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MENSCHENRECHTE KENNEN KEINE GRENZEN Foto: UNHCR / D‘Amato TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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GEMEINSAM GEGEN RASSISMUS

Anschläge auf geplante und bewohnte Flüchtlingsunterkünf-te, Gewalttaten gegen Schutzsuchende, rassistische Hetze im Internet und auf der Straße: Dies ist inzwischen Alltag inDeutschland. Die Zahl der Gewalttaten gegen Flüchtlingesteigt. Die öffentliche De batte wird aggressiver. RassistischesDenken hat sich längst bis in die Mitte der Gesellschaft ausge-breitet. Etablierte Politiker*innen zündeln mit, wenn sie rassis-tische Ressentiments der Bevölkerung als »Sorgen und Ängs-te« verharmlosen, und wenn sie selbst flüchtlingsfeindliche Politik betreiben. Doch was lässt sich dagegen tun?

PRO ASYL ruft dazu auf, rassistischer Hetze und Gewalt entschlossen ent gegen zutreten.

Für eine offene, demokratische und vielfältige Gesellschaft.

Informationen, hilfreiche Tipps und Materialien dazu gibt es unter www.proasyl.de/thema/rassismus

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HAND IN HAND GEGEN RASSISMUS FÜR MENSCHENRECHTE UND VIELFALTBUNDESWEIT MENSCHENKETTEN AM 18./19. JUNI 2016

Gemeinsam mit Organisationen wie Amnesty International, campact!, Oxfam,terre des hommes und anderen ruft PRO ASYL in einem breiten Bündnis da zu auf, ein Zeichen zu setzen – gegenFremdenhass und für Menschlichkeit,Vielfalt und Welt offenheit.

In Berlin, München, Leipzig, Hamburgund anderen Orten wollen wir un mittel -bar vor dem internationalen Gedenktagfür Flüchtlinge unter dem Motto »Handin Hand gegen Rassismus – für Menschenrechte und Vielfalt« bundesweit Menschen-ketten starten. Sie sollen Moscheen, Kirchen, Synagogen, soziale Einrichtungen,Flüchtlingsunterkünfte, Museen, Theater und Rathäuser verbinden, um eine Kettevon Schutz und Solidarität zu bilden.

Damit die Aktion ein Erfolg wird, braucht es Ihre/Eure Unterstützung!

Informationen und Aktionsmaterial gibt es unter http://hand-in-hand-gegen-rassismus.de

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3TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

5 VERANTWORTUNG TEILEN Grußwort der UNHCR-Vertreterin für Deutschland, Katharina Lumpp

6 RECHTSSTAAT UND MENSCHENRECHTE STEHEN AUF DEM SPIEL Fehlende Solidarität in Europa, schmutziger Deal mit derTürkei, Abwehr maßnahmen im Inneren der Staaten:

Europa verspielt seine Glaubwürdig-keit und die Basis, auf der dieGesellschaft fußt: Die uneingeschränkte Geltung der Menschenrechte. Günter Burkhardt, Karl Kopp

10 DIE »SCHANDE VON EVIAN« 1938 UND DIE »SCHANDE VON BRÜSSEL« 2016 1938 konnten sich die Nationen nicht auf eine Aufnahmevon jüdischen Flüchtlingen aus NS-Deutschland einigen.

Auch heute sind die Europäer nicht solidarisch, engagieren sich sogar fürdie Abwehr von Flüchtlingen. Dasmacht die Geschehnisse vergleichbar.Klaus J. Bade

12 VON KHARTOUM BIS AGADEZ: NEUAUFLAGE DER EU-AUSLAGERUNGSSTRATEGIEN

Die Lösung der »Flüchtlingskrise«sucht die EU jenseits europäischerGrenzen. Europas Politik der Exter -nalisierung soll Schutz suchende an derFlucht hindern und sie für Europaunsichtbar machen. Judith Kopp

15 SCHLAGLICHTER 2015

18 ABSOLUTE ABWESENHEIT DES STAATES In der Ägäis ringen Helfer*innen in einem verzweifelten Kampf um das Leben und die Gesundheit der dort gestrandeten Menschen. Alex Stathopoulos

20 »DIE BILDER VON LESBOS HABEN MICH EINFACHNICHT MEHR LOSGELASSEN«

Nirgendwo in Europa ist die Flücht -lingsaufnahme derart an ihre Grenzengelangt wie in Griechenland. Interviewmit Lisa Thielsch, einer freiwilligen Helferin. Anđelka Križanović

22 REFUGEES WELCOME. DER SOMMER DER FLÜCHTLINGSHILFE IST NICHT VORBEI

Das überwältigende Engagement für Flüchtlinge ist ungebrochen. Nicht alles läuft gut, aber vieles.Andrea Kothen

24 SAGT MAN JETZT FLÜCHTLINGE ODER GEFLÜCHTETE?Eine RandnotizAndrea Kothen

25 FAMILIENZUSAMMENFÜHRUNG? DARAUF KÖNNEN SIE LANGE WARTEN

Deutschland bremst den Familien -nachzug aus: per Gesetz – und auf dem kalten Weg der Bürokratie. Kai Weber

27 KEINE CHANCE AUF FAMILIENLEBEN? Syrische Flüchtlinge warten viele Monate darauf, ihre Familie wiederzu-sehen. Das Ende ist manchmal sehr bitter. Fälle aus der Praxis. Karim Al Wasiti

28 GESUNDBETEN UND ABSCHIEBEN: WENDE IM UMGANG MIT AFGHANISCHEN FLÜCHTLINGENIm Herbst 2015 entdeckt die Bundes regierung »sichere«

Fleckchen in Afghanistan und erklärt Abschiebungen wieder für denkbar.Tatsächlich ist die Lage für die Menschen dort schlimmer denn je.Bernd Mesovic

INHALT

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30 MENSCHEN IN LEBENSGEFAHR. RECHTE HETZE UNDGEWALT GEWINNEN WIEDER AN BODENJeden dritten Tag wird in Deutschland eine Flüchtlings -

unterkunft angezündet. Auch die persönlichen Attacken auf Flüchtlingenehmen zu – doch der öffentliche Aufschrei bleibt aus. Max Klöckner

32 ASYLRECHTSVERSCHÄRFUNGEN: SOZIALE ENTRECHTUNG DER UNERWÜNSCHTEN

Immer mehr Asylsuchende werden inAsylschnellverfahren abgelehnt, durchSonderrecht diskriminiert und vonsozialer Teilhabe ausgeschlossen. Marei Pelzer

34 VON WEGEN »SICHER«: DIE NEUEN »SICHEREN HERKUNFTSSTAATEN«Die Einordnung von einigen Balkan- und nordafrikanischenStaaten als »sichere Herkunftsstaaten« ist aus asyl- undmenschenrechtlicher Perspektive inakzeptabel – dies zeigtein kurzer Blick auf die Situation dort.

36 ZWEI-KLASSEN-ASYLRECHT? ABSCHRECKUNG IN BESONDEREN AUFNAHMEZENTREN Ein diskriminierendes Sonderasylverfahren für bestimmte

Flüchtlingsgruppen und die Unter -bringung in isolierten Lagern, in denen Angst und Hoffnungslosigkeitproduziert werden, soll die Menschenaußer Landes treiben. Maximilian Pichl, Stephan Dünnwald

39 DIE BUNDESREGIERUNG ALS INTEGRATIONS VERWEIGERER

Das neue Arbeitserlaubnisrecht dient weder den Geflüchteten noch der Gesellschaft. Claudius Voigt

42 ZWISCHEN JUGENDHILFEANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT. DIE SITUATION VON UNBEGLEITETENMINDERJÄHRIGEN FLÜCHTLINGEN

Seit 2015 gibt es zahlreiche neueAkteure in der Betreuung jungerFlüchtlinge. Von Qualitätsstandardskann vielerorts noch keine Rede sein. Dörthe Hinz

44 ZAHLEN UND FAKTEN 2015Mehr Menschen als je zuvor suchten Asyl in Deutschland,die weitaus meisten aus Kriegs- und Krisengebieten. Innerhalb Europas übernahm Deutschland besondere Verantwortung. Dirk Morlok, Andrea Kothen

48 KONSEQUENT ABSCHIEBEN? EINE KRITIK DER PROPAGANDA Die alte Klage von den »Vollzugsdefiziten« lautet, zu wenige

abgelehnte Asylsuchende würden abgeschoben. Doch die Datenlage istdünn und Schuldzuweisungen an dieBetroffenen sind oft fehl am Platz. Bernd Mesovic

51 MENSCHENRECHTSPREIS 2016: MUSSIE ZERAI Die Stiftung PRO ASYL verleiht ihren Menschenrechtspreis

2016 dem Priester und Flüchtlings-helfer Mussie Zerai, der sich seit überzehn Jahren mit beispiellosem Einsatzum die Rettung von Flüchtlingen ausSeenot kümmert. Kerstin Böffgen

52 »DIFFERENZIERUNG IST AUFWÄNDIG – ABER ANDERS GEHT ES NICHT«

Mit- und weiterdenken, kritisch nach-fragen und Dialoge führen – das ist Sookees Programm. Interview mit derBerliner Rapperin. Nicole Viusa, Marlene Becker

54 PRO ASYL SAGT DANKE

55 ADRESSEN

57 BESTELLFORMULAR

59 IMPRESSUM

4 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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5TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Vor 65 Jahren wurde die Genfer Flüchtlingskonvention ver -abschiedet. Angesichts der Erfahrungen mit Flucht und Ver-treibung in der Weltkriegskatastrophe, die allein in Europa 60 Millionen Menschen zu Flüchtlingen und Vertriebenen gemacht hatte, wurde damals das Fundament für ein neues internationales Flüchtlingsrecht gelegt.

Mit der Genfer Flüchtlingskonvention wurde ein im Völker-recht verankerter individueller Schutzanspruch von Flücht -lingen gegenüber dem Aufenthaltsstaat etabliert, verknüpftmit der ausdrücklichen Verpflichtung der Vertragsstaaten, sichan das Non-Refoulement-Gebot zu halten, also niemanden ineine Verfolgungsgefahr abzuschieben, und Flüchtlingen eineihrer Situation gemäße Rechtsstellung zukommen zu lassen.

Darüber hinaus ist die Genfer Flüchtlingskonvention auch ein Manifest dafür, dass es keine nationalstaatlichen Lösungengibt, will man angemessene Antworten auf Flucht und Ver -treibung finden. Internationaler Schutz bedeutet Teilung derVerantwortung. Dementsprechend heißt es in der Präambelder Konvention, dass sich aus der Gewährung von Schutzschwere Belastungen für einzelne Länder ergeben können und deshalb eine Lösung der Probleme ohne internationaleZusammenarbeit nicht erreicht werden kann.

Lösungen müssen den Opfern von Flucht und Vertreibungselbst wie auch den Staaten und Gesellschaften gerecht wer-den, die diese Menschen aufnehmen und schützen.

Dieser Grundgedanke lässt sich unmittelbar auf das Hier undHeute übertragen, mit Blick auf die weltweit über 60 MillionenMenschen, die sich auf der Flucht vor Krieg, Bürgerkrieg, Ver-folgung und massiven Menschenrechtsverletzungen befinden,insbesondere auch mit Blick auf das größte Flüchtlingsdramaunserer Zeit vor den Toren Europas.

Allein die Konflikte in Syrien und Irak haben 14 Millionen Menschen heimatlos gemacht – eine Größenordnung, der nur mit internationaler Teilung von Verantwortung begegnetwerden kann, in die sowohl die Erstaufnahmeländer vonFlüchtlingen in der Krisenregion als auch die internationaleStaatengemeinschaft, vor allem auch Europa, in einem soli -darischen und fairen Ausgleich eingebunden sind.

Es braucht eine energische Unterstützung für die Erstauf -nahmeländer, um die Lebenssituation der Flüchtlinge zu ver-bessern, sowie für die Strukturen der Aufnahmestaaten undGemeinden selbst. Wesentlich dabei ist es, Flüchtlingen eineZukunftsperspektive durch Zugang zu Bildung, Ausbildung

und Erwerbstätigkeit zu eröffnen. Um zur Stabilisierung in Erstaufnahmeländern beizutragen, ist es wichtig, neue Formender Finanzierung weiterzuentwickeln, die es ihnen ermögli-chen, humanitäre Hilfe durch längerfristige Unterstützung zuer gänzen. Insbesondere Erstaufnahmeländer mit mittleremEinkommen sollten angemessen unterstützt werden.

Es braucht ferner die geordnete, in Zahlen großzügige Auf -nahme von Flüchtlingen in Staaten außerhalb der Konflikt -region, also die Eröffnung sicherer Wege für Flüchtlinge. Neben dem traditionellen Resettlement von Flüchtlingen, die besonders schutzbedürftig sind, haben humanitäre Aufnahmeprogramme und humanitäre Visaprogramme an Be deutung gewonnen und sollten ausgebaut werden. DesWeiteren setzt sich UNHCR dafür ein, dass Programme zurFamilien zusammenführung, auch von Mitgliedern der er weiterten Familie, flexibler gestaltet werden und die Auf -nahme von Flüchtlingen auch durch Stipendien oder im Rahmen von Arbeitnehmer-Programmen ermöglicht wird.

Und schließlich braucht es auf dem Kontinent Europa, vondem aus die Genfer Flüchtlingskonvention universelle Be -deutung erlangte, einen gemeinschaftlichen Ansatz, der vonSolidarität und Verantwortungsteilung geprägt ist.

Katharina LumppVertreterin des Hohen Flüchtlingskommissarsder Vereinten Nationen in Deutschland

VERANTWORTUNG TEILEN GRUSSWORT DER UNHCR-VERTRETERIN FÜR DEUTSCHLAND, KATHARINA LUMPP

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Im Frühjahr 2016 sitzen an der grie-chisch-mazedonischen Grenze tau -sen de Flüchtlinge fest. Wochenlang

hausen Junge und Alte, Frauen, Familienmit Kindern in Regen und Schlamm, vor unser aller Augen. Sie sind verzweifelt,viele sind krank. Sie wollen weiter, wer-den aber von den mazedonischen Gren-zern nicht durchgelassen. Es ist eine humanitäre Katastrophe mitten in Euro -pa – und niemand handelt, Europaschaut zu, in stillschweigendem Einver-ständnis. Gleichzeitig toben die Konflikt-herde in Syrien, Irak und Afghanistanweiter, aber das interessiert kaum noch.Niemals waren mehr Menschen auf derFlucht vor Krieg, Terror und Verfolgungals heute. Die Gründe dafür, warum soviele Menschen fliehen, geraten ausdem Blick. Denn im Jahr 2016 zählt nurnoch eines: Die Zahl der in Deutschlandund Europa ankommenden Flüchtlingemuss gesenkt werden, koste es, was eswolle.

Noch im September 2015 hießen zehn-tausende von Menschen und auch nam-hafte Politiker Flüchtlinge in Deutsch-land willkommen. Inzwischen wirdRechtspopulisten immer mehr das Feldüberlassen, flüchtlingsfeindliche Positio-nen gewinnen an Zustimmung – auch in demokratischen Parteien.

Im bürgerlichen Gewand wird gehetzt.Der geistigen Brandstiftung folgt die Tat: Seit Jahresbeginn gab es 248 An -griffe auf Flüchtlingsunterkünfte, davon 46 Brandanschläge. Tag für Tag werdenMenschen auf offener Straße bedroht,ohne dass ein Aufschrei durch Deutsch-land geht. Die rechtspopulistische AfDerhält in drei Bundesländern zweistelligeWahlergebnisse – ohne Parteiprogramm,

allein aufgrund ihrer flüchtlingsfeind -lichen Parolen. Abschotten, abgrenzen,abschießen – wo fängt Unmenschlich-keit an?

Domino-Effekt der Zäune

Im Herbst 2015 greift europaweit Flücht -lingsfeindlichkeit um sich: Einer Grenz-schließung folgt die nächste. Ein Landnach dem anderen baut Zäune. Im Be-streben, sich abzuschotten und die Ver-

antwortung dem jeweils anderen EU-Staat zuzuschieben, manövrieren sichdie Staaten der EU in eine Sackgasse. Ein Domino-Effekt wird ausgelöst.

Die über Monate hinweg als flüchtlings-freundlich wahrgenommene Bundes-kanzlerin leitet den Kurswechsel ein, nahezu unbemerkt von der Öffentlich-keit. Sie plant einen Deal mit der Türkei:Diese soll Europa die Flüchtlinge künftigvom Hals halten und sie aus Griechen-

6 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

RECHTSSTAAT UND MENSCHENRECHTESTEHEN AUF DEM SPIEL Günter Burkhardt, Karl Kopp

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land wieder zurücknehmen. Im Gegen-zug sollen syrische Flüchtlinge im Rah-men eines Kontingents aus der Türkei in Europa aufgenommen werden.

Der 18. März 2016, der Tag der Eini-gung mit der Türkei, ist ein bitterer Tagfür Flüchtlinge. Die EU verkauft die Menschenrechte von Flüchtlingen andie Türkei. Im Grenzstaat Griechenland drohen nun Pro-forma-Verfahren mit anschließender Masseninhaftierung und Massenabschiebung in die Türkei.Griechenland wird zum Asyllager der EU,die Türkei zum Vorposten. Das Flücht-lingsrecht und die Menschenrechtskon-vention werden dabei ausgehebelt undverbogen. Das ist eine moralische undrechtliche Bankrotterklärung und eineKehrtwende in der Geschichte der Euro-päischen Union. Dieses Abkommen isteine Schande für Europa.

Daran ändert auch die geplante Auf nah -me eines Kontingents syrischer Flücht-linge nichts. Was ist mit den Flüchtlingen

aus Afghanistan, Iran, Somalia, Eritrea?Nach der Genfer Flüchtlingskonventionoder der Europäischen Menschenrechts-konvention sind die individuellen Flucht-gründe maßgebend, nicht die nationaleHerkunft. In dem geplanten perfidenTauschgeschäft werden Schutzbedürf -tige gegeneinander ausgespielt.

Niemand darf der Folter unterworfenund in Situationen abgeschoben wer-den, wo Menschenrechtsverletzungenund Lebensgefahr drohen. Das muss individuell in einem fairen Verfahren geprüft werden, einschließlich der Möglichkeit, negative Entscheidungenvor Gericht überprüfen zu lassen.

Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat

Der EU-Türkei-Deal bricht europäischesRecht, er liefert Schutzsuchende einemStaat aus, der sich mit rasanter Ge-schwindigkeit vom Rechtsstaat entfernt.Zwar hat die Türkei fast drei Millionen

Flüchtlinge vorübergehend beherbergt– eine großartige Leistung, für die sie zuRecht finanzielle Unterstützung fordert.Das Land kennt jedoch kein staatlichesAsylrecht, das zu einem Schutzstatusnach der Genfer Flüchtlingskonventionführt. Die Türkei ist kein »sicherer Dritt-staat« im Sinne des Europa- und Flücht-lingsrechts, weder auf dem Papier nochin der Realität.

Bereits jetzt sind Flüchtlinge in der Tür -kei der Gefahr ausgesetzt, in Staaten ab-geschoben zu werden, in denen ihnenVerfolgung oder gar der Tod dro hen. Ge-genüber syrischen Flücht lingen verfolgtdie Türkei eine systema tische Praxis derZurückweisung. Die Grenzen zu Syrienwurden abgeriegelt. In haftie rungen, Ab-schiebungen und Zurückschiebungennach Syrien wurden in Hunderten vonFällen dokumentiert. Um Flucht zu ver-hindern, führte die Türkei die Visum-pflicht für Syrer ein und baut eine massi-ve Grenzbefestigung an der syrisch- türkischen Grenze.

Und wie reagiert hierauf der Architektder europäischen Flüchtlingspolitik, Innenminister de Maizière? Auf eine kritische Frage vom Spiegel am 30. Janu-ar 2016 antwortet er: »Es spricht über-dies nicht grundsätzlich etwas gegenGrenzsicherung. Wir haben einen Zaunan der Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenland (…). Wir erwarten zuRecht, dass jedes Land des Schengen-raums seine Außengrenze schützt. Undich habe Verständnis dafür, dass die Türkei alles dafür tut, damit der Bürger-krieg in Syrien nicht ins eigene Landüberschwappt.«

Deutlicher hätte es kaum formuliertwerden können. Jedes Mittel ist recht,um Flüchtlinge fernzuhalten, koste es,was es wolle.

Unbestritten stehen Deutschland unddie anderen europäischen Staaten, vorallem aber die Nachbarstaaten Syriens,vor einer großen Herausforderung. Konfliktreduzierende Lösungen müssenpolitisch erreicht werden. Die Politik der Bundesregierung, die sie in der EUdurchgesetzt hat, birgt jedoch auch sicherheitspolitisch enorme Risiken. DieTürkei hat längst offen formuliert, dass

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sie eine Schutzzone für Flüchtlinge inNordsyrien will. Der Nebeneffekt: Ein Erstarken staatlicher Strukturen der kurdischen Bevölkerung soll verhindertwerden. Der Autokrat Erdogan hat denKrieg im Südosten der Türkei gegen die kurdische Minderheit neu entfacht.Menschenrechtsverletzungen gegen-über Oppositionellen und Journalistenhäufen sich. All dies ist auch Bundes-kanzlerin Merkel bekannt. Gleichwohlhat sie die Kooperation mit der Türkeivorangetrieben. Europa verliert so aberjegliche Berechtigung, andere Staatenzur Einhaltung von Menschenrechten zudrängen. Europa verspielt seine Glaub-würdigkeit. Europa verspielt die Basis,auf der die Gesellschaft fußt: Die Würdedes Menschen und die uneingeschränk-te Geltung der Menschenrechte.

Verantwortung übernehmen!

Doch wie könnten Lösungen aussehen?Eines ist klar: Es gibt keine einfachen Lösungen. Wenn Millionen auf der Fluchtsind, sind alle Nachbarstaaten, aberauch die angrenzenden Regionen ge -fordert, gegebenenfalls auch andereStaaten weltweit. An der Übernahmevon Verantwortung durch jeden einzel-nen Staat geht kein Weg vorbei. Es istskandalös, dass sich die osteuropäischenStaaten weigern, Flüchtlingen Schutz

zu gewähren. Nicht gesprochen wirdüber die de facto Verweigerung dernord- und westeuropäischen Industrie-staaten. Frankreich, Großbritannien, dieBeneluxstaaten und andere hätten weit-aus mehr Möglichkeiten, FlüchtlingenSchutz zu gewähren. Sie verstecken sichhinter Deutschland. Ein Land nach demanderen in Europa schiebt die Verant-wortung weiter. Sie handeln nach demMotto: Jeder für sich, gemeinsam gegenFlüchtlinge.

Augen zu, Grenzen zu und hoffen, dassdie Situation vorübergeht: So sieht keineverantwortliche Politik aus. Es ist welt-fern zu glauben, dass Griechenland oderdie Türkei zum Flüchtlingslager Europaswerden und die Menschen dort bleiben.

Es ist auch weltfern zu glauben, dass diejenigen, die Deutschland und an dere europäische Staaten erreichen, bald wieder zurückkehren. Rund 80 %der Ankommenden stammen aus denKriegs- und Krisenregionen Syriens,Irans, Iraks und Afghanistans. Politik undGesellschaft müssen sich darauf ein -stellen, dass die Ankommenden langeZeit bleiben – wenn nicht für immer.Und daraus gilt es, Konsequenzen zuziehen. Doch was geschieht, ist das Gegenteil.

Rolle rückwärts in der Integrationspolitik

Vor einem Jahr standen noch die Chan-cen und Potenziale der Flüchtlinge imMittelpunkt der Debatte, nun dominie-ren auf Abwehr gerichtete Maßnahmen.Flüchtlinge bringen enorme Potenzia-le mit. Sie sind willens und fähig, ein neues Leben zu beginnen und es aktivzu gestalten. Es liegt im Interesse aller – sowohl der aufnehmenden Gesellschaftals auch der Flüchtlinge, Hürden, die Integration verhindern, zu beseitigen.Doch das Gegenteil geschieht.

Das vielleicht perfideste Beispiel der integrationspolitischen Kehrtwende istdie Aussetzung des Familiennachzugsfür subsidiär Schutzberechtigte bis März2018. Ihr erstes Ergebnis: Zu Jahres -beginn 2016 schnellt die Zahl der Totenin der Ägäis in die Höhe. Mehr als 350Menschen sterben allein von Januar bis Ende März. Es sind in dieser Zeit vor allem Frauen und Kinder, die in die Boote gehen, nach UNHCR mehr als 60 Prozent der Ankommenden, weitausmehr als in den Monaten zuvor. Die Ankündigung, den Familiennachzugkünftig zu ver hindern, sowie die sich abzeichnende Schließung der Grenzenhaben eine Torschlusspanik ausgelöst.Die Kontrollen der Türkei führen zu ge-

8 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Idomeni, März 2016 © Björn Kietzmann

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fährlicheren Seewegen und so zu mehrToten.

Es gibt weitere politische Abwehrmaß-nahmen in der Innenpolitik. Stein umStein wird eingerissen, was über zehnJahre hinweg erreicht wurde. Deutsch-land ist offener geworden, Deutschlandist vielfältiger geworden und noch im-mer sehen viele die Ankunft der Flücht-linge positiv. Doch im September 2015setzte ein Rollback ein – sowohl auf dergesetzgeberischen Ebene als auch imöffentlichen Diskurs. Die Liste der Ver-schärfungen ist lang, und während dieseZeilen geschrieben werden, werden bereits die nächsten diskutiert.

● Die zwangsweise Isolierung in Mas-senunterkünften für sechs Monate undlänger behindert ein selbstbestimmtesLeben. Zu wenig wird für den sozialenWohnungsbau und die Integration in ein lebendiges Wohnumfeld getan.

● In vieler Hinsicht werden das Aufent-haltsrecht und die Integrationschancenfür Flüchtlinge beschnitten. Asylpaket Iund Asylpaket II heißen die Stichworte.Nur ein Beispiel: Mit willkürlichen Defini-tionen von einer Bleibeperspektive wirdeinem großen Teil der Ankommendenein früher Sprachkurs verweigert.

● Allen unfairen Schnellverfahren zumTrotz dauern die Asylverfahren viel zu lange – wo doch alle wissen: Je früherdie Menschen aufenthaltsrechtliche Sicherheit haben und je früher Integra -tionsmaßnahmen beginnen, desto besser gelingt die Integration.

● Anstatt Integrationsangebote wirk-sam und endlich in ausreichender Zahlbereitzustellen sowie positiv zu beglei-ten, setzt ein Abwehrdiskurs ein. Von angeblichen Integrationsverweigerern,die sanktioniert werden müssen, ist die Rede. Verschwiegen wird, dass alleSprachkurse innerhalb weniger Tageausgebucht sind und die staatlichenStrukturen versagen. Deutschland bauteine Bürokratie auf, die den Weg in dieSelbständigkeit der Menschen verhin-dert.

Gefährlicher Abwehrdiskurs

Das Familiennachzugsverbot, die Wiedereinführung der mündlichen Be fragung für Flüchtlinge aus Syrien,Schnellverfahren, die zwangsläufig ver-sagen, wenn es darum geht, Schutz -bedürftige zu erkennen – die Liste despolitischen Aktionismus ist lang.

Sie bewirkt nicht nur eine Ausgrenzungund beschneidet nicht nur das Recht auf Asyl, sie zerstört die Lebenschancender Menschen und sie wirkt in die Ge-sellschaft: Flüchtlinge werden zusehendsals Bedrohung wahrgenommen, die esabzuwehren gilt, nicht als Menschen, die Schutz brauchen. Eingeleitet vomGerede der begrenzten Aufnahmekapa-zität durch den BundespräsidentenEnde September 2015 und permanentgesteigert durch die Rhetorik von CSU,AfD und Politikerinnen und Politikernanderer Parteien, werden Flüchtlingezur Gefahr verzerrt.

Monatelang wird über eine Obergrenzedebattiert – ursprünglich eine fixe Ideeder CSU. Wie das gehen soll, dass es keine Obergrenze geben kann, wenn

Menschenrechte ernst genommen wer-den – und dass niemand eine Antwortweiß, was denn mit dem ersten Flücht-ling geschehen soll, der diese Ober -grenze überschreitet: Dies bleibt weit -gehend außerhalb der Debatte. Wichtigerscheint allein die Artikulation des eigenen Interesses.

Menschenrechte kennen keineGrenzen!

Es ist höchste Zeit, die große Solidari-tät mit Flüchtlingen in Deutschland wieder ins öffentliche Bewusstsein zurücken. Im September 2015 dominier-ten die Signale des Willkommens in den Medien. Und gleichzeitig wurde immerwieder öffentlich sichtbar, wie verhee-rend die Situation in den Herkunftslän-dern von Flüchtlingen und wie brutaldie Flucht ist. Es gilt in dieser Situationnun zusammenzustehen und den öffentlichen Raum zurückzugewinnen. Ein breites gesellschaftliches Bündnisruft zur Aktion und Menschenkette unter dem Slogan »Hand in Hand gegenRassismus« auf. Am 19. Juni, dem Vor-tag des Weltflüchtlingstags, aber auchim Herbst, wenn der Flüchtlingstag inDeutschland stattfindet. ■

9TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Plakat zum Tag des Flüchtlings 2016

Kostenfrei (zzgl. Versand) bestellbar bei PRO ASYL

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Die EuropäischeUnion hat sich in Brüssel am 17. März 2016 auf

ein Angebot zu einem Flüchtlingsdealmit der Türkei geeinigt, in das die Türkeiam 18. März eingeschlagen hat: Von der Türkei aus über die Ägäis nach Grie-chenland Geflüchtete sollen, zu »illega-len Migranten« umdefiniert, in die Türkeideportiert (»rückgeführt«) werden. Für jeden ausgewiesenen »illegalen« Syrer soll ein wegen ordnungs gemäßerMeldung »legaler« Syrer nach Europagebracht werden, zunächst bis zu einerGrößenordnung von 72.000 Menschen.Die Aufnahme in Europa ist freiwillig,sonst hätten die Flüchtlingsverweigererunter den EU-Staaten das Abkommennicht akzeptiert. Nach der Schließungder Balkanroute soll auch die Flucht -route über die Ägäis blockiert werden,was in den Kontext der »Externalisie-rung« genannten Vorfeldverteidigungder Schengengrenzen gehört.

Verschämte rechtsästhetische Nachbes-serungen sollen das möglich machen.Dazu wird ein Verfahren mit einer gro-ben individuellen »Prüfung« der Flucht-gründe jener »illegalen Migranten«ebenso gehören wie die Anerkennungder Türkei durch Griechenland als siche-rer Drittstaat; denn ohne Verfahren wären »Rückschiebungen« von illegali-sierten Geflüchteten selber illegal. Alsangeblich sicheren Drittstaat heiligtman so die aus ihrer sowieso defizitä-

ren Rechts- und Verfassungskultur ins Bodenlose stürzende autoritäre Erdo-gan-Türkei mit ihrem Zertrampeln vonPresse-, Meinungs- und Wissenschafts-freiheit, mit ihrer Unterdrückung vonMinderheiten und der Beantwortungvon Milizenterror mit Staatsterror inner-halb und außerhalb ihrer Grenzen. Das wird demonstrativ übersehen, derZweck heiligt die Mittel.

Die weinerliche Begründung mit demmaritimen Kampf gegen das »Schlep -per unwesen« ist erbärmlich schein -heilig; denn die Schlepper verdienen ihr großes Geld nicht auf dem kleinen Katzensprung über ein paar Seemeilenvon der Türkei zu den vorgelagertengriechischen Inseln, sondern auf der viel riskanteren Hochseeroute von Liby-en nach Italien und besonders nachLampedusa.

Menschliche Kollateralschäden

Die Flucht auf dieser besonders gefähr -lichen Hochseeroute wird wieder starkzunehmen, sobald die Frühjahrsstürmevorüber sind. Schon in den letzten Tagensind von dem vor den libyschen Küsten-gewässern operierenden größten pri -vaten Rettungsschiff Aquarius von SOS Méditerranée bei zwei Rettungseinsät-zen fast 200 Menschen aus Seenot ge-borgen worden. Seit der Erschwerungdes Familiennachzugs im HauptziellandDeutschland werden sich umso mehr

Familienmitglieder, besonders Frauenund Kinder, den vorausgewandertenMännern anzuschließen suchen. Die Opfer werden also weiblicher und jün-ger werden. Menschliche Kollateralschä-den des Kampfes gegen Flüchtlinge.

Das erinnert an die »Schande von Evian«: Im Juli 1938 verhandelten aufInitiative des amerikanischen Präsiden-ten Roosevelt Vertreter von 32 Staatenund von vielen, auch jüdischen Hilfs -organisationen im französischen Evianam Genfer See über eine Erleichterungder Einreise der vom NS-Staat terrori -sierten Juden aus Deutschland. Die Delegierten sahen sich aber fast durch-weg außerstande, den Verfolgten groß-zügig die Aufnahme in ihren Staaten zu erleichtern.

Die einen stellten einem solchen An -sinnen schlicht antisemitische Argu-mente entgegen; andere begründetenihre Abwehrhaltung mit der Gefahr, dass rechtsextreme Kräfte im Land durchjudenfreundliche Haltungen gereiztwerden könnten; wieder andere redetensogar vom »Missbrauch des Asylrechts«.Einziges Konferenzergebnis war die Einigung auf ein ständiges Flüchtlings-komitee, das versuchen sollte, bei derdeutschen Regierung eine humanitärgeordnete Auswanderung von Juden zu erwirken.

10 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

DIE »SCHANDE VON EVIAN«1938 UND DIE »SCHANDE VON BRÜSSEL« 2016Auf der Konferenz von Evian 1938 konnten sich die versammelten Nationen nicht auf eine erleichterte Aufnahme von jüdischen Flüchtlingen aus NS-Deutschland einigen. In der »Flüchtlings krise« heute können sich die Europäer nicht auf eine Flüchtlings- aufnahme einigen. Sie engagieren sich sogar für die Abwehr von Flüchtlingen. Das macht, trotz aller Unterschiede, die »Schande von Evian« 1938 vergleichbar mit der »Schande von Brüssel« 2016.

Klaus J. Bade

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11TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Die Flüchtlingskrise ist eineWeltkrise

Vieles ist unvergleichbar zwischen Evian1938 und Brüssel 2016: 1938 ging es»nur« um eine verfolgte Gruppe aus einem Terrorland. Die Judenverfolgungwar 1938 aber schon eine Vorstufe zumGenozid als organisiertem Staatsver bre -chen von weltgeschichtlich katastro -phaler Einzigartigkeit. Heute geht es umFlüchtende aus den verschiedenstenKriegs-und Krisengebieten der Welt. ImUnterschied zu 1938 sind hier tatsäch-lich auch als »Wirtschaftsflüchtlinge« geschmähte Flüchtlinge aus existenziel-ler Not dabei.

Denn die sogenannte »Flüchtlingskrise«ist in Wahrheit eine Weltkrise, die Flücht-linge auch vor die Tore der Festung Eu -ro pa treibt; und zwar aus Gründen, andenen der Westen nicht unbeteiligt warund ist:

Das reicht von den Folgen der europäi-schen Kolonialgeschichte über die will -kürlichen Grenzziehungen im arabisch-nordafrikanischen Raum nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zu den militäri -schen Interventionen des Westens von Afghanistan über den Iran bis zum

Irak. Sie haben die Probleme, die sie angeb lich eindämmen sollten, nur nochvergrößert und zur Entstehung vonweltweit operierenden Terrormilizenbeigetragen.

Der österreichische Schriftsteller AlfredPolgar schrieb unter dem Eindruck derKonferenz von Evian 1938: Internationa-le Verhandlungen, die zur Erörterungder Frage »Wie schützt man die Flücht-linge?« einberufen würden, beschäftig-ten sich in Wahrheit vor allem mit derFrage: »Wie schützen wir uns vor ihnen?«

Und dieses bewusste Wegsehen machtEvian 1938 und Brüssel 2016 vergleich-bar: Weil sich die Europäer nicht einigenkönnen, wie und in welchem Umfang sieden an die Tore ihrer Festung klopfen-den Flüchtlingen helfen wollen, drängensie das Problem vor ihren Grenzen zu-rück, statt sich um die Bekämpfung sei-ner Ursachen zu kümmern.

Wir müssen teilen lernen

Die meisten aber ahnen, dass mit der sogenannten »Flüchtlingskrise« die Gret-chenfrage des weltweiten »Raubtier -kapitalismus« (Helmut Schmidt) gestelltist. Das hat auch der kluge und mutige,

aus der nichtmarxistischen südamerika-nischen Befreiungstheologie stammen-de Papst Franziskus oft genug und zu-letzt wieder in seiner Enzyklika »Laudatosi« klar ausgesprochen.

Um sich dieser Herausforderung nichtstellen zu müssen, paktieren die Euro -päer selbst mit den fluchttreibenden Regimen in Eritrea und im Sudan, diegegen Investitionen, besonders im sogenannten Sicherheitsbereich, Flücht-linge aus ihrem Land und durch ihr Landan der Flucht nach Europa hindern sol-len. Der tote Flüchtlingshändler Gaddafilässt grüßen. Er wusste als erster, Migra -tion in großem Stil als Waffe einzusetzenund war damit auf furchtbare Weise seiner Zeit voraus.

Die Antwort auf die Gretchenfrage des»Raubtierkapitalismus« kann nur glo -bale Fairness sein: Wir müssen teilen lernen. Spenden hat mit Teilen so viel zutun wie Barmherzigkeit mit Gerechtig-keit. ■

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12 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

VON KHARTOUM BIS AGADEZ: NEUAUFLAGE DER EU-AUSLAGERUNGS-STRATEGIENIn Europa findet ein Wettkampf der Abwehrpolitiken statt, derkleinste gemeinsame Nenner zur vermeintlichen Lösung der»Flüchtlingskrise« soll jenseits europäischer Grenzen liegen. Während die Kooperation mit der Türkei im Fokus der Öffent -lichkeit ist, werden die skandalträchtigen Verhandlungen mit afrikanischen Regierungen kaum wahrgenommen. Europas Politik der Externalisierung soll Schutzsuchende an der Fluchthindern und sie für Europa unsichtbar machen.

Judith Kopp

Die Ankunft von einer MillionFlüchtlinge und der Zusammen-bruch des europäischen Grenz-

regimes versetzte die europäischenStaats- und Regierungschefs 2015 inAlarmbereitschaft: Die Kontrolle überFlucht und Migration sollte so schnellwie möglich zurückgewonnen werden.Nicht zuletzt durch die Indienstnahmeder Transit- und Herkunftsländer, denneine solidarische europäische Antwortauf die weltweit größten Fluchtbewe-gungen seit dem Zweiten Weltkrieg erwies sich als illusorisch – national-staatliche Egoismen prägten Debattenund Taten.

Bereits im Mai 2015 war in Brüssel dieEuropäische Migrationsagenda ver -abschiedet worden, in der die Absicht einer intensivierten Zusammenarbeitmit Herkunfts- und Transitländern zurBekämpfung »irregulärer Migration« alsgangbare Strategie beschworen wurde.Als sich die Fluchtbewegungen weitge-hend vom zentralen Mittelmeer in dieÄgäis verlagerten, konzentrierten sichdie Bemühungen der EU auf die Türkei –über 850.000 Schutzsuchende hatten

innerhalb eines Jahres über das Land am Bosporus europäisches Territoriumerreicht. Mit dem Ziel, das Verbleibender hauptsächlich syrischen Flüchtlingein der Türkei sicherzustellen und ihreWeiterreise in Richtung Griechenland zu verhindern, wurde am 29. November2015 ein entsprechendes Abkommenunterzeichnet. Menschen- und flücht-lingsrechtliche Erwägungen blieben dabei außen vor – die ersten rechts -widrigen Abschiebungen in die Türkeierfolgten Anfang April.

Treuhandfonds zur Flucht- undMigrationsverhinderung

Auch auf der Route von Libyen nach Italien, über die 2015 mehr als 153.000Menschen in die EU gelangten, inten - sivierte man die Bemühungen zur Regu-lierung und »Eindämmung« von Fluchtund Migration. In den ersten Monaten2016 nahmen die Überfahrten auf derzentralen Mittelmeerroute weiter zu, sodass vor allem das vom Bürgerkriegzerrüttete Libyen erneut in den Fokusder europäischen Abschottungsarchi-tekten rückte.

Im November 2015 trafen sich Staats-und Regierungschefs der EuropäischenUnion mit Vertreter*innen von 35 afrika-nischen Regierungen und der Afrikani-schen Union in Valletta. Der Aktions-plan, der am 12. November in Vallettaver abschiedet wurde, zeigt: Alte Rezep-te der Migrations- und Fluchtabwehr im Interesse Eu ropas dominierten dasTreffen und die Ergebnisse. Mit finanziel-len Zusagen versucht die EU Anreize zuschaffen, um afrikanische Länder in dieeigene Flucht-, Migrations- und Grenz-politik einzu binden – rund 1,8 Milliar-den Euro sollen in einem »Nothilfe-Treu-handfonds für Afrika« bereitgestellt werden. Ebenso viel sollen die Mitglied-staaten beisteuern – bisher wurden je-doch lediglich 81,7 Millionen Euro zuge-sagt. Gelder des Treuhandfonds sollenunter anderem in die Kooperation mitden Staaten am Horn von Afrika im Rah-men des »Khartoum-Prozesses« fließen.

Khartoum-Prozess: Pakt mit Fluchtverursachern

Dass die EU keine Tabus kennt, wenn esum Kooperationen zur Fluchtverhinde-

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13TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

rung geht, wurde in der Vergangenheitzur Genüge bewiesen. Bis zu deren Sturzim Zuge des »arabischen Frühlings« 2011fungierten Libyens Machthaber Muam-mar al Gaddafi oder Tunesiens Regimeunter Ben Ali als wichtige Partner, umFlüchtlinge und Migrant*innen bereitsvor Erreichen europäischer Grenzen auf-zuhalten. Mit dem Khartoum-Prozessschufen die EU-Staats- und Regierungs-chefs einen neuen regionalen Koopera-tionsrahmen. Das erklärte Ziel: Mit Hilfevon Ländern am Horn von Afrika, wieEritrea, Sudan und Süd-Sudan »Fluchtur-sachen« und »Schlepper« zu bekämpfen.

Im Rahmen des Khartoum-Prozesses ist internen EU-Dokumenten zufolge geplant, »Institutionen der Regierung in Eritrea zu stärken« und sie bei der Be-kämpfung von kommerziellen Flucht-helfern zu unterstützen. Im Sudan sollenBeamte im Migrationsmanagement ge -schult, im Süd-Sudan das Grenzmanage-ment verbessert werden. Darüber hinausist die Einrichtung eines Trainingszen-trums an der Polizeiakademie in Ägyptengeplant, um Polizeibeamte und Strafver-folgungsbehörden verschiedener afrika-nischer Staaten weiterzubilden. Der Prozess soll effektivere Grenzkontrollengarantieren sowie Schmuggel und Men-schenhandel ebenso angehen wie Migrationsursachen.

Das Problem: Die autoritären Gewalt -regime gehören selbst zu den wichtigs-ten Fluchtursachen. Tausende Men-

schen fliehen jeden Monat vor der Mili-tärdiktatur in Eritrea, vor allem nachSüd-Sudan und Äthiopien. Rund 11.000eritreische Schutzsuchende stellten2015 in Deutschland einen Asylantrag –die bereinigte Schutzquote liegt bei nahezu 100 Prozent.

Menschenrechtsverletzer als Partner

Anfang April 2016 wurden geheimeEmpfehlungen der EU-Kommission unddes Europäischen Auswärtigen Dienstesöffentlich gemacht, wie die Koopera-tion mit den Machthabern des Sudan,Äthiopiens, Eritreas und Somalias in denBereichen »Migration, Mobilität undRückübernahme« intensiviert werdenkönnte. So soll beispielswiese mit Äthio-pien ein »Rückübernahmeabkommen«verhandelt werden, obwohl das Europäi-sche Parlament die äthiopische Regie-rung im Januar 2016 aufgrund schwer-wiegender Menschenrechtsverletzun-gen vehement kritisiert hat.

Insbesondere die sudanesische Regie-rung soll daran mitwirken, Migrations-und Fluchtbewegungen in RichtungEuropa aufzuhalten – gegen weitgehen-de Zugeständnisse. Neben den finan-ziellen Anreizen will man auch politischunterstützend tätig werden und bei-spielsweise die Lockerung der US-ame rikanischen Sanktionen gegen den Sudan oder gar die Streichung des Lan-des »von der Liste terrorunterstützender

Staaten« erwirken. Dass der sudanesi-sche Präsident Omar Al-Baschir vom Internationalen Strafgerichtshof perHaftbefehl gesucht und der Sudan nachwie vor von gewalttätigen Konflikten erschüttert wird, scheint den EU-Institu-tionen vernachlässigenswert.

Der Khartoum-Prozess verschafft nichtnur Gewaltregimen Legitimation. Wermit Fluchtverursachern paktiert, be-kämpft nicht die Ursachen von Vertrei-bung und Flucht, sondern die Schutz -suchenden selber.

»Multifunktionale Migrations-zentren« als Abschreckungs-maßnahme

In der Migrationsagenda ist außerdemdie Einrichtung eines »multifunktiona-len Migrationszentrums« in Niger bisEnde 2015 vorgesehen. Aus EU-Berich-ten und Frontex-»Risikoanalysen« gehthervor, worin die strategische Bedeu-tung des westafrikanischen Landes fürdie europäische Migrationskontrolleliegt: Trotz des Bürgerkriegs in Libyen ist die Route durch Niger die am häu-figsten genutzte von Westafrika Rich-tung Europa. Als wichtiger Knotenpunktgilt die Stadt Agadez in der Landesmitte.In Zusammenarbeit mit IOM (Internatio-nale Organisation für Migration), UNHCRund den nigrischen Behörden soll dasgeplante Zentrum »ein realistischeresBild der Erfolgschancen der Migranten(…) zeichnen, die sich auf den Weg nach

Hat gut lachen: der sudanesischePräsident Omar Al-Baschir. Obwohlder InternationaleStrafgerichtshof ihn per Haftbefehlsucht, will die EUmit dem Sudan kooperieren.

© Reuters / MohamedNoureldin Abdallah

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14 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Europa machen, und irreguläre Migran-ten bei der freiwilligen Rückkehr (…) unterstützen«. Auch über Möglichkeiten,Schutz in der Region zu erhalten, sollhier informiert werden.

Das Versprechen, dass dort auch legaleMöglichkeiten zur Weiterreise nachEuropa aufgezeigt werden, entbehrt jeder realistischen Grundlage. LegaleEinreisewege nach Europa sind so gutwie inexistent und die Lehren aus derVergangenheit eindeutig: In Mali wurde2008 ein ähnliches »Zentrum für Infor-mation und Management von Migrati-on« (CIGEM) eröffnet, doch im Jahr 2015bereits wieder geschlossen. Offiziell soll-ten dort Informationen zu den Risiken»irregulärer Migration« verbreitet undAlternativen dazu gefördert werden, unter anderem durch die Unterstützungpotentieller Migrant*innen bei der Be-antragung von Visa zur regulären Ein -reise in die EU. Doch Angebote legalerEin reise gab es praktisch nicht.

Die regelmäßig in die Debatte einge-brachten Vorstöße sehen für die »Transit-oder Aufnahmelager« in »Drittstaaten«unterschiedlichste Aufgaben vor – vonder Durchführung von Asylverfahren auf afrikanischem Boden über Informa -tionskampagnen zur Verhinderung»irregu lärer Migration« bis zur Forcie-rung »freiwilliger Abschiebungen«. Siealle verfolgen dasselbe Ziel: Flucht- undMigra tionsbewegungen aus der Distanzzu kontrollieren und zu regulieren – »remote control« – fernab von der euro-päischen Öffentlichkeit.

Prinzip Verdrängung auf Kostenvon Menschenrechten

Die EU setzt auf eine Neuauflage be-kannter Politiken der Externalisierungvon Grenzkontrollen. Aus menschen-rechtlicher Sicht ist klar: Die von der EU als »Gatekeeper« auserkorenen, teil -weise autokratischen Staaten, sind keine legitimen Partner einer humanenFlucht- und Migrationspolitik. Die poli -tischen Antworten auf die Krise des europäischen Grenzregimes und dieFlucht- und Migrationsbewegungenwerden ausgelagert – auf menschen-rechtlich hochproblematisches Terrain.Flücht linge und MigrantInnen sollen in Herkunfts- und Transitregionen fest-gesetzt werden, unter Missachtung ihrerMenschenrechte. Menschenrechtsver-letzungen sollen aus der europäischenWahrnehmung verbannt und unsicht-bar gemacht werden.

Die Reichweite europäischer Medienscheint an den Küsten der südlichen Anrainerstaaten zu enden: Während seiteiniger Zeit Bilder von Bootskatastro-phen und toten Flüchtlingen im Mittel-meer an die europäische Öffentlichkeitdringen und immer wieder massive Kritik an Europas Abschottungspolitikprovoziert haben, bleiben die Toten inder Ténéré-Wüste oder auf den Routendurch die Sahara unsichtbar. Die Kon-trollarchitektur jenseits des Mittelmeersbleibt weitgehend unerwähnt, die Maß-nahmen zum Festsetzen der Schutz -suchenden unterbelichtet.

Mit ihrer Politik der Auslagerung vonGrenzkontrollen verfolgt die EU eine fatale Strategie des Unsichtbarmachensvon Schutzsuchenden und nimmt weitere Tote in Kauf. Doch Flucht- und Migrationsbewegungen lassen sichdurch Zäune, technisch versierte Kon-trollinstrumente und Transitlager nichtaufhalten – die Folge sind immer ge -fährlichere Odysseen. Nur die Öffnunggefahrenfreier Wege kann verhindern,dass Europa zum Handlanger schwererMenschenrechtsverletzungen vor sei-nen Toren wird. ■

Gewalt gegen Flüchtlinge, die Verschärfungdes Asylrechts, Datenmissbrauch, Polizei ge -walt: Der Grundrechte-Report 2016 be richtetüber Grundrechtsver letzungen in allen Be -reichen des gesellschaftlichen Lebens undkommt zu dem Schluss: Die wirklichen Gefäh -rdungen unserer frei heitlichen demokrati-schen Grundordnung und damit der Grund-rechte und des Rechtsstaats gehen im Wesent -lichen von staatlichen Institutionen aus.

Der »Grund-Rechtereport 2016 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutsch-land« kostet 10,99 € und ist erhältlich bei PRO ASYL oder im Buchhandel.

SCHMUTZIGES TAUSCHGESCHÄFT MIT MAROKKO:

ABWEHR GEGEN VÖLKERRECHTLICHEN FREIPASS?

Nach seiner Dienstreise durch die Maghreb-Staaten Ende Februar 2016 hatte Bundesinnen -minister Thomas de Maizière skandalträchtige Pläne im Gepäck. Das Interesse der Bundes -regierung: Marokko zum »sicheren Herkunftsland« zu erklären, um Abschiebungen zu forcie-ren. Die Gegenleistung besteht in fatalen Zugeständnissen in Bezug auf die seit 1975 be -stehende völkerrechtswidrige Besetzung der Westsahara durch Marokko. Europa nimmt nichtnur in Kauf, dass die sahrauischen Flüchtlinge unter immer dramatischeren Bedingungen in der algerischen Wüste verbleiben müssen. De Maizière signalisierte gar, Marokko dabei zu unterstützen, gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorzugehen, das ein Agrar- und Fischereiabkommen mit der EU für ungültig erklärt hatte – und das aus gutem Grund: Das im Abkommen festgelegte Gebiet umfasst die Westsahara.

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15TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

SCHLAGLICHTER 2015Januar: Nach vier Jahren Krieg ist dieHälfte der Bevölkerung Syriens zuFlüchtlingen geworden. Ab Jahresbe-ginn kürzt das World Food Programmedie Hilfe für 1,5 Millionen Flüchtlinge in Jordanien, Libanon, Türkei, Irak undÄgypten um bis zu 50 %. Weil die inter-nationale Hilfe nicht ausreicht, schließtder Libanon seine Grenze für Flüchtlinge.

Im Februar macht der Tod von mehr als 300 Flüchtlingen vor LampedusaSchlagzeilen. Im Herbst zuvor ist die italienische Seenotrettung »Mare Nos-trum« beendet worden. Die EU-Nach -folgeoperation »Triton« ist nicht auf Rettung angelegt und operiert nur inKüstennähe.

Im April sterben binnen weniger Tageüber 1.300 Flüchtlinge auf dem Wegüber das zentrale Mittelmeer.

Auf dem EU-Sondergipfel am 23. Aprilbeschließen die Staats- und Regierungs-chefs Maßnahmen zur Schlepperbe-kämpfung und Fluchtverhinderung.

Der Brandanschlag auf die geplanteFlüchtlingsunterkunft in Tröglitzschreckt die Öffentlichkeit auf. Es ist der dritte im laufenden Jahr. Im Jahres-verlauf kommt es immer häufiger zu Anschlägen und Gewalt gegen Asyl -suchende.

Pegida Dresden beschäftigt wochenlangPolitik und Medien mit Parolen gegenFlüchtlinge, »Ausländer« und den Islam.Die politische Stimmung beginnt sichaufzuheizen.

In Afghanistan starten die Talibanihre Frühjahrsoffensive. TausendeMenschen werden durch Kämpfe in derProvinz Kundus zur Flucht gezwungen.Die Provinzregierung im Norden sprichtvon der »schlimmsten Situation seit2002«.

Im Mai erreichen fast 40.000 Flücht-linge Deutschland, darunter vermehrtsyrische und afghanische Flüchtlinge.

Auf den griechischen Inseln kommentäglich mehrere tausend Flüchtlingean und stranden dort, ohne Unterkunft,ohne sanitäre Einrichtungen, ohne Ver-pflegung und ohne medizinische Ver-sorgung. Der Zuzug hält monatelang an.Ab August spricht UNHCR von einer humanitären Krise.

Als Notfallmaßnahme will die EU-Kom-mission 40.000 Schutzsuchende ausGriechenland und Italien in andere EU-Staaten umsiedeln. Polen, Ungarn,Dänemark, Frankreich, Großbritannienu.a. lehnen den Vorschlag ab. Im Junientscheidet eine Mehrheit für die Um-siedlung innerhalb von zwei Jahren –verbindliche Quoten gibt es jedochnicht.

Im Juni beginnt auch die erste Stufe der EU-Operation »EUNAVFOR Med«, die im Mittelmeer sowie später auch ander Küste Libyens mit militärischenMitteln gegen »Netzwerke von Men-schenschmugglern« vorgehen soll.

Deutschland: Beim Flüchtlingsgipfel am 11. Juni verdoppelt der Bund diePauschalhilfe für die Länder auf eineMilliarde. Bund und Länder beschließenfür Gruppen mit einer »relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleichbesonders niedriger Schutzquote« – gemeint sind Balkanflüchtlinge – Maß-nahmen der Desintegration, Isolationin Großunterkünften und zeitnaheAbschiebungen.

Anfang Juli beschließt der Bundestagdas »Gesetz zur Neubestimmung desBleiberechts und der Aufenthaltsbe-endigung«. Es enthält eine lange gefor-derte Bleiberechtsregelung für Gedulde-te, aber auch Möglichkeiten zur exzessi-ven Ausweitung der Abschiebungshaft.

Flüchtlingscamp Suruc / Türkei: Ein syrisches Mädchen wäscht Geschirr ab. © UNHCR / Ivor Prickett

Vollbrand einer geplanten Flüchtlingsunterkunftim August in Unterweissach / Rems-Murr-Kreis. © picture alliance / Benjamin Beytekin

Vor Lesbos: Flüchtlinge kämpfen sich an Land © UNHCR / Ivor Prickett

Geflüchtete Frau in Budapest © Bence Járdány

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Als Reaktion auf die gestiegenen Flücht-lingszahlen beginnt Ungarn, seine 175 km lange Grenze zu Serbien miteinem vier Meter hohen Stacheldraht-zaun abzuriegeln. Das Land verschärftdie Asylgesetze und verweigert dieRücknahme von Flüchtlingen im Dublin-Verfahren. Im ganzen Land lässt die Regierungspartei Fidesz ausländerfeind-liche Parolen plakatieren.

Im August appelliert das World FoodProgramme erneut an die Staaten,mehr Geld für die syrischen Flüchtlingebereit zu stellen. Familien würden sichhoch verschulden, weniger essen undihre Kinder aus der Schule nehmen, um sie arbeiten zu lassen.

Aus Mazedonien wird berichtet, dassFlüchtlinge Opfer von schwerer Ge-walt durch Polizei und kriminelle Ban-den werden. Das Land ruft den Ausnah-mezustand aus und schließt eine Zeitlang die Grenze zu Griechenland. Die Polizei geht an der Grenze mit Blend -granaten und Tränengas gegen Flücht-linge vor.

Ungarn hindert Flüchtlinge an derWeiterreise nach Österreich undDeutschland. Eine ganze Woche harrenFlüchtlinge im Keleti-Bahnhof in Buda-pest aus. Dann machen sich Hundertezu Fuß über die Autobahn auf den WegRichtung Österreich.

In Deutschland erhöht der Innenminis-ter die Prognose für die Zahl der Asyl -suchenden 2015 auf 800.000. Auf ihrerSommerpressekonferenz setzt Bundes-kanzlerin Merkel ein nachhallendes Signal für die Flüchtlingsaufnahme:»Wir schaffen das.« In der Nacht aufden 5. September entscheidet sie, diein Ungarn festsitzenden Flüchtlinge inDeutschland aufzunehmen.

Am Münchener Hauptbahnhof ver -sorgen Hunderte Ehrenamtliche ankom-mende Flüchtlinge mit dem Nötigsten.Zehntausende kommen binnen wenigerTage. Bilder eines menschenfreundli-chen Deutschlands gehen um die Welt.Sie rufen die Hoffnungen der Verzweifel-ten hervor – und zynische Reaktionenanderer EU-Staaten.

CSU-Chef Seehofer polemisiert gegendie Flüchtlingspolitik der Kanzlerin und führt einen monatelangen Streit um ei ne angeblich notwendige »Ober -grenze«. Die Stimmung wird zu se hendsfeindlich, die überwältigende Hilfsbe-reitschaft jedoch hält landesweit an.

Die Medien kennen wochenlang nur einThema. In sämtlichen Talkshows wirdfast ausnahmslos über die »Flücht-lingskrise« diskutiert. Der immer offe-nere Hass und die steigende Gewalt ge-gen Flüchtlinge und ihre Unterkünftewerden nicht thematisiert.

Dänemark stoppt zeitweise den Zug -verkehr mit Deutschland. Frankreichlehnt Verhandlungen mit Deutschlandüber eine Aufteilung der Flüchtlinge ab. Österreich winkt Flüchtlinge nachDeutschland durch. Italien und Däne-mark führen Grenzkontrollen ein.

Mitte September vollzieht die Bun -des regierung die Wende: Deutschlandführt Kontrollen an der Grenze zu Öster-reich ein. Danach wird das Schengen-Recht auch in Österreich, der Slowa kei,Tschechien, Polen und den Nieder - landen faktisch außer Kraft gesetzt.

Ungarn will auch die Grenze zu Kroatienund Rumänien abriegeln. Flüchtlingen,die den ungarisch-serbischen Grenz-zaun überwinden, droht Gefängnis. Siewerden mit Tränengas und Wasser-werfern beschossen.

Der Weg der Flüchtlinge führt nun überKroatien. Dort und in Slowenien erhal-ten sie oft weder ein Dach über demKopf noch Nahrung und werden immerwieder tagelang von der Polizei festge-halten.

Die Innenminister der EU-Staaten be-schließen eine weitere Notaufnahmevon Flüchtlingen – gegen die StimmenUngarns, Tschechiens, der Slowakei undRumäniens. Flüchtlinge sollen in soge-nannten »Hotspots« in Griechenlandund Italien festgesetzt, 120.000 von ihnen weiter in die EU-Länder verteiltwerden. Die Zahl der Flüchtlinge in Grie-chenland beläuft sich unterdessen aufknapp 350.000, in Italien auf 128.000.

16 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Die ungarische Polizei verhaftet eine syrische Familie hinter der Grenze © Reuters / Bernadett Szabo

Flüchtlinge sitzen im Budapester Bahnhof fest © Bence Járdány

Auf dem Weg Richtung Österreich © picture alliance

Im Frankfurter Hauptbahnhof werden Flüchtlinge empfangen © picture alliance

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Auf dem Bund-Länder-Gipfel am 25.9.wird das Asylverfahrensbeschleuni-gungsgesetz (»Asylpaket I«) verab -redet. Es umfasst Rechtseinschränkun-gen, die Definition einiger West -balkanstaaten als »sichere Herkunfts - länder« und erhebliche soziale Er-schwernisse für Flüchtlinge. Schon vierWochen später tritt das mit heißer Nadelgestrickte Gesetz in Kraft.

Im Oktober ist die grüne Grenze Un -garns nach Kroatien dicht. Flüchtlingemüssen von Kroatien aus nach Slowe -nien ausweichen: Dort wartet das slowe-nische Militär. Auch Slowenien, Öster-reich und Mazedonien bauen jetztGrenzzäune. Die griechisch- mazedoni -sche Grenze wird polizeilich abgeriegelt,Menschen aus Syrien, Afghanistan unddem Irak dürfen noch durchreisen, ande -re Schutzsuchende nicht.

Die EU bereitet mit der Türkei einenhistorischen und schmutzigen Dealvor: Für drei Milliarden Euro soll die Tür-kei die Grenzen abriegeln und Flücht -linge aus Griechenland wieder zurück-nehmen. Im Gegenzug will Europa ein-zeln ausgesuchte syrische Flüchtlingeaus der Türkei legal aufnehmen. Am 18. März 2016 kommt es zur Einigung.

Auf Lesbos wird der größte europäische»Hotspot« Moria eröffnet. HunderteSchutzsuchende warten tagelang beiWind und Wetter auf ihre Registrierung.Es gibt weder ausreichend Unterkünftenoch eine geregelte Essensversorgungoder ausreichende medizinische Hilfe.

Bundesinnenminister de Maizière willAbschiebungen nach Afghanistan forcieren und plant die Herabstufungdes Schutzstatus für syrische Flücht-linge, um deren Familiennachzugsrecht zu beschneiden.

Ab Anfang November wird das Gesetzzur Einführung beschleunigter Asyl -verfahren (»Asylpaket II«) verhandelt.Im März 2016 wird es beschlossen. Daszweite Asylpaket stoppt den Familien-nachzug für subsidiär Geschützte undforciert die Abschiebung von Kranken.

Wegen steigender Einreisezahlen plantdie norwegische Regierung ein Not-standsgesetz, mit dem Flüchtlingenach Russland zurückgeschoben wer-den können. Dänemark verschärft dieAufnahmebedingungen für Flüchtlinge.Schweden führt vorübergehend Grenz-kontrollen ein, betroffene Flüchtlingebleiben in Dänemark und Norddeutsch-land hängen.

Zum Jahresende sind aus den Hotspotsin Griechenland und Italien statt der an-gestrebten 40.000 bzw. 120.000 Men-schen tatsächlich gerade einmal 272Menschen umgesiedelt worden.

Über die Seeroute kamen im Jahr 2015rund 1 Million Flüchtlinge in Europa an.Mindestens 3.771 Menschen starbenbei der Überfahrt.

In Deutschland wurden 1.072 Straf -taten an Flüchtlingsunterkünften ge-zählt, davon 136 Brandanschläge. Bei 183 Übergriffen wurden 267 Flücht-linge verletzt.

2016

Im Februar sitzen in Idomeni an der ge-schlossenen griechisch-mazedonischenGrenze Tausende Flüchtlinge wochen-lang im Schlamm fest.

Am 9. März 2016 ist die Transitroute überden Balkan komplett geschlossen.

Gemäß EU-Türkei-Abkommen werdenam 4. April die ersten 202 Menschen ausGriechenland mit Polizeigewalt in dieTürkei zurückgebracht. Deutschlandnimmt 32 ausgewählte syrische Flücht-linge aus der Türkei auf.

Jeden dritten Tag wird in Deutschlandeine Flüchtlingsunterkunft angezün-det.

Mitte April sterben bei einem Boots -unglück bis zu 500 Menschen auf derHochseeroute von Ägypten nachEuropa.

Mehr Schlaglichter, alle Quellen und Links unterwww.proasyl.de\schlaglichter2015

17TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Die mazedonische Armee errichtet einen Grenz-zaun in der Nähe von Idomeni / Griechenland © UNHCR / Daniel Etter

Idomeni: Flüchtlinge vor der geschlossenen Grenze. © Chrissi Wilkens

Im »Hotspot« Moria herrschen katastrophale Bedingungen. © RSPA / Salinia Stroux

Lesbos, Februar 2016 © Björn Kietzmann

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Der 28. Oktober 2015. An diesemTag kommt es in den Gewässernnördlich der Insel Lesbos zum

folgenschwersten Schiffsunglück desJahres auf der griechischen Seite derÄgäis. Es sterben 71 Menschen – darun-ter viele Kinder. 272 Schutzsuchendewerden gerettet. Gemeinsam mit grie-chischen und türkischen Fischern, loka-len Aktivisten und ausländischen Helfe-

rinnen und Helfern beteiligen sich dieMitarbeitenden des PRO ASYL-Projekts»Refugee Support Program in the Aege-an« (RSPA) an der ersten Notversorgungder Überlebenden. Eine staatlich orga -nisierte Unterstützung bleibt aus. RSPA-Anwältin Natassa Strachini berichtet:

»Gegen 18 Uhr erfuhren wir von einemgroßen Schiffsunglück in der Nähe von

18 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

ABSOLUTE ABWESENHEIT DES STAATESDIE ARBEIT DER HELFER*INNEN IN GRIECHENLAND

Die Situation in der Ägäis ist ein menschliches Drama – für Flüchtlinge wie Helfende. Mitarbeitende von PRO ASYL ringen in einem verzweifelten Kampf um das Leben und die Gesundheit der in Griechenland gestrandeten Menschen.

Alex Stathopoulos

Zum Bild: Zwei Freundinnen aus Hessen, die 2015 zur Flüchtlingshilfe nach Griechenland und auf den Balkan gereist sind, teilen ihre Erlebnisse auf der Facebook-Seite »Impressions of an Odyssey«.

© Erik Marquard

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Molyvos. Man sagte uns, das Meer seivoller Lebender und voller Toter. Über -lebende würden ins Krankenhaus vonMytilini geschickt werden. Etwa andert-halb Stunden später füllte sich die Klinikmit unterkühlten Kleinkindern und Babys, die Atembeschwerden aufzeig-ten. Es herrschte Panik, wie in einemKriegsgebiet. Ärzte und Krankenschwes-tern hatten kaum Mittel, sie zu versor-gen. Sie gaben uns Anweisungen, wiewir die blauen kleinen Körper wärmensollten. Wir mussten ihre Kleider wech-seln, sie in Decken wickeln, ihnen in derMikrowelle gewärmte Tropfe verabrei-chen. Dann rieben wir stundenlang ihreKörper, die Wachsfiguren glichen. (…)Nach zwei Stunden verloren wir ein klei-nes Mädchen. Jemand flüsterte: Guck,der Arzt weint. Wir waren wie erstarrt.Drei Kinder wurden in die Intensivsta -tion gebracht und mussten später nachAthen transportiert werden. Eines vonihnen starb am nächsten Tag dort.«

Den ganzen Tag und die ganze Nachtstehen Rechtsanwält*innen und Dol-metscher*innen von RSPA den Über -lebenden der Katastrophe und ihren Angehörigen zur Seite. Sie sprechen mitdem Krankenhauspersonal, Helfer*in-nen und Behörden. Sie legen selbstHand an bei der Versorgung der Men-schen, versuchen Familien, die bei derAnkunft getrennt wurden, wieder zu-sammenzuführen, spenden, so gut esgeht, Trost und gehen dabei weit überihre Belastungsgrenzen hinaus.

Über 350 Tote in drei Monatenseit Jahresbeginn

Die Katastrophe vom 28. Oktober warbesonders tragisch, aber bei Weitemnicht die einzige Tragödie, die sich 2015ereignet hat. Innerhalb des vergange-nen Jahres sind knapp 860.000 Flücht-linge über die Türkei nach Griechenlandgekommen. Allein auf der Insel Lesbos –dem Haupteinsatzort von RSPA – regis-trierte UNHCR über 500.000 Neuankünf-te. Nach Daten der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind791 Menschen bei der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland ertrunkenoder verschwunden. Trotz aller Bemü-hungen der EU, die Türkei dazu zu brin-gen, Schutzsuchende von der Überfahrt

abzuhalten, setzt sich die Entwicklungauch 2016 fort: Von Januar bis MitteMärz 2016 kamen laut UNHCR bereitsmehr als 140.000 Schutzsuchende –trotz der winterlichen Wetterverhältnis-se – hinzu. Bereits mehr als 350 Tote undVermisste sind seit Beginn des Jahres inder Ägäis zu beklagen.

Schon im Frühsommer 2015 hatten PRO ASYL und die Mitarbeitenden vonRSPA aufgrund der hohen Zahl neu An-kommender auf den griechischen Inselnvor einer humanitären Krise gewarnt.Seitdem haben die griechische Regie-rung und Europa keine angemesseneAntwort auf die katastrophale Situationgefunden. Stattdessen sind es einheimi-sche Helferinnen und Helfer, Freiwilligeaus der ganzen Welt sowie eine großeAnzahl von Hilfsorganisationen, welchedie Schutzsuchenden so gut es geht versorgen.

Absolute Abwesenheit des Staates

Auch der Charakter des PRO ASYL-Pro-jekts RSPA hat sich der anhaltenden Ausnahmesituation angepasst. Vor demhistorischen Anstieg der Flüchtlingszah-len bestand das Projekt vor allem darin,schutzbedürftige Menschen mit Rechts-hilfe zu unterstützen und dabei beson-ders eklatante menschenrechtlicheMissstände aufzudecken, zu dokumen-tieren und zur Anklage zu bringen. Nununterstützen RSPA-Mitarbeitende täg-lich viele besonders schutzbedürftigePer sonen, die im Krankenhaus behan-delt werden oder in den sogenanntenHotspots auf ihre Registrierung warten. Die Zustände in diesen Lagern sind weiterhin untragbar, weswegen RSPA-Mitarbeitende immer wieder besondersschutzbedürftige Menschen von dort in das offene, selbstverwaltete Willkom-menszentrum PIKPA der lokalen Solida-ritätsgruppe »Dorf der Gemeinschaft Aller« bringen.

»Am meisten erschreckt mich die ab -solute Abwesenheit des Staates«, soRSPA Mitarbeiter Naiem Mohammedi im Oktober 2015, der auch im PIKPA mit-wirkt. »Alle Menschen, die wir hierhergebracht haben, haben wir zufällig ge-troffen: auf der Straße, im Hafen, außer-

halb der Lager von Moria und Kara Tepe.Manchmal schicken die NGOs oder derUNHCR besonders verletzliche Fälle her,aber es ist alles Zufall. Viele Menschen,die besonderer Hilfe bedürfen, werdennicht identifiziert – ihnen kann nicht geholfen werden. (…) Es macht mich jedes Mal wieder fassungslos, wenn ichSchwangere vor mir habe, Kranke, be-hinderte Menschen oder Babys undsehe, wie sie versuchen, sich durch dieProzeduren auf Lesbos zu quälen unddiese Etappe, die nur eine von vielen aufihrer Flucht ist, zu überleben. Ich seheunsere Aufgabe darin, diesen Menschenzu helfen, und zwar ganzheitlich: durchdas ganze Verfahren auf der Insel undnicht nur ausschnittweise. Darin liegtunsere Stärke, dass wir da weiterma-chen, wo alle anderen aufhören. Manmuss den Menschen auch nach ihrer Registrierung helfen oder nach demKrankenhausbesuch... und dann erlebtman auch manchmal ein Happy End.«

Humanitäre Katastrophe mit Ansage

Trotz aller Abschreckungs- und Abschot-tungsversuche der Europäischen Unionsind bis zum 15. März 2016 bereits über83.000 Flüchtlinge auf Lesbos gelandet,über zwei Drittel davon Frauen und Kinder. Durch die Schließung der maze-donischen und bulgarischen Grenzen zu Griechenland sitzen diese Menschenfest. Die Flüchtlinge und die griechischeBevölkerung werden von der Europäi-schen Union im Stich gelassen. Dass daraus unweigerlich weiteres Leid undElend entstehen werden, ist für alle, diedie Situation sehen, unzweifelhaft. Diehumanitäre Katastrophe in Griechen-land ist keine Naturgewalt, sondern dasResultat eines zynischen Kalküls der EU-Staaten. Um Flüchtlinge von Europafernzuhalten, scheint jedes Mittel rechtzu sein, Menschenrechtsverletzungenwerden billigend in Kauf genommen. ■

19TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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20 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

»DIE BILDER VON LESBOS HABEN MICH EINFACH NICHTMEHR LOSGELASSEN«EINE FREIWILLIGE HELFERIN IN GRIECHENLAND

Nirgendwo in Europa ist die Flüchtlings -aufnahme derart an ihre Grenzen gelangt wiein Griechenland. Das Land verfügt nicht überein funktionierendes Asylsystem und ist mitder Versorgung der Flüchtlinge komplett über- fordert. Viele Flüchtlinge in Idomeni, Athenund andernorts haben keinen Zugang zur Basis- Versorgung und müssen unter freiemHimmel schlafen.

Ohne freiwillige Helfer*innen würde dieGrundversorgung der Menschen vollends zu -sammenbrechen. Tausende Freiwillige habensich 2015 auf den Weg nach Griechenland gemacht, um Flüchtlinge mit dem Notwen-digsten zu ver sor gen. Sie kommen aus aller Welt – Europa, aber auch aus Kanada, den USA, Neuseeland oder Australien, und auchdie lokale griechische Be völkerung setzt sichein. Mobile Küchenteams wie »Grenzenlos Kochen Hannover«, »Soups and Socks« Heidel-berg oder »Aid Delivery Mission« bereitenMahl zeiten für Tausende von Menschen zu.Frei willige Helfer*innen verteilen Kleidung,Essen und Hygienebedarf oder bauen Zelte auf.

Eine davon ist Lisa Thielsch.Sie war im vergangenenHerbst dreieinhalb Wochenlang auf Lesbos aktiv. Anđelka Križanović hat mitihr gesprochen.

Anđelka Križanović: Wie hast Du Dich entschieden, nach Lesbos zu fahren?

Lisa Thielsch: In der Flüchtlingshilfe bin ich schon eine Weileaktiv. Aber die Bilder von Lesbos und die Schlagzeilen habenmich einfach nicht mehr losgelassen. Ich dachte nur: Da musstdu hin! Ich wusste, wenn ich nicht früher oder später dorthingehe, dass ich mir immer sagen würde: »Was wäre, wenn …«und »Ach, wärst du doch gegangen!« Trotzdem war ich mir unsicher, ob ich dort überhaupt von Nutzen bin, ich bin ja weder Ärztin noch Seelsorgerin. Also habe ich eine Mail anPRO ASYL geschrieben und die Antwort erhalten: Ja, es wür-den händeringend Leute gebraucht, zusammen mit Tipps, anwen ich mich wenden kann. Am nächsten Tag war mein Fluggebucht. Zwei Wochen später saß ich im Flugzeug. Ich hattemich darauf eingestellt, die Reisekosten selbst zu tragen. Danngaben mir andere Freiwillige den Tipp mit dem Crowdfunding.Von den positiven Reaktionen, dem Zuspruch und der Groß -zügigkeit der Menschen um mich herum war ich einfach überwältigt! Ich wäre zwar auch ohne diese Hilfe nach Lesbosgereist, aber ich hätte es finanziell sehr viel mehr gespürt. Sokonnte ich nicht nur meine Reisekosten decken, sondern auchvor Ort Dinge kaufen, die im Kleiderzelt benötigt wurden. Oder auch Süßigkeiten für die Kinder.

Wie hast Du vor Ort Anschluss an die anderen Freiwilligen gefunden?

Die Helfer organisieren sich hauptsächlich in Facebook-Grup-pen. Ich habe mich der Starfish Foundation in Molyvos an -

Die Heidelberger Initiative Soup & Socks e.V. verteilt Nahrungsmittel und Kleidung auf der Balkanroute. © Soup & Socks e.V. / Anton Knoblach

© p

rivat

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21TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

geschlossen. Mit anderen Freiwilligen habe ich mir ein Zimmergeteilt, wir haben zusammen ein Auto gemietet und wurdenvon erfahrenen Helfern in die Abläufe eingewiesen. Wir arbei-teten meistens in 8-Stunden-Schichten.

Wie war die Situation an der Küste?

Wenn ein Boot zu uns kam, war es davor in aller Regel in See-not gewesen. Die griechische Küstenwache fuhr von Molyvosaus aufs Meer und brachte die Flüchtlinge mit dem Boot in den Hafen. Das bedeutete, dass die Menschen, die bei uns an-kamen, oftmals nasse Kleider hatten, entweder weil das Bootmit Wasser vollgelaufen war oder sie sogar ins Wasser gefallenwaren. Zuerst untersuchten die Ärzte, ob jemand ernsthaft verletzt war, dann wurden die Flüchtlinge vorregistriert unddann konnten sie sich bei uns Essen und Kleider holen. Dannhieß es für sie stundenlang warten auf Busse, die sie in das Registrierungscamp Moria bringen.

Wie ging es den Flüchtlingen nach der Ankunft?

Viele waren unterkühlt und froren. Ich habe gleich am erstenTag mitgeholfen, einem Kind die nassen Sachen zu wechseln,weil seine Mutter zu schwach dafür war. Manche standen unterSchock, wussten erst einmal nicht, ob sie wirklich in Europawaren. Andere waren froh, die Überfahrt überlebt und es nachEuropa geschafft zu haben. Dabei stehen die Menschen, wennsie in Griechenland ankommen, erst am Anfang. Sie habennoch lange nicht Zuflucht gefunden. Alle haben sich tausend-mal bei uns bedankt. Sie sagten uns, dass sie zum ersten Malwie Menschen behandelt wurden. Einige erzählten, dass im

Iran auf sie geschossen wurde. Und in der Türkei sei es ihnenschlecht gegangen.

Wie ging es Dir in diesen dreieinhalb Wochen?

Ganz am Anfang war ich nervös. Ich dachte, hoffentlich mache ich keine Fehler! Bei der Kleiderausgabe tat es mir rich-tig leid, wenn ich für die Menschen keine Schuhe in der richti-gen Größe hatte. Manchmal hatte ich völlig das Zeitgefühl verloren, weil um mich herum so viel passierte. Ich war abermit einem wirklich tollen Freiwilligenteam unterwegs, dasmich dann aufgefangen hat.

Welche Momente bleiben Dir besonders in Erinnerung?

Einmal haben wir Kisten mit Hygieneartikeln und anderennützlichen Dingen verteilt. Es ist wirklich toll, wie viel gespen-det wird und die strahlenden Gesichter, wenn man jemandemSeife oder Creme in die Hand gibt – oder einer allein reisendenFrau mit Baby und Kleinkind eine Babytragetasche – das isteinfach unbezahlbar! Einmal kam ein Mädchen zu mir und sag-te etwas auf Arabisch. Ich bat einen Helfer zu übersetzen under sagte, dass sie gern Stifte zum Malen und ein Malbuch hätte.Da ich wusste, dass wir so etwas im Zelt hatten, holte ich sie ihr.Wie sie daraufhin strahlte, werde ich nie vergessen!

Habt Ihr als Freiwillige mitbekommen, was politisch in Europa los war?

Den EU-Deal mit der Türkei haben wir sofort gespürt. Von einem Tag auf den anderen kamen in Molyvos plötzlich keineBoote mehr an. Vom Hörensagen wussten wir, dass die Men-schen auf türkischer Seite festsaßen und nicht rüber konnten,weil die Strände überwacht wurden. Wenn sie dann doch in die Boote stiegen, wurden sie auf See aufgegriffen und zurück-gebracht. Die Boote kamen vermehrt nachts oder in der Früheund sie landeten weiter im Süden, wo es zwar keine Nacht -wache auf den Stränden gab, aber die Strecke zwischen denbeiden Küsten viel länger war. Nach Griechenland zu kommen,wurde für die Menschen viel gefährlicher.

Was nimmst Du für Dich aus Lesbos mit?

Ich bin froh, dass ich da war und vor Ort ungeschönt sehenkonnte, was in Griechenland passiert. Ich bin froh, dass ich zumindest für eine kurze Zeit helfen konnte. Einige derFlüchtlinge, die ich auf Lesbos getroffen habe, habe ich hier in Deutschland wiedergesehen. Sie haben es geschafft, es geht ihnen gut. Wir haben immer noch Kontakt. Wenn es Zeitund Geld erlauben, würde ich wieder nach Lesbos fahren.

Bleibst Du in der Flüchtlingshilfe aktiv?

Klar, das bin ich schon seit langem. In meinem Heimatort Oftersheim leite ich in einer Notunterkunft die Bildungsarbeitfür Flüchtlinge und gebe dort Deutschkurse. Wenn ich in Oftersheim bin, bin ich jeden Tag in der Unterkunft, manchmalbis zu acht Stunden am Tag. Da fragen die Security-Leuteschon mal: Mädel, willst du nicht auch mal nach Hause? Aberich bin gern dort. Mir machen die Arbeit und der Kontakt zuden Menschen viel Spaß. ■

Helfer*innen und neu ankommende Flüchtlinge im Februar 2016 am Strand von Lesbos. © Björn Kietzmann

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Refugees Welcome« hieß das Mottodes Flüchtlingstags 2015. Es wardas Motto einer Vielzahl von Men-

schen, die ab 2014 und noch stärker abSommer 2015 begannen, in Europa undin Deutschland ankommende Flücht -linge zu unterstützen. Diese Bewegungentstand als spontane Reaktion auf einvielerorts feststellbares staatliches Versagen bei der Unterbringung undVersorgung von Flüchtlingen.

Die Engagierten, darunter zahlreiche»ehemalige« Flüchtlinge, fanden einschwieriges Umfeld vor: unvorbereiteteoder un organisierte Kommunen, fehlen-de professionelle Ansprechpartner*in-nen, einen Mangel an elementaren Sach-und Lebensmitteln. So wurde von Frei-willigen getan, was offen kundig getanwerden musste: Versorgungsketten

und Lotsendienste wurden aufgebaut,Be ratungen und Begleitungen zu Be -hörden organisiert, private Deutschkur-se aus der Taufe gehoben und Alltags -unterstützung geleistet. Flüchtlingewurden an Bahnhöfen willkommen ge-heißen und mit Lebensmitteln wie Infor-mationen zu Aufenthalt und Weiterreiseversorgt. Manche Gruppen machtensich sogar auf, im Mittelmeer Seenot -rettung zu betreiben oder Flüchtlingeauf der Balkanroute mit Kleidung undEssen zu versorgen. Das Signal war klarund eindeutig: Wir schaffen das. Selbst-los, pragmatisch, zu packend.

Dieses Bekenntnis zur Flüchtlingshilfe istkein Szeneprojekt. Binnen Wochen ent-wickelte sich eine Vielzahl lokaler Netz-werke und Kooperationen, Projekte undAngebote für Flüchtlinge von Menschen

aus den unterschiedlichsten Bereichenund Professionen, von engagierten Einzelnen, kleinen und großen Vereinen,sogar aus mittelständischen Unterneh-men heraus bis hin zu Konzernen. DerSommer 2015 hat verdeutlicht, wie breitder gesellschaftliche Konsens für eineoffene und solidarische Flüchtlingspoli-tik in Deutschland sein kann.

Die praktische Arbeit vor Ort war oftnicht einfach, nicht selten wurden frei-willigen Helfer*innen Steine in den Weggelegt. Mancher Unterkunftsbetreiberverweigerte ihnen den Zugang, andern-orts wurden sie von den Verantwortli-chen instrumen talisiert, etwa um alsStreitschlichter*innen tätig zu werden,Wohnungen zu möblieren oder anderestaatliche Aufgaben zu erfüllen. Schließ-lich ging auch die große emotionale

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REFUGEES WELCOME DER SOMMER DER FLÜCHTLINGSHILFE IST NICHT VORBEI

Andrea Kothen

© Hanseatic Helpoben: Benjamin Patela

unten: Niklas Heimbokel

© Björn Kietzmann

© Björn Kietzmann

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Belastung der Geflüchteten – ihre Ge-schichten, ihr Gesundheitszustand undihre Sorgen – an den Helfer*innen nichtspurlos vorüber.

Viele Ehrenamtliche übernahmen er-hebliche Verantwortung – und forder-ten die staatlichen Instanzen auf, ihrenTeil zu leisten: Die Grundversorgung der Menschen ist staatliche Auf gabe. Ehrenamtliche sind weder Ersatz nochHilfskräfte der Behörden, sie handelnnicht im staatlichen Auftrag und nicht zwingend in der Sphäre des staatlichGewünschten. Sie leisten etwas Drittes,sehr Wertvolles: Sie sorgen dafür, dassFlücht linge Alltag ankommen, An-schluss finden und in unsere Gesell-schaft einbezogen werden.

Durch das Anwachsen der flüchtlings-feindlichen Stimmung infolge der Ober-grenzendebatte und der Aggressiondurch AfD, Pegida und andere schien die Flüchtlingsbewegung zeitweise dis-kreditiert: Die Medien berichteten zu-nehmend über überforderte Ehrenamt -liche, unglückliche Anwohner*innenund Alarm schlagende Bürgermeis -ter*innen. Wer jedoch darauf wartete,dass mit fortschreitender Zeit die Frei-willigenstrukturen zusammenbrechenwürden, sah sich getäuscht.

Die »Willkommenskultur« 2015 war keinStrohfeuer. Viele Engagierte sind dabeigeblieben und mittlerweile in längerfris-tigem Freizeit-Engagement gebunden.Nicht alles läuft gut, aber vieles. Das Angebot umfasst zahllose soziale Treff-punkte und Patenschaften, Stadtpläne

und Welcome-Guides, Sportangebote,Musik- und Theaterprojekte, Bildungs -angebote, die organisierte Einrichtungvon Internetzugängen, kostenfreie Inter-netdeutschkurse, freie Wörterbücherund Handy-Apps, Wohnraum- und Job-vermittlung und vieles mehr.

Die neuen Gesetze indes erschweren die Integration von Flüchtlingen eher als sie zu fördern. Die Stigmatisierungbestimmter Flüchtlingsgruppen und dieVerschärfung des Abschiebungsregimesempören viele Unterstützer*innen, diedie Lebensgeschichten der Flüchtlingekennen und sich die Grenzen ihres Engagements nicht von den Behördenvorschreiben lassen wollen. Viele Ehren-amtliche sind in Kirchengemeinden aktiv, die in Notfällen auch Kirchenasylgewähren. Früher oder später werdendie Freiwilligen über die Alltagshilfe hinaus mit dramatischen Dingen kon-frontiert werden: einem abgelehntenAsylantrag, krank machenden Zustän-den in der Massenunterkunft, einemverhinderten Familiennachzug. Das verlangt von den Laien hohe emotiona-le Kompetenz, unter Umständen dieAus einandersetzung mit kompliziertenRechtsfragen und nicht selten auchpraktischen und politischen Wider-spruchsgeist.

Auch wenn Flüchtlingsunterstützer*in-nen für Behörden und Politik oft unbe-quem sind: Sie treten den praktischenBeweis dafür an, dass nicht diejenigenRecht behalten, die behaupten, die Ge sellschaft sei mit der Aufnahme vonFlüchtlingen überfordert. Das breite zivilgesellschaftliche Engagement ist eine große Chance – für eine Demo-kratie, in der nicht Ressentiments undAusgrenzung dominieren, sondern ge lebte Solidarität und ein friedlichesMiteinander. ■

■Wer engagierte Flüchtlingsinitiativen in der Nähe sucht, findet unter www.proasyl.de/mitmachen

eine Deutschland karte mit freien Initiativen sowie weitereTipps, Material und Hinweise für das Engagement.

■ PRO ASYL hat Angebote für Flüchtlinge, die über das Internet zugänglich sind, zusammengestellt:

www.proasyl.de/angebote-fuer-fluechtlinge

rechts: © picture alliance / dpaunten: © Moabit hilft

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Mehr und mehr Engagierte verwenden den Be-griff »Ge flüchtete«. Denn das Wort »Flüchtling« istangeklagt. Der Vorwurf lautet: Das Wort habe einebedenkliche Wortstruktur, deren Endung -ling sichin vorwiegend negativ konnotierten Wörtern (Fies-ling, Schreiberling) wiederfinde. Allerdings lassensich auch für die Ausnahme von der vermeintlichenRegel leicht Beispiele finden (Liebling, Schmetter-ling). Auch wird – nicht wirklich zum ersten Argu-ment passend – moniert, die Endung hätte vernied-lichenden Charakter. Wer die Kritik an der Wortstruk-tur verstehen will, muss tiefer in die in dieSprachwissenschaft einsteigen.

Zugegeben: Das Gendern des »Flücht-lings« fällt schwer,denn eine explizit

weibliche Form des Begriffs gibt es nicht. Und »Ge-flüchtete*r« hat im Unterschied zum Flüchtling denVorzug, dass die Ableitung vom Partizip Perfekt ein potenzielles Ende der Flucht schon integriert.Niemand will auf Dauer ein Flüchtling sein.

Doch schauen wir in die sprachliche Praxis: Wirddenn das Wort Flüchtling vor allem in abwertenderWeise gebraucht, von Zuhörenden überwiegendnegativ verstanden? Wer sich umhört, stellt fest,dass dem nicht so ist, auch wenn das Wort seit derZuspitzung der öffentlichen Debatte vermehrt auchin negativen Zusammenhängen zu finden ist.

Schon in den 1990er Jah-ren haben die Engagiertenin der Flüchtlingsarbeit,Vereine wie PRO ASYL und

die Flüchtlings(!)räte den Flüchtlingsbegriff be-wusst dem eindeutig abwertenden »Asylanten«gegenübergestellt, um klar zu machen: Die dakommen nicht, weil sie es auf unser schönes Landabgesehen haben, sondern weil sie auf der Fluchtsind vor Horror und Leid – und auf der Suche nachSchutz. Der Begriff der »Schutzsuchenden« hat sichdementsprechend in Fachkreisen als Alternativeetabliert.

Der Begriff »Asylant« ist heute indiskutabel, der des Flüchtlings hat es dagegen in die Main-streammedien, in die Politik und in die Alltags-gespräche geschafft. Das ist ein Verdienst der alten Flüchtlingsinitiativen und ein Symbol dafür,dass diese Gesellschaft nicht in den 1990ern ste-cken geblieben ist – auch wenn rechte Populist*in-nen heute erneut erfolgreich ihr rhetorisches Giftverspritzen.

Die jedenfalls ärgert der Siegeszug des »Flücht-lings«. In rechten Kreisen wird generell lieber von»illegalen Einwanderern« gesprochen, oft werdennoch weit negativere Begriffe verwendet. Der»Flüchtling« ist offensichtlich einer, der es einemschwer macht, herabwürdigend über ihn zu reden.

Außerdem: »Flüchtlinge« erinnern an die Folgender NS-Diktatur und damit an unsere eigene kollek-tive Geschichte von Flucht und Vertreibung. Flücht-linge – das waren Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky,Willy Brandt, Else Lasker-Schüler oder Albert Ein-stein. Flüchtlinge waren vor allem unsere Eltern und Großeltern, die nach dem Krieg ihr Eigentumver loren, mit Karren zu Fuß nach Westen zogen undSchauerliches erlebten. Die Erinnerung daran ist in vielen Familien noch heute sehr lebendig. Undnicht wenige Engagierte erklären heute ihr Tunauch mit dem Satz: »Meine (Groß-)Eltern waren damals auch Flüchtlinge.« Die Gemeinsamkeitensolcher Erfahrungen mit denen der Kriegsflüchtlin-ge heute zu sehen, öffnet die Tür für Empathie.

Im juristischen Sinn ist ein Flüchtling einer, derRechte hat. Durch einen internationalen und euro-päischen Rechtsrahmen, dessen Entwicklung nachdem Zweiten Weltkrieg mit der Genfer Flüchtlings-konvention begann. Dieses Recht gesteht Flüchtlin-gen noch vor Feststellung des »Flüchtlingsstatus«den Anspruch auf eine individuelle Schutzprüfungzu. Inzwischen wird der Begriff der »anerkanntenFlüchtlinge« teilweise abgelöst durch die »Inter -national Schutzberechtigten«. Doch schon allein wegen des Hinweises auf die verbürgten Rechteder »Flüchtlinge« in der Genfer Konvention kann er– zumindest vorerst – nicht aufgegeben werden.

Wer »Flüchtling« sagt, transportiert auch denhistorischen und rechtlichen Bedeutungshori-zont. »Geflüchtete« zu sagen, ist hipper, der Begriff in Wortsinn und Wortstruktur wohl un-problematisch, aber auch noch ohne historischeBedeutung. Vielleicht steht er ja einmal für all dieMenschen, die sich ab Sommer 2015 in großer Vielzahl nach Europa aufmachten, woraufhin dieStaaten Europas den in sie gesetzten Hoffnungenflugs ein Ende machten. Sind die Geflüchteten derZukunft diejenigen, die vor den Toren Europas darum betteln müssen, bei uns Flüchtlinge werden zu dürfen? Hoffentlich nicht. Denn diese Menschensind – auch – Flüchtlinge. Worum es aktuell gehenmuss, bei aller Aufmerksamkeit für Sprache, ist der gemeinsame Kampf gegen den Ausverkauf der Flüchtlingsrechte. ■

Sagt man jetzt …RANDNOTIZAndrea Kothen

… Flüchtlinge

Geflüchtete

oder

?

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Skrupellos hat der Gesetz-geber den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtig-te für zwei Jahre ausgesetzt.Auch auf andere Weise bremstDeutschland den Familien-nachzug insbesondere für syrische Flüchtlinge aus – auf dem kalten Weg der Büro-kratie.

Kai Weber

Im Zuge des Asylpakets II wurde An-fang 2016 die Aussetzung des Famili-ennachzugs für subsidiär Schutzbe-

rechtigte für die Dauer von zwei Jahrenbeschlossen – bis zum 17. März 2018.Für sie wird die Familientrennung nachmonatelanger Flucht und nicht minderlang gezogenem Asylverfahren damitweiter erheblich hinausgeschoben. Be-troffen sind auch unbegleitete Minder-jährige. Sollten sie während der zweijäh-rigen Wartezeit volljährig werden, wirdein legaler Nachzug der Eltern – trotz eines von der SPD aufgeklebten Härte-fall-Pflasters – wohl ganz verhindert.

Erst hieß es beschwichtigend, der Anteilder betroffenen Flüchtlinge sei klein:2015 wurden nur 0,7 % der Asylantrag-steller*innen als subsidiär Schutzbe-rechtigte (§4 AsylG) eingestuft. Fast alleFlüchtlinge aus Syrien erhielten bis März2016 einen Flüchtlingsstatus gemäß §3 AsylG nach der GFK.

Im November war ein Vorstoß von Bun-desinnenminister de Maizière, der allenSyrien-Flüchtlingen nur noch subsidiä-ren Schutz zubilligen und auch diesendamit den Familiennachzug für zweiJahre verbieten wollte, am Widerstandder SPD noch gescheitert. Im März 2016hat das dem BMI unterstellte Asylbun-desamt (BAMF) nun aber seine Entschei-dungspraxis geändert: Flüchtlingen ausSyrien wird nach neuer Weisungslagenicht mehr regelmäßig ein GFK-Statuszuerkannt. Zu befürchten ist, dass im-mer mehr syrische Flüchtlinge nur nochals »subsidiär Schutzberechtigte« ein -gestuft und auf diese Weise vom Famili-ennachzug ausgeschlossen werden.

Allein die Nachricht über die bevorste-hende Gesetzesänderung bewirkte beiden potenziell Betroffenen eine Panik -reaktion: Zu Jahresbeginn stieg der An-

teil der Frauen und Kinder, die sich aufeinen abenteuerlichen Fluchtweg überdie Ägäis begeben, drastisch an – darun-ter auch solche, die einen gesetzlichenAnspruch auf einen legalen Zuzug ge-habt hätten. Wie viele von ihnen dabeiums Leben kamen, ist nicht bekannt.

Auch der legale Familiennach-zug wird ausgehebelt

Der Schutz der Familie hat im interna -tionalen – und eigentlich auch im deut-schen – Recht einen hohen Stellenwert.Im Unterschied zu subsidiär Geschütz-ten ist für anerkannte GFK-Flüchtlingeder Nachzug des Ehegatten und derminderjährigen Kinder unbestrittenesRecht. Die Praxis indes sieht anders aus.Flüchtlinge, die sich um einen legalenFamiliennachzug bemühen, werden auf die Wartebank geschoben, mit res-triktiven Auflagen konfrontiert, mit unerfüllbaren Anforderungen gequält,im Stich gelassen. Ein Blick auf die Zah-len verdeutlicht das Resultat: ZwischenAnfang 2011 und 2016 wurde knapp230.000 Personen aus Syrien in Deutsch-land Schutz gewährt. Dagegen wurdenim Zeitraum Anfang 2014 bis Oktober2015 nur 18.400 Visa für syrische Staats-

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FAMILIEN ZUSAMMEN-FÜHRUNG? DARAUF KÖNNEN SIE LANGE WARTEN.

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angehörige zum Familiennachzug zuSchutzberechtigten erteilt.

Die bürokratische Warteschleife

Anträge auf Familiennachzug müssenvon den nachzugswilligen Angehörigenbei den deutschen Auslandsvertretun-gen persönlich gestellt werden. Nur: In den Botschaften im Libanon, in Jorda-nien und der Türkei beträgt die Warte-zeit auf einen Vorsprachetermin derzeitrund 14 Monate, Tendenz steigend.

Im Irak befindliche Flüchtlinge, insbe-sondere vom IS bedrohte Minderheiten-angehörige, konnten bis April 2016 vorOrt gar keinen Antrag stellen. Obwohl es im kurdischen Teil Iraks anders als inSyrien ein funktionstüchtiges Konsulatgibt, wurden in Erbil nur Geschäftsvisabearbeitet, während Familienangehöri-ge an die Botschaft in der Türkei ver -wiesen wurden. Damit schickte man die Betroffenen auf eine teure und gefähr -liche Reise – und in die nächste Sack -gasse.

Tausende von Flüchtlingen wurden ander syrisch-türkischen Grenze gestopptund unter Bezugnahme auf die seit Anfang 2016 geltende Visumspflicht für Syrer*innen in der Türkei nicht ins Landgelassen. Erst auf massiven Druck vonPRO ASYL hat sich das Auswärtige Amtim April 2016 endlich bereit erklärt, ab Mai 2016 auch Anträge auf Familien-nachzug in Erbil zu bearbeiten.

In Jordanien sieht es kaum besser aus:Regelmäßig sind im Buchungsportal alleTermine ausgebucht. Selbst bei Härte -fällen wird die vorzeitige Terminvergabeverweigert. Und auch hier wird die Ein-reise von Syrer*innen inzwischen in etlichen Fällen verweigert. TausendeMenschen verharren in der Wüste vorder Grenze.

Selbst wenn ein Termin zustandekommt, ist eine Visumserteilung nochlange nicht garantiert: Obwohl alle Bundesländer längst eine Globalzustim-mung erteilt haben, verlangt die Bot-schaft in Amman in etlichen Fällen eineVorabstimmung der zuständigen Aus-länderbehörde. Zwar wird den Eltern eines in Deutschland lebenden aner-

kannten Kindes ein Visum erteilt, nichtaber den bei den Eltern lebenden Kin-dern der Familie. Auch wenn die Iden -tität zweifelsfrei nachgewiesen ist, wirddie Vorlage syrischer Reisepässe gefor-dert, deren Beschaffung teuer, zeitauf-wändig und nicht selten gefährlich ist.

Ein Familiennachzug wäre unbürokratisch möglich

Die Kritik von Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsorganisationen an derOrganisation des Familiennachzugsdauert inzwischen jahrelang an. Stetsverweist das Außenministerium darauf,dass eine Aufstockung des Personals vor Ort in der Krisenregion angestrebtwerde, aber aus Sicherheitsgründenschwierig sei. Noch im September 2015beteuerte die Bundesregierung:

»Die Bundesregierung unternimmt gemeinsam mit den Regierungen derLänder alles, was zu leisten und zu ver-antworten ist, um eine Einreise der Familienangehörigen so schnell und soeinfach wie möglich zu erreichen. …Bund und Länder sind sich ihrer Verant-wortung bewusst, alle erforderlichenMaßnahmen zu ergreifen, um das huma-nitäre und zugleich rechtsstaatliche Ge-bot der Familienzusammenführung zuer füllen.« (Antwort der Bundesregierungauf eine Bundestagsanfrage 18/5914vom 3.9.2015)

Das stellt die Tatsachen auf den Kopf. Offenkundig fehlt nicht die Möglichkeit,sondern der politische Wille dafür »dasrechtsstaatliche Gebot auf Familienzu-sammenführung« zu erfüllen.

Dabei wäre eine Visumserteilung zumFamiliennachzug unbürokratisch mög-lich, wenn man auf eine persönliche Antragstellung verzichtete: Die erforder-lichen Unterlagen könnten von Ange -hörigen in Deutschland zusammenge-stellt und über die Ausländerbehördenan die zuständige deutsche Auslands-vertretung oder direkt nach Berlin über-mittelt werden. Die Botschaft könnte aufder Grundlage der so erhobenen Datendas Visum zum Familiennachzug ertei-len und den Angehörigen einen Termindafür nennen. So wird es im Rahmen der (wenigen noch laufenden) Landes-aufnahmeprogramme für syrische An-gehörige praktiziert. Dieser Vorgangnimmt normalerweise nicht länger alsacht Wochen in Anspruch.

Der Schutz der Familie ist eine Verpflich-tung unserer Verfassung, die endlichernst genommen werden muss. Durchdie Fortsetzung einer Politik der Ver -zögerung und Reglementierung des Familiennachzugs werden Familien zer-rissen und Menschen in Gefahr ge-bracht, die in ausgebombten syrischenStädten oder in Elendsquartieren in der Türkei verzweifelt nach einer legalenChance suchen, mit ihrer Familie in Sicherheit zu leben. ■

26 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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27TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

FAMILIE R.: KEIN WEG ÜBER DIE TÜRKEI

■ Mohammed R. flieht allein nachDeutschland – seiner Frau Haifaa scheintdie Flucht mit den zwei kleinen Kindernzu gefährlich, sie bleiben in Qamishli im kurdischen Teil Syriens zurück. Im August 2015 wird Mohammed inDeutschland anerkannt. Haifaa erhält einen Termin bei der deutschen Botschaftin Ankara mit einer Wartezeit von »nur«acht Monaten – im April 2016. Aber die Türkei verweigert ihr die Einreise.

Also reist die Frau mit den Kindern in den Libanon, um bei der türkischen Bot -schaft in Beirut erst einmal ein Visum fürdie Türkei zu beantragen. Um das zu er-halten, muss sie einiges nachweisen: IhreZahlungsfähigkeit in Form einer Bank-bürgschaft, Flugtickets von Beirut nachAnkara und zurück, eine Wohnadresse in der Türkei, ein syrisches Führungs-zeugnis. Dabei will die Familie eigentlich nur einen Termin bei der deutschen Bot-schaft wahrnehmen. Ohne Chance aufEinreise kehrt Haifaa mit ihren Kindernunverrichteter Dinge zurück nach Syrien.

FAMILIE M.: KEIN WEG ÜBER JORDANIEN

■ Khir M. aus Syrien ist anerkannterFlüchtling aus Damaskus. Einen Monatnach seiner Flucht wird seine Tochter aufdem Schulweg im Beisein ihres Bruderserschossen. Seitdem ist der Familien -vater schwer trauma tisiert und wirdpsycho therapeutisch behandelt. Er hatgroße Angst um seine rest liche Familie,die immer noch in Syrien lebt und regel-mäßig vom Geheimdienst verhört wird.

Mit großem Glück gelingt es Khir M., fürseine Frau und seinen Sohn einen Terminbei der deutschen Botschaft in Jordanienfür den 16. März 2016 zu erhalten. Weilaber das jordanische Innen ministeriumkeine Einreiseerlaubnis erteilt und diedeutsche Botschaft keine Möglichkeit der Unterstützung sieht, verstreicht derBotschaftstermin. Das Auswärtige Amtbietet deshalb kurz fristig einen neuenTermin zur Vorsprache im April an – beider deutschen Botschaft in Ankara. Auch diesen Termin wird Khirs Frau wegen derVisumpflicht für die Türkei wohl nichtwahrnehmen können.

FAMILIE A.: BITTERES ENDE

■ Kazem A. will seiner schwangeren Frauund dem vierjährigen Sohn die Strapazeneiner Flucht nicht zu muten und sie späternachholen. Im Oktober 2015 wird derSchuhmacher aus dem völlig zerstörtenAleppo in Deutschland an erkannt. Erstellt einen Antrag auf Fami li ennachzugund bemüht sich für seine Frau um einen Termin bei der deutschen Botschaft inAnkara. Monate vergehen, doch er erhältnicht einmal eine Antwort.

Schließlich macht sich die Familie selbstauf den Weg: Kazems Ehefrau, sein Sohnund das inzwischen vier Monate alteBaby sowie Kazems Schwester mit ihrer Familie. Am 30. Januar 2016 ruft KazemsFrau ihn auf dem Handy an: Die Familiesteige jetzt ins Boot. Wenig später hört erihre Schreie, dann bricht der Kontakt ab:Kazems Frau und Kinder, seine Schwesterund deren drei Kinder ertrinken, zusam-men mit 37 weiteren Flüchtlingen, aufdem Weg von der Türkei nach Griechen-land.

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KEINE CHANCE AUF FAMILIENLEBEN?FÄLLE AUS DER PRAXISKarim Al Wasiti

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28 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

In Afghanistan lässt es sich leben –meint jedenfalls Bundesinnenminis-ter de Maizière und macht die Speer-

spitze der neuen Anti-Flüchtlingspolitik– mit dilettantischen Ausflügen in dieEntwicklungspolitik. Es sei schließlichviel Entwicklungshilfe aus Deutschlandnach Afghanistan geflossen, so de Mai -zière am 28.10.2015 bei einer Pressekon-ferenz: »Da kann man erwarten, dass die Afghanen in ihrem Land bleiben.«Diese Erwartung nennt man dann wohlFluchtursachenbekämpfung.

Die Idee, dass entwicklungspolitischeGelder in Afghanistan Flucht verhindernkönnten, krankt nicht nur an der ende-mischen Korruption im Lande selbst.Der Afghanistankrieg zeige, wie zuneh-mende Militarisierung und Privatisie-rung entwicklungspolitische Prinzipiensystematisch außer Kraft gesetzt hätten,schrieb der Afghanistanexperte ThomasRuttig in einer Bilanz nach 13 JahrenNATO-Einsatz »Militarisierte Entwick-lungshilfe«. Die Aufwendungen der Ge-berländer für Afghanistan würden in -zwischen auf eine Billion (1.000 Milliar-den) US-Dollar geschätzt, 90 Prozentdavon gingen in den Sicherheitssektor.

Entwicklungsziele wie die Überwindungder Armut oder die Verteidigung derMenschenrechte habe man dem Anti-Terror-Kampf weitgehend unter geord -net, so Ruttig.

Ein wirtschaftliches Desaster

Afghanistan nach inzwischen fast 15 Jahren Intervention: In einem derärmsten Länder der Welt sind 60 Prozentder Kinder mangelernährt, 7,4 MillionenMenschen leiden unter akuter Nah-rungsmittelknappheit. Die Zahl der Bin-nenvertriebenen beträgt nahezu eineMillion.

Bereits ab 2010 nahmen die Transfersaus den Geberländern ab. Seit 2014, parallel zum Abzug der ISAF Truppen,erlebt Afghanistan einen wirtschaftli-chen Einbruch. Mehrmals stand dasLand am Rande der Zahlungsunfähig-keit. Nur durch Sonderüberweisungenwestlicher Regierungen konnten wenigs-tens die Gehälter für die nationalen Sicherheitskräfte Afghanistans gezahltwerden, damit diese nicht ins Lager der Regierungsgegner überliefen.

Im Herbst 2015 entdeckt dieBundesregierung »sichere«Fleckchen in Afghanistan underklärt seither Abschiebungenwieder für denkbar. Hinter-grund: Steigende Flüchtlings-zahlen aus Afghanistan. Tat-sächlich ist die Lage für dieMenschen dort schlimmerdenn je.

Bernd Mesovic

© flickr / Step

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29TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Die Sicherheitssituation in Afghanistanhat sich gleichzeitig kontinuierlich ver-schlechtert. War schon 2014 nach einemUN-Bericht das schlimmste Jahr für Zivi-listen, seit es eine Opferstatistik der UNOgibt, so setzte sich diese Tendenz fort.Auch die afghanischen Sicherheitskräf-te, die gegen die Taliban vorgehen, zah-len einen hohen Preis mit vielen Totenund Verletzten.

Miserable Sicherheitssituation

Die Rückschläge bei der Sicherheits -situation führten dazu, dass die Bundes-regierung im Herbst 2015 das noch imLande verbliebene Bundeswehrkon -tingent aufstockte und das Mandat bisEnde 2016 verlängerte. Schlagzeilenhatte kurz zuvor die fast zweiwöchigeBesetzung der nordafghanischen Pro-vinzhauptstadt Kunduz gemacht, ehe-mals Standort eines großen deutschenFeldlagers. Diese erstmalige Besetzungeiner Provinzhauptstadt durch die Taliban war ein Symbol und ein Wende-punkt. Seitdem fliehen Menschen ausvielen Regionen Nordafghanistans. DasEinflussgebiet der Taliban ist heutzutageinsgesamt sogar größer als zu Beginnder NATO Intervention im Jahr 2001.Schlechter kann die Bilanz des als »Waron Terror« ausgerufenen Feldzuges wirklich nicht sein.

Der afghanische Flüchtlingsminister hatzur Sicherheitssituation im Lande eineEinschätzung geliefert, die sich in einemLagebericht des Auswärtigen Amteswiederfindet. Drei Provinzen in Afgha-nistan seien sicher: Kabul, Bamiyan,Panjshir. Das ist ein winziger Teil der Lan-desfläche, lediglich Kabul ist per Flug-zeug ohne weiteres erreichbar. Auch istdie Vorstellung abwegig, man könneetwa sunnitische Flüchtlinge aus Nord-afghanistan einfach in eine von Schiitenbewohnte Gebirgsregion schicken. DasAuswärtige Amt stellt fest, dass eine innerafghanische Aufnahme von Flücht-lingen ohnehin eigentlich nur in größe-ren Städten realistisch sei. Die aber platzen aus allen Nähten, insbesonderedie Hauptstadt, wo die informellen Siedlungen (Slums) größer sind als dieKernstadt.

Politische Propaganda

Allen Fakten zum Trotz diskreditiert deMaizière die Fluchtgründe afghanischerAsylsuchender bei jeder Gelegenheit:Die Sicherheitslage in Afghanistan er - laube zumindest in einigen Regioneneine Rückkehr ausreisepflichtiger afgha-nischer Staatsangehöriger und auch Ab schiebungen seien dorthin möglich.Dem hat sich auch die Innenministerkon -ferenz im Dezember 2015 angeschlos-sen, nachdem Abschiebungen nach Afghanistan über viele Jahre hinwegsehr zurückhaltend vollzogen wordensind und sich auf Straftäter beschränkten.

Die Ankündigung von Abschiebungendient zunächst einmal der Verunsiche-rung afghanischer Flüchtlinge: solcher,die bereits im Lande sind und solcher,die sich mit dem Gedanken tragen, ausAfghanistan zu fliehen. Die deutscheBotschaft wurde mit Gegenpropagandabeauftragt. Beunruhigt versuchten imSpätherbst in Deutschland ankommen-de Flüchtlinge insbesondere in die skandinavischen Länder weiterzuflie-hen. Auch die in Deutschland lebenden Afghaninnen und Afghanen nehmenwahr, dass sie trotz bislang sehr hoherSchutzquote nicht mehr als Flüchtlingemit guten Gründen gelten. Indem sievon Sprach- und Integrationskursenwährend des Asylverfahrens mit der Begründung ausgeschlossen bleiben,sie hätten »keine Bleibeperspektive«,führt man ihnen vor Augen, dass sie mit einem weiter verschärften Kurs rechnenmüssen. Absurd: Bayerns ranghöchsterPopulist Seehofer brachte Afghanistangar als »sicheres Herkunftsland« ins Gespräch.

Geheimer EU-Plan

Im März 2016 wurde ein geheimer EU-Plan bekannt. Danach wird die Ab-schiebung von 80.000 Afghaninnen undAfghanen »in naher Zukunft« ins Augegefasst. Man befürchtet weitere Flucht-bewegungen und nennt sogar die Gründe: Die sich verschlechternde Lagedurch zunehmende Gewalt im Lande,der Druck auf afghanische Flüchtlinge in den Erstaufnahmestaaten Iran undPakistan. Das aber soll nicht zu Aufnah-me und Schutz führen.

Stattdessen will man »eine Verstärkungder Interventionen, um Zufluchtsmög-lichkeiten in der Region zu erhalten.«Nach den jüngsten Erfahrungen mitdem Türkei-Deal kann man vermuten,dass hier versucht werden soll, mit demIran und Pakistan ähnliche Abmachun-gen zu tref fen: Fluchtverhinderung undmaterielle Gegenleistungen von EU-Sei-te, eventuell die beschränkte Aufnahmeeiniger Flüchtlingskontingente. Afgha-nistan selbst will man vor dem Hinter-grund, dass das Land in hohem Maßevon Entwicklungshilfe und sonstigen internationalen Gebern abhängig ist, indie Pflicht nehmen: Man will ein Rück-übernahmeabkommen schließen underwartet Kooperation bei der AufnahmeAbgeschobener.

Strategie der Verunsicherung

Zwar gibt es noch keine Massenabschie-bungen. Aber immer mal wieder werdenAbschiebungen demonstrativ vorberei-tet, auch von Menschen, die viele Jahreunbehelligt im Deutschland gelebt haben. Am 5. Februar 2016 schrieb derBundesinnenminister einen Brief an dieInnenministerkonferenz. Nach Gesprä-chen mit der afghanischen Regierungsei es jetzt an der Zeit, rasch zu prakti-schen Schritten zu kommen: »Daher bitte ich Sie um Ihre Unterstützung, da-mit noch in diesem Monat mindestensein Flug nach Afghanistan mit zurück-kehrenden afghanischen Staatsange -hörigen durchgeführt werden kann.« Im Klartext: Verunsicherungsstrategiegepaart mit demonstrativem Abschie-bungscharter und Druck auf die Länder,dabei mitzumachen.

»Resolute Support« heißt die NATO Folgemission in Afghanistan, mit der13.000 inzwischen überwiegend nurnoch beratend tätige Militärs angeblichschaffen sollen, was 130.000 Soldatenmit Kampfauftrag 14 Jahre lang nichtgeschafft haben: Sicherheit in Afghanis-tan herzustellen. Man wird alles daransetzen müssen, das deutsche und euro-päische Begleitprogramm der »ResoluteDeportation« ins unsichere Afghanistanzu verhindern. ■

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Jeden dritten Tag wird inDeutschland eine Flüchtlings-unterkunft angezündet. Auchdie persönlichen Attacken auf Flüchtlinge nehmen weiterzu – doch der öffentliche Auf-schrei bleibt aus.

Max Klöckner

Am 4. April 2015 brannte in Trög -litz (Sachsen-Anhalt) der Dach-stuhl einer geplanten Flücht-

lingsunterkunft. Zuvor hatte es mehrereDemonstrationen gegen die Unterbrin-gung von Geflüchteten im Ort gegeben.Die Öffentlichkeit war schockiert, bun-desweit wurde über den Vorfall berich-tet. Der kurz vor dem Brand aufgrundder Proteste zurückgetretene Bürger-meister befürchtete, Tröglitz würdekünftig in einem Atemzug mit Möllnund Hoyerswerda genannt. Er sollte sich irren – es blieb ein kurzer Aufschrei.Sogar die Tatsache, dass das Ge bäudeauch ein Jahr später nicht fertig saniertwar und ein sechs Monate nach demBrand festgenommener tatverdächtigerNPD-Sympathisant wieder freigelassenwurde, wurde von Medien kaum mehrkommentiert.

Freitaler Parolen: Zuerst belächelt, jetzt gesell-schaftlich akzeptiert

Im sächsischen Freital kam es Ende Juni 2015 zu einer Reihe von Demons-trationen gegen die Flüchtlingsunter-kunft. Begleitet von großen Gegende-monstrationen und Willkommensfestenamüsierte sich die Öffentlichkeit überdie »besorgten Bürger« und ihre rechts-extremen Parolen.

Ein paar Monate später hat sich die Aggression zum Normalzustand ent -wickelt: Flüchtlinge in Freital werden, öffentlich weitgehend unbeachtet, immer wieder zum Ziel von Attacken.Forderungen wie »kriminelle Ausländerraus« oder »Wer Deutschland nicht liebt, muss Deutschland verlassen« sindlängst auch anderswo zur Gewohnheitgeworden.

30 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

MENSCHEN IN LEBENSGEFAHRRECHTE HETZE UND GEWALT GEGEN FLÜCHTLINGE GEWINNEN IN

DEUTSCHLAND WIEDER AN BODEN.

© picture alliance / dpa

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Die Kanzlerin zeigt sich – und erntet Zorn

Ende August 2015 gerieten die Aus-schreitungen in Heidenau in die bundes-weiten Schlagzeilen. Mehrere Nächtelang wurde die neu bezogene Unter-kunft belagert, dabei kam es zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen.Nun bezog sogar die Bundeskanzlerinöffentlich Stellung und besuchte erst-mals eine Flüchtlingsunterkunft. Vor Ortwurde sie von rechten Demonstrantenübel beschimpft.

Ein, zwei, viele Tröglitze: Es brennt bundesweit

PRO ASYL und die Amadeu Antonio Stiftung führen eine Statistik zu rechterGewalt. Dort sind für 2015 insgesamt1.072 Straftaten an Flüchtlingsunter-künften detailliert protokolliert, davon136 Brandanschläge. Auch das Bundes-kriminalamt spricht von über 1.000Übergriffen. Man kann von Glück sagen,dass in den letzten Monaten – StandFrühjahr 2016 – niemand in einem bren-nenden Asylheim zu Tode gekommenist. Auch persönliche Angriffe nehmenin ganz Deutschland zu: Die Chronikzählte 2015 insgesamt 183 tätlicheÜbergriffe, bei denen 267 Flüchtlingeverletzt wurden.

Die Attacken gegen Flüchtlinge gesche-hen dabei keineswegs nur verstecktoder verschämt. Denn auch die Zahl derfremdenfeindlichen Demonstrationenwächst: 288 im Jahr 2015, ab 2016schoss die Zahl noch einmal in die Höhe.Offenbar können sich die rechten Stim-mungsmacher mit ihren menschen-feindlichen Parolen zunehmend akzep-tiert fühlen.

Die Öffentlichkeit stumpft ab

Nachdem die Vorfälle in der zweitenJahreshälfte 2015 massiv zugenommenhatten, geriet das Thema »Gewalt gegenFlüchtlinge« allerdings nur noch bei besonders auffälligen Attacken in dieüberregionalen Schlagzeilen, beispiels-weise bei den Schüssen auf eine Unter-kunft im hessischen Hofheim oder denVorfällen in Clausnitz im Februar 2016:Dort konnte man per Videoaufnahme

miterleben, wie ein grölender Mob einen Bus mit Flüchtlingen blockiert.Kurz darauf brannte in Bautzen eineFlüchtlingsunterkunft – und schaulusti-ge Bürger klatschen johlend Beifall. Erinnerungen an Rostock-Lichtenhagenwurden wach.

Die alltägliche Gewalt gegen Flüchtlin-ge bleibt jedoch eine Randnotiz. Nur in einem Bruchteil der Fälle regt sich –oft durch die sozialen Medien verbreitet– breite Empörung. Die Öffentlichkeitscheint sich daran gewöhnt zu haben,dass in Deutschland Flüchtlingsunter-künfte angezündet und Flüchtlinge undMigranten attackiert werden. Der drin-gend notwendige Aufschrei bleibt zu-meist aus. Das ist besonders gefährlich,weil die Aufklärungsquote von solchenTaten erschreckend gering ist.

Nachlässige Strafverfolgung

Nur in einem Bruchteil der Fälle konntenTatverdächtige ermittelt werden, wieunter anderem eine Recherche der ZEITvom 3.12.2015 ergab. Die Aufklärungs-quote liegt deutlich unter der beispiels-weise bei Brandanschlägen üblichen. Erschreckend gering ist auch die Anzahlder tatsächlich ergangenen Urteile.

Die zunehmende Sicherheit der rechtenSzene hängt wesentlich mit der nach -lässigen Strafverfolgung von rassistischmotivierten Straftaten zusammen. Ge-schichte wiederholt sich: Schon nachden Pogromen in den 90er-Jahren konn-te sich die rechte Szene vor Strafverfol-gung weitgehend sicher fühlen.

Staatliche Akteure erkennenrechten Terror nicht

Die wenigen Ermittlungserfolge nachAngriffen auf Asylunterkünfte werdenbisweilen damit begründet, dass vieleTäter*innen nicht zur rechten Szene zuzählen seien – häufig erweist sich dieseAussage bei näherem Hinschauen aberals falsch. Hinzu kommt: Auch unorgani-sierte Täter*innen bewegen sich in einem sozialen Umfeld, mit dem sie sichaustauschen, das sie in rassistischen Einstellungen bestätigt oder gar zur Tat ermutigt. Oft geschieht dies sogarsehr offen in sozialen Netzwerken – die

Ermittlungsbehörden stellen mitunteraber keine entsprechenden Nachfor-schungen an.

Auch eine Einordnung der unzähligenfremdenfeindlichen Straftaten in mög -liche rechtsterroristische Strukturen erfolgt überhaupt nicht. Das erinnert fatal an das jahrelange Versagen der Ermittlungsbehörden, die vom NSU ver-übten Taten in einen solchen Zusam-menhang zu bringen. Allein die Erkennt-nis, dass hunderte Haftbefehle gegenNeonazis nicht vollstreckt werden undmöglicherweise manche von ihnen imUntergrund agieren, sollte Anlass genugfür flächendeckende Untersuchungensein.

Keinen weiteren Rückfall in diedunklen Tage zulassen!

Neben bundesweiter Zusammenarbeitder Ermittlungsbehörden, konsequen-ter Strafverfolgung der Täter und wirk -samem Schutz von Flüchtlingen und ihren Unterkünften braucht es auch einekritische Öffentlichkeit, die fremden-feindliche Straftaten nicht als alltäglichhinnimmt, sondern fortwährend darü-ber berichtet und Versäumnisse bei denErmittlungen anprangert. Politik und Zivilgesellschaft dürfen nicht zulassen,dass wir einen Rückfall in die dunklenTage zu Beginn der 1990er-Jahre er -leben!

Dafür ist es dringend notwendig, dassrechte Hetze und Gewalt konsequentbekämpft wird. Was es trotz aller situati-ven Empörung aber bislang nicht gibt,ist eine zielgerichtete, breite gesell-schaftliche und politische Debatte, wieman der zunehmenden Erosion des An-stands und der Ausbreitung rechter Ge-walt auch langfristig begegnet. Die Inte-gration rassistischer und fremdenfeindli-cher Positionen in die Gesellschaft durchihre achselzuckende oder gar ausge-sprochene Akzeptanz ist ebenso gefähr-lich wie Verschärfungen des Asylrechtsin der trügerischen Hoffnung, den rech-ten Mob damit zu befrieden. ■

31TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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Mitte 2015 hatte die Große Koali-tion in Berlin ihre asylpolitischeAgenda aus dem Koalitions -

vertrag weitgehend abgearbeitet. Dochdann setzte eine Welle von Asylrechts-verschärfungen ein, in der die Bundes -regierung immer blindwütiger in dieRechte von Schutzsuchenden eingriff.Am 24. September 2015 kam es zu derEinigung auf dem Bund-Länder Flücht-lingsgipfel über das Asylpaket I. Nachnur einem Monat war das umfassendeGesetzespaket bereits verabschiedet –inklusive Zustimmung durch den Bun-desrat. Allein das Verfahren vor der Län-derkammer beträgt normalerweise mindestens sechs Wochen. Der Druckzum schnellen Handeln wurde aufgrundder seit dem Spätsommer bekannt ge-wordenen Prognosen von einer MillionFlüchtlingen für das Jahr 2015 erzeugt.Für die Länder standen die fiskalischenInteressen im Vordergrund: Sie drangenauf die überfällige Beteiligung des Bun-des an den Kosten für die Flüchtlings -aufnahme. Der Bund sicherte zu, ab2016 für jeden Flüchtling eine Pauschalevon 670 Euro pro Monat zu überneh-men. Die sinnvolle finanzielle Entlastungwurde flankiert durch einen Katalog anVerschärfungen.

Unter dem Deckmantel der angeblichenVerfahrensbeschleunigung wurdenmassive Eingriffe in die Rechte von Asyl-suchenden beschlossen. Besonders hart sind Asylsuchende aus den so ge-nannten sicheren Herkunftsländern be-troffen. Dabei setzt der Gesetzgeber aufeine umfassende soziale Ausgrenzung, die die Betroffenen zum Verlassen des Landes bewegen soll.

Lagerunterbringung bis zur Abschiebung

Eine der Maßnahmen stellt die dauer-hafte Lagerunterbringung dar. Währendfür alle Asylsuchenden die Unterbrin-gung in Erstaufnahmeeinrichtungenvon maximal drei Monaten auf sechsMonate erhöht wurde – müssen Flücht-linge aus »sicheren Herkunftsstaaten«auch noch nach ihrer Ablehnung bis zurfaktischen Ausreise oder Abschiebungin diesen Einrichtungen leben. Sie sollenkein Recht haben, jemals aus den Sam-mellagern ausziehen zu dürfen. Dies ist inhuman. Denn viele werden – trotzihrer Ablehnung im Asylverfahren – inDeutschland bleiben. Wenn etwa Per -sonen schwer erkrankt sind, dürfen sienicht abgeschoben werden. Auch ausanderen humanitären Gründen kann es zu einer längerfristigen Duldung desAufenthalts kommen. Ihre Lebensum-stände sollen jedoch möglichst provi - sorisch bleiben. Dies stellt eine Form psychischer Zermürbungstaktik dar, diean den Menschen nicht spurlos vorüber-gehen wird.

Eine Verfahrensbeschleunigung wirddurch diese Rechtsänderungen aller-dings nicht erreicht. Selbst die Einfüh-rung neuer »sicherer Herkunftsstaaten«bringt laut Bundesregierung nur einenZeitgewinn von 10 Minuten pro Fall. Für eine tatsächliche Beschleunigungvon Asylverfahren wären eine sehr viel frühere Aufstockung von Personalund neue Strukturen im BAMF nötig ge wesen. Über Jahre hatte die Bundes -regierung die Forderung des BAMF nachmehr Stellen ignoriert und erst viel zu

spät eine Erhöhung der Mittel für dieoberste Asylbehörde beschlossen. Dasses im Jahr 2015 zu einem Rückstau vonHunderttausenden offenen Asylver -fahren kam, ist also in erster Linie das Ergebnis einer schlechten Ressourcen-Planung.

Die lange Bearbeitungszeit der Asyl -verfahren ist besonders schlimm für dieFlüchtlinge selbst. Sie warten Monateoder Jahre, bis sie endlich Gewissheitüber ihre Zukunft haben und sich einneues Leben in Deutschland aufbauenkönnen.

Politik der fortgesetzten Desintegration

Für die Dauer des Verbleibs in Erstauf-nahmeeinrichtungen wird die Residenz-pflicht auf bis zu sechs Monate erhöht.Noch ein Jahr zuvor hatte man sich aufeine maximale Dauer der Residenzpflichtvon drei Monaten geeinigt. Diese Ver-besserung, die ab 1. Januar 2015 in Kraftwar, war Teil des so genannten Kretsch-mann-Deals, mit dem die ZustimmungBaden-Württembergs und anderer grünmitregierter Länder im Bundesrat zur»Sicheren-Herkunftsländer-Regelung«2014 erstmals erkauft worden war.

Ganze zehn Monate hatte die liberali-sierte Residenzpflicht-Regelung Bestand– ganz im Unterschied zur Liste der sicheren Herkunftsländer, die sich, seitdie Politik sie als Steuerungsinstrumententdeckt hat, aus Sicht vieler Politiker offenbar beliebig verlängern lässt: Nachden Balkanstaaten sollen Marokko, Tunesien und Algerien hinzukommen –

32 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

ASYLRECHTS VERSCHÄRFUN GENSOZIALE ENTRECHT UNG DER UNERWÜNSCHTEN

Immer mehr Asylsuchenden wird vorab und pauschal unterstellt, sie hätten keine legitimen Asylgründe. Sie werden nicht nur im Asylverfahren abgelehnt, sondern immer stärker durch Sonderrecht diskriminiert und von sozialer Teilhabe ausgeschlossen.

Marei Pelzer

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obwohl Todesstrafe, Menschenrechts-verletzungen, Verfolgung von Homo -sexuellen und anderes in diesen Länderndurchaus Grund genug zur Flucht bie-ten. Doch im Bestreben, die Flüchtlings-zahl zu drücken, sinkt die Schamgrenze.Weitere Absurditäten sind nicht ausge-schlossen, brachte doch Sigmar Gabrielschon die Türkei als »sicheres Herkunfts-land« in die Debatte und die CSU gleicheine ganze Reihe weiterer, alles andereals friedvoller, demokratischer Staaten.Mit der Frage von Verfolgungsfreiheithat die Liste wenig zu tun, dafür umsomehr mit kalter Abschreckungslogik.

Wiederkehr der Sachleistungen?

Während der Unterbringung in der Erst-aufnahmeeinrichtung können nun zu100 Prozent Sachleistungen gewährtwerden. Das heißt, dass auch der Betrag,der bislang zur Deckung persönlicherBedürfnisse vorgesehen war, nicht mehrin bar ausgezahlt wird. Auf diesen büro-kratischen Irrsinn hatte vor allem Bayern

gedrungen. Einzelne Busfahrkarten oderTelefonkarten auszuhändigen, vergrö-ßert den Aufwand für die Behördenmit-arbeiter vor Ort. Während die bayerischeLandesregierung diese Schikane nutzenwill, um abschreckende Signale zu set-zen, haben andere Landesregierungen –wie Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bre-men und Schleswig-Holstein – dies be-reits als zu bürokratisch abgelehnt. Wiein früheren Jahren droht ein bundeswei-ter Flickenteppich im sozialrechtlichenUmgang mit Asylsuchenden.

Hinzukommt: Während der Zeit in derErstaufnahmeeinrichtung gilt ein abso-lutes Arbeitsverbot. Da die Menschenaus den so genannten »sicheren Her-kunftsstaaten« auch nach Ablauf vonsechs Monaten nicht aus der Erstauf -nahme herauskommen, dürfen sie folg-lich dauerhaft nicht arbeiten – selbstdann nicht, wenn sie als Geduldete in Deutschland bleiben werden. Dieszwingt die Betroffenen, dauerhaft in Abhängigkeit und Armut zu leben.

Das Sozialrecht darf nicht zurAbschreckung dienen

Die Große Koalition verfolgt eine Politikder gezielten Desintegration. Ausgren-zung und Verelendung sind Teil einerAbschreckungspolitik, damit die Betrof-fenen das Land verlassen. Dies ist zy-nisch. Das Bundesverfassungsgerichthatte in seinem Grundsatzurteil zumAsylbLG 2012 klargestellt, dass das Sozi-alrecht nicht zur Abschreckung miss-braucht werden darf. Ein Verfassungs-richter fragte während der mündlichenVerhandlung die Bundesregierung em-pört, was diese sich denken würde: »Einbisschen hungern und dann gehen diewieder?«.

Die Menschenwürde gilt nach demGrundgesetz für alle Menschen – und sieist nicht relativierbar! ■

33TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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Der Trend geht zum »sicheren Herkunftsland«. Nicht, weil die Welt besser geworden ist, sondern weil die Politik dieses Steuerungs -

instrument entdeckt hat, um möglichst viele Asylsuchende umgehendaußer Landes zu kriegen. In Schnellverfahren werden die Betroffenen

abgelehnt, eine ernsthafte Beschäftigung mit ihren Fluchtgründen ist nicht vorgesehen. Viele Jahre lang standen nur Ghana und Senegal

auf der Liste der »sicheren Herkunftsländer«. 2014 kamen Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien hinzu, im Oktober 2015 Kosovo,

Montenegro und Albanien.

Algerien

Marokko

MellilaCeutaTunesien

Si

Deutschland

Schweiz

Frankreich

Spanien

Portugal

Sl

Belgien

Öst

34 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

ALGERIENUnter dem Eindruck des Arabischen Frühlings hatte Präsident Abdelaziz Bouteflika2011 demokratische Reformen angekündigt. Dennoch werden in Algerien Men-schenrechte verletzt: Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit werden beschnitten,

ebenso die Meinungs- und Pressefreiheit. Die Behörden lösen Demonstrationen gewaltsam auf undschikanieren Menschenrechtler. Das politische System ist durchdrungen von Korruption. Täter, die

in den blutigen Zeiten des Terrors in den 1990er Jahren Tausende Menschen gefoltert und ermordet haben, wurdennicht strafrechtlich verfolgt. Frauen werden vor dem Gesetzund im täglichen Leben diskriminiert und trotz angekündig-ter Reformen weiterhin nur unzureichend gegen Gewalt geschützt.

TUNESIENTunesien galt als letzte Hoffnung des Arabischen Früh-lings, allerdings bewirkt der Terrorismus immer wiederRückschläge. 2015 erschütterten mehrere Anschläge dasLand, wonach die Regierung für einige Monate den Not-stand ausrief. Die Regierung hat Anti-Terrormaßnahmendurchgesetzt, im Zuge derer es zu extralegalen Tötungenin Haft sowie zu Folterfällen kam. Rechtsstaat liche Organehaben bislang darin versagt, diese und tausende weitererFolterfälle aus Zeiten des Regimes Ben Ali strafrechtlichzu verfolgen. In Tunesien wird überdies eine Bestrafungvon homosexuellen Handlungen praktiziert, die flücht-lingsrechtlich nicht anders als Verfolgung ein zustufen ist. Die Todesstrafe wird verhängt, wenngleich sie nichtvollstreckt wird.

VON WEGEN »SICHER«:MAROKKOMarokko ist keine Demokratie, son-dern eine konstitutionelle Monar-chie, in der König Mohammed VI.weitreichende Kompetenzen inne-hat. Kritische Äußerungen über dasKönigshaus, den Islam oder denAnspruch Marokkos auf die West -sahara werden kriminalisiert. Bür-gerrechte wie die Meinungs- undVersammlungsfreiheit werden ent-sprechend eingeschränkt, kritischeJournalisten und Regierungskriti-ker verfolgt. Amnesty Internationalberichtet von erzwungenen Ge-ständnissen und Folter in Haftan-stalten, die UN-Arbeitsgruppe zuInhaftierungen hat die systemati-sche Anwendung von Folter in Haftfestgestellt. Die Bundesregierungignoriert dies und stellt in der Ge-setzesbegründung fest, in Marokkogebe es keine systematische Folter.

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Im Frühjahr 2016 sollen nun Marokko, Algerien und Tunesien auf die Liste. Die Bundesrepublik verweigert sich mit der ungehemmten Definition angeblich sicherer Staaten nicht nur ihrer Verantwortung für die einzelnen Schutzbedürftigen. Sie fällt, indem sie den Staaten in Sachen Menschenrechte groß zügig Persilscheine ausstellt, auch allen dortigen Aktiven für politische Freiheit und Menschenrechte in den Rücken.

Türkei

Italien

Serbien

Mazedonien

Montenegro Kosovo

Albanien

Kroatien

Bosnien-

Herzegowina

Ungarn

Moldawien

Malta

izilien

Ukraine

Bulgarien

Rumänien

Tschechien

Slowakei

lowenien

Griechenland

terreich

35TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

ALBANIENSowohl das Auswärtige Amt wie auchder Menschenrechtskommissar des Europarates warnen vor einem hohenMaß an Korruption, Nepotismus, orga-nisiertem Verbrechen und einer Kultur der Straf losigkeitin Albanien. Aktivist*innen und Oppositionelle werden in-haftiert, friedliche Massenproteste gegen die Regierungmit Polizei gewalt auseinandergetrieben. Journalist*innenwerden unter Druck gesetzt: 2015 suchten einige von ihnen Asyl in der EU und in Norwegen, weil ihnen derSchutz der Behörden versagt blieb. Auch Minderheitenwerden systematisch diskriminiert: So konnten 2015 viele Roma und Ägypter ihre Behausung nicht legalisie-ren, worauf ihre Häuser als »illegal« ab gerissen wurden.Häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen istallgegen wärtig, rechtlich wird sie nur un zureichend ver-folgt. In manchen Regionen Albaniens ist der Staat fak-tisch nicht präsent, was Kriminalität wie auch die wieder-auflebende Blut-rache begünstigt.

KOSOVOIm Kosovo-Krieg 1999 verfolgt, leiden die Minderheitenangehöri-gen der Roma, Ashkali und Ägypterbis heute an existenzieller Ausgren-zung. Sozial entrechtet, wirtschaft-lich isoliert und ohne Zugang zuBildung oder Gesundheitssystemwerden diese Minderheiten syste-matisch ausgegrenzt. Zeitgleichwerden Diskriminierung und Hass-verbrechen gegen sie polizeilichkaum verfolgt.

MONTENEGROMontenegro wird seit einem Vierteljahrhundert vonMachthaber Milo Djukanovic geführt. Internationale Organisationen kritisieren die mangelnde Unabhängig-keit des Justizsystems, den Machtmissbrauch der Poli-zei, die selbst im Balkanvergleich erhebliche Korruption, den Einfluss des organisierten Verbrechens auf denStaats apparat und die weitgehende Straflosigkeit beischweren Verbrechen. Einschüchterungsversuche gegenJournalisten sind gang und gäbe. Soweit sie Opfer vonAnschlägen wurden, sind viele ihrer Fälle bis heute nichtaufgeklärt. Opposition und demokratische Partizipationwerden beschränkt: Erst im vergangenen Herbst ließ dieRegierung Massenproteste gegen Korruption, Armutund Rechtslosigkeit durch einen brutalen Polizeieinsatzniederschlagen.

DIE NEUEN »SICHEREN HERKUNFTSSTAATEN«

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Ende 2015 wurde in Deutschlandwochenlang heftig über die Er -richtung von sogenannten Tran-

sit zonen an den Landgrenzen disku-tiert. Die CSU trieb mit dieser Idee, dieschlussendlich auf eine AbriegelungDeutschlands durch Zäune und eine polizeiliche Dauerüberwachung hinaus-gelaufen wäre, die anderen Parteien vor sich her. Die SPD verhandelte nurkläglich und erzielte am Ende eine Eini-gung, die durch das im Februar in Kraftgetretene Asylpaket II die Schaffung so genannter »besonderer Aufnahme-zentren« im Asylgesetz bewirkt hat.

Diese »besonderen Aufnahmezentren«sind ein Paradebeispiel für die aktuelleTendenz im Flüchtlingsrecht, auf allengesetzlichen Ebenen eine Unterschei-dung zwischen Flüchtlingen mit einerangeblich »guten« und jenen mit einerangeblich »schlechten« Bleibeperspek -tive zu erreichen. Dadurch wird recht-lich verfestigt, was im Zuge politischer Hysterie Handlungsfähigkeit demons-trieren soll. Es ist allerdings keineswegsso klar, wer künftig tatsächlich in denSonderzentren landet.

Viele könnten betroffen sein

In den Aufnahmezentren sollen die Anträge von Asylbewerber*innen aus»sicheren Herkunftsstaaten« geprüftwerden – aber nicht nur: Auch Folgean-tragsteller*innen können laut Gesetz in die Lager eingewiesen werden sowiePersonen, die ihre Identitätsdokumentevernichtet haben oder denen dies vonden Behörden unterstellt wird. Dadurchwird insgesamt ein sehr großer Anteilder Flüchtlinge von der Regelung er-fasst: Es ist gerade typisch für die Flucht,dass Schutzsuchende keine Dokumentebei sich haben, diese an Schlepper ab-geben oder verkaufen müssen, manch-mal sogar in hektischen Situationen unverschuldet verlieren. Schon heuteignorieren viele Ausländerbehörden diese Umstände und unterstellen denSchutzsuchenden, vorsätzlich keine Papiere vorzulegen. Behördliche Willkürist dadurch per Gesetz vorprogrammiert– und potenziell jede*r (missliebige)Asylsuchende in Gefahr, im Sonder lagerzu landen. Die weite Gesetzesformu -lierung ist geeignet, die Zentren auchdann zu füllen, wenn nur wenige Balkan- oder Nordafrika-Flüchtlingekommen.

Faires Verfahren?

Das problematische Flughafenverfah-ren, dessen Praxis schon seit Jahren vonFlüchtlingsorganisationen kritisiert wird,soll auf die neuen Aufnahmezentren angewendet werden. Dort findet dannein Asylverfahren innerhalb von einerWoche statt, mit einem ebenfalls ver-kürzten Rechtsmittelverfahren inner-

halb von drei Wochen. Das bisherigeFlughafenverfahren zeigt, dass mit ver-kürzten Fristen kein faires Asylverfahrenmöglich ist. Immer wieder werden dortFehlentscheidungen produziert. Weraufgrund seiner Herkunft aus einem sogenannten »sicheren Herkunftsstaat«schon von vornherein als nicht schutz -bedürftig betrachtet wird, hat es unterdiesen Bedingungen besonders schwer,ein faires Verfahren zu erhalten.

Die Aufnahmezentren setzen die öffentlich geführte Unterscheidung von Flüchtlingen mit »guter« und jenen mit »schlechter« Bleibeperspektive um. Dem Asylrecht ist diese Einteilung je-doch fremd. Ob jemand Verfolgungs-gründe vorbringen kann und anschlie-ßend eine Anerkennung als Flüchtlingerhält, ist gerade Gegenstand des indivi-duellen und rechtsstaatlich durchzu -führenden Asylverfahrens. Da der Aus-gang somit offen ist, ist eine Zuteilungvon Flüchtlingsgruppen in verschiedeneVerfahren – vor der eigentlichen An -hörung und Entscheidung – ein Wider-spruch zur Logik des Asylrechts.

In den beschönigend »Aufnahmezen-tren« genannten Unterkünften werdendie Flüchtlinge regelrecht einkaserniert.Denn für sie gilt eine verschärfte Resi-denzpflicht. Sie dürfen den Kreis, in demsich die Unterkunft befindet, nicht ohnebehördliche Zustimmung verlassen. Ein Verstoß hat fatale Konsequenzen:Das Asylverfahren soll ruhen, Leistungs-ansprüche gehen verloren. Beim erstenVerstoß ist es Betroffenen möglich, dasAsylverfahren fortzuführen. Bei derzweiten Zuwiderhandlung verlieren sie

36 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

ZWEI-KLASSEN ASYLRECHT?ABSCHRECKUNG IN »BESONDEREN AUFNAHMEZENTREN«

Hinter den 2016 im Gesetz verankerten »besonderen Aufnahmezentren« verbirgt sich nichts weniger als die Etablierung eines diskriminierenden Sonderasylverfahrens für bestimmte Flüchtlingsgruppen. Die Unterbringung in isolierten Lagern, in denen Angst und Hoffnungs-losigkeit produziert werden, soll die Menschen außer Landes treiben.

Maximilian Pichl, Stephan Dünnwald

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allerdings vollständig ihren Anspruchauf ein Asylverfahren – ein Vorgehen,das nicht mit dem internationalenFlüchtlingsrecht in Einklang zu bringenist. Selbst Personen, die die Vorausset-zungen der Flüchtlingseigenschaft erfül-len, kann dann die Abschiebung in denVerfolgerstaat drohen. Dass gerade dieSozialdemokratie die Idee verweigerterAsylprüfung aufgrund sozialen Fehl -verhaltens als Verhandlungserfolg ver-bucht, ist bezeichnend für die aktuellenpolitischen Verhältnisse.

Die Balkanlager Bayerns

Das Land Bayern war das erste, das –noch bevor die gesetzliche Grundlagefür die Schnellverfahren in besonderenEinrichtungen überhaupt verabschie-det wurde – die Idee von Sonderlagernin der Praxis erprobte – zunächst um -gesetzt als Einrichtung für die uner-wünschten Flüchtlinge vom Balkan.

Schnell sollen die Verfahren abgewickeltwerden können, so die Auskunft der Re gierung von Oberbayern, die seit Sep-tember 2015 in Manching und Ingol-stadt eine sogenannte Aufnahme- undRückführungseinrichtung, kurz ARE, betreibt. Der Aufwand ist beträchtlich.

Auf knapp 1000 Insassen kommen in-zwischen mehr als 120 Mitarbeiter*in-nen der Zentralen Ausländerbehördeund des Bundesamts für Migration undFlüchtlinge, BAMF, Tendenz steigend. In Bamberg gibt es eine zweite dieserEinrichtungen. Die derzeit 1.500 Plätzesollen ausgebaut werden auf 4.500.

Tatsächlich, so sagen die zwei Sozial -beraterinnen in Manching, geht das Verfahren bis zur Abschiebung in denFällen schnell, in denen Flüchtlingegleich nach ihrer Ankunft in Bayern insAbschiebelager eingewiesen werden.Waren sie jedoch schon woanders unter-gebracht, geht oft überhaupt nichts. Der Grund: Die Papiere kommen nichtnach, einbehaltene Pässe und Ausweiseverschwinden im Behördendschungel,tauchen erst nach Monaten wieder auf.Das Argument eines beschleunigtenVerfahrens erweist sich als Trugbild.Dennoch wird mit aller Macht an derEinweisungspraxis festgehalten.

Ausländer konzentrieren?!

In Bamberg ist man noch rücksichtsloserals in Manching. Weil kaum noch Flücht-linge vom Balkan kommen, werden zunehmend Familien eingewiesen, die

schon Jahre in Bayern leben und häufiggut integriert sind.

Familie K. hatte nur einen Tag Zeit, ihre Koffer zu packen. Sie bekam den Bescheid, ausgefertigt am 27.11.2015,am 2.12. ausgehändigt. Spätestens am3.12. solle sie sich im Bamberger Ab-schiebelager einfinden. Für den Fall,dass die Familie der Aufforderung nichtnachkomme, wird die Vollstreckungdurch unmittelbaren Zwang, also dieAbholung durch Polizei, angedroht.

Der Regensburger Anwalt der Familiehält das Verhalten der Behörden fürrechtlich unhaltbar, in ähnlichen Fällenwurden einige Bescheide gleich vomVerwaltungsgericht kassiert. In der Be-gründung zur Einweisung ins Abschie-belager steht der Satz: »Es besteht einerhebliches öffentliches Interesse daran,Ausländer aus sicheren Herkunftsstaa-ten mit geringer Bleibewahrscheinlich-keit in der für sie zuständigen Aufnah-meeinrichtung zu konzentrieren.« Lagerzum Konzentrieren von Ausländern, imdeutschen Interesse? Gerade wo es invielen Fällen um verfolgte Roma geht,erschreckt diese Formulierung.

37TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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Orte der Abschreckung

Kinder werden aus ihrem schulischenUmfeld gerissen, auch Schwerkrankenbleibt der Weg ins Lager nicht erspart.

Familie R. hat einen Sohn, der unheilbaran Mukoviszidose leidet. Trotz Protes-ten der Kinderklinik wird die Familie inManching eingewiesen. Regelmäßigmuss der kleine Junge (er ist bei der Ein -weisung 11 Monate alt) in die Spezial -klinik nach München. Eine Abschiebungder Familie in den Kosovo würde denJungen dem baldigen Tod aussetzen.Nicht einmal in Ingolstadt gibt es eineKlinik für die komplexe Therapie. Den-noch verschleppt die zuständige Aus-länderbehörde einen Bescheid, der eserlaubt, dass die Familie wieder zurücknach München darf.

In nur wenigen Ausnahmefällen gelanges bisher, die Einweisung zu verhindern.Wer erst mal angekommen ist in Bam-berg oder Manching, der kommt auchnicht mehr raus.

Fernab des Rechtsstaats

Ehrenamtliche Unterstützer*innen wer-den durch Einschränkungen und Be-suchsverbote vergrault. Deutschunter-richt durch Ehrenamtliche ist verboten,ebenso eine Kleiderausgabe. Weder inBamberg noch in Ingolstadt gibt es fach-kundige Anwält*innen. So finden die

Insassen kaum Unterstützung und sinddem Zugriff der Behörden schutzlos ausgeliefert. Zwar dürfen Flüchtlingedas Lager verlassen, aber ihr Bewe-gungsspielraum ist auf den Landkreisbeschränkt. Bis zu einem Rechtsbeistandin München oder Nürnberg finden dieWenigsten.

Dies dürfte kaum mit den rechtsstaat -lichen Vorgaben des Bundesverfassungs-gerichts vereinbar sein. Schließlich verlangt das Gericht seit seiner Entschei-dung von 1996, dass eine kostenloseasylrechtliche Beratung sichergestelltwird.

Einbahnstraße ins Elend

Auch die Behandlung im Abschiebe -lager soll abschrecken. In Bamberg be-kommen die Insassen nur Bettzeug ausPapier, die Zudecke ist ein Malervlies. In beiden Lagern ist es verboten, Essenaufs Gelände zu bringen, die Mahlzeitensind spärlich, es ist nicht einmal mög-lich, den Kindern einen Tee zu kochenoder einen Brei. Auch wenn die meistenKinder Deutsch sprechen, ist Deutschnicht auf dem Stundenplan des Ersatz -unterrichtes, der in den Lagern gebotenwird.

Ein weiterer Aspekt sorgt für die Ver-ängstigung der Insassen der Abschiebe-lager: Regelmäßig kommt die Polizei inden Morgenstunden, um weitere Famili-

en zur Abschiebung abzuholen. »LetzteWoche erst war die Polizei da und hatunsere Nachbarn abgeholt. Seitdemschlafen wir nicht mehr, sondern habennur noch Angst«, erklärt die Mutter einerRomafamilie aus Serbien. Dies hat Sys-tem, die Abschiebung ist nur eine Frageder Zeit. Wer ihr entgehen will, dembleibt nur die Möglichkeit, der Abschie-bung durch Ausreise oder Untertauchenzuvorzukommen. Einen Weg zurück gibt es nicht in den Abschiebelagern.Das BAMF hat weder in Manching nochin Bamberg bislang auch nur eine einzi-ge positive Entscheidung gefällt. Auchoffenkundig kranke Personen werdenmit dem Hinweis abgelehnt, dass jaauch im Kosovo oder in Serbien behan-delt werden könne. In den wenigen Fällen, in denen eine Abschiebung nichtmöglich ist, zieht das BAMF die Ent -scheidung in die Länge.

Der Rechtsstaat verliert

Soziale Isolation, üble Lebensbedin -gungen, verschärfte Residenzpflicht,permanente Drohgebärden – manch einer mag sich an die so genannten»Ausreisezentren« aus den 1990er Jah-ren erinnert fühlen. Sie sollten Gedulde-te ohne Papiere mit unangenehmenMaßnahmen außer Landes drängen.Letztendlich scheiterten die Ausreise-zentren an ihrer eigenen Erfolglosigkeit.Die »besonderen Aufnahmezentren«sind nun die moderne Neuauflage.

Dahinter verbirgt sich eine klassischePolitik der Abschreckung. Prekäre Lebensverhältnisse, die Isolierung vonder Zivilgesellschaft und schnelle Ab-schiebungen sollen ein Signal nach außen senden: Bestimmte Flüchtlingesind nicht willkommen. Die Folgen indes für Betroffene, die zu Unrecht ab -geschoben werden, weil ihr Asylantragnicht sorgfältig genug geprüft wurde,können dramatisch sein. Auch derRechtsstaat verliert: Die Folge der neuenRegelung könnte ein diskriminieren-des Zwei-Klassen-Asylrecht auf Dauersein. ■

38 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Eindrücke aus dem »Balkanzentrum« Bamberg.

Fotos: Katja Laber

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39TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Andrea Nahles erwartet von Ge-flüchteten Eigeninitiative: »AlleMenschen, die in Deutschland

leben, egal welcher ethnischen Her-kunft, müssen sich anstrengen, Arbeitsuchen und für sich und ihre Familie aufkommen, so gut sie eben können«,forderte die sozialdemokratische Bun-desarbeitsministerin am 31. Januar 2016in einem Gastbeitrag in der FAZ. »Wersignalisiert, dass er sich nicht integrierenwill, dem werden wir die Leistungen kürzen«, drohte sie und fügte hinzu, dass diese Sanktion auch für Geflüchte-te gelten solle, die die Teilnahme anSprachkursen verweigern.

Fatmire J. bringt die von Frau Nahles eingeforderte Eigeninitiative mit. Diejunge Frau aus Albanien ist seit einemJahr in Deutschland und würde »nichtslieber tun, als für mich und meine Fami-lie selbst aufzukommen«. Schnell hattesie eine Arbeitsstelle in einem Kranken-haus gefunden, vermittelt mit Unter-stützung der Arbeitsagentur. FatmiresAusbildung zur Krankenpflegerin wirdhierzulande anerkannt und das Kran-

kenhaus sucht dringend qualifiziertePflegekräfte. Außerdem spricht Fatmireakzentfrei Deutsch, denn sie hat bereitsihre gesamte Kindheit – bis zur Abschie-bung vor einigen Jahren – in Deutsch-land verbracht. Eigentlich passt alles zu-sammen.

Allein: Sie darf nicht arbeiten. Die Aus-länderbehörde in der ostwestfälischenProvinz verweigert die Erteilung einerArbeitserlaubnis. Das Problem: Fatmirekam als Asylsuchende nach Deutsch-land. Ein Antrag in Deutschland wäreihre Chance auf eine Zukunft, so hattesie damals gedacht. Heute muss sie sichvon der Ausländerbehörde korrigierenlassen: Fatmire J. komme aus einem »sicheren Herkunftsstaat«, habe deshalbnur eine »geringe Bleibeperspektive«und solle ausreisen, statt sich zu inte-grieren. Das neue Gesetz sehe vor, dassin diesen Fällen keine Arbeitserlaubnismehr erteilt werden dürfe.

Fatmire J.s Fall bringt eine fatale Ent-wicklung der aktuellen Rechtslage mar-kant auf den Punkt: Das Gesetz differen-

DIE BUNDESREGIERUNG ALS INTEGRATIONS -VERWEIGERERDAS NEUE ARBEITSERLAUBNISRECHT DIENT WEDER DEN GEFLÜCHTETEN NOCH DER GESELLSCHAFT

Die Teilhabe am Arbeitsmarkt und an Deutschkursen ist grundlegende Voraussetzung für gelingende Integration. Beides muss daher frühzeitig ermöglicht und gefördert werden – dies war bis vor kurzem Konsens. Seit Herbst 2015 macht die Bundesregierung jedoch die Rolle rückwärts: Statt Integration zu fördern, verhindern neue gesetzliche Regelungen oft die Aufnahme von Arbeit und damit die Sozialhilfeunabhängigkeit vieler Geflüchteter. Die Praxis zeigt: Vernünftig ist das nicht.

Claudius Voigt

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40 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

ziert immer stärker zwischen »guten«und »schlechten« Flüchtlingen und ver-schafft dem Arbeits- und Sozialrecht alsSanktions- und Abschreckungsinstru-mente eine ungeahnte Renaissance.

Teilhabe: Je früher, desto besser

Seit rund zwei Jahren gilt es als politi-scher Konsens, dass die Teilhabe am Arbeitsmarkt und das Erlernen der deutschen Sprache zwei grundlegendeVoraussetzungen für gelingende ge -sellschaftliche Teilhabe sind, die daherfür viele Geflüchtete frühzeitig ermög-licht und gefördert werden sollen. Hier-für sind in den vergangenen zwei Jah-ren, vor allem auf Druck von Arbeits-und Sozialpolitiker*innen, eine ganzeReihe gesetzlicher Verbesserungen beschlossen worden:

● Asylsuchende können bereits nachdrei Monaten eine Arbeitserlaubniserhalten.

● Nach 15 Monaten entfällt die Prü-fung, ob bevorrechtigte Deutscheoder EU-Bürger*innen zur Verfügungstehen (»Vorrangprüfung«). Auch dieBeschäftigung in Zeitarbeit ist abdann möglich.

● Nach vier Jahren Aufenthalt kanneine Arbeitserlaubnis für jede Tätig-keit erteilt werden.

● Die Aufnahme einer betrieblichenAusbildung oder bestimmter Praktikakann bereits nach drei Monaten Auf-enthalt ohne Einschränkung bewilligtwerden.

● Bereits ab dem ersten Tag nach derEinreise kann die Arbeitsagentur be-stimmte Förderleistungen erbringen(zum Beispiel die Kosten für die Aner-kennung eines ausländischen Berufs-abschlusses übernehmen oder ande-re Fördermaßnahmen finanzieren).

● Auch Asylsuchende haben nun Zu-gang zu den Integrationskursen und berufsbezogenen Sprachkursen(wenn Plätze frei sind).

In den letzten Monaten haben jedochdie innenpolitischen Hardliner verschie-dener Parteien immer stärker das Ruderübernommen und einige dieser Verbes-serungen wieder rückgängig gemachtoder sehr stark eingeschränkt, weil sieaus ihrer Sicht einen zu großen Anreizbieten, nach Deutschland zu kommen –der berüchtigte »Pull-Effekt«.

Rolle rückwärts

Nicht nur, aber vor allem Asylsuchendeund Menschen mit einer Duldung ausden so genannten »sicheren Herkunfts-staaten« (momentan Serbien, Albanien,Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedo-nien und Montenegro, künftig wohlauch Algerien, Marokko und Tunesien)sind von den Verschärfungen seit Mitte2015 betroffen:

● Die Wartefrist für eine Arbeitserlaub-nis ist im Oktober 2015 für bestimmteAsylsuchende wieder von drei auf biszu sechs Monate verlängert worden.Diese Wartefrist gilt nun unabhängigvom Herkunftsland, solange die Be-troffenen in einer Landesaufnahme-einrichtung leben müssen.

● Asylsuchende und Menschen mit einer Duldung aus den so genannten»sicheren Herkunftsstaaten« dürfenkategorisch keine Arbeitserlaubnismehr erhalten, wenn sie nach dem31. August 2015 nach Deutschlandeingereist sind und einen Asylantraggestellt haben.

● Sogar wenn sie vor diesem Datumeingereist sind, verweigert die Aus-länderbehörde faktisch oft dennochdie Ausstellung einer Arbeitserlaub-nis.©

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● Eine betriebliche Ausbildung darfMenschen aus den so genannten »sicheren Herkunftsstaaten« nicht erlaubt werden, wenn sie nach dem 31. August 2015 eingereist sind undeinen Asylantrag gestellt haben.

● Die frühzeitige Förderung durch dieArbeitsagentur ist nach Beschluss der Bundesregierung derzeit nur fürAsylsuchende aus Syrien, Eritrea, Irakund Iran möglich.

● Die Teilnahme an einem Integrations-kurs ist ebenfalls nur für Asylsuchen-de aus diesen vier Herkunftsstaatenmöglich. Zudem fehlt es an freienPlätzen und Lehrpersonal – auch des-halb, weil dessen Bezahlung viel zugering ist.

Die offizielle Begründung der Bundesre-gierung für diese gesetzlich normierteIntegrationsverhinderung ist dabei stetsdas Kriterium einer (vermeintlich objek-tiv messbaren) »geringen Bleibeper-spektive«. Übersetzt heißt das sinnge-mäß nichts anderes als: »Da wir nichtwollen, dass ihr hier seid, schließen wireuch von jeglicher gesellschaftlichenTeilhabe aus.«

Irrweg der verhinderten Integration

Übersehen wird dabei, dass viele Flücht-linge – vom Balkan und anderswo – faktisch seit vielen Monaten oder Jahrenhier sind. Die neue soziale Abschre-ckungsstrategie mag für manche derNeuankömmlinge funktionieren, für vie-le aber auch nicht. Vor allem für die hierlänger Lebenden und – wie Fatmire J. –sprachlich und sozial verwurzelten Men-schen führen die gesetzlichen Vorgabenlediglich zur Ausgrenzung der Betroffe-nen, zu schleichendem Abbau persön -licher Ressourcen und ungenutztenChancen – für beide Seiten.

Damit gehen die politisch Verantwort -lichen denselben Holzweg, der sich bereits in den 80er und 90er Jahren alsSackgasse erwiesen hat: Auch damalshat man den so genannten »Gastarbei-tern«, die schon ein Jahrzehnt und län-ger im Lande lebten, aber auch vielenanderen »unerwünschten« Migrant*in-nengruppen stur eine »geringe Bleibe-perspektive« zugeschrieben und ausdiesem Grund Teilhabe und Integrationnicht für notwendig erachtet oder sogarverhindert. Als die Realität dann zeigte,dass Menschen völlig unabhängig da-von trotzdem hier bleiben, waren lang-wierige gesellschaftliche Lernprozesseund hohe Kosten erforderlich, um die-sen Irrweg der verhinderten Integrationzu korrigieren. Es ist erstaunlich, dass die Bundesregierung ernsthaft glaubt,die Herausforderungen des 21. Jahr -hunderts mit den Lösungsansätzen der1980er Jahre meistern zu können, diebereits vor 30 Jahren nicht funktionierthaben.

Pragmatisch denken!

Stattdessen wäre es höchste Zeit, dieIdeologie über Bord zu werfen undpragmatisch zu denken – jedoch ohnedie Rechte von Schutzbedürftigen durchNützlichkeitserwägungen zu relativie-ren. Dies könnte auch dazu führen, dasNadelöhr des Asylverfahrens zu ent -lasten:

Alle Asylsuchenden sollten die Möglich-keit eines »Spurwechsels« in eine asyl-verfahrensunabhängige Aufenthalts -erlaubnis bekommen, wenn sie über bestimmte Qualifikationen verfügenund/oder einen Arbeits- oder Ausbil-dungsplatz gefunden haben. Zudemsollten Wartefristen und Arbeitsverboteabgeschafft werden, um Eigeninitiati-ve nicht auszubremsen und frühzeitige Integration zu fördern. Auch die ana-chronistische »Vorrangprüfung« solltegestrichen werden. Und vor allem: Wirbrauchen viel weiter gehende legaleEinreisemöglichkeiten, um Alternativenzum Asylverfahren zu schaffen – zumBeispiel für Familienangehörige oderzum Zweck der Arbeitsuche auch für gering qualifizierte Menschen.

Es sollte Konsens sein, dass Mittel dergesellschaftlichen Integration und sozia-len Teilhabe nicht zur Migrationssteue-rung eingesetzt werden: BAföG, Aus -bildungsförderung, Integrations- undandere Sprachkurse sollten unabhängigvon Aufenthaltsstatus und Herkunfts-land allen Migrant*innen gewährt wer-den – dies sichert auch die Fachkräftevon morgen. Und schließlich: Eine großzügige Bleiberechtsregelung sollte unabhängig von der Lebensunterhalts-sicherung für alle gelten, die seit einergewissen Zeit in Deutschland leben –Menschen brauchen Sicherheit und Perspektive.

Und Fatmire J.? Da in Deutschland momentan mehr die Ideologie der Ab-schreckung denn der Pragmatismusherrschen, wird sie kaum eine Chancehaben, doch noch eine Arbeitserlaubniszu erhalten und hier als händeringendgesuchte Pflegefachkraft zu arbeiten.Sie muss wohl ausreisen. Sie könntedann zwar von Albanien aus ein Visumzur Einreise als Fachkraft beantragen –hat aber keine Sicherheit, dieses auch zu erhalten. Da das Bundesamt mit derAblehnung ihres Asylantrags zugleicheine Wiedereinreisesperre verhängt hat,wird sie sich überdies auf viele Monate,vielleicht gar Jahre Wartezeit einstellenmüssen. Dieses Verfahren dürfte auchdem Krankenhaus, das darauf wartet,Fatmire J. einstellen zu können, kaum zu erklären sein. Ohne die Zusicherungauf einen Arbeitsplatz allerdings verlöreFatmire dann erneut jede Chance, legalnach Deutschland einzureisen. ■

41TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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42 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

■ 2015 wurden nach Angabe desBundesfachverbandes (BumF)

rund 30.000 unbegleitete minderjährigeFlüchtlinge (UMF) in Obhut genommen– dreimal so viele wie 2014. Die meistenvon ihnen sind zwischen 15 und 17 Jah-re alt. Zum März 2016 befinden sich ins-gesamt 69.000 UMF in jugendhilferecht-licher Zuständigkeit. Es ist zudem nochvon einigen jungen Flüchtlingen aus -zugehen, die nicht als solche erkanntoder fälschlicherweise als volljährig ein-geschätzt wurden und sich in Erstauf-nahmeeinrichtungen für Erwachsenebefinden. Die Hauptherkunftsländer derjungen Minderjährigen sind Afghanis-tan, Syrien, Eritrea, Irak und Somalia.

Die gestiegenen Zahlen sind ein Abbildder Konflikt- und Krisensituationen invielen Teilen dieser Welt. Die Tatsache,dass sich so viele junge Menschen alleinauf die lebensbedrohliche Flucht be -geben, verdeutlicht die Ernsthaftigkeitder andauernden drohenden Gefahren: Anwerbung durch radikale Gruppie -rungen, Zwangsrekrutierung zu Kinder -soldaten, Kinderarbeit, Verfolgung vonMinderheiten, Unruhen oder Kriege sowie existenzielle Perspektivlosigkeit.

Durch die gestiegenen Zugangszahlenund auch durch das Umverteilungs -gesetz steigen derzeit viele neue Mit -arbeiter*innen, Vormünder und Unter-stützer*innen in die Arbeit mit UMF ein,oft bei neuen Trägern. Fragen und Un -sicherheiten in dem komplexen Hand-lungsfeld mit zahlreichen rechtlichenBestimmungen und institutionellen Zu-

ordnungen bestehen derzeit in vielenTeilen Deutschlands.

Rechtlicher Vorrang für das Kindeswohl

Grundlegende Rechte für unbegleiteteMinderjährige sind insbesondere in der UN-Kinderrechtskonvention, in derGenfer Flüchtlingskonvention und inden EU-Regelungen verankert. Auf nationaler Ebene regeln zum einen dasKinder- und Jugendhilfegesetz und zum anderen die Asyl- und Aufenthalts -ge setze die Materie.

Nach dem Kinder- und Jugendhilfe -gesetz ist das lokale Jugendamt ver-pflichtet und berechtigt, die UMF direktnach Feststellung der Einreise vorläufigin Obhut zu nehmen. Dabei wird eine Alterseinschätzung vorgenommen, dieMöglichkeit der Umverteilung und Un-terbringung mit Verwandten oder wei-teren Bezugspersonen überprüft. DieBestellung des Vormundes sollte in die-sem Kontext »unverzüglich« erfolgen. Der Vormund ist dann die gesetzlicheVertretung und trägt die Personensorgefür das sogenannte Mündel. Durch dieAnhebung des handlungsfähigen Altersim Asylverfahren von 16 auf 18 Jahreträgt dieser auch für die asylrechtlichenSchritte sowie die Inanspruchnahmeaufenthaltsrechtlicher Alternativen dieVerantwortung. So hängt das aufent-haltsrechtliche Schicksal der Minderjäh-rigen auch an der asylrechtlichen Kom-petenz ihres Vormunds.

Innerhalb der Inobhutnahme ist das Jugendamt zuständig für das sogenann-te »Clearing«. Dieses umfasst unter an-derem die Abklärung gesundheitlicherFragen, therapeutischer Bedarfe unddes Zugangs zu Schul- und Bildungsan-geboten. Darüber hinaus sollen sowohldie aufenthaltsrechtlichen als auch dieindividuellen Perspektiven, der erziehe-rische Bedarf und Möglichkeiten der Anschlussunterbringung unter Einbezie-hung des Jugendlichen geklärt werden.

Im komplexen Spannungsfeld von Jugendhilfe und Aufenthaltsrecht giltstets der Vorrang des Kindeswohls unddas Primat der Jugendhilfe. Die Praxiswird dem jedoch vielerorts nicht ge-recht, es besteht enormer Handlungs -bedarf.

Viel Chaos und viel guter Wille

In den letzten Monaten sind in oft un -vorbereiteten Kommunen zahlreicheprovisorische Übergangslösungen ent-standen. Dabei kam es zu reduziertenJugendhilfestandards, keinem oder ver-spätetem Zugang zu Bildung, ungewis-sen »Wartephasen«, fehlenden Vormün-dern und unklaren Zuständigkeiten. Ineiner Kommune beispielsweise musstenviele Jugendliche bis zu fünf Monate aufeinen Schulplatz warten, trotz bestehen-der Schulpflicht. In einem weiteren Fallhatte ein Vormund über 60 Mündel –niemand kann so eine am individuellenBedarf orientierte Per sonensorge ge-währleisten. Trotz des persönlichen Engagements vieler Menschen fehlt es

ZWISCHEN JUGENDHILFE -ANSPRUCH UND WIRKLICHKEITDIE SITUATION VON UNBEGLEITETEN MINDERJÄHRIGEN FLÜCHTLINGEN

2015 ist die Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge sprunghaft gestiegen. Seit Jahresende werden sie außerdem bundesweit verteilt. So sind viele neue Akteure gefordert, die jungen Menschen angemessen zu betreuen. Von Qualitätsstandards kann allerdings vielerorts keine Rede sein.

Dörthe Hinz

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43TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

an Strukturen, in denen systematischWissen vermittelt wird und die Betreu-ung professionell aufgebaut und ge-stärkt wird.

Eine Versorgungslücke zeigt sich imÜbergang zur Volljährigkeit: Oft endetdie Betreuung abrupt und das Auffang-netz geht von einem auf den anderenTag verloren. Prinzipiell sind Leistungender Jugendhilfe bei entsprechender Begründung bis zum 21., in besonde-ren Fällen sogar bis zum 27. Lebensjahrmöglich. Für den Übergang kann ein Antrag auf Hilfen für junge Volljährigehilfreich sein – worüber jedoch Vor -münder häufig nicht informiert sind,auch hakt es manchmal an der Bewilli-gung.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlingesind im Laufe ihrer Flucht und am Auf-enthaltsort vielfältigen Belastungen aus-gesetzt. Überproportional viele Verluste,die Trennung von Familie, der Heimatund Bezugspersonen sowie (traumati-sche) Erlebnisse von Gewalt, Krieg, Dis-kriminierung im Herkunftsland und aufder Flucht sowie die Sorge um zurück-gebliebene Angehörige bestimmen dasLeben der jungen Menschen. Die oft erst spät einsetzende Unterstützungund Förderung führt zu einem weiterenBruch in der Bildungsbiographie und

kann überdies gravierende (aufenthalts-rechtliche) Konsequenzen nach sich ziehen.

Standards schaffen!

Die neu geschaffenen Angebote müssenan die rechtlichen und fachlichen Stan-dards der Jugendhilfe herangeführt werden. Geflüchtete Kinder und Jugend-liche dürfen nicht als gesonderte Grup-pe innerhalb der Kinder- und Jugend -hilfe und des Schulsystems betrachtetund benachteiligt behandelt werden.Not lösungen wie monatelange Unter-bringung in provisorischen Unterkünf-ten wie Schulen oder Hotels mit über 50 weiteren Jugendlichen dürfen sichnicht weiter verfestigen, müssen ab -gebaut oder an die Standards angegli-chen werden. Der Schutz und die Rechte der Kinder und Jugendlichen dürfennicht unter Verweis auf Überforderungund Umstrukturierung vernachlässigtwerden.

Den Übergang zur Eigenständigkeitnach Eintritt der Volljährigkeit sollteneinschlägige Beratungsstellen und Einrichtungen professionell begleiten. Da für ist es im Vorfeld notwendig, dieJugendlichen über ihre Rechte und denasyl- und aufenthaltsrechtlichen Rah-men aufzuklären, um tatsächliche Parti-

zipation zu ermöglichen und Unsicher-heiten abzubauen.

Handlungsbedarf besteht zudem in derAnwerbung und Qualifizierung von Vor-mündern. Bei der Auswahl von Vormün-dern müssen die große Verantwortung,die emotionale Bedeutung für die Be-troffenen und die enorme Bedeutungfür das aufenthaltsrechtliche Schicksalder jungen Flüchtlinge berücksichtigtwerden.

Erst durch Umsetzung der bestehen-den Standards, Beachtung des Primatsder Jugendhilfe, Vernetzung und Beteili-gung der jungen Menschen selbst kanngewährleistet werden, dass diese an Stabilität gewinnen, Lebensperspektivenentwickeln und ihr Potential ent faltenkönnen. ■

Macht seit Jahren vorbildliche Arbeit: die SchlaU-Schule in München.

Foto: Trägerkreis Junge Flüchtlinge e.V.

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Rund 60 Millionen Flüchtlinge zählt UNHCR derzeit welt-weit, Tendenz steigend. Allein in der ersten Jahreshälfte2015 sind über fünf Millionen Menschen neu aus ihrer

Heimat vertrieben worden.

Davon kamen, wie das seit vielen Jahren durchweg der Fall ist, die allermeisten nicht über die Grenzen ihres Herkunfts -landes hinaus. Für den Zeitraum Januar bis Juni 2015 weist derUNHCR Midyear Report rund 4,2 Mio. neue Inlandsvertriebeneund 840.000 ins Ausland geflohene Menschen aus. Die Statis -tiken über die globalen Fluchtbewegungen in der zweiten Jahreshälfte sind zum Redaktionsschluss noch nicht veröffent-licht. Die Fortdauer des Kriegs in Syrien, aber auch andernorts, z.B. im Jemen, weisen auf einen weiteren Anstieg hin.

In den Nachbarstaaten Syriens stieg die Zahl der registrier-ten Flüchtlinge binnen sechs Monaten um über 600.000 auf4,6 Mio. im Dezember 2015 an. Hinzu kommen nach Angabendes UN-Koordinators für humanitäre Angelegenheiten (OCHA)rund 6,6 Mio. Inlandsvertriebene, wovon allein 1,3 Mio. im Verlauf des vergangenen Jahres geflohen sind.

Die Lage in der Region hat sich 2015 – auch aufgrund man-gelnder internationaler Hilfe – dramatisch verschlechtert. Dasveranlasste so viele Menschen wie nie, den gefährlichen Wegnach Europa zu wagen. Insgesamt sind nach UNHCR-Angaben1.008.616 Menschen über das Mittelmeer nach Europa gelangt.3.771 Männer, Frauen und Kinder fanden dabei den Tod oderwerden vermisst.

Wie viele Flüchtlinge kamen 2015 nach Deutschland?

Ankommende Asylsuchende werden hierzulande zunächst im so genannten EASY-System registriert: 1,1 Millionen sol-cher Registrierungen gab es 2015. Aufgrund der mangelnden Kapazitäten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge(BAMF) konnten aber »nur« 442.000 Menschen einen Asyl -antrag stellen, alle anderen wurden auf die Wartebank gesetzt.Wie viele Menschen das betraf, ist nicht klar.

Denn die Zahl von 1,1 Mio Easy-Registrierten ist sehr zweifel-haft, es gibt eine unbekannte Zahl an Doppel- und Fehlregistrie-rungen. Etwa 13 % der Easy-registrierten Asylsuchenden kamenlaut Auskunft der Bundesregierung (BT-Drs. 18/7625) nicht inder ihnen zugewiesenen Erstaufnahmeeinrichtung an. Mandarf annehmen, dass sie anderswo, etwa aufgrund von Abwei-chungen in der Schreibweise des Namens, als »neu« registriert

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ZAHLEN UND FAKTEN20152015 war eine außergewöhnliche Situation für Deutschland: Mehr Menschen als je zuvorsuchten Asyl in Deutschland, die weitaus meisten aus Kriegs- und Krisengebieten, vor allem aus Syrien. Innerhalb Europas übernahmDeutschland besondere Verantwortung.

Dirk Morlok, Andrea Kothen

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wurden – oder in ein anderes EU-Land weiterge wandert sind.Tatsächlich wollen nicht »alle« zu uns – sie wollen in die Staaten,in denen Angehörige leben. Gemäß den EU- Regeln gestattendie deutschen Behörden prinzipiell keine Weiterreise. Gleich-wohl war Deutschland für viele nicht Ziel- sondern Transitland.

In Schweden wurden laut Eurostat 2015 rund 156.000 neueAsylanträge registriert, in Finnland 32.000, in Norwegen30.000, in Dänemark 21.000. Dort war, wie auch in westeuro-päischen Staaten wie Belgien (39.000) oder den Niederlanden(43.000) ab August ein signifikanter Anstieg zu verzeichnen. Es muss davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil derAsylsuchenden, sogar derjenigen in Frankreich (71.000), zuvorbereits in Deutschland registriert wurde.

Die tatsächliche Zahl derer, die 2015 in Deutschland Asyl such-ten, dürfte weit unterhalb einer Million liegen. Genaueres kannman vermutlich erst im Laufe des Jahres 2016 einigermaßen sicher sagen.

Asylanträge: Zahlen nur bedingt aussagekräftig

Viele Schutzsuchende hatten 2015 in Deutschland aufgrundder Überforderung des BAMF keine Möglichkeit, ihren Asyl -antrag zeitnah zu stellen.

Die Statistik des Bundesamtes weist also lediglich die Asyl -anträge aus, die die Behörde entgegen genommen hat: Das waren bis Ende 2015 rund 442.000 Erstanträge. Dies ist freilichdie höchste Antragszahl in der Geschichte der Bundesrepublik.Sie beträgt mehr als das Zweieinhalbfache der registriertenAsylanträge des Vorjahrs. Hinzu kommen rund 35.000 Folge -anträge.

Über 70 % im Schnellverfahren

Mit 283.000 Entscheidungen hat das Bundesamt für Migrationund Flüchtlinge 2015 die Zahl der bearbeiteten Verfahren gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Bestimmte Län-der wurden dabei bevorzugt (»priorisiert«) bearbeitet: Syrien,Irak, Eritrea und die Balkanstaaten – sie machen insgesamt fast84 Prozent aller Asylentscheidungen aus, dabei wurde oft perSchnellverfahren entschieden. Allein 37 Prozent der Entschei-dungen betrafen syrische Asylsuchende, die meist nur schrift-lich an gehört wurden und fast immer einen Schutzstatus erhielten. Auch die Verfahren von Minderheiten aus dem Irakwie auch eritreische Flüchtlinge wurden teilweise im Schrift-verfahren abgewickelt.

45TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

1.008.616Menschen sind 2015 über den Seeweg nach Europa geflohen, 3.771sind dabei gestorben oder werden vermisst.

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Daneben wurden Asylanträge aus Staaten des Westbalkanpriorisiert bearbeitet, die mittlerweile alle zu »sicheren Her-kunftsländern« erklärt und somit im kurzen Prozess negativentschieden wurden. Über 96.000 Entscheidungen betrafendie vier Staaten Albanien, Kosovo, Serbien und Mazedonien.  

Vor allem auf Druck des Innenministeriums sollte ab  Anfang2016 wieder auf Einzelfallprüfungen für Syrien, Irak und Eritreaumgestellt werden. Dies dürfte die kurzzeitig immerhin etwasbeschleunigte Bearbeitung der Asylanträge empfindlich aus -bremsen. Dabei ist schon jetzt der Rückstau unerledigter Ver-fahren immens.

Quälende Wartezeiten

Die Asylverfahrensdauer für die Flüchtlinge, die 2015 ihren Bescheid erhielten, war beträchtlich: Im Durchschnitt dauertees 5,2 Monate von der Asylantragstellung bis zur BAMF-Ent-scheidung.

Durch die bevorzugte Bearbeitung einiger Herkunftsländer fiel die Zeit von Antragstellung bis zum BAMF-Bescheid für dieeinzelnen Gruppen sehr unterschiedlich aus: Für Flüchtlingeaus Syrien dauerte das formelle Asylverfahren durchschnittlich 3,2 Monate, Kosovo-Flüchtlinge wurden binnen 3,1 Monatenim Schnellverfahren abgelehnt. Flüchtlinge aus Eritrea hinge-gen warteten ganze 13,3 Monate, diejenigen aus Afghanistansogar 14 Monate auf den Bescheid.

Wohlgemerkt: Diese Zahlen gelten nur für solche (Alt-)Fälle, die 2015 vom BAMF entschieden wurden. Ende des Jahres warteten rund 90.000 Antragsteller*innen bereits seit mehr als12 Monaten auf ihren Asylbescheid. Insgesamt 365.000 Ver -fahren sind Ende 2015 noch anhängig. Allein ihr Abbau würdebei derzeitiger Arbeitsgeschwindigkeit des BAMF über siebenMonate dauern.

Diejenigen Flüchtlinge, die ab Sommer 2015 hinzukamen, warteten (und warten) häufig wochen-, nicht selten monate-lang auf einen Termin, um überhaupt einen formellen Asylan-trag stellen zu dürfen. Wie lange sich ihr Verfahren noch hin -ziehen wird, ist derzeit noch gar nicht abzusehen. Diese Flücht-linge – darunter sehr viele, die mit großer Wahrscheinlichkeit in Deutschland bleiben dürfen – werden nicht nur Monate,sondern Jahre im Wartestand verbringen.

Eine Lösung des Problems könnte in einer Altfallregelung lie-gen: Der Erteilung eines Aufenthaltsrechts für alle Asylsuchen-den, deren Aufenthalt in Deutschland ein Jahr übersteigt.

46 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

Ende 2015 warteten rund

90.000 Menschenseit mehr als

12 Monatenauf ihren Asylbescheid.

Hunderttausende konnten noch gar keinen Antrag stellen.

Hier dargestellt sind Durchschnittswerte. Für bestimmte Flüchtlinge dauerten die Verfahren erheblich länger.Q

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Die meisten erhalten Asyl

Die Schutzquote lag 2015 bei rund 50 Prozent, das heißt, jede/rZweite erhielt Schutz im Asylverfahren. Bereinigt – also ohneVerfahren, die inhaltlich nicht geprüft werden – liegt die Quotebei knapp 61 Prozent. Das heißt, der Großteil der Betroffenenhat bereits aus behördlicher Sicht gute Asylgründe.

Nach der Einstufung der Balkanstaaten als angeblich »sichere«Herkunftsländer haben Flüchtlinge von dort so gut wie keineChance auf Anerkennung: Die Schutzquoten liegen bei unter0,5 Prozent. Für die Hauptherkunftsländer sind die Werte umsohöher: Die drei Herkunftsstaaten Syrien, Irak und Eritrea habeneine nahezu hundertprozentige Schutzquote, Iran – Nr. 6 derEasy-Registrierungen 2015 – über 85 Prozent.

Auch Afghanistan hat mit 77 Prozent eine sehr hohe Schutz-quote. Nicht nur vor diesem Hintergrund bleibt die Politik derangedrohten Rückkehr nach Afghanistan völlig inakzeptabel.Unverständlich ist auch, dass afghanische Flüchtlinge nicht als solche mit hoher Bleibeperspektive eingestuft werden unddaher für sie – im Unterschied zu Flüchtlingen aus Syrien, Eritrea, Irak und Iran, keine Deutschkurse während des laufen-den Asylverfahrens vorgesehen sind.

Dublinverfahren: sinnlose Bürokratie

Zeitaufwändig und meist ergebnislos sind die Dublin-Verfah-ren, mit denen versucht wird, die Zuständigkeit für Flüchtlingean andere europäische Staaten abzugeben. Nach der Dublin-Verordnung ist in der Regel derjenige Staat für einen Flüchtlingzuständig, in dem der Flüchtling erstmals europäischen Bodenbetritt.

2015 stellte das BAMF für jeden zehnten Asylbewerber die Anfrage an einen anderen EU-Staat, diesen zurückzunehmen.Von diesen fast 45.000 Übernahmeersuchen konnten lediglichknapp 3.600 vollzogen werden. Umgekehrt schickten andereEU-Staaten gut 3.000 Asylsuchende zuständigkeitshalber indie Bundesrepublik. Unter dem Strich bedeutet dieses Hin undHer für Deutschland eine Reduzierung der Asylsuchendenzahlum weniger als 600. Bei rund 442.000 Asylanträgen und 45.000Dublin-Versuchen zeigt diese Zahl deutlich das Scheitern desDublinsystems und seinen bürokratischen Irrsinn. Die Zeit der BAMF-Beschäftigten sollte lieber in faire und zügige Asyl-verfahren investiert werden. ■

47TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

* z.B. Dublin-Verfahren, nicht angenommene Folgeanträge

Quelle: Bundestagsdrucksache 18/7625, Grafik: PRO ASYL

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Mit diesen Tricks werden Abschie-bungen verhindert« titelte Die Welt am 1.9.2015, und machte

hierfür verantwortlich: Unterstützer-gruppen, die Abschiebungen durch Blo-ckaden verhindern, Asylsuchende, dieihren Pass verlieren oder ein gesund-heitsbedingtes Abschiebungshindernisgeltend machen, verhinderte Abschie-bungen durch unauffindbare Familien-angehörige, Widerstandshandlungenbei Abschiebungsflügen, Prüfungen derHärtefallkommissionen usw. Dieses Ge-bräu wird garniert mit ein paar zweifel-haften Zahlen, einem professoralenStatement von Kay Hailbronner, der denNichtvollzug von Entscheidungen fürden größten Schwachpunkt deutscherFlüchtlingspolitik hält und gipfelt in demvorwurfsvollen Satz, der den Rechtsstaat ad absurdum führt: »Ohne Widerspruchnimmt so gut wie kein Asylbewerbereine Ablehnung hin.«

Seit Sommer 2015 machen nicht weni-ge Medien nicht vollzogene Abschie-bungen wieder als »Vollzugsdefizite« aus.

Die meisten dieser Artikel dürften zu-rückgehen auf die propagandistischenAktivitäten der sogenannten AG Rück,einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die sich über Praktiken und Problemati-ken des Vollzugs von Rückführungen/ Abschiebungen austauscht. Deren Texteenthalten zwar oft nicht die wesentli-chen Daten zur Beurteilung der Situa -tion, aber eine Art kumuliertes Erfah-rungswissen, das aus einzelnen Ereignis-sen ein generelles, vorwiegend von den Betroffenen verschuldetes Vollzugs -defizit ableitet und so das öffentliche Klima gegen Flüchtlinge anheizt.

Tatsache ist: Valide Daten zum Umfangder konkreten Rückführungsproblemeexistieren kaum, umso weniger gibt es quantifizierbare Informationen dazu,in wessen Verantwortung es vorwie-gend liegt, wenn Abschiebungshinder-nisse existieren. Dieser Mangel an Datenbetrifft bereits die Größe der in Rede stehenden Personengruppe. Es gibt zum Beispiel keine soliden Statistikenüber die Zahl der nicht geförderten freiwilligen Ausreisen. Erfasst wird, werRückkehrförderungsmittel in Anspruchnimmt, nicht aber, wer Deutschland still verlässt. Es ist zu vermuten, dass die Zahl der »stillen Ausreisen« rechthoch liegt. Denn nicht alle, schon garnicht Familien mit Kindern, werden alle-samt abgetaucht weiter im Lande leben, ohne leistungsrechtliche Ansprüche, mit allen Folgeproblemen.

Viele Abgelehnte haben ein Aufenthaltsrecht

Sieht man sich die AZR-Statistik an, stellt man fest, dass der Anteil der Asyl-suchenden, die im Verfahren erfolglosgeblieben sind, jedoch einen Aufent-haltstitel er halten haben, überraschendhoch ist. Zum Stichtag 30.6.2015 lebteninsgesamt 538.057 Menschen mit rechts-kräftig abgelehntem Asylantrag inDeutschland. (Bundestagsdrucksache18/5862). 47,1 Prozent der Menschenaus dieser Personengruppe verfügtenaber inzwischen über einen unbefriste-ten Aufenthaltstitel, 36,9 Prozent übereinen be fristeten. Nur 16 Prozent hattenlediglich eine Duldung oder waren garohne Status im Ausländerzentralregistergespeichert. Dies entspricht einer Grö -ßen ordnung von etwa 86.000 Personen– falls insbesondere die Personen ohneStatus überhaupt noch im Land sind.Selbst bei zurückhaltender Interpreta -

48 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

KONSEQUENT ABSCHIEBEN? EINE KRITIK DER PROPAGANDA

Mit steigenden Flüchtlingszahlen kommt sie wieder einmal auf, die Propaganda von den »Vollzugsdefiziten«. Angeblich werden zu wenige abgelehnte Asylsuchende abgeschoben. Doch die Datenlage ist dünn und Schuld -zuweisungen an die Betroffenen sind oft fehl am Platz.

Bernd Mesovic

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tion mangels weiterer Daten gab es alsobeim weitaus größten Teil der Fälle offenbar gute Gründe für die Nichtaus-reise / Nichtabschiebung sowie einenvorliegenden Pass, sodass dann auchder Erteilung eines Aufenthaltstitelsnichts im Wege stand. Ein Beispiel: hiergeborene Kinder, für die »von Amts wegen« ein Asylverfahren eingeleitetund negativ beschieden wird, die aberaufgrund der Asylanerkennung ihrer Eltern dann doch ein Aufenthaltsrechterhalten.

Widerstand? Selten

Auch anhand der Zahlen zu Wider-standshandlungen der Abzuschieben-den ist zu bezweifeln, dass die politischeund mediale Aufbereitung des Themasder wirklichen Größe des Problems ent -spricht. So weist die Bundestags druck -sache 18/5862 genau 211 Fälle aus, in denen im Jahr 2015 Abschiebungen

auf dem Luftweg aufgrund von Wider-standshandlungen gescheitert sind. Im selben Jahr scheiterten 79 Flugab-schiebungen aus medizinischen Grün-den, in 93 Fällen weigerten sich Flug -gesellschaften oder Flugkapitäne, zurAbschiebung vorgesehene Personen zu transportieren. Ein Großteil der ge-scheiterten Abschiebungen dürfte beimzweiten oder dritten Versuch per Char-ter doch noch stattgefunden haben. InRelation zum gesamten Rückführungs-und Abschiebungsgeschehen im Jahre2015 sind die genannten Zahlen jeden-falls marginal.

Dasselbe gilt für das häufig diskutierteAbschiebungshindernis Kirchenasyl.Bundesweit bewegte sich die Zahl derKirchenasyle im Jahresverlauf 2015 zwischen 200 und 278. Inklusive der Familienangehörigen handelte es sichum 350-450 Personen. Damit erweistsich das Kirchenasyl nicht einmal bei der

Verhinderung von Dublin-Rückführun-gen als der zentrale Faktor, geschweigedenn in Bezug auf das Gesamtgesche-hen in Sachen Abschiebung.

Und dann ist da ja noch die Tatsache,dass manche Herkunftsländer ihre Leutenicht zurück haben wollen. Ihre jeweili-gen Motive, sich durch die Verweige-rung von Rückübernahmen von völker-rechtlichen Verpflichtungen zu lösen –selbst wenn es bilaterale Abkommengibt -, sind offenbar so verschieden wieschwer überwindbar. So sind etwa dieÜberweisungen von im Ausland leben-den Migranten und Flüchtlingen eingroßer Teil der Devisenflüsse, oft quan -titativ wichtiger als die Zahlungen imRahmen der Entwicklungshilfe. Die Debatte über das Thema wie die Ver -suche des Einwirkens auf die betreffen-den Staaten gibt es seit langer Zeit.Gleichwohl wird das Thema derzeit vonden Medien so behandelt, als handelees sich um ein eben erst entdecktes Problem.

Abschiebungsstopps:Eine Frage des Anstands

Abschiebestopps haben in den letztenJahren nur noch eine geringe Rolle ge-spielt. Gleichwohl wurde etwa nach Afghanistan kaum abgeschoben. Nichterklärtermaßen, aber faktisch handeltees sich um einen Abschiebungsstopp,denn den politisch Verantwortlichen inBund und Ländern war die Gefährlich-keit und politische Brisanz von Abschie-bungen nach Afghanistan deutlich. Jahrelang blieb der Abschiebungsstoppinoffiziell – man wollte offenbar am Prinzip der »Rückführbarkeit« und demGlauben an eine sich angeblich verbes-sernde Situation in Afghanistan fest -halten. Gleichwohl: Ein Vollzugsdefizit ist das nicht.

Besonders hämisch gehen Politiker gerne mit den sogenannten Winterab-schiebungsstopps um, die de facto derVergangenheit angehören. Sie wareneine ehrenwerte Reaktion auf das, was

© UNHCR / Achilleas Zavallis

49TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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bei der Rückführungsentscheidungstrukturell außer Acht geblieben war,nämlich die Tatsache, dass Abschiebun-gen besonders im Winter schlicht ge-sundheitsgefährdend bis lebensgefähr-lich sein können. In Gefahr geraten vorallem verarmte Menschen ohne Res-sourcen, die nach der Abschiebung keine Unterstützung erhalten und annichts mehr anknüpfen können, zum Teilnicht einmal Unterkünfte finden. Nein,Winter abschiebungsstopps waren keine »Humanitätsduselei«. So manche Aus-länderbehörde dürfte froh gewesensein, bei einem Blick auf die winterlicheWetterkarte Abschiebungen auf denBalkan einige Wochen lang nicht voll -ziehen zu müssen.

Hohe Anforderungen an Atteste

Die Auseinandersetzung um sogenann-te gesundheitsbedingte Abschiebungs-hindernisse gibt es ebenfalls seit vielenJahren. Mit dem Asylpaket II hat manden Druck zu Lasten von Asylsuchendenerhöht. Die Anforderungen an die Quali-tät von Attesten sind drastisch erhöhtworden. Demgegenüber hat man nichtdafür gesorgt, dass etwa Personen mit

massiven Traumata und ähnlichen Störungen im Lauf des Asylverfahrenserkannt werden können. Die wenigenvorliegenden Studien zum Thema legenes nahe, dass fast jeder zweite Asylsu-chende unter einer posttraumatischenBe lastungsstörung oder vergleichbaren Erkrankungen leidet. Doch der Gesetz-geber folgt der Propaganda, gesund-heitsbedingte Rückführungshindernisseseien oft Resultat sogenannter Gefällig-keitsatteste. Nach Rechtsprechung undPraxis trifft das nicht zu: Denn mit einpaar dürren Zeilen ließ sich auch bislangeine Abschiebung nicht dauerhaft ver-hindern.

Dublin: Abwickeln bedenklich

Doch lässt sich nicht wenigstens dieNichtdurchführung von Dublin-Rück-überstellungen unter den Begriff desVollzugsdefizites fassen? Nein, denn viele Überstellungshürden sind real. ImFalle Bulgariens, Ungarns und Italiensetwa gibt es gravierende Gründe, diegegen Abschiebungen sprechen. Immerwieder müssen sich Verwaltungsgerich-te mit der realen Situation in diesen undanderen Staaten auseinandersetzen.

Die Zustände dort liegen nahe an dem,was im Falle Griechenlands als »systemi-sche Mängel« zu jahrelanger Ausset-zung jeglicher Rücküberstellungen ge-führt hat. Das Asylsystem in Ungarn z.B. weist seit langem gravierende Män-gel auf und der Trend geht keineswegsin Richtung wirklicher Verbesserungen. Bereits 2014 hatten UNHCR und PROASYL auf die Tatsache willkürlicher Inhaftierungen von überstellten Asyl -suchenden hingewiesen. Das führtedazu, dass das Verwaltungsgericht Ber-lin im Januar 2015 Überstellungen nachUngarn untersagte. In Bulgarien sindFlüchtlinge nach Recherchen von PROASYL zumeist der Obdachlosigkeit aus-geliefert, nachdem sie schon exzessivebehördliche Gewalt bis hin zu Misshand-lung und Folter an der Grenze über -standen haben.

Vieles spricht gegen eine vereinfachen-de Darstellung des Themas der nichtvollzogenen Abschiebungen. Keinesfallsist davon auszugehen, dass der Großteilder im Verfahren Abgelehnten geradezumutwillig dafür sorgt. Wo valide Datenfehlen, begnügen sich manche Medienmit dem Einzelerlebnis oder dem Gene-ralverdacht. Angesichts der Tatsache,dass die Anwesenheit abgelehnter Asyl-suchender in Deutschland inzwischeneine zentrale Rolle in der rechtsextremis-tischen Propaganda spielt, ist ein ver -antwortungsvoller Umgang mit demThema besonders wichtig. ■

50 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

FLÜCHTLINGE IN SEENOT: HANDELN UND HELFEN. HINWEISE FÜR SKIPPER UND CREWS.

November 2015

Diese PRO ASYL-Broschüre soll Skippernund Crews helfen, ihrer Verantwortung für die Seenotrettung gerecht zu werden.Sie gibt einen Überblick über die Rege -lungen des Internatio nalen Rechts, kon-krete Verhaltenstipps zur Seenotrettungund eine Auswahl mit weiteren Quellenund Not rufnummern. Die Broschüre inDIN A6 umfasst 24 Seiten und ist auch in englischer und französischer Fassung (als pdf) erhältlich.

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Mussie Zerai weiß, was es heißt, in einerfremden Gesellschaft anzukommen. Er ist 16 Jahre alt, als er 1992 als Flücht-

ling Italien erreicht. In den ersten Jahren trägt erZeitungen aus, verkauft Obst, übersetzt für einenbritischen Priester. Später studiert er Theologie und Philosophie. Nach dem Erhalt der Priesterweiheentsendet ihn die katholische Kirche in Rom alsSeelsorger in die Schweiz.

Als ihn ein italienischer Journalist im Jahr 2003fragt, ob er für ihn in einem libyschen Gefängnisdolmetschen könne, kommt Zerai erstmals mit eritreischen Flüchtlingen, die auf dem Weg nachEuropa unterwegs sind, in Kontakt. Die Geschichtenseiner Landsleute lassen ihn fortan nicht mehr los,und er sieht sich in der Pflicht zu helfen. Schon baldnach seinem Besuch im Gefängnis erhält er Anrufevon den Menschen, die er dort kennengelernt hat,und wenig später auch von Flüchtlingen in Seenot.Jemand hatte Mussie Zerais Telefonnummer in dieWand des Gefängnisses geritzt mit dem Hinweis:»Bei Notfällen, diese Nummer anrufen!«

So ist die Telefonnummer des engagierten Pries-ters seit 2004 für zahlreiche Bootsflüchtlinge dieletzte Hoffnung – und vielfach auch die Rettung.»Lieber Baba, hilf uns schnell. Wir haben kein Essen,kein Wasser, und der Handyakku ist fast leer.« Sooder ähnlich lauten die tausendfachen Hilferufevon Bootsflüchtlingen, die Mussie Zerai bislang inüber zehn Jahren erreicht haben.

Wenn er Anrufe aus Seenot erhält, setzt sich Zeraisofort mit der italienischen Küstenwache in Verbin-dung. Schnell hat er gelernt, worauf es ankommt,

wenn ein Rettungsversuch erfolgreich verlaufensoll. Die italienische Küstenwache schätzt, dassMussie Zerai inzwischen bereits mehreren TausendMenschen das Leben gerettet hat. Rund um die Uhr ist der Priester erreichbar. Wenn er schläft, liegtdas Handy angeschaltet auf dem Nachttisch, wenner Messe feiert, »bewacht« es jemand für ihn.

Im Jahr 2006 gründet Zerai in Italien die Hilfsorga ni -sation »Agenzia Habeshia«, deren Aufgabe es unteranderem ist, Migrant*innen und Flüchtlinge in behördlichen Belangen und bei der Integration zu unterstützen. Schon bald betreibt »Father Mussie«,wie ihn viele Flüchtlinge nennen, mit seiner Organi-sation auch verstärkt Lobby- und Öffentlichkeits -arbeit für Bootsflüchtlinge, spricht im Radio undFernsehen, schreibt an Politiker*innen und Hilfs -organisationen. Es geht ihm darum, die Verantwort -lichen zur Rechenschaft zu ziehen. Auf die Fragenach seiner Motivation antwortet Zerai schlicht:»Wenn ich höre, dass jemand in Not ist, dann ist esmeine menschliche Verpflichtung, ihm zu helfen.«

Mussie Zerais Engagement macht Mut zur Nach -ahmung: Maßgeblich inspiriert von seinem Vorbildbetreiben unbezahlte Aktivist*innen des Monito-ring-Projekts »Watch the Med« seit Ende 2014 eineweitere Notrufnummer für Flüchtlinge in Seenot,das »Alarm Phone«.

Die Stiftung PRO ASYL würdigt Mussie Zerai undseinen unermüdlichen Einsatz für die Rettung undAufnahme von Flüchtlingen in Seenot in diesemJahr mit ihrem Menschenrechtspreis. Die Veranstal-tung zur Preisverleihung findet am 17. September2016 im Haus am Dom in Frankfurt am Main statt. ■

MUSSIE ZERAI Seine Nummer ist für viele die letzte Hoffnung.Die Stiftung PRO ASYL verleiht ihren Men schen -rechts preis 2016 demPriester und Flüchtlings-helfer Mussie Zerai, der sich seit über zehn Jahren mit beispiellosemEinsatz um die Rettungvon Flüchtlingen aus Seenot kümmert.

Kerstin Böffgen

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»DIFFERENZIERUNG IST AUFWÄNDIG – ABER ANDERS GEHT ES NICHT«

»Mit- und weiterdenken, kritisch nachfragen und Dialoge führen« – das ist Programm bei Sookee, Berliner Musikerin mit queer-feministischer Haltung.

Nicole Viusa und Marlene Becker haben die Rapperin interviewt.

Sookee, du hast unseren Appell »Zeit zu handeln« mitunterzeichnet. Wie kam es dazu?

Im vergangenen Sommer wimmelte es ja nur so von gutenund gutgemeinten Ausdrücken des Engagements öffent licherPersonen. Da gab es viele tolle Überraschungen. Hier und daroch es aber schlimm nach PR. Ich war unsicher, ob es über-haupt schlau wäre, sich in dieser Zeit über die Unterzeichnung eines solchen Papiers einzuschalten oder nicht. Ich bin seit einigen Jahren in antirassistisch-antifaschistischen Kontextenunterwegs, was sollte dann ein weiterer Appell noch bringen?

Befreundete Musiker, die auch enger mit PRO ASYL zusam -men arbeiten, erzählten mir davon, und da es vor allem um die Unterzeichnung und keine Imagekampagne ging, war ichdann doch dabei. Ich bin Idealistin. Ich bin nicht willens auf -zugeben. Da ist viel Platz im Spektrum zwischen autonomerSzene und arrivierten Institutionen.

Du bist auch Unterzeichnerin der Kampagne #ausnahms-los, die sich nach den Ereignissen der Silvester nacht inKöln vehement für die Rechte der Frauen, aber gleich -zeitig auch gegen den auf flammenden Rassismus positio-niert hat. Wie siehst du diese Debatte?

Mir war von Anfang an klar, wie eigentlich feministische Positionen gegen sexualisierte Gewalt an Frauen von Mitte-Konservativen und offen rechten Strukturen vereinnahmt wurden, um Stimmung gegen hier ankommende Geflüchteteund Menschen islamischen Glaubens (oder eben alle, die man dafür hält) zu machen.

Die Bildsprache und Headline-Hysterie so mancher Zeitunghob das Ganze noch in einen vermeintlich legitimen Rahmen.Obendrein schmetterten antifeministische Stimmen, dass die»jungen Netzfeministinnen« die Klappe halten würden, weilhier ihre »Lieblingsminderheit« zur Debatte stünde.

Ich war unheimlich froh, als Kübra Gümüsay, Emine Aslan,Anne Wizorek und andere dann zum Verfassen des #aus-

Sookee, Berliner Musikerin© Tainted Lenses

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nahmslos-Statements einluden, um mit den Vorwürfen, Ver allgemeine run gen und Einseitigkeiten aufzuräumen.

In der Diskussion um und nach Köln wurden Rassismusund Sexismus häufig gegeneinander ausgespielt.  Wasmeinst du, wie kann eine gut geführte Diskussion aus -sehen?

Rassismus und Sexismus lassen sich problemlos in ihrer Gleichzeitigkeit beleuchten, denn das Eine wird im Anderensicht bar. Das lässt sich vor allem an den Leerstellen erkennen:Die mediale Debatte suggerierte, dass die Betroffenen derÜbergriffe aus der Silvesternacht weiße deutsche Frauen gewesen seien. Das ist nirgendwo verifiziert. Die mögliche Betroffenheit von deutschen oder migrantischen Frauen of Color wurde überhaupt nicht in das Geschehen gedacht.

Auch wurde den als »nordafrikanisch aussehend« beschriebe-nen Tätern eine mögliche deutsche Identität abgesprochen.Die ihnen vorgeworfene »Trieb haftigkeit«, die man »demFlüchtling an sich« durch das Anerziehen »deutscher Werte«austreiben wollte, wurde im Zuge dessen kulturalisiert.

Weiterhin hegt die Gesellschaft in der Tendenz Zweifel, wennes um die Glaubwürdigkeit von Betroffenen sexualisierter Gewalt geht. Dafür spricht die geringe Anzeigen- und noch geringere Ver urteilungsquote bei Delikten in diesem Bereich.Aber selbst dieses Misstrauen wurde überwunden, da demStereotyp des Täters der Silvesternacht noch mehr Missgunstentgegenschlägt.

Sich dieser Verquickungen bewusst zu werden, ist meines Erachtens der Schlüssel zur Debatte. Differenzierung in einerkomplexen Welt ist aufwändig. Aber anders geht es nicht.

Einerseits gibt es eine breite ge sellschaftliche Unter -stützung für Flüchtlinge, andererseits steigt die Gewaltgegen sie und die politische Debatte driftet nach rechts.Wie empfindest du das?

Viele antizipieren eine Stimmung wie zu Beginn der 1930erJahre. Viele haben Angst davor, dass der Rechtsruck – euro pa weit – alle emanzipatorisch- humanis tischen Kräfte aushebelt. Ich teile diese Sorge. Zumal die Debatte mit Angst arbeitet. Sicherlich haben sich zahlreiche Gewalt- und Sexual-delikte, die angeblich durch ankommende Geflüchtete be -gangen wurden, als Fake heraus gestellt. Dennoch ist das Thema gesetzt und die Sensoren geschärft. Ich erwarte vomdeutschen Staat konkrete Maß nahmen zum Schutz von Ge-flüchteten. Stattdessen wird ein Asylpaket nach dem nächstengeschnürt und der braune Mob kann in Ruhe attackieren, während die Rechten die Mikrofone dieses Landes nutzen, um den entsprechenden Soundtrack zu skandieren.

Diese Zeit kommt mir atemlos vor. Die Politik hetzt den Ereig-nissen hinterher. Meine Phantasie reicht derweil nicht aus, um ein Szenario auszudenken, das einen besonneneren Kursbrächte.

Ich kann nur hoffen, dass die Parteien links der Sozialdemo - kratie mit visionären, radikal-emanzipatorischen Themen in den Wahlkampf gehen, um eine Wende herbeizuführen.Gleich zeitig muss die offene Zivilgesellschaft einen langenAtem haben, um dem Rechtsruck Stand zu halten und weiter-hin den Menschen im Menschen zu sehen. Und damit meineich nicht die alten und neuen Nazis in ihren unterschiedlichs-ten Er scheinun gen.

Wie nimmst du die Situation von geflüchteten Frauen in Deutschland wahr?

Ich meine, sie werden überwiegend unsichtbar gemacht oderauf weibliche Stereotype zurückgeworfen. Sie sind im bestenFall die schutzbedürftigen Schwangeren oder kapitalisierbaren potentiellen Pflegekräfte von morgen. Im Zuge der ›Positiv -beispiele‹ entlang von Aktivisten, Akademikern, Künstlern (also allen, die als ›integrationswillig‹ skizziert werden) tauchen sienicht auf. Da ist sie wieder, die Gleichzeitigkeit.

Was denkst du, muss jetzt zivilgesellschaftlich passierenund welche Rolle kann dabei Musik spielen?

Kultur im Allgemeinen kann mit glücklichen Einzelbeispielenoder auch gutem Vorbild voran gehen. Menschen, die den Zeitgeist in ihrer kulturellen Äußerung bearbeiten, sind für dieOrientierung unheimlich wichtig, denke ich.

Auf die Regierung ist kein Verlass, das ganze Thema in Ruhe zu bringen und den Menschen vom Überleben ins Leben zu helfen. Auch wenn das Ehrenamt und soziale Formen von Arbeit den Staat an der falschen Stelle entlasten, ist jede Person dringend vonnöten, die Gesellschaft außerhalb der Parlamente zu gestalten.

Unterstützt du konkret flüchtlingspolitische Projekteoder Initiativen?

Ich bin unheimlich froh, dass das von 100 Frauen aus Kulturund Wissenschaft gegründete Aktionsbündnis »Wir machendas« (http://wirmachendas.jetzt) genau das eben Beschriebe-ne leistet: Da, wo Merkel mit »Wir schaffen das« nur in Aus-sicht stellt und im Konjunktiv denkt, zeigen Menschen, wie die Praxis aussehen kann und dass das »Zusammenleben mit Menschen, die nach Deutschland kommen, auf Augenhöheund auf Dauer möglich ist«. Weiterhin finde ich »Flüchtlinge Willkommen«, die Geflüchtete in den privaten Wohnraum vermitteln, unheimlich wertvoll. ■

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Mussie Zerai weiß, was es heißt, in einerfremden Gesellschaft anzukommen. Erist 16 Jahre alt, als er 1992 als FlüchtlingItalien erreicht. In den ersten Jahrenträgt er Zeitungen aus, verkauft Obst,übersetzt für einen britischen Priester.Später studiert er Theologie und Philo-sophie. Nach dem Erhalt der Priesterwei-he entsendet ihn die katholische Kirchein Rom als Seelsorger in die Schweiz.

Als ihn ein italienischer Journalist imJahr 2003 fragt, ob er für ihn in einem li-byschen Gefängnis dolmetschen könne,kommt Zerai erstmals mit eritreischenFlüchtlingen, die auf dem Weg nachEuropa unterwegs sind, in Kontakt. DieGeschichten seiner Landsleute lassenihn fortan nicht mehr los, und er siehtsich in der Pflicht zu helfen. Schon baldnach seinem Besuch im Gefängnis erhälter Anrufe von den Menschen, die er dortkennengelernt hat, und wenig späterauch von Flüchtlingen in Seenot. Je-mand hatte Mussie Zerais Telefonnum-mer in die Wand des Gefängnisses ge-ritzt mit dem Hinweis: »Bei Notfällen,diese Nummer anrufen!«

So ist die Telefonnummer des engagier-ten Priesters seit 2004 für zahlreicheBootsflüchtlinge die letzte Hoffnung –

und vielfach auch die Rettung. »LieberBaba, hilf uns schnell. Wir haben kein Es-sen, kein Wasser, und der Handyakku istfast leer.« So oder ähnlich lauten die tau-sendfachen Hilferufe von Bootsflüchtlin-gen, die Mussie Zerai bislang in überzehn Jahren erreicht haben.

Wenn er Anrufe aus Seenot erhält, setztsich Zerai sofort mit der italienischenKüstenwache in Verbindung. Schnell hater gelernt, worauf es ankommt, wennein Rettungsversuch erfolgreich verlau-fen soll. Die italienische Küstenwacheschätzt, dass Mussie Zerai inzwischenbereits mehreren Tausend Menschendas Leben gerettet hat. Rund um die Uhrist der Priester erreichbar. Wenn erschläft, liegt das Handy angeschaltet aufdem Nachttisch, wenn er Messe feiert,»bewacht« es jemand für ihn.

Im Jahr 2006 gründet Zerai in Italien dieHilfsorganisation »Agenzia Habeshia«,deren Aufgabe es unter anderem ist, Mi-grant*innen und Flüchtlinge in behördli-chen Belangen und bei der Integrationzu unterstützen. Schon bald betreibt»Father Mussie«, wie ihn viele Flüchtlin-ge nennen, mit seiner Organisation auchverstärkt Lobby- und Öffentlichkeitsar-beit für Bootsflüchtlinge, spricht im Ra-

dio und Fernsehen, schreibt an Politi-ker*innen und Hilfsorganisationen. Esgeht ihm darum, die Verantwortlichenzur Rechenschaft zu ziehen. Auf die Fra-ge nach seiner Motivation, antwortetZerai schlicht: »Wenn ich höre, dass je-mand in Not ist, dann ist es meinemenschliche Verpflichtung, ihm zu hel-fen.«.

Mussie Zenais Engagement macht Mutzur Nachahmung: Maßgeblich inspiriertvon seinem Vorbild betreiben unbezahl-te Aktivist*innen des Monitoring-Pro-jekts »Watch the Med« seit Ende 2014eine weitere Notrufnummer für Flücht-linge in Seenot, das »Alarm Phone«.

Die Stiftung PRO ASYL würdigt MussieZerai und seinen unermüdlichen Einsatzfür die Rettung und Aufnahme vonFlüchtlingen in Seenot in diesem Jahrmit ihrem Menschenrechtspreis. Die Ver-anstaltung zur Preisverleihung findetam 17. September 2016 im Haus amDom in Frankfurt am Main statt.

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Amadeu Antonio StiftungNovalisstraße 12, 10115 BerlinTel.: 030 / 24 08 86 10, Fax: 030 / 24 08 86 22Homepage: www.amadeu-antonio-stiftung.deE-Mail: [email protected]

Amnesty International Sektion der BRD e.V.Zinnowitzer Straße 8, 10115 BerlinTel.: 030 / 42 02 48 0, Fax: 030 / 42 02 48 488Homepage: www.amnesty.deE-Mail: [email protected]

Arbeiterwohlfahrt – Bundesverband e.V.Heinrich-Albertz-Haus Blücherstr. 62/63, 10961 BerlinTel.: 030 / 263 09 - 0, Fax: 030 / 263 09 - 325 99Homepage: www.awo.orgE-Mail: [email protected]

Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und IntegrationBundeskanzleramt Willy-Brandt-Str. 1, 10557 BerlinTel.: 030 / 18 400 16 40, Fax: 030 / 18 400 16 06Homepage: www.bundesregierung.deE-Mail: [email protected]

Brot für die Welt – Evangelischer EntwicklungsdienstEvangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.Caroline-Michaelis-Str.1, 10115 BerlinTel.: 030 / 652 11-0, Fax: 030 / 652 11-33 33Homepage: www.brot-fuer-die-welt.deE-Mail: [email protected]

Bundesfachverband Unbegleitete Minder -jährige Flüchtlinge e.V.Paulsenstr. 55-56, 12163 BerlinTel.: 030 / 82 09 743 - 0 Homepage: www.b-umf.deE-Mail: [email protected]

Connection e.V.Von-Behring-Str. 110, 63075 OffenbachTel.: 069 / 82 37 55 34, Fax: 069 / 82 37 55 35Homepage: www.connection-ev.deE-Mail: [email protected]

Der Paritätische Gesamtverband Flüchtlingshilfe und MigrationssozialarbeitOranienburger Str. 13-14, 10178 BerlinTel.: 030 / 246 36 0, Fax: 030 / 246 36 110Homepage: www.migration.paritaet.org/E-Mail: [email protected]

Deutscher Caritasverband e.V. Referat Migration und IntegrationKarlstr. 40, 79104 FreiburgTel.: 0761 / 200-376, Fax: 0761 / 20 07 55Homepage: www.caritas.deE-Mail: [email protected]

Deutscher Anwaltverein (DAV) e.V.Littenstraße 11, D-10179 BerlinTel.: 030 / 72 61 52-0, Fax: 030 / 72 61 52-190Homepage: www.anwaltverein.de E-Mail: [email protected]

Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte insozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)Körtestr. 10, 10967 BerlinTel.: 030 / 698 07 40, Fax: 030 / 693 81 66Homepage: www.ippnw.deE-Mail: [email protected]

Deutsches Institut für Menschenrechte e.V.Zimmerstraße 26/27, 10969 BerlinTel.: 030 / 25 93 59 0, Fax: 030 / 25 93 59 59Homepage: www.institut-fuer-menschenrechte.de/E-Mail: [email protected]

Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat – Team Migration und IntegrationCarstennstr. 58, 12205 BerlinTel.: 030 / 854 04 0, Fax: 030 / 854 04 450Homepage: www.drk.deE-Mail: [email protected]

Diakonie Deutschland –Evangelischer BundesverbandEvangelisches Werk für Diakonie und EntwicklungCaroline-Michaelis-Straße 1, 10115 BerlinTel.: 030 / 652 11 0, Fax: 030 / 652 11 33 33Homepage: www.diakonie.deE-Mail: [email protected]

European Council on Refugees and Exiles, ECRE Brussels OfficeRue Royale 146, 1st Floor, 1000 Brussels, BelgiumTel: +32 (0)2 234 38 00, Fax: +32 (0)2 514 59 22Homepage: www.ecre.orgE-Mail: [email protected]

Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.Postfach 2024, 37010 GöttingenTel.: 0551 / 49 90 60, Fax: 0551 / 580 28Homepage: www.gfbv.deE-Mail: [email protected]

Informationsverbund Asyl und Migration e.V.Haus der Demokratie und MenschenrechteGreifswalder Str. 4, 10405 BerlinFax: 030 / 46 79 33 29Homepage: www.asyl.netE-Mail: [email protected]

Interkultureller Rat in Deutschland e.V.Goebelstr. 21, 64293 DarmstadtTel.: 06151 / 33 99 71, Fax: 06151 / 39 19 740Homepage: www.interkultureller-rat.deE-Mail: [email protected]

Internationale Liga für MenschenrechteHaus der Demokratie und MenschenrechteGreifswalder Str. 4, 10405 BerlinTel.: 030 / 39 62 122, Fax: 030 / 39 62 147Homepage: www.ilmr.deE-Mail: [email protected]

Jesuiten-Flüchtlingsdienst DeutschlandWitzlebenstraße 30a, 14057 BerlinTel.: 030 / 32 60 25 90, Fax: 030 / 32 60 25 92Homepage: www.jesuiten-fluechtlingsdienst.deE-Mail: [email protected]

Jugendliche ohne GrenzenTel: 0172 / 288 89 38Homepage: www.jogspace.netE-Mail: [email protected]

Kirchenamt der EKDHerrenhäuser Str. 12, 30419 HannoverTel.: 0511 / 27 96 0, Fax: 0511 / 27 96 707Homepage: www.ekd.deE-Mail: [email protected]

Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V. Aquinostr. 7-11, 50670 KölnTel.: 0221 / 97 26 920, Fax: 0221 / 97 26 931Homepage: www.grundrechtekomitee.deE-Mail: [email protected]

Kommissariat der Deutschen BischöfeHannoversche Str. 5, 10115 BerlinTel.: 030 / 288 78 0, Fax: 030 / 288 78 108Homepage: www.kath-buero.deE-Mail: [email protected]

medica mondiale e.V.Hülchrather Str. 4, 50670 KölnTel.: 0221 / 93 18 98 0, Fax: 0221 / 93 18 98 1Homepage: www.medicamondiale.orgE-Mail: [email protected]

medico internationalBurgstr. 106, 60389 FrankfurtTel.: 069 / 94 438 0, Fax: 069 / 43 60 02Homepage: www.medico.deE-Mail: [email protected]

ADRESSEN

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Neue RichtervereinigungGreifswalder Straße 4, 10405 BerlinTel.: 030 / 42 02 23 49, Fax: 030 / 42 02 23 50Homepage: www.neuerichter.de E-Mail: [email protected]

Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. Kirche Zum Heiligen Kreuz Zossener Str. 65, 10961 BerlinTel.: 030 / 25 89 88 91, Fax: 030 / 69 04 10 18Homepage: www.kirchenasyl.deE-Mail: [email protected]

Ökumenischer Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen WochePostfach 160646, 60069 FrankfurtTel.: 069 / 24 23 14 60, Fax: 069 / 24 23 14 71Homepage: www.interkulturellewoche.deE-Mail: [email protected]

pax christi – Internationale katholischeFriedens bewegung Deutsche Sektion, SekretariatHedwigskirchgasse 3, 10117 BerlinTel.: 030 / 200 76 78 0, Fax: 030 / 200 76 78 19Homepage: www.paxchristi.de/E-Mail: [email protected]

PRO ASYLPostfach 160624, 60069 FrankfurtTel.: 069 / 24 23 14 - 0, Fax: 069 / 24 23 14 72Homepage: www.proasyl.deE-Mail: [email protected]

TERRE DES FEMMES –Menschenrechte für die Frau e.V.Brunnenstr. 128, 13355 BerlinTel.: 030 / 40 50 46 99 0, Fax: 030 / 40 50 46 99 99Homepage: www.frauenrechte.deE-Mail: [email protected]

terre des hommes Deutschland e.V.Ruppenkampstr. 11a, 49084 OsnabrückTel.: 0541 / 71 01 0, Fax: 0541 / 70 72 33Homepage: www.tdh.deE-Mail: [email protected]

UNHCR-Vertretung für Deutschland Zimmerstr. 79/80, 10117 BerlinTel.: 030 / 20 22 02 0, Fax: 030 / 20 22 02 20Homepage: www.unhcr.deE-Mail: [email protected]

UNO Flüchtlingshilfe e.V.Wilhelmstr. 42, 53111 BonnTel.: 0228 / 62 98 60, Fax: 0228 / 629 86 11Homepage: www.uno-fluechtlingshilfe.deE-Mail: [email protected]

Verband binationaler Familien und Partner schaften, iaf e.V.Ludolfusstr. 2 - 4, 60487 FrankfurtTel.: 069 / 713 75 60, Fax: 069 / 707 50 92Homepage: www.verband-binationaler.deE-Mail: [email protected]

Verband für Interkulturelle Arbeit e.V. (VIA)Am Buchenbaum 21, 47051 DuisburgTel.: 0203 / 728 42 82, Fax: 0203 / 728 42 83Homepage: www.via-bund.deE-Mail: [email protected]

Landesweite Flüchtlingsräte

Wer Informationen braucht, Referentinnenund Referenten sucht oder in Flüchtlings -initiativen mitarbeiten will, findet bei den Flüchtlingsräten der Bundesländer Ansprechpartner.

Baden-Württemberg: FlüchtlingsratHauptstätter Str. 57, 70178 StuttgartTel.: 0711 / 55 32 83 4; Fax: 0711 / 55 32 83 5Homepage: www.fluechtlingsrat-bw.de E-Mail: [email protected]

Bayern: FlüchtlingsratAugsburger Str. 13, 80337 MünchenTel.: 089 / 76 22 34, Fax: 089 / 76 22 36Homepage: www.fluechtlingsrat-bayern.de E-Mail: [email protected]

Berlin: FlüchtlingsratGeorgenkirchstr. 69-70, 10249 BerlinTel.: 030 / 24 34 45 76 2, Fax: 030 / 24 34 45 76 3Homepage: www.fluechtlingsrat-berlin.deE-Mail: [email protected]

Brandenburg: FlüchtlingsratRudolf-Breitscheid-Str. 164, 14482 PotsdamTel.: 0331 / 71 64 99, Fax: 0331 / 88 71 54 60Homepage: www.fluechtlingsrat-brandenburg.de E-Mail: [email protected]

Bremen: Flüchtlingsrat St. Jürgenstrasse 102, 28203 BremenTel.: 0421 / 41 66 12 18, Fax: 0421 / 41 66 12 19 Homepage: www.fluechtlingsrat-bremen.deE-Mail: [email protected]

Hamburg: FlüchtlingsratNernstweg 32-34, 22765 HamburgTel.: 040 / 43 15 87, Fax: 040 / 430 44 90Homepage: www.fluechtlingsrat-hamburg.de E-Mail: [email protected]

Hessen: FlüchtlingsratLeipziger Str. 17, 60487 FrankfurtTel.: 069 / 97 69 87 10, Fax: 069 / 97 69 87 11Homepage: www.fr-hessen.de E-Mail: [email protected]

Mecklenburg-Vorpommern: FlüchtlingsratPostfach 11 02 29, 19002 SchwerinTel.: 0385 / 58 15 790, Fax: 0385 / 58 15 791Homepage: www.fluechtlingsrat-mv.de E-Mail: [email protected]

Niedersachsen: FlüchtlingsratRöpkestr. 12, 30173 HannoverTel.: 0511 / 98 24 60 30, Fax: 0511 / 98 24 60 31Homepage: www.nds-fluerat.orgE-Mail: [email protected]

Nordrhein-Westfalen: FlüchtlingsratWittener Str. 201, 44803 BochumTel.: 0234 / 58 73 15 6, Fax: 0234 / 58 73 15 75Homepage: www.frnrw.de E-Mail: [email protected]

Rheinland-Pfalz: Arbeitskreis Asyl Kurhausstr. 8, 55543 Bad KreuznachTel.: 0671 / 84 59 15 2, Fax: 0671 / 84 59 15 4Homepage: www.asyl-rlp.org E-Mail: [email protected]

Saarland: FlüchtlingsratKaiser Friedrich Ring 46, 66740 Saarlouis Tel.: 06831 / 48 77 93 8, Fax: 06831 / 48 77 93 9Homepage: www.asyl-saar.deE-Mail: [email protected]

Sachsen: Flüchtlingsrat Dammweg 5, 01097 DresdenTel.: 0351 / 874 517 10, Fax: 0351 / 332 947 50Homepage: www.saechsischer-fluechtlingsrat.deE-Mail: [email protected]

Sachsen-Anhalt: FlüchtlingsratSchellingstraße 3-4, 39104 MagdeburgTel.: 0391 / 53 71 281, Fax: 0391 / 53 71 280 Homepage: www.fluechtlingsrat-lsa.deE-Mail: [email protected]

Schleswig-Holstein: FlüchtlingsratSophienblatt 82-86, 24114 KielTel.: 0431 / 73 50 00, Fax: 0431 / 73 60 77Homepage: www.frsh.deE-Mail: [email protected]

Thüringen: FlüchtlingsratSchillerstraße 44, 99096 ErfurtTel.: 0361 / 518 05 125, Fax: 0361 / 518 84 328Homepage: www.fluechtlingsrat-thr.deE-Mail: [email protected]

56 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

____ Heft(e) zum Tag des Flüchtlings 2016 (ca. 56 S., DIN A4; 2,50 Euro pro Ex; zzgl. Versand, ab 10 Stück pro Ex. 1,50Euro, zzgl. Versand)

____ Plakat(e) zum Tag des Flüchtlings 2016(DIN A3; kostenlos; zzgl. Versand)

GEMEINSAM GEGEN RASSISMUS

Aufkleberset(s) »Warnhinweise: Rassismus gefährdet … « à 5 Motive (DIN A7; kostenlos; zzgl. Versand)

____ Plakatset(s) »Warnhinweise: Rassismus gefährdet … à 5 Motive (DIN A3; kostenlos; zzgl. Versand)

____ Info Flyer »Aufstehen gegenrechte Hetze und Gewalt«(DIN Lang; kostenlos, zzgl. Versand)

____ Plakat(e) »Wer hilft mit, Familie Salawi zu überfallen? Alle, die … «(DIN A2; kostenlos, zzgl. Versand)

____ Postkarte(n) »Wer hilft mit, Familie Salawi zu überfallen? Alle, die … «(DIN A6; kostenlos, zzgl. Versand)

ASYL IN DEUTSCHLAND

____ Faltblatt/Faltblätter »Wir tretenein! Für Flüchtlingsschutz. GegenDublin III« (Januar 2015; DIN lang; 12 S.;kostenlos, zzgl. Versand)

____ Broschüre(n) »Wir treten ein! Erste Hilfe gegen Dublin-Abschiebun-gen. Basiswissen und Tipps für dieEinzelfallarbeit« (Januar 2015; DIN A6;36 Seiten; kostenlos, zzgl. Versand)

____ Broschüre(n) »Wir treten ein!Fair verfahren: Analysen und Vor-schläge für eine gerechte Flüchtlings-politik« (Januar 2015; DIN A5, 28 S.; 0,50 Euro pro Ex. zzgl. Versand)

____ Leitfaden »Herzlich Willkom-men. Wie man sich für Flüchtlinge engagieren kann« (Dezember 2015;DIN A6; 46 S.; kostenlos; ab einer Bestell-menge von über 100 Stück: 0,15 EUR proEx. zzgl. Versand)

____ Broschüre(n) »pro menschen-rechte. contra vorurteile – Fakten undArgumente zur Debatte über Flücht-linge in Deutschland und Europa.«(Hg. Amadeu Antonio Stiftung, PROASYL u.a.; 2. aktualisierte Auflage, September 2015; DIN A6, 36 S.; kosten-los; zzgl. Versand, ab 100 Stück: 0,15 EURpro Ex.; zzgl. Versand)

____ Broschüre(n) »RechtsgutachtenWestbalkan I: Serbien, Mazedonienund Bosnien/Herzegowina« (April 2014; DIN A4, 172 S.; 5,00 Euro pro Ex.; zzgl. Versand)

____ Broschüre(n) »RechtsgutachtenWestbalkan II: Albanien und Monte-negro« (Mai 2014; DIN A4; 42 S.; 3,00 Euro pro Ex.; zzgl. Versand)

EUROPÄISCHE ASYLPOLITIK

____ Broschüre(n) »Flucht brauchtWege!« Positionen für eine neue euro-päische Flüchtlingspolitik (September2014; DIN A5; 24 S.; 0,80 Euro pro Ex.zzgl. Versand)

____ Broschüre(n) »Flucht ohne Ankunft« Die Misere von internationalSchutzberechtigten in der EU (Novem-ber 2014; DIN A5; 24 S.; 0,80 Euro pro Ex.zzgl. Versand)

____ Broschüre(n) »Flüchtlinge inSeenot. Handeln und helfen. Hin -weise für Skipper und Crews«(deutsch; November 2015; DIN A6, 23 S.; kostenlos; zzgl. Versand)

BÜCHER

____ Grundrechte-Report 2016 (Hg.: T. Müller-Heidelberg, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming u.a.; Fischer Taschenbuchverlag; 240 S.; 10,99 Europro Ex. zzgl. Versand)

____ »Aufnehmen statt Abwehren –Flucht Asyl und zivilgesellschaftlichesEngagement« (Hg.: PRO ASYL e.V.; vonLoeper Verlag; November 2011; 120 S.,kartoniert; 24,90 Euro pro Ex. zzgl. Ver-sand)

ÜBER PRO ASYL

____ Tätigkeitsbericht(e) PRO ASYL2015/2016« (ab Juli 2016; DIN A5; kostenlos)

STIFTUNG PRO ASYL

____ Broschüre(n) »Vererben SieSchutz und Menschenrechte: Ein Leit-faden zu Testament und Erbschaft«(Dezember 2015 Format: DIN A5, 30 S.;kostenlos)

57TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

ICH BESTELLE

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Um den Aufwand bei der BearbeitungIhrer Bestellung in Grenzen zu halten,berechnen wir Ihnen pro Produktgruppeeine Versandkostenpauschale:

1: Broschüren und Faltblätter: 2 €2: T-Shirts, Taschen, Beutel und

Buttons: 2 €3: Bücher: 3 €

Wenn Sie in einer Bestellung ver -schiedene Produktklassen kombinieren,addieren sich die Versandkosten -pauschalen. Alle angegebenen Preiseinkl. MwSt.

Bitte bedenken Sie, dass uns bei der Entwicklung unserer Materialien Kostenentstehen. Jede Spende hilft uns dabei,weiterhin kostenloses Informations -material anbieten zu können.

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Förderverein PRO ASYL e.V.Postfach 16062460069 Frankfurt/M.

Oder per Fax an: 069 / 24 23 14 - 72

Alle Materialien sind auch unterwww.proasyl.de bestellbar.

● Neue Versandkosten-

pauschaleMACH MAL MEINUNG!Mit den T-Shirts, Taschen und Beuteln von PRO ASYL

Ich bestelle:

BUTTONS

Die roten Buttons mit der Aufschrift »PRO ASYL« haben einen Durchmesser von ca. 2,5 cm und werden in einem 10er-Pack an Sie verschickt. (2 Euro zzgl. Versand)

____ 10er-Pack(s) Buttons »PRO ASYL«

T-SHIRTS

Unser PRO ASYL-Shirt ist ein Single Jersey T-Shirtvon Stanley & Stella. Das heißt: 100 % ringgesponnene,gekämmte Baumwolle aus kontrolliert biologischemAnbau, hergestellt nach den Richtlinien der Fair-Wear Foundation und GOTS-zertifiziert. Aufdruck Vorderseite: »Menschenrechte kennen keine Grenzen«; Aufdruck Rückseite: kleines PRO ASYL-Logo unterhalb des Kragens »PRO ASYL – der Einzelfall zählt«(15 Euro pro Stück zzgl. Versand)

____ Damen T-Shirt(s) »PRO ASYL« ® S ® M ® L ® XL

____ Herren T-Shirt(s) »PRO ASYL« ® S ® M ® L ® XL ® XXL

STOFFTASCHE

Diese klassische Baumwolltasche aus 100% Bio baumwolle hat die Maße 38 x 42 cm. Das Fair-Trade-Zertifikat garantiert, dass die Tascheunter fairen Bedingungen ohne Kinderarbeit her -gestellt wurde. (5 Euro pro Stück zzgl. Versand)

____ Stofftasche(n)

SPORTBEUTEL

Der Sportbeutel aus 100% Bio baumwolle hat die Maße 32 x 40 cm (klassische Turnbeutel kommen in 34 x 46 cm) und trägt das Global Organic Textile Standard Zertifikat sowie das Fairtrade Certified Cotton Zertifikat von Transfair. (7 Euro pro Stück zzgl. Versand)

_____ Sportbeutel

58 TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

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59TAG DES FLÜCHTLINGS 2016

HERAUSGEGEBEN ZUM TAG DES FLÜCHTLINGS AM 30. SEPTEMBER 2016

Herausgeber: PRO ASYL, Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge

Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Interkulturellen Woche statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschusszur Interkulturellen Woche vorbereitet.

Bei PRO ASYL arbeiten mit: Javad Adineh, Frankfurt/M.; Karim Alwasiti, Hildesheim; Veronika Arendt- Rojahn,Berlin; Karin Asboe, Düsseldorf; Herbert Becher, Bonn; Dominik Bender, Frankfurt/M.; Maria Bethke, Gießen; Berenice Böhlo, Berlin; Günter Burkhardt, Frankfurt/M.; Carlotta Conrad, Berlin; Nevroz Duman, Hanau; SigridEbritsch, Hannover; Anuscheh Farahat, Frankfurt/M.; Janina Gieseking, Gießen; Wolfgang Grenz, Berlin; HubertHeinhold, München; Jost Hess, Weiden; Volker M. Hügel, Münster; Dietlind Jochims, Hamburg; Heiko Kauffmann,Düsseldorf; Stefan Keßler, Brüssel; Thorsten Leißer, Hannover; Herbert Leuninger, Limburg; Andreas Lipsch,Frankfurt/M.; Harald Löhlein, Berlin; Jürgen Mattis, Frankfurt/M.; Dr. Jürgen Micksch, Darmstadt; Siegfried Müller,Büdingen; Victor Pfaff, Frankfurt/M.; Pater Frido SJ Pflüger, Berlin; Albert Riedelsheimer, Donauwörth; Dirk Sabrowski, Bonn; Joachim Schaefer, Wetzlar; Andreas Schwantner, Neu-Isenburg; Uli Sextro, Ingelheim; MichaelStenger, München; Katharina Vogt, Berlin; Hans-Dieter Walker, Berlin

Behrouz Asadi (Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz); Bernhard Dahm (Saarländischer Flüchtlingsrat); Ivana Doma-zet (Flüchtlingsrat Brandenburg); Cornelia Gunßer (Flüchtlingsrat Hamburg); Doreen Klamann-Senz (Flüchtlings-rat Mecklenburg-Vorpommern); Ellen Könneker (Flüchtlingsrat Thüringen); Antje Arndt (Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt); Martin Link (Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein); Angelika von Loeper (Flüchtlingsrat Baden-Württem-berg); Martina Mauer (Flüchtlingsrat Berlin); Ali Moradi (Sächsischer Flüchtlingsrat); Birgit Naujoks (Flücht lings ratNordrhein-Westfalen); Britta Ratsch-Menke (Zuflucht – Ökumenische Ausländerarbeit Bremen); Timmo Scheren-berg (Hessischer Flüchtlingsrat); Kai Weber (Flüchtlingsrat Niedersachsen); Matthias Weinzierl (BayerischerFlüchtlingsrat)

Beraterin: Katharina Lumpp, Berlin

Redaktion: Günter Burkhardt, Andrea Kothen

Redaktionsschluss: April 2016

Titelbild: Dieter Klöckner/Imke Thiele, Frankfurt/M., Foto: UNHCR/D’AmatoLayout: Wolfgang Scheffler, MainzHerstellung: alpha print medien AG, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt

Förderverein PRO ASYL e. V.Postfach 160624, 60069 Frankfurt/M.Telefon: 069 / 24 23 14 -0Telefax: 069 / 24 23 14 -72

[email protected]

Spendenkonto bei der Bank für Sozialwirtschaft KölnIBAN: DE62 3702 0500 0008 0473 00BIC: BFSWD33XXX

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