1968 Léopold Sédar Senghor - friedenspreis-des-deutschen ... · Mythos noch eine tabula rasa. Es...

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1968 Léopold Sédar Senghor

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1968Léopold Sédar Senghor

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François Bondy_________________________________

Laudatio

Excellence et cher poète,

als Dichter, Linguist, Lehrer, Kulturphilo-soph, politischer Schriftsteller, als französischerAbgeordneter und Minister, als afrikanischerStaatsmann, haben Sie stets die Methode desDialogs gepriesen, den Sie in der negro-afrikani-schen Tradition des Palavers, in der berbero-arabischen Tradition der Djemaa finden, und Siehaben diese Methode im Rahmen des Möglichen- das ist im politischen Kampf nicht das gleichewie in der geistigen Auseinandersetzung - vorge-lebt. In Ihrer zweifachen Bindung - zu den ne-gro-afrikanischen Traditionen und zur französi-schen Kultur - haben Sie zugleich als Dichterund als öffentliche Persönlichkeit gewirkt; ge-rade in Frankreich gehört das zum Begriff derLiteratur, wie er von Agrippa d'Aubigné überVoltaire bis zu Gide, Malraux und Sartre reicht.

Sie haben die Erfahrung der Fremde und derNeuverwurzelung gestaltet, der Zerrissenheitund der Versöhnung, und haben sie für anderefruchtbar gemacht. Innerhalb dieser historischund persönlich bedingten Komplexität haben Siedie Treue zum Ursprünglichen bewahrt, das sichin Ihrer frühesten Dichtung in der traumhaftenAtmosphäre einer glücklichen, entscheidend vonder Mutter bestimmten Kindheit ausdrückt; vomVater, Basile Djogoye Senghor, Grundbesitzerund Großhändler, zu dessen Viehbestand nochDromedare gehören, erinnern Sie sich, wie ermit seinem Freund und Verwandten, KumbaNdofene, dem König von Sine, Besuche undGeschenke austauschte. Das ist noch nicht das>Gespensterafrika< - >L'Afrique fantome< desEthnologen Michel Leiris, nicht die >Afriqueambiguë<, das zwielichtige Afrika des Soziolo-gen Georges Balandier, sondern näher der römi-schen >Africa portentosa<, näher jenem Afrikader Wunder, von dem Rabelais schrieb, vondorther sei immer etwas Kostbares zu erwarten.

Ihr Afrika, Exzellenz, ist aber weder einMythos noch eine tabula rasa. Es ist auch nichtvon den paar Jahrzehnten der Kolonialverwal-

tung so umgepflügt, daß fortan die Denunzie-rung dieses Kolonialismus eine positive Haltungersetzen, zu einer produktiven Leistung hinrei-chen würde -niemand hat das so stark betont wieSie. Zugleich ist dieses Afrika allerdings durchdrei Jahrhunderte vielfältiger Beziehungen soumgeformt worden, daß auch dieses einwirkendeEuropa fortan zum afrikanischen Erbe gehört.

Ihre Lyrik, die sich von Ihrer Politik nichttrennen läßt, so sehr sie eigenen Gesetzen folgt,ist keine Flucht aus dieser Wirklichkeit gewesen.Ihr Realismus hat ohne Zweifel mit jener souve-ränen Selbstsicherheit zu tun, wie die früheKindheit sie begründete und wie sie in der vor-kolonialen Zeit die Regel war, als afrikanischeund europäische Reiche noch von keinem tech-nologischen Abgrund getrennt waren.

Zwischen Habib Bourguiba, dem >Arabo-Berber<, um Ihre Einteilung zu verwenden, undJomo Kenyatta oder Julius Nyerere, oder auchjenen Präsidenten des frankophonen Afrika, diebei aller revolutionären Ideologie so ruhmvolldynastische Namen tragen wie Keita und Touré,sind Sie ein Staatsmann von besonderer Aus-strahlung, aber grundsätzlich von gleicher Art.In der modernen negro-afrikanischen Lyrik undEssayistik kommt Ihnen jedoch eine einzigartigeBedeutung zu; das bestätigen auch jene Kritiker,die den von Ihnen unermüdlich gekündeten Be-griff der >Négritude< in Zweifel ziehen.

In der praktischen Politik kann ein einzelnerniemals ein >Werk< vorweisen, das sich durch-aus mit seinen Träumen, seinen Intentionendeckte. Deshalb sind bei Ihnen, als einem großenVertreter des afrikanischen Friedensgedankens,auch die Visionen, die Ansätze, die Versuche zuwürdigen, die über Ihr Wirken hinaus Ver-mächtnis an spätere Generationen bleiben. Giltein Gleiches nicht auch für zwei der schwarzenTräger des Friedensnobelpreises, Chief AlbertLuthuli, der bis zu seinem Tod der Verfolgungausgesetzt war, und den ermordeten Martin Lu-ther King, der Priester war, wie Sie es einst wer-den wollten;

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Sie haben sich lange Jahre gemüht um dieKonföderation zwischen einem in die europäi-sche Gemeinschaft eingebetteten Frankreich undeinem seine großen Verwaltungseinheiten nichtverlierenden West- und Äquatorial-Afrika - alsAbgeordneter, als Schriftsteller, als Minister, dervor dem Aufkommen der >Mikronationalis-men<, vor der >Balkanisierung< gewarnt hat,aber schließlich doch den Restbestand dieserEinheit, die Zweier-Föderation mit Mali, aufge-ben mußte, um sich auf die Wirklichkeit der>Sénégalité< zu konzentrieren, die Sie als Sym-biose von >Africanité< und >Modernité< defi-niert haben. Als Abgeordneter waren Sie bereitsüber die Serer und Peul hinaus von Bürgernvieler Stämme gewählt - so der Woloff, der Tou-couleur, der Mandingue. Nach Ihnen wuchs einezahlreiche senegalesische Intelligenz über dieStammessolidarität hinaus. Als >Heimaten<nennen Sie selber nur die Stämme oder Ethnien,und Sie definieren die senegalesische Nation alseine durch den Staat bewirkte Verschmelzungdieser verschiedenen Heimaten. Ein Staat übri-gens, dessen Planung auf genauen wirtschaftli-chen Erhebungen gründet, wie sie auf dem Kon-tinent wohl einzigartig sind. Anstelle der födera-tiven Zusammenschlüsse, die Sie wünschten,blieb Ihnen der Dialog, die Wiederanknüpfungdes Gesprächs, die Verständigung - mit Mali,mit Marokko, mit Guinea. In jedem dieser Fällestellte sich wieder Vertrauen her, wo Spannungherrschte oder drohte. Über zwischenafrikani-sche Gebietsansprüche haben Sie etwas ge-schrieben, was weit über Ihren Kontinent hinauszu beherzigen ist, nämlich : »Alle Grenzen sindkünstlich, sogar in Europa. Sie wurden von derGeschichte eingezeichnet. Jenen, die sich auf dieGeschichte berufen, um territoriale Änderungenzu fordern, wird man stets wiederum die Ge-schichte selber entgegenhalten können.«

Aus Umständen, die Sie anders gewollthätten, haben Sie das Mögliche gemacht, und derVergleich liegt nahe zum ersten deutschen Bun-deskanzler, der eine übernationale europäischeGemeinschaft erstrebte und nicht den Ruhm desArchitekten eines neuen souveränen Staates.Hier sehen wir, wie die nicht verwirklichtenEinsichten des Staatsmannes den Späteren mehrfruchten können als die von ihm selber nocheingebrachte Ernte. Neben der aufreibendenArbeit des Staats- und Regierungschefs habenSie vier Jahre hindurch und in allen Einzelheitendas große Festspiel der Negerkünste in Dakar

vorbereitet, das zwischen dem 30. März und dem24. April 1966 stattfand und für die negro-afri-kanische Kultur ein Markstein wurde sowiedurch die Schaffung eines corpus ihrer Doku-mente ein Beginn.

Einem Mann von so vielen und vielfachenLeistungen ist nicht mit einem Lob gedient, beiwelchem der dazu bestimmte Redner nur dieschlechte Nachahmung jener senegalesischen>griots< wäre, die den Fürsten und seine Ahnenpoetisch rühmen, und keineswegs ein prophe-tisch inspirierter >Dyali<. Die in Westafrikanoch lebendige Tradition des Barden ist nichtübertragbar, und der Versuch würde Ihren starkentwickelten Sinn für Humor herausfordern. Sieselber sehen sich, in Berufung auf Goethe, denSie einst als Kriegsgefangener im Stalag nebenPlato im Text lasen, als schwarzer Grieche. DieGriechen aber wußten, daß man einen Politikernicht vor seinem Ende rühmen darf. Aus demUrgrund alteuropäischen Aberglaubens fürchteich auch die Folgen solcher Panegyriken für denvoreilig Gepriesenen. Erlauben Sie mir daher,der ich weder Dichter, noch Philologe, nochStaatsmann bin, sondern vor allem Leser - und indieser Eigenschaft als Sprachrohr eines Vereins,der mit dem Buch zu tun hat, legimitiert -, vonIhrer Methode des Dialogs Gebrauch zu machen.Ich maße mir dazu um so eher das Recht an, alsich auch Sie als Leser kenne, als Abonnenten derPariser Zeitschrift, mit der ich arbeite, der nochin seiner jüngsten Botschaft an die Nationalver-sammlung des Senegal auf zwei dortselbst er-schienene Aufsätze eingeht. Leser waren Sieauch als Präsident der Jury, die für diese Zeit-schrift den Preis der afrikanischen Novelle ver-teilte, und die beiden von Ihnen damals gewähl-ten Novellen sind seither in Übersetzungen inetliche Anthologien aufgenommen worden. Hierdarf ich daher aus eigener Erfahrung eine Eigen-schaft hervorheben, die zu Ihrem Wesen gehört:die Aufmerksamkeit. Wenn Ihr Freund, derDichter und Politiker Aimé Césaire aus Marti-nique - Schöpfer, wie Sie immer wieder hervor-heben, des Begriffes der Négritude - eine eigeneKultur forderte, »damit wir im Rendez-vous desGebens und Nehmens nicht mit leeren Händenerscheinen«, so ist eben dieses Gleichgewichtvon Aufnahme und produktivem Wirken IhrKennzeichen. Im Sinn dieses Dialogs möchte ichdie Frage nach der Négritude in den Mittelpunktstellen, und zwar verbunden mit dem scheinbarentgegengesetzten genauso wichtigen Motiv der

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>métissage<, der Misch- und Weltkultur, mitdem sie in einem Spannungs- und Komplemen-tärverhältnis steht. Négritude ohne >métissage<wäre ein zwielichtiger Begriff. Nie werde ichvergessen, wie mir einmal ein hoher Beamter inPretoria das Wesen der Bantukultur erklärte, dieso eigen, so substantiell, so herrlich sei, daß manihre Träger nicht der Zersetzung durch weißeUniversitäten preisgeben dürfe, sondern in ban-tustanischen Reservaten ihre besondereschwarze Seele in Reinheit bewahren sollte.Gewiß, das ist ein böses Zerrbild der Négritude -etwa wie wenn man eine Definition jüdischenWesens durch einen Antisemiten mit der durchMartin Buber vergliche. Dennoch: Besonderheitkann immer auch Einkapselung bedeuten. Cé-saire selber hat später Protest erhoben gegen dieTendenz, die Schwarzen auf bestimmte Gefühleund Möglichkeiten zu spezialisieren. Die Gefahrsolchen Mißbrauchs ist aber gerade durch denvon Ihnen unablässig entwickelten Begriff der>métissage< ausgeschlossen. Daher dessenBedeutung.

Doch stellt sich die Frage, ob diese von Ih-nen gezeigte Verbindung von Négritude undMétissage nicht eine einzigartige persönlicheLeistung ist, die nicht für ganze Völker in Zu-kunft gelebt werden könnte. Der Begriff derNégritude kommt ja nicht aus Afrika, sondernwanderte dorthin auf dem Umweg über Harlem,die Antillen, Guyana und Paris. AmerikanischeNegerdichter wie Claude McKay und LangstonHughes und Antillesen stehen am Anfang. Viel-leicht auch die Pariser »Revue du Monde Noir«,wo schon 1931 zu lesen war: »Wir wollen unterden Schwarzen der ganzen Welt ohne Unter-schied der Nationalität ein intellektuelles undmoralisches Band knüpfen, damit sie einanderbesser kennen, brüderlich lieben, ihre gemein-samen Interessen wirksamer verteidigen undihrer Rasse Ruhm einbringen«.

Noch in der von Ihnen herausgegebenenAnthologie schwarzer und madegassischerDichtung sind - Ihr Übersetzer Janheinz Jahn hates festgestellt - zehn Dichter aus dem karaibi-schen Raum neben drei Senegalesen und dreiMadegassen vertreten. Die Schwarzen Amerikasberufen sich auf ein legendäres Afrika als Ganz-heit, weil sie als Abkömmlinge verschleppterSklaven ihre genaue Herkunft meist nicht wissenkonnten. Auch in der französischen Entdeckungdes neuen Afrika stehen Schwarze aus derNeuen Welt an der Spitze, die als Dichter, aber

auch als französische Kolonialbeamte, Afrikaerlebten. Allen voran René Maran, der den er-sten Roman über Neger schrieb - Batouala -, wasihm den Goncourtpreis einbrachte und seineadministrative Karriere zerbrach. Unter denDichtern des karaibischen Bereichs waren AiméCésaire, Guy Tirolien - auch er Kolonialbeamter-, Jean Brière, Paul Niger, Léon Damas undJacques Roumain. Mit ihnen haben Sie sichdurch Zeitschriften wie »L'Etudiant noir« für dasLeben verbunden.

Die Beziehung zwischen den Antillen undSenegal hatte vor dreihundert Jahren begonnendurch die Schaffung einer >Compagnie du Sé-négal< auf den Inseln des Zuckerrohrs, die denSklavenhandel förderte. Und sie führt auf selt-samen Wegen bis zur antillesischen Abwandlungdes Surrealismus, zur dichterischen Entdeckungdes afrikanischen Urgrundes, der allerdings inHaiti - dem ersten unabhängigen Negerstaat derNeuzeit - im Wudukult überdauert hatte. »Wirsuchen die Seele des schwarzen Landes, wounsere Ahnen schlafen«, schrieb Guy Tirolien.

In Frankreich hatte die Négritude ihre Vor-aussetzung in der Entdeckung von Negermas-ken, von Jazz, von Negermärchen, durch Apolli-naire und Cendrars, durch Derain, Gris, Braqueund Picasso. Der neuen Negerlyrik war dieseRevolution der Kunst förderlich.

Jean Paul Sartre schreibt im zu Recht be-rühmten Vorwort zu Ihrer Anthologie, hier seiendie Weißen zum ersten Mal nicht mehr angere-det. Dennoch waren diese Weißen die Mehrheitder Leser, und es ging Ihnen wie später denSchriftstellern des Maghreb, die für die Unab-hängigkeit von Frankreich französisch und inFrankreich schrieben und mehr französische alsnordafrikanische Leser erreichten und noch er-reichen.

Mag die Négritude bei Aimé Césaire an denSurrealismus anknüpfen - »ich sehne mich nachder ganzen Größe des verlorenen Afrika«schreibt André Breton -, so ist sie bei Ihnen sel-ber mit französischen literarischen Erlebnissenverschmolzen, mit Baudelaire, Barrès, Péguy,Proust und, politisch, mit dem Sozialisten LéonBlum, Autoren, zu denen Sie vor allem IhrFreund seit der Studienzeit, Georges Pompidou,geführt hat. Sogar der französische Ahnherr desweißen Rassismus, Graf Gobineau, war Ihnenein Anreger, bekannte er doch, daß die Neger»stärkere künstlerische Emotionen« hätten alsandere Völker. Er gab sogar, wenn auch unwil-

matt sero
steht so im Original

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lig, zu, daß manche Rassenmischungen derKultur förderlich sein könnten. Von MauriceBarrès lasen Sie »Die Entwurzelten«, jenen An-ruf an die Erde und die Toten, und Sie habenspäter geschrieben, daß Sie dem Rassismus alsBekenntnis zur mythischen Stimme des Bluteserst unter dem Eindruck des Hitlerismus im Sta-lag abgeschworen haben, ebenso wie Sie jeneMeinung, die Sie dem Ethnologen Leo Frobe-nius dankten, wonach die Deutschen und dieAfrikaner sich durch besondere Gemütstiefe vonanderen Völkern unterschieden, durch den Um-gang mit Goethe preisgegeben haben.

Die Négritude macht den ganzen Unter-schied aus zwischen >assimiler< und >être assi-milé<, wie Sie 1945 schrieben, zwischen selek-tivem Sich-Aneignen und restlosem Aufgehen inder anderen Kultur. An Definitionen hat es die-ser Négritude nicht gefehlt. Janheinz Jahn nenntderen achtzehn in seinem Buch über neo-afrika-nische Literatur; die Liste ist nicht abgeschlos-sen. Dem Hellenisten, dem Verehrer Goetheswird es nicht unlieb sein, wenn ich die Négritudeals Entelechie verstehe, welche Goethe definierteals »ein Wesen, das immer in Funktion ist«.Sartres Bestimmung der Négritude als notwen-dige Negativität, als anti-rassistischen Rassis-mus, als Durchgangsstadium der Revolution undauch als überwiegend gegenchristlich, gilt fürkeinen Dichter in Ihrer Anthologie so wenig wiefür Sie, der Sie Karl Marx als Humanisten hoch-schätzen und übrigens sehr genau gelesen haben,aber zugleich sich auf den Denker und Ethnolo-gen Pater Pierre Teilhard de Chardin beziehen.Auch sind Sie wie Péguy, wie Claudel undSaint-John Perse ein Dichter der Aussage, derbrüderlichen oder feierlichen Nennung, selten -aber dann heftig - der Ironie oder des Zornes, sowenn Sie sich schwören, das Reklamelachen des>Banania-Negers< an allen Mauern Frankreichszu zerreißen.

Für Sie lag Afrika niemals »im Herzen derFinsternis«. Auch sind Sie nicht - im Sinne desfrüh verstorbenen Martiniquesen Frantz Fanon,der Botschafter des kämpfenden Algeriens undGhanas wurde und der jetzt unter den Anhängerndes >Black Power< in den Vereinigten Staatenintensiv gelesen wird - ein >Verdammter dieserErde<. Sie sind ein königlicher Präsident. Vorvier Jahren sagten Sie in der Universität Straß-burg: »Der Präsident verkörpert die Nation wieeinst der Monarch >sein< Volk. Die Massentäuschen sich nicht, die vom >règne<, von der

Herrschaft eines Modibo Keita, Sékou Touréoder Houphouet-Boigny sprechen, in denen siejeweils den durch das Volk bestätigten von GottErwählten sehen«. Ihren eigenen Namen habenSie hier ausgespart, der vielleicht aus dem por-tugiesischen Senhor - Herr - stammt, worauf Siein einem Gedicht recht humorvoll anspielen.

Senegalesen sind seit langem französischeVollbürger gewesen, und Saint Louis war einOrt der Rassen- und Kulturmischung. Auch derhervorragende französische Pädagoge undSchöpfer der >Prospektive-Forschung<, GastonBerger - Vater des Ballettschöpfers MauriceBéjart - stammt von hier. Lange bevor die Ein-wohner von Nizza und Savoyen Franzosen wa-ren, sind es die Bürger der vier alten Gemeindendes Senegal gewesen. So ist das Afrika derStämme und das der Berührungen mit Europafür Sie keineswegs eine Vergangenheit, dienichts als Protest und Abkehr herausfordert.»Hören wir auf« - schrieben Sie -»den Kolonia-lismus und Europa für alle unsere Übel verant-wortlich zu machen. Genau das wäre ein Min-derwertigkeitskomplex, wie ihn der Kolonialis-mus uns eingeimpft hat, und wir dürfen uns nichtzu seinem Komplizen machen«.

Dem Linguisten, der Arbeiten über dieSprachformen der Serer und Wolof geschriebenhat, und dem Abgeordneten des Senegal warAfrika etwas anderes als jenen Schwarzen derNeuen Welt, die den Kontinent der Neger mitder Seele suchten - obwohl freilich solche Ver-klärung von der neuen Aufklärung ursprünglichnicht zu trennen war!

Ist nun die Négritude vor allem eine beson-dere Art der Wahrnehmung, der Sinnlichkeit,des Ausdrucks, des Rhythmus? Ist es der großeTamtam? Sie ist es und ist es wiederum nicht.Sie selber wünschen nicht, daß der Dichter undder Politiker getrennt gesehen werden, und auchdie Dichter der Antillen und von Madagaskar,mit denen Sie sich fanden, sind zum Teil bedeu-tende Politiker geworden. Sie blicken aber alsSchöpfer einer Nation über die Stämme und>Ethnien< hinaus, während die traditionelleNegerkultur eine Kultur von Stämmen ist - sozwielichtig auch dieser Begriff bleiben mag.

Die Berliner Festwochen von 1964 warenAfrika gewidmet, und die Ausstellung vonSkulpturen, die wir dort sahen, ist hernach auchin Paris gezeigt worden. In der Einleitung zumKatalog dieser Ausstellung schrieb WilliamFaggs : »Jede nur vorstellbare Art von Bildwerk

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ist an irgend einem Ort Afrikas gestaltet worden.Die afrikanischen Stämme waren getrennteWelten, voneinander stärker unterschieden alseuropäische von chinesischer Kunst«.

Ist der Reichtum des schwarzen Afrika mitHunderten von Stämmen, Sprachen, Kunstfor-men nicht eben an jenen Partikularismus gebun-den, den die neuen Staaten Afrikas überwindenmüssen? Aimé Césaire stellte noch den weißenTechnikern und Erfindern den Neger als Tänzergegenüber. Aber auch Dakar ist Afrika, und Sieselber fordern, die Studenten mögen sich prakti-schen Aufgaben zuwenden, Ingenieure werden.Dichter und Philosophen würden sich ohnehinfinden, um die neue technische Welt zu feiernund zu deuten.

Zwischen den großen Traditionen - aber Sieselber bemerkten 1945, daß die »Bräuche undSprachen sich mit unglaublicher Geschwindig-keit verwandeln« - und den neuen Problemeneines verstädterten Afrikas ist die Négritude vorallem, wie Sie es einmal sagen, »ein Knoten vonWirklichkeiten«. Sie ist nicht rückwärts gewen-det, sondern tiefer in die Zeit zurückgreifend, umweiter vorwärts zu dringen. »Es kommt nicht inFrage, die Vergangenheit auferstehen zu lassenund in einem negro-afrikanischen Museum zuleben«, schrieben Sie 1959. In diesem Sinn ge-hören auch jene jungen afrikanischen Schrift-steller zur Négritude, die den Begriff in Fragestellen, um ein letztes Mal Goethe zu zitieren :»Was einem angehört, wird man nicht los, undwenn man es wegwürfe«.

Vor 17 Jahren wurde hier mit gutem Grundein Mann geehrt, dessen Leben mit Afrika ver-bunden war, und der sich dennoch Afrikas kultu-rellem Wesen streng verschlossen hatte: derTheologe und Arzt Albert Schweitzer aus Lam-barene. In seiner Ansprache gebrauchte dergroße alte Mann mehrmals den Ausdruck »diePrimitiven und Halbprimitiven« und zeigte sichbesorgt über das »Entstehen von Staaten, die ander höheren Kultur keinen Teil haben«. Sie sel-ber haben oftmals gesagt, man dürfe sich nichtwundern, wenn die Staatswerdung in Afrikaweder ruhig noch geradlinig vor sich gehe; ichzitiere aus einer Schrift von 1966: »Was michwundert, ist, daß es nicht noch mehr Putsche inAfrika gibt. Letztes Jahr las ich während meinerFerien die Geschichte der Herzöge der Norman-die. Es gab unentwegt Kriege, Morde, und dieSitten waren rauh. Denken Sie an die Geschichteder Kapetinger. Gleichfalls Kriege und Morde.

Frankreich brauchte tausend Jahre, England fastebenso lange, um eine Nation zu werden. Manwill, daß wir in wenigen Jahren Nationen wer-den. Zuviel der Ehre! Wir sind wie Ihr. Wir sindnicht mehr als Ihr. Wir müssen stolpern, wirmüssen zurückfallen, wir müssen straucheln. DieBildung einer Nation ist langwierig und schwer.Daher dürfen wir nicht den Mut verlieren«.

Albert Schweitzers Sorgen sind nicht ge-genstandslos geworden - es genügt, Nigeria zunennen -, aber seine Begriffswelt mutet bereitssehr ferne an. Kein Ethnologe verwendet mehrden Ausdruck >Primitive<, für den MelvilleHerskovits >Kulturen ohne Schriftsprache< vor-geschlagen hat. >Primitiv<, das ist keinebrauchbare Kategorie zur Erfassung andersarti-ger Kulturen.

Wie steht es aber mit >unterentwickelt< ei-nem Wort, das West und Ost ängstlich vermei-den. Sie, Exzellenz, halten sich nicht an diesesTabu. In Ihrer Botschaft an die Nationalver-sammlung des Senegals kommt der Ausdruck>unterentwickelt< sehr häufig vor, und einmalsagen Sie, man solle sich eine >Bibliothek desUnterentwickeltseins< anlegen. Sie gebrauchenihn unbefangen, weil er eine Aufgabe und einenAbstand ausdrückt, und sagten in diesem Sinnvor sechs Jahren : »Es wird keine von außen herals ein himmlisches Manna sich auf uns sen-kende Politik der Entwicklung geben ohne un-sere eigene Arbeit und Organisation«.

Hier muß ich doch den >griot< spielen undfesthalten, daß Ihre >Botschaften< über denSenegal Prosa vom Rang Ihrer besten Essayssind. Sie sprechen über die Notwendigkeit, denexklusiven Anbau der Erdnuß durch Anpflan-zung von Reis, Baumwolle, Tomaten, Bananen,Ananas und Zuckerrohr zu korrigieren, ebensoprägnant wie in der Universität von Kairo überdie Beziehung der negro-afrikanischen zu densemitischen Sprachen.

Im jüngsten Werk über Ihre Dichtung - seinVerfasser ist Okechukwu Mezu, ein Ibo - wirdmeines Wissens zum ersten Mal eine wichtigeBeziehung erhellt: die zur Renaissance. Hier erstwurde mir klar, aus welchem Impuls Sie eineEinleitung zu einer Sammlung französischerRenaissancedichtung geschrieben haben. DennRonsard und du Bellay verteidigten das Recht,eine eigene neue Dichtungssprache zu entwik-keln, die sich von der italienischen Traditionunterschied, und in dieser Erneuerung drückendiese Dichter oft die Sehnsucht nach der engen

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Heimat der Kindheit aus - wie Sie selber es inIhrer Dichtung tun. In der Tat darf in der Négri-tude eine Art Renaissance gesehen werden. Dasist aber eine Zeit, die Ideen als Ansätze und Ar-beitshypothesen brauchte. So ist auch die glei-tende Beziehung zwischen Négritude und >mé-tissage< zu verstehen. Sie selber verankern sieweit in der Vergangenheit und rühmen Teilhardde Chardin, der zeigte, daß die Spezies Menschzuerst in Afrika aufgetreten ist, aber ebenfalls,welch frühe positive Rolle die Rassenmischunggespielt hat. Für die Zukunft sehen Sie die >mé-tissage< nicht als bloßen Vorgang, sondern alsbewußte Entscheidung. »Zur >métissage<«, soschrieben Sie in >Preuves<, »braucht es Kon-frontierung, Auswahl und Entscheidung. Es gehtnicht darum, die weißen Werte anzunehmen,sondern bestimmte Werte auszusuchen«.

Sie selber sind Linguist und haben als>grammairien< die Verfassung der Vierten Re-publik sprachlich überarbeitet. Wie sehen Siedas Verhältnis zwischen den autochthonen Spra-chen und dem Französischen? Sartre schreibteloquent über die Not des Afrikaners, der an dieSprache der Kolonialherren gekettet bleibt unddamit auch an ihre Denkform. Positiv hat es dermadegassische Dichter und Staatsmann Rabe-mananjara gesagt, der auf einem Kongreß von>Présence Africaine< ausrief: »Wir sind einKongreß von Sprachdieben. Mindestens diesesVerbrechen haben wir wirklich begangen. Diewestliche Kultur trägt ihren Stein herbei zumAufbau unseres Bewußtseins. Die Schwarzensind intellektuell in dem Maß, in dem sie sich alsOkzidentale sehen und beurteilen«.

Es gibt im Senegal extreme Ideologen wieCheikh Anta Diop, die den afrikanischen Spra-chen den Vorrang geben wollen. Er selber hat esunternommen, dem Woloff die fehlende mo-derne Terminologie zu geben. Aber nicht dieArmut der >Vernakularsprachen< ist hier dasHindernis, sondern ihre Vielzahl und ihre Schat-tierungsfülle. In Ihrem Essay über die negro-afrikanische Ästhetik schreiben Sie: »Charakte-ristisch für die Negersprachen ist der Reichtumihres Vokabulars. Es gibt zehn, manchmalzwanzig Wörter, um einen Gegenstand zu be-zeichnen, je nachdem er seine Gestalt, sein Ge-wicht, seine Dichte, seine Farbe wechselt. ImFulfulde werden die Substantive in einundzwan-zig ungeschlechtliche Genera eingeteilt. Auseiner Wurzel kann man im Woloff mit Affixenüber 20 Verben bilden ... «

Um als Gebrauchssprache zu dienen, müs-sen solche Sprachen nicht nur ergänzt, sondernauf eine Art >basic woloff< und dergleichenreduziert werden, ihrer zahllosen Schwingungenund Nuancen beraubt, schon um der Übersetz-barkeit willen. Ihr eigener Vorschlag überzeugt,afrikanische Sprachen von der Schule an zupflegen und für Dichtung zu brauchen, zugleichaber eine europäische Hochsprache vollendet zubeherrschen und niemals mit dem sogenannten>petit nègre< zu kontaminieren. Die Spracheerzieht, und »Erziehen«, so sagen Sie, »heißtzugleich verwurzeln und entwurzeln«. So ver-stehen wir, daß Sie mit dem Präsidenten Bour-guiba zum Vorkämpfer der Frankophonie ge-worden sind. Diese Idee hat zugleich den prakti-schen Zweck, neben den Franzosen auch Kana-dier, Wallonen, Welschschweizer, Luxemburgerals Spezialisten, als Lehrer zu gewinnen undzwischen dem Maghreb und den verschiedenenTeilen des schwarzen Afrikas eine Brücke zubilden. Ein F.L.N.-Führer des kämpfenden Alge-riens sagte Ihnen einmal: »Sie und ich, wir sinddie französische Kultur«.

Mag in dieser Sprache die Négritude nichtden vollkommenen Ausdruck finden - sie findetdafür die Kommunikation, die Resonanz, denZugang zur Welt. Für den Dichter wie für denStaatsmann sind Selbstverständnis und Verstän-digung nicht zu trennen, und mangels der völli-gen Synthese ist ein Kompromiß immer nochbesser als ein Abbruch. Auch lehnen Sie es ab,Französisch bloß als Vehikel zu bezeichnen.»Für mich«, so sagten Sie zu Armand Guibert,»ist, seit ich als Siebenjähriger >confiture< und>chocolat< sagen lernte, Französisch die Spra-che geworden, die die natürliche Ausdrucksformmeines Denkens ist«.

Sie haben Griechisch, Latein und Franzö-sisch an französischen Gymnasien gelehrt, afri-kanische Sprachen an Pariser Universitätsinsti-tuten. Das ist ein Sonderfall, aber in beschei-denerem Maß ist mindestens Zweisprachigkeitden meisten erreichbar. Von Ihren Dichtungenist den Senegalesen wohl der Text der National-hymne am vertrautesten, wo es heißt : »EinVolk, allen Winden der Welt zugewandt« undauch : »Der Bantu ist unser Bruder, und derAraber, und der Weiße«.

Können Besinnung auf den Ursprung undAusblick auf die Mischkultur zusammengehen?Ihre Dichtung gibt eine Antwort. Sie schreibenin Rhythmen, die zugleich französische und

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afrikanische Einflüsse spüren lassen, und stellensich diese Dichtungen als Rezitationen vor, be-gleitet von afrikanischen Instrumenten, der Kora- einer Harfe, dem Balafong - einem Xylophon,und dem tama, dem tabala, dem talmbatt, demmbalakh, dem ndeundeu, dem gorong, die ver-schiedene Instrumente des tamtam sind. So sinddiese Gedichte mit ihrer rhythmischen Beglei-tung zugleich Négritude und Francité oder, wieAimé Césaire es sagte : »Geben und Nehmen«.

Hier möchte ich zitieren, was Sie in einemGespräch mit >Jeune Afrique< auf die Frageerwiderten, ob Sie je geträumt hätten, ein Weißerzu sein: »Dieser Traum hat mich schon derarterschüttert, daß ich gleich aufgewacht bin. Ichglaube, wenn ich ein Weißer wäre, hätte ichweniger zu tun. Was wollen Sie - die Weißenhaben der Welt viel gegeben. Ich, im Gegenteil,da ich ein Schwarzer bin, habe alles zu geben.Ich ziehe das vor«.

Was diese zweifache Bindung im Tieferenmeint, das haben Sie am Ende eines woi - einerOde - namens >Botschaft< geheimnisvoller aus-gedrückt, weshalb ich mit dieser Zeile auf Fran-zösisch und Deutsch schließen will: »Telles sontma réponse et ma récade bicéphale: gueule duLion et sourire du Sage«. In Jahns Übersetzung:»Dies meine Antwort und mein doppelköpfigerBotenstab: Rachen des Löwen und Lächeln desWeisen«.

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Léopold Sédar Senghor_________________________________

Dankesrede

L'Accord conciliant

Je voudrais, tout d'abord, dire, à Monsieur lePrésident Heinrich Liibke, combien sa présenceparmi nous me touche au-delà de toute expres-sion. J'y vois le témoignage d'une amitié person-nelle, qu'il sait partagée, et, encore plus, celuid'une haute estime réciproque, mieux: d'uneamitié entre nos deux peuples, maintenant toutentiers voués aux œuvres de coopération dans lapaix.

Messieurs les Libraires, en vous disant magratitude pour l'insigne honneur que vous m'avezfait en me distinguant, je vous dirai, en mêmetemps, ma confusion. J'en ai conscience, en effet,ce que vous avez voulu récompenser, ce sontmoins mes mérites que mes intentions, moins lesrésultats que les efforts. Par-delà le Chef d'Etatet l'écrivain, votre distinction va au Peuple séné-galais. Car, dans une Afrique où régnent encore,trop souvent, le racisme chez les Blancs et letribalisme chez les Noirs, ce peuple a fait, de sesdifférences ethniques et socio-culturelles, unesymbiose de richesses complémentaires.

Il n'empêche qu'elle est étrange, la cérémo-nie d'aujourd'hui. Voici que vous donnez le Prixde la Paix à un ancien prisonnier de guerre del'Armée allemande, un prix qui reste, malgrétout, littéraire à un vieux militant de la Négri-tude. Etrange, vraiment, cette cérémonie, quiexprime bien ce temps de violence et de confu-sion, mais d'aube et de clarté, que nous vivons encette seconde moitié du XXème siècle. Etrangedonc et pourtant signifiante. Car ce poète-pri-sonnier, vous n'avez trouvé aucune parole dehaine dans ses poèmes de guerre. Et le militantde la Négritude s'est voulu, en même temps,militant de la Civilisation de l'Universel.

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Vous m'en excuserez, je ne vous ferai pas de<discours magistral> encore que je sois profes-seur de ma profession. Je ne vous ferai pas de

discours en trois points encore que j'aie desseinde conclure par une synthèse. Je ne puis, aujour-d'hui, que vous dire mon expérience, notre expé-rience, à nous, Sénégalais et militants de la Né-gritude, dans la difficile mais féconde voie du<donner et recevoir>. Aussi le je et le nous al-terneront-ils souvent, mais en convergence. Carc'est bien ce problème, celui même de la Paix,qui est au centre de notre dialogue. Ce faisant, jevous dirai, en même temps, de quelle aide nous aété l'expérience allemande.

Depuis la deuxième Guerre mondiale, tousles continents, toutes les races, toutes les nations,mieux: toutes les civilisations, nous sommes,nolentes, volentes, engagés, sans retour, dans leprocessus de totalisation et de socialisation hu-maines. Pierre Teilhard de Chardin l'avait pres-senti, déjà, entre les deux guerres, avant que lesbombes atomiques, les avions supersoniques, lesvaisseaux cosmiques et les satellites de commu-nication n'eussent confirmé qu'il n'y a plus deterres inconnues ni ignorantes; qu'il n'y a plus denations totalement indépendantes s'il y a encoredes peuples qui se battent pour vivre indépen-dants ou, simplement, pour survivre. Mais, pré-cisément, les affrontements, confrontations etcontestations, les différends, les guerres, voireles famines ne seraient pas si dramatiques, par-fois si tragiques, s'ils n'étaient à l'échelle desnations, des ethnies, des continents. Ce qui est lapreuve que, grâce aux progrès de la culture, dessciences et des techniques, nous sommes deve-nus, au cours de ce siècle, ouverts les uns auxautres, proches les uns des autres, pressés les unssur les autres, mêlés les uns aux autres, corps etâmes. La seule leçon à tirer de cette interdépen-dance planétaire est qu'il nous faut nous arrangerà l'échelle de l'Universel: par et dans la Paix. Carla puissance matérielle des peuples développésest telle qu'elle peut, à tout moment, anéantirl'espèce humaine, cependant que la puissance derévolte des peuples sous-développés - les deux

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tiers de l'humanité - n'est pas moins destructive.Mais qu'est-ce au juste que la Paix? Avant

de répondre à la question, je soulignerai que leconcept de paix est à la base de la société, voirede l'ontologie nord-soudanienne. Dans toutes leslangues de mon pays, les salutations et les «aurevoir» tournent autour de la paix: «As-tu lapaix?» «Reste en paix!»

Mais, pour le Nord-Soudanien, voire pour leNégro-Africain, la paix n'est pas seulement unenégation: <l'absence de guerre>. C'est surtoutune situation positive: un jeu de rapports équili-brés, aussi bien intrapersonnels qu'interperson-nels. Paix est synonyme d'ordre et d'harmonie.Et le mot grec qui la rendrait le mieux est di-kaiosýne et non eiréne.

Pour le Nègre-Africain donc, l'Homme,dans sa vie individuelle et dans sa vie sociale, apour vocation de réparer le mal, qui provient dudésordre originel, en recréant l'ordre primordialde la création à l'exemple et image de Dieu: cetordre qui est harmonie parce que justes propor-tions et participation de tous les éléments quiconstituent la personne, la société, le monde,l'univers. La société est <en paix>, c'est-à-direharmonieuse parce que juste, quand chaque per-sonne et chaque groupe socio-culturel a sa part,joue son rôle dans celle-ci. Il y a mieux. Dans leslangues sénégalaises, beauté est synonymed'ajustement, d'équilibre et d'accord, comme,parfois, de bonté.

Nous passons, ainsi, d'une notion ontologi-que et morale à une notion culturelle. Rien nedoit être détruit ou seulement inemployé parmiles éléments qui constituent une personne, unesociété, un monde parce que la vie spirituelle, jeveux dire la culture, comme la vie physique, estfaite, précisément, du libre jeu de ces éléments,de ces forces, dont la nature est de toujours ten-dre à un équilibre, à une harmonie, à une beauté,qui est l'expression parfaite de la vie spirituelle.

*

Bien sûr, les militants de la Négritude n'ontpas découvert cette vérité du premier coup. Parceque la situation coloniale nous aveuglait surnous-mêmes et sur les Autres, qui sécrétaitcomme deux taies sur nos yeux: complexe d'in-fériorité et ressentiment contre le Conquérant.Par un de ces retournements dialectiques qui fontl'histoire des civilisations, ce sont les pays colo-nisateurs qui nous ont ouvert les yeux, dont vous

autres, les Allemands. Mais, vous le savez, cefurent, d'abord, dans mon cas, les Français.

Le Père-Directeur du Collège Libermann, àDakar, ne cessait de nous le répéter: nos ancêtresn'avaient pas créé de civilisation. Ils ne nousavaient laissé qu'une <table rase>, sur laquelle ilfallait tout bâtir. Aux jeunes contestataires quenous étions, qui réclamaient des <draps>, il ré-pondait en nous renvoyant aux <pagnes> fami-liaux. Et il ajoutait cet argument massue, quenous nous laissions charmer par la musique desmots au lieu de nous attacher à leur substance : àleur signification. Ce qui était une preuve déci-sive de non-civilisation.

Je ne remercierai jamais assez l'ancien Père-Directeur, qui, en me forçant à la contestation età la réflexion, fut le premier à me donner non parle nom, je dis: l'idée de Négritude. Car je sentaisce qui, dans ses propos, était vérité et erreur.Mes parents m'avaient élevé, avec mes frères etsœurs, dans la fierté de leur nom et de leur sang.Je sentais, j'avais vécu, dans mon enfance, unecivilisation originale, que, maintenant, je définis:«un cheval et un fusil, une femme et une kôra*,une noix de kola». Je parle d'une civilisationféodale, lyrique et commerçante: la civilisationnord-soudanienne.

Je sentais, qu'en effet, chez nous, le cœurl'emportait, trop souvent, sur la tête et que nousétions, pas exclusivement mais d'abord, sensiblesaux qualités sensuelles des mots: à leurs timbreset à leurs rythmes. Et je prenais, alors, la résolu-tion de tout comprendre en soumettant tout aucrible de la raison critique - puisque nous étions,désormais, irrévocablement entrés dans lemonde des Blancs européens. Je sentais, mais jene trouvais pas mes arguments. J'allais les trou-ver dans le Paris de 1928. Nous allions les trou-ver. Car l'expérience personnelle que j'avaisfaite, d'autres jeunes hommes et jeunes filles lafaisaient de leur côté: en Afrique, mais aussi enAmérique.

Vous devinez quelle fut notre éducation àParis, au Lycée Louis-le-Grand et à la Sorbonne,avec des disciplines comme la linguistique, laphilosophie et l'histoire, des exercices comme ladissertation et l'explication des textes. Tout celadans la tradition du rationalisme le plus critique.Curieusement, ce furent mes premiers contactsvrais avec l'esprit allemand: avec les linguistes,les philosophes, les historiens allemands. Cu- * kôra: instrument de musique entre la harpe et laguitare, qui accompagne les odes et les épopées.

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rieusement, ce furent des Français - mes profes-seurs - qui m'apprirent à discerner et admirer,chez ces derniers, la rigueur de l'analyse et lapuissance de la synthèse - malgré la détériorationprogressive des rapports franco-allemands entre1928 et 1934. C'est dire quelle était leur honnê-teté intellectuelle. C'est aussi qu'au fond d'eux-mêmes, ils sentaient que l'esprit allemand, quel'âme allemande était complémentaire de la fran-çaise. Mais ce n'était, unilatéralement, que puis-sance d'abstraction: raison discursive, que j'ad-mirais, mais à distance. Car elle me laissait surma soif de connaître.

C'est à la fin de cette période, à la fin de mesétudes que je découvris - et les autres avec -l'autre face du génie allemand: de l'âme alle-mande au sens de C. G. Jung, pour qui l'âme esten même temps, pensée et sentiment. Ce futsurtout plus tard quand, jeune professeur, je re-vins aux sources, en poursuivant mes étudesdans les directions de l'ethnologie, singulière-ment des civilisations négro-africaines. C'estalors que Paris et la France découvraient, à nou-veau, le Romantisme allemand. Cette doubledécouverte des civilisations négro-africaines etdu mouvement du Sturm und Drang fut d'uneimportance décisive dans la formation du con-cept de Négritude. Du moins pour moi.

L'ethnologue allemand Léo Frobenius nenous apprenait-il pas que tout peuple possède sacivilisation, qui est une structure mentale d'oùprocèdent ses sentiments et ses idées, ses mœurset ses institutions, sa religion et son art? Et ilnous démontrait que «l'idée du <Nègre barbare>est une invention européenne»; que le Nègre secaractérise par sa «faculté d'être ému par l'es-sence des phénomènes» - non par les faits - et deles exprimer dans un style «direct, âpre etgrave»; qu'au demeurant, l'âme nègre est de lamême famille que l'âme allemande. Et il est vraique, si la caractérologie ethnique, avec le Profes-seur Paul Griéger par exemple, rattache les Al-lemands et les Négro-Africains à deux ethnoty-pes différents, elle n'en reconnaît pas moins, auxuns et aux autres, parmi leurs caractères essen-tiels, une grande puissance d'émotion et uneégale force d'expression.

Vous comprendrez quelle était notre émo-tion et, à la réflexion, notre fierté quand nouslisions Novalis et les poètes romantiques alle-mands. Ils étaient retournés aux sources germa-niques du Lied et du Märchen, et ils chantaientla lune après le soleil, la nuit après le jour. Ils

chantaient la terre, tirant, des abysses de l'âme,les images archétypes sur-gies de la forêt del'Einfühlung. Rien ne pouvait plus fortementnous encourager à poursuivre le retour à l'Ur-Afrika.

La Guerre, avec ses furies de haines fratrici-des, ses monceaux de morts et de ruines, laGuerre allait nous montrer la voie de la paixvraie: celle de l'accord dynamique parce queconciliant. La Guerre, je dis: la captivité.

Prisonnier des Allemands, je fus bien obligéde les regarder, de les étudier de plus près, enconfrontant les deux visions que je m'étais faitesde ce grand peuple: l'une livresque, mais exal-tante, l'autre concrète - je ne dirai pas réelle -,mais déprimante. Je poursuivis donc ma quêtependant deux ans. Et cette double expérience mefut salutaire par la découverte des classiquesallemands et, en même temps, de l'Allemandconcret, encore qu'il fût soldat et chargé de megarder.

Mais c'est en semblable situation, quandsont confrontées des ethnies ou des nations anta-gonistes dans des systèmes inhumains comme laguerre, la ségrégation, l'apartheid, c'est alors quesurgit la vérité humaine. Cette vérité, que, par-delà l'ignorance et la peur réciproques, qui en-gendrent la haine, les hommes, livrés les uns auxautres, l'âme nue, découvrent, avec l'identité desAutres, leur immense besoin d'amour réciproque:de fraternité. Pourquoi on changeait les senti-nelles tous les quinze jours et que je recherche,en vain, depuis vingt ans, les traces du Lieute-nant Wuttke, qui me fit découvrir JohannWolfgang Goethe.

Cette découverte fut, pour moi, d'une im-portance cruciale: pour la connaissance de l'Al-lemand, je veux dire la culture allemande; etpour la formation du Nègre nouveau. Car, s'agis-sant de l'Allemagne, la vérité d'un peuple est ex-primée dans la plus haute expression de sa pen-sée et de son art: de son esprit. Dans son classi-cisme, qu'André Gide définit comme <un ro-mantisme dominé>. Et cette expression est àrapprocher de la phrase de Paul Valéry: «Toutclassicisme suppose un romantisme antérieur».J'ajouterai: «parcequetout classicisme est l'ex-pression d'une paix au sens négro-africain dumot, c'est-à-dire un accord conciliant entre clé-ments différents sinon contradictoires». Commele prouvèrent les classiques de Weimar, etGoethe plus que tout autre.

Si donc Goethe est classique, c'est qu'il a

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participé au mouvement du Sturm und Drang,qu'il a commencé par être romantique et qu'ill'est resté, dans son subsconcient, jusqu'à samort. Romantique parce que, tournant le dos àl'imitation de l'étranger, il a décidé d'être lui-même en étant allemand, que, ce faisant, ils'adressait «directement au peuple, à son cœur,sans passer par le pressoir de la critique». Oui, ils'est d'abord adressé au peuple allemand, cœur àcœur, en retournant, avant Novalis, aux sourcesvives du Lied et du Märchen: aux forces obscu-res du désir et du sentiment, exprimées dans desimages analogiques surgies de la terre et du cielallemands. Mais ce romantisme a été dominé parGoethe dans un effort, rarement en défaut, dediscipline intérieure dans sa vie et de rigueurformelle dans son art: pour tout dire, d'organisa-tion méthodique, où le poète non seulement s'im-pose une prosodie et une métrique de plus enplus régulières, mais emploie les images - sym-boles les plus nettes dans l'expression la plusconcise. Je parle de la poésie comme de l'essencemême de tout art.

Si Goethe a été, ainsi, le premier à donner, àl'Allemagne, une poésie nationale digne de cenom, ce fut non précisément en dépassant l'Al-lemagne, mais en exprimant l'âme allemandedans sa plus haute expression: dans la poésie.Goethe, mais aussi tous ses émules de Weimar.Comme l'écrit Schiller dans un poème inachevé :

L'Allemand doit tendre vers les sommetsDe la nature et de l'idéal.Il est en relation avec l'esprit des mondes.

Il y a mieux. Cet idéal est partagé par lesromantiques d'Iéna. Enracinés dans la germanité,ils se veulent citoyens de l'Universel. Ils veulentbâtir un monde de la Culture, une cité de l'ému-lation, où l'Allemand apportera le meilleur delui-même : une tension de la terre nocturne versle ciel étoile, une passion qui chante son amourde l'absolu:

«Plus célestes que ces étoiles scintillantesnous paraissent les yeux infinis que la Nuit aouverts en nous. »

Himmlischer, als jene blitzenden Sterne,dünken uns die unendlichen Augen, die dieNacht in uns geöffnet.

Mais, avant de m'acheminer vers ma con-clusion, je voudrais revenir sur l'accord conci-liant que Goethe a réalisé dans et par sa person-nalité. Je ne dis pas l'équilibre entre l'écrivain et

le politique, l'artiste et le savant, pas même entrel'allemand et l'européen, encore qu'il ne faille pasnégliger celuici, je dis cet équilibre plusintérieur, plus essentiel, entre la germanité et lalatinité, mieux, l'hellénité: entre l'ombre verte dela forêt germanique et la lumière bleue de la MerMéditerranée.

*

«Chacun doit être grec à sa façon», écrivaitGoethe. C'est la leçon que je médite plus devingt ans et sur laquelle je voudrais terminer.

On m'a enseigné, au Lycée, voire en Sor-bonne, que le miracle grec, c'était, en quelquessiècles seulement - alors que l'homme existedepuis un million d'années -, l'introduction de lalumière dans la nuit primordiale grâce à la rai-son discursive qui cherche, découvre et classeles faits. Cette raison qui va du fait à l'idée, duparticulier au général, de l'ignorance à la con-naissance de la vérité ; cette raison donc qui est àla base de la science, de la transformation de lanature et, partant, de l'action efficace.

Cependant, le miracle grec, ce ne sont passeulement les philosophes et les savants, passeulement Aristote et Archimède, mais encoreles poètes et les dramaturges : mais Pindare,Eschyle, Aristophane. Le miracle, c'est ce théâtrequi est poésie, cette poésie qui est musique etdanse, paradoxalement, mais non sans raison,comme en Afrique noire.

Non sans raison, en effet. Déjà, sur lesbancs de la Faculté, nous avions remarqué, etpas seulement chez Homère, l'ambivalence dusentiment et de la raison, du thymós et du noûs,ainsi que leurs constantes interférences. Ce qui,en définitive, a fait le miracle grec, ce sont, sousl'action du logos, les échanges symbiotiques quise faisaient entre thymés et nous, raison intuitiveet raison discursive. Car le logos est plus quemot statique; il est, toujours, opération de dé-voilement et d'équilibre à la fois; il est, commele dit Martin Heidegger, pour citer un de sescommentateurs, «rassemblement de l'étant danssa totalité», par quoi on arrive à la vérité del'être. Car le logos, chez les Grecs, était encoreparole humide, parole créatrice.

Le miracle, c'est que les Grecs n'ont pasmutilé l'Homme comme l'ont fait les hommes dela Renaissance et des temps modernes, qui ontlancé l'idée du <nègre barbare>, quand Hérodoteregardait les Noirs comme les hommes <les plus

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beaux> et Homère les disait <irréprochables>.C'est que les Grecs ont voulu faire, de l'Homme,un être intégral dans l'équilibre de ses vertus etl'harmonie de ses réalisations: corps et âme,passion et volonté, désir et amour; par-dessustout, raison-regard et raison-toucher. Le miracleest qu'ils ont découvert l'idée dans le sentiment,le sentiment dans l'image, et, pour tout dire, leconscient dans l'inconscient, je veux dire le sub-conscient.

Car Aristote lui-même, le père du rationa-lisme, est loin d'avoir négligé la raison intuitive,qu'il a nommément mentionnée dans l'Ethique àNicomaque. Et qu'est-ce, son nous poietikés, quiest «supérieur en nature à tout ce qui est dansl'homme», sinon l'intuition créatrice, à qui Jac-ques Maritain a consacré un de ses meilleursouvrages. En quoi Aristote rejoint son maîtrePlaton. Pour celui-ci, en effet, la Muse, c'est-à-dire, la <folie> du poète, la raison intuitive, quiest supérieure à la raison discursive, est le plusbeau don des dieux. Et, si Platon nous proposede chasser les poètes de la Cité, c'est, vous ledevinez, par ironie socratique.

Pour Goethe et les classiques de Weimar,c'était, là, la grande leçon à tirer du miracle grec.Il y a une autre leçon qu'en tirent les militants dela Négritude et qui nous permet, à l'Université deDakar, de lire les écrivains grecs, et même latins,d'un regard neuf! C'est celle du métissage cultu-rel - biologique au demeurant, mais ceci n'estpas l'essentiel. On le sait maintenant, lorsque lesGrecs abordèrent les rives de la Méditerranée,guerriers indo-européens durs et lucides, effica-ces parce qu'organisés, ils ne trouvaient pas unvide culturel, mais une civilisation déjà brillante,qu'ils assimilèrent après l'avoir vaincue et qui futl'un des éléments de leur miracle. L'Homo me-diterraneus, qui avait créé cette civilisation, étaitun métis de toutes les races - d'Europe, d'Asie,d'Afrique - qui avaient occupé, successivement,les rivages et les îles de la Méditerranée, dont lesNégroïdes du Capsien.

*

Messieurs les Libraires allemands, si je vousai bien compris, en créant le Prix de la Paix,vous avez voulu, vous aussi, être grecs à votrefaçon, plus exactement, à celle de JohannWolfgang Goethe. C'est sans doute pourquoi,vous avez décidé de le remettre, toujours, àFrancfort-sur-le-Main, dans sa ville natale.

Je vois, dans le choix de la ville, une autresignification. Cette ville de Francfort est au mi-lieu de l'Allemagne, comme l'Allemagne aumilieu de l'Europe. Entre les Celtes et les Slaves,leurs cousins par l'âme, entre les Scandinaves,leurs frères, et les Méditerranéens, qui leurs sontcomplémentaires, les meilleurs des Allemandsont voulu, toujours, que la civilisation allemandefût un mouvement d'enracinement et d'ouvertureen même temps, ce qui est la définition même dela Culture.

Messieurs les Libraires, vous continuezcette haute tradition du génie allemand. En cou-ronnant, aujourd'hui, un homme d'Afrique, vousvoulez, à l'exemple du Gouvernement fédéral,entrer dans le vaste mouvement convergent quipousse les hommes et les nations à couvrir toutela planète d'un réseau de solidarités actives. Pourque règne la Paix.

Nous Sénégalais, nous Nord-Soudaniens,que la géographie, la préhistoire et l'histoire,enfin les races mêlées situent sous les tropiques,entre la forêt vierge et la Mer Méditerranée, il ya une génération maintenant qu'ayant analysénotre situation, nous l'avons acceptée, et décidéde jouer notre rôle de paix. A la Négritude dughetto et du ressentiment, nous voulons substi-tuer celle de l'enracinement dans l'Ur-Afrika etd'ouverture à la Méditerranée, qui est, aussi bien,le chemin de l'Asie que de l'Amérique. L'équili-bre par complémentarité des contradictions,nous avons décidé de le réaliser en chacune denos personnes, mais aussi d'aider à son accom-plissement dans chaque nation. C'est ainsi ques'édifiera, que s'édifie, déjà, par étapes, cetteCivilisation de l'Universel qui sera l'œuvre d'en-semble de toutes les civilisations différentesparce que de tous les continents, de toutes lesethnies, de toutes les nations. Quand je dis<toutes les nations>, j'entends que toutes, jus-qu'aux plus petites, choisissent, en dehors detoute ingérence des grandes puissances, leur voiede développement original. Ce qui implique leurliberté aussi bien politique que culturelle.

Mais, pour que toutes les nations, notam-ment celles du Tiers Monde, puissent apporter,au rendez-vous, toutes leurs richesses spirituel-les, toutes leurs <énergies dormantes>, il estnécessaire que la paix économique, règne,d'abord, sur la terre. C'est, là, le grand problèmede justice international que la Conférence desNations Unies pour le Commerce et le Dévelop-pement n'a pas encore résolu. Il ne peut y avoir

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la paix, parce qu'il ne peut y avoir de justice,quand un même travail, un même bien, un mêmeservice est rémunéré à des prix différents suivantqu'on est puissant ou faible, européen ouafricain, nord-américain ou latino-américain.C'est le problème de la détérioration des termesde l'échange.

Mais la cérémonie de ce matin dans la villenatale de Goethe, notre présence en Allemagnenous dit qu'il faut espérer: que, si rien n'estperdu pour la coopération culturelle - tout aucontraire -, rien non plus ne l'est pour la coopé-ration économique dans l'égalité, qui est la con-dition de celle-là. Je dis : rien n'est perdu, pasmême pour la coopération politique, malgré larumeur des armes qui, en Europe, remonte dufond des vieux ressentiments. Nous désespéronsd'autant moins de voir la paix régner sur lemonde que le Gouvernement fédéral a gardé sonsang-froid, comprenant quel était le rôle de cegrand peuple que sont les Allemands. Il a com-pris que ce rôle était de faire triompher, maisdans les conférences et assemblées internationa-les, cet idéal d'équilibre harmonieux et d'accordconciliant, pour tout dire, de paix, si heureuse-ment défini par les esprits allemands les plusgrands.

Nous savons, cependant, que cette lutte,cette croisade en faveur de la Paix requiert leconcours de toutes les nations: des petitescomme des grandes. C'est pourquoi le Sénégalest présent parmi vous. Soyez remerciés del'avoir accueilli avec tant d'honneur, mais surtouttant de fraternité.

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Léopold Sédar Senghor_________________________________Dankesrede

Die Versöhnung der Gegensätze

Zunächst möchte ich Herrn BundespräsidentLübke sagen, wie sehr es mich - mehr als ich mitWorten ausdrücken kann - bewegt, daß er heuteunter uns weilt. Ich sehe in seiner Anwesenheitdas Zeugnis einer persönlichen Freundschaft, dieich, wie er weiß, erwidere, mehr noch: das Zei-chen einer hohen gegenseitigen Wertschätzung,ja das Unterpfand einer Freundschaft zwischenunseren beiden Völkern, die sich heute voll undganz den Werken der friedlichen Zusammenar-beit widmen.

Ihnen, meine Herren Buchhändler, muß ichzugleich mit meinem Dank für die hohe Ehre,die Sie mir mit dieser Auszeichnung erweisen,auch meine Beschämung gestehen. Was Siefreundlicherweise mit diesem Preis bedenken,sind - dessen bin ich mir durchaus bewußt - we-niger meine Verdienste als meine Absichten,nicht so sehr meine Leistungen als vielmehrmeine Bemühungen. Über den Staatschef undden Mann der Feder hinaus gilt Ihre Auszeich-nung zudem auch dem senegalesischen Volk. Imselben Afrika, in dem immer noch allzuoft beiden Weißen das Rassen- und bei den Schwarzendas Stammesdenken vorherrscht, hat es diesesVolk verstanden, seine völkischen, sozialen undkulturellen Unterschiede in einer Symbiose zuüberwinden, in der sich all diese verschiedenar-tigen Reichtümer gegenseitig ergänzen.

Das alles hindert nicht, daß die heutige Feieretwas Merkwürdiges an sich hat. Da geben Sieden Friedenspreis einem ehemaligen Kriegsge-fangenen der deutschen Wehrmacht, einen Preis,der immerhin als literarischer Preis gemeint ist,einem alten Vorkämpfer der >Négritude<, derkulturellen und politischen Eigenständigkeit desNegertums. Eine wahrhaft merkwürdige Feier,die doch so gut unsere Zeit der Gewalt und Ver-wirrung und zugleich der anbrechenden Mor-gendämmerung und Klarheit kennzeichnet, diesezweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, diewir gemeinsam erleben. Seltsam also und doch

bezeichnend und nicht ohne Sinn. Denn auch inden Kriegsgedichten dieses Dichters und Gefan-genen werden Sie kein Wort des Hasses gefun-den haben. Und jener Vorkämpfer des Neger-tums legte großen Wert darauf, zugleich auchein Vorkämpfer der künftigen Weltkultur zusein.

*

Sie werden mir verzeihen, wenn ich Ihnenhier keine >Vorlesung< halte, auch wenn ichvon Beruf Lehrer und Professor bin. Ich werdeIhnen auch keinen wohlgegliederten Vortrag miteinem >erstens<, >zweitens< und >drittens<präsentieren, obwohl ich vorhabe, mit einerSynthese zu schließen. Ich vermag Ihnen heutenur von meiner, von unserer Erfahrung als Se-negalesen und Vorkämpfer des Negertums aufdem schweren, aber fruchtbaren Weg des >Ge-bens und Nehmens< zu berichten. Das ich unddas wir werden daher oft wechseln und einanderablösen, aber doch so, daß beide auf ein gemein-sames Ziel hin konvergieren. Denn im Zentrumdieses Dialogs steht eben das Problem, von demheute die Rede ist, das Problem des Friedens.Und während all dessen will ich Ihnen zugleichberichten, welche Hilfe uns auf diesem Weg dieErfahrungen Deutschlands geleistet haben.

Seit dem zweiten Weltkrieg sind wir - alleKontinente, alle Rassen und alle Völker - no-lentes-volentes, ob wir wollen oder nicht, undohne die Möglichkeit einer Umkehr in den Pro-zeß der Totalisierung und Sozialisierung derMenschheit hineingeraten, durch den diese zueinem einzigen Ganzen und einer einzigen Ge-sellschaft zusammenwächst. Schon in der Zeitzwischen den beiden Weltkriegen hat dies PierreTeilhard de Chardin vorausgefühlt, bevor uns dieAtombomben und Überschallflugzeuge, dieRaumfahrzeuge und Nachrichtensatelliten bestä-tigten, daß es keine unbekannten und keine von

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der Welt abgeschlossenen Länder mehr gibt, daßkeine Nation mehr völlig unabhängig ist, auchwenn noch manche Völker für ihre Unabhängig-keit oder schlicht und einfach für ihr Überlebenkämpfen. Aber die Herausforderungen, Span-nungen und Streitigkeiten, die Auseinanderset-zungen, die Kriege, ja die Hungersnöte wärennicht so dramatisch und zuweilen so tragisch,wenn sie sich nicht eben auf dieser Ebene derNationen, der Völkerschaften und Kontinenteabspielten. Und dies ist wiederum der Beweisdafür, daß wir uns - dank den Fortschritten derKultur, der Wissenschaften und der Technik - imLaufe dieses Jahrhunderts mit Leib und Seeleeinander geöffnet haben, daß wir einander nahe-gekommen, daß wir zusammengedrängt undmiteinander vermischt worden sind. Wir könnenaus dieser planetarischen Interdependenz, dieserplanetarischen gegenseitigen Abhängigkeit nureine einzige Lehre ziehen: daß wir uns auf dieserselben Weltebene miteinander verständigen müs-sen - im Frieden und durch den Frieden. Denndie materielle Macht der entwickelten Völker istso groß, daß sie in jedem Augenblick die ganzeMenschheit vernichten kann; und auch die un-terentwickelten Völker - die zwei Drittel derMenschheit ausmachen - verfügen über eineMacht zur Auflehnung und zum Aufstand, dienicht weniger zerstörerisch sein kann.

Aber was ist - genau besehen - eigentlich>Frieden<? Bevor ich auf diese Frage zu ant-worten versuche, möchte ich darauf hinweisen,daß der Begriff des Friedens die Grundlage derGesellschaft, ja die Grundlage der Ontologie derNord-Sudanesen bildet. In allen Sprachen mei-nes Landes geht es bei Gruß wie bei Abschiedstets und immer wieder um den Frieden: »HastDu Frieden?« begrüßen wir uns etwa. »Bleibeim Frieden!« heißt es zum Abschied.

Für den Nord-Sudanesen, ja für denSchwarzafrikaner ist Friede jedoch nicht nureine Negation, eine bloße >Abwesenheit vonKrieg<. Friede ist zunächst und vor allem einpositiver Zustand: die freie Entfaltung ausgewo-gener Beziehungen und ausgeglichener Verhält-nisse, sowohl im Innern des einzelnen Menschenwie zwischen den verschiedenen Menschen.Friede ist gleichbedeutend mit Ordnung undHarmonie. Und das griechische Wort, das ihmam besten gerecht würde, ist nicht >eiréne<(είρήυη), sondern dikaiosýne (διχαιοσύνη), die>rechte Fügung<.

Für den Schwarzafrikaner ist es somit der

Beruf des Menschen, sowohl in seinem Eigenle-ben als auch in seinem Zusammenleben mit denanderen Menschen das Erbübel wieder gutzuma-chen, das aus der mit seinem Ursprung als Men-schen zusammenhängenden Verwirrung derOrdnung entstanden ist, indem er nach dem Bei-spiel und dem Vorbild Gottes die anfänglicheOrdnung der Schöpfung neu schafft, eine Ord-nung, die Harmonie ist, weil an ihr alle Elementeder Person, der Gesellschaft, der Erde und desWeltalls im rechten Verhältnis teilhaben. DieGesellschaft lebt >im Frieden<, d.h. in einem aufder rechten Fügung ruhenden Einklang, wennalle Einzelpersonen und alle gesellschaftlichenund kulturellen Gruppen ihren gerechten Anteilan ihr haben und ihre wahre Rolle in ihr spielenkönnen. In den senegalesischen Sprachen istSchönheit gleichbedeutend mit Maß und Fü-gung, mit Gleichgewicht, Einklang und zuweilensogar Güte.

Wir gelangen so von einem ontologischenund geistig-sittlichen zu einem kulturellen Be-griff. Unter den Elementen, die eine Person, eineGesellschaft, eine Welt konstituieren, darf keineszerstört werden oder auch nur brachliegen, denndas geistige Leben - und das heißt die Kultur -besteht wie das physische Leben eben aus demfreien Spiel dieser Elemente und Kräfte, dieihrem Wesen nach stets nach Gleichgewicht,Harmonie und Schönheit streben, in welcher dasLeben des Geistes seinen vollkommensten Aus-druck findet.

*

Natürlich haben die Vorkämpfer der>Négritude<, des Negertums im oben angedeu-teten Sinn, diese Wahrheit nicht sofort und vonvornherein entdeckt. Wir waren blind gegenüberuns selbst und gegenüber den anderen durch diekoloniale Situation, die sozusagen zwei blindeFlecken in unseren Augen schuf: die Schwärenunseres Minderwertigkeitskomplexes und unse-res Ressentiments gegen die Eroberer. Durcheine jener dialektischen Wendungen, die dieKulturgeschichte ausmachen, waren es dannjedoch gerade die Kolonialländer, darunter auchIhre deutsche Heimat, die uns schließlich dieAugen öffneten. In meinem Fall freilich sind es,wie Sie wissen, zunächst die Franzosen gewe-sen.

Ein europäischer Geistlicher, der Leiter des>Collège Libermann<, eines Priesterseminars in

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Dakar, wurde nicht müde, uns immer von neuemzu wiederholen, daß unsere afrikanischen Vor-fahren keine Kultur geschaffen, sondern uns nureine >tabula rasa<, eine völlige Leere hinterlas-sen hätten, von der ausgehend man alles erst neuschaffen müsse. Die jungen Widerspruchsgei-ster, die wir damals waren, uns, die wir glaubten,ein ordentliches Leinengewand beanspruchen zukönnen, stieß er ständig auf die Ebene unseresherkömmlichen >Lendenschurzes< zurück. Dazukam dann das holzhammerartig vorgetrageneArgument, wir ließen uns von der Musik, vomKlang der Worte bezaubern, statt uns an ihreSubstanz, ihre Bedeutung zu halten - was na-türlich eindeutig bewies, daß wir keine Kulturhatten.

Ich werde dem alten Pater und Leiter unse-res Seminars nie genug dafür danken können,daß er mich zu Widerspruch und Nachdenkenzwang und damit zwar nicht dem Namen, aberdoch der Sache nach, auf den Gedanken der>Négritude<, der Eigenart und Eigenständigkeitdes Negertums, brachte. Denn ich fühlte sehrwohl, was an seinen Behauptungen wahr undwas an ihnen falsch war. Meine Eltern hattenmich ebenso wie meine Geschwister im Stolzauf ihren Namen und auf ihre Abkunft erzogen.Ich fühlte sehr wohl und hatte es in meinerKindheit erlebt und erfahren, daß hier eine ei-genständige Kultur war, eine Kultur, die ichheute zu kennzeichnen versuche als »un chevalet un fusil, une femme et une kôra*, une noix dekola« (»ein Pferd und ein Gewehr, eine Frau,eine Kora, und eine Kolanuß«).

Ich meine eine Kultur, die von feudalenStrukturen, von Gedicht und Lied und vom Han-del bestimmt ist, die Kultur des nördlichen Su-dan.

Ich hatte freilich auch in der Tat das Gefühl,daß bei uns allzuoft das Herz über den Verstandsiegte, und daß wir, wenn auch nicht ausschließ-lich, so doch zunächst und in erster Linie auf diesinnlichen Eigenschaften der Worte hörten: aufihren Klang und ihre Farbe, ihren Rhythmus undihre Struktur. Und da wir inzwischen unwider-ruflich in die Welt der europäischen Weißeneingetreten waren, beschloß ich damals, künftigalles dadurch zu begreifen, daß ich es mit demSieb des kritischen Verstandes prüfte. Meineeigenen Argumente fühlte ich zwar, fand sie aber

* Die Kora ist ein Musikinstrument zwischen Harfe undGitarre, mit dem Oden und Heldengedichte begleitetwerden.

erst später im Paris des Jahres 1928. Oder bes-ser: Nicht ich, sondern wir fanden dort dieseArgumente, denn die Erfahrung, die ich persön-lich gemacht hatte, hatten ebenso auch anderejunge Männer und Frauen in Afrika, aber auch inAmerika, machen können.

Sie können sich leicht ausmalen, welche Artvon Bildung wir in Paris im Lycée Louis-le-Grand und an der Sorbonne erhielten, mit Fä-chern wie Sprachen, Philosophie und Geschichteund mit Aufgaben wie Aufsatz und Textinter-pretation, alles in der Tradition eines Rationa-lismus, der so kritisch wie nur irgend möglichwar. Seltsamerweise kam ich jedoch gerade dortzum ersten Mal wirklich mit dem deutschenGeist in Berührung: mit deutschen Sprachfor-schern, deutschen Philosophen und deutschenHistorikern. Und interessanterweise waren es -trotz der zunehmenden Verschlechterung derdeutsch-französischen Beziehungen in den Jah-ren 1928 bis 1934 - Franzosen, d.h. meine Leh-rer, die mich lehrten, bei jenen Deutschen dieStrenge der Analyse und die Kraft der Syntheseund Zusammenschau zu erkennen und zu be-wundern. Sie mögen daraus ersehen, wie großdie intellektuelle Redlichkeit meiner Lehrer war,wobei sie freilich im Grunde ihrer Seele auchfühlten, daß der deutsche Geist und die deutscheSeele eine komplementäre Ergänzung des fran-zösischen Geistes und der französischen Seelewaren. Was ich jedoch einseitig bewunderte, warlediglich das Abstraktionsvermögen und dasdiskursive Denken, wenn auch ein wenig aus derDistanz, denn es ließ meinen Wissensdurst unge-stillt.

Erst am Ende jener Periode und am Endemeines Studiums entdeckte ich - zusammen mitanderen Kameraden - das andere Gesicht desdeutschen Geistes, der deutschen Seele im Sinnevon C. G. Jung, für den die Seele das Denkenund Fühlen zugleich umfaßt. Und es war vorallem noch später, als ich als junger Lehrer zuden Quellen zurückging und meine Studien aufvölkerkundlichem Gebiet, insbesondere im Hin-blick auf die schwarzafrikanischen Kulturen,fortsetzte. Eben damals entdeckten Paris undFrankreich von neuem die deutsche Romantik.Diese gleichzeitige Entdeckung der schwarzafri-kanischen Kulturen und der deutschen Bewe-gung des Sturm und Drang war, zumindest fürmich, von entscheidender Bedeutung für dieHerausbildung des Begriffs der Négritude.

Lehrte uns nicht der deutsche Völkerkundler

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Leo Frobenius, daß jedes Volk seine eigeneKultur besitzt, d. h. eine geistige Struktur, ausder die Gefühle und Gedanken, die Sitten undEinrichtungen, die Religion und die Kunst diesesVolkes hervorgehen? Er bewies uns, daß »dieVorstellung vom barbarischen Neger ... eineSchöpfung Europas«* ist; daß der Neger durchseine Fähigkeit gekennzeichnet ist, sich nichtvon den Tatsachen, sondern »vom Wesen derErscheinungen« bewegen zu lassen und diese ineinem »unmittelbaren, ungekünstelten und ern-sten« Stil auszudrücken; und daß im übrigen dieSeele des Negers mit der deutschen Seele ver-wandt ist. Bei der Beschreibung der Volkscha-raktere werden die Deutschen und die Schwarz-afrikaner zwar zum Beispiel bei Paul Griegerzwei verschiedenen Volkstypen zugeordnet, bei-den werden jedoch nichtsdestoweniger als we-sentliche Züge ihres Charakters eine große Fä-higkeit zur Gefühlsbewegung und eine ebensogroße Ausdruckskraft zugesprochen.

Sie werden verstehen, wie tief wir bewegtund beim Nachdenken auch stolz waren, als wirNovalis und die deutschen Dichter der Romantiklasen. Sie waren zu den germanisch-deutschenQuellen des Lieds und des Märchens zurückge-kehrt, sie besangen nach der Sonne den Mond,nach dem Tag nun auch die Nacht. Sie besangendie Erde und holten aus den Abgründen derSeele die archetypischen Bilder hervor, die ausdem Waldesdämmer der Einfühlung emporstie-gen. Nichts konnte uns stärker ermutigen, unse-ren Weg der Rück- und Heimkehr nach Ur-Afrika weiter fortzusetzen.

Der Krieg mit seinen Furien des Bruderhas-ses und seinen Hekatomben von Toten und Rui-nen sollte uns dann den Weg des wahren Frie-dens zeigen: den Weg des dynamischen, weil infriedlicher Auseinandersetzung erfolgendenAusgleichs der Gegensätze (accord dynamiqueparce que conciliant). Der Krieg, das heißt hier:die Gefangenschaft.

Als Gefangener der Deutschen mußte ichihnen notwendigerweise ins Auge blicken, michnäher mit ihnen befassen und die beiden Bildereinander gegenüberstellen, die ich mir von die-sem großen Volk gemacht hatte: das eine warein romantisches, aber übertriebenes, das andereein konkretes - ich will nicht sagen das wirkliche-, aber ein recht bedrückendes Bild. So setzte ichmeine Suche nach dem wahren Bild zwei Jahre * Leo Frobenius: Kulturgeschichte Afrikas. (l. Aufl. 1933)Zürich 1954, S. 14

lang fort, wobei sich diese zwei verschiedenenErfahrungen als recht hilfreich erwiesen, indemich zugleich die deutschen Klassiker und denkonkreten Deutschen entdeckte, auch wenn derletztere Soldat war und mich bewachen mußte.

Aber gerade in solchen Situationen, wennsich gegnerische Stämme oder Völker in un-menschlichen Systemen wie dem Krieg, derRassentrennung oder der Apartheid gegenüber-stehen, kommt die menschliche Wahrheit zutage.Die Wahrheit, daß über alle haßerzeugende ge-genseitige Unkenntnis und Furcht hinaus dieMenschen, wenn sie mit entblößter Seele einan-der ausgeliefert sind, zugleich mit dem Selbstder anderen ihr gewaltiges Bedürfnis nach ge-genseitiger Liebe, d. h. nach Brüderlichkeit ent-decken. Weswegen man die Wachen alle zweiWochen ablöste und ich seit zwanzig Jahrenvergeblich nach den Spuren von LeutnantWuttke suche, der mir zur Entdeckung von Jo-hann Wolfgang Goethe verhalf.

Diese Entdeckung war für mich von ganzentscheidender Bedeutung: einmal für das Ver-ständnis des deutschen Wesens, das heißt derdeutschen Kultur, und zweitens für die Heraus-bildung des neuen Negertums. Denn wasDeutschland betrifft, so drückt sich das wahreWesen eines Volkes in der höchsten Gestaltseines Denkens und seiner Kunst, d.h. seinesGeistes aus, in seiner Klassik, die André Gideeine >gebändigte Romantik < (un romantismedominé) nennt. Diese Formulierung erinnert anden Satz Paul Valérys: »Jede Klassik setzt einevorhergehende Romantik voraus.« Ich möchtehinzufügen: Weil jede Klassik einen Frieden imschwarzafrikanischen Sinn des Wortes darstellt,d.h. einen versöhnlichen Zusammenklang (ac-cord conciliant) zwischen verschiedenen, wennnicht gar gegensätzlichen Elementen. Was ebendie Klassiker Weimars - und Goethe besser alsjeder andere - bewiesen haben.

Wenn also Goethe ein Klassiker ist, danndeswegen, weil er zuvor an der Bewegung desSturm und Drang teilnahm, weil er zunächstRomantiker war und es in seinem Unterbewußt-sein bis zu seinem Tod geblieben ist. Romanti-ker war er, weil er der bloßen Nachahmung desFremden den Rücken kehrte und beschloß, erselbst zu sein, indem er Deutscher war, und weiler sich dabei »unmittelbar an das Volk und andas Herz des Volkes wandte, ohne den Umwegüber die Kelter der Kritik« zu gehen. Ja, er hatsich zunächst und vor allem an das deutsche

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Volk gewandt, von Herz zu Herzen gesprochen,indem er noch vor Novalis zum lebendigenQuell des Lieds und des Märchens zurückkehrte,zu den dunklen Kräften der Sehnsucht und desGefühls, wie sie sich in den aus der deutschenErde und dem deutschen Himmel erwachsenenBildern und Gleichnissen ausdrücken.

Diese Romantik ist jedoch von Goethe ineiner selten versagenden Bemühung um innereDisziplin in seiner Lebensführung und um for-male Strenge in seiner Kunst gebändigt worden,ich möchte sagen: in einer systematischen Be-mühung um die Gestalt, bei der sich der Dichternicht nur immer strengeren Regeln derSprachmelodie und des Versmaßes unterwirft,sondern die klarsten Symbole im knappstenAusdruck zu Wort bringt. Ich spreche hier vonder Dichtung als dem eigentlichen Wesen derKunst.

Wenn Goethe auf diese Weise der erste war,der Deutschland eine dieses Namens würdigeNationaldichtung schenkte, dann geschah dieseben nicht, indem er über Deutschland hinaus-ging, sondern indem er die deutsche Seele inihrer höchsten Gestalt, in der Dichtung, zu Wortbrachte. Das gilt für Goethe, aber auch für alleseine Schüler und Nacheiferer in Weimar. WieSchiller im Entwurf zu einem Gedicht über denDeutschen notierte*:

Nach dem Höchsten soll er streben;Die Natur und das Ideal.Er verkehrt mit dem Geist der Welten.

Mehr noch: Auch die Romantiker in Jenateilten das gleiche Ideal. Bei aller Verwurzelungim deutschen Wesen wollten sie doch zugleichWeltbürger sein. Sie suchten eine Welt der Kul-tur, ein Reich des edlen Wettstreits zu errichten,in das der Deutsche das Beste einbringen sollte,was er zu geben hat: Die Spannung zwischen dernachtumwobenen Erde und dem gestirntenHimmel, die Leidenschaft, die seine Sehnsuchtnach dem Absoluten besingt:

»Himmlischer, als jene blitzenden Sterne,dünken uns die unendlichen Augen, die dieNacht in uns geöffnet.«**

* Aus dem Entwurf »Deutsche Größe« von 1797. Sämtliche WerkeI, München 1958 (Große Hanser-Ausgabe), S. 476** Novalis: Hymnen an die Nacht, l. Druckfassung aus derZeitschrift »Athenäum«. Novalis Schriften I, Stuttgart (1960), S.133

Bevor ich einen Schluß aus meinen Überle-gungen zu ziehen versuche, möchte ich noch-mals auf die Harmonie der Gegensätze (l'accordconciliant) zurückkommen, die Goethe in seinerPerson zu erreichen vermochte. Ich meine hiernicht das Gleichgewicht zwischen Schriftstellerund Politiker, zwischen Künstler und Gelehrtemund nicht einmal zwischen Deutschem und Eu-ropäer, obwohl man all dies nicht übersehendarf, sondern einen noch innerlicheren, wesentli-cheren Ausgleich zwischen deutschem Wesenund Latinität oder besser zwischen Deutschtumund Griechentum: zwischen dem grünen Schat-ten der germanischen Wälder und dem blauenLicht des Mittelmeers.

*

»Jeder sei auf seine Art ein Grieche, aber ersei's«, schrieb Goethe. Seit mehr als zwanzigJahren denke ich über diese Lehre Goethes nach,und sie soll auch der Ausgangspunkt für meineSchlußüberlegungen sein.

Man hat mich auf dem Gymnasium, ja aufder Sorbonne gelehrt, daß das griechische Wun-der darin bestanden habe, durch das diskursiveDenken, das Tatsachen sucht, entdeckt und klas-sifiziert, nach einer Menschheitsgeschichte vonrund einer Million Jahren in wenigen Jahrhun-derten das ursprüngliche Dunkel der Schöpfungmit der Helle des Geistes erleuchtet zu haben.Durch das diskursive Denken, das von der Tat-sache zur Idee, vom Besonderen zum Allgemei-nen, vom Nichtwissen zur Erkenntnis der Wahr-heit fortschreitet; durch ein Denken, das somitder Ursprung der Wissenschaft, der Verwand-lung der Natur und demgemäß alles zweckmäßi-gen und erfolgreichen Handelns ist.

Das griechische Wunder besteht jedochnicht nur aus den Philosophen und Gelehrten,nicht nur aus Aristoteles und Archimedes, son-dern auch aus den griechischen Dichtern undDramatikern, auch aus einem Pindar, einemÄschylus oder einem Aristophanes. Das Wunderist eben dieses Theater, das Dichtung, und dieseDichtung, die Musik und Tanz ist, paradoxer-weise, aber nicht ohne Grund und nicht ohneSinn und Verstand (non sans raison), wie inSchwarzafrika.

Nicht ohne Sinn und Verstand, in der Tat.Schon in den Hörsälen der Universität hatten wir- und nicht nur bei Homer - die Gleichwertigkeit

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sowie die ständige Überlagerung von Gefühl undVerstand (raison), von thymós (δυµός) und nous(νούς) bemerkt. Was letzten Endes das griechi-sche Wunder ausmacht, ist - unter der Einwir-kung des logos (λόγος) - der sich in einer Sym-biose vollziehende Austausch zwischen thymös(δυµός) und nous (νούς), zwischen intuitivemVerstehen und diskursivem Begreifen. Denndieser Logos ist mehr als nur feststellende Rede(mot statique), er ist immer zugleich ein Ge-schehen der Entbergung und des entbergend-verbergenden Ausgleichs; er ist, wie MartinHeidegger, einer der Interpreten dieses Logos,gesagt hat, »die Versammlung des Seienden imGanzen«, von wo es dann nicht mehr weit zurWahrheit des Seins ist. Denn dieser Logos warbei den Griechen noch flüssige, ungeronneneRede und schöpferisches Wort.

Das Wunder besteht darin, daß die Griechennicht den Menschen verstümmelten wie die Re-naissance und die Neuzeit, die die Vorstellungvom >barbarischen Neger< in die Welt gesetzthaben, während noch Herodot die Schwarzen für>die schönsten< aller Menschen hielt und Ho-mer sie >ohne Fehl und Tadel< nannte. Daß dieGriechen den Menschen als Ganzes sahen, imGleichgewicht seiner Anlagen und im Einklangseiner Lebensäußerungen: von Leib und Seele,Ergriffenheit und eigenem Zugriff, selbstsüchti-ger Begierde und selbstloser Liebe sowie vorallem von dem am Auge und am Aussehen ori-entierten begrifflichen Vorstellen (raison-regard)und dem am Greifbaren orientierten mitfühlen-den Vernehmen (raison-toucher). Das Wunderbesteht darin, daß sie die Idee und den Begriffim Gefühl, das Gefühl im Bild und, womit allesgesagt ist, das Bewußte im Unbewußten bzw. imUnterbewußten entdeckt haben.

Denn auch Aristoteles selbst, der Vater desRationalismus, hat das anschauende, intuitiveDenken (raison intuitive) keineswegs vernach-lässigt und in seiner Nikomachischen Ethik aus-drücklich erwähnt. Und was ist sein nous poieti-kós (νούς ποιητιχός) - »seinem Wesen nach dasHöchste im Menschen« - anderes als die schöp-ferische Anschauung (intuition creatrice), derJacques Maritain eines seiner besten Werke ge-widmet hat. Wobei Aristoteles sich wieder sei-nem Lehrer und Meister Platon anschließt: Fürdiesen ist die Muse, d.h. die >Entrücktheit< desDichters, das anschauend-vernehmende Denken(raison intuitive), das über dem diskursivenDenken steht (raison discursive), das schönste

Geschenk der Götter. Daß Platon die Dichter ausseinem Staat vertreiben will, ist, wie Sie leichterraten können, nur sokratische Ironie.

Für Goethe und die Klassiker von Weimarwar dies die große Lehre, die sie aus dem grie-chischen Wunder ziehen konnten. Es gibt jedochnoch eine andere Lehre, die die Vorkämpfer derNégritude, des Negertums im oben angedeutetenSinn, aus demselben griechischen Wunder zie-hen und die uns auf der Universität Dakar er-laubt, die griechischen und sogar die lateinischenAutoren mit neuen Augen zu lesen! Ich meinedie Mischung der Kulturen (die übrigens - ob-wohl dies nicht das Wesentliche ist - zugleicheine biologische Mischung war). Wir wissenheute, daß die Griechen, als sie als harte, hell-sichtige und durch ihre Organisation erfolgreicheindoeuropäische Krieger die Küsten des Mittel-meeres erreichten, nicht eine kulturelle Leere,sondern eine schon glanzvolle Kultur vorfanden,die sie nach ihrem Sieg in sich aufnahmen unddie eine der Komponenten des griechischenWunders war. Der >homo mediterraneus<, derdiese Kultur geschaffen hatte, war ein Mischlingaus den verschiedensten - europäischen, asiati-schen und afrikanischen - Rassen, die nachein-ander die Küsten und Inseln des Mittelmeersbevölkert hatten und zu denen auch die negro-iden Träger des Capsien* gehörten.

Wenn ich Sie recht verstanden habe, meineHerren Buchhändler, dann wollten auch Sie beider Stiftung des Friedenspreises >auf Ihre Art<oder besser nach Goethes Art >Griechen sein<.Ich nehme an, daß Sie deswegen beschlossenhaben, die Verleihung des Preises regelmäßig inGoethes Geburtsstadt Frankfurt vorzunehmen.

Ich sehe jedoch in der Wahl dieser Stadtnoch einen anderen Sinn. Die Stadt Frankfurtliegt im Herzen Deutschlands, so wie Deutsch-land im Herzen Europas hegt. Eingespannt zwi-schen ihren seelischen Vettern, den Kelten undSlawen, zwischen ihren Brüdern, den Skandina-viern, und ihrer komplementären Ergänzung, denMittelmeervölkern, haben die besten VertreterIhres Vaterlandes die deutsche Kultur stets alsein gleichzeitiges Streben nach Bodenständigkeitund nach Weltoffenheit verstanden, was ja auchzugleich das Wesen aller Kultur ausmacht.

Sie, meine Herren Buchhändler, setzendiese edle Tradition des deutschen Geistes fort.

* Nordafrikanische Kulturstufe (etwa 5000-4000 v. Chr.),benannt nach dem klassischen Ort Gafsa, in der AntikeCapsa, in Südtunesien.

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Indem Sie Ihren Preis heute einem Afrikanerverleihen, schließen Sie sich, nach dem Vorbildder Bundesregierung, der umfassenden, auf eingemeinsames Ziel hin strebenden Bewegung an,die Menschen und Völker dazu veranlaßt, unse-ren gesamten Planeten mit einem Netz von wirk-samen gegenseitigen Verantwortungen und Bin-dungen zu überziehen. Damit Frieden herrsche.

Wir Senegalesen, wir Bewohner des nördli-chen Sudan, die wir durch Geographie, Vorge-schichte und Geschichte sowie nicht zuletztdurch Rassenmischung auf unseren Platz unterden Tropen, zwischen Urwald und Mittelmeerverwiesen wurden, haben schon vor einer Gene-ration unsere Situation analysiert, sie akzeptiertund beschlossen, unsere Friedensrolle zu spielen.An die Stelle einer Négritude des Ghettos unddes Ressentiments wollen wir ein Negertumsetzen, das in jenem >Ur-Afrika< verwurzelt istund zugleich zum Mittelmeer hin offen bleibt,zum Mittelmeer, das ebensowohl Brücke nachAsien wie Brücke nach Amerika ist. Und wasden Ausgleich durch eine komplementäre Ergän-zung der Gegensätze betrifft, so wollen wir die-ses Gleichgewicht jeweils als einzelne in unsselbst verwirklichen, aber zugleich auch dazubeitragen, daß jedes Volk einen solchen Aus-gleich zu erreichen vermag. Schritt für Schrittkönnen wir so in Zukunft - und ja auch schonheute - jene Weltkultur entstehen sehen, die eingemeinsames Werk aller verschiedenen Kulturensein wird, da alle Kontinente, alle Völkerschaf-ten und alle Nationen an ihr mitwirken. Wennich sage >alle Nationen<, dann meine ich, daßalle - auch die kleineren und kleinsten Nationen- ohne jede Einmischung der Großmächte selberüber ihre Entwicklung entscheiden. Ein solchereigener Weg setzt jedoch sowohl politische alsauch kulturelle Freiheit voraus.

Damit jedoch alle Völker und vor allem dieEntwicklungsvölker der sogenannten >DrittenWelt< in diese weltweite Begegnung all ihrengeistigen Reichtum und all ihre >schlafendenEnergien< einbringen können, muß zunächst aufder Erde wirtschaftlicher Friede herrschen. Hierliegt das große Problem der internationalen Ge-

rechtigkeit, das die Welthandels- und Entwick-lungskonferenz der Vereinten Nationen nochnicht gelöst hat. Es kann keinen Frieden geben,weil es keine Gerechtigkeit geben kann, solangeein und dieselbe Arbeit, ein und dasselbe Gut,ein und dieselbe Dienstleistung mit verschiede-nem Entgelt bedacht werden, je nachdem, obman mächtig oder schwach, Europäer oder Afri-kaner, Nord- oder Südamerikaner ist. Ich spre-che von dem bekannten Problem der sogenann-ten Verschlechterung der >terms of trade<, derVerschlechterung der >Handelsbedingungen<.

Aber die Feier, die heute morgen in der Ge-burtsstadt Goethes stattfindet, sowie unsere An-wesenheit in Deutschland lassen uns hoffen,sagen uns, daß ebenso, wie für die kulturelleZusammenarbeit nichts verloren ist - das Ge-genteil ist vielmehr der Fall -, wir auch dieHoffnung auf eine wirtschaftliche Zusammenar-beit zwischen gleichberechtigten Partnern - dieeine Voraussetzung für die kulturelle Zusam-menarbeit ist - nicht aufzugeben brauchen. Ichsage: nichts ist verloren, auch nicht für die poli-tische Zusammenarbeit, trotz des gegenwärtigenWaffengeklirrs, das in Europa die alten Gegen-sätze und Bitterkeiten wieder aufleben läßt. Wirgeben die Hoffnung auf einen Sieg des Friedensin der Welt um so weniger auf, als die Bundes-regierung - eingedenk der Aufgabe, die demgroßen Volk der Deutschen zufällt - ihr kaltesBlut bewahrt und gelassen reagiert hat. Sie hatbegriffen, daß die Rolle Deutschlands darin be-steht, auf den internationalen Konferenzen undVersammlungen jenem Ideal des harmonischenGleichgewichts (équilibre harmonieux) und derVersöhnung der Gegensätze (accord conciliant),mit einem Wort: dem Ideal des Friedens zumSiege zu verhelfen, das die größten deutschenGeister so zutreffend bestimmt haben.

Wir wissen freilich, daß dieser Kampf, die-ser Kreuzzug für den Frieden die Mitwirkungaller Nationen, der großen wie der kleinen, er-fordert. Deswegen ist heute auch Senegal unterIhnen vertreten. Seien Sie bedankt dafür, daß Siees so ehrenvoll, aber vor allem so brüderlichunter sich aufgenommen haben.

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