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Diskussionsbeiträge aus der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften 2/ 2015 Hendrik Kunz 1 Portfolio-Analyse Ein funktionsbasierter Ansatz aus der Unternehmenspraxis Zusammenfassung Die Portfolio-Analyse ist in der Unternehmenspraxis ein weit verbreitetes Instrument der strategischen Planung. Sie kombiniert eine Unternehmens- und eine Umweltanalyse und liefert Empfehlungen für die strategische Ent- wicklung einzelner Geschäftsfelder. Basierend auf der wohl bekanntesten Portfolio-Analyse der Boston Consulting Group, auch als BCG-Matrix be- kannt, haben sich in Theorie und Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher An- sätze entwickelt. In diesem Diskussionsbeitrag wird die Portfolio-Analyse eines deutschen Handelsunternehmens vorgestellt und diskutiert. Im Ge- gensatz zu vielen traditionellen Portfolioansätzen ist bei diesem Ansatz die unternehmensindividuelle Definition von Geschäftsbereichsfunktionen der Ausgangpunkt der Analyse. Erst im zweiten Schritt wird die Frage der Allo- kation der Geschäftsbereiche auf die zuvor definierten Funktionen gestellt. Wesentliche Stärken sowie Herausforderungen – insbesondere in der prak- tischen Anwendung – werden abschließend diskutiert. Schlagworte Geschäftsbereichssteuerung, Portfolio-Analyse, Instrumente des strategi- schen Managements, BCG-Matrix 1 Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft, Moltkestraße 30, D-76133 Karlsruhe, [[email protected]]. ISSN 2198-2015

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Diskussionsbeiträge aus der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften

2/ 2015

Hendrik Kunz1

Portfolio-AnalyseEin funktionsbasierter Ansatz aus der Unternehmenspraxis

Zusammenfassung

Die Portfolio-Analyse ist in der Unternehmenspraxis ein weit verbreitetes Instrument der strategischen Planung. Sie kombiniert eine Unternehmens- und eine Umweltanalyse und liefert Empfehlungen für die strategische Ent-wicklung einzelner Geschäftsfelder. Basierend auf der wohl bekanntesten Portfolio-Analyse der Boston Consulting Group, auch als BCG-Matrix be-kannt, haben sich in Theorie und Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher An-sätze entwickelt. In diesem Diskussionsbeitrag wird die Portfolio-Analyse eines deutschen Handelsunternehmens vorgestellt und diskutiert. Im Ge-gensatz zu vielen traditionellen Portfolioansätzen ist bei diesem Ansatz die unternehmensindividuelle Definition von Geschäftsbereichsfunktionen der Ausgangpunkt der Analyse. Erst im zweiten Schritt wird die Frage der Allo-kation der Geschäftsbereiche auf die zuvor definierten Funktionen gestellt. Wesentliche Stärken sowie Herausforderungen – insbesondere in der prak-tischen Anwendung – werden abschließend diskutiert.

Schlagworte

Geschäftsbereichssteuerung, Portfolio-Analyse, Instrumente des strategi-schen Managements, BCG-Matrix

1 Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, Moltkestraße 30, D-76133 Karlsruhe, [[email protected]].

ISSN 2198-2015

Impressum

Ausgabe: 2/2015

Herausgeber:

Fakultät für Wirtschaftswissenschaften

Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft

Moltkestraße 30 76133 Karlsruhe

http://www.hskarlsruhe.de/fakultaeten/w/lehreund-forschung/veroeffentlichungen/diskussionsbeitraegederfakultaetfuer-

wirtschaftswissenschaften.html

ISSN 2198-2015

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1 Einleitung

Große Unternehmen sind heute zu etwa 95% in strategische Geschäftsbereiche gegliedert.1 Hierbei handelt es sich um Mikrounternehmen im Unternehmen mit speziellen Produkt-Markt-Kombinationen und eigener Führungsverantwortung („Unternehmen im Unterneh-men“). Geschäftsbereiche unterscheiden sich generell sehr deutlich hinsichtlich Wachstums-raten, Ressourcenbedürfnissen und Rentabilität. Die Unternehmensleitung hat sicherzustel-len, dass sich das Portfolio der Geschäftsbereiche hinsichtlich Cashflow-Generierung und Risiken im Gleichgewicht befindet und gleichzeitig zukünftige Erfolgspotenziale erschlossen werden. Zentrale Fragen des strategischen Managements sind damit immer „in welchem operativen Geschäftsfeld operieren wir?“ und „in welchem Geschäftsfeld sollten wir in Zu-kunft sein?“2 Mit diesen Fragen ist immer auch die Allokation von finanziellen, personellen und materiellen Ressourcen auf die einzelnen Geschäftseinheiten verbunden.

Bei einem umfangreichen Portfolio mit Geschäftsbereichen in unterschiedlichen Produkten, Märkten und Technologien stellt dies eine komplexe Fragestellung dar. In der Unternehmen-spraxis haben sich zur Unterstützung des strategischen Managements bei der Bewältigung dieser Aufgabe sogenannte Portfolio-Analyse-Modelle entwickelt. Eines der ersten Portfolio-Analyse-Ansätze ist das Marktanteils-/Marktwachstums-Modell, auch als BCG-Matrix be-zeichnet, welches in den 1960er Jahren von der Boston Consulting Group entwickelt wurde. Die BCG-Matrix stellt das einfachste, aber auch am weitesten verbreitete Modell dar. Auf-grund dieser Einfachheit unterliegt die BCG-Matrix jedoch auch massiver Kritik. Im Folgen-den wurden daher neue Varianten und Weiterentwicklungen der BCG-Matrix auf den Weg gebracht, welche die zentralen Schwachpunkte überwinden sollten.

In den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gerieten Unternehmen mit breit diver-sifizierten Geschäftsbereichsportfolios zunehmend unter Druck der Kapitalmärkte. Im We-sentlichen wurde die Kritik vertreten, dass Unternehmen freie liquide Mittel vielfach in teilwei-se unrentable, unternehmensinterne Projekte steckten, anstatt sie auszuschütten. Dieser Vorwurf basiert auf der Annahme, dass der Kapitalmarkt in der Regel Kapital besser allokiert als Manager von Unternehmen.3 Eine Diversifikation in unterschiedliche Aktivitäten sollte daher auf Portfolioebene eines Investors, aber nicht auf Unternehmensebene stattfinden. Der Wert von Unternehmen mit einem breit diversifizierten Portfolio wurde in der Folge häu-fig vom Markt mit einem sogenannten Conglomerate Discount abgestraft.4 Mit einer zuneh-menden Fokussierung der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen verlor auch die Portfo-liosteuerung in Unternehmen an Bedeutung.

Die Krisen im neuen Jahrtausend haben jedoch für eine Belebung des Portfoliogedankens gesorgt. Einerseits sind Unternehmen mit einem diversifizierten Portfolio aufgrund des Diver-sifikationseffektes weit weniger in ihrer Existenz gefährdet. Zweitens hat gerade die Finanz-krise gezeigt, dass in Krisensituationen der Zugang zu Fremd- und Eigenkapitalmärkten ge-gebenenfalls deutlich erschwert wird und das Unternehmen stärker auf Eigenmittel angewie-sen ist. Ein breit diversifiziertes Portfolio kann, unabhängig von externen Finanzierungsquel-len, wichtige Wachstumsprojekte absichern.5 Mit der Renaissance der Portfoliosteuerung

1 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.74 2 Vgl. Matzker/Müller/Mooradian, 2013, S.108 3 Vgl. Nippa/Pidun/Rubner, 2011, S.53 4 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.221ff; Hungenberg, 2012, S.506ff 5 Vgl. Hutzschenreuter, 2009

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rücken auch wieder die Portfolio-Analyse-Ansätze in den Fokus. Im Rahmen dieses Beitra-ges wird der Portfolio-Ansatz eines großen deutschen Handelsunternehmens vorgestellt und diskutiert. Ausgangpunkt des Ansatzes ist – im Gegensatz zu den klassischen Portfolioan-sätzen – die Definition von Funktionen. Erst im zweiten Schritt wird die Frage der Allokation von Geschäftsbereichen auf die einzelnen Funktionen behandelt.

2 Portfolio-Analyse als Instrument der strategischen Planung

2.1 Ressourcenallokation als zentrale Aufgabe der strategischen Planung

Die strategische Planung lässt sich mit der Gesamtunternehmensebene und der Geschäfts-bereichsebene grundsätzlich in zwei Planungsstufen unterscheiden. Auf Gesamtunterneh-mensebene werden die zu bearbeitenden Geschäftsbereiche (Portfolioselektion) sowie die entsprechende Zuweisung von Ressourcen zu diesen Unternehmenseinheiten (Ressour-cenallokation) festgelegt.6 Auf der Geschäftsbereichsebene steht die Festlegung der Wett-bewerbsstrategie für einen einzelnen Geschäftsbereich im Vordergrund. Hierbei geht es also beispielsweise darum, überlegene Produkte einzuführen, Marktanteile zu erringen oder eine attraktive Preispolitik zu erreichen.7

Die Gliederung eines Unternehmens in einzelne Geschäftsbereiche hat sich heute in großen und mittleren Unternehmen überwiegend durchgesetzt.8 Mit einer Segmentierung versuchen Unternehmen die Heterogenität der verschiedenen Geschäftsaktivitäten und der damit ver-bundenen Komplexität besser Rechnung zu tragen.9 Geschäftsbereiche10 sind „nichts ande-res als Zentren für integrierte Maßnahmen, die eine bestimmte Produktlinie, einen bestimm-ten Markt oder ein bestimmtes Arbeitsgebiet betreffen; sie sind gleichsam „Mikrounterneh-men“ im Unternehmen mit eigener Führungsverantwortung, die auf spezifischen Märkten operieren, die Bedürfnisse bestimmter Kundengruppen erfüllen und mit genau identifizierba-ren Konkurrenten im Wettbewerb stehen.“11 Gemäß der Geschäftsfeldabgrenzung nach A-bell sind bei der Bildung von Geschäftsbereichen insbesondere die angebotene Leistung (Customer Functions), der bearbeitete Markt (Customer Groups) sowie die verwendete Technologie (Alternative Technologies) zu berücksichtigen.12 Ein Geschäftsbereich muss hierbei nicht zwingend mit einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft übereinstimmen. So ist in der Unternehmenspraxis durchaus üblich, dass eine Tochtergesellschaft mehrere Geschäftsbereiche aufweist.

Der Leiter eines Geschäftsbereichs operiert für sein Geschäft wie ein Unternehmer mit ent-sprechender Verantwortung für die Ergebnisentwicklung. Dazu erhält er Ressourcen (v.a. Kapital) sowie den Zugang zu Kompetenzen der Zentralfunktionen (z.B. IT-Knowhow, For-schung & Entwicklung), verpflichtet sich im Gegenzug zur Nutzung von Synergien mit ande-ren Geschäftsbereichen und hat die Strategie mit der Unternehmensleitung abzustimmen.

6 Vgl. Steinmann/Schreyögg, 2005, S.170, 7 Vgl. Rall/König, 2005, S.14f 8 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.74 9 Vgl. Paul/Wollny, 2011, S.199 10 Auf eine Unterscheidung zwischen den Begriffen Geschäftsbereich, Geschäftseinheit und Geschäftsfeld wird in

diesem Beitrag verzichtet. Vgl. hierzu: Paul/Wolny, 2011, S.200 11 Hinterhuber, 2011, S.74 12 Vgl. Abell, 1980, S.30

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Die Aufgabe der Unternehmensleitung ist es, die „Geschäfts- und Zentralbereiche zu einem handlungsfähigen Ganzen zusammenzuführen“.13 Hierbei sieht sich die Unternehmenslei-tung der Herausforderung konfrontiert, einerseits flexible, autonom entscheidende Organisa-tionseinheiten zu errichten, die mit einer schnellen Anpassungs- und Reaktionsgeschwindig-keit auf Umweltveränderungen reagieren und nicht durch lange Entscheidungs- und Koordi-nationswege belastet werden. Andererseits ist jedoch auch eine gewisse übergreifende Steuerung der Geschäftsbereiche im Hinblick auf das Gesamtergebnis sicherzustellen. Da-mit liegt ein schwieriger Balanceakt zwischen zentraler Steuerung und dezentraler Verant-wortung vor.

Die Unternehmensleitung hat insbesondere sicherzustellen, dass das Unternehmen als Ganzes überlebensfähig ist. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Be-rücksichtigung der Insolvenztatbestände (Illiquidität und Überschuldung nach §§ 17-19 In-sO). Nur auf Gesamtunternehmensebene lassen sich existenzgefährdende Risiken sowie die finanziellen Freiheitsgrade beurteilen. Der Allokation von finanziellen, materiellen und perso-nellen Ressourcen auf die verschiedenen Geschäftseinheiten kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.14 Ressourcen sind vor allem den Geschäftseinheiten zuzuführen, in denen die Marktaussichten günstig sind und aufgrund der Kernkompetenzen eine Position der Stär-ke herrscht. Fehlallokationen der (knappen) Ressourcen können, wenn überhaupt, nur schwer revidiert werden und gefährden möglicherweise den Unternehmensfortbestand.

2.2 Portfolio-Analyse auf Basis der BCG-Matrix

Ein weit verbreitetes Instrument der Unternehmensleitung im Rahmen der strategischen Pla-nung ist die Portfolio-Analyse. Sie kombiniert eine Umwelt- und Unternehmensanalyse und liefert Hinweise für die Strategiewahl von Geschäftsaktivitäten.15 Das hierbei am häufigsten eingesetzte Instrument ist das Marktwachstums-/Marktanteils-Portfolio, das Ende der 1960er Jahre von der Boston Consulting Group (BCG) entwickelt wurde.16 Aus diesem Grund wird im Folgenden kurz auf diesen Ansatz eingegangen.

Kern des Marktwachstums-Marktanteils-Portfolios, auch als BCG-Matrix bezeichnet, ist die Einsortierung der strategischen Geschäftsbereiche nach einer unternehmensinternen und unternehmensexternen Dimension.17 Wie der Name des Ansatzes bereits ausdrückt wird die externe Dimension der Portfolioanalyse über das Marktwachstum belegt. Üblicherweise wird das Marktwachstum als prozentuale Steigerung des Marktes ausgedrückt, indem ein Ge-schäftsbereich operiert. Der Marktanteil eines Geschäftsbereichs repräsentiert die interne Dimension. Generell wird zu dessen Ermittlung der eigene Marktanteil in Bezug zum Markt-anteil des stärksten Konkurrenten gesetzt.18

Auf Basis dieser beiden Dimensionen können alle Geschäftsbereiche in eine zweidimensio-nale Matrix eingetragen werden. Üblicherweise werden die beiden Dimensionen in zwei Ab-stufungen unterteilt, d.h. für jede Dimension liegt damit die Ausprägung hoch und niedrig vor. Damit ergeben sich insgesamt vier mögliche Felder für die Einsortierung der Geschäftsberei-che (siehe Abbildung 1).

13 Bühner, 2004, S.141 14 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.169 15 Vgl. Bea/Haas, 2009, S.146 16 Vgl. Weber/Schäffer, 2014, S.402 17 Vgl. Hungenberg/Wulf, 2011, S.117f 18 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.170

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Abbildung 1: BCG-Matrix

Die vier Felder der BCG-Matrix bestimmen die strategische Positionierung des Geschäftsbe-reichs. Es werden unterschieden:19

• Question Marks: Geschäftsfelder liegen in Märkten mit hohen Wachstumschancen,allerdings niedrigem Marktanteil. Aufgrund des erwarteten starken Marktwachstumsoperiert der Geschäftsbereich in einem attraktiven Marktumfeld. Andere Wettbewerberhaben jedoch eine bessere Marktpositionierung. Es gilt für die Aktivitäten in diesemFeld zu überprüfen, ob hohe Investitionen zu tätigen sind, um die vermeintlich schwä-chere Ausgangsposition kompensieren zu können.

• Stars: In diesem Segment befinden sich Aktivitäten mit hohem Marktanteil in einemschnell wachsenden Markt. Zur Sicherung bzw. zum weiteren Ausbau der eigenenMarktposition sind allerdings hohe Investments erforderlich. Idealerweise entwickelnsich diese Hoffnungsträger zu zukünftigen Marktführern mit entsprechender Cashflow-Generierung.

• Poor Dogs: Bei diesen Geschäftsbereichen liegt eine schwache Wettbewerbspositionin einem unattraktiven Markt vor. Damit liegt die ungünstigste aller Kombinationen vor.Für diese Aktivitäten ist auf jeden Fall über ein Desinvestment nachzudenken, d.h.Verkauf oder Schließung.

• Cash-Cows: Diese Aktivitäten weisen einen hohen Marktanteil in einem gesättigtenMarkt auf. Aufgrund der guten Marktposition (Erfahrungskurveneffekt) sind sie in derLage, positive Erträge und Überschüsse zu erwirtschaften, die wiederum für andereAktivitäten (v.a. Stars) genutzt werden können. Aufgrund des Reifegrads des Marktessind Investitionen nur sehr gezielt einzusetzen.

Mit der Einsortierung in die verschiedenen Matrixfelder ist eine klare Empfehlung hinsichtlich der Kapitalallokation (Normstrategie) verbunden. Tabelle 1 fasst die Matrixfelder hinsichtlich der Investitionsstrategie sowie der Fähigkeit zur Cashflow-Generierung zusammen:

19 Vgl. Hendersen, 2008, S.1

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Tabelle 1: Implikationen für die Felder der BCG-Matrix20

Bei einem großen Geschäftsbereichsportfolio werden sich üblicherweise Aktivitäten in allen Feldern befinden. Aus Gesamtunternehmenssicht ist hierbei entscheidend, dass sich ein ausgeglichenes Portfolio an Cashflow-generierenden und Cashflow-zehrenden Aktivitäten bildet. Überwiegen die Cashflow-zehrenden Aktivitäten, z.B. durch hohe Investitionen in Stars und Question Marks, so könnte gegebenenfalls ein Liquiditätsproblem auf das Unter-nehmen zukommen.

2.3 Kritische Würdigung der BCG-Matrix sowie Weiterentwicklungsansätze

In der Praxis überzeugt die BCG-Matrix insbesondere als wirkungsvolles Kommunikations-instrument. In einfacher und übersichtlicher Weise lassen sich die Geschäftseinheiten in un-terschiedliche Felder kategorisieren. Auf dieser Basis kann analysiert werden, ob sich das Unternehmen in einem ausgewogenen Zustand befindet. Hierbei ist vor allem von Bedeu-tung, dass sich junge, risikoreiche Geschäftsbereiche und reife, risikoarme Geschäftsberei-che die Waage halten.21

Mit der Einteilung in die unterschiedlichen Quadranten der Matrix ist ebenfalls eine konkrete strategische Implikation verbunden, d.h. die Unternehmensleitung erhält eine klare Hand-lungsempfehlung hinsichtlich Investitionen bzw. Desinvestitionen für die einzelnen Ge-schäftsbereiche.22

Die große Popularität der BCG-Matrix ist mit der deutlichen Informationsverdichtung und Komplexitätsreduktion verbunden, die eine Orientierung bei der von Komplexität geprägten strategischen Planung liefert.23 Gerade diese Informations- und Komplexitätsreduktion ist jedoch wiederum auch der Ausgangspunkt für umfangreiche Kritik. Auszugsweise soll auf einige wesentliche Aspekte eingegangen werden.

Ein wesentlicher Kritikpunkt ist in der Reduktion des Ansatzes auf lediglich zwei Beurtei-lungskriterien zu sehen. Weber/Schäffer sprechen in diesem Zusammenhang richtigerweise von einer „radikalen“ Vereinfachung der für den Markterfolg wichtigen Faktoren.24 So wird die Marktattraktivität allein durch das Marktwachstum bestimmt. Sicherlich müssen hier weitere

20 In Anlehnung an Hungenberg/Wulf, 2011, S.119 21 Vgl. Hungenberg/Wulf, 2011, S.119 22 Vgl. Drews, 2008, S.52 23 Vgl. Drews, 2008, S.52 24 Vgl. Weber/Schäffer, 2014, S.403

Investitionen Netto-Cashflow

Question marksNiedrig oder hoch(in Abhängigkeit der jeweiligen Entscheidung)

Positiv oder negativ(in Abhängigkeit der jeweiligen Entscheidung)

Stars Hoch Null oder leicht negativ

Poor Dogs Sehr niedrig Positiv

Cash-Cows Niedrig Stark positiv

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Faktoren herangezogen werden, wie z.B. die absolute Marktgröße, die Wettbewerbsstruktur, Preiselastizität, etc. Gleiches gilt für die interne Dimension. Der Marktanteil als Maß für die interne Wettbewerbsstärke orientiert sich stark an dem Erfahrungskurvenkonzept, welches eine hohe Korrelation zwischen relativem Marktanteil und Rentabilität unterstellt. Diese Be-trachtung fokussiert stark auf eine Kostenführerschaft; Differenzierungs- und Nischenstrate-gien finden keine Berücksichtigung.25

Darüber hinaus erscheint die Skalierung der beiden Achsen in hoch und niedrig willkürlich.26 Es gibt keinen objektiven Maßstab zur Festlegung eines hohen und niedrigen Marktwachs-tums bzw. Marktanteils. In der Literatur wird häufig vorgeschlagen, die Trennlinie am erwar-teten Wachstum des realen Bruttosozialproduktes auszurichten.27 Je nachdem, wie diese Linie gezogen wird, kann dies massive Konsequenzen für die einzelnen Geschäftseinheiten besitzen. Beispielsweise kann eine Aktivität durch leichte Verschiebung zur Beurteilung des Marktwachstums von einem Star (hohe Investitionen) in das Feld Cash Cow (niedrige Inves-titionen) rutschen.

Des Weiteren unterstellt das Konzept voneinander unabhängige Geschäftseinheiten, was in der Praxis üblicherweise nicht der Fall ist. In der Praxis zeigen sich in der Regel vielfältige wechselseitige Leistungsbeziehungen zwischen den Geschäftsbereichen. So können bei einem Ausstieg eines Unternehmensteils aus einem Markt andere Geschäftseinheiten nega-tiv betroffen sein.28

Ferner setzt das Modell voraus, dass für jede Geschäftsaktivität ein eindeutiger Markt defi-niert werden kann, d.h. dass Märkte klar umrissen sind. So zeigt sich beispielsweise im Dis-tanzhandel eine große Problematik bei der Abgrenzung der Märkte. Händler unterscheiden sich beispielsweise hinsichtlich der bespielten Vertriebskanäle (Online, Katalog, Stationär), der fokussierten Kundengruppe sowie der regionalen Ausbreitung.

Vor dem Hintergrund der z.T. massiven Kritikpunkte aus Theorie und Praxis wurden über die letzten Jahrzehnte zahlreiche Weiterentwicklungen der BCG-Matrix vorgenommen.29 Einige der zentralen Kritikpunkte wurden beispielsweise von der Marktattraktivitäts-/Geschäftsfeldstärken-Portfolio aufgenommen, die von McKinsey und General Electric entwi-ckelt wurden. Die einzelnen Dimensionen werden nicht in zwei sondern in drei Abstufungen unterteilt, wodurch sich insgesamt neun Felder mit unterschiedlichen Normstrategien erge-ben. Darüber hinaus werden die externe und die interne Dimension über mehrere Faktoren erklärt: Die interne Dimension berücksichtigt beispielsweise die relative Produktqualität, Marktanteil, Vertriebsstärke, F&E-Stärke. Bei der externen Dimension fließen Marktwachs-tum, Marktgröße, Marktqualität, Markteintrittsbarrieren in die Beurteilung ein. Weitere Portfo-liokonzepte fokussieren bei der Kategorisierung der Geschäftsbereiche auf Ressourcenstär-ke (z.B. Geschäftsfeld-Ressourcen-Portfolio30, Technologieportfolio31).

Gemeinsam ist den Portfolio-Ansätzen, dass Kriterien festgelegt werden, die eine Einteilung von strategischen Geschäftseinheiten in bestimmte Kategorien ermöglichen. Diese Katego-rien wiederum liefern dem Management konkrete Handlungsempfehlungen hinsichtlich der

25 Vgl. Macharzina/Wolf, 2010, S.362f 26 Vgl. Johnson/Scholes/Whittington, 2011, S.348 27 Vgl. Drews, 2008, S.50 28 Vgl. Matzler/Müller/Mooradian, 2013, S.113 29 Zu einer umfangreichen Übersicht zu Portfolio-Konzepten: vgl., Bea/Haas, 2009, S.159ff 30 Vgl. Albach, 1979, S.702 31 Vgl. Pfeiffer/Metze/Schneider/Amler, 1991, S.85ff

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Allokation von Ressourcen. Wichtig ist hierbei, dass Portfolio-Ansätze immer nur ein unter-stützendes Instrument der Unternehmensführung hinsichtlich der generellen strategischen Stoßrichtung eines Geschäftsbereichs darstellen können. Eine detaillierte strategische Pla-nung der einzelnen Aktivitäten können sie nicht ersetzen.

3 Portfoliosegmentierung im Rahmen einer funktionsbasierten Portfolio-Analyse

3.1 Definition geeigneter Portfoliofunktionen

Der Ausgangspunkt der traditionellen Portfolio-Konzepte ist die Definition bestimmter Dimen-sionen, auf deren Basis die Positionierung der Geschäftsbereiche stattfindet. Die klassischen Portfolio-Analyse-Ansätze beschränken sich hierbei auf zwei Dimensionen, so dass sich die Positionierung anschaulich in einer 2-dimensionalen Matrix visualisieren lässt. Die Lage des Geschäftsbereichs in der Matrix bestimmt letztlich die Normstrategie.

Im Folgenden soll nun der Portfolio-Ansatz eines großen, deutschen Handelsunternehmens vorgestellt werden.32 In diesem Portfolio-Ansatz ist nicht die Definition von Dimensionen der Ausgangspunkt, sondern die Funktionen der Geschäftsbereiche innerhalb des Unterneh-mens (funktionsbasierter Portfolio-Ansatz). Der erste Schritt ist folglich die Festlegung und Beschreibung geeigneter Funktionen von Geschäftsbereichen. Es geht um die Frage, wel-chen Beitrag steuert ein Geschäftsbereich zum Erfolg des Gesamtunternehmens bei. Erst nach Klärung dieser Frage, ist die Problematik der Allokation der einzelnen Geschäftsberei-che des Portfolios auf die definierten Funktionen zu diskutieren.

Die Festlegung der Portfoliofunktionen der Geschäftsbereiche obliegt letztlich der Unterneh-mensführung und muss sich an der Unternehmenssteuerung orientieren. Beispiele für klas-sische Portfoliofunktionen sind das Kerngeschäft, das Finanzierungsgeschäft und das Wachstumsgeschäft:

• Das Kerngeschäft stellt das Fundament des Unternehmens dar. Geschäftsaktivitäten in diesen Funktionen sorgen für die wesentliche Ertrags- und Cashflow-Generierung des Unternehmens. In einem ausgewogenen Portfolio müssen sich ausreichend viele Akti-vitäten in diesem Bereich befinden, um die Ertrags- und Cashflow-zehrenden Ge-schäftsmodelle (z.B. Anlaufinvestments) finanzieren zu können.

• Bei dem Finanzierungs- bzw. Abschmelzungsgeschäft handelt es sich um Geschäfts-modelle, die sich in der Regel am Ende ihres Lebenszyklus befinden. Es ist demzufol-ge von einem schrumpfenden Markt auszugehen. Investitionen werden hier (wenn überhaupt) nur sehr selektiv getroffen und dienen dazu, möglichst viel Ertrag und Cashflow aus dem Geschäft herauszuziehen.

• Im Wachstumsgeschäft befinden sich Aktivtäten, die in einem sehr attraktiven Markt operieren. Hier lohnen Investitionen, um sich eine starke Wettbewerbsposition zu erar-beiten. Das Wachstumsgeschäft entwickelt sich idealerweise in der Zukunft in ein Kerngeschäft und sichert somit die Ertrags- und Cashflow-Fähigkeit in der Zukunft. Das Wachstumsgeschäft zeichnet sich gegenwärtig durch einen hohen Cashflow-Bedarf aus.

32 Der Verfasser war an der Entwicklung des Portfolio-Konzeptes beteiligt.

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Bei diesen Funktionen zeigen sich gewisse Ähnlichkeiten zu der Klassifizierung von Ge-schäftsbereichen gemäß BCG-Matrix. Das Kerngeschäft ähnelt den „Cash-Cows“ der BCG-Matrix, während das Wachstumsgeschäft mit den „Stars“ vergleichbar ist. Einem Unterneh-men ist es jedoch grundsätzlich freigestellt, weitere Funktionen zu schaffen bzw. Funktionen weiter zu differenzieren. So hat sich beispielsweise das dem hier beschriebenen Ansatz zu-grunde liegende Handelsunternehmen entschieden, das Wachstumsgeschäft einer Tochter-gesellschaft in zwei Kategorien aufzuteilen: Einerseits in vollständig neu gegründete Aktivitä-ten („Anlaufinvestments“) und andererseits in Aktivitäten, die ihr bestehendes Geschäftsmo-dell (z.B. durch Auslandsexpansion) deutlich ausbauen möchten („Think-Big-Aktivitäten“). Neben einer weiteren Differenzierung des Wachstumsgeschäfts ist ebenso denkbar, dass eine Unternehmensführung die Funktion des Abschmelzungsgeschäfts vermeiden möchte, da dies durchaus demotivierende Effekte für die betroffenen Einheiten nach sich ziehen könnte.

Unabhängig von der Auswahl und Definition der Portfoliofunktionen wird jedes Unternehmen immer auch Geschäftsbereiche in seinem Portfolio besitzen, welche sich aktuell nicht zufrie-denstellend entwickeln. Für diese Geschäftsbereiche hat das Unternehmen zwei Möglichkei-ten: restrukturieren oder desinvestieren.

• Entscheidet sich das Unternehmen zur Restrukturierung, so wird der Geschäftsbereich weiterhin als wichtiger Bestandteil des Portfolios erachtet. Die Aktivität ist neu aufzu-stellen, so dass sie wieder ihrer angedachten Funktion im Portfolio nachkommt. Bei-spielsweise ist ein Geschäftsbereich aus dem Kerngeschäft so zu restrukturieren, dass wieder ausreichend Ertrag bzw. Cashflow erzielt wird. Ein Geschäftsbereich aus dem Wachstumsgeschäft muss durch eine Neuausrichtung wieder in der Lage sein, die Umsatzziele zu erreichen Alle in Restrukturierung befindlichen Unternehmen werden zum Turnaroundgeschäft zusammengefasst.

• Schließlich gibt es Aktivitäten, die perspektivisch nicht im Portfolio gesehen werden. Dies kann einerseits daran liegen, dass es sich hierbei um Verlustgesellschaften han-delt und die Chancen auf einen Turnaround gering sind. Andererseits kann sich die Un-ternehmensleitung aus diversen Gründen (z.B. Risikogesichtspunkten) zur Trennung von profitablen Geschäftsmodellen entscheiden. Beide zusammen ergeben das Desin-vestmentgeschäft.

Mit der Einteilung der Geschäftsbereiche in die einzelnen Funktionen werden konkrete Auf-gaben induziert. Nachfolgende Tabelle fasst für die oben dargestellten Portfoliofunktionen die Aufgabe noch einmal zusammen:

Tabelle 2: Aufgabe der einzelnen Portfoliofunktionen

Kerngeschäft Finanzierungs-geschäft

Wachstums-geschäft

Turnaround-geschäfts

Desinvestment-geschäft

Aufgabe

Nachhaltige Generierung von Ergebnis und Cashflow

Finanzierung von Wachstums- und Turnaround-geschäft

Generierung von Umsatzwachstum

Restrukturierung: Entwicklung zu Kern- oder Wachstums-geschäft

zukünftig keine Aufgabe im Portfolio

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3.2 Kriterienauswahl zur Bestimmung der Portfoliofunktionen

Im Anschluss an die Definition der Portfoliofunktionen stellt sich die Frage, mit Hilfe welcher Kriterien Geschäftsbereiche einer Portfoliofunktion zuzuordnen sind. Alleine die beiden Krite-rien der BCG-Matrix (Marktwachstum und relativer Marktanteil) werden für diese Aufgabe als deutlich zu schlicht erachtet. Letztlich müssen die Kriterien bei der Beantwortung der folgen-den Fragen behilflich sein:

• Für die Beurteilung hinsichtlich des Wachstumsgeschäfts: Besitzt das Geschäftsmodell ein ausreichendes Wachstumspotenzial, d.h. sind Voraussetzungen gegeben, die in der Zukunft ein deutliches Umsatzwachstum erwarten lassen? Falls ja, ist im nächsten Schritt zu überprüfen, ob der Geschäftsbereich dieses Potenzial aktuell auch nutzt.

• Für die Beurteilung des Kern- bzw. Finanzierungsgeschäfts: Wird gemäß aktueller Aus-richtung der Aktivität eine angemessene Ertrags- bzw. Cashflow-Generierung erzielt?

• Für die Beurteilung des Turnaround- bzw. Desinvestmentgeschäfts: Lässt sich ein in Schieflage befindliches Geschäftsmodell restrukturieren? Sollte die Aktivität im Portfo-lio des Unternehmens verbleiben?

Zur Beantwortung dieser Fragen sind verschiedene Kennzahlen bzw. Kriterien heranzuzie-hen. Im Folgenden werden die zentralen Kriterien des beschriebenen Handelsunternehmens aufgeführt. Hierbei wurde entschieden, die verschiedenen Kriterien in folgende drei Hauptkri-terien zusammenzufassen:

• Hauptkriterium Marktpotenzial: Das erste Hauptkriterium bezieht sich auf die Attraktivi-tät des Markts, in dem ein Geschäftsbereich tätig ist. Hierbei spielt analog zur BCG-Matrix das erwartete Marktwachstum eine wesentliche Rolle. Neben dem reinen Marktwachstum soll ebenfalls beurteilt werden, inwiefern Gegebenheiten vorliegen, zu-künftig ausreichend Ertrag und Cashflow in diesem Markt erzielen zu können (z.B. Be-urteilung der Markteintrittsbarrieren). Auch die Wettbewerbsposition des Geschäftsmo-dells im Vergleich zu den Konkurrenten fließt in die Beurteilung ein. Ferner wird die Bedeutung der Aktivität für die übrigen Geschäftsbereiche bewertet, d.h. existieren po-tenziell Mehrwert schaffende Funktionen für andere Geschäfte.33

• Hauptkriterium Umsatzpotenzial: Erfasst wird hierbei die zu erwartende, zukünftige Umsatzentwicklung eines Geschäftsbereichs gemäß der aktuellen strategischen Posi-tionierung. In der Unternehmenspraxis kann auf die Planungen der Geschäftsbereiche zurückgegriffen werden (z.B. 3-Jahresplanung). Zu berücksichtigen ist hierbei aller-dings, dass von den operativen Einheiten die eigene Entwicklung überwiegend zu posi-tiv eingeschätzt wird, so dass gegebenenfalls Abschläge von der originären Planung vorgenommen werden müssen. Von der Unternehmensführung sind zentrale Vorgaben festzulegen, ab wann von einem hohen bzw. einem niedrigen Umsatzwachstum zu sprechen ist (z.B. hohes Wachstum entspricht einer Umsatzwachstumsrate größer 10%). Von Geschäftsbereichen mit einem guten Marktpotenzial wird auch ein hohes Umsatzwachstum erwartet, d.h. es findet eine Überprüfung statt, inwiefern die hervor-ragenden Marktbedingungen (Hauptkriterium 1) aktuell genutzt werden.

33 Weitere Kriterien zu Marktattraktivität: vgl. Hinterhuber, 2011, S.173ff

10

• Hauptkriterium Ergebnis- und Cashflow-Potenzial: Mithilfe dieser Dimension wird beur-teilt, inwiefern ein Geschäftsbereich gemäß aktueller strategischer Ausrichtung in der Lage ist, zukünftig einen Beitrag zur Ergebnis-, Cashflow bzw. Wertgenerierung des Konzerns zu liefern. Auch hier findet ein Rückgriff auf die (gegebenenfalls um Abschlä-ge reduzierte) Planung statt. Für die einzelnen Ergebnis- und Cashflow-Kennzahlen (z.B. EBIT, FCF, EVA) müssen analog zum Umsatzpotenzial konkrete Bewertungs-grenzen vorgegeben werden. So kann für eine Geschäftseinheit beispielsweise nur dann eine positive Bewertung der Dimension vergeben werden, wenn eine bestimmte Mindest-EBIT-Rendite erzielt wird. Die Zielvorgabe für Ergebnis und Cashflow muss sich hierbei an Risikoaspekten orientieren. Von Geschäftsbereichen mit einem hohen Risiko ist grundsätzlich auch ein höheres Ergebnis (bzw. Cashflow) zu erwarten.34

3.3 Allokation der Geschäftsbereiche auf die Portfoliofunktionen

Für jede Geschäftseinheit eines Unternehmens sind anschließend die einzelnen definierten Kriterien zu bewerten. Organisatorisch können hierbei mehrere Abteilungen eingebunden sein, was maßgeblich von der Organisation des Unternehmens abhängt. Üblicherweise wird das Controlling als auch die Strategieabteilung in die Bewertung einbezogen. Während bei-spielsweise die Strategieabteilung den Fokus auf die Kriterien des Marktpotenzials legt, be-schäftigt sich das Controlling mit der Einschätzung hinsichtlich Ertrags-, Cashflow- und Um-satzpotenzial. Sind mehrere Abteilungen in den Prozess der Kriterienfestlegung eingebun-den, ist eine enge abteilungsübergreifende Abstimmung sicherzustellen.

Abbildung 2 zeigt beispielhaft die Festlegung der Kriterien bzw. Dimensionen für einen be-stimmten Geschäftsbereich (Spalte 3). Für jedes Kriterium werden bei diesem Ansatz ledig-lich drei mögliche Ausprägungen zugelassen (hoch, mittel und niedrig).

Abbildung 2: Beispiel zu Festlegung der Kriterienausprägungen für einen Geschäftsbereich

Nach diesem Beurteilungsschritt ergibt sich für jeden Geschäftsbereich ein individuelles Pro-fil, welches eine Aussage hinsichtlich Markt-, Umsatz- und Ergebnis- bzw. Cashflow-Potenzial ermöglicht. Dieses Profil kann nun die Basis für einen Analysten zur Zuordnung 34 Vgl. Kunz, 2009, S.7ff

(1) (2) (4)

Hauptkriterium Unterkriterium hoch (+) mittel (o) niedrig (-)Gesamtbeurteilung des Hauptkriteriums

Marktwachstum x

Wettbewerbsumfeld x

Marktpositionierung x

Wertbeitrag im Portfolio x

etc.

Umsatz-potenzials

Umsatzwachstum x hoch (+)

Ergebnis (z.B. EBIT) x

Cashflow (z.B. FCF) x

Werteitrag (z.B. EVA) x

etc. x

Markt-potenzial hoch (+)

niedrig (-)

Beurteilung von Geschäftsbereich ...

Ergebnis- und Cashflow-potenzial

(3)

11

eines Geschäftsbereichs zu einer bestimmten Portfoliofunktion darstellen. Der Vorteil eines solchen Ansatzes besteht darin, dass keine weitere Aggregation erforderlich ist und damit auch kein Informationsverlust in die Bewertung einfließt. Andererseits wäre die Allokation durch die Einschätzung des Analysten stark subjektiv geprägt und damit Diskussionspunkt von Geschäftsbereichsleitern, insbesondere dann, wenn sich der eigene Geschäftsbereich nicht in der gewünschten Portfoliofunktion befindet.

Im beschriebenen Handelsunternehmen wird der Versuch unternommen, diesen Allokations-prozess zu objektivieren. Hierzu wird zunächst einmal für jedes Hauptkriterium auf der Basis der Unterkriterien eine Gesamtbeurteilung ermittelt (siehe Spalte 4 in Abbildung 2). Als un-terstützendes Instrument zur Bestimmung der Gesamtbeurteilung eines Hauptkriteriums bie-tet sich die Verwendung einer Nutzwertanalyse an, bei der jedem Unterkriterium eine be-stimmte Gewichtung zugewiesen wird.35 Durch diesen Aggregationsschritt liegen jetzt für einen Geschäftsbereich drei Hauptkriterien mit jeweils drei möglichen Ausprägungen vor.

Trotz dieses Aggregationsschrittes sind die Geschäftsbereiche nicht in einer zweidimensio-nalen Matrix (siehe BCG-Matrix) darzustellen. Allerdings lassen sich die verschiedenen Vari-anten mithilfe eines Baumdiagramms veranschaulichen. Mit drei Hauptkriterien und drei Ausprägungen ist die Anzahl maximaler Kombinationen mit insgesamt 33 = 27 noch über-sichtlich und lässt sich anschaulich graphisch darstellen. Da nicht alle Kombinationen für die Zuordnung zu Portfoliofunktionen erforderlich sind, reduziert sich der Kriterienbaum auf 15 Kombinationen (Abbildung 3).

Abbildung 3: Zuweisung der Portfoliofunktion mit Hilfe des Kriterienbaumes

Bei den Geschäftsbereichen, die kein hohes Marktpotenzial aufweisen (mittlerer und rechter Ast des Baums), interessiert die Dimension Umsatzpotenzial nicht. Eine Aussteuerung dieser Geschäftsfelder auf Wachstum ist nicht sinnvoll. Damit kann hier lediglich die Fokussierung auf das Kerngeschäft bzw. Finanzierungsgeschäft gerichtet sein. Daher überspringt der mitt-lere und rechte Ast des Baumes das Kriterium Umsatzpotenzial. Für jede der 15 sich erge-

35 Zu Nutzenwertanalyse vgl. beispielweise Jung, 2010, S.75f

+ o -

+ o -

+ o - + o -+ o -+ o -

1. Markt-potenzial

2. Umsatz-potenzial

3. Ergebnis-Cashflow-potenzial+ o -

Zuordnung von Portfoliofunktionen zu den 15 Kombinationen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

12

benden Kombinationen gilt es anschließend eine Portfoliofunktionen zuzuweisen. Beispiel-haft wird dies für die folgenden Kombinationen erläutert:

• Kombination 1: Für diesen Geschäftsbereich liegt ein hohes Marktpotenzial vor, wel-ches gemäß aktueller Ausrichtung auch hohe Wachstumsraten erwarten lässt. Damit sind diesen Aktivitäten die Funktion „Wachstum“ zuzuweisen. Besonders erfreulich ist, dass es diesen Geschäftsbereichen - trotz eines starken Wachstums - gelingt, ein po-sitives Ergebnis- und Cashflow-Potenzial aufzuweisen. Derart hervorragende Ge-schäftsbereiche werden aber (wenn überhaupt) nur in begrenztem Umfang vorliegen.

• Kombination 7: Das hohe Marktpotenzial kann von dem Geschäftsbereich nicht genutzt werden. Allerdings weist der Geschäftsbereich ein gutes Ertrags- und Cashflow-Potenzial auf. Hier muss letztlich die Unternehmensführung entscheiden, ob die Aktivi-tät hin zu stärkerem Wachstum restrukturiert oder weiterhin als Kerngeschäft ausge-steuert werden soll.

• Kombination 10: Hierbei handelt es sich um ein klassisches Kerngeschäft, da hier ein gutes Ertrags- und Cashflow-Potenzial vorliegt. Aufgrund des durchschnittlichen Marktpotenzials entfällt die Funktion „Wachstum“. Auch Abschmelzungsgeschäft ist auszuschließen, da diese Funktion eher von rückläufigem Geschäft, d.h. niedrigem Marktpotenzial, ausgeht.

In ähnlicher Weise sind alle 15 Kombinationen durchzudeklinieren. Letztlich steht damit hin-ter jeder Kombination eine Portfoliofunktion. Mit der Ermittlung der Kriterienkombination ei-nes Geschäftsbereiches wird damit auch die Portfoliofunktion festgelegt. Damit füllen sich nach und nach die „Töpfe“ für Kerngeschäft, Finanzierungsgeschäft, Wachstumsgeschäft, Turnaroundgeschäft und Desinvestmentgeschäft.

Auch wenn die vorgestellte Portfolio-Analyse im Vergleich zur BCG-Matrix deutlich differen-zierter ausgestaltet ist, so bleibt doch anzumerken, dass es sich um ein festes Bewertungs-schema handelt, welches in bestimmten Fällen gegebenenfalls zu „unglücklichen“ Ergebnis-sen führen kann. Vor dem Hintergrund der umfangreichen Konsequenzen für die einzelne Aktivität ist es daher erforderlich, jede einzelne Zuweisung von Portfoliofunktionen zu Ge-schäftsbereichen noch einmal kritisch von der bewertenden Institution und der Unterneh-mensleitung zu hinterfragen.

4 Steuerungsansätze auf Basis der funktionsbasierten Portfolio-Analyse

4.1 Graphische Analyse der Struktur des Geschäftsbereichsportfolios

Eine wesentliche Stärke der BCG-Matrix liegt in der übersichtlichen Darstellung des Portfo-lios durch Anordnung aller Geschäftsbereiche in der zweidimensionalen Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix. Eine derartige Darstellung ist mit dem oben diskutierten Portfolioansatz nicht möglich. Gleichwohl kann auch bei diesem Ansatz die Portfoliostruktur anschaulich verdeutlicht werden. Im einfachsten Fall wird die Anzahl der Geschäftsbereiche in den ein-zelnen „Töpfen“ Kerngeschäft, Finanzierungsgeschäft, Wachstumsgeschäft, Turnaroundge-schäft und Desinvestmentgeschäft aufaddiert (vgl. Abbildung 4).

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Abbildung 4: Verteilung der Geschäftsbereiche über die Portfoliofunktionen

So zeigt sich etwa im Beispiel aus Abbildung 4, dass im Kerngeschäft die meisten Ge-schäftsbereiche (repräsentiert durch Punkte) vorliegen. Gleichzeitig existiert eine große An-zahl an Restrukturierungsfällen.

In einem nächsten Schritt lässt sich die Bedeutung von Geschäftsbereichen durch einen Gewichtungsfaktor in die Betrachtung einbeziehen. Als Gewichtungsfaktor kann beispiels-weise der Umsatz dienen. In nachfolgender Abbildung 5 wurden die Umsätze aller Ge-schäftsbereiche einer Portfoliofunktion aufaddiert und die entsprechenden Anteile am Ge-samtumsatz in einem Kreisdiagramm dargestellt. Dargestellt sind zwei unterschiedliche Sze-narien:

Abbildung 5: Umsatzverteilung der Portfoliofunktionen nach zwei Szenarien

Aus der Umsatzverteilung der einzelnen Portfoliofunktionen lassen sich Schlussfolgerungen hinsichtlich der Struktur des aktuellen Portfolios ziehen:

• In Szenario 1 liegt ein hoher Anteil des aktuellen Geschäfts im Kerngeschäft. Damit wird voraussichtlich ein hoher Ertrag und Cashflow realisiert. Es ist zu erwarten, dass damit die Wachstumsaktivitäten sowie die Restrukturierungsaktivitäten finanziert wer-den können. Kritisch zu hinterfragen ist, inwiefern das aktuelle Portfolio geeignet ist, auch zukünftig erfolgreich zu sein. Der Anteil der Gesellschaften im Wachstumsge-schäft ist verhältnismäßig gering und das Kerngeschäft befindet sich überwiegend in gesättigten oder gar rückläufigen Märkten. Die zentrale Frage von Szenario 1 lautet: „Bin ich mit diesem Portfolio auch zukünftig noch wettbewerbsfähig?“

Kern-geschäft

Wachstums-geschäft

Turnaround-geschäft

Desinvestment-geschäft

Finanzierungs-geschäft

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• Das Portfolio des Szenarios 2 ist sehr stark von Wachstumsgesellschaften geprägt. Da Wachstum in der Regel immer auch hohe Investitionen erfordert, stellt sich die Frage, ob im dargestellten Portfolio das umsatzseitig verhältnismäßig kleine Kerngeschäft die-se Investitionen finanzieren kann. Darüber hinaus ist ebenfalls mit hohen Auszahlun-gen für die Restrukturierungen der Turnaroundaktivitäten (z.B. umfangreiche Abfin-dungszahlungen) zu rechnen. Bei diesem Szenario lautet daher die zentrale Frage „Kann ich mir dieses Wachstum (und die Restrukturierungsmaßnahmen) aktuell leis-ten?“

Abbildung 5 verdeutlicht die Struktur des Portfolios zu einem bestimmten Zeitpunkt, bei-spielsweise für das aktuelle Geschäftsjahr. Allerdings lässt sich diese Portfoliodarstellung auch auf die zukünftige Jahre übertragen. Auf Basis der Planung der einzelnen Geschäftsbe-reiche kann die Umsatzentwicklung in den einzelnen Portfoliofunktionen der nächsten Jahre verdeutlicht werden. Damit erhält die Portfolio-Analyse einen dynamischen Aspekt, in dem die Unternehmensleitung die Umsatzentwicklung der Portfoliofunktionen im geplanten Zeit-ablauf analysieren kann. Analog zum Umsatz lassen sich auch andere Steuerungskennzah-len nach Portfoliofunktionen darstellen. So ist sicherlich ebenfalls interessant, welchen Cash-flow-Bedarf die Wachstumsgesellschaften in den kommenden Jahren gemäß Planung benö-tigen und welchen Anteil davon das Finanzierungsgeschäft voraussichtlich abdecken kann.

Graphische Darstellungen zu den Portfoliofunktionen unterstützen das Aufdecken von Schieflagen im Portfolio. Der große Nutzen liegt hierbei in der sehr anschaulichen und damit leicht zu kommunizierenden Präsentation der Ergebnisse. Eine tiefergehende Analyse ist allerdings unabdingbar. Die graphisch aufbereiteten Portfolio-Analysen stellen damit insbe-sondere einen wichtigen ersten Ausgangspunkt für weiterführende Untersuchungen dar.

4.2 Integration der Portfoliosegmentierung in einen Portfoliomanagementzyk-lus

Ein wesentlicher Vorteil einer Vergabe von Portfoliofunktionen besteht darin, dass hiermit eine konkrete Steuerungsempfehlung für die Geschäftsbereiche verbunden ist. Die Ge-schäftsbereichsleitung muss dafür sorgen, dass die von ihr verantwortete Aktivität die zuge-wiesene Funktion im Portfolio ausfüllt. Dies lässt sich in einem nächsten Schritt mit exakten Zielvorgaben für jeden Geschäftsbereich konkretisieren. So erhalten Aktivitäten im Kernge-schäft beispielsweise Vorgaben hinsichtlich der zukünftigen Ertrags-, Cash- bzw. Wertgene-rierung. Der Fokus bei den Wachstumsaktivitäten liegt hingegen im Wesentlichen auf Um-satzzielen. Diese Ziele sollten von der Unternehmenszentrale vorgegeben, d.h. Top-down, definiert werden. Damit wird sichergestellt, dass die Zielsetzungen aller Teilbereiche mit der Zielsetzung des Gesamtunternehmens übereinstimmen.

Den Geschäftsbereichen obliegt es, die Planungsvorgabe stufenweise in detailliertere Teil-pläne umzusetzen.36 Aufgabe auf der Ebene der Geschäftsbereiche ist es folglich, geeignete Strategien und Maßnahmen zu finden, mit deren Hilfe das Geschäft in die vorgegebene Richtung gelenkt wird. Diese Strategien und Maßnahmen sind die Basis für die geschäftsbe-reichsspezifische Planung. Die Aggregation der Planungen der einzelnen Gesellschaften mündet schließlich in der Gesamtunternehmensplanung (Bottom-up-Planung).

36 Vgl. Schierenbeck/Wöhle, 2012, S.148

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Insgesamt liegt damit ein geschlossener Portfoliomanagementzyklus vor. Der Zuweisung von Portfoliofunktionen zu Geschäftsbereichen (Portfoliosegmentierung) folgen die portfolioab-hängigen, zentralen Zielvorgaben (Top-Down-Vorgaben). Auf Basis dieser Ziele erstellen die einzelnen Geschäftsbereiche wiederum ihre Planungen, die zur Gesamtunternehmenspla-nung aggregiert werden (Bottom-up-Planung). Der Abgleich von Zielvorgabe und geplantem Ergebnis eines Geschäftsbereichs fließt wiederum in die Überprüfung der Portfoliofunktion (Portfolio-Segmentierung) in der Folgeperiode ein (Abbildung 6).

Abbildung 6: Portfoliomanagementzyklus

Im beschriebenen Handelsunternehmen findet die Ermittlung der Zielvorgaben im Zeitraum August-September durch das zentrale Beteiligungscontrolling statt. Diese Zielvorgaben ba-sieren zum einen auf den zugeordneten Portfoliofunktionen, berücksichtigen zum anderen aber auch die Planungen und Ist-Werte der vergangenen Jahre. Die Bestimmung der Ziel-vorgaben unterliegt hierbei einem iterativen Prozess: Zunächst werden für jeden Geschäfts-bereich die Vorgaben unabhängig voneinander abgeleitet. Die Aggregation der Zielvorgaben aller Geschäftsbereiche zeigt, ob sich das Gesamtergebnis mit der Erwartungshaltung der Unternehmensführung deckt. Ist dies nicht der Fall, muss der Anspruch an die Zielvorgaben erneut angepasst werden.

Spätestens Ende September werden die von der Unternehmensführung verabschiedeten Zielvorgaben an die Geschäftsbereiche kommuniziert. Die Geschäftsbereiche wiederum le-gen die Zielvorgaben ihrem Planungsprozess zugrunde, der von Oktober bis Dezember reicht. Das Ergebnis dieser Planung wird von Januar bis Februar in den Konzernfunktionen analysiert und fließt in die Überprüfung und gegebenenfalls Neuklassifizierung der Portfolio-funktionen im nachfolgenden Geschäftsjahr ein.

4.3 Herausforderungen in der praktischen Anwendung

Mit der Zuweisung von Portfoliofunktionen und konkreten Zielvorgaben zu den Geschäftsbe-reichen wird versucht, die dezentralen Planungen in Richtung der Gesamtunternehmensziele zu lenken. Nur so können unternehmensübergreifende Ertrags- und Cashflow-Ziele erreicht werden. Darüber hinaus kann den Insolvenztatbeständen (Überschuldung und Zahlungsun-fähigkeit) frühzeitig durch entsprechende Steuerungsmaßnahmen begegnet werden. Bei

Top-Down-Vorgabe

Bottom-Up-Planung

Portfolio-Segmentierung

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drohenden Zahlungsengpässen ist beispielsweise eine deutliche Zielverschiebung von Um-satz in Richtung Cashflow denkbar.

Den offensichtlichen Vorteilen dieser Portfoliosteuerung stehen in der praktischen Anwen-dung jedoch einige Herausforderungen gegenüber:

• Hierbei ist zunächst auf den Prozess der Portfoliosegmentierung einzugehen. Mithilfe der definierten Kriterien, der Verdichtung der Kriterien zu den drei Dimensionen sowie dem Allokationsprozess (Kriterienbaum) wird versucht, eine möglichst objektive Zuwei-sung der Portfoliofunktionen auf die Geschäftsbereiche zu erzielen. Gleichwohl fließen an unterschiedlichen Stellen subjektive Komponenten in den Prozess ein. Dies betrifft sowohl die Bewertung der einzelnen Kriterien (insbesondere der qualitativen Marktkri-terien) als auch die Verdichtung der Kriterien zur Gesamtbeurteilung einer Dimension. Eine gewisse Subjektivität kann jedoch durchaus von Vorteil sein, wenn dadurch das volle Expertenwissen des Bewertenden in die Beurteilung einfließt und sich die Portfo-lioallokation nicht auf eine „rein automatische Berechnung“ reduziert. Gleichwohl stellt die subjektive Komponente den Ausgangspunkt für kontroverse Diskussionen dar.

• Abhängigkeiten zwischen Geschäftsbereichen (z.B. Risikodiversifikationseffekte) las-sen sich nur schwer über Kriterien erfassen. Die abgeleiteten Portfoliofunktionen (v.a. das Desinvestmentgeschäft) sind am Ende der Portfoliosegmentierung noch einmal kri-tisch vor diesem Hintergrund zu analysieren.

• Mit der zentralen Vorgabe von Portfoliofunktion und konkreten Ziele werden gleichzei-tig die unternehmerischen Entscheidungen des Managements vor Ort begrenzt. Die Geschäftsbereichsleitung wird im Wesentlichen daran gemessen, inwiefern es ihr ge-lingt, Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung der zentralen Zielsetzung zu entwi-ckeln. Das kreative, unternehmerische Potenzial des Managements vor Ort wird teil-weise kanalisiert.

• Zwischen der Unternehmens- und der Geschäftsbereichsleitung können unterschiedli-che Einschätzungen hinsichtlich der zukünftigen Funktion des Geschäftsbereichs im Portfolio vorliegen. Werden die Geschäftsbereichsverantwortlichen gegen ihre Über-zeugung in eine bestimmte Portfoliofunktion „gezwungen“, so kann dies dort demotivie-rende Effekte auslösen. Umso wichtiger ist es, in diesem Fall die Entscheidung hin-sichtlich der Portfoliofunktion ausführlich zu erläutern und transparent zu machen.

• Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass insbesondere dann Konflikte zu Tage treten, wenn einem Geschäftsbereich die Funktion Kerngeschäft zugewiesen wird, das Ma-nagement vor Ort das Geschäft aber auf Wachstum aussteuern möchte. Die Funktion Kerngeschäft wird in diesem Fall von der Geschäftsbereichsleitung als Abstufung ge-genüber dem Wachstumsgeschäft wahrgenommen. Auch hier ist eine intensive Kom-munikation zwischen den Prozessbeteiligten erforderlich.

• Die Portfoliosteuerung unterstellt, dass Aktivitäten klar in Funktionen unterschieden werden können. So ist jedoch durchaus denkbar, dass Tochtergesellschaften, die als eigener Geschäftsbereich geführt werden, sowohl ein Kerngeschäft (z.B. gesättigter In-landsmarkt) als auch ein Wachstumsbereich (z.B. Auslandsaktivitäten in Emerging Markets) besitzen. Für eine präzise Steuerung muss das Geschäft der Tochtergesell-schaft in zwei Aktivitäten mit eigener Portfoliofunktion getrennt werden. Hierzu müssen

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die Controlling-Abteilungen der Tochtergesellschaften eigene Kennzahlenkränze für diese Aktivitäten bereitstellen. Insbesondere wenn das ausländische Wachstumsge-schäft über das inländische Kerngeschäft gesteuert wird, können hier möglicherweise nicht die erforderlichen Datenumfänge vorliegen.

5 Fazit

Die Portfolio-Analyse wird, trotz mancher Rückschläge in der Vergangenheit, weiterhin ein wichtiges Instrument der strategischen Planung bleiben. Auch wird es in Theorie und Praxis immer wieder zu neuen Entwicklung bzw. Anpassungen bestehender Ansätze kommen. Im Rahmen dieses Beitrages wurde die funktionsbasierte Portfolio-Analyse eines Handelsunter-nehmens vorgestellt. Ein wesentlicher Unterschied zu den klassischen Ansätzen ist hierbei, dass die Unternehmensführung frei über die Definition der Portfoliofunktionen entscheiden kann und nicht in vordefinierte Funktionen eines bestimmten Konzeptes gezwungen wird (z.B. 4-Felder der BCG-Matrix).

Für die Zuweisung von Portfoliofunktionen zu Geschäftsbereichen muss im Unternehmen ein Prozess etabliert werden, der für alle wichtigen Aktivitäten des Unternehmens durchlaufen wird. Der in diesem Beitrag vorgestellte Allokationsprozess stützt sich auf eine transparente, dreistufige Vorgehensweise. Ausgangspunkt ist die Definition von Portfoliofunktionen (z.B. Kern-, Finanzierungs-, Wachstums-, Turnaround- und Desinvestmentgeschäft). Im nächsten Schritt werden die Kriterien definiert, welche für eine Portfoliosegmentierung von Bedeutung sind. Die Zuordnung der Geschäftsbereiche zu den Portfoliofunktionen in Abhängigkeit ihrer Kriterienausprägung erfolgt schließlich über einen Kriterienbaum. Die hier vorgestellten Krite-rien zur Herleitung der Portfoliofunktionen lassen sich unternehmensindividuell anpassen, was die hohe Flexibilität des Ansatzes unterstreicht.

Auf Basis der Portfoliosegmentierung lassen sich diverse graphische Portfolio-Darstellungen ableiten, aus denen Ansatzpunkte für Schieflagen ersichtlich werden. Die Darstellungen stel-len darüber hinaus ein geeignetes Kommunikationsinstrument der Ergebnisse dar. Bei An-zeichen für Fehlentwicklungen müssen gleichwohl tiefergehende Analysen vorgenommen werden. Die Portfolio-Analyse stellt folglich eine „Diagnosetechnik“ dar und liefert den Anstoß bzw. den Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen.37

Ausgehend von den Portfoliofunktionen lassen sich in einem nächsten Schritt top-down-definierte Zielvorgaben den Geschäftsbereichen zuteilen. Damit können die dezentralen Pla-nungen der Geschäftsbereiche in Richtung einer unternehmensübergreifenden Zielvorgabe (z.B. Mindestanforderungen an Ergebnis und Cashflow) gelenkt werden. Die Herausforde-rung besteht hierbei insbesondere in dem Finden eines Kompromisses zwischen der schöp-ferischen, unternehmerischen Freiheit der Geschäftsbereichsleitung und der Lenkung durch zentrale Vorgaben.

37 Vgl. Nippa/Pidun/Rubner, 2011, S.64

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