die Hälfte der25 Millionen Bewohner zu Minderwerti-gen und, so Parmilla: «Frauen sind garnichts wert.»

3000 Frauen und Männer leben seitDezember im weitläufigen wie unüber-schaubarem Gelände, einem von siebenzentralen Lagern, wohin die Maoisten ent-sprechend des Friedensvertrags übersie-delten. Ein Teil der insgesamt 30 000 ehe-maligen Guerilleros soll in die Landesar-

mee integriert werden – in die Truppen al-so, gegen die sie eben noch gekämpft ha-ben. Doch noch läuft die Entwaffnung,mehr schlecht als recht, wie die Regierungkritisiert, die sich aber selbst mehrschlecht als recht an die eigenen Zusagenhält.

Der Maoist mit der Nike-Jacke und dieFrau des Obersten Kommandanten füh-

ren uns zu einem kleinen Bretterver-schlag, in dem zwei junge Sanitäter aufdie versprochenen Medikamente und Ärz-te warten. Das halbe Lager leidet anDurchfall, sagen sie, denn auch sauberesWasser gibt es noch nicht. Die Schwächs-ten liegen im Krankenzimmer nebenan.Das und noch vieles mehr wollen die Mao-isten dem Besuch nun zeigen, aber Gün-ther Baechler muss sich entschuldigen.Die Termine drücken. Als er sich mit Dan-kesworten verabschiedet, falten einigejunge Männer in Tarnanzügen ehrerbietigdie Hände – obgleich sich das für einenMaoisten nicht gehört.

Möglichst über Nacht soll nun aus ei-nem feudalen Herrschaftssystem ein mo-derner Verfassungsstaat erwachsen unddie Hoffnungen im Lande sind riesig.Dutzende ethnische Gruppen kämpfenum mehr Rechte, legen in diesen Tagenmit Streiks und Strassenblockaden denAlltag lahm. Die für Juni anberaumtenWahlen sind unwahrscheinlich geworden,zu chaotisch, zu unsicher sind die Verhält-nisse immer noch. Auch die Monarchiewird mittlerweile in Frage gestellt, doch

ausgerechnet sie hat das Land bislang zu-sammengehalten.

So eilt Günther Baechler zwischen denneuen und alten Fronten hin und her, be-rät nebenbei regelmässig eine Gruppe vonFrauenrechtlerinnen, gibt für Vertreterjeglicher politischer oder ethnischer Cou-leur Föderalismus-Schulungen und trifftunglaublich viele andere Menschen, diefür die Zukunft Nepals wichtig sind.

Die Maoisten büssen derzeit zwarSympathien ein, doch dem charismati-schen Führer Prachanda werden durch-aus Chancen auf das Amt des Premiermi-nisters zugesprochen. Für die Amerikanerist in Nepal so weit alles schiefgelaufen.Günther Baechler bleibt optimistisch,dass es erfolgreich weitergehen wird.Auch ohne ihn.

Im Juni endet seine Mission. Er wirdeinige Zeit bei der Familie in Bern ver-bringen und dann in den nächsten Kriegziehen, um Frieden zu stiften.

«Quot ist Blindtext. Von Geburtan. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es»

NEUE WELLE DES PROTESTESStreiks und Demonstratio-

nen wie hier in dem Dorf

Bhulbhule blockieren das

Land. Diese Mädchen

fordern auf Transparenten

eine bessere Ausbildung

une sichere Arbeitsplätze

20 SIE ER|XOXOXOXO|XOXOXO+

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